Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
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Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
1. Einleitung Joachim Losehand Häuser für die Herrscher Roms und Athens? 1 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? 2 1. Einleitung Joachim Losehand Häuser für die Herrscher Roms und Athens? Überlegungen zu Funktion und Bedeutung von Gebäude F auf der Agora von Athen und der Regia auf dem Forum Romanum 3 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? Über den Autor: Joachim Losehand (*1969), M. A., Dr. phil., Studium Alte Geschichte, Kath. Theologie, Klass. Archäologie und Philosophie an den Universitäten in München, Tübingen und Wien; Mitglied der Arbeitsstelle „Antike Religion und Alte Geschichte“ an der Universität Oldenburg und Leiter der Arbeitsstelle Toleranzforschung in Oldenburg. Besuchen Sie mich im Internet: www.losehand.net 2007 Joachim Losehand, Stuttgart cc-Lizenz by-nc-sa Als gedrucktes Buch erschienen bei Verlag Dr. Kovac ANTIQUITATES – Archäologische Forschungsergebnisse, Bd. 42 Hamburg 2007, 154 Seiten, ISBN: 978-3-8300-3397-4 http://www.verlagdrkovac.de/3-8300-3397-4.htm 4 1. Einleitung Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 5 1. Einleitung 7 2. Die Regia auf dem Forum Romanum 11 2.1 Grabung und Befund 2.1.1 Grabungs- und Publikationsgeschichte 2.1.2 Bauphasen 2.1.3 Weitere Funde und archäologische Zeugnisse 12 12 12 28 2.2 Die bauliche Entwicklung der Regia 38 2.3 Funktion und Bedeutung der Regia 2.3.1 Die überlieferten Funktionen der Regia 2.3.2 Hausarchitektur in Etrurien 2.3.3 Interpretation der archaischen Fries-Platten der 3. Regia 2.3.4 Abschließende Zusammenfassung 47 48 67 74 82 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen 85 3.1 Grabung und Befund 3.1.1 Schriftliche Quellen (Inschriften, lit. Belege) 3.1.2 Grabung und Befund (Gebäude C, D und F) 85 85 86 3.2 Die bauliche Entwicklung des süd-westlichen Areals auf der Agora im historischen Kontext der Geschichte Athens im 6. und frühen 5. Jh. v. Chr. 99 3.3 Funktion und Bedeutung des Gebäudes F auf der Agora 3.3.1 Gebäude F als Wirtschaftshaus 3.3.2 Peisistratos, Athen, Akropolis und Agora 3.3.3 Die Tholos und ihr(e) Vorgänger 3.3.4 „Form follows function“? 3.3.5 Zusammenfassung 3.3.6 Antithese: Gebäude F als Konglomerat von Gebäuden 102 103 105 111 117 121 124 5 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? 4. Vergleich und Zusammenfassung 127 4.1 Baulicher Vergleich 127 4.2 Historischer Vergleich 130 4.3 Analogien zwischen Gebäude F, der Regia und einer Tradition von „domus regiae“? 133 4.4 Funktion von Gebäude F und der Regia 136 5. Nachwort 141 6. Anhang 143 6.1 Bibliographie 6.1.1 Quellen 6.1.2 Sekundärliteratur 143 143 144 6.2 Abbildungsnachweis 151 6 1. Einleitung 1. Einleitung Die philosophische Betrachtung hat kein anderes Ziel, als das Zufällige zu entfernen.1 Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Regia auf dem Forum Romanum in Rom, mit dem sog. Gebäude F auf (oder an) der Agora in Athen und mit der Frage, ob und – wenn ja –, auf welche Weise beide Bauwerke miteinander verglichen werden können, welche Ähnlichkeiten sie verbinden und welche Unterschiede sie trennen. Dieses Unterfangen haben zuvor – nihil sub sole novum, und damit ist schon im zweiten Satz klar, daß dieses vorliegende opusculum nicht von sich sagen kann, originell zu sein – schon zwei Wissenschaftler explizit unternommen: 1971 Carmine Ampolo,2 und neunzehn Jahre später Charlotte Scheffer,3 beide jedoch recht knapp und quasi par force.4 Also erscheint eine neuerliche Betrachtung und Bewertung der Befunde – weitere knapp 17 Jahre nach dem Aufsatz von Frau Scheffer – sinnvoll und schon aus dem zeitlichen Abstand heraus berechtigt. Was den Vergleich des Gebäudes F mit der Regia anbetrifft, also die vorangegangenen Untersuchungen von C. Ampolo und Ch. Scheffer, so muß leider festgestellt werden, daß explizit neue und die Beweiskraft verstärkende Erkenntnisse – bis auf einzelne versprengte Thesen – seit der Arbeit von Charlotte Scheffer (1990) kaum vorzustellen sind. Allein ein Blick auf die Bibliographie zeigt, daß die wissenschaftliche Diskussion vor allem zu Gebäude F ins Stocken geraten ist. Das ist allerdings auch darauf zurückzuführen, daß einerseits zum geschichtlichen Hintergrund keine neuen Erkenntnisse vorliegen, und höchstens alte Thesen mit gleichen Argumenten bekräftigt oder die Beweise an sich relativiert werden, andererseits 1 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Die Vernunft in der Geschichte (1822/1828/1830), ed. G. Lasson (51955), S. 29. 2 Ampolo 1971. 3 Scheffer 1990. 4 Scheffer 1990: 189. 7 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? auch keine neuen Grabungen an Gebäude F unternommen oder publiziert wurden. Zur Regia hingegen hat es seit 1990 neue Diskussionen gegeben, wenn sie sich auch vornehmlich auf die Dekoration des Daches – die archaischen Architektur-Terrakotten wurden 1995 von Susan B. Downey eingehend und interpretierend publiziert – beziehen oder beschränken. Die allgemeine Entwicklung der Datenverarbeitung und der elektronischen Kommunikation hat auch der Klassischen Archäologie neue Mittel zur Darstellung ihrer Ergebnisse und Thesen an die Hand gegeben. Wobei sich die Gefahr potenziert hat, Thesen, die sich in bildhaften Rekonstruktionen äußern, nicht für prinzipiell fallible Zwischenergebnisse, sondern für „the truth about“ zu halten. Trotzdem will ich gerne auf die im Internet veröffentlichte digitale Rekonstruktion hinweisen, die natürlich an den Charme des Rom-Modells von Italo Gismondi nicht heranreicht (genausowenig wie „Toy Story“ [1995] mit „Snow White and the Seven Dwarfs“ [1937] ernsthaft konkurrieren kann). Von 1997 bis 2003 hat das „Cultural Virtual Reality Laboratory“ (CVRLab) der Universität von Kalifornien in Los Angeles (UCLA) an diesem Modell gearbeitet, das die Topographie der Stadt Rom zum Zeitpunkt des 21. Juni 400 n. Chr. zeigt,5 bzw. das, was communi opinione dafür gehalten werden kann. Meine folgende Darstellung ist „quadratisch“ angelegt. „Quadratisch“ deshalb, weil ich einerseits ein Höchstmaß an Breite und ein Mindestmaß an Tiefe erreichen will – und die Ausgewogenheit beider Dimensionen in der Ebene stellt nun mal ein Quadrat dar. Andererseits, weil mir seit meiner Kindheit einleuchtend von der Werbung vermittelt wird, daß „quadratisch“ auch „praktisch“ – und damit „gut“ bedeutet. Ob dieser phraseologistische Syllogismus (oder syllogistische Phraseologimus) auch auf eine wissenschaftliche Miszelle angewendet werden kann, möge der Leser im Folgenden kritisch beurteilen. Ich will über den derzeitigen Wissensstand und Diskurs (und das ist der des Jahres 2007) zur Regia, zum Gebäude F und zur Diskussion 5 8 http://dlib.etc.ucla.edu/projects/Forum/; Stand: 25. Juli 2007. 1. Einleitung über den Vergleich beider Gebäude knapp, aber umfassend informieren. Dabei werde ich im ersten Teil die Regia und im zweiten Teil das Gebäude F behandeln, eine bei einem Vergleich auch der Sache nach bestechend logische Vorgehensweise. Diese beiden Hauptteile gliedern sich parallel auf: Zunächst werden die Grabungsbefunde dargestellt, dann eine geschichtliche Entwicklung des Bauwerks nachgezeichnet, wobei Fakten, welche die Grabungen nicht erbringen können (so z. B. aus schriftlichen Quellen) und politische Ereignisse zusammen mit den archäologischen Befunden ein Gesamtbild des jeweiligen Gebäudes und seiner Geschichte auch in einem weiteren (historisch-kulturellen) Zusammenhang ergeben sollen. Das Bild wird vollständig, wenn auch die Funktion und Bedeutung der Gebäude beleuchtet wird. Dabei werden die verschiedenen möglichen Funktionen, welche durch die schriftlichen Quellen belegt sind, oder sich durch Vergleiche mit der politischen Geschichte (von Athen und Rom) und mit anderen Aspekten ergeben, diskutiert und nebeneinander gestellt. Miteinbezogen ist selbstverständlich der status quo der Forschungsdiskussion. Schließlich sollen die in den vorangegangenen Abschnitten angestellten Überlegungen, Interpretationen der Beweislage und dargestellten Diskussionen zu derselben einander gegenübergestellt und somit der Versuch eines Vergleiches zwischen Gebäude F und der Regia unternommen werden. Um es nochmals explizit zu betonen: Ziel meiner Darstellung ist es vornehmlich, ein Instrumentarium für eine diskursive Interpretation des derzeitigen status quo an Erkenntnissen bereitzustellen, nicht aber, eine Richtung vorzugeben oder einzuschlagen. Denn weder besteht für die Regia oder das Gebäude F die Möglichkeit, anhand von primären oder sekundären Quellen eine eindeutige Aussage zur Funktion zu treffen, noch der Wunsch, eine Theorie axiomatisch zu antizipieren, um sie dann aus sich selbst zu beweisen (in der Art von self-fulfilling prophecies). Warum kommt man nun auf den Gedanken, zwei Gebäude, die grob geschätzt über 1100 km Luftlinie von einander entfernt sind, miteinander zu vergleichen? Dazu bitte ich Sie umzublättern. 9 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? Abbildung 1: Gebäude F links und Regia rechts Die Ähnlichkeit der trapezoiden Anlage beider Gebäude, die phasenweise zur gleichen Zeit existierten, ist zweifellos augenfällig, wie auch deren Lage am politischen Herz der beiden großen Metropolen der griechisch-römischen Welt, dem Forum Romanum und der Athener Agora. Die Diagnose der phänomenologischen Ähnlichkeit reizt zur Frage, ob (a) daraus auf eine funktionale Ähnlichkeit geschlossen werden kann, und (b) ob wir vielleicht sogar eine Abhängigkeit aufgrund der Ähnlichkeit deduzieren können. Ist es mit und seit Hegel erklärtes Ziel der Wissenschaften, den Zufall zu eliminieren (vgl. das Eingangszitat), müssen wir doch auch in Erwägung ziehen, daß es uns nach sorgfältiger Betrachtung und Abwägung aller Notwendigkeiten (also der Befunde) passieren kann, daß nichts anderes übrigbleibt als – der Zufall. 10 2. Die Regia auf dem Forum Romanum 2. Die Regia auf dem Forum Romanum Heute ist die Regia, oder das, was von ihr übrig blieb, im Gegensatz zum Septimius-Severus-Bogen, der Säulenfront des SaturnTempels, der in die cella des Tempels für Antoninus Pius und Faustina eingebauten Kirche San Lorenzo in Miranda oder der rekonstruierten curia Iulia kein Touristen-Magnet. Die sterblichen Überreste der „parva Regia“6 werden zumeist links oder rechts liegengelassen. Ihr Platz war und ist an der Süd-Ost-Seite des Forum Romanum, zwischen dem Tempel für Antoninus Pius und Faustina und dem Vestatempel. Bis in augusteische Zeit war die Regia die architektonische Begrenzung in diese Richtung, seit 29 v. Chr. steht sie buchstäblich im Schatten des ihr vorgebauten Tempels für den vergöttlichten Caesar (templum Divi Iuli), dessen Podium ihr auch heute noch „die Schau stiehlt“. Abbildung 2: Forum Romanum (schematisch) 6 Ovid, Trist. 3, 1, 30. 11 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? 2.1 Grabung und Befund 2.1.1 Grabungs- und Publikationsgeschichte7 Die ersten Grabungen auf dem Gebiet der Regia, bevor 1872-1875 groß angelegte Aufräumungsarbeiten in diesem Teil des Forum Romanum vorgenommen wurden, waren die von Heinrich Jordan und Francis M. Nichols im Jahre 1866.8 Weitere Grabungen im 19. Jh. erfolgten u. a. durch Christian Hülsen (1886)9 und durch Giacomo Boni (1899 bis 1900/01).10 Diese wurden nur sehr oberflächlich publiziert,11 und gehen hier nicht in die weitere Darstellung der Grabungsbefunde mit ein. Entscheidende Grabungen wurden von Frank Edward Brown durchgeführt: einmal in einer Kampagne in den Jahren 1933 bis 1935,12 und dann nochmals von 1964 bis 1965.13 Neue Erkenntnisse, die durch Vergleiche von Terrakotta-Funden bei Grabungen andernorts (z. B. Rom, Sant‘ Omobono, Acquarossa), und Terrakotta aus dem Gebiet der Regia,14 des templum Divi Iuli und des arcus Augusti15 erzielt wurden, machten eine erneute Auseinandersetzung mit den Befunden und teilweise eine Revision der Interpretation notwendig. Im Jahr 1987 fanden weitere Nachgrabungen auf dem Areal der Regia und Vesta statt.16 2.1.2 Bauphasen Die Darstellung der einzelnen Bauphasen der Regia stützt sich vor allem auf diese neuesten Erkenntnisse zur archaischen, resp. vorund frührepublikanischen Zeit, die rund 10 Jahre nach den Grabun7 Zur Grabungs- und Publikationsgeschichte vgl. den neuesten Überblick in Sisani 2004 (18781921) und Cassetta-Sisani 2004 (1922-1975); dort verschiedene historische Photographien und Pläne des Grabungsgebietes der Regia: Sisani 2004: Abb. 23, 32, 33, 43 und 44. 8 F. M. Nichols identifizierte und lokalisierte die Regia im gleichen Jahr an dieser Stelle. [Brown 1935: 67 und Brown 1967: 48.] 9 Brown 1967: 48. 10 Brown 1967: 48. 11 Mit Ausnahme der von Jordan und Nichols [Brown 1935: 67]. 12 Publikation in Brown 1935: 67-88. 13 Publikation in Brown 1967: 44-60. 14 Downey 1995: 1s. 15 Downey 1995: 1s. und Gjerstad 1960: 250, 289ss. 16 Scott 1987: 18ss. 12 2. Die Regia auf dem Forum Romanum gen von 1964/65 in einer zusammenfassenden Schrift von Frank Brown publiziert wurden.17 Diese neu diskutierten Grabungsergebnisse wurden im allgemeinen anerkannt. Während die verschiedenen Bauphasen der Regia als solche Allgemeingut der Forschung geworden sind, herrschen bei der Numerierung der einzelnen Phasen durchaus noch unterschiedliche Auffassungen. Im Lexicon Topographicum Urbis Romae (LTUR)18 werden die Phasen 1, 2 und 3 usw. der folgenden Ausführungen als „Phase 1“, „Modifikation von Phase 1“ und „Phase 2“ usw. bezeichnet, was zu einer nicht unerheblichen Verwirrung führt:19 Die Funde, die von den Ausgräbern der 3. Phase zugeordnet werden,20 finden zwar im Text ihre Entsprechung,21 der Plan zeigt jedoch die Regia der 4. Phase.22 Da diese Einteilung von Russel T. Scott jedoch weder in den von den an den Ausgrabungen federführend Beteiligten der American Academy in Rome herausgegebenen Publikationen23 eine Entsprechung findet, noch bei anderen,24 soll sie weiterhin keine Beachtung finden, um Mißverständnissen bei der Lektüre der Sekundärliteratur sowie dieser Arbeit vorzubeugen, die sich an die „amerikanische Nomenklatur“ hält.25 Die früheren Grabungsergebnisse und deren Interpretation von Frank Brown (vgl. 2.1.2.1) ergaben eine Chronologie der Regia, welche die 1. Regia wesentlich später ansetzte, was zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. An geeigneter 17 Brown 1976: 15-36. R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: Abb. 75-80. 19 Gegenüberstellung Abb. 1 – 7. 20 Brown 1976, Downey 1995: 5s., dort Abb. 9. 21 R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 191. 22 R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: Abb. 78. Dagegen Brown 1976: 31, Abb. 14, Downey 1995: 7 und Abb. 2. J. Poucet (Poucet 1980: 309) folgt, wie S. Downey dieser Einteilung von F. Brown. 23 Brown 1976, Downey 1995. 24 Z. B. Poucet 1980, Coarelli 1985: 59s., Abb. 15, Holloway 1996: 41, Abb. 4.10, oder Stopponi 1985: 186ss., Abb. 1-6. 25 Da R. T. Scott in seinem Artikel (LTUR, s. v. ‚Regia‘: 189ss.) die einzelnen Phasen nicht explizit so numeriert, bzw. ihnen die Pläne der Abb. 75ss. nicht eindeutig zuordnet, kann die verschobene Numerierung der Bauphasen – zumal sie sich in der Erklärung zu den Abb. 75ss. lapidar nur mit „F. E. Brown“ als Herkunft findet – auch auf eine zu gutmeinende Redaktion zurückgehen – dagegen spricht leider eine Modifikation in Abb. 77. 18 13 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? Stelle soll aber – zur Dokumentation eines Fortschritts in den Erkenntnissen und um der durch die Forschungsgeschichte der Regia hindurch gehenden Diskussion auch zu Fragen der Datierung und Chronologie Aufmerksamkeit zu zollen – darauf rekurriert werden. Abbildung 3: Regia 1 (Periode 7) 2.1.2.1 Regia 1 (Periode 7)26 Die sog. „erste Regia“ (Periode 7, ca. 640/30 v. Chr.),27 von der sich Reste von Capellacio-Fundamenten erhalten haben,28 wies schon die, auch für die späteren Gebäudephasen typische Form und Raumverteilung auf: einen großen, trapezoiden Hof mit einer Raumgruppe an einer der Seiten. Bei der Regia der ersten Phase befand sich diese Raumgruppe an der Westseite des Hofes, bestehend aus zwei rechteckigen Räumen, die durch einen Gang voneinander getrennt waren – wodurch diese keine gemeinsame Trennwand besaßen – und einem weiteren Gang im Süden des zweiten Raumes. Der nordwestliche 26 Abb. 3. Poucet 1980: 309; und erschlossen aus Rückrechnung nach Downey 1995: 6. 28 Brown 1967: 52. 27 14 2. Die Regia auf dem Forum Romanum Raum wurde aus den z. T. zusammenhanglosen Resten rekonstruiert, das sind Stücke einer einzigen Reihe aus dünnen Blöcken aus gekörntem Tuffstein, welche sich in Länge und Breite unterscheiden.29 Die nördliche Hofmauer teilt die östliche Mauer des Raumes nördlich der auf den Hof hinausgehenden Tür in zwei ca. gleich große Teile, so daß die Hälfte des nordwestlichen Raumes über die nördliche Hofbegrenzung hinausragt. Der zur vorherigen Periode 6 gehörende cippus befand sich nun außerhalb des Geländes.30 Der südliche Raum, von den beiden genannten Gängen im Norden und Süden flankiert, öffnete sich gleichfalls nach Osten auf den Hof hin: es fanden sich von der Ostwand eine Reihe von 5 oder 6 Blöcken aus gekörntem Tuffstein, die von einem Zwischenraum für eine Tür unterbrochen wurde.31 Im Inneren des Raumes befanden sich eine runde Feuerstelle und Aschereste.32 Aufgrund einer Einprägung von ca. 38 cm Durchmesser, die auf der Höhe der Südwand des Raumes im Abstand von 2,26 m aufgefunden wurde, welche von Frank E. Brown als Abdruck einer StützPlinthe für eine Säule aus Holz identifiziert wird, wird eine porticus mit 4 Säulen auf der Westseite des Hofes angenommen.33 Die Südmauer des Hofes knickte nach der Hälfte ihres Verlaufes um ca. 40° nach Norden ein, wodurch die schmalste Seite die Ostseite war. An ihr befand sich der Eingang zur Regia. 29 Brown 1976: 21. Brown 1976: 24. 31 Brown 1976: 22. 32 Brown 1976: 22 und Downey 1995: 5. 33 Brown 1976: 22. 30 15 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? Abbildung 4: Regia 2 (Periode 8) 2.1.2.2 Regia 2 (Periode 8)34 Kurze Zeit nach der Errichtung des ersten Gebäudes (ca. 630 v. Chr.) wurde eine Erweiterung des Hofes durchgeführt: durch Nachgeben/Senken der ursprünglichen Mauer35 wurde die Nordwand weiter nach Norden an den Rand eines Grabens36 verschoben, und zwar dergestalt, daß sie an der nun etwas verlängerten Ostwand des Hofes nicht mehr im Winkel von 90° auftraf, sondern etwa im Winkel von 95-100°, und der so entstandene Freiraum im Westen zwischen nördlichem Raum und Nordwand durch Verlängerung der Ostwand (mit Türöffnung) des Nordraumes nach Norden geschlossen wurde. Der Südraum und die gesamte südliche Seite der Regia blieben von diesen Maßnahmen unberührt, jedoch setzte man noch zwei weitere Säulen zum Ausgleich der porticus im Norden hinzu. Damit bestand die porticus nun aus insgesamt sechs Säulen. Das Niveau des Areals 34 Abb. 5. Brown 1976: 24. 36 Brown 1976: 24. 35 16 2. Die Regia auf dem Forum Romanum wurde angehoben, der cippus also im Boden begraben und gleichzeitig ein Graben zur Entwässerung des Hofes angelegt.37 Abbildung 5: Regia 3 (Periode 9) 2.1.2.3 Regia 3 (Periode 9)38 Durch Feuer und eine nachfolgende Überflutung39 scheinen tiefgreifende Reparaturarbeiten spätestens um die Mitte des 6. Jh.s v. Chr.40 notwendig geworden zu sein, welche auch auf das Aussehen der Regia (3) Auswirkungen hatten. Die Tür an der Ostseite des Hofes blieb an derselben Stelle, während die Ostwand selbst wesentlich nach Süden hin verlängert wurde und in einem fast rechten Winkel auf die ebenfalls verlängerte Südwand trifft. Das Südzimmer im Westen des Hofes wurde nach Süden hin zu Lasten des Ganges etwas 37 Brown 1976: 24. Abb. 5. Brown 1976, 26s., Downey 1995: 6, Poucet 1980: 309. 40 Holloway 1996: 62. 38 39 17 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? vergrößert, womit die Türöffnung im Osten nun mittig in der Ostwand lag.41 Das Nordzimmer hingegen wurde vollständig niedergelegt42 und ein neuer, größerer Raum an der Hofwand im Norden angebaut. Die genaue Ausdehnung dieses Raumes, der zwei Reihen mit vielleicht jeweils drei Säulen besaß, läßt sich nicht mehr feststellen: Die Fundamente der Regia des 1. Jh.s v. Chr. wurden darüber errichtet. Die Westfassade der Regia verlief nun nicht mehr in einer Linie, nur die Westwand des Südraumes blieb auf gleicher Höhe, die restlichen Wände im Westen (Hofmauer und Mauer des Nordraumes) sprangen stufenweise zurück. Auch die Stellung der Säulen veränderte sich:43 Von den zuvor sechs Säulen wurde die nördlichste entfernt und entweder hinter die jetzt 1. und 2. Säule je eine weitere gesetzt, wodurch eine Art „Peristyl“ nördlich des Südraumes entstand, oder es wurde die jetzt 1. und die 2. (wieder von Norden her gesehen) Säule zur Westwand hin verschoben, womit die porticus einen kurzen Richtungswechsel vollzieht: sie verläuft nun SN, dann OW, und schließlich SN.44 Diese Varianten ergeben sich aus der Schwierigkeit, den lichten Raum zwischen der Westwand nördlich des Südraumes und der porticus in seinem ursprünglichen Verlauf (6 minus 1 Säule) mit einer Bedachung zu überspannen, was nur unter Annahme einer der beiden vorgestellten Varianten gelingt.45 41 Brown 1976, 29. Brown 1976, 26. 43 Brown 1976, 28. 44 Downey 1995: 6s. Im Plan von der bei R. T. Scott (462: Abb. 77; Abb. 3) als 2. Regia, sonst aber als 3. Regia bezeichneten Regia, findet sich die erste der beiden Varianten. In der weiteren Literatur wird nur Variante 2 graphisch dargestellt (vgl. z. B. Stopponi 1985: 186ss., Abb. 1-6, Coarelli 1985: Foro Romano (Periodo Archaico): 59s., Abb. 15, Holloway 1996: 41, Abb. 4.10 und Iacopi 1982: 37ss., Abb. 6-10). 45 Downey 1995: 6s. 42 18 2. Die Regia auf dem Forum Romanum Abbildung 6: Regia 4 (Periode 10) 2.1.2.4 Regia 4 (Periode 10)46 Wohl ein neuerlicher Brand47 schaffte Raum für die nächste Phase der Regia, welche, anhand eines aufgefundenen Lekythos, der auf 540-530 datiert wurde,48 und in der Zeit kurz nach dem 3. Quartal des 6. Jh.s v. Chr. (550-525 v. Chr.) begann. Sie brachte eine Änderung in der Anlage und Ausrichtung des Gebäudekomplexes: Ausdehnung und trapezoide Form blieben weitgehend erhalten, vor allem aufgrund der Lage nahe des Schnittpunktes zweier alter Straßen, der sacra via und dem vicus Vestae. Die Räume waren bislang in den vorangegangenen Phasen getrennt voneinander um den Hof angeordnet. Jetzt wurden drei Räume als eine Einheit auf der gegenüberliegenden Seite errichtet,49 also im Osten, wobei der mittlere Raum als eine Art Vestibül50 diente, so daß die Regia weiterhin von Osten her – wie ein Vergleich der Pläne zeigt, fast genau an der ursprünglichen Stelle – betreten werden konnte. Stand man im nicht rechtwink46 Abb. 6. Brown 1976: 29 und Downey 1995: 59. 48 Brown 1976: 30 und Downey 1995: 59. 49 Brown 1976: 30. 50 Brown 1976: 33. 47 19 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? ligen Vestibül, gingen links und rechts die beiden ebenfalls nicht rechtwinkligen Räume ab. Sie waren nur durch das Vestibül zu betreten und öffneten sich also im Gegensatz zu den beiden Räumen der früheren Phasen nicht mehr zum Hof hin. Ging man weiter geradeaus, betrat man den Hof durch eine porticus mit wahrscheinlich drei Holzsäulen, die den drei Räumen vorgelagert war. Die Nordwand des Hofes bildete mit der Westwand der drei Räume einen 90°-Winkel, knickte dann aber auf der Höhe der Säulen um 15° nach Norden ab. Während die Südseite vollständig gerade auch im 90°-Winkel zur Westwand verlief, knickte die Westseite etwas nördlich ihres Mittelpunktes wieder nach Osten ab: Der Hof bildete somit ein unregelmäßiges Sechseck. Ungefähr in Achse des Vestibüls wurde vor der Westwand des Hofes ein Stein gefunden, der wahrscheinlich zu den Fundamenten eines Altars gehörte.51 An dieser Stelle befand sich auch weiterhin, in den späteren Phasen der Regia, ein Altar.52 Der Plan, welcher dem Artikel von Russel T. Scott beigefügt ist,53 weist Unterschiede zu dem vom Frank Brown auf. 1) Der Eingang zur Regia befindet sich hier an der Stirnseite des Hofes, gegenüber der porticus. Der Zugang ist also in dieser Rekonstruktion nur von Westen direkt vom Forum Romanum aus möglich, nicht, wie vorher ausgeführt, von Osten durch das sog. Vestibül. Um den Niveauunterschied zu überbrücken, wird eine mehrstufige Treppe angenommen.54 2) Die porticus weist eine engere Säulenstellung auf, d. h. es werden fünf Säulen rekonstruiert. Der Eingang wird bei Russel Scott in den folgenden Phasen wieder an der ursprünglichen Stelle im Osten angenommen,55 was allerdings eine Änderung des Eingangs nur für die letzte vor-republikanische Phase als eher unwahrscheinlich erscheinen läßt. Außerdem verläuft die Nordwand des Hofes in der Rekonstruktion von R. Scott vollkommen gerade. 51 Downey 1995: 59. R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 189. 