Sonderausschuss „Zum Tod des Mädchens Chantal“ - SPD

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Sonderausschuss „Zum Tod des Mädchens Chantal“ - SPD
Hamburgische Bürgerschaft – Sonderausschuss „Zum Tod des Mädchens Chantal“ (20/3870)
Sitzung am 22. Oktober 2013
Gemeinsames Petitum der Abgeordneten der SPD-, CDU-, Grünen- und FDP- Fraktionen im
Sonderausschuss.
Der Sonderausschuss „Zum Tod des Mädchens Chantal“ empfiehlt der Bürgerschaft von seinen
Beratungen Kenntnis zu nehmen und wie folgt zu beschließen:
1) Inhaltliche Weiterentwicklung des Pflegekinder- und Pflegeelternwesens in Hamburg
Der Senat wird aufgefordert, ein umfassendes Pflegekinderkonzept zu erarbeiten, in dessen
Kontext auch eine, über die konkrete Fachanweisung hinausgehende, so genannte
„Arbeitshilfe“ für die bezirklichen Jugendämter entstehen soll. Hierbei soll auch das Thema
„Verwandtenpflegeverhältnisse“ einbezogen werden. Eckpunkte sollen u.a. sein: Formen der
Vollzeitpflege und Definitionen, die Regelungen und Abläufe für die Unterbringung von
Hamburger Pflegekindern bei auswärtigen Pflegefamilien, die Besonderheiten bei
Verwandtschaftspflegen, Besonderheiten bei Bereitschaftspflege, Arbeit mit der
Herkunftsfamilie („Eltern ohne Kind“), Unterstützungsangebote für Pflegeeltern durch die
bezirklichen Jugendämter und Freie Träger, Informationen zur Arbeit des Pflegeelternrates,
Richtlinien zur Gestaltung des Anbahnungsprozesses etc.. Der Entwurf dieses
Rahmenkonzeptes soll dem Familien-, Kinder- und Jugendausschuss der Bürgerschaft
vorgelegt werden.
2) Arbeit der Jugendhilfeinspektion – Prüfungsergebnisse und Auswertung
Die zuständige Behörde – die BASFI - hat eine Jugendhilfeinspektion eingerichtet (Siehe Drs.
20/6190 samt Anlage). Diese Jugendhilfeinspektion hat im Frühjahr 2013 in zwei Hamburger
Bezirken – Harburg/Süderelbe und Billstedt-West/Horn - ihre Arbeit aufgenommen. Die
Jugendhilfeinspektion prüft einerseits nach einem festgelegten Arbeitsplan, andererseits
anlassbezogen die Abläufe in den Dienststellen der bezirklichen Jugendämter und im FIT
(Familieninterventionsteam).
2.1. Der Senat wird aufgefordert, die Prüfungsergebnisse bzw. eine Auswertung der
Jugendhilfeinspektionen der beiden Probebezirke im Familien-, Kinder- und Jugendausschuss
vorzustellen. Die Auswertung beinhaltet auch die eingeleiteten Maßnahmen in den Fällen, in
denen Unterstützungsbedarfe erkannt wurden.
2.2. Der Senat wird aufgefordert, bezüglich der Arbeit der Jugendhilfeinspektion ein
standardisiertes Berichtswesen zu entwickeln und der Bürgerschaft zwei Mal in der
Legislaturperiode über die relevanten Ergebnisse und die daraus resultierenden Maßnahmen
zu berichten.
3) Zusammenarbeit zwischen Jugendämtern und Freien Trägern in der Jugendhilfe
3.1. Der Senat wird aufgefordert, unter Einbeziehung der bezirklichen Jugendämter
gemeinsame Standards für das Vorbereitungsverfahren und das Berichtswesen in der
Pflegekinderhilfe zu definieren. Dazu gehört die Festschreibung einheitlicher
Dokumentationspflichten für die Aktenführung.
3.2. Der Senat wird aufgefordert, einen standardisierten Vertrag für die einheitliche
Einbeziehung Freier Träger in das Pflegekinderwesen zu entwerfen, damit das
Leistungsspektrum der Träger vergleichbar wird. Die Einbindung muss verbunden sein mit
einem Prozess der Qualitätsentwicklung, sowie mit klaren vertraglichen Regelungen und
Aufgabenbeschreibungen für die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und Freien Trägern.
3.3. Der Senat wird aufgefordert zu prüfen, wie das, für die Jugendämter eingeführte,
Qualitätsmanagementsystem auch auf Freie Träger der Jugendhilfe übertragen werden kann.
4) Qualitäts- und Beschwerdemanagement
Der Senat wird aufgefordert, bezüglich der Umsetzung des Qualitätsmanagements und des
Beschwerdemanagements für die Jugendämter ein Berichtswesen zu entwickeln - auch zur
Unterrichtung der Bürgerschaft.
5) Personalentwicklung: Einarbeitung und Fortbildung in den Pflegekinderdiensten (PKD)
5.1. Der Senat wird aufgefordert, spezielle Einarbeitungsschulungen und
Fortbildungsangebote für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflegekinderdienste
bereitzuhalten.
5.2. Der Senat wird aufgefordert, in den bezirklichen Jugendämtern und beim
Pflegekinderdienst standardisierte Prozesse zur Akten- und Fallübergabe bei längerer
Abwesenheit oder Ausscheiden von Mitarbeiter/innen zu definieren und zu etablieren, um
das Entstehen von Unzuständigkeiten im PKD und ASD auszuschließen. Auch bei
vorübergehender Vertretung muss eine aktive Fallführung erfolgen.
5.3. Der Senat wird aufgefordert, die Pflegekinderdienste zu stärken und in das
Personalbemessungssystem einzubeziehen.
6) Der Senat wird aufgefordert, der Bürgerschaft bis zum 30.06.2014 zu berichten.
BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
20. Wahlperiode
Drucksache
20/3870
18.04.12
Antrag
der Abgeordneten Dr. Andreas Dressel, Dr. Melanie Leonhard, Peri Arndt,
Matthias Czech, Gunnar Eisold, Hildegard Jürgens, Barbara Nitruch,
Frank Schmitt, Carola Thimm, Carola Veit (SPD) und Fraktion
der Abgeordneten Dietrich Wersich, Christoph de Vries, Dr. Friederike Föcking,
Dennis Gladiator, Birgit Stöver, Viviane Spethmann (CDU) und Fraktion
der Abgeordneten Christiane Blömeke, Heidrun Schmitt, Anja Hajduk,
Jens Kerstan, Antje Möller (GAL) und Fraktion
der Abgeordneten Finn-Ole Ritter, Katja Suding, Dr. Thomas-Sönke Kluth,
Anna-Elisabeth von Treuenfels, Robert Bläsing (FDP) und Fraktion
Betr.:
Einsetzung eines Sonderausschusses
Die Bürgerschaft möge beschließen:
„Gemäß § 52 Absatz 3 ihrer Geschäftsordnung setzt die Bürgerschaft einen Sonderausschuss „Zum Tod des Mädchens Chantal“ ein.
Der Ausschuss hat den Auftrag,
• Defizite im Handeln staatlicher Stellen, die zum Tod Chantals führten, aufzuzeigen
und dabei insbesondere das Versagen von Kontrollsystemen, den Umgang mit
Hinweisen von Dritten auf Kindeswohlgefährdung und die Zusammenarbeit mit
dem Leistungserbringer zu untersuchen;
• die von der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) eingeleiteten und angekündigten Maßnahmen zur Neugestaltung des Pflegekinderwesens,
zur Einführung eines Risikomanagements, eines Beschwerdesystems sowie die
Einführung einer Jugendhilfeinspektion zu beraten und zu bewerten;
• die Zusammenarbeit der Allgemeinen Sozialen Dienste mit freien Trägern der Jugendhilfe bei der Erbringung von Hilfen zur Erziehung auf Optimierungspotenziale
hin zu überprüfen und
• bis zum Herbst 2013 Empfehlungen zur Verbesserung des Schutzes von Pflegekindern in Hamburg vorzulegen.
Der Ausschuss besteht aus elf Mitgliedern. Die Zahl der ständigen Vertreter richtet
sich nach § 52 Absatz 1 Satz 4 der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft.“
Fachanweisung Pflegekinderdienst
A. Einleitung
B. Regelungsgegenstand
C. Zuständigkeiten
D. Aufgaben und Regelungen
D. 1.
D. 2
Durchführung des Bewerbungsverfahrens für Vollzeitpflege im Rahmen der
Hilfen zur Erziehung gemäß § 27 i.V.m. § 33 SGB VIII
D. 1.1. Ausschlusskriterien im Kontext der Eignungsfeststellung von Pflegeelternbewerbern
D. 1.2. Eignungskriterien im Kontext der Eignungsfeststellung von Pflegeelternbewerbern
D. 1.3. Eignungsfeststellung bei Verwandten und sogenannten Nachvollzügen
im Kontext von Hilfen gemäß § 33 SGB VIII
D. 1.4. Eignungsfeststellung bei Pflegepersonen für Kinder mit Eingliederungsbedarf nach SGB XII
Beratung und Begleitung des Pflegekindes
D. 3
Beratung und Begleitung der Pflegeperson
D. 4
Kooperation mit der Herkunftsfamilie
D. 5
Kooperation mit der sorgeberechtigten Person
D. 6
Kooperation mit dem ASD
D. 7
Erteilen einer Pflegeerlaubnis nach § 44 SGB VIII
D. 8
Schutz des Pflegekindes nach § 37 (3) SGB VIII und Risikoeinschätzung im
Kontext des § 8a SGB VIII
E. Organisation des Pflegekinderdienstes als Fachdienst
E. 1.
Koordinationsstelle Pflegekinderdienst
E. 2
Zentrale Pflegestellenvermittlung (ZPV)
E. 3.
Arbeitsgruppe Pflegekinderdienst
E. 4
Aufgabenübertragung an freie Träger der Jugendhilfe
F. Laufzeit
1
Fachanweisung Pflegekinderdienst
A. Einleitung
Die Pflegekinderhilfe nach dem SGB VIII umfasst die Vollzeitpflege als vom Jugendamt geplante Hilfe zur Erziehung gemäß § 27 i.V.m. § 33 SGB VIII, die erlaubnisfreie Verwandtenpflege sowie die gemäß § 44 SGB VIII erlaubnispflichtige Aufnahme von Kindern in den eigenen Haushalt.
Alle Personen, die ein Kind in ihren Haushalt aufnehmen wollen, haben vor und während der
Aufnahme eines Pflegekindes Anspruch auf Beratung und Unterstützung durch das Jugendamt (§ 37 Abs. 2 SGB VIII). Das Jugendamt muss dabei sicherstellen, dass eine dem Wohl
des Kindes oder des Jugendlichen förderliche Erziehung durch die Pflegeperson gewährleistet wird.
Im Rahmen von Hilfen zur Erziehung soll Kindern und Jugendlichen mit einer Vollzeitpflege
ermöglicht werden, unter den Voraussetzungen des § 33 SGB VIII außerhalb ihres Elternhauses in familialen Bezügen aufzuwachsen.
Auch wenn das SGB VIII Kinder und Jugendliche nicht als Anspruchsberechtigte der Hilfe
zur Erziehung versteht, so stehen sie dennoch im Mittelpunkt aller Bemühungen und sind
entsprechend ihrem Entwicklungsstand in alle Entscheidungen des Jugendamtes einzubeziehen. Dabei haben sie gemäß § 8 SGB VIII das Recht, sich in allen Fragen der Erziehung
an das Jugendamt zu wenden.
Durch das gemeinsame Handeln der Fallführenden Fachkraft im ASD und dem Pflegekinderdienst unter Einbeziehung der Pflegeeltern und Pflegekinder soll eine Hilfeplanung sichergestellt werden, in der die Perspektive zwischen Rückkehr in die Herkunftsfamilie und
Sicherung des neuen Lebensortes in Vollzeitpflege rechtzeitig getroffen und im Hilfeverlauf
gestützt wird.
Bei auf Dauer angelegten Pflegeverhältnissen hat die Unterstützung und Sicherung der Bindung zwischen Pflegekindern und Pflegeeltern im Hilfeverlauf hohe Priorität.
B. Regelungsgegenstand
Die Fachanweisung legt einheitliche Regeln für die Erfüllung der jugendamtlichen Aufgaben
des Pflegekinderdienstes (PKD) in den Bezirksämtern fest. Sie umfasst die Aufgabenbeschreibung, Entscheidungs- und Verfahrensregeln des PKD.
Sie wird um Dokumente wie Fachkonzepte, Arbeitsrichtlinien für Einzelaufgaben und Vorlagen ergänzt, die in einem Anhang der Fachanweisung beigefügt werden.
C. Zuständigkeiten
Der PKD stellt den Anspruch aller Pflegepersonen auf Beratung und Unterstützung vor der
Aufnahme des Kindes oder Jugendlichen und während der Dauer des Pflegeverhältnisses
gemäß § 37 SGB VIII sicher, unabhängig davon, ob diese Pflegepersonen
•
•
Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII leisten oder
ein verwandtes Kind erlaubnisfrei in ihrem Haushalt betreuen oder
•
erlaubnispflichtige Pflegen nach § 44 SGB VIII leisten
Er prüft Pflegebewerberinnen und -bewerber und stellt ihre Eignung für Vollzeitpflege im
Rahmen des § 33 SGB VIII bzw. des § 54 SGB XII dem Grunde nach fest.
Der PKD unterstützt die Fallführende Fachkraft im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) bei
•
•
der Auswahl einer geeigneten Pflegeperson durch die Erarbeitung eines Sozialberichtes (siehe Anlage) sowie
durch die beratende Teilnahme am Hilfeplanungsprozess.
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Fachanweisung Pflegekinderdienst
Der PKD ist zuständig für die Ausstellung von Pflegeerlaubnissen nach § 44 SGB VIII.
D. Aufgaben und Regelungen
D.1.
Durchführung des Bewerbungsverfahrens für Vollzeitpflege im Rahmen
der Hilfen zur Erziehung gemäß § 33 SGB VIII
Das Bewerbungsverfahren für Vollzeitpflege im Rahmen einer Hilfe zur Erziehung dient der
Beratung und Information sowie Eignungsfeststellung. Hierzu zählen:
•
•
•
Kontaktaufnahme und Gestaltung einer tragfähigen Arbeitsbeziehung durch eine verantwortliche und empathische Gesprächsführung der PKD-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Kennenlernen der Bewerberin und des Bewerbers sowie ihre und seine Familie, auch
durch Besuche im Haushalt und einem Lebensbericht, um Hinweise zu bekommen,
welches Kind in diese Familie passen könnte.
Vermittlung von Informationen über die Vollzeitpflege, deren besondere pädagogische Herausforderungen und rechtlichen Bedingungen.
D 1.1. Ausschlusskriterien im Kontext der Eignungsfeststellung von Pflegeelternbewerbern
Für die Einschätzung, ob eine Pflegeperson dem Grunde nach geeignet ist, sind definierte
Ausschluss- und Eignungskriterien zu berücksichtigen.
a) Als Pflegeperson ist in jedem Fall ungeeignet,
•
•
•
•
•
wer Einträge nach § 72a SGB VIII im erweiterten Führungszeugnis gemäß § 30a
BZRG vorliegen hat; dies gilt ebenfalls für alle Haushaltsangehörigen ab 18 Jahren.
wenn in einem amtsärztlichen Gesundheitszeugnis Hinweise auf Suchtverhalten, eine
weitergehende psychische Störung oder körperliche Erkrankung bestehen, die ein
Hinderungsgrund für die Aufnahmen eines Pflegekindes in der Familie sein können;
dies gilt ebenfalls für alle Haushaltsangehörigen ab 18 Jahren.
Bei Vorliegen besonderer Umstände wie z.B. Alter, Pflegebedürftigkeit oder seltene
Anwesenheit in der Haushaltsgemeinschaft kann von einem Drogentest für Angehörige Abstand genommen werden; der Entscheidung muss von einer Leitungskraft zugestimmt werden.
wenn ein Drogentest bei ihr den Nachweis von illegalen Drogen und/oder Medikamenten zur Substitution ergibt
wer die Technologie von L. Ron Hubbard (Scientology) befürwortet sowie Kurse und
Seminaren dieser Gruppierung besucht.
wer zur finanziellen Absicherung der Familie auf den Erhalt des Pflegegeldes angewiesen ist (Einkommensnachweis und Schufa-Auskunft müssen vorliegen).
b) Darüber hinaus kann nicht Pflegeperson werden, wer
• deutliche Anzeichen mangelnder Erziehungsfähigkeit zeigt (Orientierungsbogen im
Anhang)
• nicht bereit und in der Lage ist, gemäß § 37(1) SGB VIII mit der Herkunftsfamilie und
dem Jugendamt zusammenzuarbeiten, insbesondere
- eine Pflegevereinbarung mit dem Jugendamt und den Personensorgeberechtigten ablehnt
- nicht an Qualifizierungsmaßnahmen für Pflegeelternbewerber, die den Hamburger Standards entsprechen, teilgenommen hat oder eine Teilnahme ablehnt
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Fachanweisung Pflegekinderdienst
•
für das Kind keinen ausreichenden Wohnraum zur Verfügung stellen kann (u.a. keinen ausreichenden Wohnraum gemäß dem aktuell gültigen Hinweis für die Anmietung von Wohnraum der BASFI, kein eigenes Bett für das Kind, gefährliche Haustiere
bzw. eine unverhältnismäßige oder übermäßige Haustierhaltung und damit verbundene mangelnde hygienische Zustände).
D.1.2. Eignungskriterien im Kontext der Eignungsfeststellung von Pflegeelternbewerbern
Neben den Ausschlusskriterien gelten folgende Eignungskriterien, die vom PKD eingeschätzt
werden. So kommen als Pflegepersonen verheiratete Paare, alle Lebensgemeinschaften und
alleinstehende Personen in Betracht, soweit durch sie die nachfolgend beschriebenen Anforderungen und Voraussetzungen erfüllt werden:
Alter
•
•
Der Abstand zwischen Pflegepersonen und Pflegekind soll 50 Jahre nicht übersteigen. Abweichungen sind im Einzelfall möglich.
Ein Lebenspartner soll mindestens 25, der andere mindestens 21 Jahre alt sein.
Gesundheit
•
•
Pflegeeltern müssen psychisch und physisch belastbar sein und sollen nicht durch
häufige Krankenhausaufenthalte ausfallen. Etwaige Krankheiten oder Behinderungen
müssen vor diesem Hintergrund reflektiert und bewertet werden.
Die im Alltag vom Kind genutzten Räume sollen rauchfrei gehalten werden.
Wohnraum
•
•
Im Haushalt muss gewährleistet sein, dass gefährliche Gegenstände wie Waffen und
Medikamente dem Kind nicht zugänglich sind.
Für behinderte Pflegekinder soll eine ihren individuellen Bedürfnissen entsprechende
Wohnraum- und Wohnumfeldsituation vorliegen (z.B. Barrierefreiheit o.ä.).
Soziales Umfeld
•
Pflegepersonen sollen in ein unterstützendes soziales Netzwerk eingebunden bzw.
bereit sein, ein eigenes soziales Netzwerk aufzubauen.
Sprachkenntnisse
•
Pflegepersonen müssen über deutsche Sprachkenntnisse verfügen, die ein pädagogisches Gespräch und eine sprachliche Förderung des Kindes ermöglichen.
Zeitliche Ressource
•
Pflegepersonen müssen genügend Zeit für das Pflegekind zur Verfügung haben, um
den individuellen Bedürfnissen nach Zuwendung und Förderung des Kindes gerecht
werden zu können.
Kinderzahl
•
Es sollen nicht mehr als drei Pflegekinder in einer Familie untergebracht werden
(Ausnahme bei Geschwisterverbänden).
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Fachanweisung Pflegekinderdienst
Geschwisterreihe
•
Das Pflegekind soll das jüngste Kind in der Familie sein (Ausnahme bei Geschwisterverbänden).
Nicht vermittelt werden soll ein Kind zu einer Pflegeperson
•
•
•
während einer Schwangerschaft der Pflegemutter
in den ersten beiden Lebensjahren des jüngsten Kindes der Familie und
in den ersten beiden Jahren nach Aufnahme eines Pflegekindes (Ausnahme bei Geschwisterverbänden).
Darüber hinaus sind weitere persönliche Eigenschaften von Bewerberinnen und Bewerbern
erforderlich:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Emotionale Stabilität,
Verantwortungsbewusstsein,
die Fähigkeit zu emotionaler Zuwendung,
die Fähigkeit zur Akzeptanz der Herkunftsfamilie und Toleranz gegenüber verschiedener Lebensweisen,
Offene religiöse oder weltanschauliche Haltung, die die von den Herkunftseltern gewünschte Grundrichtung der Erziehung beachtet,
die Fähigkeit, sich auf Veränderungen innerhalb der eigenen Familie einzulassen
bzw. auf krisenhafte Situationen flexibel reagieren zu können,
Fähigkeit, mit Trennungs- und/oder Trauerprozessen konstruktiv umzugehen,
Fähigkeit, die eigene Tätigkeit als Pflegeperson zu reflektieren,
die Bereitschaft zur Teilnahme an Fortbildungen und Supervision.
Die Bewertung aller gewonnenen Informationen bildet die Grundlage für die Feststellung
einer Eignung als Pflegeperson dem Grunde nach durch die Erstellung des Sozialberichts.
Regelungen zur Eignungsfeststellung
Der PKD führt vor der abschließenden Eignungsfeststellung
•
•
mindestens drei Beratungsgespräche durch, davon mindestens ein Gespräch im
Haushalt der Bewerber, bei dem alle Haushaltsangehörigen anwesend sind
mindestens ein Beratungsgespräch wird durch zwei PKD-Mitarbeiter gemeinsam geführt.
Abschließende Eignungsfeststellung:




Eine jugendamtliche Stelle entscheidet abschließend, ob eine Person als Pflegeperson geeignet ist.
Hierfür bewertet sie in einem abschließenden Verfahren alle vorliegenden Dokumente und Berichte und führt einen Hausbesuch bei den Pflegepersonenbewerbern durch.
Auf dieser Grundlage trifft sie ihre abschließende Entscheidung zur Eignung der Pflegepersonenbewerber.
Die dafür zuständige Person ist grundsätzlich nicht an dem Prozess der Vorbereitung
und Beratung der Pflegepersonenbewerber, die durch den bezirklichen oder trägereigenen PKD geleistet wird, beteiligt.
Wenn das Bezirksamt selbst die Prüfung und Vorbereitung der Pflegepersonenbewerber vorgenommen hat und dabei ein ordnungsgemäß dokumentierter Hausbesuch nach dem Vier-Augen-Prinzip durchgeführt wurden ist, der nicht länger als 12
Wochen zurückliegt, kann die abschließende Entscheidung auch ohne einen weiteren
Hausbesuch getroffen werden.
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Fachanweisung Pflegekinderdienst
In die Pflegepersonenakte sind folgende Unterlagen aufzunehmen:
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Deckblatt
Einverständnis zur Datenerfassung und Datenweitergabe
Schweigepflichtentbindung
der Bewerbungsbogen
das erweiterte Führungszeugnis gemäß § 30a BZRG für alle Haushaltsangehörigen
ab 18 Jahren
ein amtsärztliches Gesundheitszeugnis entsprechend den Regelungen für Pflegepersonenbewerber für alle Haushaltsangehörigen ab 18 Jahren.
Auswärtige Pflegepersonenwerber können ein entsprechendes Gesundheitszeugnis
des für sie zuständigen Gesundheitsamtes vorlegen.
einen Nachweis über einen Drogentest entsprechend den Regelungen für Pflegepersonenbewerber für alle Haushaltsangehörigen ab 18 Jahren.
Die Dokumentation von Ausnahmeentscheidungen bezüglich des Drogentests für
Haushaltsangehörige nach Ziffer 1.1, Buchst. a).
Bescheinigung über die Teilnahme an der Grundqualifizierung
Lebensbericht mit Foto
Genogramm und Netzwerkkarte
Sozialbericht (siehe Anlage)
Pflegevereinbarung zwischen Pflegeperson und dem Jugendamt (wenn ein Pflegekind aufgenommen wird, Mustervertrag siehe Anlage).
Vereinbarung zwischen Personensorgeberechtigten und Pflegeperson (wenn ein
Pflegekind aufgenommen wird, Mustervereinbarung siehe Anlage).
Beendigung des Pflegeverhältnisses
Das Erweiterte Führungszeugnis nach § 30a BZRG ist von allen Haushaltsangehörigen ab
18 Jahren alle 3 Jahre einzufordern.
Generell gilt, dass bei Vorliegen gewichtiger Gründe von einzelnen im Prüfverfahren vorgesehenen Regelungen abgewichen werden kann. Diese Abweichungen müssen begründet
und zur Akte genommen werden. Sie stehen ausnahmslos unter Leitungsvorbehalt.
D 1.3. Eignungsfeststellung bei Verwandten und sogenannten Nachvollzügen
im Kontext von Hilfen gemäß § 33 SGB VIII
Verwandte oder Verschwägerte bis zum dritten Grad können ein Kind gemäß § 44 SGB VIII
erlaubnisfrei in ihren Haushalt aufnehmen.
Möchten sie jedoch als Pflegeperson im Rahmen einer Hilfe nach § 33 SGB VIII die Pflege
ausüben, dürfen keine Ausschlusskriterien vorliegen (siehe unter D.1.1.).