53 R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 462, Abb. 78. 54 Vgl. Brown 1935: 81s. Die Treppe zur kaiserzeitlichen Regia hatte möglicherweise eine Vorgängerin. Brown weist sie aber (noch?) nicht der Periode 10 zu. 55 R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 463, Abb. 79, 80, 81. 52 20 2. Die Regia auf dem Forum Romanum Abbildung 7: Regia 5 (Periode 11, Republikanisch 1) 2.1.2.5 Regia 5 (Periode 11; Republikanisch 1)56 Die erste Regia in republikanischer Zeit stammt aus der Zeit des beginnenden 5. Jh. v. Chr.57 und änderte ihren Grundriß erneut, ohne allerdings die schon ausgeführten Grundstrukturen anzutasten. Anders als bei den vorausgegangenen Phasen war wohl kein Brand von Regia 4 der Motor des Baus.58 Dabei wurde Fundament-Material vom Vorgängerbau übernommen,59 die aufragenden Strukturen waren aus Holz.60 Der in Phase 461 gebildete Komplex von zwei Räumen, die ein Vestibül flankieren, bleibt erhalten, „wandert“ aber mit dem Uhrzeigersinn von Osten in den Süden der Anlage und ist nun ca. 6,40 m breit und ca. 20,00 m lang.62 Der Westraum (in der vorigen Phase südlich vom Vestibül gelegen), von dessen Bodenbelag 56 Abb. 7. Brown 1967: 58, Brown 1976: 17 und R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 189. Die frühere Datierung auf das mittlere 4. Jahrhundert v. Chr. (Brown 1935: 71) wurde damit revidiert. 58 Brown 1966: 65; vgl. Abschnitt 2.2. 59 Brown 1967: 55. 60 Brown 1935: 70. 61 Vgl. 2.1.2.2.4 62 Brown 1935: 68 und Brown 1967: 55. 57 21 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? sich Capellacio-Fliesen erhalten haben,63 wurde zu einem etwa 11,20 m langen Rechteck erweitert64 und besaß erneut eine Herdstelle. Der Ostraum (in der vorigen Phase nördlich vom Vestibül gelegen) hatte eine Länge von 2,95 m bis 3,25 m.65 Beide Zimmer waren nach wie vor nur durch das Vestibül, welches möglicherweise einen Zugang von der südlich gelegenen Straße aufwies, zu betreten.66 In den Hof gelangte man also sowohl durch das Vestibül als auch durch den ursprünglichen Eingang von Osten her.67 Die Nord- und die West-, wie auch die Ostwand des Hofes blieben weitgehend an der Stelle der vorangegangen Phase: die Nordwand in ihrer vollen Länge; die Wand im Westen büßte nur am südlichen Ende etwas an Länge ein; die Ostwand hingegen wurde um die Tiefe des Ostraumes gekürzt und bildete somit die Schmalseite des Hofes. Die Südwand der Regia wurde auf dem vicus Vestae errichtet, welche man dann weiter südwärts verlaufen ließ.68 Im Südwesten des Hofes fand man einen Brunnen, und die schon angesprochenen Fundamente für einen Altar an der Westseite ließen sich auch für diese Phase nachweisen.69 Aus den aufgefundenen Fundament-Resten von zwei Säulen oder Pfeilern, wird auf eine porticus geschlossen, die diesmal symmetrisch an der Nord- und Südseite des Hofes verläuft.70 Reste von weiteren Mauern, welche von Frank Brown71 dieser Phase zugewiesen werden, nimmt Russel Scott72 erst in der nächsten Phase in den Plan auf. 63 Brown 1967: 55. Brown 1935: 68. Da die Westwand im Winkel von 95°zur Südwand stand. Brown 1935: 68. 66 Brown 1967: 55 und 56. 67 Brown 1967: Abb. 4 und R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 463, Abb. 79. Scott übernimmt konsequenterweise den Rekonstruktionsversuch von Abb. 78 auch in Abb. 79: Das Vestibül ist hier kein Durchgangsraum, sondern nur durch den Hof erreichbar. 68 Brown 1967: 56. 69 Brown 1967: 56. 70 Brown 1967: 56 und Abb. 4. R. T. Scott vermerkt in seinem Plan (463, Abb. 79) zwei Pfeiler, unterläßt es aber, für diese Phase ein Peristyl daraus zu rekonstruieren, wie es F. E. Brown tut. 71 Brown 1967: 56 und Abb. 4. 72 R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:463, Abb. 79 und Abb. 80. 64 65 22 2. Die Regia auf dem Forum Romanum Abbildung 8: Regia 6 (Periode 11, Republikanisch 2) 2.1.2.6 Regia 6 (Periode 11; Republikanisch 2)73 Nach einer Zerstörung der 5. Regia durch Feuer im 3./2. Jh. v. Chr., bei der die gesamten Aufbauten aus Holz verloren gingen, wurden beim Wiederaufbau (unter anderem der Westwand mit ihren Fundamenten)74 keine nennenswerten Änderungen am Grundriß vorgenommen:75 Mit dem Aufbau der Westwand von den Fundamenten her wurde die Regia ein wenig nach Westen erweitert, die Mauern im Nordosten haben vielleicht eine Plattform getragen.76 Eine genauere Datierung des Feuers ist heute nicht eindeutig möglich. Frank Brown setzte es im Ausgrabungsbericht von 193577 durch die datierende Beurteilung der Grotta-Oscura-Fundamente der Westwand unter Zugrundelegung der Schriftquellen und der Analysen von T. Frank78 auf das Jahr 148 v. Chr. an. Nach den Ausgrabun- 73 Abb. 8 Brown 1935: 72. 75 R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:192. 76 R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:192. 77 Brown 1935: 72ss. 78 Scott 1988: 20, Anm. 8: T. Frank, Roman Buildings of the Republic. Papers and Monographs of the American Academy in Rome 3, 1924, p. 82. 74 23 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? gen von 1964/65 unter demselben Ausgräber79 wurde der Wiederaufbau dann für das ausgehende 3. Jh. v. Chr. angenommen Da die Datierung auf 148 v. Chr. von Frank Brown mehr aufgrund der Schriftquellen denn auf der Charakterisierung der Grotta Oscura durch T. Frank beruht,80 weist Russel Scott das Feuer und den darauf folgenden Wiederaufbau in die Jahre zwischen 210 und 148 v. Chr.81 Direkt für das Jahr 148 v. Chr. oder bald danach sind nach R. Scott keine archäologischen Belege nachweisbar.82 Einige Veränderungen lassen unter Umständen zu, auch für die Zeit von Sulla83 und schließlich von Caesar84 an eine Bautätigkeit an der Regia zu denken. Auch bei diesen Bauarbeiten wurde die Grundstruktur der Regia nicht angetastet, obwohl der gesamte Südtrakt neu auf verstärkten, belastbareren Fundamenten errichtet worden ist.85 Die Nordwand der Regia wurde lediglich um 0,75 m nach Norden verschoben86 und die Proportionen der drei Räume ausgeglichener gestaltet.87 Wie mit jedem Auf-, Um- oder Neubau erhöhte sich auch jetzt das Bodenniveau: Nun mußten im Westen 2,06 m durch eine Treppe überbrückt werden,88 da man nun (wieder) im Westen einen Eingang schuf. Der erwähnte Annex im Westen des Südtraktes89 wurde in der kaiserzeitlichen Regia neu errichtet. Die Veränderungen (Fundamente, Annex und Treppenkonstruktion) sind, aufgrund der archäologischen Befunde,90 in die Zeit kurz vor 55 v. Chr. und 36 v. Chr. zu datieren und gründen wahrscheinlich in einer neuerlichen (Teil-?) 79 Brown 1967: 51. Scott 1988: 20, Anm. 8. R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:190, 192 und Scott 1988: 20. 82 R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:192. 83 Reste von Monte-Verde-Pflasterung, die mit derjenigen des Forum Romanum aus sullanischer Zeit zu vergleichen ist, wie auch eine große Zisterne (Brown 1935: 74s). 84 Rest eines Anbaus im Südwesten, der aber bei der späteren kaiserzeitlichen Umgestaltung niedergelegt wurde. (R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 192). 85 Brown 1935: 79. 86 Brown 1935: 79. 87 Brown 1935: 79 und Anm. 1. 88 Brown 1935: 82. 89 Brown 1935: 80 und R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:190. 90 Brown 1935: 82. 80 81 24 2. Die Regia auf dem Forum Romanum Zerstörung durch einen Brand. In der neueren Literatur werden die Ergebnisse von 193591 zur sullanischen und cäsarischen Epoche der Regia, oder wenigstens der letzteren, nicht mehr eigens besprochen oder in die Nomenklatur aufgenommen, was eine Bewertung der Ergebnisse deutlich erschwert. Abbildung 9: Kaiserzeitl. Regia (Periode 12) 2.1.2.7 Kaiserzeitliche Regia (Periode 12) Die Regia der Kaiserzeit war nicht mehr aus Holz, wie die Vorgängerbauten,92 sondern hatte Wände aus Marmor93 mit Fundamenten aus Travertin und Capellacio94 sowie einen Fußbodenbelag aus Marmor.95 Die Travertin-Blöcke stammten noch vom Vorgängerbau und bildeten die Euthynterie der Wände.96 Der Neubau behielt den Grundriß der republikanischen Regia in ihrem letzten Stand bei, le91 Brown 1935: 74ss. R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:190. 93 Resp. Wände aus opus caementitium mit einer Verkleidung aus weißem Marmor. 94 Brown 1935: 85. 95 R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:190 und Brown 1935: 76 und 83s., 85. 96 Brown 1935: 85. 92 25 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? diglich einige Korrekturen und Verbesserungen wurden vorgenommen. So wurden die Nord- und die Ostfassade begradigt, die beide bislang einen leichten Knick besaßen (die letztere einen deutlicher sichtbaren).97 Der schon kurz erwähnte Annex wurde dahingehend ausgebaut, daß er nun mit einer Art Gewölbe aus Travertin auf dem ursprünglichen, niedrigeren Niveau „unterkellert“ wurde, und über ein paar Stufen abwärts, vom neuen Bodenniveau aus erreicht werden konnte.98 Über dem Gewölbe erhob sich dann der eigentliche Annex mit den Mauern aus Marmor, welcher vom Bodenniveau von der Südseite her und vom Westzimmer aus über eine Treppe betreten wurde.99 Der Hof wurde mittels einer etwas seltsamen Konstruktion100 umgestaltet. Wohl um ihm, wenn man ihn von Osten her betrat, ein symmetrisches Erscheinungsbild zu verleihen, wurden zwei Mauern, eine von der Nord-Ost-Ecke und eine auf gleicher Linie von der Nordwand des Westzimmers in den Hof eingezogen. Sie endeten jeweils auf der Höhe der nun auf beiden Seiten des Hofes rekonstruierten Säulenstellungen (vier Säulen im Norden und fünf Säulen im Süden)101 kurz hinter der vierten Säule (von Osten her gesehen). Damit erhielt der Hof eine annähernd trapezoide Form mit jeweils vier Säulen an den Langseiten. Der durch die vorspringenden Mauern quasi abgetrennte Bereich hatte die Form eines unregelmäßigen Dreiecks mit dem weiten Zugang von Osten und einem weiteren von Süden her, der über die Treppe im Westen erreichbar war. Eine fünfte Säule an der Südseite war auf einer Linie mit den anderen vier Säulen positioniert, etwas nach Süd-Westen unterhalb des Schnittpunktes der Winkelhalbierenden dieses Dreiecks verschoben.102 Mittig zwischen den beiden hervorspringenden Wänden befand sich an der Stelle seiner Vorgänger weiterhin der Altar. Den Hof (ohne abge97 Brown 1935: 86. Brown 1935: 86. 99 Brown 1935: 86 und R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 464, Abb. 81 (Abb. 7). 100 Brown 1935: 87. 101 R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 464, Abb. 81. 102 Daß diese Säule den Schnittpunkt nur um ein Weniges verfehlt hat, liegt sicher daran, daß der Architekt nur daran dachte, die begonnene südliche Säulenstellung nach Westen hin fortzusetzen – wenn parallel im Norden zum spitzen Winkel des Dreiecks hin mehr Raum vorhanden gewesen wäre, wäre vermutlich auch dort eine Säule errichtet worden. 98 26 2. Die Regia auf dem Forum Romanum trennten Bereich im Westen) bezeichnet Frank Brown als atrium tetrastylum für vier Säulen,103 resp. als atrium Corinthium104 für eine Stellung von acht Säulen, wie oben ausgeführt. Abbildung 10: Die Bauphasen der Regia 103 104 Brown 1935: 87. Brown 1935: 88. 27 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? 2.1.3 Weitere Funde und archäologische Zeugnisse 2.1.3.1 Die archaischen Architektur-Terrakotten der Regia Bei den Ausgrabungen der Jahre 1964/65 kamen neben den zuvor beschriebenen Überresten der Regia auch archaischen Architektur-Terrakotten ans Tageslicht. In den letzten Jahren haben diese archaischen Fries-Terrakotten einen größeren Widerhall in der wissenschaftlichen Literatur gefunden,105 was an der durch die Bewertung der Funde neu entfachten Diskussion über Funktion und Bedeutung der Regia liegt, vor allem aber auch an weiteren, ähnlichen Ausgrabungsergebnissen in anderen Orten Mittelitaliens. Im Laufe der Untersuchungen konnten auch Fries-Platten und Überreste, die aus dem Gebiet des Caesar-Tempels und des Augustus-Bogens stammen,106 mit den in der Regia gefundenen in Verbindung gebracht und als zur Dekoration der Regia gehörig identifiziert werden.107 Die Terrakotten können zwei der oben dargestellten Phasen der Regia zugeordnet werden: zum einen der 3. Regia aus der Mitte des 6. Jh.s v. Chr., zum anderen der 4. Regia etwa aus dem letzten Viertel des gleichen Jahrhunderts. 2.1.3.1.1 Die archaischen Architektur-Terrakotten der 3. Regia Die aufgefundenen Teile der Terrakotten der 3. Regia können in 5 Gruppen aufgeteilt werden:108 105 Cristofani 1995; Downey 1993 und 1995; Rystedt 1991 und 1993. Vgl. Gjerstad 1960: 287s.; Downey 1993: 235; Downey 1995: 7. Die Darstellung der archaischen Architektur-Terrakotten in dieser Arbeit folgt der 1995 erschienenen Arbeit von S. Downey. Sie wird in der Hauptsache zur Zitation herangezogen, wenn es sich um eine communis opinio handelt. Der Artikel von 1993 (Downey 1993) ist eine vorab erschienene und z. T. wortwörtliche Kurzfassung dieser o. a. grundlegenden und bislang einzigen ausführlichen Darstellung der archaischen Architektur-Terrakotten der Regia von 1995. Abweichende oder ergänzende Meinungen werden natürlich behandelt und separat ausgewiesen. 107 Downey 1995: 7. 108 Downey 1995: 7. 106 28 2. Die Regia auf dem Forum Romanum Abbildung 11: Friesplatte mit stierköpfigem Mann zwischen zwei Wildkatzen 2.1.3.1.1.1 Fries-Platten Reste von Fries-Platten (Höhe 0,23/0,25 m)109 mit je einem Relief-Bild:110 ein stierköpfiger Mann, bzw. ein langbeiniger Vogel,111 zwischen zwei Tieren aus der Familie der (Wild)Katzen;112 diese Anordnung: großer Vogel nach rechts gefolgt von einer Wildkatze113 findet sich noch in einem Fragment aus der cloaca maxima. Man kann allgemein rekonstruieren: ein stierköpfiger Mann (dieser im Gegensatz zum Vogel nach links) oder ein Vogel (nach rechts) zwischen zwei Wildkatzen (beide nach links oder nach rechts) auf je einer Fries-Platte.114 Wie die Platten zueinander angeordnet waren, bzw. der gesamte Fries an sich, läßt sich nicht mehr rekonstruieren, 109 Downey 1995: 14s. Downey 1995: 9-32. 111 Evtl. ein Kranich oder ein Strauß (Downey 1995: 7). 112 Über die Rasse herrscht Uneinigkeit: weiblicher Löwe oder Panther? (Downey 1995: 8). 113 Das Wort „feline“, mag man genau als „katzenartiges Tier“ übersetzen, oder allgemeiner „Katze“. Da dabei die Assoziation mit einer „Hauskatze“ sich jedoch unwillkürlich aufdrängt, wurde auf den Oberbegriff von Löwin, Panther, o. ä.: „Wildkatze“ als Übersetzung zurückgegriffen, welcher ein realitätsnaheres Bild von den Darstellungen auf den Fries-Platten evoziert. 114 Downey 1995: 10 (sog. Romanelli-Fragment; vgl. Rystedt 1993: 250). 110 29 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? da dieses Motiv in der Kombination stierköpfiger Mann/Vogel und Wildkatzen ohne etwas Vergleichbares ist.115 Eva Rystedt weist die beiden Rekonstruktionen von Mauro Cristofani116 und Irene Iacopi117 und eine weitere Giebelkonstruktion aus „La grande Roma dei Tarquini“118 als verfehlt zurück119 und geht zurück auf die von E. Gjerstad entworfene Ergänzung120 der Friesplatte:121 Ihrer Ansicht nach ging dem stierköpfigen Mann (resp. dem Vogel) ein Panther voraus und ein Löwe folgte. Für die AlternativKombination Panther – Stierköpfiger – Löwe findet sich im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe eine Bucchero-Kanne,122 welche eine ähnliche Ikonographie aufweist.123 Während – kurzbeinige – Wasservögel aller Art zur Dekoration etruskischer, korinthischer und kleinasiatischer Keramik bekannterweise verwendet wurden,124 findet der straußenähnliche Vogel nur bedingt eine Entsprechung. Große Vögel mit ausladender Figur finden sich auf etruskischer Keramik der orientalisierenden Periode.125 Im Unterschied zu den aus dieser Zeit bekannten Darstellungen,126 die einen Vogel mit kurvig nach unten gerichteten Schwanzfedern zeigen, trägt der Vogel aus Rom (cloaca maxima) seine Schwanzfedern jedoch gerade und spreizt sie zu einem Fächer. Ebenso sind die beiden anderen Figuren – wenn auch „exotisch“127 – durchaus nichts absolut Ungewöhnliches für die etruskische Kunst; sie tauchen auf etrusko-korinthischer und korinthischer Keramik auf. Sowohl für die Verwendung des Motivs Wildkatzen als 115 Downey 1995: 19. Cristofani 1988: 96; und 1995: 65; Abb. 1. 117 Iacopi 1982: 43s. 118 1990, Abb. 1. 119 Rystedt 1993: 249s. 120 Gjerstad 1966: 475; Abb. 142. 121 Gjerstad 1960: 289; Abb. 189. 122 Inv. No. 65/52. 123 Rystedt 1993: 252. 124 Downey 1995: 16. 125 Downey 1995: 16s. 126 Beispielsweise auf einem Skyphos aus der Tomba Barberini in Praeneste, einem silbernen Kotylos aus der Tomba del Duce in Vetula (mit Pseudohieroglyphen), und einem BuccheroKantharos aus Tarquinia (Downey 1995: 17). 127 Downey 1995: 19. 116 30 2. Die Regia auf dem Forum Romanum dekoratives Element gibt es verschiedene Zeugnisse (auch für die Darstellung von Leoparden)128 als auch für die des Stierköpfigen, gemeinhin als der mythologisch-notorische Minotaurus identifiziert. Auf die Bedeutung der verschiedenen Theorien für die Regia und deren Nutzung wird an späterer Stelle detaillierter eingegangen. Die Fragmente der Fries-Platten wurden vor allem in Sektion 6b, 7 und 8 des Ausgrabungsgebietes129 gefunden, gehören also aller Wahrscheinlichkeit nach zum Südgebäude/-raum der Regia. 2.1.3.1.1.2 Antefixe Weiters wurden Teile zweier Antefixe, eines Gorgoneions und eines weiblichen130 Kopfes, gefunden. Das Gorgoneion-Antefix, welches nur noch die rechte Seite der Stirn zeigt, korrespondiert mit dem Fund des Antefixes unter dem lapis niger131 und dem von Murlo (Poggio Civitate)132 und dürfte somit ebenfalls aus der Zeit um 575 v. Chr. stammen. Vom Kopf einer Frau ist nur noch die untere Gesichtshälfte (Mund, Kinn, Halspartie bis hin etwa zu den Schlüsselbeinen) erhalten. Durch Vergleiche mit dem Kopf der seitlichen Sima von Murlo (Poggio Civitate) und einem Antefix aus Veii, auch wenn diese nur sehr schwer möglich sind, läßt sich eine grobe Datierung zwischen 600 und 550 v. Chr. vornehmen;133 damit kann man von einer ungefähr zeitgleichen Entstehung der beiden Antefixe ausgehen. 2.1.3.1.1.3 Sima Strigilata Verschiedene Fragmente der sima strigilata lassen sich mit dem südlichen Gebäude/Raum, aber auch mit dem im Norden134 in Verbindung bringen und geben hinreichend Aufschluß über die das Ge- 128 Downey 1995: 19, und Anm. 43. Downey 1995: 54; Abb. 28. 130 Für das Geschlecht spricht die ursprüngliche Bemalung; vgl. Downey 1995: 35. 131 Downey 1995: 32. 132 Downey 1995: 33. 133 Downey 1995: 34. 134 Auch hier lassen sich Fragmente aus dem Gebiet um den Castor- und Caesar-Tempel als originär von der Regia stammend einordnen. – Die Funde aus 6b und 6d sind aber möglicherweise nicht vom Südgebäude; vgl. Downey 1995: 40. 129 31 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? bäude (oder die Gebäude) bekrönende Sima.135 Die Anordnung der Sima (zusammen mit dem Fries) für den Südraum wurde von Irene Iacopi rekonstruiert.136 Bislang wurden keine Fragmente von Sima strigilata gefunden, die nicht mit der Regia zu verbinden sind: Ein Fragment-Fund um das Gelände des Castor-Tempels stammt – wenn auch nicht absolut gesichert – von der Regia.137 Die Sima war in roter und weißer Farbe bemalt, die Fascien waren mit konzentrischen Kreisen verziert und wahrscheinlich rot bemalt.138 2.1.3.1.1.4 Scheibenakrotere Zu einem oder zwei Scheibenakroter(en) gehören drei Fragmente,139 die in den Sektionen 4 und 8140 gefunden wurden; sie gehören damit auch zum Gebäude/Raum im Süden. Die Fragmente No. 24 und 25141 werden von Susan Downey aufgrund ihrer Ähnlichkeit in Profil und Verzierung (in Rot auf beigem Hintergrund) dem Rand eines Akroters zugeordnet, No. 26, mit Restspuren von feinen roten Linien auf weißer Bemalung (ein Gorgoneion?)142, der zentralen Scheibe eines weiteren. Die Rekonstruktion ist problematisch:143 Einerseits sind die Überreste (v. a. No. 25)144 nur sehr fragmentarisch, andererseits wären die Scheibenakrotere, wie sie aufgrund der vorliegenden Funde – mit einem massiveren Rand um eine dünne Scheibe herum – wohl vorzustellen sind, zerbrechlich und etwas instabil;145 sie unterscheiden sich so auch von anderen Scheibenakroteren.146 Während Scheibenakrotere für Griechenland, Kleinasien und das griechisch besiedelte Italien (Großgriechenland) durchaus bekannt 135 Downey 1995: 37. Funde in Sektion 4 und 7; vgl. Downey 1995: 40. Iacopi 1982: 43s; Abb. 34. 137 Downey 1995: 40. 138 Downey 1995: 38. 139 Downey 1995: 40. 140 Downey 1995: 46. 141 Zählung nach Downey 1995: 93ss.; Abb. 35, 36. 142 Downey 1995: 41. 143 Downey 1995: 45. 144 Downey 1995: 40. 145 Downey 1995: 41. 146 Downey 1995: 45. 136 32 2. Die Regia auf dem Forum Romanum sind,147 finden sich für Zentralitalien Beispiele dafür eher bei den sog. Hausmodellen aus Veii (6./5. Jh. v. Chr.), Rom (4./3.) und Velletri (6./5.).148 Lediglich ein Scheibenakroter in Punta della Vipera (Santa Severa), mit vielleicht ebenfalls einem Bild einer Gorgo auf der Scheibe (welche kein Rand umfaßt),149 läßt sich bislang nachweisen. Wenn man die überkommenen Hausmodelle mit den Scheibenakroteren bedenkt, läßt das aber nicht auf eine grundsätzlich geringe Verbreitung in Mittelitalien schließen.150 2.1.3.1.1.5 Verschiedene Fragmente Auf weitere Überreste unbestimmter Funktion soll hier nicht weiter eingegangen werden.151 Interessant ist noch der vordere Teil des beschuhten Fußes einer freistehenden und wohl lebensgroßen (Akroter-?) Statue.152 Auch hier haben sich Spuren von roter Bemalung erhalten. Und ein Vergleich mit Poggio Civitate und einer daraus resultierenden Datierung ist wiederum möglich.153 Wo sich die Bemalung an den Schuhen der sitzenden Akroter-Statuen erhalten hat, ist eine ähnliche Zunge wie am Schuh der Regia-Statue erkennbar. Ob auch der Schuh in seiner Gesamtheit denen in Poggio Civitate ähnelt, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen, da von dem der Regia zu wenig aufgefunden wurde.154 2.1.3.1.1.6 Abschließende Bemerkungen Die zur Dekoration – hauptsächlich des Südgebäudes/-raumes – gehörenden Terrakotten sind aus einem grauen Ton, mit Spuren des Minerals Augit gesprenkelt, einem schwarzen, grünlichschwarz bis grünen Kettensilicat, glas- oder fettähnlich glänzend,155 und einem 147 Downey 1995: 42. Downey 1995: 44. Downey 1995: 43s. 150 Downey 1995: 44. 151 Downey 1995: 4, 46ss. 152 Downey 1995: 47s; Abb. 37. 153 Downey 1995: 48. 154 Downey 1995: 48. 155 Gefunden bei: „Angewandte Mineralogie“, © 2000 Büro für angewandte Mineralogie · Dr. Stephan Rudolph · D-47918 Tönisvorst; http://www.a-m.de/deutsch/lexikon/mineral/kettensilicate/augit.htm, Stand: 25. Juli 2007. 148 149 33 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? sehr hell-beigen Überzug aus Ton gefertigt.156 Im Unterschied dazu sind die weiteren gefundenen Dachziegel (darunter ein vollständiger und das Fragment eines Ziegels der Dachtraufe mit bemalter Kante), so sie zur 3. Regia gehören, aus grobem, roten Ton und von einfacher funktionaler Form.157 Möglicherweise stammen manche Dachziegel (und damit die Form der neu für die 3. Regia angefertigten Dachziegel) noch von einem Vorgängerbau, da – im Vergleich – die Dächer aus Poggio Civitate und Acquarossa, die aus der Zeit kurz vor der Regia stammen, in ihrer Konstruktion und Ausführung schon eine Weiterentwicklung darstellen.158 Grundsätzlich ist die Rekonstruktion der regionalen Eigenart (und des Stiles) der aufgefundenen Fragmente, die bislang keine Entsprechung gefunden haben, schwierig. Wie schon angedeutet, findet sich Dekoration in dieser Ausführung und mit diesem Charakter nicht nur an der Regia, sondern Ähnliches auch auf dem Forum Romanum, dem Capitol, wurde bei den Ausgrabungen der Tempel bei Sant‘ Omobono in Rom,159 aber bislang noch nicht außerhalb der Stadt gefunden.160 Daraus wird geschlossen, daß sie regional in Rom selbst hergestellt worden ist und man gibt auch der Annahme den Vorzug, daß eine einzige Werkstatt sie angefertigt haben mag.161 2.1.3.1.2 Die archaischen Architektur-Terrakotten der 4. Regia Es wurden ungleich weniger Überreste der ArchitekturTerrakotten von der 4. Regia gefunden als von ihrem Vorgängerbau. Lediglich drei Antefixe in der Form eines weiblichen Kopfes, vielleicht einer Mänade?,162 und Teile einer weiß (und rot?) bemalten sima strigilata, vielleicht auch der Teil eines Dachziegels können für diese Periode 10 nachgewiesen werden.163 Zur Sima gehört wohl auch das Fragment eines Pantherkopf-Wasserspeiers, gefunden in 156 Downey 1995: 8. Downey 1995: 8. 158 Downey 1995: 52. 159 Ohne hier auf die Unterschiede zwischen den einzelnen Terrakotten von Sant‘ Omobono, denen des Forum Romanum und des Capitols einzugehen (vgl. Downey 1995: 8). 160 Downey 1995: 8 und Anm. 9. 161 Downey 1995: 8. 162 Torelli 1988: 169, Text zu Abb. 63. 163 Downey 1995: 60. 157 34 2. Die Regia auf dem Forum Romanum Sektion 6d, welcher seine Pendants (in Kombination mit der Sima) in Funden auf dem Forum Romanum hat (wieder in der Cloaca Maxima und im Ausgrabungsgelände des Tempels des Castor und Pollux, letztere Funde waren wahrscheinlich wiederum ursprünglich an der Regia angebracht).164 Dasselbe Grundschema der Sima findet sich auch in Velletri,165 Punta della Vipera, Veii und an den Tempeln von Sant‘ Omobono in Rom,166 in Rom selbst aber tritt diese Form ganz besonders häufig auf.167 Die Antefixe in Form von Frauenköpfen der 4. Regia gehören zu den früheren Exemplaren einer ganzen Reihe von Antefixen mit weiblichen Gesichtszügen in Rom, in Etrurien und im Latium des 6. Jh.s v. Chr.168 Der Typus des Frauenkopfes ohne στεφνη findet sich u. a. in Vigna Parocchiale und Cerveteri.169 Die Antefixe der Regia wurden in Cerveteri oder in Rom hergestellt, in jedem Fall wurde für die Regia-Antefixe der gleiche Ton wie in Cerveteri verwendet.170 In der Form sind die Gesichter trapezoid, der Künstler der Regia legte mehr Wert darauf, die Einzelheiten durch die Bemalung, denn durch das Werkstück selber zu betonen.171 Die Vergleichsstücke der Regia-Antefixe werden in einen relativ weit gespannten Zeitraum des 6. Jh.s v. Chr. datiert, die Antefixe der Regia zum Teil aufgrund der Datierung der 4. Regia selbst, aber auch durch den Vergleich mit dem Fund eines Antefixes in Ceri, welches in die Zeit 530-520 v. Chr. datiert wird.172 Der rekonstruierte Dachziegel war von etwas raffinierterer Machart als der der 3. Regia. Er wies – im Gegensatz zum Vorgänger-Modell – entsprechende Verbesserungen (Einkerbungen und einen Zapfen) zur Verankerung des anliegenden Dachziegels und der imbrices sowie eine Bemalung auf.173 164 Downey 1995: 61. Brown 1976: 33. 166 Downey 1995: 62. 167 Downey 1995: 63. 168 Downey 1995: 68. 169 Downey 1995: 68. 170 Downey 1995: 63. 171 Downey 1995: 64. 172 Downey 1995: 66. 173 Downey 1995: 68s. 165 35 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? 2.1.3.1.3 Zusammenfassung Grundsätzlich sind zwei Unterschiede in der ArchitekturTerrakotta der 3. und der 4. Regia festzuhalten. Während die 3. Regia vor allem stadtrömischen Esprit atmet, „eigen-artige“ Lösungen für die Gestaltung gefunden werden, ohne vollkommen isoliert zu sein, repräsentieren die aufgefundenen Fragmente der 4. Regia zeitgenössische Typen – der für die Antefixe z. B. hat seinen Ursprung in Cerveteri – und stehen damit stellvertretend für eine Öffnung hin zu einer einheitlicheren, überregionalen Gestaltung und Produktion in Mittelitalien.174 2.1.3.2 Das Fragment eines Bucchero-Gefäßes (mit Inschrift)175 Eines der bedeutendsten und am intensivsten diskutierten Fundstücke ist das Fragment eines Bucchero-Gefäßes mit der Inschrift „REX“. Das Stück wurde in der von G. Boni sogenannten „strato inferiore“ (unterhalb der Schicht aus dem 3. Jh. und zusammen mit Material aus allen vorherigen Jahrhunderten)176 gefunden177 und aufgrund der Machart in das 4. Jh. v. Chr. („subarchaisch“) datiert.178 Spätere Untersuchungen setzen die Entstehungszeit in das letzte Viertel des 6. Jh.s (Regia 4) an, also deutlich früher.179 Diese zeitliche Diskrepanz wird vor allem bei der Untersuchung der Buchstaben des Wortes „REX“ evident: Das Zeichen für den Buchstaben „R“ – welches nicht an den griechischen Buchstaben „Rho“ (Zeichen: „P“) erinnert, sondern an das römische „R“ – wurde von manchen Forschern180 als erst für das 4. Jh. v. Chr. nachgewiesen angesehen. Die Schwierigkeit besteht also, wie M. Guarducci so schön schreibt, in dem Problem, daß Buchstaben, welche erst ab dem 4. Jh. auftauchen, in den Ton eines Bucchero-Gefäßes aus dem ausgehenden 6. Jh. tief (also nicht nachträglich) eingeritzt wurden.181 Im 174 Downey 1995: 71. CIL 1007. Guarducci 1972: 381. 177 „Amid the débris in the cistern“ (Brown 1935: 71) 178 Gjerstad 1960: 306s. 179 Guarducci 1972: 381. 180 H. Solin, Glotta 46, 1968 248-253; vgl. Guarducci 1972: 381. 181 Guarducci 1972: 382. 175 176 36 2. Die Regia auf dem Forum Romanum Kommentar zu CIL 1007 werden die Buchstaben sogar „nitindae liberae rei publicae exeuntis“182 bezeichnet. Damit stellt sich auch die Frage, ob es sich bei dem inschriftlich genannten „König“ um den römischen König der vorrepublikanischen Zeit gehandelt hat, oder den rex sacrorum, der dessen kultische Funktion danach, in der Republik, mit ausfüllte. H. Happ und H. Solin diskutierten Ende der 1960er Jahre diese Frage intensiv und kontrovers.183 M. Guarducci weist nun Schrift (anhand von Vergleichsproben)184 und Gefäß185 in die Zeit der letzten Könige Roms, also etwa in die 2. Hälfte des 6. Jh.s v. Chr.186 Dieser Meinung schließt sich Frank Brown an,187 und geht in seinem vorangegangenen Grabungsbericht188 sogar so weit, die Inschrift „REX“ als Autograph, also als „Unterschrift“ von eines Königs eigener Hand, anzusehen. 2.1.3.3 Konsular- und Triumphal-Fasten, Fragmente Das Archiv des pontifex maximus war wohl in der Regia untergebracht, wie auch die annales maximi.189 Es wurde ursprünglich in der Forschung angenommen, daß die Bruchstücke der Konsular- und Triumphal-Fasten,190 welche vor allem im 16. und dann auch im 19. Jh. auf dem Forum Romanum an der Ostseite des Castor-Tempels gefunden wurden,191 von der Regia stammten: Man stellte sie sich an der Außenseite der Regia angebracht vor.192 Während die öffentliche Anbringung von Tafeln und Listen an einem Gebäude, z. B. der severischen Forma Urbis Romae eine „schlagende Analogie“193 für die Anbringung der Fasten an der Re182 Descriptio in CIL 1007: 578. Vgl. Guarducci 1972: 381, Anm. 1. 184 Guarducci 1972: 382s. 185 Auf dem VI. Kongreß für lateinische und griechische Epigraphik 1972 in München. 186 Guarducci 1972: 383. In Frage kommen damit Servius Tullius (578-534) oder Tarquinius Superbus (534-510). 187 Brown 1976: 35. 188 Brown 1967: 58. 189 Cic. de leg. 1,2, 6; Gell. N. A. 2, 28, 6; Dionys. 1, 76, 3 190 CIL 12: 5. 191 Jordan 1885: 300s. 192 Abb. 39, 40. 193 Jordan 1885: 300. 183 37 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? gia bot, wurden auch leise Zweifel laut, welche auf eine spätere Datierung (als 36 v. Chr.) der Schrift und auf die massiven Marmorblöcke, in die die Fasten eingemeißelt waren,194 hinwiesen. Inzwischen geht man davon aus, daß die vorliegenden Fasten im Zusammenhang mit den Saekular-Feiern von 17 v. Chr. stehen und am einige Jahre zuvor errichteten Parther-Bogen angebracht waren.195 Weiters wurde ein Inschriften-Fragment – von einem zylindrischen Peperino-Altar stammend – im Fundament-Bereich der Westwand des Nordbereichs der 6. Regia196 und ein weiteres Fragment mit der Inschrift: „[IN] . HONOREM . DOMUS . AVGVSTAE“197 gefunden. Letzteres wird mit der noch nicht gefundenen domus kalatorum, dem „Haus der Herolde“, in Verbindung gebracht 2.2 Die bauliche Entwicklung der Regia In der Zusammenschau ergibt sich für die bauliche Entwicklung der Regia das vom archäologischen Befund her geschlossene Bild eines über fast ein Jahrtausend hinweg genutzten Zweckbaus, der seine Grundstruktur aufgrund der Ehrwürdigkeit der Funktion nicht wesentlich veränderte. Nachdem die Gegend zwischen Velia und dem nördlichen Palatin-Abhang seit dem 8. Jh. v. Chr. besiedelt war, hatte man das Gebiet der späteren 1. Regia etwa im letzten Viertel des 7. Jh.s v. Chr. von Hütten geräumt und in einen religiösen Bezirk umgewandelt.198 Eine Stele (cippus) aus dieser „Periode 6“ genannten Phase der Zeit vor der eigentlichen Regia ist noch erhalten.199 Bald nach „Periode 6“ lassen sich die ersten CapellacioFundamente der 1. Regia nachweisen. Die beiden Räume an der Westseite eines unregelmäßigen Hofes, verbunden nur durch eine Mauer, welche auch Teil der Hofmauer war, wurden erst 1976200 als 194 Jordan 1885: 301s. Zanker 1972: 15s. 196 . A COVRI (CIL 1008); vgl. Platner 1929: 440ss. 197 Brown 1935: 80. 198 Brown 1967: 51s.; Holloway 1996: 55 und 62. 199 Brown 1976: 21. 200 Brown 1976: 21. 195 38 2. Die Regia auf dem Forum Romanum die erste Phase der Regia identifiziert, zuvor201 nur als Fundamente eines Tempels und eines dazugehörigen heiligen Bezirks. Für den Südraum konnten Reste eines Herdes (einer Feuerstelle) ausgemacht werden. Frank Brown rekonstruiert eine porticus mit 4 Säulen auf der Westseite des Hofes, entlang der Ostfront der beiden Räume. 202 Dieses Ensemble wurde kurze Zeit später aufgrund statischer Probleme erweitert (2. Regia), ohne den Grundriß wesentlich zu verändern:203 Der Hof und der Nordraum wurden beide nach Norden hin erweitert, der cippus wurde vom neuen – erhöhten – Bodenniveau überdeckt.204 In diese Periode 8 gehören möglicherweise DachziegelFragmente, welche unter den Terrakotten der 3. Regia aufgefunden wurden.205 In die Zeit des beginnenden 6. Jh.s wird auch der Anfang der Entwicklung des Forum Romanum gestellt: Nach einer Pflasterung des Comitiums und wohl vorangegangener Entwässerung und der Anlage einer Kanalisation (cloaca maxima), erfolgte vielleicht eine „architektonische Ausgestaltung des Volksversammlungsplatzes am Fuß des Kapitols.“ 206 Die Inschrift auf einem cippus unter dem sog. lapis niger, die einen REX erwähnt, und die damit einhergehenden Probleme, sollen hier nicht behandelt werden. Möglicherweise Feuer und Überschwemmung, welche die häufigsten Ursachen für einen Neu- oder Wiederaufbau eines Gebäudes schon seit Anbeginn der Siedlung in der Senke waren, machte neuerliche Bauarbeiten ca. um die Mitte des 6. Jh.s v. Chr.207 notwendig. Diese 3. Regia ist vom Grundriß her ein „Ausreißer“, auch wenn die ursprüngliche Einteilung – zwei Räume an einem Hof mit porticus – nicht verändert wurde. Während das Südgebäude nur etwas vergrößert wird, „wandert“ der Nordraum, erhält eine Säulenstellung im Inneren und befindet sich nun an der Nordseite des Hofes. An der Westseite verläuft weiterhin eine porticus, deren Säulenstellung aber 201 Brown 1967: 52. Brown 1976: 22. 203 Brown 1976: 24s. 204 Brown 1976: 24. 205 Downey 1995: 8 und 52. 206 Kolb 1995: 77. 207 Holloway 1996: 62. 202 39 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? nicht mehr sicher rekonstruiert werden kann. In jedem Fall verbindet sie die beiden Eingänge der Räume nicht mehr (in gerader Linie). Der Hof selbst „begradigt“ seine bis dahin unregelmäßige Form fast zu einem Rechteck. Doch nicht nur der Grundriß bietet Überraschungen. Auch die aufgefundenen Architektur-Terrakotten, welche lange Zeit als ein sicheres „Signal“ galten für die Bestimmung von Architektur in Etrurien und Latium als Reste eines Tempels208 – denen auch Stücke aus Grabungen am Caesar- und am Castor-Tempel zugeordnet werden konnten und die Zeugnisse für eine regional-stadtrömische Produktion sind – sind für die Rekonstruktion der gesamten Phasen der Regia von eminenter Bedeutung. Durch die Funde von Murlo (Poggio Civitate) und Acquarossa in den 70er Jahren des 20. Jh. war eindeutig belegt, daß dekorative Architektur-Terrakotten auch Gebäude schmücken konnten, die (eindeutig) keine Tempel waren.209 Somit veränderte sich der Blick auf die einzelnen Phasen der Regia: Die nach der Zählung von 1967210 noch 1. Regia konnte als die (heute) 5. Regia in der Zählung benannt werden. Die Interpretation der Motive (v. a. der Fries-Platten) des Bauschmuckes selbst und die Rekonstruktion des Systems seiner Anbringung werfen einige Schwierigkeiten auf. Es gilt aber als wahrscheinlich, daß die meisten aufgefundenen Teile (Friesplatten, simae strigilatae, Akroterien, etc.) zum Schmuck des Südraumes gehörten. Während die auf den Friesplatten dargestellten Figuren – ein laufendes stierköpfiges Wesen mit einem menschlichen, männlichen Leib, schreitende (weibliche?)211 Wildkatzen, wohl Löwinnen oder Panther oder Leoparden, und straußenähnliche Vögel – für sich gesehen nur vergleichsweise wenig Probleme aufwerfen, ist ihre Kombination Anlaß genug zu weitreichenden Spekulationen und Theorien. 208 Pars pro toto: Brown 1976: 34, im Vergleich zur früheren Meinung: Brown 1967: 53. Vgl. aufgrund eines ähnliches Befundes eine gleichlautende Vermutung im Abschnitt 4.3. 210 Brown 1967: 55 und Abb. 4; Abb. 12. 211 Nur im Falle, daß es sich um Löwen handelt, wäre deren Geschlecht eindeutig bestimmt: die abgebildeten Tiere haben keine Mähne. 209 40 2. Die Regia auf dem Forum Romanum Die 4. Regia änderte nach einer erneuten Brand-Katastrophe ihre Ausrichtung um 180°: Die beiden Räume bilden mit einem Vestibül in ihrer Mitte nun ein einheitliches Gebäude im Osten der Anlage. Beide Räume öffnen sich nicht mehr zum Hof (der nun im Westen des Gebäudes liegt) hin, sondern nur noch zum zentralen Vestibül, durch das der gesamte Komplex betreten wurde. Wieder wird eine (diesmal 3säulige) porticus an der Hofseite des Gebäudes rekonstruiert. Ihr gegenüber fanden sich in der Mitte vor der (West-)Wand des Hofes Überreste eines Altars. Dieser Platz wird in den folgenden Phasen der Regia bis in die Kaiserzeit für einen Altar reserviert bleiben.212 Auch aus dieser Zeit haben sich architektonische Terrakotten erhalten,213 die zusammen mit archaischer schwarzfiguriger Keramik (datiert 540-530)214 als Datierungshilfe dienen und den Beginn dieser Phase kurz nach dem 3. Quartal des 6. Jh.s v. Chr. ansetzen lassen. Die Terrakotten weisen nun nicht mehr auf eine lokale Herkunft hin, sondern in ihrer Eigenart auf eine standardisierte Produktion in – oder nach dem Vorbild von Matrizen aus – Cerveteri. Das Fragment eines schon von Giacomo Boni (1899-1901) ergrabenen BuccheroGefäßes mit der Inschrift „REX“ konnte nach neueren Untersuchungen der Schrift und der Scherbe selbst in das letzte Viertel des 6. Jh.s datiert werden.215 Die Frage, ob es sich bei dem inschriftlich genannten „König“ um den römischen König der vorrepublikanischen Zeit, oder den rex sacrorum, der dessen kultische Funktion danach, in der Republik, mit ausfüllte, gehandelt hat, muß an dieser Stelle im Raum stehen bleiben, zumal die Wende vom 6. zum 5. Jh. den Wechsel vom Königtum zur Republik in Rom brachte, also beide Möglichkeiten aus der Datierung des Bucchero-Gefäßes erwachsen. Da die römische Oberschicht in republikanischer Zeit ihren Wohnsitz an den „Ausläufern des Palatins zum Forum hin“ 216 hatte, kann man diesen Umstand – zusammen mit den antiken Autoren – zum Anlaß nehmen, dies auch für die Königszeit anzunehmen. Die 212 Brown 1976: 29ss. Downey 1995: 60ss. 214 Brown 1976: 30; Downey 1995: 59; Holloway 1996: 62. 215 Guarducci 1972: 381ss. 216 Kolb 1995: 83. 213 41 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? archäologischen Befunde für das letzte Viertel des 6. Jh.s v. Chr. sprechen dafür. 217 Bald nach Beginn der Republik am Anfang des 5. Jh.s v. Chr. dürfte die 5. Regia erbaut worden sein. Die Zerstörung des Vorgängerbaus wird mit dem Einfall des Königs von Clusium, Porsenna,218 in Verbindung gebracht. Die „Schneise der Zerstörung“ durch Rom wird ihm zugeschrieben. Wieder drehen sich die Räume, diesmal um 90° nach Süden. Der Grundriß der drei Räume und ihre Abfolge (langer Raum im Westen mit Herdstelle, Vestibül, Raum im Osten) wurde nicht verändert, lediglich etwas, der neuen Lage angepaßt, erweitert. Ob und wie weit man eine porticus analog zu den Vorgängerbauten rekonstruieren kann (nur an der Südseite des Hofes oder auch symmetrisch dazu im Norden, wodurch ein Peristyl-Hof entstünde), wird in der Forschung unterschiedlich entschieden. 219 Mit diesem Umbau hat die Regia ihr für die nachfolgende Bauten letztgültiges, fast kanonisches Gesicht erhalten. Die Tempel des Castor und Pollux und des Saturn allerdings folgen nicht, wie F. Kolb bemerkt, der Ausrichtung der Regia, sondern dem Verlauf der sacra via, was auch in den folgenden Jahrhunderten so bleibt. Damit „besetzte die politisch führende Gruppe der jungen Republik die beiden Enden des Forums, wo sich das Comitium, bzw. die Regia befanden, die gleichzeitig um- bzw. neugebaut wurden.“ 220 Das Feuer, das diese (5.) Regia zerstörte, ist heute nicht eindeutig zu datieren. Das Datum 210 v. Chr. entnehmen wir Livius.221 Die 217 Kolb 1995: 84, 103 und 131ss und Holloway 1996: 63s. Alföldy 1984: 15. Brown 1967: 56 u. Abb. 4 (Abb. 12); R. T. Scott (LTUR, s. v. ‚Regia‘, Abb. 79 [Abb. 5]) 220 Kolb 1995: 121. 221 Liv. 26, 27: „[...] nocte quae pridie Quinquatrus fuit pluribus simul locis circa forum incendium ortum. eodem tempore septem tabernae quae postea quinque, et argentariae quae nunc novae appellantur, arsere; comprehensa postea privata aedificia - neque enim tum basilicae erant - comprehensae lautumiae forumque piscatorium et atrium regium; aedis Vestae vix defensa est tredecim maxime servorum opera, qui in publicum redempti ac manu missi sunt. nocte ac die continuatum incendium fuit, nec ulli dubium erat humana id fraude factum esse quod pluribus simul locis et iis diuersis ignes coorti essent.“ 218 219 42 2. Die Regia auf dem Forum Romanum Datierung in das Jahr 148 v. Chr. erfolgt aufgrund einer Notiz bei Iulius Obsequens222 und eines Livius-Fragmentes,223 nicht aber aufgrund eindeutiger archäologischer Evidenz.224 Jordan vertrat noch die Auffassung, es lägen Nachrichten über zwei verschiedene Brände vor,225 während Frank Kolb nur von dem späteren Datum spricht.226 Die Befunde lassen nur einen Brand in einem größeren Zeitrahmen, nämlich in den Jahren zwischen 210 und 148 v. Chr. zu.227 Tatsächlich hat es in Rom Katastrophen in kurzer zeitlicher Abfolge228 gegeben, was eine genaue Datierung für heutige Archäologen und antike Autoren sicher gleichermaßen schwierig gestaltet. Auch die Frage, ob die Regia durch den Einfall der Gallier 390 v. Chr. beschädigt oder zerstört wurde, ist nicht zu klären.229 In der Zeit Sullas (Diktatur 82 bis 79 v. Chr.) wurden nur wenige Veränderungen oder Ausbesserungen an der Regia vorgenommen.230 Reste eines Anbaus im Südwesten, der aber später, bei der kaiserzeitlichen Umgestaltung, niedergelegt und verändert aufgebaut wurde, 231 lassen die Überlegung zu, daß unter Caesar, der möglicherweise in der Regia als pontifex maximus Wohnung (Amtssitz?) bezog, weitere Baumaßnahmen erfolgten.232 Diese archäologischen Befunde (für verstärkte Fundamente, den genannten Annex und eine Treppenkonstruktion im Westen aufgrund des erhöhten Niveaus)233 sprechen für die Zeit zwischen 55 v. Chr. und 36 v. Chr. Nach der Ermordung Caesars und dem darauffolgenden Bürgerkrieg, der in einem Zweikampf um die Hegemonie im Römischen Reich 222 Iulius Obsequens 19: [Spurio Postumio L. Pisone coss. (A.U.C. 606 / 148 v. Chr.)] Vasto incendio Romae cum regia quoque ureretur, sacrarium et es duabus altera laurus ex mediis ignibus inviolatae steterunt. 223 Liv. epit. Oxyrh. 127-129. 224 R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 192. 225 Jordan 1885: 427, Anm. 143. 226 Kolb 1995: 205. 227 R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 190, 192 und Scott 1988: 20. 228 So für das 2. Jahrhundert v. Chr. in den Jahren 193, 192, 189, 186, 178, 167 und 148 (Kolb 1995: 199). 229 Vgl. Platner 1929: 440ss.; Livius 5, 42. 230 Brown 1935: 74s. 231 R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:192. 232 Suet. Caesar 46: Habitavit primo in subura modicis aedibus, post autem pontificatum maximum in sacra via domo publica. 233 Brown 1935: 82. 43 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? zwischen Marcus Antonius und Octavian gipfelte, war es nicht so, daß nur einer der beiden Kombattanten Auftraggeber und Bauherr für Tempel und öffentliche Gebäude war.234 Zwar war Octavian „in den dreißiger Jahren der wichtigste Bauherr in Rom, aber neben ihm gab es etliche andere“,235 welche daran bauten, aus der Stadt aus (Lehm-) Ziegeln eine Stadt aus Marmor zu machen.236 In der Hauptsache waren es Feldherren, denen ein Triumph zugebilligt worden war, und die durch die Geldmittel, die ihnen aus der Beute ihrer Feldzüge zur Verfügung standen, sich an diesem Wettkampf, ausgetragen mit den Mitteln der Baukunst, beteiligen konnten. Anhänger des Antonius waren u. a. Munatius Plancus, der den Neubau des Saturntempels übernahm, und Caius Sosius, der nach 34 v. Chr. einen neuen Apollo-Tempel in Circo plante (Apollo-SosianusTempel).237 Auf der Seite Octavians baute Domitius Cornificius den alten Tempel der Diana auf dem Aventin wieder auf, und schließlich auch Cnaeus Domitius Calvinus, ursprünglich ein Gefolgsmann Caesars,238 der 36 v. Chr. seine Beutegelder nur zum Teil für den gestatteten Triumphzug239 verwandte, den größten Teil ex manubiis240 vielmehr in den Neubau der Regia steckte, welche – zum wiederholten Male in ihrer Geschichte – abgebrannt war und ein ungeheueres Prestigeobjekt darstellte.241 Als Beispiel für einen Bauherrn ohne Bindung an einen der Triumvirn steht Asinius Pollio (ein nach seinem Konsulat und Triumph 40/39 v. Chr. den politischen Mächten gegenüber eher kritisch eingestellter Mann) an vorderster Stelle. Er 234 Zanker 1997: 73. Zanker 1997: 73. 236 Suet. Aug. 28, 3: Urbem neque pro maiestate imperii ornatam et inundationibus incendiisque obnoxiam excoluit adeo, ut iure sit gloriatus marmoream se relinquere, quam latericiam accepisset. 237 Zanker 1997: 74 und Coarelli 1988: 71s. 238 Christ 1993: 367, 371. Nachricht über Gn. D. Calvinus haben wir auch durch eine Inschrift: CIL VI.1301, in der er – neben imperator – auch die Titel eines consul und eines pontifex trägt. 239 „Nie zuvor hatte Rom so viele Triumphe in so kurzer Zeit – und aus so geringfügigen Anlässen – gefeiert.“ (Zanker 1997: 73). 240 Boëthius 1970: 184s.; CIL VI.1301. 241 CIL VI.1301; Cass. Dio 48, 42, 4: [...] τ τε χρυσον τ παρ τν πλεων ς ατ εωθς δδοσθαι κ µνων τν βηρικν !λαβε [...] 235 44 2. Die Regia auf dem Forum Romanum erneuerte das atrium Libertatis und schuf die erste öffentliche Bibliothek griechischer und lateinischer Autoren in Rom.242 Daß die Bauherren nicht nur Eilfertigkeit ihren Herren gegenüber an den Tag legten, läßt sich aus der Nachricht des Cassius Dio zum Aufbau der Calvinischen Regia gut ersehen: Statuen, die sich Calvinus von Octavian leihweise zur Ausschmückung des Neubaus erbat, verblieben schlußendlich als Votivgabe in der Regia, da Calvinus scherzhaft meinte, er habe nicht genügend Männer, und Octavian solle doch Helfer senden, um die Statuen abzuholen – was der aber aus Furcht, ein Sakrileg zu begehen, tunlichst unterließ.243 Die programmatische Umgestaltung des Forum Romanum, dessen östlichster Abschluß durch die Jahrhunderte die Regia bildete, hatte auch Konsequenzen für die Regia. An ihre Westseite wurde der Tempel des vergöttlichten Caesar (29 v. Chr. eingeweiht) errichtet, so daß nun er, und nicht mehr das altehrwürdige Gebäude den Abschluß im Osten des Forums bildete, und die Regia hinter dem Tempel den Blicken der Menschen auf dem Forum ganz entzogen war.244 Der aufragende calvinische Neubau war, wie der Fußbodenbelag, aus Marmor.245 Die Travertin-Blöcke für die Euthynterie der Wände waren wiederverwendet worden.246 Das Schema der Regia wurde grundsätzlich beibehalten, lediglich einige „Korrekturen“ des Grundrisses der 6. Regia wurden in den neuen Plan eingebracht. Der Annex wurde „unterkellert“ bzw. eine Decke über den Raum des alten Niveaus gezogen.247 Der eigentliche Annex mit Mauern aus Marmor konnte, vom neuen Bodenniveau aus, von der Südseite und vom Westzimmer her betreten wurden.248 Nun werden auf beiden Seiten des Hofes Säulenstellungen rekonstruiert (entweder zwei oder vier Säulen im Norden und zwei oder 5 (4+1) Säulen im Süden an den Langseiten: atrium tetrastylum 242 Zanker 1997: 77s. Cass. Dio 48, 42, 5. 244 Zanker 1972: 14; Abb. 41. 245 R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:190 und Brown 1935: 76 und 83s., 85. 246 Brown 1935: 85. 247 Brown 1935: 86. 248 Brown 1935: 86 und R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 464, Abb. 81 (Abb. 7). 243 45 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? für vier Säulen,249 resp. atrium Corinthium250 für eine Stellung von acht Säulen).251 Zwischen zwei Mauervorsprüngen (von Norden und Süden her) befand sich nach wie vor der Altar. Während Calvinus die Regia „großzügig“ (s. o.) mit verschiedensten Objekten und Statuen ausstattete,252 war die marmorne Regia, im Gegensatz zur „späteren Ornamentfülle am Apollotempel des Sosius“, 253 vergleichsweise einfach und schlicht ausgestattet.254 Weitere Nachrichten zur Geschichte der Regia in den ersten beiden Jahrhunderten unserer Zeitrechnung sind eher spärlich. Ob die Regia durch den neronischen Brand und die nachfolgenden Baumaßnahmen für die Domus Aurea, und auch durch einen Brand unter Kaiser Commodus 191 n. Chr.255 in Mitleidenschaft gezogen wurde, läßt sich also nicht sagen. Das ca. 15 x 20 cm „große“ Fragment No. XIII/17 (resp. Tafel III, Fr. 21)256 der severischen Forma Urbis Romae257 – hergestellt etwa 203-211 n. Chr., 258 – ist leider verlorengegangen, aber in einer Renaissance-Handschrift259 im Vatikan bewahrt. Mit dem Schriftzug [R]EGIA liefert es einen entsprechenden Nachweis, daß die Regia noch in der Zeit des Kaisers Septimius Severus gestanden haben muß.260 Auch wenn in der Forschung angenommen wird, daß die Forma Urbis auf einen Vorgänger am gleichen Ort – dem templum Pacis aus der Zeit des Kaisers Vespasian – zurückgeht und manche Pläne ohne Aktualisierung übernommen wurden, muß doch für das Gebiet des Forum Romanum, zu dem ja die Regia gehörte, die seve- 249 Brown 1935: 87. Brown 1935: 88. 