Insbesondere bei der Verwandtenpflege sind die bereits bestehenden Bindungen eines Kindes bei dessen Vermittlung zu berücksichtigen. So besteht in der Regel bereits eine langjährig gewachsene, entwicklungsfördernde Bindung zwischen Kind und Verwandten. Diese
steht bei einer Eignungsfeststellung als ein besonderes Gut im Vordergrund, hebt jedoch
etwaige Ausschlussgründe nicht auf.
Lebt ein Kind bereits bei einer Pflegeperson, weil diese nach Maßgabe des § 44 SGB VIII
das Kind erlaubnisfrei in ihren Haushalt aufgenommen hat, ist vor dem Auftrag des ASD an
den PKD zur Eignungsfeststellung zunächst der Anspruch des Sorgeberechtigten auf eine
Hilfe zur Erziehung im Rahmen der sozialpädagogischen Diagnostik zu prüfen.
Zeigt sich im Rahmen der sozialpädagogischen Diagnostik des ASD oder der Eignungsprüfung des PKD, dass ein Ausschlussgrund vorliegt und der Schutz des Kindeswohls nicht gewährleistet ist, muss der ASD, sofern die sorgeberechtigte Person dieses Pflegeverhältnis
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Fachanweisung Pflegekinderdienst
nicht beendet, ein Verfahren zur Herausnahme des Kindes nach § 1666 BGB einleiten (siehe
auch Punkt D.8. Schutz des Pflegekindes nach § 37 (3) SGB VIII und Risikoeinschätzung im
Kontext des § 8a SGB VIII).
D 1.4. Eignungsfeststellung bei Pflegepersonen für Kinder mit Eingliederungsbedarf nach SGB XII
Pflegepersonen, die ein Kind im Rahmen der Eingliederungshilfe gemäß § 53 SGB XII in
ihren Haushalt aufnehmen, benötigen formal eine Pflegeerlaubnis nach § 44 SGB VIII. Das
Bewerbungsverfahren wird jedoch inhaltlich entsprechend dem Verfahren gemäß § 33 SGB
VIII durchgeführt. Besonderheiten der Pflegeform werden im noch zu erstellenden Fachkonzept Pflegekinder mit Behinderungen beschrieben.
D.2
Beratung und Begleitung des Pflegekindes
Zu den Aufgaben des PKD gehört explizit die Beratung und Begleitung des Pflegekindes.
Voraussetzung für eine erfolgversprechende pädagogische Arbeit ist der Aufbau eines hinreichenden Vertrauensverhältnisses zu dem Kind bzw. Jugendlichen. Spielerische Aktivitäten
mit kleineren Kindern ohne die Pflegeeltern und gesonderte Verabredungen mit älteren Kindern und Jugendlichen außerhalb der Pflegefamilie und nach Möglichkeit außerhalb von Büroräumen erleichtern den Zugang und die Öffnung des Kindes gegenüber zunächst fremden
„Amtspersonen“.
Auf Wunsch des Kindes bzw. Jugendlichen muss nach Möglichkeit Vertraulichkeit zugesichert bzw. die Genehmigung der Weitergabe von Informationen an die Pflegepersonen oder
sonstige Dritte eingeholt werden.
Ein Pflegekind hat einen besonderen Status, auf den vom PKD angemessen reagiert werden
muss. Es ergeben sich hieraus spezifische Themen, die der PKD mit dem Kind bzw. Jugendlichen bearbeitet und dokumentiert soweit nicht im Rahmen der Hilfeplanung verbindlich vereinbart wurde, dass andere professionelle Dienste oder Einzelpersonen dies übernehmen:






Die Auseinandersetzung mit dem Status „Pflegekind“ und die sich aus ihm ergebenden Konsequenzen für Interaktion, Selbstbild und Identitätsbildung
die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und ihre Integration in das Selbstbild
Bearbeitung von Loyalitätskonflikten und die Entwicklung eines geklärten Verhältnisses zu den zwei Familien
Unterstützung und Beratung bei Alltagsproblemen, akuten Konflikten, Ambivalenzen
und Zukunftsängsten
Unterstützung und Beratung des Kindes oder Jugendlichen, Bedürfnisse zu erkennen
und Wünsche zu formulieren sowie Federführung bei der Biografie-Dokumentation
Vorbereitung auf Hilfeplangespräche und Besuchskontakte mit der Herkunftsfamilie.
D.3
Beratung und Begleitung der Pflegepersonen
Für die Pflegepersonen, die vom Bezirksamt betreut werden, ist der PKD zentraler Ansprechpartner und Berater in allen Belangen des Pflegeverhältnisses und der Zusammenarbeit mit dem Jugendamt. Er ist das Bindeglied zwischen Pflegestelle, anderen Abteilungen
des Jugendamtes und anderen Institutionen. In diesem Beratungsprozess ist stets das gesamte Familiensystem der Pflegestelle zu berücksichtigen.
Der Pflegekinderdienst informiert die Pflegefamilie bereits in der Anbahnungsphase ausführlich über das Kind oder den Jugendlichen unter anderem hinsichtlich:
•
•
der Vorgeschichte des Kindes oder Jugendlichen
des Entwicklungsstands
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Fachanweisung Pflegekinderdienst
•
•
möglicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen
möglicher Verhaltensauffälligkeiten
Kommen während des Hilfeverlaufs neue Erkenntnisse hinzu, werden auch diese den Pflegeeltern mitgeteilt.
Der PKD berät und begleitet die Pflegefamilie insbesondere zu folgenden Themen:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Pädagogische, psychologische sowie rechtliche Fragen
Entwicklungsfragen des Kindes und Jugendlichen
Erziehungsfragen
Vor- und Nachbereitung von Hilfeplangesprächen
Bearbeitung von Belastungserfahrungen
Konflikten zwischen dem Pflegekind und den Pflegepersonen
Fragen hinsichtlich der Zusammenarbeit und den Kontakten mit der Herkunftsfamilie
einer Zusammenarbeit mit dem (Amts-)Vormund des Pflegekindes
Kontakten mit anderen Institutionen
Beendigung des Pflegeverhältnisses
Abklärung und Installation zusätzlicher therapeutischer Hilfen
Fragen zu Rahmenbedingungen und insbesondere zu Leistungen nach § 39 Abs. 4
SGB VIII
Auswahl von Kindergarten, Schule oder Ausbildung
Der PKD unterstützt die Vernetzung sozialräumlicher Unterstützungsmöglichkeiten im Umfeld der Pflegefamilie sowie mit sozialen Netzwerken, Kindergärten, Schulen, Ärzten, dem
JPPD und anderen Ämtern und Diensten. Diese vernetzten Beratungs- und Begleitungsangebote sollen das Pflegeverhältnis stabilisieren und unterstützen damit einen positiven Entwicklungsverlauf.
Der PKD stärkt die persönlichen Ressourcen der Pflegefamilie und berät das Familiensystem
bei Krisen. Wird in einer Pflegefamilie die Belastungsgrenze überschritten, wird in Zusammenarbeit mit anderen Fachdiensten eine Lösung angestrebt.
Regelungen zur Beratungsdichte
Die Häufigkeit von Beratungen der Pflegeperson wird im Hilfeplan festgelegt und dokumentiert. Als Mindestanforderung gilt:
Kontakte in der Eingewöhnungszeit des Pflegekindes
•
•
in den ersten 12 Wochen werden in der Regel drei Hausbesuche durchgeführt. Hierbei orientiert sich die Fachkraft im hohen Maße an den Bedürfnissen der Pflegefamilie, insbesondere des Pflegekindes: So kann es fachlich erforderlich sein, in dieser
Anfangsphase auch weniger oder mehr Hausbesuche durchzuführen. Dies wird
dementsprechend gemeinsam mit der Pflegefamilie vereinbart.
Der PKD gibt nach spätestens 12 Wochen eine schriftliche Rückmeldung über die
Entwicklung der Eingewöhnung an den ASD.
Kontakte im weiteren Verlauf der Vollzeitpflege:
•
•
•
•
jährlich mindestens zwei Kontakte mit dem Pflegekind. Hierzu zählt auf der Grundlage einer soliden Vertrauensbeziehung ein Vier-Augen-Gespräch.
Anlassbezogen und dem Alter sowie der Entwicklung des Kindes entsprechend werden häufigere Kontakte vereinbart.
mindestens vier Kontakte mit den Pflegepersonen, davon zwei Hausbesuche in der
Pflegefamilie.
Bei Bedarf Kontakte mit Kindertagesstätte, Schulen und weiteren Institutionen und
Einrichtungen.
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Fachanweisung Pflegekinderdienst
Darüber hinaus bietet der PKD Pflegekindern und Pflegepersonen im Rahmen einer wöchentlichen Sprechstunde eine telefonische und persönliche Beratung an.
Zur Intervention in krisenhaften Entwicklungen der Pflege stellt der PKD sicher, an Arbeitstagen unverzüglich Kontakt mit der Pflegefamilie aufzunehmen und gegebenenfalls zeitnah
einen Hausbesuch durchzuführen.
D. 4
Kooperation mit der Herkunftsfamilie
Die leiblichen Eltern werden intensiv auf die Inpflegegabe und die damit verbundenen Veränderungen und Konsequenzen vorbereitet. Dies ist vorrangig Aufgabe des ASD. Bei Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie mit dem Ziel der Rückführung in die Herkunftsfamilie hat der ASD die Aufgabe eine entsprechende Hilfeplanung zu erstellen.
In Absprache mit dem ASD informiert der PKD die Herkunftsfamilie bereits während der
Phase der Hilfeplanung über Möglichkeiten und Grenzen einer befristeten oder auf Dauer
angelegten Vollzeitpflege.
Der ASD stellt frühzeitig Kontakt zwischen der Herkunftsfamilie und den zukünftigen Pflegepersonen her und wird dabei vom PKD begleitet.
Der ASD und PKD informieren gemeinsam die Herkunftsfamilie im Rahmen des Hilfeplangesprächs in allen Fragen der Entwicklung und des Wohlergehens ihres Kindes in der Pflegefamilie.
Themen sind hierbei insbesondere
•
Geschwisterkontakte
•
Bearbeitung von Loyalitätskonflikten
•
pädagogische Fragen bei der Gestaltung der Besuchskontakte
•
psychosoziale Entwicklung des Kindes in der Pflegefamilie
•
gesundheitliche Situation und medizinische Versorgung
•
Auswahl eines Kindesgartens, einer Schule oder einer Ausbildung
Regelungen zur Gestaltung von Besuchskontakten
Die Planung der Besuchskontakte ist fester Bestandteil des Hilfeplangesprächs und wird im
Hilfeplan dokumentiert. Hier wird über die Frequenz und das Setting entschieden.
Soweit keine anderen Vereinbarungen getroffen wurden, übernimmt der PKD
•
in Bezug auf Besuchskontakte mit der Herkunftsfamilie die Vor- und Nachbereitung
mit der Pflegefamilie, insbesondere mit dem Kind.
•
in geeigneten Fällen die Begleitung der Besuchskontakte, soweit dies von allen Beteiligten für geeignet angesehen und im Hilfeplan festgeschrieben wurde.
•
die Berichterstattung über die Gestaltung und Umsetzung der Besuchskontakte im
Rahmen des Entwicklungsberichtes.
Im geeigneten Fällen kann eine zusätzliche Begleitung der Besuchskontakte durch externe
Fachkräfte fachlich erforderlich sein.
Besuchskontakte mit der Herkunftsfamilie müssen im Sinne einer positiven kindlichen Entwicklung sein und dürfen nicht dem Kindeswohl entgegenstehen. Eine Re-Traumatisierung
des Kindes durch einen Kontakt mit der Herkunftsfamilie ist in jedem Fall zu vermeiden.
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Fachanweisung Pflegekinderdienst
D. 5
Kooperation mit der sorgeberechtigten Person
Lebt ein Kind für längere Zeit in Familienpflege, so ist nach § 1688 BGB die Pflegeperson
berechtigt, in Angelegenheiten des täglichen Lebens zu entscheiden. Sie vertritt den Inhaber
der elterlichen Sorge in solchen Angelegenheiten und übt die tatsächliche Pflege und Erziehung im Alltag aus. Dies gilt nicht, wenn der Inhaber der elterlichen Sorge etwas anderes
erklärt.
Es wird empfohlen zu Beginn des Pflege- und Betreuungsverhältnisses eine Absprache zur
Kooperation und Kommunikation zwischen der sorgeberechtigten Person, dem ASD, der
Pflegepersonen und dem PKD zu treffen und im Hilfeplan zu dokumentieren. Dabei soll insbesondere die gegenseitige Information über wichtige Ereignisse und Sachverhalte, sowie
die Abgrenzung zwischen den Befugnissen der Pflege- und Betreuungsperson über die Entscheidungen im pädagogischen Alltag und den Grundsatzentscheidungen, an denen der
Sorgeberechtigte zwingend zu beteiligen ist, vereinbart werden.
D. 6 Kooperation mit dem ASD
Im Rahmen der Hilfeplanung findet gemäß den Regelungen im Anlagenband für die Fachanweisung ASD eine sozialpädagogische Diagnostik durch den ASD statt. Ergeben sich dabei Hinweise auf einen weitergehenden Diagnostikbedarf, kann die fallführende ASDFachkraft darüber hinaus eine psychologisch-psychiatrische Diagnostik durch den Jugendpsychologischen-psychiatrischen Dienst (JPPD) in Auftrag geben. Der PKD wird frühzeitig
einbezogen.
Der PKD unterstützt die fallführende Fachkraft des ASD im Hilfeplanprozess durch:
•
•
•
•
•
•
Suche und Vermittlung geeigneter Pflegepersonen.
Informationen über die Inpflegegabe.
Mitarbeit bei der Hilfeplangestaltung, insbesondere Beratung zum Passungsverhältnis zwischen Pflegeperson und Pflegekind sowie der Entwicklung des Pflegekindes.
Unterstützung der Pflegepersonen bei der Umsetzung der im Hilfeplanverfahren erarbeiteten Hilfeziele.
Regelmäßige schriftliche Berichterstattung über den Hilfeverlauf im Rahmen des Hilfeplanverfahrens.
Unterstützung der Pflegefamilie im Kontext einer Rückführung des Pflegekindes in
den elterlichen Haushalt oder in eine stationäre Hilfe zur Erziehung.
Regelungen im Kontext der Kooperation
•
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•
•
•
Vorlage des Sozialberichts: Mit der Vorlage versichert der PKD, dass die Pflegestelle
alle notwendigen Unterlagen vorgelegt hat und die aktuellen Gesundheits- und Führungszeugnisse nicht älter als 12 Monate sind.
Teilnahme an allen Hilfeplangesprächen.
Zweimal jährlich schriftliche Berichterstattung über den Hilfeverlauf.
Meldung besonderer Vorkommnisse.
Mitwirkung an einem Rückführungsplan entsprechend des Fachkonzeptes Rückführung (siehe Anlage).
Erarbeitung von Stellungnahmen im Hilfeplanprozess.
•
Stellungnahme zu notwendigen pädagogischen Leistungen und anderen Nebenleistungen für das Pflegekind im Rahmen des § 39 SGB VIII.
•
Fachliche Einschätzung und Mitarbeit bei Stellungnahmen für das Familiengericht im
Rahmen des § 50 SGB VIII.
10
Fachanweisung Pflegekinderdienst
Diese Aufgaben erfordern eine fortlaufende Dokumentation des Betreuungsprozesses und
Berichterstattung an den ASD.
Kooperation mit dem ASD im Sinne einer kontinuitätssichernden Hilfeplanung
Eine kontinuitätssichernde Hilfeplanung ist für eine positive Entwicklung des Kindes von
zentraler Bedeutung. So treffen die Fachkräfte des ASD im Rahmen der Hilfeplanung rechtzeitig eine Entscheidung dazu, ob das Pflegekind in die Herkunftsfamilie zurückkehren kann
oder auf Dauer in der Pflegefamilie leben wird. Auf der Grundlage dieser fachlichen Entscheidung ergeben sich für den PKD folgende Aufgaben:
a) Hilfen mit Rückkehroption
•
•
•
•
•
Unterstützung und Beratung der Pflegefamilie hinsichtlich des Rückführungsprozesses des Kindes.
Mitwirkung an der Erstellung von verbindlich vereinbarten Regelungen und Absprachen zu Besuchs- und Umgangskontakten zwischen dem Kind und den leiblichen Eltern im Sinne einer Vorbereitung der Rückkehr.
Mitwirkung bei der Gestaltung sanfter Übergänge der verschiedenen Lebensorte
(Vermeidung von Brüchen und Diskontinuitäten).
Mitwirkung bei der Entwicklung und Umsetzung eines Rückführungsplanes entsprechend des Fachkonzeptes Rückführung.
Nach einer Rückkehr: Unterstützung der Pflegeeltern in ihrem Umgangsrecht mit ihrem ehemaligen Pflegekind gemäß § 1685 Abs. 2 BGB.
Ist das Kind in seine Herkunftsfamilie zurückgekehrt, wird rechtzeitig geklärt, wie im Sinne
der Kontinuitätssicherung und einer positiven kindlichen Entwicklung Kontakte zur Pflegefamilie gestalten werden. Im Rahmen der Hilfeplanung werden hierzu verbindliche Absprachen
zwischen allen Beteiligten getroffen und insbesondere die Bedürfnisse des Kindes berücksichtigt.
b) Hilfen auf Dauer: Verstetigung des Aufenthaltes des Kindes in der Pflegefamilie
Lassen sich die Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilien nicht innerhalb eines aus
kindlicher Zeitperspektive vertretbaren Zeitraums verbessern, soll eine auf Dauer angelegte
Lebensperspektive für das Kind entwickelt werden (§ 37 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII).
Verläuft die Integration des Pflegekindes in die Pflegefamilie positiv, prüft der ASD in der
Regel nach 2 Jahren auf der Grundlage der Hilfeplanung und unter Berücksichtigung des
Einzelfalls, insbesondere des Alters des Kindes, auch rechtliche Möglichkeiten der Kontinuitätssicherung der kindlichen Lebensperspektive1. Hierzu können unter Beteiligung der leiblichen Eltern, des Kindes und der Pflegeeltern folgende Möglichkeiten geprüft werden:
•
•
•
Gerichtliche Übertragungen von Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf die Pflegeperson (§ 1630 BGB)
Bei bestehender Amtsvormundschaft eine Übertragung der Vormundschaft an die
Pflegeeltern
Adoptionsfreigabe durch den Sorgeberechtigten und die Annahme als Kind durch die
Pflegeeltern (Adoption).
Dabei ist das Ziel, ein hohes Maß an Sicherheit und gute Entwicklungschancen für das Kind
zu erreichen, maßgeblich. Die Prüfung liegt in der Zuständigkeit des ASD.
Nähere Beschreibung dieser Aufgaben und Regelungen sowie ihre rechtlichen Grundlagen in der
Arbeitsrichtlinie für den ASD
1
11
Fachanweisung Pflegekinderdienst
Der Pflegekinderdienst hat in diesem Kontext die Aufgabe, die Pflegeeltern sowie das Pflegekind intensiv bei Klärung dieser Möglichkeiten zu beraten und zu unterstützen.
Dissens bei Auswahl einer geeigneten Pflegeperson
Haben die Fallführende Fachkraft im ASD und der Mitarbeiter des PKD unterschiedliche Einschätzungen zu der Geeignetheit einer Pflegeperson im Einzelfall, so gilt die Person bis zu
einer endgültigen Klärung als ungeeignet und darf weder belegt werden noch Pflegegeld
erhalten.
Die abschließende Klärung der Eignung erfolgt durch
•
•
Bearbeitung in der Kollegialen Beratung
Entscheidung auf der nächsten Hierarchieebene
D.7. Erteilen einer Pflegeerlaubnis nach § 44 SGB VIII
Wer als Pflegeperson ein Kind oder einen Jugendlichen über Tag und Nacht in seinem
Haushalt aufnehmen will bedarf der Erlaubnis gemäß § 44 SGB VIII. Diese Erlaubnis wird
vom PKD ausgestellt.
Die Erlaubnis wird nur für das in Frage stehende Kind erteilt und ist damit Einzelfall bezogen.
Wer nicht im Rahmen einer Hilfe zur Erziehung und ohne Erlaubnis und ohne Vorliegen der
Ausnahmen nach § 44 Abs. 1 ein Kind länger als 8 Wochen bei sich über Tag und Nacht
aufnimmt, begeht eine Ordnungswidrigkeit (§ 104 Abs. 1 SGB VIII), im Wiederholungsfalle
sogar eine Straftat (§ 105 SGB VIII)
Regelungen bei der Erteilung einer Pflegeerlaubnis
Vor der Erteilung der Pflegeerlaubnis ist mindestens ein Hausbesuch durchzuführen.
Es ist eine Pflegepersonenakte anzulegen, in die folgende Dokumente aufzunehmen sind:
•
das erweiterte Führungszeugnis gemäß § 30a BZRG für alle Haushaltsangehörigen
ab 18 Jahren
• ein amtsärztliches Gesundheitszeugnis für Pflegepersonenbewerber und für alle
Haushaltsangehörigen ab 18 Jahren
• einen Nachweis über einen Drogentest für Pflegepersonenbewerber sowie für alle
Haushaltsangehörigen ab 18 Jahren
• der Antrag auf Erteilung einer Pflegeerlaubnis nach § 44 SGB VIII
• eine Kopie der Pflegeerlaubnis
In der Pflegeerlaubnis ist darauf hinzuweisen, dass der PKD entsprechend dem Einzelfall,
mindestens jedoch einmal jährlich, im Haushalt der Pflegeperson überprüft, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis auch weiterbestehen und im gegebenen Fall die
Pflegeerlaubnis zurückziehen kann. Hierzu zählt nicht die Wiederholung der amtsärztlichen
Untersuchung und des Drogentests. Dies erfolgt ausschließlich anlassbezogen.
Pflegepersonen, denen innerhalb der letzten 3 Jahre eine Pflegeerlaubnis erteilt wurde, benötigen bei der erneuten Beantragung einer Pflegeerlaubnis für ein neues Kind kein Gesundheitszeugnis und Drogentest.
Bei Pflegepersonen in laufenden Pflegeverhältnissen ist bei der Aufnahme eines weiteren
Kindes auch eine Pflegeerlaubnis für dieses Kind zu beantragen. Auch in diesem Fall sind
aber kein Gesundheitszeugnis und Drogentest erforderlich.
12
Fachanweisung Pflegekinderdienst
D.8
Schutz des Pflegekindes nach § 37 (3) SGB VIII und Risikoeinschätzung
im Kontext des § 8a SGB VIII
Der Schutz des Kindes und Jugendlichen ist oberstes Prinzip jedes sozialpädagogischen
Handelns. Der PKD stellt den Schutz der Pflegekinder in ihrer Pflegefamilie sicher und arbeitet hierfür eng mit dem ASD zusammen.
Während der Pflege prüft der PKD fortlaufend, ob
•
•
die Pflegepersonen das Kindeswohl sicherstellen und
sich das Kind oder der Jugendliche im Rahmen seiner individuellen Möglichkeiten
positiv entwickelt.
Diese jugendamtliche Prüfung nach § 37 (3) SGB VIII wird im Rahmen der erlaubnispflichtigen Pflege nach § 44 SGB VIII vom PKD durch Überprüfung der Voraussetzungen entsprechend der Erfordernisse im Einzelfall, jedoch mindestens durch einen Hausbesuch jährlich,
wahrgenommen.
Auf der Grundlage des § 37 (3) SGB VIII stellt der PKD sicher, dass die Pflegeperson eine
dem Wohl des Kindes förderliche Erziehung gewährleistet. Hierzu zählt insbesondere:
•
•
•
•
regelmäßige Beratung der Pflegeeltern in deren Wohnraum
regelmäßige Kontakte zum Pflegekind
Einblick in das Vorsorgeheft, Schulzeugnisse und andere wichtige Dokumente
Sowie bei Bedarf durch Kontakte zu Schulen, sozialen Einrichtungen oder das Pflegekind behandelnde Ärzte zum Schutz und der Kontrolle des Kindeswohls.
Diese Aufgaben erfordern eine fortlaufende Dokumentation des Betreuungsprozesses und
Berichterstattung an den ASD.
Hinweise auf eine Gefährdung des Kindeswohls eines Pflegekindes meldet der PKD unter
Einbezug der eigenen Leitung unverzüglich dem zuständigen ASD.
•
•
Bei der Bewertung von Hinweisen auf eine Gefährdung des Kindeswohls zieht der
PKD unter Einbezug der eigenen Leitung immer den zuständigen ASD und die Kinderschutzkoordination hinzu.
Bei divergierenden Gefährdungseinschätzungen ist grundsätzlich die weitergehende
Gefährdungseinschätzung so lange handlungsleitend, bis Einigkeit durch Kollegiale
Beratung erzielt oder auf der nächst höheren Hierarchieebene des Jugendamtes abschließend entschieden worden ist.
E. Organisation des Pflegekinderdienstes als Fachdienst
Die Fachkräfte im Pflegekinderwesen sind vorrangig Sozialarbeiter/-innen oder Sozialpädagogen/-innen. Darüber hinaus können ebenso Heilpädagogen/-innen, Psychologen/-innen
oder Dipl. Pädagogen/-innen geeignet sein.
Der PKD ist eine Fachabteilung im Bezirklichen Jugendamt. Um eine qualifizierte Betreuung
im Pflegekinderwesen entsprechend dem gesetzlichen Auftrag sicherzustellen, stellen die
Bezirksämter eine Personalausstattung sicher, die sich an einem
•
Betreuungsschlüssel von 1:35 Pflegeverhältnissen
orientiert. Dies entspricht einer Richtzahl des Deutschen Jugendinstituts München
E.1.