251 R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 464, Abb. 81 (Abb. 7). 252 Cass. Dio 48, 42, 5. 253 Zanker 1997: 75s. 254 Zanker 1997: 75s. 255 Herodian 1, 14, 3 und Ch. Hülsen 1905: „Sotto Commodo la Regia venne un'altra volta danneggiata dalle fiamme, ma fu subito ricostruita da Settimio Severo.“ 256 Jordan 1885: 302, Anm. 132. 257 Rodríguez Almeida, E.: Forma Urbis Marmorea (Aggiornamento Generale 1980) 1981: 96, und Abb. 22 (Abb. 42); im Internet unter: http://formaurbis.stanford.edu/; Stand: 25. Juli 2007. 258 Kolb 1995: 23. 259 Cod. Vat. Lat. 3439 - Fo 22r. http://formaurbis.stanford.edu/fragment.php?record=84; Stand: 25. Juli 2007. 260 Jordan 1885: 301s. 250 46 2. Die Regia auf dem Forum Romanum rianische Darstellung des status quo für die Zeit der Aufstellung vorausgesetzt werden – schließlich handelte es sich um das Zentrum der Stadt. Einen weiteren Beleg für eine Existenz der Regia im 3. nachchristlichen Jahrhundert bietet uns Solinus.261 Wie weit in die späte Antike hinein die Regia Bestand hatte – vor allem das Bauwerk, denn mit der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion262 war die ursprüngliche Funktion obsolet geworden – läßt sich nur schwer ausmachen. In einer Inschrift aus dem 4. Jh.263 taucht die Regia nochmals im Zusammenhang mit dem VestaHeiligtum und dem heiligen Feuer auf. Da heute zweifelsfrei die „Reste im Rücken des Tempels des Divus Iulius in einem dort erhaltenen Marmorfußboden und einigen noch aufrecht stehenden Pfeilern“ als jene der Regia gelten, was H. Jordan noch 1885 vehement bestritt,264 lassen sich auch Teile aus der Spätantike und z. T. des Mittelalters265 als Zeugnisse für eine weitere Bautätigkeit in diesen Jahrhunderten anführen. Daß es sich bei den Bauteilen um Teile der Regia in sensu vero et proprio gehandelt hat, ist aber nicht wahrscheinlich (s. o.). 2.3 Funktion und Bedeutung der Regia Im Zusammenhang mit der Funktion und Bedeutung der Regia tauchen verschiedene Fragen und daraus folgende Problemstellungen auf. Wir besitzen verschiedene Nachrichten zur Regia in der sog. „historischen“ Zeit, also während der Republik und der Kaiserzeit, die ein gut rekonstruierbares Bild vermitteln. Für die Zeit davor – zunächst vorsichtig gesprochen: das „vorrepublikanische Rom“ – ist eine Diskussion darüber, (vor allem:) von wem und zu welchem Zweck die Regia verwendet wurde, so kontrovers wie spekulativ. 261 Solinus 1,21: Numa in colle primum Quirinali deinde propter aedem Vestae in regia quae adhuc appellatur. 262 24. Februar 391: Verbot aller heidnischen Kulte (Opfer, Tempelbesuch, Verehrung von Götterbildern) durch Kaiser Theodosius. 263 CIL VI.511; Kolb 1995: 82. 264 Jordan 1885: 303. 265 Jordan 1885: 304. 47 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? Denn aus archäologischer Sicht sagt uns „the Regia [...] very little about the Roman kingship or the king’s functions, political or sacred,“266 wenn man die Regia mit dem „REX“ 267 aufgrund der Inschrift des Bucchero-Gefäßes268 in Verbindung bringt. Und möchte man die Autoren, die über diese Zeit (nicht: in dieser Zeit) geschrieben haben, heranziehen, gerät man automatisch zwischen die Fronten derjenigen, die die Historizität und damit die Brauchbarkeit der Quellen (zumindest) bezweifeln, und derjenigen die – seit Schliemann – die historische Wahrheit (wenigstens cum grano salis) und damit deren Wert für unsere Kenntnis der Geschichte anerkennen und postulieren. „Dabei beschuldigt man sich gegenseitig der Leichtgläubigkeit oder aber der Hyperkritik, und dieser Streit tobt vor allem um die historische Rekonstruktion der Königszeit.“ 269 So muß man neben den archäologischen Befunden und den schriftlichen Quellen zur Regia einerseits, andererseits auch das Gebäude und seinen Grundriß selbst – frei von allem „Vorwissen“ zu ihrem Namen und ihrer überlieferten Funktion – in die Untersuchung mit einbeziehen, also quasi „über den Tellerrand schauen“ und aus Analogien und Parallelen anderer Gebäude Rückschlüsse ziehen. Dies soll für die Regia in diesem Abschnitt versucht werden. 2.3.1 Die überlieferten Funktionen der Regia 2.3.1.1 Die Regia als Wohnung/Haus des Königs („Rex“) Die Regia hat ihren „amtlichen Namen [...], wie auch ohne Zeugnisse ersichtlich, von dem Aufenthalt des Königs“.270 Kein Zweifel besteht darin, daß „regia“ und „rex“ etymologisch mit einander verwandt sind – der Titel „rex“ ist indoeuropäischer Herkunft271 – und, wie die Auffindung des Bucchero-Gefäßes in einer 266 Holloway 1996: 63. Vgl. Abschnitt 2.3.1.1. 268 Vgl. Abschnitt 2.1.3.2. 269 Kolb 1995: 44. 270 Jordan 1885: 423; Festus 279: regia domus ubi rex habitat. 271 Alföldy 1984: 15. 267 48 2. Die Regia auf dem Forum Romanum Schicht der Regia belegt,272 auch ein zeitlicher und funktioneller Zusammenhang zwischen dem „rex“ und der Regia besteht.273 Diesen Zusammenhang bestätigt die moderne Forschung unter Rückgriff nicht zuletzt auf literarische Zeugnisse.274 Welche Informationen lassen sich den Quellen zum Verhältnis „rex“ und Regia entnehmen? Für Numa, einen „rex“ in sensu vero et proprio als Bewohner (und z. T. selbst Erbauer) der Regia in der Königszeit sprechen Stellen bei Solinus,275 Servius,276 Tacitus277 und Ovid.278 Solinus stellt einen Katalog der einzelnen Wohnstätten der römischen Könige auf:279 Tatius habe auf der arx gewohnt, dort, wo jetzt (zur Zeit des Solinus) der Tempel der Iuno Moneta zu finden sei; Numa erst auf dem Quirinal und dann in der Regia; Tullus Hostilius auf der Velia; Ancus Marcius „in summa sacra via“ beim Heiligtum der Laren; Tarquinius Priscus bei der Porta Mugonia „supra summam novam viam“; und Tarquinius Superbus schließlich auf den Esquilin. Einen etwas allgemeineren Zusammenhang zwischen Numa und der Regia stellen Plutarch280 und Cassius Dio281 her, und Servius spricht noch an anderer Stelle ganz allgemein von der Regia als „Haus des Königs“,282 welche Horaz als „monumenta regis“ erkennt.283 272 Vgl. Abschnitt 2.1.3.2. Fraglich hingegen ist, um welchen „rex“ es sich in diesem Fall gehandelt hat: den Herrscher über Rom der Königszeit oder den republikanischen „rex sacrorum“? 274 Vgl. Brown 1967: 47s.; Brown 1976: 35; Holloway 1996: 62; et al. 275 Solinus 1, 21 (25?): Numa in colle primum Quirinali deinde propter aedem Vestae in regia quae adhuc appellatur. 276 Serv. ad Aen. 8, 363: Quis enim ignorat regiam ubi Numa habitavit in radicibus Palati finibusque Romani fori esse? 277 Tac. Ann, 15, 41: [...] Numaeque regia et delubrum Vestae cum penatibus populi Romani exusta [...] 278 Ovid, Trist. 3, 1, 30: Paruit, et ducens "haec sunt fora Caesaris," inquit, "haec est a sacris quae via nomen habet, hic locus est Vestae, qui Pallada servat et ignem, haec fuit antiqui regia parva Numae." 279 Dieser Katalog findet sich in Teilen bei: Varro, ap. Non. 531, 9 und Liv. I 41, 4. 280 Plut. Numa 14. 281 Cass. Dio, Frg. 6, 2. 282 Serv. ad Aen. 2. 57: flaminia autem domus flaminis dicitur sicut regia regis domus. Vgl. Festus 279: regia domus ubi rex habitat. 283 Horaz, Carm. 1, 2, 15: Vidimus flavom Tiberim retortis litore Etrusco violenter undis ire deiectum monumenta regis templaque Vestae. 273 49 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? 2.3.1.1.1 Rex, rex sacrorum, rex sacrificulus, pontifex maximus und „Regia“ 2.3.1.1.1.1 Die römischen Könige Die angeführten Quellen sprechen deutlich von einer ausgeprägten Tradition; wie ist diese Tradition mit den uns bekannten geschichtlichen und archäologischen Erkenntnissen zur römischen Königszeit vereinbar? Selbstverständlich kann hier nicht in extenso auf die Geschichte der Beziehungen zwischen Rom/Latium und Etrurien eingegangen werden; einige wenige Markierungen müssen genügen. Während die Annalistik von zwei etruskischen Königen, L. Tarquinius Priscus und L. Tarquinius Superbus, spricht, ist es nach heutigem Erkenntnisstand durchaus möglich, daß alle Herrscher Etrusker waren,284 wie „auch Porsenna, der König von Clusium, der kurz nach der Vertreibung des letzten Tarquiniers Rom vorübergehend besetzte.“285 Der Einfluß der etruskischen Kultur auf Rom und Latium läßt sich u. a. an den Keramikimporten ablesen, deren älteste Funde in das 8. Jh. v. Chr. datieren und die seit dem 7. Jh. kontinuierlich anwachsen,286 ermöglicht durch die etruskische Eroberung Campaniens.287 Wenn man die Entwicklung von einer eisenzeitlichen Siedlung der Villanova-Kultur bis hin zu einer „Stadt“ Ende des 7. Jh.s v. Chr. verfolgt288 – abgesehen davon, daß aus der ursprünglich lateinischen Siedlung eine etruskische Stadt im sakralrechtlichen Sinne wurde289 – so kann man davon ausgehen, daß diese Entwicklung sicherlich einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen hat,290 also vielleicht in der Mitte des 7. Jh.s v. Chr. begann.291 Wie dieser Einfluß ausgeübt wurde, ist umstritten. Einerseits wird (im Falle der Urbanisierung, die einen faktisch sichtbaren Einfluß darstellte) von 284 Meyer 1983: 155, Alföldy 1984: 15, Kolb 1995: 74. Alföldy 1984: 15. Ogilvie 1983: 186s. 287 Aber der „Einfluß der Etrusker auf Rom betraf fast alle Lebensbereiche“ (Kolb 1995: 75). 288 Ogilvie 1983 187. 289 Kolb 1995: 76s. 290 Kolb 1995: 77. 291 Ogilvie 1983: 187. 285 286 50 2. Die Regia auf dem Forum Romanum dem „gewaltsamen Eingriff einer fremden Macht“292 gesprochen, aber auch von einer kleinen etruskischen Oberschicht, durch die keine Assimilation eines ganzen Volkes erfolgen konnte. Was die Erlangung der Herrschaft anbetrifft, lassen sich einzelne „Könige“, vor allem die der Spätzeit der ca. 150 Jahre währenden etruskischen Herrschaft, vielleicht mit Condottieri aus der Zeit der italienischen Renaissance vergleichen, welche die Stadt überfielen und die Macht dort übernahmen – wie auch Porsenna dies kurze Zeit tat.293 Einen leisen Anklang daran mag die annalistische Schilderung der „Karriere“ des L. Tarquinius Priscus sein, der, nach einem gescheiterten Anlauf in Tarquinia, schließlich in Rom nach dem Tode von Ancus Marcius die Macht übernehmen konnte.294 Daß die Königs-Chronologie nicht bedenkenlos zur historischen Einordnung herangezogen werden kann, zeigt neben den ungewöhnlich hohen Lebensaltern einzelner Könige (wie z. B. Tarquinius Priscus mindestens 110 Jahre alt geworden sein müßte) auch die Vermutung, daß der Name zumindest eines Herrschers über Rom nicht in die Königsliste aufgenommen wurde.295 Geht man davon aus, daß auch Porsenna von Clusium die Macht in Rom auf dem „üblichen“ Weg einer Eroberung übernehmen wollte, nachdem die Bürger der Stadt den Vorgänger verjagt hatte, stellt sich die Frage, ob aus diesem singulären und sicherlich bedeutsamen Ereignis der Vertreibung eines etruskischen Herrschers in der Tradition der letzte Tarquinier auch zum letzten Herrscher Roms gemacht wurde – nachdem man Porsenna auch nach sehr kurzer Zeit wieder vertreiben konnte und alle anderen etruskischen Versuche, die Macht über die Stadt zu erlangen, gescheitert waren.296 Ob damit der Beginn der Republik „wirklich um 508 oder einige Jahre später“297 anzusetzen ist, muß an dieser Stelle offen bleiben – Einar Gjerstad z. B. verlegte den Beginn der Republik erst in die Zeit um 450 v. Chr.298 292 Ogilvie 1983: 183. Alföldy 1984: 15. 294 Kolb 1995: 74. 295 Kolb 1995: 90. 296 Alföldy 1984: 15. 297 Alföldy 1984: 15. 298 Gjerstad 1967: 7ss. 293 51 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? Während man einerseits von den Königsnamen der Annalistik abrückt,299 lassen sich andererseits auch Stimmen hören, die ihre Erkenntnisse zur Königszeit an dieser Chronologie entlang einordnen. Stellvertretend dafür sollen die in dieser Untersuchung schon genannten Wissenschaftler genannt werden: Frank Brown, der die verschiedenen Phasen der Regia verschiedenen Königen der Chronik zuordnet,300 Margherita Guarducci, die das Bucchero-Gefäß mit der Inschrift „REX“ in die Zeit des Königs Servius Tullius (578-534) oder Tarquinius Superbus (534-510)301 datiert, während Frank Brown darin sogar den Autograph eines Königs sieht,302 und schließlich F. Coarelli, der seine Thesen zum Forum Romanum in archaischer Zeit – auf die noch später einzugehen ist – mit den Nachrichten zu den sieben römischen (resp. etruskischen, s. o.) Königen in Einklang zu bringen versucht. 303 Ein weiteres Zeugnis ist die als älteste Inschrift geltende Sakralvorschrift, in der das Wort „REX“ (resp. dessen Dativ-Form, altlat. RECEI; klass.-lat. REGI) auftaucht, auf dem ins 6. Jh. v. Chr. datierten cippus unter dem lapis niger auf der Fläche des comitium.304 Festgehalten werden und als gesichert gelten kann also, daß eine nicht unbedingt näher bestimmte Anzahl von etruskischen Führern, deren Namen wir nicht unbesehen der sicherlich einerseits auf die Siebenzahl der Könige, andererseits auf Beginn der Republik hin konstruierten Chronik entnehmen dürfen, und die den Titel „rex“ führten – aber auch „locumo“ ist überliefert305 –, im Laufe von über 150 Jahren in Rom die Herrschaft innehatte. Dabei sind weder Beginn noch Ende eindeutig anhand eines Datums faßbar, sondern dürf- 299 Vgl. Kolb 1995: 70, 90s. Brown 1976: 35. 301 Guarducci 1972: 383. 302 Brown 1967: 58. 303 Coarelli 1981: 241ss. 304 Er wird von Frank Kolb nicht als zuverlässige Quelle der Königszeit angesehen, weil – wie er meint – er nicht in die Zeit der etruskischen Könige zu datieren sei. Der cippus aus GrottaOscura-Tuff stamme frühestens aus dem Anfang des 4. Jh.s v. Chr., da erst nach der Eroberung Veiis dieses Material im Gebiet von Veii abgebaut werden und in Rom verfügbar sein konnte. [Kolb 1995 77ss.] Datierung und Begründung sind allerdings in der Forschung auf Ablehnung gestoßen. 305 Serv. ad Aen. 2, 278 und 8, 65, 475; Ogilvie 1983: 187. 300 52 2. Die Regia auf dem Forum Romanum ten den Zeitraum von der Mitte des 7. bis in die letzten Jahre des 6. Jh.s v. Chr. umfaßt haben. Dieser „rex“ war oberster Feldherr, Richter und Priester zugleich. 306 Andererseits erscheint es nicht einsichtig, daß die – in ihrer Zahl sicherlich begrenzten – Herrscher reine Phantasienamen erhielten oder ebensolche Phantasiegestalten der Annalistik waren. Richtiger ist wohl vielmehr, daß neben den „konstruierten“ Königen auch historische Herrschergestalten Eingang in die Liste gefunden haben, wobei die Trennung oder Verbindung von Name, Person und Persönlichkeit schwierig, wenn nicht unmöglich ist, aber als grundsätzliche Option bestehen bleiben sollte. Für die vorliegende Untersuchung zum Bauwerk „Regia“ und zur Funktion derselben ist also unter Berücksichtigung aller bislang gewonnenen Erkenntnisse als sehr wahrscheinlich anzunehmen, daß ein etruskischer Herrscher des beginnenden 6. Jh. v. Chr. den Bau der „Regia“ initiierte und diese, resp. die in der weiteren Zeit der etruskischen Herrschaft über Rom errichteten Nachfolgebauten, mindestens für einen (weiteren) „rex“, am sinnvollsten aber für alle Herrscher, von funktionaler Bedeutung war(en) und entsprechend anhaltend genutzt wurde(n). 2.3.1.1.1.2 Der rex sacrorum oder rex sacrificulus Der rex sacrorum steht, wie schon mehrfach erwähnt, in ebensolchem Zusammenhang mit der Regia, wie der rex. 307 (Andererseits erwähnt aber Cassius Dio,308 „daß das [Haus] des Königs“ von Augustus den Vestalinnen übergeben wurde, weil es vom Haus der Priesterinnen nur durch eine Wand getrennt sei. Wie schon oben 306 Alföldy 1984: 15. Festus 279: regia domus ubi rex habitat. Serv. ad Aen. 8, 363: domus enim [...] regia dicitur, quod in ea rex sacrificulus habitare consuesset, sicut flaminia domus in qua flamen habitat, dicebatur 308 Cass. Dio 54, 27, 3: ατ" #θ$λησεν, ο&τε τι ατν προσ'σεσθαι !φη, κα( γκειµ$νων ο* 307 ξαν$στη τε κα( ξ,λθεν κ το- συνεδρου. κα( ο&τε κε/να !τ´ κυρ1θη ο&τ´ οκαν τιν δηµοσαν !λαβεν, 2λλ µ$ρος τι τ,ς 3αυτο-, 4τι τν 2ρχι$ρεων ν κοιν" πντως οκε/ν χρ,ν, δηµοσωσεν. τ5ν µ$ντοι το- βασιλ$ως τν *ερν τα/ς 2ειπαρθ$νοις !δωκεν, πειδ5 6µτοιχος τα/ς οκ'σεσιν ατν 7ν. 53 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? erwähnt, übernahmen die Mitglieder der städtischen Oberschicht die Aufgaben und Funktionen des vertriebenen etruskischen Herrschers.309 Der rex sacrorum, oder rex sacrificulus, wie er meist bei den Schriftstellern genannt wird,310 wurde als politisch machtloses Amt – dem Amtsinhaber auf Lebenszeit311 war es versagt, irgendein politisches Engagement oder gar ein imperium auszuüben – in die Republik übernommen. Trotz der politischen Einflußlosigkeit, die das Amt nicht immer attraktiv für engagierte römische Patrizier erscheinen ließ,312 besaß der rex sacrorum den ersten Rang unter den Priestern.313 Nach ihm wurden Aufzeichnungen über bestimmte kultische Handlungen datiert (er war also eponym),314 und die „Ankündigung der feriae [...] an den Nonen [am dies februatus] des betroffenen Monats [...] vor dem rex sacrorum315 [war] die einzige authentische Publikationsform seitens der religiösen Institutionen.“ 316 Diese Verkündigung wurde – verbunden mit einer Opferhandlung – auf der arx vollzogen.317 Weitere Opferhandlungen des rex sacrorum geschahen am 24. Februar, dem Festtag des Regifugiums ,318 dem 24. März und dem 24. Mai, an denen zum jeweiligen comitium ein Sühneopfer von ihm dargebracht wurde und so die Tage vom nefas zum fas, also entsühnt wurden.319 Er war vor allem auch Priester des Ianus, einem urspr. 309 Alföldy 1984: 15. Rex sacrorum ist die amtliche Bezeichnung auf Inschriften. Bei Livius 9, 34 12 heißt er rex sacrificorum, und 40, 42, 8 wird er rex sacrificum genannt. Festus 293: regia ad domum regis sacrificuli; Serv. ad Aen. 8, 363: domus enim [...] regia dicitur, quod in ea rex sacrificulus habitare consuesset, sicut flaminia domus in qua flamen habitat, dicebatur. 311 Dionys. 4, 74. 312 Vgl. Livius 40, 42, 8. 313 Festus 185. 314 Plin. N. H. 11, 186: L. Postumio L f. Albino rege sacrorum post CXXVL Olympiadem, cum rex Pyrrhus ex Italia decessisset, cor in extis haruspices inspicere coeperunt. 315 Varro 6,28 und 6,13. 316 Schlußbericht zum Forschungsprojekt „Sozialgeschichte der römischen Religion“, Hubert Cancik, Jörg Rüpke, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Universität Potsdam 1997; http://www.uni-potsdam.de/u/klassphilol/ber.htm, Stand: 25. Juli 2007. 317 Varro 6,13. 318 Schauplatz war das comitium, wo der rex sacrorum ein Opfer darbrachte und anschließend – in Erinnerung an die Vertreibung des Tarquinius Superbus – selbst vom comitium floh. 319 2 Q.R.C.F = quando rex comitavit fas (CIL I 289): „Wenn der König das Opfer beim comitium vollzogen hat, ist er/es fas. 310 54 2. Die Regia auf dem Forum Romanum altitalischen numen, welcher die Hauseingänge (ianua) und die Stadttore bewachen und Haus und Stadt vor Unheil bewahren sollte, dessen Fest (die Agonalia am 9. Januar)320 in der Regia stattfand.321 Die verschiedenen Funktionen des Ianus, welche nicht nur auf den Schutz von Tür und Tor beschränkt waren und auf etruskische Ursprünge zurückgehen, beinhalteten auch einen Bezug zum Werden und Entstehen von Mensch und Natur. Als Gott des Anfangs322 (nach dem der erste Monat des Jahres, der Januar, benannt war und ist) wurde er auch im Frühjahr angerufen, um das Wachstum des Getreides zu begünstigen, wie er auch im Zusammenhang mit der Ernte wieder eine Rolle spielte.323 Am Festtag des Gottes Consus, den Consualia, fuhr der rex sacrorum mit seiner prächtig geschmückten Kutsche einmal um die Arena des Circus Maximus. Im Anschluß fanden Maultier-Rennen statt. Die Bedeutung des Consus ist nicht eindeutig geklärt: Zum einen wird er als Gott des Ratschlags (conso = consuto: raten) gesehen, der den Römern beim Fest mit den Nachbarn den Raub der Sabinerinnen als Mittel gegen die Abnahme der Bevölkerung verkündete, und im Andenken an den schlußendlich glücklichen Ausgang der 320 Varro 6, 12: Dies Agonales per quos rex in Regia arietem immolat; Ovid fast. 1, 318. Stewart 1999. 322 Macrob. Sat. 1, 15, 19: A qua etiam Ianum Iunonium cognominatum diximus, quod illi deo omnis ingressus, huic deae cuncti Kalendarum dies videntur adscripti. 323 „According to one legend, narrated by St. Augustine in his De Civitate Dei, the worship of Janus was introduced into Rome by Romulus whereas that of Sol, the god of the Sun, was instituted by the Sabine King, Titus Tatius. Originally, Sol-Janus was a god of light and the sun. He opened the gates of heaven by going forth in the morning and closed them on returning thence at evening. The two divinities came to be conflated at a later period. The idea of a separate god known as Sol was lost in that of Janua (= Janus) because we find very few references to the worship of the former deity in ancient Roman sources whereas worship of the latter assumed great importance such that Numa Pomilius of Cures, the legendary second king of Rome, in his regulation of the Roman calendar, called the first month Januarius after Janus who, by then, was popularly conceived as presiding over the beginning of all things. As the origin of all organic life, especially of human life, Janus was therefore called ‘Consivius’ (= ‘the Sower’). The hymns of the Salii Palatini and the Solii Agonales, the priests of Mars, date from the first century BC and contain allusions to Janus as “the good creator”, “the god of gods”, “the oldest of the gods” and “the beginning of all things”. Allusions to the liturgical importance of Janus at crucial times of the agricultural year can be seen in the fact that some of the Salian hymns sung to him were to be chanted only in March during thr planting time when Janus was invoked to assist the vegetative growth. He was also invoked during harvest time in ceremonies associated with Jupiter and Juno.“ (Stewart 1999) 321 55 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? Unternehmung und den also weisen Rat wurden die Consualia gefeiert. Da Consus (wie der etruskische Tages)324 aus der Erde kam, wurde er das restliche Jahr über in einem verborgenen Heiligtum verehrt, dessen Altar man nur zu den Spielen ausgrub.325 Nach einer anderen Überlieferung war Consus der Gott der Ernte, welche in unterirdischen Gewölben gelagert wurde.326 Damit ist Consus zu sehen mit Ops Consivia, Ianus und dem Gott Mars, der in der Tradition „Grundbegriff der alle Lebensverrichtungen durchdringenden und beherrschenden männlichen Kraft und Stärke [...] gewesen zu sein [scheint]. Insbesondere war er [Mars] Gott des Ackerbaues, den man um Segen für die Feldfrüchte anrief; [...] so wie andererseits Gott des Frühlings, daher der Monat März seinen Namen trägt und ihm geheiligt ist.“ 327 Der Mutter des Mars, Iuno,328 opferte die regina sacrorum,329 die – nicht nur kultische – Ehefrau des rex sacrorum. Sie übernahm das Amt wohl automatisch, wenn ihr Ehemann das seine des rex sacrorum antrat. 2.3.1.1.1.3 Rex sacrorum und pontifex maximus Die Stellung des pontifex maximus war ungleich politischer dadurch, daß er – im Gegensatz zum rex sacrorum – Auspizien abhalten durfte. Auch dieses Amt wurde lebenslänglich ausgeübt.330 Der pontifex maximus übte die Oberhoheit über den rex sacrorum aus,331 und alle pontifices und die Auguren ernannten gemeinsam den rex sacrorum.332 Nach Sueton333 und Cassius Dio334 wohnte Caesar als 324 Pfiffig 1998: 37; Festus 492, 6. WdM: s. v. Consus, 145 326 Stewart 1999. 327 WdM: s. v. Mars, S. 323 328 „Die alte latinische Göttin ‚*Iunis (Juno) ist ‚die jugendliche, die junge Frau (in empfängnisfähigem Alter),‘ vgl. iunix, iuvenis, iuvenica. Sie stellt die weibliche Funktion dar, wie Genius der Zeuger, die männliche.“ Pfiffig 1998: 266. 329 Macrob. Sat. 1, 15, 19: Romae quoque Kalendis omnibus, praeter quod pontifex minor in curia Calabra rem divinam Iunoni facit, etiam regina sacrorum, id est regis uxor, porcam vel agnam in regia Iunoni immolat: a qua etiam Ianum Iunonium cognominatum diximus, quod illi deo omnis ingressus, huic deae cuncti Kalendarum dies videntur adscripti. 330 Wie Augustus erst nach dem Tode des vormaligen Triumvirns Lepidus auch das Amt des Pontifex Maximus übernehmen konnte. 331 Livius 2, 2, 1. 332 Dionys. 5, 1. 333 Suet., Caesar 46 325 56 2. Die Regia auf dem Forum Romanum pontifex maximus in der domus publica, welche von der Forschung allgemein nicht mit der Regia gleichgesetzt wird.335 Augustus verlegte den Wohnsitz des pontifex maximus 12 v. Chr. auf den Palatin336 und machte einen Teil seines Hauses so zu einem öffentlichen Gebäude. Daß die Regia aber vom pontifex maximus und den anderen pontifices als Versammlungsraum genutzt wurde, wissen wir durch Plinius d. J337 und Cicero.338 Von kultischen Handlungen des pontifex (Maximus) zusammen mit den salischen Jungfrauen wissen wir durch eine Festus-Stelle,339 und nur durch eine Parallel-Stelle bei Cassius Dio340 kann analog darauf geschlossen werden, daß die pontifices auf einem Herd in der Regia als Opfergabe das Blut aus dem Schweif des sog. „Oktober-Pferdes“ versprengt und den Pferdekopf an der Wand der Regia angebracht haben.341 Der Reinigungs-Ritus des „Oktober-Pferdes“ (im Oktober reinigten die Bauern ihr Ackergerät)342 findet im Zusammenhang mit einem Wagenrennen auf dem Marsfeld statt, wobei das innere Pferd des siegreichen Gespannes enthauptet und sein Kopf außen an der Regia angebracht wurde.343 334 Cass. Dio 43, 44, 6: Τα-τ τε ο9ν ττε τ" Κασαρι, κα( οκαν ;στε ν τ" δηµοσ< οκε/ν, *εροµηναν τε ξαρετον 6σκις =ν νκη τ$ τις συµβ> κα( θυσαι π' ατ> γγνωνται, κ=ν µ'τε συστρατε@σηται µ'θ' 4λως πικοινων'σA τν καταπραχθ$ντων, !δοσαν. 335 R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚domus publica‘: 165s. Cass. Dio 54, 27, 3; P. Zanker, Der Apollontempel auf dem Palatin. Ausstattung und politische Sinnbezüge nach der Schlacht von Aktium, in: Annalecta Romana, Suppl. X, Seite 40. 337 Plin. Ep. 4, 11, 6: Nam cum Corneliam Vestalium maximam defodere vivam concupisset, ut qui illustrari saeculum suum eiusmodi exemplis arbitraretur, pontificis maximi iure, seu potius immanitate tyranni licentia domini, reliquos pontifices non in Regiam sed in Albanam villam convocavit.. Nec minore scelere quam quod ulcisci videbatur, absentem inauditamque damnavit incesti, cum ipse fratris filiam incesto non polluisset solum verum etiam occidisset; nam vidua abortu periit. (Dies als negative Charakterisierung Kaiser Domitians, der die pontifices zu sich in seine Albaner Villa zitiert.) 338 Cic. ad Att. 10, 3a, 1: Visum te aiunt in regia. 339 Festus 329: Salias virgines – quas Aelius Stilo scripsit sacrificium facere in regiam cum pontifice. 340 Cass. Dio 43, 24, 4: ΟCτος µDν ο9ν δι τα-τα δικαι1θη, Eλλοι δD δ@ο Eνδρες ν τρπ< 336 τιν( *ερουργας σφγησαν. Κα( τ µDν αFτιον οκ !χω επε/ν ο&τε γρ G Σβυλλα !χρησεν, ο&τ' Eλλο τι τοιο-το λγιον γ$νετο, ν δ' ο9ν τ" Iρε< πεδ< πρς τε τν ποντιφκων κα( πρς το- *ερ$ως το- Jρεως τ@θησαν, κα( αK γε κεφαλα( ατν πρς τ βασλειον 2νετ$θησαν. 341 Festus 186, 249; Plut. q. Rom. 97. Ogilvie 1986: 121. 343 Ogilvie 1986: 121. 342 57 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? 2.3.1.2 Weitere Handlungsträger in der Regia Die Regia wurde aber, der schriftlichen Überlieferung nach, nicht nur von den bislang behandelten Personen genutzt, sondern auch von anderen: Bei Macrobius (nach Granius Licinianus) ist vermerkt, daß von den flaminica dem Iuppiter ein Widder geopfert wurde.344 Und eine Inschrift aus dem Jahr 14 n. Chr. belegt, daß die Regia als Versammlungsstätte der fratres Arvales345 genutzt wurde,346 wie auch von den Vestalinnen und einem weiteren Priester. 2.3.1.3 Ops Consivia, hastae Martis (oder: hastae Martiae) Aus den Schriftquellen erfahren wir, daß die Regia nicht nur „Haus“ (mit welcher Funktion, soll hier nicht erörtert werden) für den rex, den rex sacrorum, den pontifex maximus und andere war, sondern auch als Aufbewahrungsort für kultische Gegenstände diente und ein Ort war, an dem heilige Handlungen vollzogen wurden. Der Schild des Mars – welchen die Römer als vom Himmel gefallenes Geschenk des Iuppiter an Numa ansahen, und von dem Waffenschmied Marmurius347 aus Angst vor Verlust elf Kopien (ancilia) anfertigte – sowie die sog. Speere des Mars (hastae) wurden in der Regia (sacrarium Martis) aufbewahrt. Diese heiligen Speere bewegten sich („hastae martiae ... motae“), wenn ein Krieg oder ein anderes drohendes Unheil bevorstand (wie sie sich z. B. am Vorabend der Iden des März 44 v. Chr. – der Ermordung Caesars – bewegten).348 So sind mehrere solcher prodigia v. a. bei Iulius Obsequens überlie- 344 Macrob. 16, 30 : Causam vero huius varietatis apud Granium Licinianum libro secundo diligens lector inveniet. Ait enim nundinas Iovis ferias esse, siquidem flaminica omnibus nundinis in regia Iovi arietem soleat immolare: sed lege Hortensia effectum ut fastae essent, uti rustici, qui nundinandi causa in urbem veniebant, lites conponerent: nefasto enim die praetori fari non licebat. 345 Wörterbuch der Mythologie: 69 : „Arvales fratres (Arvalische Brüder). In Rom ein Collegium von zwölf Priestern, dessen Stiftung mit der Sage von Acca Larentia zusammenhängt, indem diese an die Stelle eines von zwölf Söhnen, den sie verloren hatte, den Romulus annahm, der nun sich und den übrigen den obigen Namen beilegte. Sie hatten das Fest zu leiten, das Ambarvalia hieß. Ihre Würde war lebenslänglich und konnte selbst durch Verbannung nicht verloren gehen.“ 346 CIL VI 2023a (9). 347 Ogilvie 1982: 101348 Cass. Dio 44, 17, 2. 58 2. Die Regia auf dem Forum Romanum fert: für das Jahr 181 v. Chr. ,349 das Jahr 117 v. Chr.,350 102 v. Chr.,351 98 v. Chr.352 und schließlich für 95 v. Chr.,353 wie auch bei Gellius für das Jahr 99 v. Chr.354 Die Schilde wurden von den salii zwischen dem 1. März, dem Tag an dem die Schilde vom Himmel gefallen sind, und dem 24. März „in einem Waffenreigen durch die Straßen“355 getragen. 349 6. In area Vulcani et Concordia sanguinem pluit. Hastae Martis motae. Lanuvii simulacrum Iunonis Sospitae lacrimavit. Pestilentiae Libitina non suffecit. Ex Sibyllinis supplicatum cum sex mensibus non pluisset. Ligures proelio victi deletique. 350 36. Fulmine Romae et circa pleraque tacta. Praeneste lacte pluit. Hastae Martis in regia motae. Priverni terra septem iugerum spatio in caverna desedit. Saturniae androgynus annorum decem inventus et mari demersus. Virgines viginti septem urbem carmine lustraverunt. Reliquum anni in pace fuit. 351 44. Novemdiale sacrum fuit, quod in Tuscis lapidibus pluerat. Urbs aruspicum iussu lustrata. Hostiarum cinis per decemviros in mare dispersus, et per dies novem per magistratus circa omnia templa et municipia pompa ducta supplicantum. Hastae Martis in regia sua sponte motae. Sanguine circa amnem Anienem pluit. Examen apium in foro boario in sacello consedit. In Gallia in castris lux nocte fulsit. Puer ingenuus Ariciae flamma comprehensus nec ambustus. Aedes Iovis clusa fulmine icta. Cuius expiationem quia primus monstraverat Aemilius Potensis aruspex, praemium tulit, ceteris celantibus, quod ipsis liberisque exitium portenderetur. Piratae in Cilicia a Romanis deleti. Teutoni a Mario trucidati. 352 47. Bubone in Capitolio supra deorum simulacra viso cum piaretur, taurus victima exanimis concidit. Fulmine pleraque decussa. Hastae Martis in regia motae. Ludis in theatro creta candida pluit; fruges et tempestates portendit bonas. Sereno tonuit. Apud aedem Apollinis decemviris immolantibus caput iocineris non fuit, sacrificantibus anguis ad aram inventus. Item androgynus in mare deportatus. In circo inter pila militum ignis fusus. Hispani pluribus proeliis devicti. 353 50. Caere lacte pluit. Lebadiae Eutychides in templum Iovis Trophonii degressus tabulam aeneam extulit, in qua scripta erant, quae ad res Romanas pertinent. Fulminis afflatu pleraque animalia exanimata. Venafri hiatu terra alte subsedit. Vultures canem mortuum laniantes occisi ab aliis et comesi vulturibus. Agnus biceps, puer tribus manibus totidemque pedibus natus Ateste. Hastae Martis in regia motae. Androgynus Urbino natus in mare deportatus. Pax domi forisque fuit. 354 Gell. N. A. 4,6, 1-2: VI. Verba veteris senatusconsulti posita, quo decretum est hostiis maioribus expiandum, quod in sacrario hastae Martiae movissent; atque ibi enarratum, quid sint "hostiae succidaneae", quid item "porca praecidanea"; et quod Capito Ateius ferias quasdam "praecidaneas" appellavit. I. Ut terram movisse nuntiari solet eaque res procuratur, ita in veteribus memoriis scriptum legimus nuntiatum esse senatui in sacrario in regia hastas Martias movisse. II. Eius rei causa senatusconsultum factum est M. Antonio A. Postumio consulibus, eiusque exemplum hoc est: "Quod C. Iulius L. filius pontifex nuntiavit in sacrario in regia hastas Martias movisse, de ea re ita censuerunt, uti M. Antonius consul hostiis maioribus Iovi et Marti procuraret et ceteris dis, quibus videretur, lactantibus. Ibus uti procurasset, satis habendum censuerunt. Si quid succidaneis opus esset, robiis succideret." 355 Ogilvie 1986: 101. 59 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? Die Göttin Ops, die wie Ianus den Beinamen „Consivia“ (oder: Consevia)356 trägt, Gattin des Saturn ist und auch mit Consus in Verbindung gebracht wird, feierte am 25. August ihr Fest (Opiconsivia). Die Fruchtbarkeits- und Erdgöttin wurde in einem kleinen Heiligtum in der Regia verehrt, welches außer von den Vestalinnen und dem zuständigen Priester (sacerdos) nicht betreten werden durfte.357 2.3.1.4 Zusammenfassende Überlegungen und Interpretation Wir wissen also einiges über die kultischen Handlungen, die Opfergerätschaften in den Räumen (sacraria) und die heiligen Gegenstände des Mars sowie über Versammlungen in der Regia, wie auch über den Personenkreis, der im Laufe der Jahrhunderte mit der Regia in Bezug stand (rex, rex sacrorum, regina sacrorum, pontifices, fratres Arvales, flaminica). Die archäologischen Befunde lassen sich anhand der Schriftquellen gut erklären, die beiden Räume lassen sich den verschiedenen überlieferten Funktionen zuordnen: der größere mit einem Herd für Mars und seine Waffen, der andere für Ops Consivia.358 Für die Zeit der Republik sprechen Gellius359 und Iulius Obsequens360 davon, daß die Regia ein sacrarium besessen habe (oder: eine sacrarium sei?), und bei Festus361 lesen wir im Zusammenhang mit der Regia von einem fanum. Also hatte, wie H. Jordan 1885 schreibt, „die Regia die Qualität eines konsekrierten Heiligtums (fanum) besessen, welche den Gedanken ausschließt, daß Menschen, 356 WdM: 145 s. v. Consevius, Consivius, Consivia (Röm. M.), Fortpflanzer, Fortpflanzerin, Beiname des Janus und der Ops, einer latinischen Göttin der Fruchtbarkeit, Gemahlin des Saturnus, welche von späteren Mythographen mit Rhea identificirt worden ist. 357 Varro 6, 21: Opeconsiva dies ab dea Ope Consiva, cuius in Regia sacrarium quod adeo artum, eo praeter virgines Vestales et sacerdotem publicum introeat nemo. Vgl. Fest. 186, 249. 358 Brown 1976: 35s. 359 Gell. N. A. 4,6, 1-2: VI. [...], quod in sacrario hastae Martiae movissent; ... I. Ut terram movisse nuntiari solet eaque res procuratur, ita in veteribus memoriis scriptum legimus nuntiatum esse senatui in sacrario in regia hastas Martias movisse. 360 Iulius Obsequens 19: [Spurio Postumio L. Pisone coss. (A.U.C. 606 / 148 v. Chr.)] Vasto incendio Romae cum regia quoque ureretur, sacrarium et es duabus altera laurus ex mediis ignibus inviolatae steterunt. 361 Festus 278. 60 2. Die Regia auf dem Forum Romanum welche auch immer, in diesem Gebäude gewohnt haben.“362 So kann, nach Jordan, trotz eines in der Tradition fest verwurzelten Zusammenhanges zwischen der Regia und der Institution des Königs, „schwerlich davon [ausgegangen werden], daß derselbe darin wohnte“.363 Die Antwort auf die Frage, ob es sich bei der Regia als Ganzes um ein konsekriertes Heiligtum handelte – wofür wohl die Stelle bei Cassius Dio spricht,364 an der Octavian die mögliche Entfernung von Statuen aus der Regia als Sakrileg fürchtet, wie auch die Nachrichten bei Gellius,365 Iulius Obsequens366 und Festus367 derart interpretiert werden können – und zwar durch ihre ganze Geschichte hindurch, oder nicht, ist ausschlaggebend für eine Beurteilung der Regia als Wohnhaus für den rex, den rex sacrorum und den pontifex maximus. Wohl mit Sicherheit kann zunächst konstatiert werden, daß in der Kaiserzeit der pontifex maximus als der jeweilig regierende Kaiser nicht in der Regia wohnte. 368 Auch der rex sacrorum scheint nicht in der Regia gewohnt zu haben. Festus spricht von zwei verschiedenen Gebäuden 369 – aber jener rex sacrificulus von dem bei Servius die Rede ist,370 könnte identisch mit dem rex ... sacrorum einer anderen Servius-Stelle sein. In letzterer ist von der Unverletzlichkeit des Königs (rex) die Rede,371 also dem rex als rex (rerum) sacrorum, der der Tradition nach vor dem pontifex maximus in der Regia „gewohnt“ habe. Wenn man 362 Jordan 1885: 424 (Angleichung der urspr. Rechtschreibung an die heutige Orthographie durch JL). Jordan 1885: 423. 364 Cass. Dio 48, 42, 5. 365 Gell. N. A. 4,6, 1-2: VI. [...] , quod in sacrario hastae Martiae movissent; [...] I. Ut terram movisse nuntiari solet eaque res procuratur, ita in veteribus memoriis scriptum legimus nuntiatum esse senatui in sacrario in regia hastas Martias movisse. 366 Iulius Obsequens 19: [Spurio Postumio L. Pisone coss. (A.U.C. 606 / 148 v. Chr.)] Vasto incendio Romae cum regia quoque ureretur, sacrarium et es duabus altera laurus ex mediis ignibus inviolatae steterunt. 367 Festus 278. 368 Cass. Dio 54, 27, 3. 369 Festus 293: [...] ne eatenus quidem sacra (via) appellanda est a regia ad domum regis sacrificuli sed etiam a regis domo ad sacellum Streniae. 370 Serv. ad Aen. 8, 363: [...] domus in qua pontifex habitat regia dicitur, quod in ea rex sacrificulus habitare consuesset, sicut flaminia domus in qua flamen habitat, dicebatur 371 Serv. ad Aen. 8, 646: [...] quia occidi non poterat impediente, rex enim etiam sacrorum fuerat. 363 61 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? annimmt, daß der pontifex maximus in der Regia „habitat“ 372, also wohnt, worauf noch später eingegangen werden soll, muß der rex sacrorum an anderer Stelle seine (Amts-)Wohnung gehabt haben. Und besonders dann, wenn zu keiner Zeit irgend jemand in der Regia wohnte,373 muß die domus regis an anderer Stelle vermutet werden. Ausgehend von der Festus-Stelle wurde – bislang aber vergebens – nach der domus regis sacrorum gesucht.374 Als domus regis, aber auch als domus publica375 wird nach Cassius Dio aufgrund seiner Lage376 ein Gebäude östlich des atrium Vestae benannt.377 Die Stelle bei Cassius Dio zeigt das Dilemma der Forschung auf: Augustus will keine offizielle Residenz beziehen (οκαν τιν δηµοσαν), aber es ist seine Pflicht als pontifex maximus, eine solche zu bewohnen (ν κοιν" [...] οκε/ν χρ,ν). Weil er nun sein eigenes Haus auf dem Palatin (erst teilweise, dann später ganz) der Öffentlichkeit übergibt, erfüllt er die Verpflichtung, die er als pontifex maximus hat, und schenkt „das (Haus) des Königs der heiligen Dinge (=rex sacrorum)“ (τ5ν [...] το- βασιλ$ως τν *ερν) schließlich den vestalischen Jungfrauen. Der lateinische Begriff für „ν κοιν"“ wäre „in publico“ und eine „οκα δηµοσα“ wäre eine domus publica. Es drängt sich zunächst die Stelle bei Sueton378 auf, in der davon die Rede ist, daß Caesar „post autem pontificatum maximum in sacra via domo publica“ zieht. Beleuchtet man nur diese beiden Schriftstellen, ergeben sich einige Probleme: Handelt es sich um irgendein staatliches Gebäude, welches dem pontifex maximus als öffentliche Residenz dient, oder um eine bestimmte domus publica? Wenn letzteres zutrifft und die domus regis sacrorum nicht identisch mit dem Wohnsitz des pontifex maximus, also der domus publica ist, Wohnsitz von Opferkönig und oberstem Priester sich an unterschiedlicher Stelle befinden und beide 372 Serv. ad Aen. 8, 363: [...] domus in qua pontifex habitat regia dicitur [...] Jordan 1885: 424. 374 R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 189. 375 R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Domus Publica‘: 165s. 376 Cass. Dio 54, 27, 3. 377 E. Papi, LTUR, s. v. ‚Domus Regis Sacrorum/Sacrificuli‘: 169s. und 417, Abb. 49. 378 Suet. Caesar 46: [...] post autem pontificatum maximum in sacra via domo publica. 373 62 2. Die Regia auf dem Forum Romanum feste Institutionen sind, wirft dies zusätzlich folgende Frage auf: Wo befanden sich diese Gebäude? Das Gebäude beim atrium Vestae kann nicht beides – domus publica und domus regis – sein. Da die Regia nach Plinius379 in der Kaiserzeit von den pontifices weiterhin als Versammlungsort genutzt wurde, also noch in Funktion stand, ist nicht die Regia das Gebäude des Opferkönigs, welches Augustus den Vestalinnen übergab, sondern die domus regis, welche sich somit gleich bei den Vestalinnen befand? Dafür steht, daß Cassius Dio den Begriff „τ βασλειον“ verwendet, wenn er von der Regia spricht,380 von „τ5ν [...] το- βασιλ$ως τν *ερν“ aber als dem den Vestalinnen überantworteten Gebäude.381 Andererseits: warum verfügt Augustus als pontifex maximus über den Wohnsitz des rex sacrorum, und, wenn das Szenario richtig ist, wo wohnte ab dieser Zeit der rex sacrorum? Abgesehen von diesen Fragen, denen nicht weiter nachgegangen werden soll, wäre eine weitere Möglichkeit, „domus publica“ als „nomen communis“ anzusehen: 382 Sowohl der Wohnsitz des pontifex maximus als auch der des rex sacrorum gelten also als domus publica(e), als öffentliche Residenzen (οκαι δηµοσαι),383 die aber bis einschließlich Caesar auch bezogen werden mußten,384 d. h., eine Umwandlung des bisherigen Privathauses in eine öffentliche Residenz war also unmöglich. Somit wäre eigentlich auch die Regia als Amtslokal, als domus publica anzusehen, ein Haus von öffentlichem/staatlichen Interesse, gleichgültig, ob darin gewohnt wurde oder nicht. Womit also mindestens drei domus publicae existiert haben müßten: eine Regia, die identifiziert ist, ein Haus für den rex sacrorum und eines für den pontifex maximus. („Mindestens“ deswegen, weil auch analog nach Servius ad Aen. 8, 363: „flaminia domus in qua flamen habitat, dicebatur“). Eine weitere – ausschließlich spekulative – Variante wäre, daß es eine domus publica gegeben hat, in der 379 Plin. Ep. 4, 11, 6 Cass. Dio 43, 24, 4; Cass. Dio 48, 42, 4. 381 Cass. Dio 54, 27, 3. 382 Coarelli 1981: 242. 383 Cass. Dio 54, 27, 3. Der Triumvir und pontifex maximus Lepidus wohnte dann schon nicht mehr in Rom. 384 Suet., Caesar 46; auch zu Caesar Cass. Dio 43, 44 und Plin. 19, 23. 380 63 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? rex sacrorum und pontifex maximus unter einem Dach bzw. in einem Komplex wohnten, und die von Augustus aufgrund ihrer Nähe zu den Vestalinnen diesen zur Verwaltung übergeben worden ist, während der rex sacrorum weiterhin dort wohnte. Dieser Gedanke würde den Grundriß südöstlich des atrium Vestae einer Bestimmung übergeben und die Suche nach einem weiteren Gebäude überflüssig machen. Dagegen sprechen aber alle Schriftquellen, die beide Priester auf diese Weise nicht miteinander in Verbindung bringen; von einer „Wohngemeinschaft“ der beiden obersten Priester kann, während sie die Regia (mit anderen) als Ort für heiligen Handlungen teilten, also wohl nicht die Rede sein. Die verschiedenen Varianten haben natürlich einen unterschiedlichen Plausibilitätsgrad, und geht man zurück auf die bedeutsame Frage, ob der pontifex maximus in der Regia nicht nur seinen Amtsgeschäften nachging, sondern dort auch residierte, also wohnte, was allgemein bestritten wird, muß man noch bedenken, daß neben dem pontifex maximus auch noch der rex sacrorum, die vestalischen Jungfrauen und weitere Amtsträger die Regia für ihre kultischen Verrichtungen nutzten und zusätzlich auch noch die hastae Martis und das Heiligtum der Ops Consivia Platz fanden. Bei dem Gebäude, das als Regia gilt, ist dies zwar für die sacraria möglich ist, für eine Wohnung des pontifex maximus (und seiner Gattin?) bleibt dort aber kaum oder kein Platz. Hinzu kommt natürlich auch die Einschränkung Jordans, 385 in einem fanum oder sacrarium sei es nicht gestattet, daß ein Mensch wohne. Leider stehen der sich (jetzt) anbietenden Möglichkeit, an dieser Stelle die „Akten“ zur Frage, ob in der Regia jemals jemand gewohnt habe, endgültig „zu schließen“, zwei „Hindernisse“ entgegen: das eine in Form einer Stelle bei Cassius Dio über die Vorzeichen zur Ermordung Caesars,386 das andere in Form der schon erwähnten neu- 385 Jordan 1885: 424 (Angleichung der urspr. Rechtschreibung an die heutige Orthographie durch JL). Cass. Dio 44, 17, 2: πρς δ´ !τι κα( σηµε/α ο&τ´ Lλγα ο&τ´ 2σθεν, ατ" γ$νετο· τ τε 386 γρ 4πλα τ Jρεια παρ´ ατ" ττε Nς κα( παρ 2ρχιερε/ κατ τι πτριον κεµενα ψφον τ,ς νυκτς πολPν ποησε, κα( α* θ@ραι το- δωµατου ν Q κθευδεν ατµαται 2νεRχθησαν. 64 2. Die Regia auf dem Forum Romanum en Erkenntnisse zur Dekoration mit architektonischen Terrakotten von etruskischen Gebäuden. An dieser Stelle kann keine Diskussion über die Bewertung und Gewichtung von schriftlichen Quellen, also eine Methodologie der Quellenkritik, erfolgen. Und doch wäre es weder zulässig zu sagen, daß man mit ein und der selben Schriftstelle eine Tatsache und ihr Gegenteil beweisen könne, noch, daß man Schriften als „Gemengsel“ oder „windiges Gefasel“387 bezeichnet. Vor allem soll nicht für eine bestimmte Theorie unzulässig geworben, sondern für eine ausgewogene Betrachtung der Fakten und Meinungen, die über den zu behandelnden Gegenstand existieren, Sorge getragen werden. Die Bemerkung Cassius‘ Dio zu den Waffen des Mars (hastae Martis = τ 4πλα τ Jρεια), die am Vorabend der Ermordung Caesars einen „großen Lärm“ machten und das drohende Unheil damit voraussagten,388 ist nicht aus Gründen der zu erzielenden Wirkung oder Bedeutung der Stelle an das Ende der Zusammenfassung gesetzt worden, sondern aufgrund des Umstandes, daß in keiner vom Autor gefundenen und herangezogenen Untersuchung seitens der Wissenschaft zu diesem Thema diese Stelle erwähnt oder besprochen wird. Absicht? Selbst wenn Cassius Dio „windiges Gefasel“389 niedergeschrieben hätte, oder der Text dieser Stelle sekundär oder verderbt sein sollte, oder aus anderen Gründen nicht das Gewicht der anderen Kapitel in Dios Werk hat, muß doch darauf rekurriert werden, um das Bild abzurunden. Cassius Dio schreibt, daß die lärmenden Waffen (ancilia des Gottes Mars) sich in seinem [Caesars] Haus befunden haben – gemäß der alten Tradition und Ehrwürdigkeit seines Amtes als pontifex maximus.390 Diese Aussage steht in direktem Gegensatz zu den bislang angestellten Überlegungen, oder um es bildlich auszusprechen, hier liegt ein Puzzle-Teil vor, welches sich kaum in das bisherige Bild 387 Jordan 1885: 299, Anm. 128. Cass. Dio, 44, 17, 3: [...] τ τε γρ 4πλα τ Jρεια παρ´ ατ" ττε Nς κα( παρ 2ρχιερε/ κατ τι πτριον κεµενα ψφον τ,ς νυκτς πολPν ποησε [...] 389 Jordan 1885: 299, Anm. 128. 390 Cass. Dio, 44, 17, 3. 388 65 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? einfügen will und nirgendwo angesetzt werden kann, außer vielleicht an die Nachricht von Servius.391 Ganz offensichtlich geht die Cassius-Dio-Stelle mit dem bislang als Regia identifizierten Grundriß nicht konform, denn wenn die „hastae Martis in regia motae“, dann müßte auch Caesar in eben der Regia geschlafen haben und dafür ist nach dem jetzigen Befund schlicht und einfach kein Platz. Auswege wären: 1. Die Regia war – zur Zeit Caesars – größer (zweistöckig?) als ausgegraben, womit auch weitere Räume möglich wären, von denen sich vielleicht im Norden392 Reste erhalten haben. Ausgeschlossen ist eine größere Regia natürlich nicht, die Ausmaße der Regia des Calvinus, also die überbaute Fläche sprechen zwar nicht unbedingt dafür (denn sonst wäre die sacra via im Norden etwas versetzt verlaufen), aber auch nicht dagegen. Es haben sich aber – außer für die kaiserzeitliche Phase – für keine Zeit Ansätze von Treppen in ein weiteres Stockwerk gefunden, noch wurden sie von den Ausgräbern als möglich rekonstruiert – was die Frage nicht beantwortet, wo der pontifex maximus in den anderen Phasen gewohnt hat, wenn nicht in einem der zwei Räume (ohne den Durchgangsraum). Außerdem ist damit die unantastbare Heiligkeit der Regia, in welcher sich – als sacrarium – kein Mensch zu Wohnzwecken aufhalten durfte (s. o.), infrage gestellt. Sagen also Gellius,393 Iulius Obsequens394 und Festus,395 daß die Regia ein sacrarium oder fanum besessen habe oder eine sacrarium resp. fanum sei, wie schon vor- 391 Serv. ad Aen. 8, 363: domus in qua pontifex habitat regia dicitur, quod in ea rex sacrificulus habitare consuesset, sicut flaminia domus in qua flamen habitat, dicebatur Brown 1967: 56 und Abb. 4; R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:463, Abb. 79 (Abb. 5) und Abb. 80 (Abb. 6). 393 Gell. N. A. 4,6, 1-2: VI. [...], quod in sacrario hastae Martiae movissent; [...] I. Ut terram movisse nuntiari solet eaque res procuratur, ita in veteribus memoriis scriptum legimus nuntiatum esse senatui in sacrario in regia hastas Martias movisse. 394 Iulius Obsequens 19: [Spurio Postumio L. Pisone coss. (A.U.C. 606 / 148 v. Chr.)] Vasto incendio Romae cum regia quoque ureretur, sacrarium et es duabus altera laurus ex mediis ignibus inviolatae steterunt. 395 Festus 278. 392 66 2. Die Regia auf dem Forum Romanum sichtig angemerkt wurde? Dieser Frage soll im folgenden Abschnitt nachgegangen werden. 