Koordinationsstelle Pflegekinderdienst
Die beim Bezirksamt Altona angesiedelte Koordinationsstelle Pflegekinderdienst ist zuständig für Erarbeitung von Informationsmaterial für interessierte Bürger und für Pflegepersonen. Sie erarbeitet Vorlagen für die JAL der Bezirksämter über Umgang mit veränderten
13
Fachanweisung Pflegekinderdienst
rechtlichen Vorgaben, der Berücksichtigung von Empfehlungen des Deutschen Vereins etc.
Darüber hinaus ist sie überbezirklich zuständig für
•
•
•
•
•
•
fachliche Beratung und Unterstützung aller PKD und anderer jugendamtlicher Stellen,
interessierte Bürger und einzelne Pflegefamilien sowie für die Vermittlung bei strittigen Fällen (Zuständigkeitsregelungen, Hilfen gem. § 39)
die Koordinierung und den Transfer von Informationen und fachliche Austausch zwischen den verschiedenen Gremien, PKD, Leitungen der PKD und Fachbehörde zu
inhaltlichen Themen, Fragen und Problemen der Pflegekinderhilfe
Durchführung von Fortbildungs- und Fachveranstaltungen für die PKD und Pflegeeltern
Einzelfallentscheidungen über Investitionskostenzuschüsse für Baumaßnahmen, die
Pflegepersonen durchführen wollen und die Verwaltung des dafür eingerichteten
Haushaltstitels
Die Verwaltung des Titels für Werbung und Informationen zum Thema Vollzeitpflege
Ansprechpartner für strittige Regulierungen von Haftpflichtschäden im Rahmen der
Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII und die Kooperation mit dem Assekuranzmakler
der Haftpflichtversicherung.
Sie übt die Dienst- und Fachaufsicht für die zentrale Pflegestellenvermittlung (ZPV) des Bezirksamts Altona aus.
E. 2.
Zentrale Pflegestellenvermittlung (ZPV)
Die Aufgaben der zentralen Pflegestellenvermittlung des Bezirksamts Altona sind insbesondere:
•
•
•
•
•
•
zentrale Anlaufstelle für mündliche und schriftliche Informationen über die Aufgaben
im Zusammenhang mit der Betreuung von Pflegekindern für potentielle Pflegeeltern
Versandt von Informationsmaterial und Bewerbungsunterlagen
Serviceleistungen für die Pflegekinderdienste u.a. zentrale Aktenanlage bzw. Dateneingabe
Beratung in Bezug auf die Antragstellung und Durchführung der erforderlichen Verwaltungsaufgaben.
Vermittlung an zuständige Ansprechpartner und Stellen für weitere fachliche Beratung, Kontaktperson bis zur Übergabe an das zuständige Bezirksamt oder den Freien
Träger der Jugendhilfe.
Zusammenstellung/Anlegen der Pflegepersonenakten
E. 3
Arbeitsgruppe Pflegekinderdienst
Die Arbeitsgruppe Pflegekinderdienst (ehemals AG Standard) setzt sich zusammen aus:
•
•
•
•
•
einem Vertreter der für die Fachaufsicht des bezirklichen Jugendamtes zuständigen Fachbehörde,
der geschäftsführenden Koordinationsstelle Pflegekinderdienst
einem Mitarbeiter des PKD pro Bezirksamt
einem Vertreter je beauftragten freien Träger
einem Vertreter des Freunde der Kinder e.V. Landesverband der Pflege- und
Adoptivfamilien Hamburg
Die Arbeitsgruppe ist zuständig für die Sicherstellung der bezirksübergreifenden Kooperation
und die qualitative Weiterentwicklung der Pflegekinderhilfe in Hamburg. Außerdem werden in
dieser Arbeitsgruppe Fachkonzepte für das Hamburger Pflegekinderwesen erarbeitet. Ar14
Fachanweisung Pflegekinderdienst
beitsergebnisse werden in der Fachbesprechung Jugendhilfe verabschiedet und als verbindliche Arbeitsvorgaben in den Anlagenband zur Fachanweisung PKD aufgenommen.
E. 4
Aufgabenübertragung an freie Träger der Jugendhilfe
Die Bezirksämter können Aufgaben des PKD nach den Abschnitten D.1 bis D.6 und D.8
ganz oder teilweise an freie Träger der Jugendhilfe übertragen. So können freie Träger neben der Anbahnung von Pflegeverhältnissen und einer Vorbereitung der Pflegefamilien auch
die umfassende Unterstützung und Beratung der Pflegefamilien im Hilfeverlauf übernehmen.
Ebenso können sie auf der Grundlage der Eignungs- und Ausschlusskriterien an der Eignungseinschätzung von Pflegepersonenbewerbern beteiligt werden. Das Gesundheits- und
Führungszeugnis sowie das Ergebnis des Drogentest werden jedoch ausschließlich dem
Jugendamt vorgelegt.
Die Feststellung der Eignung als abschließende Entscheidung darüber, ob eine Person als
Pflegeperson geeignet ist, trifft ausschließlich eine jugendamtliche Stelle (siehe unter D.1.2.:
Regelungen zur Eignungsfeststellung).
Die freien Träger haben hinsichtlich aller übernommenen Aufgaben dieselben Regeln einzuhalten wie die Pflegekinderdienste der Bezirksämter.
Zur Durchführung der Aufgaben im Bereich der Vollzeitpflege schließt die FHH mit den freien
Trägern einen öffentlich-rechtlichen Rahmenvertrag. Auf dieser Grundlage werden bezirksspezifische Besonderheiten der Zusammenarbeit zu Art und Umfang der vom Träger übernommenen Aufgaben zwischen einzelnen Jugendämtern und freien Trägern ebenfalls vertraglich geregelt.
F. Laufzeit
Diese Fachanweisung tritt am 01.05.2013 in Kraft; zugleich wird die Fachanweisung vom
03.08.2012 aufgehoben. Die Laufzeit endet am 31.12.2018.
Hamburg, den ___________________
_______________________________
(Datum)
(Staatsrat Jan Pörksen)
15
BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
Drucksache
20/6190
Neufassung
15.01.13
20. Wahlperiode
Bericht
des Sonderausschusses „Zum Tod des Mädchens Chantal“
über die Selbstbefassungsangelegenheit mit dem Thema
Fachanweisung zur Jugendhilfeinspektion
Vorsitz: Gunnar Eisold
I.
Schriftführung: Christoph de Vries
Vorbemerkung
In seiner Sitzung am 21. November 2012 beschloss der Sonderausschuss „Zum Tod
des Mädchens Chantal“ eine Selbstbefassung gemäß § 53 Absatz 2 Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft zum Thema „Fachanweisung zur Jugendhilfeinspektion“ und befasste sich in selbiger Sitzung abschließend mit dem Thema.
II.
Beratungsinhalt (Beratungsvorlage siehe Anlage)
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter machten deutlich, mit der Jugendhilfeinspektion werde eine unabhängige Instanz mit den Rechten einer Innenrevision eingesetzt,
die nach einem Prüfplan anlass- oder risikobezogen Prüfverfahren durchführen solle.
Damit werde ein Instrument für die Jugendämter geschaffen, das eine Unterstützungsleistung für die Organisationsentwicklung bieten werde. Die Prüfberichte sollten mit
den zuständigen Abteilungen erörtert und daraus Schlussfolgerungen gezogen werden, deren Umsetzung anschließend ebenfalls überprüft werde. Kernpunkt des Verfahrens seien Gespräche über Fehler, die zukünftig vermieden und aus denen Lernschlüsse für eine kontinuierliche Handlungsoptimierung gezogen werden sollten.
Die FDP-Abgeordneten fragten nach,
-
nach dem Feedback der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem ASD zur Einführung der Jugendhilfeinspektion,
-
wie viele Abteilungen mit wie vielen Mitarbeitern in dem sehr großen Prüfgebiet
von den drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jugendhilfeinspektion geprüft
werden müssten,
-
wie lange eine Gesamtüberprüfung aller Abteilungen der Jugendämter dauern
werde und
-
nach welchen Kriterien der jährliche Prüfplan erstellt werde.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter antworteten, in den bisherigen Gesprächen
mit dem ASD hätten sie klargestellt, dass die Jugendhilfeinspektion kein Sanktions-,
sondern ein Lerninstrument sei, das zur Erhöhung der Sicherheiten für den ASD beitragen solle. Die Größe der Jugendhilfeinspektion mit drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für 35 Abteilungen mit etwa 320 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewerteten
sie als normale Ausstattung für einen Prüfdienst, der keine flächendeckende Prüfung
leisten solle. Die Prüfungssystematik beinhalte
Drucksache 20/6190
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
-
mit einer Woche Vorlaufzeit angekündigte anlassbezogene Prüfungen,
-
verdachtsbezogene, gegebenenfalls von den Vorgesetzten ausgelöste Sonderprüfungen und
-
einen noch zu entwickelnden Prüfplan für jährlich neu zu definierende Schwerpunkte in den Risikofeldern.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter machten deutlich, die Jugendhilfeinspektion
solle Handlungsabweichungen von vorgegebenen Verfahren feststellen, um den Einrichtungen dadurch Lernschritte zu ermöglichen, Kontrolle und Sanktionen seien davon ausgeschlossen.
Die CDU-Abgeordneten wollten die Abgrenzung zwischen einem Qualitätsmanagement (QM) und der Jugendhilfeinspektion erklärt wissen und wie viele Fälle insgesamt
der 35 ASD-Abteilungen von der Jugendinspektion geprüft werden sollten. Sie bewerteten die Konzeption der Jugendhilfeinspektion in der vorgelegten Form als unzureichend, denn es fehle eine übergeordnete, neutrale und objektive Fachaufsicht wie ein
Landesjugendamt als Anlaufstelle für alle Beteiligten im Jugendhilfebereich und als
zentrale Beschwerdemanagementstelle. Eine solche zentrale Instanz müsse auch
qualitativ jugendamtliches Handeln sicherstellen und die Klärung von Problemen wie
eine optimierte Betreuung von Pflegeeltern leisten. Sie plädierten deshalb für eine
solche zentrale Einrichtung in Hamburg. An der Planung zur Jugendhilfeinspektion
kritisierten sie insbesondere die fehlenden fachlichen Eingriffsrechte dieser neuen
Prüfinstanz. Zur geplanten Evaluierung der Jugendhilfeinspektion durch die begutachteten Stellen gaben sie zu bedenken, dass es dabei zu gegenseitigen Deckungstendenzen kommen könnte.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter bewerten die Jugendhilfeinspektion als Teil
des Maßnahmenpaketes, das sie Anfang 2012 nach dem Tod des Mädchens Chantal
angekündigt hätten. Ein Qualitätsmanagement solle für die Optimierung und Standardisierung der Arbeitsprozesse dienen, deren Implementierung bedeute also einen
Qualitätsgewinn. Ein solches Qualitätsmanagement werde prozessbezogen erarbeitet,
sodass dabei Schwächen und Fehler der Prozesse aufgedeckt würden. Im Wege einer Prozessgestaltung und anschließenden -implementierung würden die Prozesse
dahin gehend umgestaltet, dass diese den Erwartungshaltungen entsprechen würden.
Sie bezweifelten, dass die Führungskräfte eine weitere interne oder externe zentrale
Instanz bräuchten, vielmehr sollten sie anhand der Prüfberichte nach etwa sechs Monaten über ihre daraufhin erfolgten Maßnahmen an die Jugendhilfeinspektion berichten. Dieses festgeschriebene Prozedere unterliege einer Dokumentation. Die Anzahl
der Fälle beliefe sich auf etwa 10.000, die aber bei Weitem nicht alle individuell geprüft werden sollten.
Die SPD-Abgeordneten bewerteten als positiv, dass der Arbeitsauftrag der Jugendhilfeinspektion eng begrenzt sei und keine Aufgaben als Fachaufsicht übernehmen solle,
denn diese lägen bei der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration analog
wie bei einem Landesjugendamt. Die Führungskräfte in den Jugendämtern hätten die
Verantwortung für die Abläufe in den einzelnen Arbeitsstellen. Sie fragten, ob die Evaluationsergebnisse zur Jugendhilfeinspektion schriftlich dokumentiert würden, denn
neben den Prüfergebnissen seien auch die Evaluationsergebnisse von Interesse für
die Bürgerschaft und deren Ausschüsse.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter erläuterten, die Evaluationen zur Jugendhilfeinspektion ermöglichten den geprüften Bereichen, ihre Reflektion zum Prüfverfahren
abzugeben und durch diesen Vorgang die Akzeptanz der Jugendhilfeinspektion in den
geprüften Bereichen zu erhöhen. Die Prüfergebnisse blieben davon unbeeinflusst. Die
Jugendhilfeinspektion werde an der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration angesiedelt sein, ein Mitarbeiter stamme aus dem ASD, ein weiterer aus der Verwaltung und dazu komme eine Leitungsstelle.
Die SPD-Abgeordneten baten um Erläuterungen zu den übergeordneten Kompetenzen der Fachbehörde analog zu denen in den Landesjugendämtern anderer Bundesländer.
2
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Drucksache 20/6190
Zu der Thematik erklärten die Senatsvertreterinnen und -vertreter, die Aufsichtsrechte
der Fachbehörde seien im Bezirksverwaltungsgesetz geregelt. Diese beinhalteten die
Dienst- und Fachaufsicht gegenüber den bezirklichen Jugendämtern, allerdings im
Rahmen der Dienstaufsicht nicht im Sinne einer Vorgesetztenfunktion, sondern im
Sinne der dienstlichen Abläufe. Die Behörde könne Globalrichtlinien, Fach- und Arbeitsanweisungen erlassen und Einzelfälle nachprüfen. Es werde behördlicherseits
eine zentrale Beschwerdestelle vorgehalten, um einzelnen Bürgerinnen und Bürgern
eine Anlaufstelle zu bieten, sie prüften aber jeweils, ob es sich tatsächlich um eine
strukturelle Fachbeschwerde handele. Dienstaufsichtsbeschwerden gäben sie an die
zuständigen bezirklichen Jugendämtern weiter.
Die Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion stellten fest, aus ihrer Sicht stelle die Jugendhilfeinspektion ein Prüfungs- und Kontrollinstrument dar und sei eine falsche
Maßnahme. Vielmehr habe die Innenrevision durch Prof. Schrapper bereits die strukturellen Schwachstellen und Mängel in den ASD Abteilungen offengelegt. Deshalb
plädierten sie zum jetzigen Zeitpunkt für alternative Unterstützungsleistungen für den
ASD wie insbesondere eine verbesserte Stellenausstattung mit einem entsprechenden Personalbemessungssystem, eine kontinuierliche Prozessberatung und Supervisionsunterstützung einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie bemängelten, es
fehle weiterhin ein umfassendes Gesamtkonzept zum Qualitätsmanagement in der
gesamten Jugendhilfe, was sie für entscheidend wichtiger erachteten als die Einführung von Prüfinstanzen. Sie fragten,
-
ob die Rekrutierung zur personellen Ausstattung der Jugendhilfeinspektion bereits
begonnen habe,
-
welche Anteile der veranschlagten Finanzierung über 128.000 Euro für die Leitung
und welche für die Sachmittel und Räume der Jugendhilfeinspektion ausgegeben
würden und
-
wie die Mehrkosten für die Jugendhilfeinspektion gegenfinanziert würden.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter wollten die Finanzierungsveranschlagung für
die Jugendhilfeinspektion zu Protokoll geben.
Die Suche nach einer geeigneten personellen Besetzung der Jugendhilfeinspektion
habe begonnen, diese sei aber bisher nicht abgeschlossen. Sie hofften auf eine passende personelle Besetzung ab dem 1. Januar 2013. Eine Stellenbesetzung werde
mit der Besoldungsstufe A 15 ausgestattet, dazu kämen die Richtwerte für Ausstattung der Büroarbeitsplätze für drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einen kleineren Teil der Finanzierungsveranschlagung ausmachten. Alle Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der Jugendhilfeinspektion erhielten eigene Büroräume, die aber aus dem
Bestand der Behörde rekrutiert würden sowie auch der bereits tätige Mitarbeiter aus
den vorhandenen Personalressourcen stamme. Die veranschlagten Finanzierungsmittel für die Jugendhilfeinspektion seien also keine Zusatzkosten, sondern dienten dem
Kostenüberblick.
Der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE fragte zu den beiden Prüfkategorien „spontan“ und „anlassbezogenen“, welcher Unterscheid zwischen diesen Kriterien bestehen. Zum Instrument Jugendhilfeinspektion wollte er wissen, ob es sich dabei um eine
Fach- oder Dienstaufsicht handele und welche Zeitkontingente oder Stellen intern zur
Entwicklung des Qualitätsmanagements zur Verfügung gestellt würden.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter antworteten, die Jugendhilfeinspektion sei
analog zur Innenrevision ein Instrument zur Unterstützung der Führungskräfte zur
Optimierung ihrer Fachaufsicht über ihre Abteilungen. Für das Qualitätsmanagement
sei ein Qualitätsmanagementbeauftragter eingestellt worden, der die zu zertifizierenden Prozesse und deren Prozessbesitzer identifiziere, gemeinschaftlich mit den ASD
Teams untersuche und letztlich standardisiert beschreibe. Am Ende erfolge eine Freigabe der Prozesse durch den Bezirksamtsleiter, den Staatsrat und daraufhin die Prozessimplementierung durch die Mitarbeiter, die an der Prozessentwicklung mitgewirkt
hätten.
3
Drucksache 20/6190
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Die SPD-Abgeordneten verwiesen auf das Transparenzgesetz und fragten nach, welche Ergebnisse der Jugendhilfeinspektion auf dieser Grundlage verfügbar sein würden. Sie erbaten eine Überprüfung dieses datenschutzrechtlich wichtigen Aspektes
und erbaten dazu eine Protokollerklärung.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter sagten zu, sie wollten diesen Aspekt prüfen.
Dazu erklärte die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration am
26.11.2012 zu Protokoll:
Jugendhilfeinspektion
Es wurde um Mitteilung gebeten, ob die Prüfberichte der Jugendhilfeinspektion
nach dem Hamburgischen Transparenzgesetz (HmbTG) zu veröffentlichen sind.
Das ist nicht der Fall. In § 3 Abs. 1 HmbTG ist abschließend geregelt, welche Gegenstände der Veröffentlichungspflicht unterliegen, nämlich:
1.
Vorblatt und Petitum von Senatsbeschlüssen,
2.
Mitteilungen des Senats an die Bürgerschaft,
3.
in öffentlicher Sitzung gefasste Beschlüsse nebst den zugehörigen Protokollen und Anlagen,
4.
Verträge der Daseinsvorsorge,
5.
Haushalts-, Stellen-, Bewirtschaftungs-, Organisations-, Geschäftsverteilungs- und Aktenpläne,
6.
Globalrichtlinien, Fachanweisungen und Verwaltungsvorschriften,
7.
amtliche Statistiken und Tätigkeitsberichte,
8.
Gutachten und Studien, soweit sie von Behörden in Auftrag gegeben wurden,
in die Entscheidung der Behörde einfließen oder ihrer Vorbereitung dienen,
9.
Geodaten,
10. Ergebnisse von Messungen, Beobachtungen und sonstigen Erhebungen
über schädliche Umwelteinwirkungen, Umweltgefährdungen sowie über den
Zustand der Umwelt, die von einer Behörde außerhalb ihrer Überwachungstätigkeit im Einzelfall durchgeführt werden,
11. das Baumkataster,
12. öffentliche Pläne, insbesondere Bauleit- und Landschaftspläne,
13. die wesentlichen Regelungen erteilter Baugenehmigungen und -vorbescheide,
14. Subventions- und Zuwendungsvergaben,
15. die wesentlichen Unternehmensdaten städtischer Beteiligungen einschließlich einer Darstellung der jährlichen Vergütungen und Nebenleistungen für
die Leitungsebene.
Auf die Prüfberichte der Jugendhilfeinspektion trifft keins der unter den Ziffern 1
bis 15 genannten Merkmale zu.
Die FDP-Abgeordneten hielten die Implementierung der Jugendhilfeinspektion als
Unterstützungsinstrument der Jugendhilfe für begrüßenswert. Sie wollten wissen, wie
ein unterstützender Prozess seitens der Jugendhilfeinspektion anhand festgestellter
Defizite verlaufen solle, insbesondere wenn es sich bei der Problemlage um mangelnde Personalressourcen handele.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter erklärten, die Jugendhilfeinspektion leite ihre
Ergebnisse und Empfehlungen möglichst im Einvernehmen mit dem geprüften Bereich
an den leitenden Vorgesetzten weiter. Damit sei ihre Arbeit abgeschlossen, keinesfalls
begleite sie einen Qualitätsmanagementprozess. Parallel zur Jugendhilfeinspektion
fänden selbstverständlich Supervisions- und Beratungsprozesse und Fortbildungen
statt, um mit den Empfehlungen umzugehen.
4
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Drucksache 20/6190
Die CDU-Abgeordneten fragten nach, wie viele Überprüfungen und von wie vielen
Fällen eine ASD-Stelle aufgrund der personellen Besetzung der Jugendhilfeinspektion
im Jahr erwarten könne, wie die Zugänglichkeit der Prüfergebnisse und Evaluationsergebnisse geregelt werde und ob die Jugendhilfeinspektion auch aufgrund einer Anregung Dritter außerhalb der Jugendämter tätig werden könne. Zur Implementierung
der Jugendhilfeinspektion baten sie um Erläuterung, ob die Fachbehörde diese
konsensual oder in jedem Falle anhand der eingebrachten Vorlage einführen wolle.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter betonten, die Jugendhilfeinspektion sei keine
allgemeine Beschwerdestellte für Bürgerinnen und Bürger, sondern ein Führungsinstrument. Das zentrale Beschwerdemanagement gehöre in das Qualitätsmanagementsystem und werde definitiv bei den bezirklichen Jugendämtern der Bezirke eingeführt. Sie gingen davon aus, dass die Prüfergebnisse der Jugendhilfeinspektion nur
intern veröffentlicht und nicht in die Öffentlichkeit gegeben würden, da sie der internen
Steuerung dienten. Obwohl Fachanweisungen üblicherweise nicht im Fachausschuss
der Bürgerschaft beraten würden, hätten sie in dem Fall „Pflegekinderwesen“ aufgrund des übergeordneten Interesses der Anliegen des Sonderausschusses eine
Ausnahme gemacht. Bei der Jugendhilfeinspektion bewerteten sie dies anders, wollten aber mit dieser Beratung den Ausschuss informieren und nähmen Änderungswünsche zur Kenntnis. Zu der Anzahl der Prüfverfahren gingen sie davon aus, dass die
drei Mitarbeiter der Jugendhilfeinspektion schätzungsweise pro Monat eine ASDStelle prüften, sodass pro Jahr ein Drittel der ASD Dienste geprüft werde. Nach einem
Jahr würden sie die Arbeit der Jugendhilfeinspektion inhaltlich und personell evaluieren, um eventuellen Nachsteuerungsbedarf zu ermitteln.
Die SPD-Abgeordneten begrüßten den engen Arbeitsauftrag der Jugendhilfeinspektion, da es sich um ein Instrument zur Revision handele und es damit letztlich auch zur
Optimierung der Prozesse dienen werde. Sie fragten, ob bei anlassbezogenen Prüfungen auch eine Vorlaufzeit von einer Woche bis zum Prüfungsbeginn gelte.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter antworteten, nur bei einem Verdacht auf eine
Straftat oder bei Gefahr im Verzug werde von der Jugendhilfeinspektion kein Ankündigungszeitraum über eine Woche eingehalten. Ansonsten würden die zu prüfenden
Abteilungen vorab informiert, sodass die Unterlagen vorbereitet werden könnten
Der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE erkundigte sich, ob die Jugendhilfeinspektion einen JUS-IT Vollzugriff haben werde.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter bestätigten dies, die Jugendhilfeinspektion
werde einen JUS-IT Vollzugriff erhalten.
III. Ausschussempfehlung
Der Sonderausschuss „Zum Tod des Mädchens Chantal“ empfiehlt der Bürgerschaft, von seiner Beratung Kenntnis zu nehmen.
Christoph de Vr ies , Berichterstattung
5
Drucksache 20/6190
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Anlage
6
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Drucksache 20/6190
7
Drucksache 20/6190
8
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Drucksache 20/6190
9
BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
Drucksache
20/9384
20. Wahlperiode
17.09.13
Bericht
des Sonderausschusses
„Zum Tod des Mädchens Chantal“
über die Selbstbefassungsangelegenheit mit dem Thema
„Beschwerdemanagement“
Vorsitz: Gunnar Eisold
I.
Schriftführung: Christoph de Vries
Vorbemerkung
In seiner Sitzung am 28. Mai 2013 beschloss der Sonderausschuss „Zum Tod des
Mädchens Chantal“ eine Selbstbefassung gemäß § 53 Absatz 2 Geschäftsordnung
der Hamburgischen Bürgerschaft zum Thema „Beschwerdemanagement“ und befasste sich seiner Sitzung am 14. Juni 2013 abschließend mit dem Thema.
II.
Beratungsinhalt
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter erläuterten eingangs, sie zeigten aktuell einen
Zwischenstand zur Implementierung eines Beschwerdemanagements, den sie dem
1
Ausschuss in Form eines Prozessbaumes erläuterten.