2. Die hastae Martiae befanden sich nicht mehr in der Regia, sondern im Haus Caesars des pontifex maximus. Und dies wird wohl zutreffen. Denn wie oben im Zusammenhang mit den hastae Martiae beschrieben, wurden sie (sowohl die hastae Martiae als auch die ancilia wurden unter den „Waffen des Mars“ subsumiert) in einer über drei Wochen dauernden (vom 1. bis 24. März eines jeden Jahres) Prozession durch die Stadt getragen. Dabei kehrten die salii immer wieder über Nacht in „geeignete Gebäude“ 396 ein und feierten dort ein üppiges Fest. Nun wurde Caesar am 15. März 44 v. Chr. ermordet, und die Schilde lärmten in der Nacht zuvor. Was liegt also näher, als daß die Salier an diesem Abend des 14. März mit den hastae Martiae in das Haus Caesars eingekehrt waren und dort über Nacht blieben: Niemand wird leugnen, daß das Haus des pontifex maximus eines der geeignetsten Gebäude für eine Station ist. Dies bedeutet, daß Caesar keinesfalls in der Regia gewohnt haben kann, denn die Speere des Mars konnten sich am Vorabend des 15. März nicht in der Regia befinden. In Verbindung mit der schon dargestellten Stelle bei Sueton (Caesar 46) kann man also sicher sein, daß der pontifex maximus nicht in der Regia wohnte, sondern diese nur sein Amtshaus war, wo er sich zu kultischen und anderen Versammlungen aufhielt. Das Haus des pontifex maximus muß also an anderer Stelle gesucht werden, möglicherweise also gegenüber auf dem Gebiet des atrium Vestae. 2.3.2 Hausarchitektur in Etrurien Um über die Regia Erkenntnisse gewinnen, ihre Funktion besser verstehen zu können, kann man nicht nur die Funde vor Ort und die Schriftquellen betrachten und abwägen, man muß auch „in die Ferne schweifen“ und hoffen, Parallelen für diese ungewöhnliche Architektur zu finden, welche die Regia vielleicht nicht mehr gar so ungewöhnlich erscheinen lassen. 396 Ogilvie 1986: 101. 67 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? In den letzten Jahrzehnten hat sich das Bild von etruskischer Architektur entscheidend gewandelt. Während bis in die 60er Jahre des 20. Jh.s noch relativ wenig über die Hausarchitektur (wenn, dann v. a. durch „Miniaturmodelle in Hausform wie Urnen und Cippen“, durch „die reiche Innengliederung etruskischer Tumulusgräber“397 mangels anderer Funde) bekannt war, konnten sich nach den spektakulären Ausgrabungen in Murlo, Acquarossa und Le Ferriere neue Erkenntnisse Bahn brechen.398 2.3.2.1 Forum-Haus, Rom, Sacra Via Das Forum-Haus über dem sog. sepulcretum in Nachbarschaft zur Regia an der sacra via,399 welches schon Boni ausgegraben hatte, läßt sich im Licht der Regia (oder vice versa) neu betrachten. Beide Gebäude weisen eine erstaunlich ähnliche Grundrißstruktur auf für die Periode 4 des Forum-Hauses und für die 4. Regia (und folgende Phasen): einem Ensemble von drei (miteinander verbundenen?) Räumlichkeiten ist eine (im Fall des Forum-Hauses: viersäulige) porticus vorgelagert. Nur der mittlere Raum war von der porticus aus betretbar,400 von dort aus gelangte man weiter in den linken Raum. Der rechte Raum war wohl nur von der Rückseite durch einen Hof und über eine Rampe betretbar und besaß vielleicht eine „umlaufende Lagerstätte“, welche bei dem Raum auf ein triclinum schließen läßt.401 Der Vorgängerbau aus dem Jahr um 530-500 v. Chr., welcher zeitgleich oder etwas später als das Auftreten dieser dreiteiligen Struktur des Gebäudegrundrisses bei der Regia entstand, kann kaum noch nachgewiesen werden, nur der Zugang von der sacra via aus ist gesichert.402 Die Frage, ob das Forum-Haus der Periode 4 (Mitte 5. Jh. v. Chr.) die Struktur der Regia aufgreift, bzw. welche oder ob überhaupt eine Abhängigkeit zwischen beiden Gebäuden besteht, kann vorerst nicht geklärt werden. Daß die Ähnlichkeit zwischen 397 Prayon 1975: Einleitung. Prayon 1975: Einleitung. 399 Prayon 1975: 143ss.; Holloway 1996: 55ss. 400 Prayon 1975: 145. 401 Prayon 1975: 145. 402 Prayon 1975: 143. 398 68 2. Die Regia auf dem Forum Romanum dem Gebäudekörper des „Forum-Hauses“ und dem der Regia nicht zufällig oder absichtslos ist, zeigen weitere Befunde. 2.3.2.2 Acquarossa (Monumental-Zone F) Die etruskische Siedlung Acquarossa neben der römischen Stadt Ferrentium wird seit 1966 von schwedischen Archäologen ausgegraben. Ganz Acquarossa wurde um 500 v. Chr. von einem großen Brand zerstört und nicht wieder auf- oder überbaut. Daher lassen sich die Gebäude aus dem 7. und 6. Jh. v. Chr. sehr gut rekonstruieren. Der „typische“ Grundriß eines der 20 zum Vorschein gekommenen Häuser war ein dreizelliges Gebäude mit einer vorgelagerten porticus.403 2.3.2.2.1 Zone F: Hofanlage E In der kleinen Ortschaft Acquarossa, 6 km nördlich von Viterbo wurde 1967 in der Zone F, der sog. „Monumental-Zone“, ein großes Haus („Palast“, A-C) und eine Hofanlage (Gebäude E) mit einem dreiteiligen Gebäude im Süden des Hofes ausgegraben. Die „Dreizellenanlage“ südlich des Hofes E 404 (der Komplex befindet sich rund 7 m östlich des „Palastes“ A-C), von der der Ostraum nur teilweise erhalten ist, weist große Ähnlichkeit mit dem „Forum-Haus“ in Rom auf. Der mittlere und der westliche Raum weisen einen annähernd rechteckigen Grundriß von 5 x 4,5 m resp. 4,5 x 4,5 m auf.405 Im Gegensatz zum „Forum-Haus“ fehlen wahrscheinliche, verbindende Öffnungen zwischen den Räumen, der mittlere Raum ist von Süden und vom Hof im Norden aus betretbar, die beiden ihn flankierenden Räume nur vom Hof aus. 2.3.2.2.2 Zone F („Palast“, A-C) Das „Palast“ oder „Herrenhaus“ genannte406 L-förmige und größte Gebäude im Ausgrabungsgebiet F besteht aus drei Teilen, denen jeweils eine porticus vorgelagert ist und die nicht durch Türöffnun- 403 Etrusker & Römer 1999: 46. Östenberg 1975: 24. Östenberg 1975: 24. 406 Etrusker & Römer 1999: 48. 404 405 69 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? gen miteinander verbunden sind. Die beiden Hauptgebäude, im rechten Winkel aneinandergefügt, besitzen eine große Anzahl von Räumlichkeiten, die in unterschiedlichem Bezug zueinander angeordnet sind. Das Nebengebäude D, in der ersten Phase wohl um 600 v. Chr. errichtet,407 ist nicht vollständig rekonstruierbar, wird aber z. T. so gesehen, daß es die A gegenüberliegende Hofseite ganz einnimmt. Gebäude A408 (ca. 10 x 16 m) wird nun wieder als ein dreiteiliges Gebäude rekonstruiert, dessen mittlerer, die beiden Flügelräume verbindender Raum, der Hauptraum des Gebäudes ist. Die Befunde reichen aber nicht aus, um eine zusätzliche Öffnung (eines) der beiden Räume im Westen und Osten des großen Hauptraumes auch auf die 4säulige porticus im Süden auszuschließen. Die Rekonstruktionszeichnungen weisen für A verschiedene Varianten aus. Die drei Räume und die vorgelagerte porticus sind nur über den Hof von Süden aus zugänglich und nicht durch Türöffnungen des sich anschließenden Bereiches B. Der Bereich B – (9 x 10 m),409 kein architektonisch eigenständiges Gebäude, sondern der Nordflügel des an der Ostseite des Hofes befindlichen größten Hauptgebäudes – besteht aus drei Räumen. Die beiden kleineren, fast gleich großen und fast quadratischen Zimmer sind an der südlichen Längswand des dritten Zimmers angeordnet. Der eine quadratische Raum, der von der nördlichen Schmalseite der porticus von B und C betreten werden kann, war wahrscheinlich ein Durchgangsraum, von dem aus man das andere kleine Zimmer und den großen Raum betreten konnte. Der Gebäude-Teil C,410 an dessen westlicher Längsseite (24 m) eine 5säulige porticus angrenzt (von der aus B zugänglich ist – s. o.), besteht aus vier abwechselnden quadratischen (q) und rechteckigen (r) Räumen in der Abfolge q1-r1-q2-r2 (von Nord nach Süd). Die Zimmer q1 und q2 sind nur von r1 aus zugänglich, welcher sich auf die porticus hin öffnet. In der Mitte dieser weiten Öffnung von 4,5 m befand sich eine Säule, deren Basis noch in situ erhalten ist,411 wo407 Östenberg 1975: 19. Östenberg 1975: 18. 409 Östenberg 1975: 18. 410 Östenberg 1975: 18s. 411 Östenberg 1975: 19. 408 70 2. Die Regia auf dem Forum Romanum durch r1 einen herrschaftlich-repräsentativen Charakter erhielt. Der rechts von r1 abgehende Raum q2 weist Reste eines an drei Seiten umlaufenden Podiums auf, welches wahrscheinlich Klinen getragen hat. Damit wäre q2 als Speiseraum (Triclinum) genutzt worden. r2 (Länge: 6,5 m) ist „direkt von der porticus aus“ 412 erreichbar. Ihm gegenüber auf der anderen Seite der Säulenstellung war noch ein weiterer kleiner, quadratischer Raum (2,5 x 2,5 m), der wieder an den Abschnitt D angrenzt. 2.3.2.2.3 Die Dach-Dekorationen von Acquarossa Die Dächer der Häuser in Acquarossa waren mit TerrakottaZiegeln gedeckt und besaßen einen, zum Teil aufwendigen Schmuck. Die bemalten architektonischen Terrakotten sind von Charlotte Wikander413 in der Schriftenreihe des Königl. Schwedischen Instituts in Rom ediert und besprochen worden. Zu den beiden Portiken vor A und C der Zone F wurden viele Reste von sog. „revetment plaques“ (Verkleidungen), und Antefixen mit Köpfen von Mänaden gefunden.414 Während man sich früher kaum Gedanken über die differenzierte Identifikation von Gebäuden mit architektonischen Terrakotten machte, sondern anhand der Terrakotten stereotyp auf einen Tempel schloß,415 konnte man in dem vorhandenen Grundriß nun ganz und gar nicht den eines Tempels vermuten. Er entspricht vielmehr dem eines großen Wohnhauses mit Speise- und Schlafzimmern, Räumen zur Repräsentation, zur Unterbringung von Pferden, für Vorratshaltung und zur Vorbereitung von Speisen. In diesen – modern gesprochen – „Multifunktions-Komplex“ ist sicherlich auch ein Heiligtum integriert gewesen, in welchem der Herr des Hauses (des Ortes?) kultischen Verrichtungen für die Gemeinschaft (bestehend aus blutsverwandter Familie und Personal) nachging.416 Vor allem sprechen auch die dargestellten Motive und Szenen eine andere Sprache:417 Neben Episoden aus dem tatenreichen Leben des Herkules – H. mit 412 Östenberg 1975: 19. Wikander 1981 414 Wikander 1981: 47. 415 Andersen 1993: 71. 416 Etrusker & Römer 1999: 48 und Holloway 1996: 60. 417 Vgl. Stopponi 1985: 41ss., bes. 56ss. Abb. 50. 413 71 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? Stier (Acheloos oder der kretische Stier?), H. und der nemeische Löwe418 – ist auch ein Trinkgelage (symposion) abgebildet, welches sicherlich auf den Alltag und das Leben der in diesem Haus wohnenden Menschen der Oberschicht hinweist. 2.3.2.3 Murlo (Poggio Civitate)419 Ein gleiches Phänomen findet man in Murlo (Poggio Civitate): Das mit Recht „Palast“ zu nennende Haus ist ein Gebäude aus einem Guß. Um einen quadratischen Hof mit Säulenreihen an drei Seiten befinden sich eine Reihe von unterschiedlich großen quadratischen oder langgestreckt rechteckigen Räumen, welche sich in der Mehrheit auf den Hof hin öffnen. Nur je ein Zugang zum Palast findet sich an den zwei gegenüberliegenden Flügeln. Insgesamt bietet sich dem Betrachter ein Bild von Einheitlichkeit, Geschlossenheit und Monumentalität (der Komplex hat 62,0 m Seitenlänge)420, ganz im Gegensatz zum zuvor besprochenen Gebäudekomplex von Acquarossa, welches einen additiven und offenen Charakter besitzt. Die prächtigen architektonischen Terrakotten (Reliefplatten, Antefixe mit Reiter-Darstellungen)421 aus dem 7. und 6. Jh. v. Chr.422 (Phase 1 und 2) und der Grundriß, der auch an Renaissance-Palazzi Italiens erinnert, verweisen mehr auf eine große und mächtige Adelsfamilie als auf ein Heiligtum. 2.3.2.4. Borgo Le Ferriere (Satricium)423 Bedauerlicherweise ist keinerlei architektonische Terrakotta von den Hof-Gebäuden A und B in Le Ferriere gefunden wurden.424 Die aus der Zeit 600-540 v. Chr. stammenden zwei Komplexe A und B425 haben die gleiche Matrix: Zwei langgestreckte Gebäude fast gleicher Länge mit je drei oder vier Räumen stehen sich im Abstand von ca. 418 Holloway 1996: 58. Abb. 51, 52. Maaskant-Kleibrink 1991: 103. 421 Etrusker & Römer 1999: 49 und Holloway 1996: 60s. 422 Torelli 1983: 475s. 423 Abb. 53, 54. 424 Maaskant-Kleibrink 1991: 100. 425 Maaskant-Kleibrink 1991: 91. 419 420 72 2. Die Regia auf dem Forum Romanum 15 m parallel gegenüber. Der so gebildete Hof wird an der einen Seite (nach NO) von einer Mauer abgeschlossen, die andere Seite bleibt in voller Breite offen.426 In der Komposition des Inneren ist die Aufteilung in große Räume, die von deutlich kleineren flankiert werden, ähnlich wie in Acquarossa und z. T. in Murlo auffällig. Ein schematischer Vergleich von Le Ferriere (A und B) und Acquarossa (A bis C) macht diese Gemeinsamkeit evident. Auch hier findet sich zudem eine porticus vor einem Flügel des Gebäudes A.427 2.3.2.5 Zusammenfassung Elemente etruskischer Tempel – dekorative Terrakotten und Säulen – sind, wie die vorgeführten Beispiele zeigten, nicht bindend nur auf Tempel zu beziehen.428 Auffällig ist auch, daß diese Art der Dach-Dekoration nach dem dritten Viertel des 6. Jh.s v. Chr. (mit Ausnahme von Marzabotto) für Privathäuser nicht mehr nachweisbar ist.429 Dies korrespondiert zumindest teilweise mit der Regia, deren Dekorationen vor allem der 3. Phase (Mitte des 6. Jh.s v. Chr.) zugeschrieben werden. Wie schon ausgeführt, „wurden ungleich weniger Überreste der Architektur-Terrakotten von der 4. Regia gefunden als von ihrem Vorgängerbau.“ Andererseits bedeutet, daß überhaupt Terrakotten aus dem letzten Viertel des 6. Jh.s gefunden wurden, daß hier – im Gegensatz zu Acquarossa, Murlo und Le Ferriere – weiter diese Dekorationen angebracht wurden. Und da die Regia also nach 525 v. Chr. noch Terrakotta-Dekoration besaß, kann sie – nach Andersen – in dieser Zeit kein Privathaus gewesen sein.430 Wenn im Abschnitt 2.3.2.4 auf die schematisierte Komposition des inneren Grundrisses von Gebäuden eingegangen wurde, muß dieser Vergleich natürlich auch für die Regia erfolgen. Auch bei der Regia lassen sich mit der 3. und allen folgenden Phasen diese Kompositionselemente nachweisen: kleiner quadratischer Raum (q) und langgestreckter rechteckiger Raum (r). Daß die Wände z. T. nicht ganz im Winkel von 90° aufeinandertreffen, wie dies übrigens auch 426 Vgl. Maaskant-Kleibrink 1991: 95s. Abb. 55. 428 Andersen 1993: 86. 429 Andersen 1993: 86. 430 Einfacher Syllogismus. 427 73 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? in Acquarossa und Le Ferriere der Fall ist, muß keine Abweichung vom Schema bedeuten, zumal die Regia im Laufe ihrer Geschichte im Grundriß sehr durch ihren Standort geprägt ist, was ihren unregelmäßigen Außen- und Innen-Grundriß hinreichend erklärt. Dies bedeutet, daß sowohl im Aufbau eines Hauses mit eindeutig privatem Charakter (welches natürlich für die Mitglieder der städtischen Oberschicht gebaut wurde), dessen Elemente fast wie Fertigteile nach bestimmten Mustern aneinandergefügt wurden,431 als auch in der Dekoration mit bemalten und z. T. reliefierten Antefixen, Simen, Akroteren und Fries-Platten sowie der Verwendung von Portiken und Höfen, sich eindeutig Ähnlichkeiten und Parallelen zwischen der Regia in Rom und anderen Häusern finden lassen. Alle genannten Elemente, die z. B. der Komplex A-C in Acquarossa aufweist, sind auch in der Regia der 3. und der folgenden Perioden nachzuweisen. Auch die – vorsichtigen, weil nicht ganz abgesicherten – Rekonstruktionen der Giebel und der Dachkonstruktion allgemein432 lassen die Regia nicht als ein singuläres oder außergewöhnliches Bauwerk erscheinen. Gerade auch die Existenz von Zisterne und Herd (letzterer im geschlossenen Raum), weist auf die Bedienung von menschlichen Grundbedürfnissen (Wasser, Nahrungszubereitung und Wärme) hin, was für eine, auch andauernde Bewohnbarkeit der Regia sprechen kann. 2.3.3 Interpretation der archaischen Fries-Platten der 3. Regia Die Interpretation der architektonischen Terrakotten, genauer, der Motive der Fries-Platten, ist eigentlich ein Exkurs, bei dem verschiedene Möglichkeiten erwogen werden sollen. Die bildliche Darstellung der Tiere und des Mischwesens regen die Phantasie und die Spekulationsfreude im Übermaß an, und man darf sich nicht von (im Wortsinne!) “zwingenden“ Erklärungen verführen lassen, sonst erlebt man vielleicht am Ende eine Ernüchterung wie die Kunsthistori431 (Maaskant-Kleibrink 1991: 97ss.) – Wobei es fraglich ist, ob man der Schematisierung außerordentlich viel Gewicht beimessen soll oder ob dies nicht eine Rückprojektion unserer Massen-Fertigteil-Architektur ist Und außerdem: die ökonomischste und praktischste Bauweise erfolgt mit geraden Wänden, die im rechten Winkel zueinander stehen – da ist nicht viel Auswahl in der Komposition zu erwarten. 432 Abb. 56, 57, 58. 74 2. Die Regia auf dem Forum Romanum ker, die im 19. Jh. Tizians Gemälde [z. B. die sog. „Venus von Urbino“] von statuenhaften, nackten liegenden Frauen [...] als symbolgeladen betrachtet“ haben: „man behauptete, es handle sich um veranschaulichte Interpretationen von Allegorien aus der klassischen lateinischen Literatur.“ 433 Schlußendlich fanden sich aber Briefe aus der Zeit, die belegen, „daß diese Kunstwerke gemalt wurden, weil es eine starke Nachfrage nach Schlafzimmerbildern von erotischen Nackten in wollüstigen Posen gab.“ 434 Die Bedeutung der aufgefundenen architektonischen Terrakotten, welche der 3. und der 4. Regia zugeordnet werden, liegt für diese Untersuchung nicht allein in ihnen selbst, sondern vor allem in der Tatsache, daß solche Terrakotten nicht allein an Tempeln, sondern auch an privaten (Wohn-)Häusern in Etrurien und dem etruskischen Einflußgebiet zu Dekorationszwecken verwendet wurden. Nichtsdestotrotz soll nun versucht werden, die Bilderwelt der archaischen Fries-Platten der 3. Regia auf ihren Symbolgehalt zu untersuchen. Das stierköpfige Wesen erinnert natürlich spontan an den Minotaurus,435 der aber in der Kunst meist nackt436 entweder im mythologischen Zusammenhang (Theseus, Aridane) dargestellt wird,437 und nicht – auch nicht alleine438 – mit einem Schurz bekleidet, wie der Stierköpfige der Regia. In der Komposition der Motive auf den Fries-Platten – ein Stierköpfiger zwischen ausschreitenden Wildkatzen – und (als Variante) ein großer Vogel zwischen ausschreitenden Wildkatzen lassen sich keine bislang bekannten oder gar gängigen Bilder wiedererkennen. So wurde das Mischwesen auch allg. arche- 433 Jardine 1999: 19. Jardine 1999: 19. 435 Dieses Assoziation haben Torelli 1983: 487-89 und Coarelli 1983: 63-64. 436 Bekleidet im mythologischen Kontext ist er auf einer Polledara Hydra aus der „Grotte der Isis“ in Vulci zu sehen (Downey 1995: 20). 437 Vgl. Attische schwarzfigurige Amphora (ca. 540 v. Chr.); Seite A: Theseus und der Minotaurus, Seite B: Herakles und Löwe. Staatl. Antikensammlungen und Glyptothek, München (No. 1397). 438 Wie auf einem Silberstater aus Knossos, ca. 425-360 v. Chr.; Obvers: nackter Minotaurus laufend nach links, Revers: labyrinthisches Mäander-Muster. Arthur S. Dewing Collection (No. 1981); Minotaurus laufend nach rechts im Knielaufschema: Kat. 148 aus „Pferdemann und Löwenfrau – Mischwesen der Antike“, Ausstellungskatalog, München 2000 (Ursprung: Paris, Cabinet des Médailles). 434 75 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? typisch identifiziert,439 oder – wohl in Anlehnung an die AlcathoëSage (womit auch die Löwen und/oder Panther erklärt wären) – als Dionysos, dessen Attribut auch ein Stier sein konnte. 440 Die Stellung und Funktion des Vogels bei diesen Erklärungsversuchen bleibt hingegen im Dunklen. Auch wenn der Minotaurus in seinem ursprünglichen mythischen Kontext – als das Monster, das er ist – meist nackt dargestellt wird,441 kann er auch mit einem Lendenschurz („chitoniscus“) bekleidet in einer Szene mit Theseus auftauchen.442 „Unser“ lendenbeschürzter Stierköpfiger der Regia-Friesplatte ist entweder ganz aus dem üblichen Hintergrund der Geschichte von Minos, Ariadne, Theseus herausgetreten und davon isoliert443 – oder man muß annehmen, daß es sich bei der dargestellten Figur nicht um den Minotaurus handelt. Dieser Annahme, daß eine andere Figur als der Minotaurus dargestellt ist, ging Pietro Romanelli444 nach und schlug vor, die Wildkatzen als Panther anzusehen und den stierköpfigen Mann als stierköpfigen Dionysios. Sowohl der Panther, als auch der Stier sind Tiere des Dionysios, der Stier aber tauche nur seltener in diesem Zusammenhang auf. Leider bleibt P. Romanelli Beispiele schuldig, genauso wie eine Erklärung für den Vogel in diesem dionysisch gedeuteten Bilderzyklus.445 Somit lassen sich drei verschiedene Erklärungen für die Darstellung des stierköpfigen Wesens finden: a) Es handelt sich um den Minotaurus, was politisch motivierte Intention unterstellt; Vertreter dieser Theorie sind u. a. M. Torelli446 und F. Coarelli.447 b) Es handelt sich um einen stierköpfigen Menschen, also ein Mischwesen, mit oder vor allem ohne einen mythischen Hintergrund; es wäre viel439 Downey 1995: 22. Romanelli 1955: 206. 441 Downey 1995: 20, und Anm. 46. 442 Vgl. Polledara Hydra aus der „Grotte der Isis“ in Vulci (Downey 1995: 20). 443 Wäre er es nicht, wäre eine Diskussion um die Benennung und auch die Hilfskonstruktion „stierköpfiger Mann“ sicherlich obsolet. 444 Romanelli 1955a: 206. 445 Downey 1995: 22. 446 Torelli 1983: 487-89. 447 Coarelli 1983: 63-64. 440 76 2. Die Regia auf dem Forum Romanum leicht eher als ein archaisches Wesen im common sense des unspezifisch Urzeitlichen anzusehen.448 c) Es handelt sich um den Gott Dionysios mit Stierhaupt und um ihn begleitende Panther: Pietro Romanelli und seine Theorie449 haben jedoch keine weitere Unterstützung gefunden. Betrachtet man die Gottheiten, welche in der Regia ein Heiligtum besaßen (Mars, Ops Consivia) und welche außerdem vom rex sacrorum und den anderen schon genannten Priestern kultisch verehrt wurden (Iuno, Ianus, Consus, Iuppiter) so ist auffällig, daß alle diese Götter (mit Ausnahme von Iuppiter, trotz seiner reichhaltig unter Beweis gestellten Zeugungsfähigkeit) einen engen Bezug zur Fruchtbarkeit, zur Vegetation, zum Werden und Vergehen der Natur, also zum Ackerbau haben. Die römische Religion war eine ursprünglich „agrarische“ Religion, die sich in der Republik zu einer staatstragenden Religion umwandelte.450 Bestes Beispiel für die Verbindung von Ackerbau und Staat ist der sagenhafte Römer Cincinnatus, der nach getaner Arbeit in nur 16tägiger Diktatur „ohne Federlesen“ wieder zu seinem Pflug und seiner Scholle zurückkehrte. Consivia oder Consivius (=„Fortpflanzerin“, „Fortpflanzer“) ist der Beiname für Ops, eine altitalische Fruchtbarkeitsgöttin, und für Ianus,451 der auch mit Iuno in Verbindung gebracht wurde.452 Iuno selbst, der die regina sacrorum ein Schwein oder ein Schaf in der Regia opferte, stellte „die jugendliche, die junge Frau (in empfängnisfähigem Alter )“453 dar. Auch Mars kann nicht nur als Gott des Krieges, wie er zumeist dargestellt und gesehen wird, sondern ohne Verrenkungen auch als Gott der Fruchtbarkeit und des Ackerbaus bezeichnet werden: Der Gott, wohl sabinischen Ursprungs (Mavors, 448 Downey 1995: 22. Romanelli 1955a: 206. Stewart 1999. 451 WdM: 145: „Consevius, Consivius, Consivia (Röm. M.), ‚Fortpflanzer, Fortpflanzerin’, Beiname des Janus und der Ops, einer latinischen Göttin der Fruchtbarkeit, Gemahlin des Saturnus, welche von späteren Mythographen mit Rhea identificirt worden ist..“ 452 Macrob. Sat. 1, 15, 19: Romae quoque Kalendis omnibus, praeter quod pontifex minor in curia Calabra rem divinam Iunoni facit, etiam regina sacrorum, id est regis uxor, porcam vel agnam in regia Iunoni immolat: a qua etiam Ianum Iunonium cognominatum diximus, quod illi deo omnis ingressus, huic deae cuncti Kalendarum dies videntur adscripti. 453 Pfiffig 1998: 266. 449 450 77 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? Mamers, Marmar), war in der archaischen Zeit mit der „alle Lebensverrichtungen durchdringenden und beherrschenden männlichen Kraft und Stärke“ 454 verbunden. „Insbesondere war er Gott des Akkerbaues, den man um Segen für die Feldfrüchte anrief“. 455 Nicht umsonst trägt der Frühlingsmonat März seinen Namen: Neben der Aussaat wurden auch Kriege, die im Winter unterbrochen wurden, im Frühjahr wieder aufgenommen. Als Kriegsgott beschützte Mars Acker und Feld vor Eindringlingen und Feinden, in Friedenszeiten (deren Ende er durch die prodigia der hastae Martiae anzeigte) beschützte er das Land des einzelnen Bürgers und trug mit Sorge für den Ertrag aus der Bearbeitung des Bodens. Welche Hinweise finden sich nun zu den auf den Fries-Platten dargestellten Wesen? Stehen Wildkatzen (Panther, Leoparden, Löwen), ein stierköpfiges Mischwesen und ein Vogel (Strauß oder Kranich) in irgendeinem Bezug zu den in der Regia verehrten Göttern oder zu den Göttern, denen andere Personen, welche mit der Regia in Verbindung gebracht werden, kultische Handlungen entgegenbrachten? Untersucht man zunächst noch einmal die schon von P. Romanelli456 aufgebrachte Theorie, das stierköpfige Wesen solle als Dionysios interpretiert werden, ist zunächst nochmals festzuhalten, daß Stier, Panther und Löwe im Zusammenhang mit dem Gott auftauchen: In der Alcathoë-Sage nimmt der Gott selbst nacheinander die Gestalt dieser Tiere an.457 Daß Dionysios/Bacchus ein Fruchtbarkeitsgott ist, muß nicht eigens betont werden. Nach einem Nebenstrang des Dionysios-Mythos soll er „in Indien gelebt, den Obst- und Weinbau und die Veredlung der Früchte gelehrt, ein Sohn des Jupiter und der Proserpina (oder ihrer Mutter, der Ceres), dem Menschengeschlecht den nützlichen Stier gebracht und dasselbe zur Vervoll- 454 WdM: 323. WdM: 323. Vgl. Romanelli 1955a: 206. 