Sie erklärten, das Verfahren sei so geregelt, dass im Rahmen eines Organisationsentwicklungsprozesses zunächst eine Vorlage erarbeitet werde, die die Arbeitsgruppen aus den Bezirksämtern beginnend ab dem 19. Juni 2013 weiterentwickelten.
Im Einzelnen beschrieben die Senatsvertreterinnen und -vertreter das IT-gestützte
Beschwerdemanagement in folgenden Schritten:
1
1.
Mitarbeiter nähmen im ersten Schritt die Beschwerde in irgendeiner bezirklichen Stelle auf, wobei zu klären verbleibe, an welchen weiteren Prozessschritten diese im Erstkontakt gestandenen Mitarbeiter zu beteiligen seien;
die für die Beschwerdeaufnahme zu verwendenden Aufnahmedokumente
und -formulare stünden mit neuestem Stand elektronisch zu Verfügung.
2.
Wenn der Mitarbeiter sachlich nicht zuständig sei, müsse mit einer noch zu
definierenden Frist eine Weiterleitung an die zuständige Stelle und Hierarchieebene erfolgen.
3.
Es werde in jedem Falle eine Eingangsbestätigung geben außer bei persönlich vorgetragenen Beschwerden.
4.
Prüfung der Beschwerde: die Arbeitsgruppen müssten noch klären, welche
Prüfkriterien dabei anzuwenden seien.
Da dazu keine Unterlage zur Verfügung gestellt werden konnte, ist der Prozessbaum diesem Bericht nicht beigefügt.
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Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
5.
Bei Beschwerden über Dritte wie zum Beispiel über einen freien Träger müsse noch erarbeitet werden, wie damit umgegangen werden solle.
6.
Bei Sachbeschwerden müsse noch geklärt werden, ob es sich um eine
Dienstaufsichtsbeschwerde mit einem eigenen Prozess handele. Die bezirklichen Arbeitsgruppen sollten erarbeiten, welche Beschwerdearten es gebe
und mit welchen Eskalierungsstufen und welchen Vorgesetzten diese zu
behandeln seien.
7.
Bei Kindeswohlgefährdungen werde es im Rahmen des Qualitätsmanagements einen eigenen Prozess geben.
8.
Nach Aufklärung des Sachverhalts werde eine Beschwerde nach ihrer Berechtigung eingeschätzt, woraufhin weitere Schritte erfolgten. Da ein Qualitätsmanagementsystem vom Kunden, hier Beschwerdeführer, ausgehe, werde keine Beschwerde unbeantwortet bleiben und in jedem Falle eine individuelle Begründung erfolgen. Bei allen geschilderten Arbeitsschritten müssten
die datenschutzrechtlichen Belange berücksichtigt werden.
9.
Je nach Beschwerdeart würden unterschiedliche Maßnahmen und Prozesse
eingeleitet, deren Definition noch zu erfolgen habe. Alle Daten und Schritte
würden in das Datenprogramm JUS-IT eingepflegt.
10. Nach der Umsetzung entsprechender Maßnahmen aufgrund einer Beschwerde werde es eine Information an den Beschwerdeführer geben und es verbleibe letztlich zu prüfen, ob die Beschwerde damit abgegolten sei oder aufrechterhalten bleibe.
11. Zur Einhaltung der entsprechenden QM-Norm werde jede Beschwerde statistisch erfasst und es müsse eine Berichterstattung an eine zuständige Runde
erfolgen, die es noch zu definieren gelte.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter machten deutlich, für insbesondere wichtig
erachteten sie aufgrund der im Untersuchungsbericht dokumentierten Vorfälle, dass
eine Rückmeldung an den Beschwerdeführer als wesentlicher Bestandteil des Beschwerdemanagements implementiert werde. Es sei künftig nicht mehr möglich, dass
beispielsweise eine Schule nach einer erfolgten Beschwerde überhaupt keine Rückmeldung von der zuständigen Stelle erhalte. Die Vorbereitungen für das Beschwerdemanagement seien so weit fortgeschritten, dass sie davon ausgingen, im kommenden Jahr das geänderte Prozedere fest zu installieren.
Die Abgeordnete der GRÜNEN Fraktion führte aus, das vorgestellte Beschwerdemanagement sei bei den beteiligten Institutionen implementiert und gewährleiste deshalb
aber keine Unabhängigkeit wie eine Ombudsstelle. Insbesondere Konflikte zwischen
einem Jugendamt und einem Klienten würden bei einem solchen Prozedere von der
Stelle aufgenommen, die selbst Teil der Beschwerde sei. Deshalb gebe es bei diesem
Verfahren bereits einen Interessenkonflikt. Sie fragte, ob eine unabhängige Beschwerdestelle noch eingeführt werden sollte.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter entgegneten, Ombudsstellen seien deshalb
problematisch, weil dort keine Rechte und deshalb keine Handlungsspielräume verankert seien. Im Rahmen der Planungen für das Beschwerdemanagement sei die Schaffung einer Ombudsstelle kein Thema gewesen, denn ihr Fokus liege auf dem systemimmanenten Beschwerdemanagement in den Jugendämtern. Hier sähen sie momentan die wichtigste Handlungsnotwendigkeit, damit die an den ASD, die Jugendämter
oder weitere bezirkliche Stellen gerichteten Beschwerden nicht im Sande verliefen.
Sie fügten an, dass das vorgestellte und einzuführende Beschwerdemanagement
regelmäßig extern auditiert werde, sodass die Einhaltung der Prozessschritte sichergestellt sei und das System nicht nach Gutdünken der beteiligten Stellen verändert
werden könne.
Die SPD-Abgeordneten sagten, das geplante Beschwerdemanagement sei für sie ein
wesentlicher Bestandteil des QM-Systems, dessen externe Auditierung und Zertifizierung sie begrüßten und für notwendig hielten. Sie fragten, ob die Jugendamtsmitarbeiter in den Prozess zur Erarbeitung des Beschwerdemanagements eingebunden seien
und ob sie die Kategorisierungen der Beschwerdequalität vornehmen müssten.
2
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Drucksache 20/9384
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter antworteten, die Erarbeitung des Beschwerdemanagements sei Teil des Organisationsentwicklungsprozesses, sodass die Jugendamtsmitarbeiter eingebunden seien und ihre Expertise einbringen könnten. Auch die
Vorgaben zur Hierarchisierung der Beschwerden sollten von den Mitarbeitern erarbeitet werden, die endgültige Entscheidung darüber verbleibe allerdings bei der Projektgruppe der Jugendamtsleiter und sei deren Führungsaufgabe.
Die CDU-Abgeordneten sprachen die Konfliktfälle an, die Betroffene mit Jugendamtsmitarbeitern hätten, sodass in diesen Fällen die Beschwerden dort aufliefen, wo sie
ihren Ursprung hätten. Für diese Situationen sei das skizzierte Beschwerdemanagement nicht ausreichend, denn dafür bedürfe es einer extern angesiedelten Stelle, also
zum Beispiel dezentral in den Bezirksämtern oder bei der zuständigen Behörde selbst.
Sie sprachen sich dafür aus, eine weitere kritische institutionelle Instanz zu schaffen,
um solche Konflikte, die intern in die Jugendämter reichten, aufgreifen und lösen zu
können.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter sahen die Lösung der genannten Problematik
als eine Aufgabe der Führungskräfte und erinnerten daran, die Lenkungsgruppe Jugendhilfe ins Leben gerufen zu haben. Im Bereich der Führungskräfte an den Jugendämtern finde seit dem Innenrevisionsbericht ein sogenannter Kulturwechsel statt, der
nur unter Beteiligung der Bezirksämter zu erreichen sei und nicht, indem die zuständige Behörde regulierende Aufgaben übernähme. Der Innenrevisionsbericht müsse
unter Beteiligung der Jugendamtsleiter so adaptiert werden, dass das Handeln der
beteiligten Jugendamtsmitarbeiter einem kritischen Wandlungsprozess unterliege.
Dies habe zur Konsequenz, dass Rückmeldungen zu Beschwerden zwangsläufig
erfolgten, immer Antworten gegeben werden müssten und zumindest die nächste
Hierarchieebene am Prozess zu beteiligen sei. Darüber hinaus verwiesen sie auf die
von der Behörde eingesetzte Jugendhilfeinspektion, die durchaus einen Kontrollcharakter habe und direkt auf die Prozesse und Unterlagen des ASD Zugriff habe. Sie
machten erneut deutlich, dass QM-Prozesse aus der Perspektive des Kunden – also
dem Klientel des ASD – und nicht aus der Verwaltung entwickelt würden.
Der FDP-Abgeordnete erklärte, das vorgestellte Beschwerdemanagement habe mit
der Einrichtung einer Ombudsstelle im Sinne des Prozesses nichts zu tun, und er
wisse aus Erfahrung, dass ein extern und im Sinne eines QM-Prozesses kontrolliertes
Beschwerdemanagement kleinstteilig und erfolgreich funktionieren könne. Er fragte
nach, inwieweit die Jugendhilfeinspektion bei einzelnen Konfliktfällen eine Rolle spielen könne und inwieweit zu dem angesprochenen Kundenkreis im Sinne des Beschwerdemanagements auch Träger zählten. Des Weiteren wollte er wissen, ob die
Person, die eine Beschwerde stelle, auch im Sinne eines Dritten handeln dürfe oder
ob dafür eine Einwilligungserklärung des Betroffenen vorliegen müsse.
Die Senatsvertreterinnen zählten auf, Kunden könnten diejenigen sein, die nicht zur
Verwaltung gehörten wie: Eltern und Kinder, Schulen, Kinderärzte, also alle am Kindeswohl beteiligten Personen. Dazu könnten – auch Freie – Träger kommen, allerdings seien die Träger teilweise auch Leistungserbringer im Prozess und könnten deshalb auch Gegenstand von Beschwerden sein. Aus diesem Grund müssten Träger ein
eigenes Beschwerdemanagement vorhalten, sodass auch hier bei eingehenden Beschwerden ein standardisiertes Verfahren greife.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter erklärten zu der Frage nach einer möglichen
Beschwerde durch Dritte, dass bei dem vorgestellten Verfahren grundsätzlich KEINE
Beschwerdeart ausgeschlossen werde. Dies bedeute, dass tatsächlich keine Meldung
unbearbeitet bleibe und auch extrem niedrigschwellig eingebrachte Beschwerden
geprüft, in jedem Falle die Vorgehensweise dokumentiert und abschließend entsprechend beantwortet würde. Dabei werde als Arbeitsgrundlage ein Formular benutzt,
das immer aktuell im IT-System hinterlegt sei. Diese Vorgehensweisen seien auch
bisher so vorgegeben gewesen, der wesentliche Änderungsprozess liege darin sicherzustellen, dass die Vorgaben auch eingehalten würden.
Der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE verwies darauf, Arbeitsprozesse unter QMBedingungen benötigten mehr Arbeitszeit, und er fragte, ob das dafür benötigte zeitliche Ausmaß bekannt sei. Aus seiner Sicht sei die Begrifflichkeit des „Kunden“ im
Zusammenhang mit einem Beschwerdemanagement im Bereich der Jugendhilfe prob3
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lematisch und habe in anderen ähnlichen Zusammenhängen eher zu schwierigen
Ergebnissen geführt. Generell befürworte er die Einführung eines Beschwerdemanagements selbstverständlich und wollte wissen, ob die kurzfristig im Bezirk HamburgMitte implementierten Prozesse auf dem vorgestellten Beschwerdemanagement basierten.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter erklärten, momentan gebe es ein erhöhtes
Arbeitsaufkommen aufgrund der Mitarbeiterbeteiligung an der Prozessentwicklung.
Nach Erarbeitung der Prozesse und Einführung des Beschwerdemanagements gingen sie davon aus, keine größeren Personalressourcen binden zu müssen. Sie erläuterten, dass in QM-Zusammenhängen gebräuchliche Begriffe wie der des „Kunden“
übernommen werden sollten, um auf dieser Arbeitsebene keinen weiteren Aufwand
entstehen zu lassen. Der grundsätzliche Fokus bei der Erarbeitung des Beschwerdemanagements liege auf den Abläufen, die zur Sicherung des Kindeswohls geschaffen
würden.
Die SPD-Abgeordneten fragten nach, wie mit Erkenntnissen aufgrund von Beschwerden, die eher struktureller Natur seien, umgegangen würde und wie diese konstruktiv
von den Jugendämtern aufgegriffen würden.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter machten deutlich, im QM-System gebe es ein
jährliches Management-Review, in das auch die Bezirksamtsleiter eingebunden seien.
Dort werde im Rahmen des QM-Audits unter anderem die Häufigkeit von Beschwerden besprochen. Sollte kurzfristiger Handlungsbedarf bestehen, werde die Jugendhilfeinspektion als Innenrevisionsinstrument eingesetzt. Das im QM-Prozess obligatorische Führen einer Statistik werde den Führungskräften regelmäßig zugänglich gemacht und führe bei Handlungsbedarf zwangsläufig zu entsprechenden Maßnahmen.
Die SPD-Abgeordneten sprachen die Beschwerden von Amtsvormündern an, die im
Zusammenhang mit dem Tod des Mädchens Chantal – auch in schriftlicher Form –
aufgelaufen und nicht korrekt abgearbeitet worden seien. Sie bewerteten die Amtsvormünder in ihrer Funktion als wichtige Hinweisgeber im Zusammenhang mit dem Thema Kindeswohlgefährdung und wollten wissen, ob es für die Situation einer möglichen
Kindeswohlgefährdung einen speziell definierten QM-Prozess geben werde.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter antworteten, die Definition der möglichen
Beschwerdeführer sei festgeschrieben und bereits im Innenrevisionsbericht sei diese
Thematik dokumentiert worden. Eine mögliche Kindeswohlgefährdung sei der Kernbaustein des QM-Prozesses und erfahre deshalb die größtmögliche Berücksichtigung.
Die Abgeordnete der GRÜNEN Fraktion bewertete das vorgestellte Beschwerdemanagement für unvollständig, denn es decke nur einen Teilbereich, nämlich insbesondere den der Hinweise, ab. Aus ihrer Sicht seien insbesondere die Beschwerden von
Jugendamtsklienten, die das Jugendamt als Institution selbst beträfen, nicht abgedeckt.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter betonten, bei dem vorgestellten Beschwerdemanagement gebe es keine Hürden, durch die etwaige Beschwerdearten wie über
das Jugendamt, den ASD oder weitere institutionelle Stellen nicht abgedeckt seien.
Der FDP-Abgeordnete ergänzte den Einwand der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion, indem er nachfragte, was oder wer in Konfliktfällen mit dem Jugendamt und einem
Klienten in den QM-Prozess eingreife.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter antworteten, für Konfliktfälle würden verschiedene Eskalationsstufen definiert, die sukzessive die entsprechende Hierarchieebene
ansprechen würden. Mit dieser Maßnahme gingen sie davon aus, auch intern das
Jugendamt betreffende Konfliktfälle berücksichtigen zu können.
Der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE wollte wissen, ob der ASD selbst das
Beschwerdeverfahren nutzen könne, um beispielsweise deutlich zu machen, dass es
keinen angemessenen Heimplatz gebe, und ob bei den QM-Berichten eine ausreichende Berücksichtigung des Sozialdatenschutzes erfolgen werde.
4
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Drucksache 20/9384
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter stellten fest, eine Beschwerde des ASD im
Sinne einer internen Kundenbeziehung hätten sie nicht berücksichtigt, wollten aber
diesen Aspekt prüfen. Der Sozialdatenschutz werde in jedem Falle berücksichtigt.
Die SPD-Abgeordneten machten deutlich, für die Jugendamtsmitarbeiter seien gut
beschriebene Arbeitsprozesse insbesondere in schwierigen Fällen sehr hilfreich als
Handlungsgrundlage. Deshalb seien unter Mitarbeiterbeteiligung erwachsene Prozessbeschreibungen äußerst wertvoll für den Arbeitsalltag. Gleichzeitig bewerteten sie
das Beschwerdemanagement als Kontrollinstrument für ebenso wichtig und sähen
darin einen wichtigen Sicherheitsfaktor.
III. Ausschussempfehlung
Der Sonderausschuss „Zum Tod des Mädchens Chantal“ empfiehlt der Bürgerschaft, von seiner Beratung Kenntnis zu nehmen.
Christoph de Vr ies , Berichterstattung
5
3. August 2012/bgv03
Kindeswohl hat auch bei Substitution von
Suchtkranken oberste Priorität
Kooperationsvereinbarung zwischen Ärzten, Suchthilfe und Behörden zur
Stärkung des Kinderschutzes unterzeichnet
Kinder suchtkranker Menschen sind besonders schutzbedürftig, denn sie sind speziellen Risiken
und Belastungen ausgesetzt. Deshalb werden substituierende Ärztinnen und Ärzte sowie Mitarbeiter von Suchtberatungsstellen und Jugendämtern in Hamburg künftig gemeinsam ein besonderes
Augenmerk auf Kinder von Substitutionspatienten haben und dazu alle relevanten Informationen
über die Familien austauschen. Dazu sollen sie regelmäßig von der Schweigepflicht entbunden
werden. Eine entsprechende Kooperationsvereinbarung mit Regeln für die Zusammenarbeit und die
Unterstützung der Familien ist jetzt von der Ärztekammer, der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH), den Trägern der Suchthilfe, den Bezirksämter und den zuständigen Behörden unterzeichnet worden.
„Auch Kinder von Substituierten sollen in ihrer eigenen Familie gesund aufwachsen können. Damit das gelingt, brauchen wir ein Frühwarnsystem, das uns Unterstützungsbedarf der substituierten Eltern und eventuelle Gefährdungen der Kinder rechtzeitig anzeigt. Mit dieser Vereinbarung übernehmen alle Beteiligten
Verantwortung für das Wohl der Kinder und arbeiten eng zusammen“, so Gesundheitssenatorin Cornelia
Prüfer-Storcks.
„Mit dieser Vereinbarung wollen wir erreichen, dass Ärzte schon bei Besorgnissen über Kindeswohlgefährdungen regelhaft die Jugendämter informieren und nicht erst, wenn Gefährdungen offenkundig sind oder
sich bereits länger verfestigt haben“, sagt Sozial- und Familiensenator Detlef Scheele. „Das ist mehr als
uns das Bundeskinderschutzgesetz abverlangt – und gut für die betroffenen Kinder.“
„Wir bekennen uns zu der gemeinsamen Verantwortung, die auch die Ärztinnen und Ärzte nicht nur für ihre
Patienten, sondern auch für deren Kinder tragen. Die Familien erhalten an verschiedenen Stellen Hilfe, wir
wollen das – im Sinne der Kinder - noch besser miteinander verzahnen“, sagt Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Ärztekammer Hamburg.
Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg erinnerte an die Mitverantwortung der Patienten „Mit der Substitution bieten wir einen gangbaren Weg aus der Drogenabhängigkeit“, erklärte Walter Plassmann, stellvertretender Vorsitzender der KV Hamburg. „Mit dieser Chance müssen alle Beteiligten verantwortungsvoll
umgehen.“ Probleme in Einzelfällen sollten nicht zum Anlass genommen werden, die gesamte Substituti-
onsbehandlung in Frage zu stellen. „Das Engagement der Ärztinnen und Ärzte darf nicht durch überzogene
Forderungen untergraben werden.“ Die Kooperationsvereinbarung schaffe hierfür im einem speziellen Bereich weitere Klarheit, dies werde von der KVH nachdrücklich begrüßt.
Die engere Kooperation zwischen Ärzten, Suchthilfe und Jugendhilfe wird durch die neuen Regelungen im
Bundeskinderschutzgesetz erleichtert. Es regelt die Übermittlung von Hinweisen auf Kindeswohlgefährdung
durch Geheimnisträger wie Ärzte oder Suchtberater an die Jugendämter in einem abgestuften Verfahren. In
Hamburg sollen substituierte Eltern ihre Ärztinnen und Ärzte, ihre Suchtberater und die Jugendamtsmitarbeiter künftig immer von der Schweigepflicht entbinden, damit die Beteiligten sich gegenseitig informieren
können. Dann können substituierende Ärzte dem Jugendamt Patienten mit Kindern melden, die Unterstützung bei der Erziehung benötigen oder bei denen Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen.
Bei gewichtigen Anhaltspunkten einer Kindeswohlgefährdung hat, wenn der Gefahr nicht anders abgeholfen werden kann, eine Meldung an das Jugendamt zu erfolgen, auch ohne vorliegende Schweigepflichtentbindung.
Das Jugendamt muss alle notwendigen Maßnahmen einleiten, um Familien zu unterstützen und eine Kindeswohlgefährdung abzuwenden. Um Hilfebedarf und Kindeswohlgefährdungen zu erkennen, haben die
Kooperationspartner einen Katalog von Indikatoren erarbeitet.
Wenn Substituierte selbst Eltern sind oder minderjährige Kinder in ihrem Haushalt leben, wird von den Ärztinnen und Ärzten immer eine Einrichtung der Psychosozialen Betreuung (PSB) eingeschaltet. Ärzte und
PSB informieren sich laufend über den Behandlungs- und Betreuungsverlauf. Die 2008 in Hamburg eingeführte Begrenzung der psychosozialen Betreuung auf maximal zwei Jahre wurde schon zur Jahreswende
2011/2012 für drogenabhängige Eltern aufgehoben.
Bei den Gesprächen zur Erarbeitung der Vereinbarung haben sich die Unterzeichner auch mit der sogenannten Take-Home-Verordnung, speziell unter dem Aspekt der Sicherheit für Kinder befasst. Die Vorgabe
der Bundesärztekammer, dass eine Take-Home-Verordnung nur möglich ist, wenn „keine Hinweise für eine
Fremdgefährdung bestehen“, wurde dahingehend verschärft, dass an dieses Kriterium besonders strenge
Anforderungen zu stellen sind, wenn minderjährige Kinder im Haushalt der substituierten Patienten leben.
Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks: „Ich habe die KVH dringend gebeten sicherzustellen, dass die
verschärften Anforderungen an Take-Home-Verordnungen in Hamburg von allen substituierenden Ärzten
eingehalten werden. Wenn Kinder im Haushalt leben, muss gelten: Im Zweifel für den Kinderschutz.“
Deshalb wurde vereinbart, dass die Ärztinnen und Ärzte Entscheidungshilfen, die Bestandteil der Kooperationsvereinbarung sind, nutzen, um die Situation bewerten und entscheiden zu können, ob eine TakeHome-Vergabe verantwortet werden kann. Sollte aus diesem Grund eine Take-Home-Vergabe nicht möglich sein, so kann durch eine Überweisung an eine der Substitutionsambulanzen die Versorgung mit dem
Substitut sichergestellt werden. In diesem Fall soll auch abgewogen werden, ob grundsätzlich eine Behandlung in einer Ambulanz mit erhöhter Kontaktfrequenz sinnvoll ist.
Die Kooperationsvereinbarung, die in drei Jahren hinsichtlich Wirksamkeit und Praktikabilität überprüft wird,
wie auch die genannten Anlagen, sind unter http://www.hamburg.de/startseite-drogen-sucht online verfügbar.
Rückfragen der Medien:
Pressestelle der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz
Rico Schmidt; Tel.: 428 37-2332
E-Mail: [email protected]; Internet: www.hamburg.de/bgv
Pressestelle der Ärztekammer Hamburg
Sandra Wilsdorf/ Dorthe Kieckbusch, Tel.: 20 22 99 200
E-Mail: [email protected]; Internet: www.aerztekammer-hamburg.de
Kooperationsvereinbarung
zur Förderung der Erziehungsfähigkeit von substituierten drogenabhängigen
Menschen mit regelmäßigem Umgang mit minderjährigen Kindern sowie der Stärkung
des Kinderschutzes
Präambel
Die Kinder von Suchtkranken sind im Alltag stärkeren Gefährdungen in Bezug auf ihre
Entwicklung und das Kindeswohl ausgesetzt als andere Kinder. Eine besonders belastete
Gruppe der Suchtkranken sind die Opiatabhängigen, häufig auch dann, wenn sie sich in
einer Substitutionsbehandlung befinden. Um Kindern das gesunde Aufwachsen bei
opiatabhängigen, substituierten Eltern zu ermöglichen und diese dabei zu unterstützen, das
Recht und die Pflicht zur Pflege und Erziehung1 wahrnehmen zu können, benötigen sie
besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung, insbesondere im Hinblick auf das
Kindeswohl. Als Grundlage für eine gelingende Hilfe erklären die Vertragspartner/innen ihre
gemeinsame Verantwortung für die Bereitschaft zur Kooperation untereinander und unter
Beteiligung der Betroffenen.
Vor diesem Hintergrund werden in dieser Vereinbarung Standards für die Kooperation
zwischen substituierenden Ärztinnen und Ärzten, Allgemeinen Sozialen Diensten (ASD) und
Trägern der Suchthilfe, die Psychosoziale Betreuung (PSB) leisten2, definiert.
Die Kooperationsvereinbarung baut auf der bereits bestehenden Rahmenvereinbarung
„Suchtgefährdete und suchtkranke schwangere Frauen und Familien mit Kindern bis zu
einem Jahr“ vom 13.02.2008 sowie der Kooperationsvereinbarung zwischen den Trägern der
Suchthilfe und den ASD in Hamburg vom 17.11.2009 auf.
Ziel der Kooperationsvereinbarung ist das Zusammenleben zwischen Eltern und Kindern zu
unterstützen, Intoxikationen vorzubeugen und Kindeswohlgefährdungen frühzeitig zu
erkennen.
Rechtliche Grundlagen: Datenschutz und Schweigepflicht
Das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG)3 regelt in § 4 die
Beratung und Übermittlung von Informationen durch Geheimnisträger. Wenn ihnen in
Ausübung der beruflichen Tätigkeit gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls
eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt werden, sollen sie mit dem Kind oder
Jugendlichen und den Personensorgeberechtigten die Situation erörtern und, soweit
erforderlich, bei den Personensorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen
1
Artikel 6 Abs. 2 und 3 Grundgesetz regelt, dass die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche
Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht ist. Über ihre Betätigung wacht die
staatliche Gemeinschaft. Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur zur
Abwendung von Gefahren auf gesetzlicher Grundlage gemäß SGB VIII § 42 oder BGB §1666 von der
Familie getrennt werden.
2
Zu diesen Einrichtungen gehören Suchtberatungsstellen die PSB leisten, reine PSB-Einrichtungen
und Einrichtungen der Eingliederungshilfe für seelisch Kranke (SGB XII)
3
Anlage 1
hinwirken, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in
Frage gestellt wird. Führt dies nicht zu einer Abwendung der Gefährdung und halten die
Geheimnisträger ein Tätigwerden des Jugendamtes für erforderlich, um eine Gefährdung
des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen abzuwenden, so sind sie befugt, das
Jugendamt zu informieren und alle erforderlichen Daten zu übermitteln. Hierauf sind die
Betroffenen vorab hinzuweisen, es sei denn, dass damit der wirksame Schutz des Kindes
oder des Jugendlichen in Frage gestellt wird. Die Kooperationspartner vereinbaren, dass die
Befugnis zur Datenübermittlung in diesem Fall zum Schutze der betroffenen Kinder und
Jugendlichen genutzt wird.
Um Klarheit zu gewinnen, ob solche gewichtigen Anhaltspunkte für die Gefährdung des
Kindeswohls vorliegen und welches Vorgehen sinnvoll ist, haben die Kooperationspartner
einen Anspruch auf Beratung. In Hamburg beraten die Kinderschutzkoordinatoren der
Bezirksämter oder der Kinder- und Jugendnotdienst4. Die dafür erforderlichen Angaben zu
den Suchtkranken und ihrer Kinder sind pseudonymisiert zu übermitteln.
Die Kooperationspartner sind zudem befugt, sich im Falle des rechtfertigenden Notstandes
gemäß § 34 StGB nach einzelfallbezogener Gefährdungsabschätzung gegenseitig zu
informieren, soweit dieses zum Schutz eines Kindes oder Jugendlichen erforderlich ist.
Bestehen aktuell keine gewichtigen Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung, kann eine
Information des ASD dennoch angezeigt sein, etwa um dem ASD eine Beratung der
Personensorgeberechtigten und Hinweise auf Hilfeangebote zu ermöglichen. In diesen
Fällen kann das Jugendamt informiert werden, wenn die substituierten Eltern dem
zugestimmt haben oder eine generelle Einwilligung über die „Entbindung von der
Schweigepflicht“ vorliegt.5 Die Eltern werden über diese Datenweitergabe informiert.
Zuständigkeiten und Kooperationsverfahren
Hilfen für opiatabhängige substituierte Menschen werden überwiegend durch
niedergelassene Ärztinnen und Ärzte6 und Einrichtungen der Suchthilfe, die PSB leisten,
erbracht. Hilfen für Familien werden durch die ASD der Bezirksämter vermittelt oder bewilligt.
Der ASD hat stets das staatliche Wächteramt und muss im Fall einer Kindeswohlgefährdung
die notwendigen Schritte zur Abwendung einleiten.
Voraussetzung für wirksame Hilfeleistung bezogen auf das Zusammenleben in der Familie
ist die realistische Einschätzung des Hilfebedarfs und der Risiken für die Kinder. Dafür ist die
gezielte Absprache aller Beteiligten einschließlich der betroffenen substituierten Menschen
4
Kontakt: Telefonnummern und Links zu den Kinderschutzkoordinatorinnen, -koordinatoren und dem
Kinder- und Jugendnotdienst, Kinderschutzhotline
http://www.hamburg.de/behoerdenfinder/hamburg/11251809/
5
Anlage 3: Schweigepflichtentbindung und Datenübermittlung
6
Diese Behandlung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte oder in den Substitutionsambulanzen
ist durch bundeseinheitliche Vorgaben geregelt; hierzu gehören: Gesetz über den Verkehr mit
Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz - BtMG), die Verordnung über das Verschreiben, die
Abgabe und den Nachweis des Verbleibs von Betäubungsmitteln
(Betäubungsmittelverschreibungsverordnung - BtMVV), die Richtlinien der Bundesärztekammer zur
Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger und die Richtlinie des
Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der
vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztlicher Versorgung)
Entsprechende Links sind der Anlage 1 beigefügt.
2
notwendig. Die beteiligten Institutionen verpflichten sich deshalb zur verbindlichen
Kooperation und zur Festlegung von Verantwortlichkeiten im Einzelfall.
Die Zusammenarbeit der Kooperationspartner wird von der Fachkraft der Suchthilfe oder des
ASD bzw. von der Ärztin/ dem Arzt eingeleitet, die/der den Bedarf oder die Notwendigkeit zur
Kooperation erkennt. Der verständigte und zuständige ASD übernimmt jeweils die
Fallverantwortung für das Kind, hat die Federführung der Kooperation und muss zur
Sicherung des Kindeswohls ggf. auch gegen das Votum der Kooperationspartner handeln. In
jedem Fall informiert der ASD die meldenden Kooperationspartner über den Eingang der
Meldung und die Zuständigkeit. Liegt eine entsprechende Einverständniserklärung zur
Übermittlung der Sozialdaten vor, informiert der ASD darüber hinaus, ob ein Kontakt
zustande gekommen ist und eine Hilfeplanung eingeleitet wurde.
Kriterien für Hilfebedarf und Indikatoren für mögliche Kindeswohlgefährdung
Die Kooperationspartner verständigen sich darauf, die Situation der Kinder aus der
jeweiligen beruflichen Perspektive nach den Kenntnissen und Möglichkeiten zu betrachten
und zu bewerten.
Bezogen auf die Lebenssituation opiatabhängiger, substituierter Menschen haben sich die
Kooperationspartner auf Indikatoren geeinigt, die auf Hilfebedarf bzw. auf gefährdende
Situationen für Kinder im Haushalt hinweisen bzw. hinweisen können. Der Indikatorenkatalog
ist Bestandteil der Kooperationsvereinbarung und wird von den substituierenden Ärztinnen
und Ärzten und den Einrichtungen der PSB in ihrem jeweiligen beruflichen Kontext genutzt.7
Kooperation zwischen substituierenden Ärztinnen und Ärzten und Allgemeinen
Sozialen Diensten
Um die Situation in einer Familie einordnen zu können und adäquate Hilfen zu leisten oder
zu bewilligen, die die Erziehungsverantwortung unterstützen, ist es für den ASD unerlässlich,
über die Information zu verfügen, ob bei opiatabhängigen, substituierten Menschen durch
Dritte ein Hilfebedarf für die Familie gesehen wird.
Die Ärztinnen und Ärzte werden deshalb im Rahmen der Behandlung und Betreuung
drogenabhängiger bzw. substituierter Menschen immer bei Behandlungsbeginn und im
weiteren Verlauf der Behandlung erfragen, ob die Substituierten Eltern sind und/oder
minderjährige Kinder im Haushalt leben. Sie wirken auf das Einverständnis zur
Schweigepflichtentbindungserklärung gegenüber dem ASD hin und informieren den ASD,
wenn von Hilfebedarf ausgegangen werden muss und eine
Schweigepflichtentbindungserklärung vorhanden ist.
Der ASD wird immer informiert, wenn nach den Vorklärungen weiterhin (siehe Rechtliche
Grundlagen) gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bestehen, in diesem
Fall kann dies auch gegen den Willen der betroffenen Personen erfolgen. Darauf werden die
Eltern hingewiesen. Sollte dadurch das Wohl des Kindes gefährdet sein, kann diese
Information ausbleiben. Dies wird jeweils in der Patientenakte dokumentiert.
Erhält der ASD eine solche Mitteilung wird er umgehend entsprechend seiner Vorgaben
tätig. Weiterhin holt der ASD eine Entbindung von der Schweigepflicht gegenüber der/ dem
7
Anlage 2: Indikatoren für Hilfebedarf und Kindeswohlgefährdung
3
betreuenden Ärztin oder Arzt sowie der Einrichtungen der Suchthilfe ein, die die
psychosoziale Betreuung leistet.
Kooperation zwischen substituierenden Ärztinnen /Ärzten und Einrichtungen der
Psychosozialen Betreuung (PSB)
Das Therapiekonzept für die Substitution opiatabhängiger Menschen beinhaltet unter
anderem die Vermittlung in PSB. Dem Informationsaustausch und der Zusammenarbeit
zwischen substituierenden Ärztinnen und Ärzten und den Einrichtungen der Suchthilfe, die
PSB leisten, kommt eine zentrale Bedeutung zur Qualitätssicherung der
Substitutionsbehandlung zu.
Wenn die Substituierten Eltern sind, bzw. minderjährige Kinder im Haushalt leben oder eine
Schwangerschaft besteht, wird der Kontakt zu PSB hergestellt und durch die PSB bestätigt.
In der Behandlungsvereinbarung zwischen substituierender Ärztin/Arzt und PSB 8entbinden
die Patientinnen und Patienten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der PSB und die
Ärztinnen und Ärzte gegenseitig von der Schweigepflicht. Die Ärztin oder der Arzt übermittelt
an die PSB die wichtigsten Informationen, wie vereinbarte Behandlungsziele, die aktuelle
Substitut-Dosierung sowie die Beigebrauchsituation und Medikamentierung (z.B.
Benzodiazepine).
Aufgabe der Psychosozialen Betreuung ist es, die Erreichung der Therapieziele durch
geeignete Hilfen zu befördern. Art und Umfang richten sich nach der individuellen Situation
und dem Krankheitsverlauf der Patientin/des Patienten. Nach erfolgter Diagnose und
Hilfeplanung durch die Einrichtung der PSB wird nach der Richtlinie des gemeinsamen
Bundesausschusses9 eine PSB Bescheinigung ausgestellt, die der
Behandlungsdokumentation beigefügt wird. Diese Bescheinigung enthält auch die inhaltliche
Vereinbarung zur Hilfeplanung. Hierbei wird u.a. auf die Erziehungsfähigkeit eingegangen,
wenn die Substituierten Eltern sind, bzw. minderjährige Kinder im Haushalt leben.
Kommen Ärztin/Arzt und die Einrichtung der PSB zu dem Ergebnis, dass derzeit keine PSB
erforderlich ist, wird dies schriftlich dokumentiert.
PSB und ärztliche Behandlung werden laufend koordiniert, dazu informieren sich die
substituierenden Ärztinnen und Ärzte sowie Einrichtungen der psychosozialen Betreuung
regelhaft über den Behandlungs- bzw. Betreuungsverlauf. Bei gravierenden Veränderungen,
insbesondere, wenn Entwicklungen zu sehen sind, die das Kindeswohl beeinträchtigen
können, erfolgt die Information umgehend.
Die PSB und die substituierenden Ärztinnen und Ärzte informieren sich gegenseitig, sobald
es zum Abbruch des Kontaktes kommen sollte. Die Situation der Kinder wird dann neu
bewertet.
8
BTMVV §5 regelt das Verschreiben zur Substitution, eine Voraussetzung ist der Einbezug von PSB.
Richtlinie des gemeinsamen Bundesauschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der
vertragsärztlichen Versorgung, Kapitel 2.: Substitutionsgestützte Behandlung Opiatabhängiger
9
4
Kooperation zwischen Substituierenden Ärztinnen und Ärzten, Allgemeinen Sozialen
Diensten und den Einrichtungen der Psychosozialen Betreuung
Die Kooperationspartner ASD, PSB und substituierende Ärztin bzw. Arzt werden sich
entsprechend ihrem Auftrag nach dem Gesetz zur Kooperation und Information im
Kinderschutz (KKG) über die Beobachtungen, Feststellungen oder Erkenntnisse gegenseitig
berichten, aus denen auf eine Gefährdung des Wohles eines Kindes oder Jugendlichen
geschlossen werden kann, damit Hilfen zum Schutz der Kinder wirksam und frühzeitig
eingesetzt werden können.10
Überprüfungszeitraum
Die Vereinbarung wird nach drei Jahren hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Praktikabilität
überprüft und ggf. überarbeitet.
Hamburg, den 20.6.2012
Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz
Senator für Arbeit, Soziales, Familie und Integration
Ärztekammer Hamburg
Kassenärztliche Vereinigung Hamburg
Bezirksamt Hamburg-Mitte
Bezirksamt Altona
Bezirksamt Eimsbüttel
Bezirksamt Hamburg-Nord
Bezirksamt Wandsbek
Bezirksamt Bergedorf
Bezirksamt Harburg
Asklepios Klinik Nord Ochsenzoll
Die Brücke e.V.
Jugendhilfe e.V.
Jugend hilft Jugend e.V.
Malteser Nordlicht
Martha Stiftung
Palette e.V.
Therapiehilfe e.V.
10
Anlage: Übersicht zur vereinfachten Darstellung der Abläufe und Zuständigkeiten
5
BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
Drucksache
20/9843
20. Wahlperiode
04.11.13
Bericht
des Sonderausschusses „Zum Tod des Mädchens Chantal“
über die Drucksache
20/3870:
Einsetzung eines Sonderausschusses
(Antrag SPD, CDU, GAL, FDP)
Vorsitz: Gunnar Eisold
I.
Schriftführung: Christoph de Vries
Vorbemerkung
Die Bürgerschaft hat in ihrer Sitzung am 18. April 2012 die Drs. 20/3870 mehrheitlich
mit den Stimmen der Abgeordneten von SPD, CDU, GAL und FDP gegen die Stimmen der Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE angenommen und somit die Einsetzung des Sonderausschusses „Zum Tod des Mädchens Chantal“ vollzogen.
Der Sonderausschuss tagte am 19. Juni, 10. August, 19. September, 29. Oktober,
21. November, 3. Dezember 2012, 15. Januar, 7. Februar, 22. März, 18. April,
28. Mai, 14. Juni, 8. August und 26. September 2013. Die abschließende Beratung
fand am 22. Oktober 2013 statt.
Der Ausschuss hat im Rahmen seiner Beratungen mehrere Selbstbefassungsangelegenheiten gemäß § 53 Absatz 2 der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft (GO) beschlossen und der Bürgerschaft darüber bereits berichtet. Diese Berichte sowie die Ausschussprotokolle sind nicht Bestandteil des vorliegenden Berichts.
Sie können sowohl in der Parlamentsdokumentation der Bürgerschaftskanzlei als
auch in der öffentlich zugänglichen Datenbank der Parlamentsdokumentation
http://www.buergerschaft-hh.de/parldok/ eingesehen werden.
Protokolle von Beratungen des Ausschusses, die in nicht öffentlicher Sitzung stattfanden, können in der Parlamentsdokumentation der Hamburgischen Bürgerschaft nach
Maßgabe der geltenden Richtlinien der Präsidentin der Bürgerschaft zur Einsichtnahme in Ausschussprotokolle auf Antrag eingesehen werden.
II.
Beratungsinhalt
Beratung am 19. Juni 2012
In dieser Sitzung nahm der Ausschuss seine Arbeit auf. Die Selbstbefassungen „Neuausrichtung Pflegekinderwesen“ und Sachstand „Aufklärung der Umstände des Todes
von Chantal“ wurden einstimmig beschlossen (Protokoll/Wortprotokoll 20/1).
Beratung am 10. August 2012
Die Beratung der Selbstbefassung gemäß § 53 Absatz 2 GO zum Thema „Aufklärung
der Umstände des Todes von Chantal“ fand statt.
Drucksache 20/9843
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Eine Anhörung von Auskunftspersonen gemäß § 58 Absatz 2 GO wurde im Rahmen
der Selbstbefassung „Neuausrichtung Pflegekinderwesen“ beschlossen.
Über die Sitzung, die teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, wurde ein
Wortprotokoll in zwei Teilen, öffentlich und nicht öffentlich, gefertigt (Protokolle 20/2a –
öffentlich – und 20/2b – nicht öffentlich –).
Beratung am 19. September 2012
Der Ausschuss führte die Anhörung von Auskunftspersonen zum Thema „Neuausrichtung Pflegekinderwesen“ durch und der Senat gab Informationen zum aktuellen
Sachstand dazu.
Es bestand Einvernehmen, dass zu diesem Thema in der folgenden Sitzung eine weitere Anhörung gemäß Paragraf 58 Absatz 2 GO stattfinden sollte (Wortprotokoll 20/3).
Beratung am 29. Oktober 2012
Der Ausschuss führte eine weitere Anhörung von Auskunftspersonen zum Thema
„Neuausrichtung Pflegekinderwesen“ durch (Wortprotokoll 20/4).
Beratung am 21. November 2012
In dieser Sitzung fand die Senatsbefragung zur Anhörung „Neuausrichtung Pflegekinderwesen“ vom 29. Oktober 2012 statt (Wortprotokoll 20/5).
Außerdem fasste der Ausschuss den einstimmigen Beschluss zu einer Selbstbefassung zum Thema „Fachanweisung zur Jugendhilfeinspektion“ und führte diese in derselben Sitzung durch. Die Bürgerschaft nahm hiervon am 24. Januar 2013 mit der
Drs. 20/6190 Kenntnis.
Weiterhin beschloss der Ausschuss mehrheitlich mit den Stimmen der Abgeordneten
von SPD, FDP, GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE gegen die Stimmen der CDUAbgeordneten eine Selbstbefassung zum Thema „Sachstandsbericht zum Mädchen
„Jule““. Diese führte der Ausschuss ebenfalls in derselben Sitzung durch und gab der
Bürgerschaft am 24. Januar 2013 mit der Drs. 20/6191 von dieser Beratung Kenntnis.
Beratung am 3. Dezember 2012
Der Ausschuss befasste sich in dieser Sitzung im Rahmen der Selbstbefassung zum
Thema „Neuausrichtung Pflegekinderwesen“ mit der Fachanweisung Pflegekinderwesen (Protokoll/Wortprotokoll 20/6). In diesem Zusammenhang beriet er auch über die
von der Bürgerschaft überwiesene Drs. 20/3528 „Aus Fehlern lernen – Kinder in Pflegefamilien und von Methadonpatienten wirksam schützen (CDU-Antrag)“. Die Bürgerschaft entsprach in ihrer Sitzung am 24. Januar 2013 der Ausschussempfehlung
gemäß dem Bericht aus der Drs. 20/6355.
Beratung am 15. Januar 2013
Der Ausschuss beschloss mehrheitlich mit den Stimmen der SPD-Abgeordneten
gegen die Stimmen der Abgeordneten von CDU, FDP, GRÜNEN und der Fraktion DIE
LINKE eine Selbstbefassung zum Thema „Einrichtung eines Qualitätsmanagements in
der Jugendhilfe“ (Protokoll 20/7).
Beratung am 7. Februar 2013
Die Beratung der Selbstbefassung zum Thema „Einrichtung eines Qualitätsmanagements in der Jugendhilfe“ wurde durchgeführt (Protokoll/Wortprotokoll 20/8) und der
Bürgerschaft am 23. Oktober 2013 mit der Drs. 20/9565 darüber berichtet.
Die Selbstbefassung zum Thema „Neuausrichtung Pflegekinderwesen“ wurde fortgesetzt (Protokoll/Wortprotokoll 20/8).
2
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Drucksache 20/9843
Beratung am 22. März 2013
Der Ausschuss beschloss eine Selbstbefassung zum Thema „Amtsvormünder“ sowie
dazu eine Anhörung gemäß § 58 Absatz 2 GO. Er führte sie in derselben Sitzung
durch und wertete sie anschließend aus (Protokoll/Wortprotokoll 20/9).
Außerdem beschloss der Ausschuss einstimmig bei Enthaltung des Abgeordneten der
Fraktion DIE LINKE eine Selbstbefassung zum Thema „Bereitschaftspflege“ (Protokoll/Wortprotokoll 20/9).
Beratung am 18. April 2013
Der Ausschuss nahm die Selbstbefassung zum Thema „Bereitschaftspflege“ auf und
erhielt im Rahmen der Selbstbefassung „Neuausrichtung Pflegekinderwesen“ einen
Sachstandsbericht des Senats zur Fachanweisung Pflegekinderwesen (Wortprotokoll
20/10).
Beratung am 28. Mai 2013
Der Ausschuss beschloss einstimmig eine Selbstbefassung zum Sachstandsbericht
des Senats zu „Nina“. Sie fand in derselben Sitzung statt, die Bürgerschaft wurde am
14. August 2013 mit der Drs. 20/8280 davon in Kenntnis gesetzt.
Außerdem wurde die Beratung der Selbstbefassung zum Thema „Neuausrichtung
Pflegekinderwesen“ in dieser Sitzung beendet (Wortprotokoll 20/11).
Die Bürgerschaft erhielt darüber mit der Drs. 20/8757 am 14. August 2013 Kenntnis.
Zusätzlich beschloss der Ausschuss einstimmig eine Selbstbefassung zum Thema
„Beschwerdemanagement“.
Beratung am 14. Juni 2013
Der Ausschuss führte die Selbstbefassung zum Thema „Beschwerdemanagement“
durch. Die Bürgerschaft nahm davon mit der Drs. 20/9384 am 23. Oktober 2013
Kenntnis.
Außerdem fand die Selbstbefassung „Auswertung der durchgeführten Anhörungen
des Sonderausschusses“ statt (Wortprotokoll 20/12). Die Bürgerschaft erhielt darüber
am 14. August 2013 mit der Drs. 20/8757 Kenntnis.
Beratung am 8. August 2013
Der Ausschuss beriet in Selbstbefassung zum Thema „Pflegekinderdienst“ und
beschloss, diese Beratung in seiner nächsten Sitzung fortzuführen (Wortprotokoll
20/13).
Beratung am 26. September 2013
Der Ausschuss beendete seine Diskussion zum Thema „Pflegekinderdienst“ und
schloss seine Beratungen zum Sachstand „Aufklärung der Umstände des Todes von
Chantal“ und zum Thema „Bereitschaftspflege“ ab (Wortprotokoll 20/14) und gab der
Bürgerschaft am 23. Oktober 2013 mit den Drs. 20/9566, 20/9564 und 20/9563 davon
Kenntnis.
Beratung am 22. Oktober 2013
Zu Beginn der letzten Sitzung des Sonderausschusses gaben alle Fraktionen ihre
Stellungnahme und Einschätzung zur Arbeit und den Ergebnissen des Ausschusses
ab.
Die Abgeordneten der SPD-Fraktion erklärten, die neue Fachanweisung Pflegekinderwesen habe der Ausschuss konstruktiv und einvernehmlich beraten und das
gemeinsame Petitum der SPD-, CDU- und FDP-Fraktion sowie der GRÜNEN Fraktion
(Anlage 1) enthalte alle wesentlichen Punkte aus den Beratungen und Ergebnissen
der Expertenanhörungen. Als wesentlich hervorheben wollten sie, dass sowohl bei der
Weiterentwicklung des Pflegekinderwesens in Bezug auf die Inhalte und auf die Stär3
Drucksache 20/9843
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
kung der Rechte der Pflegeeltern als auch bis zu einem gewissen Grad bei der
Bewertung des Qualitätsmanagements in der Jugendhilfe und Jugendhilfeinspektion
Einigkeit im Ausschuss erzielt worden sei. Bundesweit sei es bisher nur in Hamburg
gelungen, ein Qualitätsmanagement in diesem Bereich zu implementieren. Da die
Prozesse insgesamt noch nicht abgeschlossen seien, sollten diese Themen weiterhin
im Familien-, Kinder- und Jugendausschuss beraten und ausgewertet werden, wobei
sie darum bitten wollten, dass die sachliche und konstruktive Vorgehensweise während der Beratungen im Sonderausschuss fortgesetzt werden könne. Zu den vorliegenden weiter gehenden Anträgen der CDU-Fraktion (Anlage 2), der GRÜNEN Fraktion (Anlage 3) und der Fraktion DIE LINKE (Anlage 4) erklärten sie, insbesondere
einige Punkte der CDU-Fraktion wollten sie in der Abstimmung unterstützen.
Die Abgeordneten der CDU-Fraktion stellten zur Arbeit des Sonderausschusses fest,
die Aufklärung der Umstände zum Tod des Mädchens Chantal sei umfassend erfolgt.
Aus den Beratungen des Ausschusses resultierten wichtige Neuerungen, nämlich
dass eine Drogenabhängigkeit als Ausschlusskriterium bei der Eignungsprüfung für
Pflegeeltern gelte und dass die Vorlage eines Gesundheitszeugnisses und Drogentests zu erfolgen habe. Weitere Punkte seien die Implementierung eines Beschwerdemanagements und die umfängliche Prüfung des Nachvollzugs mit den gleichen
Maßstäben wie bei Pflegeeltern. Die gemeinsam mit der Behörde für Arbeit, Soziales,
Familie und Integration (BASFI) eingeleiteten Maßnahmen seien insgesamt richtig
gewesen, insbesondere begrüßten sie, dass die neue Fachanweisung Pflegekinderwesen im Sonderausschuss beraten worden sei, obwohl eine solche Fachanweisung
normalerweise alleinig auf der Seite der Exekutive erstellt werde. Als Ergebnis sei das
Pflegekinderwesen in Hamburg sicherer geworden und es gebe Anlass zur Hoffnung,
dass sich ein Fall wie der Tod des Mädchens Chantal nicht mehr wiederholen werde.