457 WdM: S. 25: s. v. Alcathoë: A. und ihre Schwestern Arsippe und Leucippe vergaßen das Fest des Bacchus zu feiern und blieben statt dessen an ihren Webestühlen sitzen; der Gott forderte sie selbst zur Teilnahme an der Feier auf, und da sie nicht sogleich Folge leisteten, erschreckte er sie dadurch, daß er sich in einen Stier, einen Panther, und schließlich in einen Löwen verwandelte. 455 456 78 2. Die Regia auf dem Forum Romanum kommnung des Ackerbaues geführt haben“. 458 Nach Pfiffig ist Semele, die Mutter des Dionysios in der griechischen Mythologie eine Erscheinungsform der Demeter/Ceres459 (phryg. zemelo– = irdisch).460 Der Bezug zu Feld, Vegetation und Ackerbau ist damit offensichtlich. In der verschlungenen und alles mit allem verwebenden Welt der Mythologie ist es nicht verwunderlich, daß Dionysios auch mit Ariadne, der Protagonistin der Theseus-und-Minotaurus-Sage in Verbindung steht: Ariadne sei die Herrin des Labyrinths und mit Dionysios vermählt gewesen; dieser habe sie nach ihrer Entführung durch Theseus töten lassen.461 Wenn man den Vogel als Kranich interpretiert, findet man für sein Auftauchen auf der Fries-Platte auch eine Erklärung: Der Kranich war – wenn auch nicht geklärt ist, warum – ein heiliger Vogel der Demeter/Ceres. „Sein Vogelzug, in dessen Verlauf er den Frühling ankündigte, machte ihn zum Symbol der Erneuerung, [...] sein auffälliger Balzschritt wurde zum Vorbild des Kranichtanzes (Geranikos) und zum Inbegriff der Lebensfreude und Liebe.“462 Die zwölf fratres Arvales, von deren Bezug zur Regia wir durch eine Inschrift wissen, 463 feierten im April „zu Ehren der Ceres, des Bacchus und anderer Feldgötter“ ein Fest, „zur Abwendung des Unglücks von den Getreidefeldern“.464 Sie standen dem Umzug und den Opfern vor und trugen Ährenkränze mit weißen Wollbinden.465 Es 458 WdM: 91s. WdM: 130:Ceres/Demeter ist die Göttin der fruchttragenden Erde, also des Ackerbaues, aber auch Göttin der Ehe und der Ehefrauen insbesondere, die daher manche Theile ihres Dienstes mit Ausschluss der Männer verrichteten; als Ackerbau-Göttin auch Göttin des durch Gesetze gesittigten Lebens. Der Mythus von ihrer aus der Tiefe der Erde wiederkehrenden Tochter wurde häufig, besonders in den Mysterien, auch auf die Unsterblichkeit der Seele bezogen.“ [...] „In Italien wurde sie auch von den Etruskern unter den höchsten Gottheiten verehrt und mit dem Jahresgott Vertumnus zusammengestellt. Der Name C. sollte von den Sabinern genommen sein, und in ihrer Sprache Brot bedeuten.“ 460 Pfiffig 1998: 290. 461 Pfiffig 1998: 290. 462 LdS: 244s. 463 CIL VI 2023a (9). 464 WdM: 34. 465 WdM: 34. 459 79 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? gibt also vielfältige Bezüge zwischen der Regia, ihrer Dekoration im 6. Jh. v. Chr. und der römischen Religion und ihren Kulten. Läßt man der Phantasie ein wenig die Zügel schießen,466 stößt man auf die Acheloos-Sage bei Ovid.467 Der Flußgott Acheloos erzählt Theseus, der auf dem Weg nach Athen ist, wie er mit Herakles rang, wie er dabei zunächst die Gestalt einer Schlange: „meas devertor ad artes, elaborque viro longum formatus in anguem“ (Met. 9, 62s.) und dann die eines Stieres: „sic quoque devicto restabat tertia tauri forma trucis“ (Met. 9, 80s.) annahm. Herakles brach ihm dabei ein Horn ab, aus welchem die Najaden das Füllhorn schufen: „naides hoc, pomis et odoro flore repletum, sacrarunt; divesque meo Bona Copia cornu est.“ (Met. 9,87s.) Flußgötter wie Acheloos, Skamadros, etc. wurden in der griechischen Mythologie oft als tiermenschliche Mischwesen dargestellt, so auch als „Menschen mit Stierkopf“.468 In der Beschreibung zum Gemälde „Achelous and Hercules“, des US-amerikanischen Malers Thomas Hart Benton aus dem Jahre 466 Ein weiterer Aspekt, der im Laufe der Untersuchungen hervorstach, war, daß die Bauarbeiten an der Regia immer wieder durch Feuer und/oder Überflutung (Brown 1976, 26s., Downey 1995: 6, Poucet 1980: 309.) notwendig geworden waren: so auch um die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr., auf welche die 3. Regia folgte. Auch die vor der ersten Regia errichteten Hütten scheinen immer wieder durch Fluten (und Brände) zerstört und umgehend wieder neu aufgebaut worden zu sein. (Brown 1967: 51s.) 467 Ovid, Met. 8, 547-9, 100. 468 LdS: 371. 80 2. Die Regia auf dem Forum Romanum 1947,469 heißt es: „The myth of Achelous and Hercules explains how the development of agriculture depended on the taming of rivers that overflow their banks and destroy cropland. At flood season the river god Achelous assumed the form of an enraged bull. He wrestled with Hercules for the favors of Deianira, who symbolized the fertile river delta.“470 Schon im 6. Jh. v. Chr. fand Acheloos (Achlae) Eingang in die etruskische Kunst, meist dargestellt als bärtiger Mann mit Stierhörnern.471 Der Kampf mit Herakles ist auf einem Dreifuß aus Vulci (ebenfalls 6./5. Jh.) dargestellt.472 Auch wenn man allgemein nach Stier-Mensch-Wesen in der etruskischen Kunst fahndet, stößt man auf Acheloos: In der Hauptkammer der Tomba dei Tori in Tarquinia „sind zwei obszöne Gruppen, in deren Nähe ein menschenköpfiger Stier steht, gemalt“473 Dieser „mannsköpfige“ Stier wird als Acheloos, der „von links [...] mit gesenktem Haupt heranstürmt“ 474 interpretiert, was natürlich einen Widerspruch zur Beschreibung von Pietro Romanelli darstellt, der aber in diesem Fall nicht erheblich ist. Wenn die Sagenkreise, welche einen Bezug zur Fruchtbarkeit der Natur haben und diese bildlich darstellen sollen, im Zusammenhang mit den archaischen Friesplatten vorgestellt wurden, soll das nicht bedeuten, daß damit eine gültige Interpretation vorgelegt wird. Alle Versuche, die Figuren einzeln (wie der Minotaurus durch Analogie mit den verschiedenen Feldzeichen der römischen Legionen eine weitere Bedeutung erhält)475 oder als Gesamtensemble zu erklären, wie das in Ansätzen geschehen ist, bleiben vorerst Stückwerk, an dem unter Berücksichtigung vielfältigster Aspekte sicher auch in Zukunft gearbeitet werden muß. Und die Frage bleibt bestehen, ob die Darstellungen neben einem symbolhaften oder apotropäischen Gehalt (welcher durch die Gorgoneion-Antefixe noch verstärkt wer469 Thomas Hart Benton, Achelous and Hercules, 1947, tempera and oil, 62 7/8 x 264 1/8 m., Smithsonian American Art Museum, Gift of Allied Stores Corporation, and museum purchase through the Smithsonian Institution Collections Acquisition Program. 470 http://americanart.si.edu/collections/tours/benton/index2.html; Stand: 25. Juli 2007 471 Pfiffig 1998: 287. 472 Pfiffig 1998: 341. 473 Romanelli 1955b: 30. 474 Pfiffig 1998: 213. 475 Downey 1995: 29. 81 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? den würde), den sie zweifelsohne haben, nicht auch Gefallen an der spielerisch-exotischen Pracht zeigen, welche „einen Aufschwung des kulturellen und gemeindlichen Lebens“ widerspiegeln,476 und damit auch Lebensfreude. 2.3.4 Abschließende Zusammenfassung Die Analyse der Ergebnisse der Grabungen und der archäologischen Befunde der Regia, verbunden mit dem Vergleich von Ergebnissen von anderen Gebäuden in Etrurien in der Zeit des 6. Jh.s, lassen keinen anderen Schluß zu, als die Regia nicht ausschließlich als ein rein sakral genutztes Gebäude zu interpretieren, bzw. die Wurzeln für ihre Gestalt auch in der Privatarchitektur zu sehen. Daraus folgt: Nimmt man die dargestellten Rekonstruktionsversuche der verschiedenen Phasen der Regia als Grundlage der Interpretation, so sind die Parallelen zur etruskischen Privatarchitektur unübersehbar. Folgt man den Schriftquellen und den archäologischen Befunden, kann die Regia mit Einschränkung als ein aristokratisches (königliches?) Wohnhaus für ein Mitglied der (herrschenden?) Oberschicht angesehen werden. Z. B. Solinus,477 Servius,478 Tacitus,479 und Ovid480 schreiben die Regia dem Numa als Wohnsitz zu. Die Regia war kein großes, palastartiges Gebäude („parva regia“ bei Ovid), welches zwar sein Gesicht nicht grundsätzlich veränderte, aber doch seine Ausrichtung im Inneren immer wieder grundlegend änderte. So wurde von Filippo Coarelli481 versucht, den Bezug zwischen Regia und atrium Vestae auch für die Frühzeit architektonisch zu rekonstruieren. Das heißt, die Regia sei Teil eines größeren Komplexes gewesen, was ihre mangelhafte Eignung als Residenz kom- 476 Müller-Karpe 1962: 20. Solinus 1, 21 (25?): Numa in colle primum Quirinali deinde propter aedem Vestae in regia quae adhuc appellatur. 478 Serv. ad Aen. 8, 363: Quis enim ignorat regiam ubi Numa habitavit in radicibus Palati finibusque Romani fori esse? 479 Tac. Ann, 15, 41: [...] Numaeque regia et delubrum Vestae cum penatibus populi Romani exusta [...] 480 Ovid, Trist. 3, 1, 30: Paruit, et ducens "haec sunt fora Caesaris," inquit, "haec est a sacris quae via nomen habet, hic locus est Vestae, qui Pallada servat et ignem, haec fuit antiqui regia parva Numae." 481 Coarelli 1981. 477 82 2. Die Regia auf dem Forum Romanum pensieren soll. Archäologischerseits ließ sich diese These nicht verifizieren. Wenn man die Regia als „Palast“ eines etruskischen Herrschers ansieht (F. E. Brown482 weist die verschiedenen Perioden 7 bis 10 Tarquinius Priscus (616–578), Servius Tullius (578–534) und Tarquinius Superbus (534–510) zu), ob wir ihn namentlich fassen können oder nicht, ist es aber weiterhin fraglich, ob der Bau zu Wohnzwecken oder für Amtsgeschäfte gedacht war. Da einerseits „Paläste“ nicht unbedingt den Zuschnitt der Kaiserzeit haben mußten, um ein repräsentatives Gebäude für den Herrscher darzustellen,483 und andererseits die Annalistik die verschiedenen Könige verschiedene Gebäude bewohnen läßt (wenn man Nachrichten zur vorrepublikanischen Zeit Roms als Schematismus, Rückprojektion aus der Gegenwart des Schreibers oder gar Phantasie ansieht, ist auch die Tradition, der König habe auf der arx residiert, im Grunde wertlos), ist die Überlegung, die Regia als ein von einem rex für einen rex erbautes Haus anzusehen, nicht vollkommen aus der Luft gegriffen. Vor allem die Dekoration der sog. 3. und 4. Regia spricht für einen aufwendig geschmückten repräsentativen Bau, und dies nicht in der Anfangsphase der Stadtwerdung Roms, sondern als diese in vollem Gange war bis zum analistischen und wahrscheinlich auch tatsächlichen Ende der etruskischen Herrschaft über Rom. Außer den vorgestellten Schriftquellen gibt es keine einwandfreien (obwohl auch die Schriftquellen natürlich nicht „einwandfrei“ sind) Belege für eine Residenz eines Königs in diesem Areal, die Regia genannt wird. Geht man aber davon aus, daß zu den „üblichen“ Aufgaben, die Herrscher allgemein erfüllen, in der Antike das religiöse Element – die Vermittlerrolle zwischen Göttern und Menschen, institutionalisiert im Amt des Priesters – einen gewichtigen Teil seines Amtes ausmacht, ist es nicht abwegig, auch in jenem Haus auf dem Forum das „Haus des Königs“ zu sehen, in dem die Schilde und Speere des Kriegsgottes Mars aufbewahrt wurden, welche für ihn als obersten Heerführer und Beschützer von Stadt und Land durch ihre Funktion als prodigia von großer Bedeutung waren. 482 483 Brown 1976: 35. Vgl. Larissa am Hermos und Pergamon. 83 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? Daß auch den anderen Götter, welche um das greifbare Gedeihen des Landes und die Blüte des Staates in der Republik angerufen wurden, schon in der Königszeit dort Verehrung zuteil wurde, ist nicht ausgeschlossen. Endgültig kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, daß der oder ein König (Herrscher) in der Regia (auch nur zeitweise) gewohnt hat. Das Gebäude selbst schließt, wie Vergleiche gezeigt haben, nicht eo ipso aus, daß es theoretisch Wohnzwecken gedient haben mag, doch hat diese Annahme einen stark spekulativen Charakter. Mit größerer Sicherheit kann jedoch bejaht werden, daß der sakrale Aspekt des Gebäudes – welches als die Regia identifiziert wird – in die Königszeit hineinreicht und in unmittelbarer Verbindung mit dem König steht. Für die Republik jedoch kann man aufgrund der Interpretation von Cass. Dio, 44, 7 mit großer Sicherheit annehmen, daß der pontifex maximus nicht in der Regia wohnte. Ob andererseits die „parva regia“ dem rex sacrorum als Wohnsitz diente? Nicht nur aus praktischen Gründen (die Größe der Regia spricht dagegen) ist es unwahrscheinlich, daß der rex sacrorum mit seiner regina dort wohnte. Allein die lebenslange Amtszeit der beiden höchsten Priesterämter läßt kaum vermuten, daß in republikanischer Zeit die (patrizische) Familie eines der Amtsinhaber in der kleinen Regia Wohnung bezog. Auch die vielfältigen Gruppen, die den Bau nutzten, und deren kultische Verrichtungen und Versammlungen sprechen aus Gründen der Praktikabilität (ganz abgesehen von der Bedeutung eines sacrarium) für eine Trennung von Wohnund Amtshaus, wobei die Regia für rex sacrorum und pontifex maximus letzteres war. Grundsätzlich erscheint es also für die Republik und die Kaiserzeit plausibel und sicher, daß der Regia ausschließlich eine sakrale Funktion und Bedeutung zukam (in Verbindung mit den zu erfüllenden Amtsgeschäften der einzelnen mit ihr verbundenen Institutionen) und die Regia auch als Wohnhaus, wenn überhaupt, dann nur zeitlich begrenzt während der etruskischen Herrschaftsphase genutzt wurde. Eine über diese Annahme hinausgehende Evidenz gibt es dafür allerdings bislang noch nicht. 84 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen 3.1 Grabung und Befund 3.1.1 Schriftliche Quellen (Inschriften, lit. Belege) An dieser Stelle sollen die nichtarchäologischen Quellen und Belege zu den Gebäuden C-K (in Analogie zur systematischen Darstellung der Befunde und Belege der Regia in Rom [2.1.1]) aufgezeigt werden. Inschriftliche oder literarische Quellen zur Geschichte Athens von ca. 600 v. Chr. bis 470/465 v. Chr. (jener ungefähren Zeitspanne, in welcher die Gebäude C-K in Abfolge oder parallel nebeneinander existierten) werden an anderer Stelle eingehend behandelt. Leider sind jedoch außer den in im folgenden Abschnitt 3.1.2 dargeAbbildung 12: Süd-West-Ecke stellten archäologischen Befunden der Athener Agora (6./5. Jh.) keinerlei Textstellen aus der historiographischen, philosophischen oder dichterischen Literatur484 oder auch Inschriftenfunde (mit direktem oder indirektem Bezug) zu den Gebäuden C-K oder dem Gelände an der süd-westlichen Ecke der Agora von Athen bekannt geworden. Quellentexte, die bei der Interpretation, Funktionszuordnung und Benennung der Gebäude C-K behilflich sein könnten, werden aus systematischen Gründen gleichfalls an anderer Stelle behandelt, da diese nicht expressis verbis auf das Areal angewandt werden können und damit keine direkte Quelle sind. 484 Welche zur Geschichte Athens wiederum - wenn auch keine zeitgenössische – reichhaltiger vorhanden sind. 85 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? 3.1.2 Grabung und Befund (Gebäude C, D und F)485 Die im Jahre 1933 begonnenen, ab 1934 fortgesetzten Ausgrabungen auf dem Gebiet der Tholos (Sektion Βeta und Ζeta) führten 1937 und 1938 zur Erkundung der unter dem Rundbau und der sich im Norden befindlichen Gebäude (hellenistisches Metroon) liegenden Schichten durch Homer A. Thompson.486 Da für die Diskussion der Funktion und Bedeutung von Gebäude F das gesamte Areal der späteren Tholos und des Neuen und des Alten Bouleuterions (welches unter dem Metroon liegt) von Wichtigkeit ist, sollen auch die als C, D und E benannten Gebäude, welche sich unter dem Alten Bouleuterion fanden, in die Abbildung 13: Gebäude C-K Darstellung der Grabungsund Altes Bouleuterion befunde mit einbezogen werden.487 Die Befunde wurden 1940 von der American School of Classical Studies at Athens in der Reihe HESPERIA ediert. Auf diesen genannten Gra485 Seit einiger Zeit präsentiert die AMERICAN SCHOOL OF CLASSICAL STUDIES im Internet die „Athenian Agora Excavations“; dort sind alte Luftaufnahmen der Ausgrabungen, Photographien, Pläne, Rekonstruktionen usw. zu finden. http://www.agathe.gr/cgi-bin/feature?lookup=siteguide:6; Stand: 25. Juli 2007 486 Hesperia Suppl. IV: 2s. 487 Abb. 61. 86 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen bungsberichten basiert, soweit nicht anders vermerkt, die folgende Darstellung, welche auch die bewährte Gliederung übernimmt. 3.1.2.1 Gebäude C, D und E 3.1.2.1.1 Gebäude C Von diesem an der nördlichen Seite des Geländes gelegenen Gebäudes wurden zunächst die Nord- und Ostwand sowie der nördliche Teil der Westwand und die innere Querwand gefunden, so daß sich ein rechteckiges Haus mit 6,70 m [N-S] x 15,00 m [O-W] Grundfläche und zwei Räumen von unterschiedlicher Größe rekonstruieren ließ.488 Da die Südwand z. T. durch die Nordwand des Alten Bouleuterion und eine weitere Wand des darauffolgenden hellenistischen Metroon überlagert wurde, konnte H. A. Thompson nur vermuten, daß sich je ein Zugang zu den beiden Räumen des Gebäudes C unter den späteren Gebäudeteilen befand.489 Die Ostwand zur Agora hin wurde verlängert, wodurch diese beiden hypothetischen, aber doch wahrscheinlichen Zugänge, sich zu einem annähernd rechtwinkligen Hof öffneten, welcher im Norden von Gebäude C, im Westen von dem letzten Ausläufer des Kolonos Agoraios, im Osten eben von dieser Wand und schließlich im Süden von Gebäude D umgeben war. Die Datierung von C wurde nach früheren Ausgrabungen,490 welche die Entstehungszeit anhand von Keramikfunden in das 7. Jh. v. Chr. legen, durch weitere Keramikfunde nach unten korrigiert:491 es wird nun 600-575 v. Chr. als Zeitraum der Errichtung von Gebäude C angenommen. Einige unbestimmte Zeit später, kurz nach Gebäude F,492 scheinen Renovierungsmaßnahmen notwendig geworden zu sein, die sich deutlich an der inneren Querwand und S-O-Ecke der äußeren südlichen Wand zeigen. Dabei wurde auch die südliche Begrenzungsmauer des Hofes zur Agora eingerissen, welcher nun ein um 0,70 m erhöhtes Bodenniveau erhielt, und durch eine neue er488 Hesperia Suppl. IV: 8. Hesperia Suppl. IV: 8s. 490 Hesperia VI: 122ss. 491 Hesperia Suppl. IV: 11. 492 Hesperia Suppl. IV: 15. 489 87 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? setzt, in welcher ein kleiner Eingang mit Treppe rekonstruiert wird. Ein Anschluß dieser Begrenzungsmauer an die von Gebäude F ausgehende und auf sie zulaufende Mauer wird angenommen.493 3.1.2.1.2 Gebäude D und E Das wohl kurz darauf, fast parallel zu Gebäude C, gegenüber (im Süden) errichtete kleinere Gebäude D bestand ursprünglich aus zwei unterschiedlich großen Räumen, an welche im Westen bald nach der Fertigstellung der ersten Räume ein weiterer kleiner angefügt wurde, der ein geringfügig höheres Bodenniveau (0,10-0,20 m) aufwies.494 Die in einer Grube bis unterhalb des Metroons gefundene Keramik verweist die Entstehungszeit von D in die Jahre 575–550 v. Chr.495 Vom Gebäude E ist nur die südwestliche Ecke erhalten, welche sich gleich gegenüber nördlich des mittleren Raumes von D (also im Hof zwischen C und D) befindet.496 Beide Gebäude, D wie E, fielen der schon erwähnten Renovierungsmaßnahme von Gebäude C (und Neustrukturierung des Hofes) zum Opfer. 3.1.2.1.3 Zusammenfassende Chronologie der Gebäude C, D und E Mit Blick auf die Häuser C bis E, kann, was die Befunde aus den Grabungen anlangt, folgende – sehr grobe – Chronologie aufgestellt werden: Das Zwei-Zimmer-Haus C aus dem ersten Viertel des 6. Jh. v. Chr. mit der sich anschließenden Begrenzungsmauer hin zur Agora im Osten, erhielt nicht allzu lange nach seiner Errichtung ein etwas kleineres Gegenüber im Süden mit zunächst zwei, dann drei Räumen. Dadurch war ein mehr oder minder einheitlicher und in sich geschlossener Gebäudekomplex geschaffen worden. Dieses Ensemble hatte ab ca. 570 v. Chr. vielleicht 20 bis 25 Jahre Bestand, bis dann zugunsten einer Öffnung des Hofes hin zum südlich von D neu errichteten Gebäude F das Gebäude D kurze Zeit nach 550 v. Chr. niedergerissen wurde. Dadurch entstand ein neuer, bei weitem größerer Komplex – durch Gebäude F im Süden, C im Norden und die 493 Hesperia Suppl. IV: 15; Abb. 63. Hesperia Suppl. IV: 12. Hesperia Suppl. IV: 13. 496 Hesperia Suppl. IV: 12. 494 495 88 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen Mauer im Osten zur Agora hin eingefaßt –, welcher den alten ablöste. 3.1.2.2 Gebäude F (Komplex F) Der allgemein in der Literatur als „Gebäude F“ bezeichnete Komplex in der Südwest-Ecke der Agora wurde von den Ausgräbern zur besseren Unterscheidung in der Chronologie der einzelnen Teile mit verschiedenen, fortlaufenden Buchstaben von F bis K bezeichnet. Dabei handelt es sich, allgemein gesagt, weitgehend nicht um von „Gebäude F“ unabhängige, selbständige Gebäude (wie H als Backofen identifiziert wird, der nun sicherlich in direktem Bezug zu F und nicht für sich alleine steht),497 sondern um Teile eines im folgenden „Komplex F“ genannten Gesamtgebäudes. Wenn also vom „Komplex F“ die Rede ist,498 dann sind im folgenden Kapitel die gesamten Teil-Gebäude F, G, H, I, J und K gemeint, die mit anderen Buchstaben bezeichneten „Gebäude“ als Teile davon; Einheiten ohne Buchstaben werden als Teile des größten „Gebäudes F“ jeweils als solche benannt. 3.1.2.2.1 Lage, Erhaltungszustand und Plan Der ganze Komplex F liegt, wie schon erwähnt, an (auf) der äußersten süd-westlichen Ecke der Agora am Abhang des Kolonos Agoraios.499 An dieser Ecke treffen zum einen die Straße, welche zu (oder von) dem Areopag und der Pnyx führt, und jene zusammen, die entlang von F weiter dem Abhang des Kolonos Agoraios nach SüdWesten folgt. In späterer Zeit wurde der Westteil (Gebäude H und I und der sog. „Küchentrakt“ von Gebäude F) durch die Tholos überbaut,500 wodurch eine extensive Ausgrabung in diesem Bereich nur zu deren Lasten gehen würde. So wurden lediglich vier schmale Schnitte durch den Boden der Tholos und weitere Tunnel von der Seite her zu 497 Hesperia Suppl. IV: 18. In Assoziation zu Hesperia Suppl. IV: 42. 499 Durch den Fund von Grenzsteinen (4ροι) wird der Komplex F als innerhalb der Agora gelegen angesehen. 500 Das Niveau der Tholos liegt etwa 0,80 m über dem des Komplexes F (Hesperia Suppl. IV: 15.). 498 89 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? dem Gebiet gegraben, um diesen Bereich zu erkunden.501 Während Gebäude K im Südwesten und der große Hof mit den angrenzenden Räumlichkeiten (= Gebäude F) noch z. T. von der Tholos überlagert werden, ist das Gebäude J nicht davon berührt. Der Komplex F selbst mit einer W-O-Ausdehnung von 27,00 m und an der breitesten Stelle in N-S-Richtung von 18,50 m502 wird dominiert von einem großen Hof, in welchem jeweils sieben Säulen an der Nord- und an der Südseite rekonstruiert werden. Gefunden haben sich davon lediglich zwei Basen an der östlichen Schmalseite, zwei weitere und der Abdruck einer fünften an der Südseite, dazu eine an der Nordseite.503 Um diesen Hof herum gruppierten sich im Norden vier aneinanderliegende Räume, im Süden davon drei weitere, wobei sich die Haupträume wohl direkt zum Hof hin öffneten.504 An die Westwand des großen Hofes grenzten (eine Verbindung zwischen beiden Bereichen kann aufgrund der Überbauung durch die nachfolgende Tholos nicht mehr ausgemacht, sollte aber als plausibel angenommen werden),505 mehrere Räume, die sich um einen weiteren, deutlich kleineren Hof („Küchenhof“)506 gruppierten, in dem eine Säulenbasis gefunden wurde.507 Die Ostwand setzte sich nach Norden auf das Gebäude D hin als östliche Begrenzung eines Hofes zur Agora fort.508 Eine mit „G“ bezeichnete Konstruktion – ein rechter Winkel aus Mauerwerk, der in der Ecke der Nordwand von F und der östlichen Begrenzungsmauer zur Agora einen kleinen abgeschlossenen Raum beschreibt, wird als offenkundiges Propylon angesehen, wenn auch von einfacher Machart. Von H, vermutlich einem Backofen etwas süd-westlich vom „Küchenhof“ und im Westen von Gebäude F, ist schon die Rede 501 Hesperia Suppl. IV: 15. Hesperia Suppl. IV: 18. Hesperia Suppl. IV: 17. Abb. 60. 504 Hesperia Suppl. IV: 18. 505 Hesperia Suppl. IV: 18. 506 Hesperia Suppl. IV: 23. 507 Hesperia Suppl. IV: 17. 508 Hesperia Suppl. IV: 15 und 18. 