Die personellen Konsequenzen nach dem Tod Chantals bewerteten sie als richtig,
denn damit habe eine schonungslose Aufklärung erst ermöglicht werden können.
Des Weiteren stellten die CDU-Abgeordneten fest, nicht eine Überlastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim ASD habe zum Tod des Mädchens Chantal geführt,
sondern Fehlentscheidungen und Fehleinschätzungen über viele Jahre seien dafür
verantwortlich zu machen. Angebracht sei deshalb die Einführung eines Personalbemessungssystems, dessen Ergebnisse aber abzuwarten seien, bevor die Forderung
nach mehr Personalkräften gegebenenfalls umzusetzen sei. Der neu vorgegebene
Personalschlüssel von 1 : 35 bei den Pflegeverhältnissen in den Jugendämtern müsse
gleichwohl dringend realisiert werden und sie wollten ihre Erwartung zur Umsetzung
dieses Schlüssels ausdrücklich an die BASFI richten.
Die CDU-Abgeordneten machten deutlich, für sie sei der Tod des Mädchens Chantal
insbesondere auch auf die Praxis der Methadonvergabe in Hamburg zurückzuführen.
Deswegen hielten sie es für unabdingbar, dass es – sofern minderjährige Kinder im
Haushalt lebten – im Regelfall keine Methadonvergabe nach Hause geben dürfe und
dass Haaranalysen der Kinder von Methadonpatienten durchzuführen seien, um
deren Gefährdung feststellen zu können.
Nach der anlassbezogenen Durchsicht aller Akten von Pflegekindern in Hamburg sei
festgestellt worden, dass es keine grundsätzliche Gefährdung von Pflegekindern in
Hamburg gebe, so die CDU-Abgeordneten. Deshalb bewerteten sie den Tod von
Chantal als tragischen Einzelfall und bedauerten, dass die Pflegeeltern in Hamburg in
der Zeit direkt nach dem Ereignis in der Öffentlichkeit zu negativ bewertet worden
seien. Sie befürworteten, dass Pflegeeltern zukünftig in die Hilfeplanprozesse stärker
eingebunden seien und verbindlicher als Interessenvertreter bei der Weiterentwicklung des Pflegekinderwesens fungieren sollten.
Die CDU-Abgeordneten adressierten an den Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE,
seine Beiträge im Ausschuss hätten sie teilweise als nicht konstruktiv erlebt, was sich
für sie auch darin äußere, dass die Fraktion DIE LINKE sich nicht am vorliegenden
gemeinsamen Petitum aller anderen Fraktionen beteiligen wolle. Deshalb sei eine
ernsthafte Diskussion mit dieser Fraktion für sie ausgeschlossen und sie wollten aus
diesem Grund einzelne Punkte aus dem Antrag der Fraktion DIE LINKE nicht unterstützen, obwohl sie manche Aspekte für diskussionswürdig gehalten hätten.
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Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Drucksache 20/9843
Die Abgeordnete der GRÜNEN Fraktion stellte fest, insbesondere die kontrovers ausgerichteten Beratungen im Sonderausschuss halte sie für wichtig, sodass unterschiedliche Sichtweisen hätten aufgezeigt werden können und darüber wertvolle Beiträge in
den Fokus des Ausschusses gekommen seien. Aus ihrer Sicht sei der Arbeitsauftrag
des Ausschusses erfüllt und sie habe insbesondere von dem Wissen der Expertinnen
und Experten, die im Ausschuss gehört worden seien, profitiert. Auch wenn der Weg
dorthin teilweise negativ besetzt worden sei, habe das Pflegekinderwesen in Hamburg
eine stärkere Beachtung im Fokus der Öffentlichkeit und aller politischen Fraktionen in
Hamburg erfahren, was sie als positiv erachte. Während der Arbeit des Sonderausschusses habe sich der Pflegeelternrat als Zusammenschluss Hamburger Pflegeeltern neu gegründet und damit zu einem erhöhten Organisationsgrad in diesem
Bereich geführt.
Der Bericht der Innenrevision – so die Abgeordnete der GRÜNEN Fraktion – und auch
die Ausschussberatungen hätten aus ihrer Sicht aufgezeigt, dass auch die verantwortlichen ASD-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Probleme bei ihren Entscheidungen gehabt hätten, denn das Mädchen Chantal hätte letztlich nie bei ihren Pflegeeltern leben
dürfen. Deshalb gehe es bei diesem Fall nicht nur um ein Problem der Drogenabhängigkeit, sondern insbesondere auch um die damals mangelnde Regelung des Nachvollzugs, denn bei der Aufnahme von Chantal seien die Pflegeeltern nicht ausreichend
überprüft worden. Die Neuregelung, keine Kinder in Pflegefamilien zu schicken, bei
denen es die Problematik einer Drogenabhängigkeit gebe, beziehe sich nur auf den
Nachvollzug, denn für Pflegefamilien habe diese Bestimmung bereits bestanden. Sie
begrüßte die Neuregelungen in der Fachanweisung Pflegekinderwesen und, dass es
für den Sonderausschuss abschließend möglich sei, ein gemeinsames Petitum zu
erstellen. Diese Gemeinsamkeit sei ein wichtiger Abschluss für den Ausschuss und
auch ein wichtiges Signal nach außen, umso mehr bedauere sie, dass die Fraktion
DIE LINKE sich nicht am gemeinsamen Petitum beteilige. Allerdings bemängelte auch
sie, dass manche Punkte keine oder keine ausreichende Berücksichtigung in diesem
Petitum gefunden hätten, deshalb brächten sie darüber hinaus ihren eigenen Antrag
ein. Auch sie sei der Ansicht, dass es über die Arbeit des Sonderausschusses hinaus
einen hohen Arbeits- und Beratungsbedarf für den Bereich Pflegekinderwesen geben
werde, insbesondere müssten auch differenzierte Konzepte für entwicklungsbeeinträchtigte Pflegekinder erarbeitet werden.
Die Abgeordnete der GRÜNEN Fraktion plädierte dafür, in Hamburg eine unabhängige Beschwerdestelle einzurichten, denn die neu eingerichtete Jugendhilfeinspektion
decke mögliche Beschwerdesituationen von Eltern nicht ab. Im Gegensatz zu den
CDU-Abgeordneten stellte sie zur Personalausstattung im ASD fest, der Innenrevisionsbericht habe deutlich gezeigt, dass es zu Überlastungssituationen gekommen sei
und deshalb Fehler gemacht worden seien. Aus diesem Grund müsse die Personalausstattung beim ASD schnell weiterentwickelt werden. Auch die Vormünder müssten
– so habe es die Arbeit an dem Fall Chantal gezeigt – verstärkt für ihre Aufgaben im
Pflegekinderwesen qualifiziert werden, auch um eine verbesserte Zusammenarbeit mit
dem Jugendamt zu gewährleisten.
Die Drogentests – so die Abgeordnete der GRÜNEN Fraktion – halte sie weiterhin für
nicht zielführend und fordere deshalb deren Rücknahme. Ein Drogentest sei nur eine
Momentaufnahme und gewährleiste nur eine Scheinsicherheit, vielmehr sollten Pflegefamilien durch enge Beratungsleistungen und Hausbesuche begleitet werden. Für
die amtsärztlichen Untersuchungen und Gesundheitszeugnisse forderte sie weiterhin
die Einbeziehung der Hausärzte, da diese die Patienten besser kennen würden und
deshalb die Untersuchungsergebnisse valider seien.
Der Abgeordnete der FDP-Fraktion sagte, im gemeinsamen Petitum der Fraktionen
hätten die Punkte der FDP-Fraktion ihre Berücksichtigung gefunden, deshalb lege er
kein eigenes Petitum vor. Dass sich die Fraktion DIE LINKE dem nicht anschließe,
spreche für sich und er bewerte das nicht als kritisch, sondern hob hervor, dass auch
der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE konstruktive Beiträge im Sonderausschuss
geleistet habe. Die FDP-Fraktion habe es im Sonderausschuss als besonders wichtig
erachtet, dass die Bereitschaftsfamilien und die Übergabe von Pflegekindern aus diesen Familien in Dauerpflegestellen gestärkt würden und dass Perspektivklärungen bei
beginnenden Pflegeverhältnissen frühzeitig erfolgen sollten. Zum Qualitätsmanage5
Drucksache 20/9843
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
ment führte er aus, er befürworte den Einsatz eines solchen Instruments und wolle
dessen Implementierungsprozess weiter begleiten. Allerdings verblieben auch für ihn
Punkte offen, so die Situation der Fallzahlbelastungen beim ASD, wobei er die Einsetzung des Personalbemessungssystems zunächst abwarten wolle. Auch die weitere
Umsetzung der Jugendhilfeinspektion wolle er kritisch begleiten. Zusammengefasst
sei der Auftrag der Bürgerschaft an den Sonderausschuss erfüllt worden, es verblieben allerdings noch zu vollziehende Prozesse, die im Familienausschuss beraten
werden müssten.
Der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE äußerte, aus seiner Sicht habe der Ausschuss eine hohe Arbeitsleistung erbracht, an der er aber inhaltliche Kritik übe, die in
dem eingebrachten Antrag der Fraktion DIE LINKE formuliert sei. Er vertrete die
Ansicht, der Tod von Chantal sei kein Einzelfall, deshalb sollte das gesamte System
der Jugendhilfe untersucht werden und aus diesem Grund habe es von der Fraktion
DIE LINKE die Forderung nach einer Enquete-Kommission gegeben. Aber es sei auch
mit den Stimmen der FDP-Fraktion und der GRÜNEN Fraktion zur Einsetzung des
Sonderausschusses gekommen. Die Fraktion DIE LINKE habe die Arbeit des Ausschusses sehr wohl konstruktiv begleitet und er weise die Kritik der CDU-Abgeordneten zurück. Nach dem Tod von Chantal sei allerdings mit der Rede des Präses der
BASFI in der Bürgerschaft die programmatische Ausrichtung für den Sonderausschuss festgelegt worden und an diesem Umstand übe er seine Kritik. Bei den Beratungen zu den Drogentests sei beispielsweise deutlich geworden, dass die inhaltlichen
Vorgaben, die senatsseitig erfolgt seien, letztlich im Sonderausschuss umgesetzt hätten werden müssen. Auch die Anregungen aus den Expertenanhörungen hätten im
Ausschuss inhaltlich nicht an Substanz gewinnen können, vielmehr sei alles an den
Vorgaben des Senats gemessen worden und habe nicht im Entscheidungsspielraum
des Ausschusses gelegen.
Der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE erwähnte die drei wesentlichen Punkte, die
er für kritikwürdig halte:
-
Jugendhilfeinspektion: Die Einführung sei auch aus Expertensicht kritisiert worden
und stelle vor allem den senatsseitigen Ausdruck des Misstrauens gegenüber den
Pflegefamilien dar.
-
Qualitätsmanagement: Betriebswirtschaftliches Denken dieser Art im Zusammenhang mit der Arbeit für Menschen sei falsch. Aus diesen beiden Gründen habe sich
die Fraktion DIE LINKE unter anderem entschieden, an dem gemeinsamen
Abschlusspetitum nicht teilzunehmen, denn diese Maßnahmen seien vom Präses
der BASFI angeordnet worden und stellten keine Arbeitsergebnisse des Sonderausschusses dar.
-
Der Jugendhilfebereich müsse unabhängig untersucht und gestärkt werden. Armut,
Kinderschutz und soziale Probleme könnten nicht durch vermehrte Kontrollen verwaltet werden, sondern Eltern und Pflegeeltern sollten mehr unterstützt werden. Er
begrüßte in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Bildung des Pflegeelternrates, für den er verbindliche Rechts- und Mitspracheoptionen fordere.
Die SPD-Abgeordneten widersprachen deutlich der Aussage des Abgeordneten der
Fraktion DIE LINKE, der Sonderausschuss habe nach den Vorgaben der BASFI gearbeitet. Ein Sonderausschuss berate und entscheide im Rahmen seiner legislativen
Aufgabe und formuliere seine Arbeitsinhalte und Zielvorstellungen unabhängig vom
Senat. In diesem Fall sei die Einsetzungsdrucksache 20/3870 die inhaltliche Orientierung für den Sonderausschuss gewesen. Sie erklärten, die Einsetzung eines Sonderausschusses passiere im Rahmen eines demokratischen Prozesses, indem die Bürgerschaft mehrheitlich darüber angestimmt habe, auch wenn die Fraktion DIE LINKE
einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss oder eine Enquete-Kommission
gewollt hätte. Sie forderten die Fraktion DIE LINKE auf, zu überdenken, ob sie vor
dem Hintergrund der auch von ihnen konstruktiv gestalteten Arbeitsprozesse des
Sonderausschusses ihr sehr negativ geprägtes Resümee erneut überdenken wollte.
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Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Drucksache 20/9843
Die CDU-Abgeordneten stimmten den Ausführungen der SPD-Abgeordneten zu, auch
sie teilten die negativen Wahrnehmungen des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE
zur Arbeit des Sonderausschusses nicht. Im Gegenteil habe sich gerade bei der Thematik zu den Drogentests gezeigt, dass sich zunächst festgelegte Regelungen hätten
wandeln können. Der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion widersprachen sie bezüglich deren Vorschlags, Hausärzte zur Erstellung eines Gesundheitszeugnisses einzubeziehen, denn dabei gehe es um einen rein objektiven Vorgang, der keine persönlichen Aspekte berücksichtigen solle. Das staatliche Wächteramt müsse erfüllt werden,
deshalb seien vernünftige und klare Regelungen erarbeitet worden, die dazu führten,
dass das Kindeswohl gewährleistet sei, ohne dass eine übertriebene Kontrolle ausgeübt werde. Deutlich machten sie, dass die Weiterentwicklung des Pflegekinderwesens
mit der letzten Sitzung des Sonderausschusses nicht abgeschlossen sei, sondern
über diese und insbesondere auch über die Ergebnisse der Jugendhilfeinspektion im
Familienausschuss weiter beraten werden müsse.
Die SPD-Abgeordneten verwiesen auf die Ausschussprotokolle des Sonderausschusses, die verdeutlichten, dass es sehr wohl eine einvernehmliche und konstruktive
Zusammenarbeit aller Fraktionen im Ausschuss gegeben habe. Alle Fraktionen seien
zur Erarbeitung eines gemeinsamen Petitums aufgefordert worden und sie bedauerten sehr, dass die Fraktion DIE LINKE sich nicht beteiligt habe. Alle weiteren eingebrachten Anträge der Fraktionen wollten sie ziffernweise abstimmen und dabei werde
sich zeigen, dass einzelne Punkte der Fraktionen im Ausschuss eine Mehrheit finden
würden.
Die Abgeordnete der GRÜNEN Fraktion führte aus, die Arbeit einer Enquete-Kommission unterscheide sich wesentlich von einem Sonderausschuss. Zunächst sei es wesentlich gewesen, die Begleitumstände zum Tod des Mädchens Chantal aufzuklären,
und deshalb hätten sie einem Sonderausschuss zugestimmt. Sie machte deutlich, die
Entscheidung der BASFI, alle Akten im Bereich des Pflegekinderwesens einmalig zu
überprüfen, halte sie weiterhin als Reaktion auf den Tod von Chantal für richtig. Darüber hinaus begrüßte sie die Einsetzung einer Jugendhilfeinspektion, deren Arbeit sie
allerdings als zu kontrollierend kritisierte. Aus diesem Grund habe sie in ihrem Petitum
den Punkt 7. formuliert, der die Jugendhilfeinspektion stärker im Bereich der Beratung
und Prozessbegleitung ausrichten möchte. Richtig wolle sie stellen, dass sie die Einbindung der Hausärzte zur Erstellung der Gesundheitszeugnisse, aber nicht für die
Drogentests befürworte. Zu den Drogentests wolle sie erneut verdeutlichen, dass sie
diese aus den genannten Gründen ablehne und sich in dieser Meinung auch von den
im Ausschuss dazu vertretenen Experten bis auf eine Person bestätigt gesehen habe.
Der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE stimmte zu, die Fraktionen hätten im Sonderausschuss auch konstruktiv zusammengearbeitet, dennoch halte er daran fest,
dass die inhaltliche Ausrichtung der Arbeit des Ausschusses zu stark an den Vorgaben des Präses der BASFI ausgerichtet worden sei. Deshalb und aus den weiteren
von ihm aufgeführten Gründen werde die Fraktion DIE LINKE nicht für das gemeinsame Petitum stimmen.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter nahmen sodann Stellung zum Verlauf der
Arbeit des Sonderausschusses. Insbesondere die während der ersten Sitzungen in
den verschwiegenen Sitzungsteilen offenbarten Umstände zum Tod des Mädchens
Chantal seien sehr eindrücklich gewesen und hätten dem Ausschuss die Chance
gegeben, tiefe Einblicke und Erkenntnisse zu dem Fall und der Pflegefamilie Chantals
zu gewinnen. Zusammengefasst schätzten sie die Arbeitsergebnisse des Ausschusses als weitreichend ein, Ausschuss und Senat hätten methodisch im Rahmen eines
Sonderausschusses gut zusammengearbeitet. Eine Enquete-Kommission berge den
Nachteil, dass zunächst hätte abgewartet werden müssen, welche Ergebnisse aus
dem Todesfall zu gewinnen gewesen seien, um dann anschließend Ergebnisse als
wissenschaftliches Gremium zu erarbeiten. Sie begrüßten, dass sie als Behörde
parallel zur Arbeit des Ausschusses sowohl Sofortmaßnahmen als auch längerfristige
Maßnahmen ergriffen und nicht zuerst die Erkenntnisse des Ausschusses abgewartet
hätten. Damit hätten sie verhindern wollen, dass ein solches Ereignis erneut hätte
passieren können und währenddessen aber dafür Sorge getragen, den Sonderausschuss nicht zu präjudizieren oder durch Verwaltungshandeln dem Ausschuss zuvorzukommen. In diesem Zusammenhang erwähnten auch sie die Pflegekinderanwei7
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Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
sung, die sie parallel zur Arbeit des Sonderausschusses und im Dialog mit dem Ausschuss geschaffen hätten. Zwar gebe es in einigen Punkten einen Dissens wie bei der
Methadonvergabe oder den Drogentests, aber der grundsätzliche Ansatz, das Pflegekind in den Mittelpunkt zu stellen, sei eine von allen Fraktionen getragene Sichtweise.
Insbesondere die gemeinsam entwickelten einheitlichen Standards zu den Nachvollzügen und der Verwandten- oder Bekanntenpflege hoben sie hervor und betonten
deren Wirksamkeit für das Pflegekinderwesen. Die Verständigung des Ausschusses
über die Einführung einer Jugendhilfeinspektion und eines Qualitätsmanagements
bewerteten sie als positiv. Hamburg habe bisher als einzige Stadt in Deutschland ein
solches Instrument zur Qualitätssicherung eingeführt und, auch wenn es dazu kritische Stimmen gebe, wollten sie darauf verweisen, dass inzwischen jedes Krankenhaus oder Altenheim über ein solches System verfüge. An diesem System wollten sie
weiterarbeiten und dabei auch den Antrag der CDU-Fraktion zur Einbeziehung freier
Träger berücksichtigen. Besonders hervorheben wollten sie, dass der Tod des Mädchens Chantal von den Fraktionen oder dem Senat nicht dazu benutzt worden sei,
politische Vorteile zu erlangen oder sich zu profilieren. Sie bestätigten die Vorstellungen der Fraktionen, dass über viele Punkte wie die Einführung des Qualitätsmanagementsystems im Familienausschuss weiter zu beraten sei.
Die Senatsvertreterinnen und -vertreter bedankten sich bei allen Beteiligten des Sonderausschusses für den konstruktiven Umgang untereinander und mit dem Senat und
betonten, dass sie die Ergebnisse des Ausschusses für gut und respektabel hielten.
Widersprechen wollten sie aber, dass die anfängliche Rede des Präses der BASFI
Abgeordnete dazu bewegt habe, den Senat nicht so zu befragen, wie sie es für richtig
gehalten hätten.
Der Sonderausschuss kam sodann zur Abstimmung über die eingebrachten Petita.
Der Ausschussvorsitzende stelle fest, dass es ein gemeinsames Petitum der SPD-,
CDU- und FDP-Fraktion und der GRÜNEN Fraktion (Anlage 1), ein Petitum der CDUFraktion (Anlage 2), der GRÜNEN Fraktion (Anlage 3) und der Fraktion DIE LINKE
(Anlage 4) gebe. Zunächst ließ der Ausschussvorsitzende die Petita der einzelnen
Fraktionen nach ihrer Fraktionsstärke jeweils ziffernweise abstimmen:
1.
Petitum der CDU-Fraktion (Anlage 2)
Ziffer 1: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD-Abgeordneten, dem Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE gegen die CDU- und FDP-Abgeordneten und die
Abgeordnete der GRÜNEN Fraktion.
Ziffer 2: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD- und des FDP-Abgeordneten und der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion und des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE gegen die CDU-Abgeordneten.
Ziffer 3: mehrheitlich angenommen mit den Stimmen der SPD-, CDU- und FDP-Abgeordneten und der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion gegen den Abgeordneten der
Fraktion DIE LINKE.
Ziffer 4: mehrheitlich angenommen mit den Stimmen der SPD-, CDU- und FDPAbgeordneten und der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion gegen den Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.
Ziffer 5: mehrheitlich angenommen mit den Stimmen der SPD-, CDU- und FDP-Abgeordneten und der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion gegen den Abgeordneten der
Fraktion DIE LINKE.
Ziffer 6: mehrheitlich angenommen mit den Stimmen der SPD-, CDU- und FDPAbgeordneten und der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion gegen den Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.
Ziffer 7: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD- und des FDP-Abgeordneten und der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion und des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE gegen die CDU-Abgeordneten.
Ziffer 8: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD- und des FDP-Abgeordneten und der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion und des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE gegen die CDU-Abgeordneten.
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Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
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Ziffer 9: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD- und des FDP-Abgeordneten und der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion und des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE gegen die CDU-Abgeordneten.
Ziffer 10: einstimmig angenommen.
2.
Petitum der GRÜNEN Fraktion (Anlage 3):
Ziffer 1: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD- und FDP-Abgeordneten
gegen die Stimmen der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion und des Abgeordneten
der Fraktion DIE LINKE und bei Enthaltung der CDU-Abgeordneten.
Ziffer 2: einstimmig angenommen.
Ziffer 3: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD-Abgeordneten gegen die
Stimmen der CDU- und FDP-Abgeordneten, der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion
und des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.
Ziffer 4: mehrheitlich angenommen mit den Stimmen der SPD- und CDU-Abgeordneten, der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion und des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE gegen die Stimme des FDP-Abgeordneten.
Ziffer 5: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD-, CDU-, FDP-Abgeordneten gegen die Stimmen der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion und des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.
Ziffer 6: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD-, CDU-, FDP-Abgeordneten gegen die Stimmen der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion und des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.
Ziffer 7: einstimmig angenommen bei Enthaltung der CDU-Abgeordneten.
Ziffer 8: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD-, CDU-Abgeordneten gegen die Stimmen der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion, des FDP-Abgeordneten
und des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.
Ziffer 9: einstimmig angenommen.
Ziffer 10: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD-Abgeordneten gegen die
Stimmen der CDU- und FDP-Abgeordneten, der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion
und des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.
3.
Petitum der Fraktion DIE LINKE (Anlage 4):
Ziffer 1: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD-, CDU-, FDP-Abgeordneten gegen die Stimmen der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion und des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.
Ziffer 2: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD-, CDU-, FDP-Abgeordneten und der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion gegen die Stimme des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.
Ziffer 3: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD-, CDU-, FDP-Abgeordneten und der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion gegen die Stimme des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.
Ziffer 4: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD-, CDU-, FDP-Abgeordneten und der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion gegen die Stimme des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.
Ziffer 5: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD-, CDU-, FDP-Abgeordneten und der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion gegen die Stimme des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.
Ziffer 6: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD-, CDU-, FDP-Abgeordneten und der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion gegen die Stimme des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.
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Ziffer 7: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD- und CDU-Abgeordneten
gegen die Stimmen der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion und des Abgeordneten
der Fraktion DIE LINKE und des FDP-Abgeordneten.
Ziffer 8: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD-, CDU-, FDP-Abgeordneten gegen die Stimmen der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion und des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.
Ziffer 9: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD-, CDU-, FDP-Abgeordneten gegen die Stimmen der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion und des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.
Ziffer 10: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD-, CDU-, FDP-Abgeordneten gegen die Stimmen der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion und des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.
Ziffer 11: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD-, CDU-, FDP-Abgeordneten gegen die Stimmen der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion und des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.
Ziffer 12: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD- und CDU-Abgeordneten
gegen die Stimme des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE bei Enthaltung des
FDP-Abgeordneten und der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion.
Ziffer 13: mehrheitlich abgelehnt mit den Stimmen der SPD-, CDU-, FDP-Abgeordneten gegen die Stimmen der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion und des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.
4.
Petitum der SPD-, CDU-, FDP-Fraktion und der GRÜNEN Fraktion (Anlage 1):
Sodann stimmte der Ausschuss über das gemeinsame Petitum der SPD-, CDU- und
FDP-Fraktion und der GRÜNEN Fraktion (Anlage 1) ab, das mehrheitlich gegen die
Stimme des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE angenommen wurde.
Anschließend äußerte sich die Abgeordnete der GRÜNEN Fraktion zum Abstimmungsverhalten der SPD-Abgeordneten, die den Punkt 10. ihres Petitums abgelehnt
hätten. Dabei ginge es darum, freie Träger und Hamburger Pflegeeltern regelhaft in
die Planung zum Hamburger Pflegekinderwesen einzubinden. Sie wolle wissen, warum die SPD-Abgeordneten diesem Punkt nicht zustimmen könnten. Zum Abstimmungsverhalten des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE fragte sie nach, warum er
im Antrag der CDU-Fraktion die Punkte 4. (Beteiligung der Pflegeeltern am Hilfeplanprozess), 5. (Beteiligung des Pflegeelternrates an der weiteren Entwicklung des Hamburger Pflegekinderwesens) und 6. (einheitliche Bewilligungspraxis) und die Punkte
mit ähnlichen Inhalten auch im Antrag der GRÜNEN Fraktion nicht unterstützt habe.
Die SPD-Abgeordneten stellten klar, sie hätten im CDU-Antrag dem Punkt, den Pflegeelternrat an den Planungen aktiv zu beteiligen, zugestimmt. Aber bei dem Punkt der
GRÜNEN Fraktion hätten sie nicht zugestimmt, weil sie die Auffassung verträten, dass
die freien Träger in den Qualitätsdialog, aber nicht in die Planungen des Pflegeelternwesens eingebunden sein sollten.
Der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE machte deutlich, die Punkte 4., 5. und 6.
des CDU-Antrages zur Einbindung der Pflegeeltern unterstütze er grundsätzlich. Er
habe sich bei der Abstimmung anders verhalten, da er durch zwei unterschiedliche
Abstimmungsvorlagen der CDU-Fraktion im ziffernweisen Abstimmungsprozess keine
Eindeutigkeit gehabt habe.
Der Ausschussvorsitzende dankte abschließend dem Präses und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der BASFI für ihre Unterstützung bei den Beratungen des Sonderausschusses. Der Sonderausschuss habe sich im Beratungsprozess seinen eigenen Eindruck und Meinung bilden können. Er begrüße es, dass das abschließende
Petitum vom fast gesamten Ausschuss getragen werde. Es sei damit auch deutlich
geworden, dass es unterschiedliche Positionen im Ausschuss gebe. Den Abgeordneten des Sonderausschusses dankte er ebenfalls für ihr Engagement und betonte, wie
wichtig es gewesen sei, dass die Bürgerschaft aufgrund der Tragweite der Ereignisse
zum Tod von Chantal den Fall im Sonderausschuss beraten habe.
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Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Drucksache 20/9843
Der Ausschussvorsitzende stellte für die gesamten Anwesenden fest, dass es aufgrund der getroffenen Maßnahmen keine Wiederholdung eines solchen tragischen
Falles wie den Tod Chantals geben werde.
III. Ausschussempfehlung
Der Sonderausschuss „Zum Tod des Mädchens Chantal“ empfiehlt der Bürgerschaft,
A. von seinen Beratungen Kenntnis zu nehmen.
B. mehrheitlich anzunehmen mit den Stimmen der SPD-, CDU-, FDPAbgeordneten und der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion und gegen
die Stimme des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE:
1.
Inhaltliche Weiterentwicklung des Pflegekinder- und Pflegeelternwesens in Hamburg
Der Senat wird aufgefordert, ein umfassendes Pflegekinderkonzept zu
erarbeiten, in dessen Kontext auch eine, über die konkrete Fachanweisung hinausgehende, sogenannte Arbeitshilfe für die bezirklichen Jugendämter entstehen soll. Hierbei soll auch das Thema „Verwandtenpflegeverhältnisse“ einbezogen werden. Eckpunkte sollen unter anderem
sein: Formen der Vollzeitpflege und Definitionen, die Regelungen und
Abläufe für die Unterbringung von Hamburger Pflegekindern bei auswärtigen Pflegefamilien, die Besonderheiten bei Verwandtschaftspflegen,
Besonderheiten bei Bereitschaftspflege, Arbeit mit der Herkunftsfamilie
(„Eltern ohne Kind“), Unterstützungsangebote für Pflegeeltern durch die
bezirklichen Jugendämter und freie Träger, Informationen zur Arbeit des
Pflegeelternrates, Richtlinien zur Gestaltung des Anbahnungsprozesses
et cetera. Der Entwurf dieses Rahmenkonzeptes soll dem Familien-,
Kinder- und Jugendausschuss der Bürgerschaft vorgelegt werden.
2.
Arbeit der Jugendhilfeinspektion – Prüfungsergebnisse und Auswertung
Die zuständige Behörde – die BASFI – hat eine Jugendhilfeinspektion
eingerichtet (siehe Drs. 20/6190 samt Anlage). Diese Jugendhilfeinspektion hat im Frühjahr 2013 in zwei Hamburger Bezirken – Harburg/
Süderelbe und Billstedt-West/Horn – ihre Arbeit aufgenommen. Die Jugendhilfeinspektion prüft einerseits nach einem festgelegten Arbeitsplan,
andererseits anlassbezogen die Abläufe in den Dienststellen der bezirklichen Jugendämter und im FIT (Familieninterventionsteam).
a. Der Senat wird aufgefordert, die Prüfungsergebnisse beziehungsweise eine Auswertung der Jugendhilfeinspektionen der beiden Probebezirke im Familien-, Kinder- und Jugendausschuss vorzustellen. Die
Auswertung beinhaltet auch die eingeleiteten Maßnahmen in den Fällen, in denen Unterstützungsbedarfe erkannt wurden.
b. Der Senat wird aufgefordert, bezüglich der Arbeit der Jugendhilfeinspektion ein standardisiertes Berichtswesen zu entwickeln und der
Bürgerschaft zweimal in der Legislaturperiode über die relevanten Ergebnisse und die daraus resultierenden Maßnahmen zu berichten.
3.
Zusammenarbeit zwischen Jugendämtern und freien Trägern in der
Jugendhilfe
a. Der Senat wird aufgefordert, unter Einbeziehung der bezirklichen Jugendämter gemeinsame Standards für das Vorbereitungsverfahren
und das Berichtswesen in der Pflegekinderhilfe zu definieren. Dazu
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Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
gehört die Festschreibung einheitlicher Dokumentationspflichten für
die Aktenführung.
b. Der Senat wird aufgefordert, einen standardisierten Vertrag für die
einheitliche Einbeziehung freier Träger in das Pflegekinderwesen zu
entwerfen, damit das Leistungsspektrum der Träger vergleichbar
wird. Die Einbindung muss verbunden sein mit einem Prozess der
Qualitätsentwicklung sowie mit klaren vertraglichen Regelungen und
Aufgabenbeschreibungen für die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und freien Trägern.
c. Der Senat wird aufgefordert, zu prüfen, wie das, für die Jugendämter
eingeführte, Qualitätsmanagementsystem auch auf freie Träger der
Jugendhilfe übertragen werden kann.
4.
Qualitäts- und Beschwerdemanagement
Der Senat wird aufgefordert, bezüglich der Umsetzung des Qualitätsmanagements und des Beschwerdemanagements für die Jugendämter ein
Berichtswesen zu entwickeln – auch zur Unterrichtung der Bürgerschaft.
5.
Personalentwicklung: Einarbeitung und Fortbildung in den Pflegekinderdiensten (PKD)
a. Der Senat wird aufgefordert, spezielle Einarbeitungsschulungen und
Fortbildungsangebote für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Pflegekinderdienste bereitzuhalten.
b. Der Senat wird aufgefordert, in den bezirklichen Jugendämtern und
beim Pflegekinderdienst standardisierte Prozesse zur Akten- und
Fallübergabe bei längerer Abwesenheit oder Ausscheiden von Mitarbeitern/-innen zu definieren und zu etablieren, um das Entstehen von
Unzuständigkeiten im PKD und ASD auszuschließen. Auch bei vorübergehender Vertretung muss eine aktive Fallführung erfolgen.
c. Der Senat wird aufgefordert, die Pflegekinderdienste zu stärken und
in das Personalbemessungssystem einzubeziehen.
6.
Der Senat wird aufgefordert, der Bürgerschaft bis zum 30.06.2014
zu berichten.
C. mehrheitlich anzunehmen mit den Stimmen der SPD-, CDU-, FDPAbgeordneten und der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion und gegen
die Stimme des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE:
Der Senat wird ersucht,
12
1.
die bezirklichen Pflegekinderdienste zu stärken und die jeweiligen Fallkenntnisse bei Entscheidungen des ASD besser zu nutzen, indem den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Pflegekinderdienstes (PKD) ein
formelles Mitspracherecht im Hilfeplanprozess gewährt wird.
2.
die Pflegeeltern aktiv am Hilfeplanprozess zu beteiligen.
3.
den Pflegeelternrat Hamburg aktiv in die weitere Entwicklung des Hamburger Pflegekinderwesens einzubeziehen.
4.
eine einheitliche Bewilligungspraxis bezüglich der Kostenerstattungen an
Pflegeeltern in den Kostensachgebieten herzustellen. Dazu bedarf es
auch einer Übersicht für die Pflegeeltern, welche konkreten Leistungen
sie für ihr Pflegekind beantragen können.
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Drucksache 20/9843
D. einstimmig anzunehmen:
1.
Der Senat wird ersucht,
den Personalbedarf der Allgemeinen Sozialen Dienste zeitnah durch ein
Personalbemessungssystem zu klären, um die Arbeitsfähigkeit der
Jugendämter sicherzustellen.
2.
Der Senat wird aufgefordert,
in einem Rahmenkonzept für das Hamburger Pflegekinderwesen jährliche Qualitätsdialoge zwischen Fachbehörde, bezirklichen Pflegekinderdiensten und im Pflegekinderwesen tätigen freien Trägern sowie dem
Pflegeelternrat Hamburg zu etablieren.
3.
Der Senat wird aufgefordert,
Transparenz bezüglich der Kostenerstattungen für Pflegeeltern zu schaffen und eine einheitliche Bewilligungspraxis in den Kostensachgebieten
sicherzustellen.
E.
mehrheitlich anzunehmen mit den Stimmen der SPD-, CDU-, der Abgeordneten der GRÜNEN Fraktion und des Abgeordneten der Fraktion DIE
LINKE gegen den Abgeordneten der FDP-Fraktion:
Vormünder durch zusätzliche Qualifizierung in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Pflegekinderwesen zu stärken.
F.
einstimmig anzunehmen bei Enthaltung der CDU-Abgeordneten:
Die Aufgaben der Jugendhilfeinspektion über Kontrolle und Prüfung hinaus,
stärker auf die Beratung und Prozessbegleitung der Allgemeinen Sozialen
Dienste auszurichten.
Christoph de Vr ies , Berichterstattung
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Anlage 1
Hamburgische Bürgerschaft – Sonderausschuss „Zum Tod des Mädchens Chantal“
(20/3870)
Sitzung am 22. Oktober 2013
Gemeinsames Petitum der Abgeordneten der SPD-, CDU-, Grünen- und FDP- Fraktionen im Sonderausschuss.
Der Sonderausschuss „Zum Tod des Mädchens Chantal“ empfiehlt der Bürgerschaft
von seinen Beratungen Kenntnis zu nehmen und wie folgt zu beschließen:
1)
Inhaltliche Weiterentwicklung des Pflegekinder- und Pflegeelternwesens in
Hamburg
Der Senat wird aufgefordert, ein umfassendes Pflegekinderkonzept zu erarbeiten,
in dessen Kontext auch eine, über die konkrete Fachanweisung hinausgehende,
so genannte „Arbeitshilfe“ für die bezirklichen Jugendämter entstehen soll. Hierbei soll auch das Thema „Verwandtenpflegeverhältnisse“ einbezogen werden.
Eckpunkte sollen u.a. sein: Formen der Vollzeitpflege und Definitionen, die Regelungen und Abläufe für die Unterbringung von Hamburger Pflegekindern bei auswärtigen Pflegefamilien, die Besonderheiten bei Verwandtschaftspflegen, Besonderheiten bei Bereitschaftspflege, Arbeit mit der Herkunftsfamilie („Eltern ohne
Kind“), Unterstützungsangebote für Pflegeeltern durch die bezirklichen Jugendämter und Freie Träger, Informationen zur Arbeit des Pflegeelternrates, Richtlinien zur Gestaltung des Anbahnungsprozesses etc.. Der Entwurf dieses Rahmenkonzeptes soll dem Familien-, Kinder- und Jugendausschuss der Bürgerschaft vorgelegt werden.
2)
Arbeit der Jugendhilfeinspektion – Prüfungsergebnisse und Auswertung
Die zuständige Behörde – die BASFI - hat eine Jugendhilfeinspektion eingerichtet
(Siehe Drs. 20/6190 samt Anlage). Diese Jugendhilfeinspektion hat im Frühjahr
2013 in zwei Hamburger Bezirken – Harburg/Süderelbe und Billstedt-West/Horn ihre Arbeit aufgenommen. Die Jugendhilfeinspektion prüft einerseits nach einem
festgelegten Arbeitsplan, andererseits anlassbezogen die Abläufe in den Dienststellen der bezirklichen Jugendämter und im FIT (Familieninterventionsteam).
2.1. Der Senat wird aufgefordert, die Prüfungsergebnisse bzw. eine Auswertung
der Jugendhilfeinspektionen der beiden Probebezirke im Familien-, Kinderund Jugendausschuss vorzustellen. Die Auswertung beinhaltet auch die eingeleiteten Maßnahmen in den Fällen, in denen Unterstützungsbedarfe
erkannt wurden.
2.2. Der Senat wird aufgefordert, bezüglich der Arbeit der Jugendhilfeinspektion
ein standardisiertes Berichtswesen zu entwickeln und der Bürgerschaft zwei
Mal in der Legislaturperiode über die relevanten Ergebnisse und die daraus
resultierenden Maßnahmen zu berichten.
3)
Zusammenarbeit zwischen Jugendämtern und Freien Trägern in der
Jugendhilfe
3.1. Der Senat wird aufgefordert, unter Einbeziehung der bezirklichen Jugendämter gemeinsame Standards für das Vorbereitungsverfahren und das
Berichtswesen in der Pflegekinderhilfe zu definieren. Dazu gehört die Festschreibung einheitlicher Dokumentationspflichten für die Aktenführung.
3.2. Der Senat wird aufgefordert, einen standardisierten Vertrag für die einheitliche Einbeziehung Freier Träger in das Pflegekinderwesen zu entwerfen,
damit das Leistungsspektrum der Träger vergleichbar wird. Die Einbindung
muss verbunden sein mit einem Prozess der Qualitätsentwicklung, sowie mit
klaren vertraglichen Regelungen und Aufgabenbeschreibungen für die
Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und Freien Trägern.
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Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Drucksache 20/9843
3.3. Der Senat wird aufgefordert zu prüfen, wie das, für die Jugendämter eingeführte, Qualitätsmanagementsystem auch auf Freie Träger der Jugendhilfe
übertragen werden kann.
4)
Qualitäts- und Beschwerdemanagement
Der Senat wird aufgefordert, bezüglich der Umsetzung des Qualitätsmanagements und des Beschwerdemanagements für die Jugendämter ein Berichtswesen
zu entwickeln - auch zur Unterrichtung der Bürgerschaft.
5)
Personalentwicklung: Einarbeitung und Fortbildung in den Pflegekinderdiensten (PKD)
5.1. Der Senat wird aufgefordert, spezielle Einarbeitungsschulungen und Fortbildungsangebote für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflegekinderdienste bereitzuhalten.
5.2. Der Senat wird aufgefordert, in den bezirklichen Jugendämtern und beim
Pflegekinderdienst standardisierte Prozesse zur Akten- und Fallübergabe bei
längerer Abwesenheit oder Ausscheiden von Mitarbeiter/innen zu definieren
und zu etablieren, um das Entstehen von Unzuständigkeiten im PKD und
ASD auszuschließen. Auch bei vorübergehender Vertretung muss eine aktive Fallführung erfolgen.
5.3. Der Senat wird aufgefordert, die Pflegekinderdienste zu stärken und in das
Personalbemessungssystem einzubeziehen.
6)
Der Senat wird aufgefordert, der Bürgerschaft bis zum 30.06.2014 zu berichten.
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Drucksache 20/9843
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Anlage 2
Vorschlag der CDU-Fraktion zur Erweiterung des gemeinsamen Petitums
Die Bürgerschaft möge beschließen:
Der Senat wird ersucht,
1.
ein Beschwerdemanagement im Jugendhilfewesen zur Gewährleistung neutraler
und unabhängiger Prüfungen und zur Wahrung der kritischen Distanz zentral bei
der aufsichtführenden Behörde anzusiedeln und nicht in den ausführenden
Jugendämtern selbst.
2.
die Jugendhilfeinspektion mit formellen Interventions- und Weisungsrechten gegenüber den Jugendämtern auszustatten und eine Evaluation ihrer Arbeit durch
eine übergeordnete und unabhängige Stelle, wie beispielsweise einem Landesjugendamt, vorzunehmen.
3.
die bezirklichen Pflegekinderdienste zu stärken und die jeweiligen Fallkenntnisse
bei Entscheidungen des ASD besser zu nutzen, indem den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern des Pflegekinderdienstes (PKD) ein formelles Mitspracherecht im Hilfeplanprozess gewährt wird.
4.
die Pflegeeltern aktiv am Hilfeplanprozess zu beteiligen.
5.
den Pflegeelternrat Hamburg aktiv in die weitere Entwicklung des Hamburger
Pflegekinderwesens einzubeziehen.
6.
eine einheitliche Bewilligungspraxis bezüglich der Kostenerstattungen an Pflegeeltern in den Kostensachgebieten herzustellen. Dazu bedarf es auch einer Übersicht für die Pflegeeltern, welche konkreten Leistungen sie für ihr Pflegekind
beantragen können.
7.
in Abstimmung mit der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg sowie der Ärzteund Apothekerkammer eine Regelung einzuführen, mit der Beginn und Fortführung der Substitutionsbehandlung für Patienten mit im eigenen Haushalt lebenden minderjährigen Kindern vom Einverständnis zur Schweigepflichtentbindungserklärung der substituierenden Ärzte sowie der Psychosozialen Betreuung
gegenüber dem ASD abhängig gemacht wird und eine verpflichtende Meldepflicht
eingeführt wird.
8.
festzulegen, dass eine Take-home-Vergabe für Substituierte, in deren Haushalt
minderjährige Kinder leben, nur im Ausnahmefall nach expliziter Zustimmung des
Jugendamtes in Betracht kommt.
9.
eine Regelung zu erlassen, die sicherstellt, das unter Aufsicht der substituierenden Ärzte regelmäßige verpflichtende Urinkontrollen und weitere Untersuchungen
– wie beispielsweise Haaranalysen - zum Ausschluss von Alkoholmissbrauch und
Drogenkonsums durchgeführt werden und die Substitution bei mehrfach festgestelltem Beikonsum beendet wird.
10. den Personalbedarf der Allgemeinen Sozialen Dienste zeitnah durch ein Personalbemessungssystem zu klären, um die Arbeitsfähigkeit der Jugendämter
sicherzustellen.
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Drucksache 20/9843
Anlage 3
Petitum der Grünen Abgeordneten im Sonderausschuss „Zum Tod des Mädchens Chantal“ zur Drs. 20/3870
Die Bürgerschaft möge beschließen:
Der Senat wird aufgefordert:
1.
die Personalausstattung der Allgemeinen Sozialen Dienste umgehend durch die
Einführung von Fallzahlobergrenzen und die zügige Umsetzung eines Personalbemessungssystems zu verbessern.
2.
in einem Rahmenkonzept für das Hamburger Pflegekinderwesen jährliche Qualitätsdialoge zwischen Fachbehörde, bezirklichen Pflegekinderdiensten und im
Pflegekinderwesen tätigen freien Trägern, sowie dem Pflegeelternrat Hamburg zu
etablieren.
3.
in einem Rahmenkonzept für das Hamburger Pflegekinderwesen gemäß § 33
Satz 2 SGB VIII für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche in Kooperation mit den freien Trägern des Pflegekinderwesens Konzepte für
die sonderpädagogische und sozialpädagogische Vollzeitpflege zu entwickeln
und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen.
4.
Vormünder durch zusätzliche Qualifizierung in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben
im Pflegekinderwesen zu stärken.
5.
im Rahmen der Eignungsprüfung von Pflegeeltern auf den Nachweis über einen
Drogentest für Pflegepersonenbewerber und für alle Haushaltsangehörigen ab 18
Jahren zu verzichten. Die Fachanweisung Pflegekinderdienst vom 1. Mai 2013 ist
entsprechend zu ändern.
6.
im Rahmen der Eignungsprüfung von Pflegeeltern neben amtsärztlichen Gesundheitszeugnissen auch Gesundheitszeugnisse von Hausärzten anzuerkennen. Die
Fachanweisung Pflegekinderdienst vom 1. Mai 2013 ist entsprechend zu ändern.
7.
die Aufgaben der Jugendhilfeinspektion über Kontrolle und Prüfung hinaus, stärker auf die Beratung und Prozessbegleitung der Allgemeinen Sozialen Dienste
auszurichten.
8.
die Rechte von Familien bei der Inanspruchnahme von Leistungen in der Kinderund Jugendhilfe durch die Einrichtung einer unabhängigen Ombuds- und
Beschwerdestelle zu stärken.
9.
Transparenz bezüglich der Kostenerstattungen für Pflegeeltern zu schaffen und
eine einheitliche Bewilligungspraxis in den Kostensachgebieten sicherzustellen.
10. freie Träger und den Hamburger Pflegeelternrat regelhaft in die weiteren Planungen zum Hamburger Pflegekinderwesen einzubinden.
Begründung:
Der Sonderausschuss hat bei der Aufarbeitung der Umstände, die im Januar 2012
zum Tod des elfjährigen Mädchens Chantal in Hamburg-Wilhelmsburg geführt haben,
Schwächen im Hamburger Pflegekinderwesen, insbesondere bei der Aufgabenwahrnehmung der Allgemeinen Sozialen Dienste und bei der Zusammenarbeit mit den
freien Trägern der Jugendhilfe aufgedeckt. Diese Mängel werden auch durch den
ersten Teilbericht und den Folgebericht der Innenrevision bestätigt. Bei konsequenter
Anwendung des vorhandenen Regelwerkes hätte es nicht zum Pflegschaftsverhältnis
kommen dürfen. Festgestellt wurden zudem strukturelle Probleme bei der Fallbearbeitung in den Allgemeinen Sozialen Diensten. Es bestehen Steuerungsdefizite und Defizite bei der Kontrolle der Leistungserbringung durch freie Träger der Jugendhilfe. Die
Qualität der Fallbearbeitung in den Hamburger Jugendämtern hängt maßgeblich von
der Personalausstattung und der internen Organisation der Dienststellen ab. Die Grüne Bürgerschaftsfraktion begrüßt, dass im Bezirksamt Hamburg-Mitte nach dem Tod
Chantals personelle Konsequenzen gezogen und eine Neuaufstellung des Jugendamtes in die Wege geleitet wurden. Um Überlastung zukünftig zu reduzieren und die
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Drucksache 20/9843
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Aufmerksamkeit für jeden Einzelfall zu erhöhen, fordern wir für ganz Hamburg die
Einführung einer Fallzahlobergrenze pro Fachkraft in den Jugendämtern. Die Jugendhilfeinspektion soll die Allgemeinen Sozialen Dienste bei ihrer Aufgabenwahrnehmung
nicht nur kontrollieren, sondern stärker als bisher vorgesehen auch bei den notwendigen Veränderungsprozessen begleiten und die Fachkräfte beraten.
Die Fraktionen sind sich einig, dass der Senat über die verabschiedete Fachanweisung für die Pflegekinderdienste hinaus, ein Rahmenkonzept für die inhaltliche Weiterentwicklung des Pflegekinderwesens in Hamburg erarbeiten soll. Für entwicklungsbeeinträchtigte Pflegekinder sollten nach dem Vorbild Niedersachsens besondere
sonder- und sozialpädagogische Pflegekonzepte erarbeitet werden.
Um eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung sicherzustellen, sollen mit dem Rahmenkonzept jährliche Qualitätsdialoge zwischen Fachbehörde, bezirklichen Pflegekinderdiensten und im Pflegekinderwesen tätigen freien Trägern, sowie dem Hamburger
Pflegeelternrat etabliert werden.
Zum besseren Schutz von Pflegekindern hat die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie
und Integration (BASFI) Sofortmaßnahmen eingeleitet und gemeinsam mit dem Sonderausschuss eine neue Fachanweisung für die bezirklichen Pflegekinderdienste auf
den Weg gebracht. Wir begrüßen die damit vorgenommene Klärung von Zuständigkeiten und Aufgaben. Dass alle potentiellen Pflegeeltern und ihre Hausangehörigen ab
18 Jahren einen Drogentest absolvieren müssen, ist aus Sicht der Grünen Fraktion
hingegen unverhältnismäßig. Diese Einschätzung entspricht auch der Mehrheitsmeinung der Sachverständigen, die dazu im Sonderausschuss gehört wurden. Der Drogentest erzeugt eine Scheinsicherzeit, die auch darin begründet liegt, dass lediglich
Aussagen über die letzten drei Monate gemacht werden können und Suchtverhalten
hier einseitig auf die Einnahme von Drogen beschränkt wird. Alkohol, Nikotin, oder
Tablettensuchtverhalten wird nicht erfasst. Über die verpflichtende Vorlage eines
Gesundheitszeugnisses und eine enge persönliche Begleitung der Pflegeeltern durch
regelmäßige Hausbesuche kann Suchtverhalten auch ohne flächendeckende Drogentests verlässlich und umfassender abgeklärt werden. In diesem Zusammenhang wollen wir, dass die Gesundheitszeugnisse nicht nur von Amtsärzten, sondern auch von
Hausärzten ausgestellt werden können. Hausärzte begleiten ihre Patienten in der
Regel über einen längeren Zeitraum und können die Eignung als Pflegeperson somit
gut, ggf. sogar besser beurteilen.
Der Fall Chantal hat erneut gezeigt, dass die Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe
unter zum Teil schwierigen Rahmenbedingungen täglich eine sehr anspruchsvolle
Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und ihren Familien leisten. Die Praxis zeigt aber
auch, dass individuelle Rechte junger Menschen und ihrer Eltern trotz rechtsstaatlicher Garantien nicht immer erfüllt werden. Die fachlichen Regeln der Kunst werden
verletzt, sowohl von öffentlichen Trägern der Jugendhilfe als auch von freien Trägern.
Vor diesem Hintergrund fordern wir erneut die Einrichtung einer unabhängigen
Ombuds- und Beschwerdestelle in der Kinder- und Jugendhilfe vor. Damit die Beratung unabhängig erfolgen kann, sollte eine Ombudsstelle jenseits der jugendamtlichen
Strukturen angesiedelt sein.
Die Grüne Bürgerschaftsfraktion begrüßt die Gründung des Pflegeelternrats Hamburg
und fordert eine ernsthafte Einbeziehung des Pflegeelternrats in die weitere Entwicklung und die Planungen im Hamburger Pflegekinderwesen.
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Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Drucksache 20/9843
Anlage 4
Petitum der Fraktion DIE LINKE im Sonderausschuss Der Sonderausschuss „Zum
Tod des Mädchens Chantal“ zur Drs. 20/3870
Die Bürgerschaft möge beschließen:
Der Senat wird aufgefordert:
1.
die Personalausstattung der Allgemeinen Sozialen Dienste umgehend durch die
Einführung von Fallobergrenzen zu verbessern. Es muss außerdem sichergestellt
werden, dass die Einwohnerzahlen und die sozioökonomischen Bedingungen
jährlich aktualisiert in allen sieben Bezirksämtern dazu führen, das die einzelnen
ASD-Abteilungen – jeweils gleich behandelt – ausgestattet arbeiten können.
2.
die BASFI zu beauftragen, ein nachvollziehbares Personalentwicklungskonzept
erstellen zu lassen. Fragen des Kinderschutzes müssen darin so berücksichtigt
werden, dass Verwaltungshandeln gegenüber fachlichem Handeln eine sichtbar
nachgeordnete Bedeutung bekommt. Die Arbeit der Spezialdienste (Unterbringungsberatung, PKD, JGH usw.) muss die federführende Aufgabenstellung des
ASD unterstützen.
3.
die Qualitätsentwicklung im Sinne des §79a SGB VIII (Qualitätsentwicklung in der
Kinder- und Jugendhilfe) zu verstetigen. Es soll ein Konzept entstehen das hilft,
für die örtliche Praxis Bedarfe des Pflegekinderwesens zu definieren. Die im Aufbau befindlichen Projekte für Sozialräumliche Hilfen und Angebote (SHA) sollen
z.B. durch Kinderschutzzentren ohne überbordende Verwaltungsmaßnahmen ihre
Wirkungen entfalten können. Das Konzept soll auch den örtlichen SHA-Projekten
helfen, der Bevölkerung ihre Arbeit darstellen zu können.
4.
die Jugendamtsleitung in den Bezirken durch eine Fachanweisungen der BASFI
aufzufordern, Voraussetzungen zu schaffen, dass regelhaft sozialräumliche Treffen der Fachkräfte in definierten Wohnbereichen mit VertreterInnen aller Arbeitsfelder stattfinden. Ziel solcher Treffen sollte es sein, das jeweils unterschiedliche
Aufgabenverständnis der Angebote kennen zu lernen, es respektieren und nutzen
zu lernen.
5.
die Erziehungsberatungsstellen entsprechend der Forderung des Rechnungshofes 2011 endlich angemessen zu berücksichtigen.
6.
Vormünder in ihrer zivilrechtlichen Aufgabe stärker von den Vorgaben der bezirklichen Verwaltung abzugrenzen, damit die vertretenen Mündel die Parteilichkeit
ihrer gesetzlichen Vertreter für sich noch besser nutzen können.
7.
bei der Vergabe, Aus- und Fortbildung der Pflegeeltern die Bedürfnisse der Kinder mit Migrationshintergrund zu berücksichtigen.
8.
eine Ombuds- und Beschwerdestelle einzurichten, die die Rechte der Hilfesuchenden stärkt.
9.
die Jugendhilfeinspektion (die von der LINKEN abgelehnt wurde) stärker dafür
einzusetzen, an den Schnittstellen Qualität zu schaffen und das dazu erforderliche zeitliche Abstimmungsverfahren zu optimieren.
10. den Nachweis über einen Drogentest für alle Haushaltsangehörigen über 18 Jahre wieder aus der erlassenen Fachanweisung zu streichen.
11. Hausärzte neben den Amtsärzten beim Nachweis von Gesundheitszeugnissen in
der erlassenen Fachanweisung zu berücksichtigen.
12. eine bessere materielle Ausstattung der Pflegeeltern zu ermöglichen.
13. eine Evaluation (evtl. auch nur Zwischenschritte) der eingeleiteten Neuorganisation der staatlichen Kinder- und Jugendhilfeinstitutionen zum Oktober 2014 im
Familienausschuss vorzustellen.
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Drucksache 20/9843
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Begründung:
Ausgangspunkt der Diskussion im Sonderausschuss war der tragische Tod eines
Hamburger Mädchens: Chantal war am 16. Januar 2012 an einer Vergiftung mit der
Heroin-Ersatzdroge Methadon gestorben. Seit 2008 war sie in der Obhut einer Pflegefamilie, beide Eltern waren drogenkrank und nahmen seit Jahren am MethadonProgramm teil. Neben Chantal lebten im Haushalt des Paares zwei leibliche Kinder
und das Enkelkind.
Vor diesem Hintergrund beschlossen die Fraktionen von SPD, CDU, Grünen und FDP
am 18.4.2012 mit der Annahme des Antrages 20/3870 die Einsetzung eines Sonderausschusses. Zuvor war der Antrag 20/3754 der Fraktion DIE LINKE auf Einrichtung
einer Enquete-Kommission abgelehnt worden, nachdem er vorher von den Grünen
und der FDP durchaus im Ausschuss vertreten wurde. Das zentrale Argument zur
Einrichtung solch einer Kommission aus unserer Sicht: Wir wollten und wollen die
1
gesamten Kinder- und Jugendhilfe durchleuchten . In der Vergangenheit haben
Untersuchungs- und Sonderausschüsse aus unserer Sicht zu sehr versucht, fallspezifisch konkrete Fehler und Ursachen zu identifizieren. Dabei stand in der Regel die
Suche nach personalisierten „Verantwortlichen“ im Vordergrund. Aus Sicht der LINKEN wäre allerdings eine Analyse des gesamten Jugendhilfesystems von unabhängiger Seite nötig, da es sich rückblickend in den seltensten Fällen um ein Kontrolldefizit,
sondern um ein strukturelles Gesamtproblem mit verschiedenen Details handelt. Unser Anliegen war und ist, den Kinderschutz auf der Grundlage der sozioökonomischen
Entwicklung der Stadt zu betrachten. Unser Antrag schloss damit Fragen zur Kinderarmut und zur Reichtums- und Armutsentwicklung in den unterschiedlichen Stadtteilen
als Voraussetzung für eine grundsätzliche sozioökonomische Entwicklung mit ein.
Die Einrichtung einer Enquete-Kommission und ein weiterer Antrag zur Konkretisie2
rung des Arbeitsauftrages wurden mit Parlamentsmehrheit abgelehnt. Damit war
auch eine Erweiterung des Untersuchungsauftrages gescheitert. Die anderen Parteien
waren nicht daran interessiert, die Ökonomisierung der Sozialen Arbeit, eine bessere
Ausstattung der Pflegefamilien und eine kritische Bestandsaufnahme bei der Ausstattung der übrigen beteiligten Institutionen und die Einbindung der Angebote der Jugendhilfe in die entsprechenden Bedarfe der Stadtteile in die Diskussion einzubeziehen. Trotz der Einengung des Untersuchungsauftrages auf Kontrollfragen hat DIE
LINKE im Sonderausschuss konstruktiv mitgearbeitet und eine kritische Auseinandersetzung mit den Themen geführt.
Arbeit des Sonderausschusses mit dem eingeengten Arbeitsauftrag
3
Die Arbeit begann mit der Darstellung von zwei Prüfaufträgen der Innenrevision der
Finanzbehörde, bei der der Innenrevisionsbericht II eine schockierende Sachstandfeststellung brachte: Über Jahre hinweg seien mit Billigung von Fachvorgesetzten und
vorgegebenen Hierarchien Regeln in der Arbeit der Jugendämter in beträchtlichem
4
Umfang nicht beachtet und umgesetzt worden. So wurde im Ausschuss entgegen
bisheriger politischer Annahmen klar, dass es kein Regelungs- sondern ein Vollzugsdefizit in den Abteilungen des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) gibt. Die Fraktion
DIE LINKE trat dafür ein zu klären, warum Regeln nicht eingehalten werden. Für die
Fraktion DIE LINKE ist es ein nicht akzeptabler Widerspruch, dass in der Arbeit des
Sonderausschusses der selbst gegebene Arbeitsauftrag an dieser Stelle missachtet
wurde und die Umstände nicht geklärt wurden, warum gegebene Regeln nicht beachtet und eingehalten wurden.
1
2
3
4
20
Bürgerschaftsdrucksache 20/3754
Bürgerschaftsdrucksache 20/3874
Innenrevisionsbericht I + II der Finanzbehörde
Innenrevisionsbericht II, Seiten 4 - 9
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Drucksache 20/9843
Arbeit zur neuen Fachanweisung und zum Pflegekinderdienst
Die Auseinandersetzung mit der Fragen der Hilfegestaltung gem. §33 SGB VIII (Vollzeitpflege) wurden jetzt handlungsleitend. Die selbst gegebene Aufgabenstellung des
Antrags 20/3870 „Defizite im Handeln staatlicher Stellen, die zum Tod Chantals führten“ aufzuzeigen „und dabei insbesondere das Versagen von Kontrollsystemen, den
Umgang mit Hinweisen von Dritten auf Kindeswohlgefährdung und die Zusammenarbeit mit dem Leistungserbringer“ aufzuarbeiten, blieben allerdings weitgehend unbeachtet.
Die Fraktion DIE LINKE schließt sich der Haltung der wissenschaftlichen ExpertInnen
bei der Anhörung am 29.10.2012 an, die den Vertrauen fördernden Aspekten der
Sozialarbeit im Pflegekinderwesen eine große Bedeutung beimaßen und die die Art
und Weise, wie mit dem Untersuchungsmaterial umgegangen wurde, als unangemessen darstellten. Diese wichtige Anhörung ließ aber auch geäußerte Erwartungen der
Pflegeeltern in der Konsequenz der Umsetzung der neuen Fachanweisung zum Beispiel bei den neuen Drogentests weitgehend unberücksichtigt.
Die neue Fachanweisung wurde debattiert und im Sonderausschuss von SPD, CDU,
GRÜNEN und FDP befürwortet. Damit wurde die Gleichstellung von geprüften Pflegefamilien und Verwandschaftspflegeverhältnissen eingeführt. Die im politischen Raum
erwogenen Veränderungen für den Träger PFIFF blieben aber unverändert. Es bleibt
deshalb abzuwarten, ob die jetzt vereinheitlichte Arbeitsgrundlage für den Pflegekinderdienst auch eine größere Bereitschaft in der Bevölkerung bewirkt, „Pflegefamilie“
zu werden. Dieser werbende Aspekt wurde aus unserer Sicht nicht ausreichend im
Sonderausschuss besprochen. Eine bessere Ausstattung und Beratung der Pflegefamilien hingegen spielte auf Grund des gegebenen Untersuchungsauftrags gar keine
Rolle. So blieb unbearbeitet, inwieweit die chronische Unterfinanzierung der Familien
ihre Fähigkeit, diese schwere Aufgabe zu meistern, auf längere Zeit untergraben wird
und damit durch fortwährende Abbrüche von Pflegeverhältnissen und den damit verbundenen Abbrüchen von Beziehungen das System der Jugendhilfe schädigt.
Erörterung der Schnittstellenarbeit
Amtsvormundschaft, Pflegekinderdienst (PKD), ASD und Pflegeeltern arbeiten unter
unterschiedlichen Bedingungen gemeinsam mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen. Vor dem Hintergrund der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Amtsvormünder durch den Bundestag wäre es aus unserer Sicht zwingend gewesen, im Sonderausschuss über Verbesserungen der Arbeitsbedingungen des ASD und des PKD
und eine bessere Abstimmung der Schnittstellenarbeit nachzudenken. Die Anhörung
der ExpertInnen zum Arbeitsfeld der Amtsvormundschaft am 22.3.2013 hatte das
nahegelegt. In den Auswertungen durch den Ausschuss spielte das keine Rolle mehr.
Erörterung weiterer Einzelfälle
Der Sonderausschuss wurde wegen seiner ungenauen Einsetzungsbegründung und
der davon hergeleiteten Themengestaltung durch ablenkende Fragen zusätzlich
beeinträchtigt. Nicht nur der Fall „Jeremie“ bekam so auch ein durch die Medien
gewünschtes Fenster. Auch hier bestätigte sich aus unserer Sicht die Neigung solcher
Ausschüsse, skandalisierte Einzelfälle aufzuarbeiten und die fachlichen Zusammenhänge aus den Augen zu verlieren. Eine Enquete-Kommission, die in ihrer Mehrheit
aus zugewählten Fachleuten bestanden hätte, wäre mit dieser Situation sicherlich
anders umgegangen.
Kontrolle vor Vertrauen
Im Sonderausschuss wurde auf der Grundlage des Antrags 20/3870 bei der Diskussion um die Veränderungen bzw. Erneuerung der Fachanweisung beim PKD (Pflegekinderdienst) und bei der Diskussion um die Amtsvormundschaft vor allem auf eine
verbesserte Kontrolle und Standardisierung der Arbeitsabläufe geachtet. Dabei gewannen regelhaft kontrollierende Umstände größere Bedeutung als Vertrauen und
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Förderung begünstigende Faktoren. Das SGB VIII blieb damit in seiner Intention des
Förderns und des Unterstützens wesentlich unberücksichtigt. Die Fraktion DIE LINKE
hat zu diesem Fakt mehrfach Pressemitteilungen, aber auch kritische fachliche Positi5
onierungen veröffentlicht.
Der Sonderausschuss: ASD ohne Lobby
Während der PKD (und die Träger PFIFF und Rauhes Haus), die Amtsvormundschaft,
die Pflegeeltern und Experten rund um das Spezialthema Pflegekinder Gehör bekamen, wurde der ASD nur beim Thema „Jeremie“ und bei einem extra Fall „Prüfung
einer Pflegestelle“ zugelassen. Regelhaft wurde aber am Rande über die „für möglich
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gehaltene Überlastung“ des ASD gesprochen. Sogar von Überlastungsanzeigen
wurden gesprochen, die neue Software wurde dann als noch nicht voll funktionsfähig
erwähnt. Auswirkungen der neuen Fachanweisung auf den ASD in seinem
Arbeitszuschnitt und seiner Belastung wurden aber nicht betrachtet. Wiederholte Versuche, ASD Beschäftigte einzuladen, wurden nicht aufgenommen mit der Begründung, die Aussagebereiten würden in einen Widerspruch zum Arbeitgeber zu ihrem
Nachteil geraten. Damit blieb der Ausgang
für die Einrichtung einer neuen Hilfe und der Suche nach einem für das Kind passende Pflegeverhältnis – das ist das originäre Arbeitsfeld des ASD – in seiner besonderen
Situation ohne konkrete Betrachtung, obwohl das Thema Arbeitsbelastung im ASD
seit Jahren unberücksichtigt ist und den öffentlichen Klagen darüber auch in der Arbeit
des Sonderausschusses Beachtung gegeben wurde. Den Abgeordneten war darüber
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hinaus klar, dass der PKD und die Amtsvormundschaft geregelte (das heißt konkret
begrenzte) Arbeitsbemessungsgrundlagen haben.
Qualitätsmanagements und Jugendhilfeinspektion Ökonomisierung Sozialer Arbeit im Zeichen der Schuldenbremse
Senator Scheele hat den Sonderausschuss dafür genutzt, ein Qualitätsmanagement
und eine Jugendhilfeinspektion, wie am 8.2.2012 in seiner Rede in der Bürgerschaft
angekündigt, mit den Stimmen von SPD, CDU, FDP und Grünen umzusetzen.
Die Fraktion DIE LINKE konnte nicht verhindern, dass die sich jetzt neu organisierende Jugendhilfelandschaft, insbesondere im staatlich getragenen Bereich, das zivilrechtliche Leben durch Prinzipien strukturieren soll, die sonst in betriebswirtschaftlichen Organisationsformen von privatrechtlich verfassten Firmen als Management
bekannt sind. Die ideologische Verbohrtheit, die jetzt nach dem Prinzip „Zählen, Wiegen, Messen“ vertieft Bedeutung bekommen wird, stellt das bisherige fachliche Handeln ohne hinreichende Begründung in Frage und drängt damit methodisches Handeln in den Hintergrund. Sie lässt den ASD als „Blinden Fleck“ in dem Organisationsgefüge zurück, ohne Personalentwicklungsfragen und Jugendhilfeplanungsfragen
hinreichend vorher angesehen zu haben.
Der jetzt schon feststellbare zusätzliche Zeitaufwand für die Arbeit mit dem PC mit der
neuen Software JUS-IT, die eigentlich arbeitserleichternd sein soll, blieb auch mit
Blick auf die Wirkung bei der Arbeit an Schnittstellen weitgehend unhinterfragt. Die
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Fraktion DIE LINKE hat sowohl zum Thema Jugendhilfeinspektion als auch zum
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Vgl. u.a. Fraktion DIE LINKE: Bestandsaufnahme zum Sonderausschuss Chantal 11. Sept.
2012 und Backpfeife für Senator Scheele: Sachverständige kritisieren Umgang mit Akten,
14. Nov. 2012
Siehe Wortprotokoll 20/11 von der Sitzung des Sonderausschuss am 28.5.2013 Seite 13, 14
folgende
Siehe Wortprotokoll 20/3 von der Sitzung des Sonderausschuss am 19.9.2012 Seite 57
Siehe Wortprotokoll 20/9 von der Sitzung des Sonderausschuss am 22.3.2013 Seite 7
Vgl. Beitrag der Fraktion DIE LINKE: Scheeles Entwurf für eine Jugendhilfeinspektion – Ein
Ausdruck für Misstrauenskultur vom 7.12.2012
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Thema Qualitätsmanagement eine kritische Stellungnahme abgegeben, die keiner
weiteren Erläuterung bedarf. Außerdem muss im Blick behandelten werden, dass
unter dem Deckmantel neuer Standards tatsächlich Kürzungen erzwungen werden
können. Ob sich unter diesen Umständen bessere Qualität ermöglichen lässt, wie es
das in Einführung befindliche Qualitätsmanagement verspricht, wird sich noch herausstellen. Wir sind sehr skeptisch.
Kontrolle kostet Geld
Eine Enquete-Kommission hätte auch der bei einigen Politikern vorherrschenden
Erwartung nach einer allumfassenden Sicherheit mehr Klarheit gebracht und den
Widerspruch besser bearbeitet, der darin besteht, einerseits mehr und umfangreichere
Regeln für die Jugendämter zu beschließen und andererseits einem wachsenden
Bedarf der Bevölkerung nach Unterstützung bei geringstem Personalaufwand gerecht
zu werden (siehe Kinderschutzberichte in der Vergangenheit). Die Fraktion DIE LINKE
sieht dabei, dass der Pflegekinderdienst (PKD) und die bezirklichen Gesundheitsämter (für die Drogentests) zusätzliche Gelder für das Mehr an Kontrolle erhalten haben.
Wie weit das Mehr an Personalressource im PKD den Bedarfen an Betreuung und
Beratung der Pflegeeltern entspricht, bleibt abzuwarten. Positiv bewertet die Fraktion
DIE LINKE die Gründung des von unserer Fraktion befürworteten und von den Pflegeeltern geforderten Pflegeeltern-Rats. Die Pflegeeltern erhalten dadurch in vielen
Gremien Sitz und Stimme, sie erhalten eine Vertretung, die hoffentlich auch nach
außen dauerhaft eine bessere Vertretung ihrer Interessen möglich macht.
Zusammenfassend bleibt: Auch Kontrolle verursacht Kosten und dieser Umstand wurde leider auch nicht hinreichend in seiner Bedeutung und Wirkung für die bezirklichen
Jugendämter gegenüber der Hilfe suchenden Bevölkerung geklärt. An vielen Stellen
wurden zusätzlich eingeführte Kontrollinstrumente von der Ausgabenseite des Haushaltes nicht beziffert.
Sonderausschuss ohne eigenen Plan
Die Arbeit des Sonderausschusses bestand unserer Auffassung nach im Wesentlichen im Nachvollzug der Maßnahmen, die Senator Scheele in seiner Rede am
8.2.2012 in der Bürgerschaft angekündigt hatte. Die Fraktion DIE LINKE bedauert,
dass es dem Sonderausschuss nicht gelungen ist, eigene Akzente zu setzen und sich
von den Vorgaben des Senators und der ihm unterstellten Fachbehörde BASFI frei zu
machen, um unabhängig Fragen zu erörtern, die die örtliche Praxis der Jugendämter
hätten erleichtern können und die aus der selbst aufgeworfenen Frage positive Impulse abgeleitet hätte.
Fazit
Aus der Sicht der Fraktion DIE LINKE ist es nicht gelungen, hinreichend objektiv
schon jetzt wirkende Konkurrenzen in den unterfinanzierten bezirklichen Jugendämtern zu erfassen, die den Praxis-Alltag für die Hilfesuchenden schwierig werden lassen.
Oberstes Ziel der Arbeit des Sonderausschusses sollte aus unserer Sicht die Verbesserung der Lebenssituation der Bevölkerung sein. Die Stimmen der Menschen, die
Hilfe und Unterstützung brauchen und bekommen sollten, müssen über die Pflegeeltern hinaus mehr Berücksichtigung bekommen und dieser Umstand hat in der Arbeit
des Sonderausschusses leider keine nennenswerte Rolle gespielt.
Zum ASD bleibt festzustellen: Mindestens der Umstand, dass alle Spezialstellen
Arbeitsbemessungsgrenzen haben, der ASD aber nicht, hätte im Sonderausschuss
einmal genauer angesehen werden müssen. Dass mit immer weiter verfeinerten Kontrollmechanismen ein besserer Kinderschutz organisiert werden kann, wird von der
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Vgl. Beitrag der Fraktion DIE LINKE: Senatspläne zur Jugendhilfe: Qualitätsmanagement
ohne Sinn und Verstand vom 7.2.2013
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Fraktion DIE LINKE bezweifelt. Aus unserer Sicht dient diese Kontrolle vor allem der
Absicherung und Zuschreibung von Verantwortung bei etwaigen Missständen oder
neuen Skandalen bis hin zu toten Kindern. Bisher hat jeder Schritt von neuen Maßnahmen der Kontrolle jedenfalls die Probleme in der Jugendhilfe nicht gelöst. Die Klagen der ASD-Beschäftigten, dass sie immer höhere Anteile ihrer Arbeit für Dokumentation und Kontrollvorgänge verwenden und kaum noch zu ihrer Facharbeit kommen,
sollte uns allen zu denken geben. Diese Sorge ist auch auf Bundesebene von Fach11
leuten aufgegriffen worden.
Eine Enquete-Kommission wäre politisch ein besserer Ort gewesen, die jetzt betriebene Neuorganisation der staatlichen Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe politisch zu diskutieren. Der Tunnelblick der Politik, die sich allzu häufig als Getriebene
der veröffentlichten Meinung begreift, wäre durch andere Sichtweisen ergänzt und
korrigiert worden.
Das einmalige Faktum, dass Hamburg nun das erste Bundesland sein wird, das eine
ausschließlich auf Management begründete Organisation in diesem Bereich haben
soll, stößt auf unsere scharfe Kritik.
Und zuletzt: Nach allen genannten kritischen Punkten bleibt außerdem festzustellen,
dass die juristische Aufarbeitung des Todes des Pflegekindes Chantal durch die
Staatsanwaltschaft wohl erst im Jahr 2014 zu einem gerichtlichen Verfahren führen
wird.
Die Schwierigkeit, hier eindeutige Anklagepunkte zu finden, zeigt besonders deutlich,
dass ein aus voreiligen politischen Bewertungen heraus hektisch eingesetzter Ausschuss nicht geeignet ist, die Sachverhalte und Hintergründe aufzuklären und Alternativen zu entwickeln.
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Bundesarbeitsgemeinschaft ASD/ KSD August 2013 „ASD: die bedrohte Berufsidentität der
Fachkräfte…..“