502 503 90 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen gewesen.509 Das annähernd quadratische510 Gebäude im Süden des „Küchenhofs“, setzt eine gedachte Linie der südlich des Hofes von F liegenden Räumlichkeiten fort, ohne diese zu berühren, und paßt sich harmonisch in die vom „Küchenhof“ und Gebäude F nach Norden und Osten eingefaßte Ecke ein. Diese Ecke wird im Süden von J abgeschlossen und von K (angelehnt an J) im Süd-Westen nur noch „halbherzig“ nach Westen begrenzt.511 Ein Gang zwischen den Gebäuden F und I (von I ausgehend), der entlang der Südfassade des Komplexes F weiter verläuft und der fast schon zu einem eigenen Raum an der Südfassade mutiert, wurde von je einer Türkonstruktion an beiden Enden abgeschlossen.512 Dieser Gang wurde durch die spätere Erweiterung des Komplexes F an dessen Südseite (durch J) überbaut, resp. wesentlich verschmälert, wobei eine Tür zwischen I und J am Westende dieses Ganges eingefügt wurde. Die Räumlichkeiten J bestehen aus zwei Teilen mit einem großen, fast rechteckigen Raum (welcher den niedergelegten Raum an der Südwand von F fast überdeckt und so ersetzt), der sich mit zwei Säulen zum genannten Gang auf die Südwand von Gebäude F öffnet. Eine Gruppe von kleineren Zimmern sammelt sich westlich davon um ein kleines Eingangsvestibül.513 Die beiden annähernd gleich großen Gebäudeteile werden durch eine Tür getrennt, die die Hauptzwischenwand von J zu I nach Norden hin verlängert. Der in der äußeren süd-westlichen Ecke des Komplexes F, zwischen J und der Mauer des wiederbelebten Friedhofes gelegene Raum K nutzt den noch vorhandenen Platz514 aus. Seine Nutzung konnte aber, wie bei den anderen Teilen I und J, bislang nicht eruiert werden. 509 Hesperia Suppl. IV: 18. Durch Überlagerungen durch späteres Mauerwerk läßt sich eine genaue Ausdehnung nicht genau bestimmen. (Hesperia Suppl. IV: 33.) 511 Hesperia Suppl. IV: 33. 512 Hesperia Suppl. IV: 33. 513 Hesperia Suppl. IV: 34. 514 Hesperia Suppl. IV: 38s. 510 91 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? 3.1.2.2.2 Das Gebäude F515 Abbildung 14: Gebäude F 3.1.2.2.2.1 Der Südteil des Hofes und der Südflügel Ausgehend von den schon erwähnten Säulenbasen, die in situ erhalten sind,516 läßt sich, nach Aussage des Grabungsberichtes, die südliche Säulenreihe des Hofes recht genau rekonstruieren. Während das Interkolumnium vor dem mittleren Raum des Südflügels ca. 2,15 m beträgt, lassen sich die weiteren anhand der beiden aufgefundenen östlichsten Basen mit rund 1,89 m angeben,517 womit die südliche Reihe aus sieben Säulen bestünde. Die wahrscheinlich zu späte515 Abb. 14. Hesperia Suppl. IV: 17 und 20. 517 Hesperia Suppl. IV: 20. 516 92 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen rer Zeit in dieser Phase von Gebäude F als Pflasterung vor den beiden westlichen Räumen des Südflügels verlegten unregelmäßigen Platten aus bläulichem, schieferartigem Stein sind noch in einer Reihe auf der Linie der Säulenbasen vor den Eingängen zu den Zimmern erhalten; der ursprünglichere Bodenbelag findet sich dazwischen: fester Sandboden.518 Zwischen den Zugängen zu den beiden genannten Räumen ragt ein Mauervorsprung bis knapp vor die Säulenreihe hervor. Er gehört wohl zur allerersten Phase. Alle Räume des Südflügels (wie im übrigen auch die des Nordflügels) führen auf den großen Hof hinaus. Der mittlere und größte Raum im Südflügel ist wahrscheinlich auch der Hauptraum (S2) des gesamten Hauses mit zwei weiteren Zugängen zu den beiden Räumen auf der rechten und auf der linken Seite.519 Der (Ost-)Raum zur Rechten des Hauptraumes (S3), von dem außer den flachen Fundament-Gräben nur Mauerreste im Westen und Norden erhalten sind, kragt erstaunlicherweise über die bisherige Begrenzung der Fassade etwas nach Osten hinaus. Dies wird damit begründet, daß der Untergrund an dieser Stelle den Baumeistern wohl zu viel Widerstand bot und deswegen ein „Umweg“ in der Mauerführung das Problem löste. Der Raum zur Linken des Hauptraumes (S1) wäre in seiner Grundfläche beinahe quadratisch, wenn nicht die Ecke der West- und der Nordwand sind spornartig nach Nordwesten verschieben würde. Die Ausgräber vermuten in dieser Wand, die durch die Tholos und eine mittelalterliche Grube stark zerstört ist, einen Zugang zum „Küchentrakt“, der so eine Verbindung zwischen den Räumlichkeiten um den großen Hof und diesem Trakt schaffen würde. Dadurch mutiert der Raum S1 zu einem Durchgangs- und „Service“-Raum, die Tür zwischen ihm und dem Hauptraum wird zu einer „Service“-Tür.520 Doch diese Bezeichnungen implizieren schon eine Deutung des Gesamtensembles, auf die aber an dieser Stelle noch nicht eingegangen werden soll. 518 Hesperia Suppl. IV: 20. Hesperia Suppl. IV: 22. 520 Hesperia Suppl. IV: 22. 519 93 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? 3.1.2.2.2.2 Der Nordteil des Hofes und der Nordflügel Im Ausgrabungsbericht521 wird konzediert, daß die Rekonstruktion einer nördlichen Säulenfront mit Überdachung eher spekulativ, aber nichtsdestoweniger plausibel erscheint, wenn man zum einen den Wunsch nach Symmetrie, zum anderen den nach Schutz vor der im Süden stehenden Sonne in Betracht zieht.522 Die beiden vorhandenen (Säulen-)Basen werden um fünf weitere ergänzt (um wieder die Gesamtzahl von sieben zu erhalten), so daß sich auch hier ein Interkolumnium von 1,86 m ergibt. Die Vorhallen des Süd- und des Nordflügels werden also symmetrisch rekonstruiert: Der Abstand zwischen Wand und Säule wurde von den Bauherren mit fast durchgehend ca. 7 Fuß (~ 2,10 m) eingehalten, wie auch das Interkolumnium mit seinen 1,86 m ca. 6 Fuß ausmacht. Entsprechend dem Interkolumnium an der Ostseite (ca. 6 Fuß) wird auch dort eine Überdachung angenommen, allerdings nicht an der Westseite, wo sich, außer an den Ecken, keinerlei Baseneindrücke erhalten haben und ergo auch nicht vermutet werden.523 Der Nordflügel besteht aus einer Serie von drei etwa gleich großen (oder kleinen), aneinandergereihten Räumen (N1-N3) und einem großen Raum (N4) im Westen. N1 öffnet sich nur nach Norden zum Platz auf Gebäude C hin, N3 bleibt ohne näheren Charakterzug, eine Öffnung geht auf den großen Hof hinaus. N2 hingegen läßt sich, obwohl sich keine Türschwellen nachweisen ließen, als Durchgangsund Eingangsraum annehmen. Der größte Raum des Nordflügels (N4) schließlich hatte seinen Eingang vom Hof her (zwingend aufgrund der Höhe der erhaltenen Reste der Westwand des Raumes, die keine Tür zuläßt); eine Aussage zu seiner Bestimmung läßt sich allerdings nicht treffen, da keine weiteren Funde gemacht wurden.524 521 Hesperia Suppl. IV: 20. Hesperia Suppl. IV: 20. Hesperia Suppl. IV: 20s. 524 Hesperia Suppl. IV: 21. 522 523 94 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen 3.1.2.2.2.3 Der sog. „Küchentrakt“ Um den bislang der Einfachheit halber, aber quasi suggestiv so genannten „Küchenhof“ gruppieren sich mehrere Räume und Kammern. In der Mitte des Eingangs zur sog. Küche hat sich eine einzelne Säulenbasis (∅ = 0,36 m) für eine Holzsäule erhalten, wie auch eine kleine Wand ihr gegenüber, um die man an deren West- und Ostseite herumgehen konnte. Zwei Kanäle aus den gleichen Terrakotta-Teilen führen von der Süd-Ost-Ecke des Küchenhofes zur südlichen Straße: einer der beiden Kanäle, der offensichtlich im Rahmen der Errichtung von Gebäude J außer Betrieb genommen wurde, führt auf dem direkten und damit kürzesten Wege zur Straße, der andere, später, nach oder zusammen mit J errichtete Kanal führt um diese Gebäude herum. Da diese Kanäle gedeckt waren, wird vermutet, daß es sich um Abwasser-Kanäle aus dem Küchenbereich handelt.525 Für die Zuleitung von Wasser finden sich zwei Brunnen, der frühere südlich, der später angelegte westlich von H, den Fundamenten des „Backofens“.526 Der erste Brunnen war ein einfacher Einschnitt von ca. 10,20 m Tiefe in den gewachsenen Felsen, doch bald waren einige Felsbrocken hineingestürzt und begruben die wenige vorhandene Keramik, die hineingeworfen worden war, unter sich. Bei der zweiten Brunnenkonstruktion lernte man daraus und verkleidete den 9,30 m tiefen Schacht mit unregelmäßig behauenen Randsteinen. Hier waren die Keramikfunde so reichlich, weil der Brunnen lange in Betrieb war: Die unterschiedlichsten Tongefäße und Tongegenstände, darunter 170 glasierte wie unglasierte Krüge zum Wasserschöpfen,527 die als Abfall hineingeworfen worden waren, füllten den Brunnen über 3,0 m hoch. Die anderen 6,0 m wurden mit flachen Mühlsteinen, beim Bau zerbrochenen Tholos-Teilen, Erde und anderem aufgefüllt, als man am Bau der Tholos war. Im Norden des Küchenbezirkes, durch einen Gang erreichbar, waren zwei Feuergruben angelegt worden, zunächst nur eine von ca. 525 Hesperia Suppl. IV: 24. Hesperia Suppl. IV: 25. 527 Hesperia Suppl. IV: 25. 526 95 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? 6,75 m Länge, dann, wohl aufgrund erhöhten Bedarfes, eine zweite – beide gedacht zur Zubereitung von Fleisch auf dem Rost.528 3.1.2.3 Das runde Poros-Monument Ein etwas eigenartiges Gebilde, welches noch der sicheren Zuordnung seiner Verwendung harrt,529 steht in der Ecke des Ganges, der zwischen den Gebäuden I und J verläuft. Das aufgrund seiner Form und des Materials, aus dem es hergestellt wurde, schlicht das „runde Poros-Monument“ genannte Stück besteht aus einer unteren Trommel von konischer Form aus braunem Poros, mit oberem Durchmesser von 0,71 m, einem unterem Durchmesser von ca. 0,80 m und einer Höhe von 0,56 m; sowie aus einer oberen Trommel aus grauem Poros (∅ = 0,62 m, Höhe = 0,26 m), die 10 cm über der unteren Trommel mittels eines 23 cm hohen, sich verjüngenden Pflockes auf dieser aufliegt. Aufgrund des Erhaltungszustandes ist zu vermuten, daß dieses Gebilde entweder längere Zeit unter einem Schutzdach aufgestellt oder nur von kurzer Lebensdauer war. Ursprünglich war wohl nur die untere Trommel mit dem hochstehenden Zapfen in Gebrauch,530 die obere Trommel wurde bei der Erbauung der Tholos und dessen Bezirk als wiederbelebende Maßnahme aufgesetzt. Da das Monument möglicherweise noch in den Tagen der Tholos in Gebrauch war, wird an einen kleinen Altar zur Darbringung von Opfern oder Trankspenden gedacht,531 was aber, wie eingangs gesagt, nicht sicher ist, da jegliche Beweise fehlen. 3.1.2.4 Veränderungen am Plan des Komplexes F532 Der Bau des Alten Bouleuterions und der großen Wasserleitung auf der Agora von Athen brachte einige bauliche Veränderungen für das Gebäude F mit sich: Um einen größeren Vorplatz für das Alte Bouleuterion zu schaffen, wurde der komplette Nordflügel des Gebäudes niedergelegt, mit dem Aushubmaterial, das beim Bau der Wasserleitung anfiel, aufgefüllt und mit Splittern bedeckt, die bei der 528 Hesperia Suppl. IV: 26s. Hesperia Suppl. IV: 39s. 530 Hesperia Suppl. IV: 40. 531 Hesperia Suppl. IV: 40. 532 Abb. 64. 529 96 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen Errichtung des Bouleuterions abfielen. 533 Die Säulenreihe im Norden des Hofes wurde entfernt. Quasi zum „Ausgleich“ – wohl, weil man den Platz benötigte, der durch die Abtragung des Nordflügels fehlte – wurde das Gebäude J errichtet. Wenige Zeit später erfuhr auch der Südflügel eine bedeutende Veränderung, allerdings wohl aufgrund nicht geplanter Zerstörung. Die Südwand wurde schwer beschädigt und mit Material der Nordwand wieder aufgerichtet, wie auch beim übrigen Wiederaufbau altes Material zur Verwendung kam. Zudem wurde eine Wand von Norden nach Süden über den Resten des großen Hauptraumes S2 eingezogen, so daß der neue Raum nun die ganze Länge von der südlichen Säulenstellung bis zur Südwand einnahm. Von dieser Wand aus gehen weitere Wandfragmente in den Hof hinein, die aber wohl nur begonnen und nicht zu Ende geführt wurden.534 Auch der Küchentrakt und H wurden von den Zerstörungen und Baumaßnahmen betroffen, H wurde wohl während der Errichtung des Südflügels von F niedergelegt.535 3.1.2.5 Zusammenfassende Chronologie des Komplexes F Die Reste von Keramik, die unter und zwischen dem Fußboden von Gebäude F gefunden wurden, lassen eine Datierung des Gebäudes auf das mittlere 6. Jh. v. Chr. zu, möglicherweise ein paar Jahre später, da F wohl nach D errichtet worden ist. Die Funde in den Brunnen im Küchentrakt lassen auf eine Verwendung des älteren der beiden von der Mitte über das letzte Drittel bis zum Ende des Jahrhunderts schließen.536 Die Keramik, die ganz oben gefunden wurde, kann im Typ mit jener verglichen werden, die im Zusammenhang mit der Zerstörung durch die Perser gesehen wird. Diese Waren sind also wohl mit den Aufräumungsarbeiten nach der Zerstörung Athens dort hinein geworfen worden. Jene Keramik, die in den zweiten, jüngeren Brunnen geworfen worden ist, läßt sich chronologisch gut zuordnen. Sie stammt aus der Zeit vom Ende des 6. Jh.s v. Chr. bis zum 1. Viertel des 5. Jh.s v. Chr.; aufgrund von Vergleichen läßt sich 533 Hesperia Suppl. IV: 27s. Hesperia Suppl. IV: 28. Hesperia Suppl. IV: 28. 536 Hesperia Suppl. IV: 28. 534 535 97 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? die Chronologie der Fundstücke, die aus den unteren zwei Dritteln des Brunnens geborgen wurden, auf kurz vor 490 v. Chr. bis kurz nach 480 n. Chr. eingrenzen. Der Brunnen scheint also auch während der Zeit der persischen Belagerung in Benutzung gewesen zu sein.537 Das letzte Drittel der Brunnenfüllung gab Unterschiedlichstes frei, zuoberst wurden zerbrochene Teile des Daches der Tholos gefunden. Bei H und K wurden noch Ostraka u. a. unter Steinen in H und K gefunden, die in den Zusammenhang mit der Ostrakophoria von 482 v. Chr.538 gebracht werden.539 Damit kann folgende Chronologie für den Komplex F aufgestellt werden: Gebäude F (mit Nord- und Südflügel) und I wurden in annähernd gleicher Zeit errichtet, also kurz nach der Mitte des 6. Jh.s v. Chr., zusammen mit dem Küchenkomplex, dessen erster Brunnen bis zum Ende des Jahrhunderts, dessen zweiter Brunnen bis kurz nach 480 v. Chr. in Verwendung war. In der Zeit zwischen 510 und 500 v. Chr. wurde durch den Abriß des Nordflügels, mit dem der nördlichen Säulenreihe des Hofes einhergehend, ein größerer Vorplatz für das Alte Bouleuterion geschaffen und dann, oder auch gleichzeitig, J errichtet, kurz darauf auch K. Die möglicherweise durch den Persersturm verursachte Zerstörungen am Südflügel540 wurden mit dem noch vorhandenen Baumaterial nach dem Abzug der Besatzer behoben; eine Neuaufteilung der Räumlichkeiten des Südflügels trat anstelle des alten Plans. H und K, die ebenfalls zerstört worden waren, wurden bald wieder errichtet. Dieses Ensemble blieb bis zur Errichtung der Tholos bestehen, die über das nördliche Areal des Komplexes F gebaut wurde.541 537 Hesperia Suppl. IV: 30s. Bei der Aristeides ostrakisiert wurde. 539 Hesperia Suppl. IV: 32s. 540 Hesperia Suppl. IV: 33. 541 Abb. 64. 538 98 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen 3.2 Die bauliche Entwicklung des süd-westlichen Areals auf der Agora im historischen Kontext der Geschichte Athens im 6. und frühen 5. Jh. v. Chr. Die Agrarkrise des ausgehenden 7. und beginnenden 6. Jh. in Attika, welche durch Ausdehnung des Großgrundbesitzes und die Leibeigenschaft verschuldeter Bauern ausgelöst worden war, führte in den Jahren 594/3 v. Chr. zur Verfassungsreform und Gesetzgebung des Archon Solon. Durch Aufhebung der Leibeigenschaft und Befreiung der Bauern durch Tilgung ihrer Hypotheken (σεισχθεια) wurden die ersten Spannungen gelöst, der radikalen Forderung des Volkes nach einer Neuverteilung des Bodens kam Solon aber nicht nach. Statt dessen wurde die Aristokratie durch Gliederung des Volkes in 4 Einkommensklassen (Pentakosiomedimnen, Hippeis, Zeugiten, Theten) nach Schätzung des Bodenertrags (τ/µηµα) eingeschränkt (Timokratie), und neben den Archonten und dem Rat vom Areiopag ein Volksrat (βουλ') mit 400 Mitgliedern, ein Volksgericht (Gλιαα) und die Volksversammlung (κκλησα) eingerichtet.542 Zwar waren damit die Spannungen nicht gänzlich behoben. Der größte Teil der Gesetzgebung, der fast alle Lebensbereiche erfaßte, erlangte jedoch Geltung auf Jahrhunderte. Diese Geltung war nach der Einführung der Gesetze vom Volk beeidet worden: Man wolle nur Änderungen vornehmen, nachdem man Solon gefragt habe. Solon verließ Athen nach Beendigung seines Werkes, und bald darauf (582-580) wird Damasias in Athen gesetzwidrig mehrmals Archon, innenpolitische Wirren nach zeitweiliger Aussetzung der Archontenwahl folgen, an denen sich Großgrundbesitzer des Binnenlandes (Pediaker), Bauern des Küstengebietes (Paralier) unter Führung der Alkmaioniden und Gebirgsbewohner (Hyperakrier) unter Peisistratos, der hier zum ersten Mal die politische Bühne betritt, beteiligen. Für diese nun summarisch behandelte Zeit von ca. 20 bis 25 Jahren wird die Errichtung der Gebäude C und D angenommen, wobei Ge- 542 Die Mitglieder der ekklesia waren wohl nahezu aufgrund der geforderten Qualifikationen der Laienrichter (Mindestalter 30 Jahre und vereidigt) mit denen der solonischen heliaia identisch. 99 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? bäude D zeitlich etwas später angesetzt wird, also an den Bau von D auch noch bis kurz nach 575 v. Chr. zu denken ist. Im Jahr 566 erfolgt dann die Stiftung, resp. Neuordnung der alle 4 Jahre stattfindenden (Großen) Panathenäen unter dem Archon Hypokleides aus der Familie der Philaiden.543 Fünf Jahre später, 561/60, erringt Peisistratos nach der Bewaffnung seiner Anhänger in Athen erstmalig die Alleinherrschaft. Seine politischen Gegner, aristokratische Familien, verlassen unter dem Philaiden Milthiades Athen und ziehen nach dem Hellespont. Schon wenige Jahre später, 556/55, wird Peisistratos gestürzt, er entkommt nach Eretria. Mit einer Gefolgschaft von Söldnern aus Thessalien und Thrakien, die er mit dem Ertrag seiner Goldbergwerke im Pangaion-Gebirge bezahlt, siegt er 546/45 über seine Gegner bei Pallene, nordöstlich von Athen. Peisistratos zieht in Athen ein, die Alkmaioniden gehen nach Delphi und Sparta in die Emigration. In dieser Zeitspanne, zwischen dem Sturz des Peisistratos und den ersten Jahren nach seiner Rückkehr nach Athen, ist der Baubeginn von F anzusetzen, wobei Gebäude I womöglich einige kurze Jahre zuvor schon errichtet worden ist. Daneben spiegeln die „Errichtung eines Altars für die 12 Götter [auf der Agora] sowie der Bau eines Aquädukts und eines Brunnenhauses [...] das Interesse der Peisistratiden an diesem Areal“544 wider. 527 stirbt Peisistratos, ohne nochmals vertrieben worden zu sein, als Tyrann von Athen. Nachfolger sind seine beiden Söhne, Hippias und Hipparchos. Peisistratos der Jüngere, Sohn des Hipparch, übernimmt einmal das Archontenamt. 519 verbündet sich Plataiai mit Athen zum Schutz gegen Theben. 514 dann wird Hipparchos bei den Panathenäen von Harmodios und Aristogeiton aus Privatrache ermordet, was zu einer Zwingherrschaft des mißtrauisch gewordenen Hippias über Athen führt. Die Alkmaioniden in Attika unternehmen erstmals 512 einen gescheiterten Versuch, die Herrschaft in Athen wieder an sich zu reißen. Zwei Jahre später, 510, gelingt ein erneuter Versuch; die Spartaner unter König Kleomenes I. unterstützen die (u. a. nach Sparta! – s. o.) emigrierten Alkmaioniden und vertreiben Hippias, 543 544 Vgl. Parke 1987. Camp 1989: 42. 100 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen der nach Sigeion, später nach Persien geht. Dieses Jahr 510 v. Chr. ist der terminus ante quem, zu dem angenommen wird, daß Gebäude D niedergelegt und die Verbindungsmauer zwischen C und F mit dem Tor G ein geschlossenes Gebiet umgrenzen. Zwischen 510 und 508/7 kommt es dann zu Machtkämpfen zwischen Isagoras und dem Alkmaioniden Kleisthenes, in deren Verlauf die Spartaner zur Unterstützung von Isagoras nochmals nach Athen ziehen. Kleisthenes setzt sich jedoch endgültig durch und kann seine Reformpläne verwirklichen. Jeder Gebietsteil athenischen Staatsgebietes (Stadt, Umland und Küste) war in zehn organisatorische Einheiten gegliedert und das ganze Gebiet dann neu zusammengesetzt worden, so daß sich zehn neue Teile, aus je einem Teil Stadt, einem Teil Umland und einem Teil Küste (jeweils Trittys genannt) formierten. Diese zehn neu geschaffenen sog. Phylen entsandten jeweils 50 Mitglieder aus ihren Reihen in die Ratsversammlung (Boule). So war die alte solonische Boule um 100 Mitglieder auf insgesamt 500 Ratsherren angewachsen. Die kleisthenischen Reformen machten durch die Neuordnung der Entsendung von Vertretern in die Ratsversammlung einen Neubau notwendig, welcher dann bis zur Wende vom 6. zum 5. Jh. v. Chr. im sog. „Altes Bouleuterion“ auf dem Gelände der früheren Gebäude C und D gebaut wurde. Um einen geräumigeren Vorplatz zu schaffen, wurde der Nordflügel eingerissen, die Säulenvorhalle im Norden niedergelegt und mit Gebäude J im Süden ein Ersatz (?) geschaffen, der auch in den Zu- und Abwasserleitungen des Küchentraktes seine Auswirkungen zeigt. Für die Zeit der Perserkriege lassen sich an den Gebäuden (nunmehr F bis K) keine Änderungen nachweisen, bis dann im sog. „Persersturm“ 480/79 v. Chr.545 vor allem F stark in Mitleidenschaft gezogen worden ist.546 Der Südflügel wurde sehr schnell wieder mit vorhandenem Material aufgebaut und dabei komplett umgestaltet, so daß das Gebäude F weiterhin bis zur Errichtung der Tholos um 470/65 unter Kimon (476-463) Bestand hatte. 545 Aus Platzmangel wird auf eine Darstellung der Ereignisse, die vor und während der Kämpfe zwischen Griechen und Persern stattfanden, verzichtet. 546 Hesperia Suppl. IV: 33. 101 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? 3.3 Funktion und Bedeutung des Gebäudes F auf der Agora Im Gegensatz zur Regia fehlen jegliche Hinweise, sei es aus den archäologischen Befunden oder den Schriftquellen, wer und zu welchem Zweck das Gebäude F auf der Agora gebaut und/oder genutzt hat oder haben könnte. Die Diskussion um die Funktion und die Eigentümer des Gebäudes F stützt sich also ausschließlich auf Argumente, die beim derzeitigen Stand der Erkenntnisse nur eine größere oder mindere Plausibilität für sich beanspruchen können. Daß Peisistratos der Agora wohl seine besondere Aufmerksamkeit schenkte und diese sich unter seiner Herrschaft und unter der seiner Söhne bis zur Vertreibung seines Sohnes Hippias zum Zentrum der Stadt Athen entwickelte, ist allgemein untersucht und anerkannt worden547 – zumal Bauprojekte von und unter einem Tyrannen auch Teil eines „Wettbewerbs“ um Ansehen unter den griechischen Tyrannen waren.548 Das anhaltende Interesse an Peisistratos‘ Tyrannis549 schlägt sich auch in der Interpretation des Gebäudes F nieder: Keine Arbeit zu Peisistratos und seiner Zeit, welche sich nicht mit der Frage auseinandersetzt, ob es sich bei Gebäude F um das Haus des Tyrannen und seiner Familie gehandelt haben mag. Mangels neuer Erkenntnisse schlagen die Autoren sich dabei entweder auf die Seite der Befürworter oder auf die Seite derer, die eine solche These kategorisch zurückweisen, legen also eine Art Glaubensbekenntnis ab. So darf man mit Fug und Recht behaupten, daß die Diskussion um Gebäude F in der Hauptsache eine Diskussion um Gebäude F als Sitz des Peisistratos und seiner Familie ist. Alle Hypothesen sind schlußendlich Argumente für oder gegen eine Nutzung von Gebäude F durch Peisistratos. Es erzeugt zugegebenermaßen einen ehrfürchtigen Schauer, Wohn- und Wirkungsstätte eines großen Mannes der athenischen Geschichte zu kennen, ähnlich wie man Achill und Hektor auch wissenschaftlich greifbar vor Troia kämpfen sehen möchte („Und die Ilias hat doch recht!“). Die vornehm skeptische Zurückhaltung, die 547 Martin 1951: 255ss., Boersma 1970, Shear 1978, Young 1980, Shapiro 1989, et al. Young 1980, Camp 1989: 46, Kolb 1977: 112. 549 Sancisi-Weerdenburg 2000. 548 102 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen mit Unbehagen kindlichen Enthusiasmus als unwissenschaftlich, weil vielleicht zu einfach, brandmarkt (den Ruch Schliemannschen Dilettantismus‘ in der Nase), ist ebenso einleuchtend. Da aber bislang der entscheidende Hinweis fehlt, der der einen oder anderen Theorie den Boden entzieht, bleiben letztendlich nur Vermutungen, oder positiver gesagt: Plausibilitätsanalysen ohne Anspruch, die Wirklichkeit abzubilden. 3.3.1 Gebäude F als Wirtschaftshaus Bevor das Für und Wider des Verhältnisses von Gebäude F und Peisistratos diskutiert werden soll, muß man „eine bisher kaum beachtete Überlegung Oskar Broneers[550] aufgreifen“, „zu deren Gunsten [...] weitere Argumente“ Frank Börner551 anführt. O. Broneer sieht (bzw. sah 1941) in Gebäude F mit seinem „zufälligen Grundriß“552 ein Haus, das „private commercial enterprise“ diente und verwies auf die kleinen Bauten des Töpferviertels, „vergleichbar der Bebauung im Viertel der Marmorarbeiter südwestlich der Athener Agora“.553 Durch Vergleiche mit Bau II und Bau III, ausgegraben unter der Südstoa der Agora von Korinth,554 welche vage mit einer Nutzung durch Handwerker555 in Verbindung gebracht werden können, meint Frank Börner, auch wenn er den Grundriß von Gebäude F als eher „großzügig“ und „gegliedert“556 interpretiert, daß in den „Eigenschaften eines Wohnhauses und in der Lage im Bereich eines älteren Handwerkerviertels“557 an eine ähnliche Bestimmung für Gebäude F zu denken wäre, u. a. „als Vorgänger der Tholos zur Aufbewahrung der Maße und Gewichte und möglicherweise auch als Sitz der dafür zuständigen Beamten“.558 Und „einige seiner Räume oder Höfe könnten als Lagerraum für öffentliche Vorräte – z. B. für solche, die für die Versorgung der Gemeinschaft bestimmt waren, 550 O. Broneer, AJA 45,1941: 128. Börner 1995: 38. 552 Börner 1995: 38. 553 Börner 1995: 39. 554 Börner 1995: 39. 555 Börner 1995: 40s. 556 Börner 1995: 39. 557 Börner 1995: 42. 558 Börner 1995: 43. 551 103 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? wie Importgetreide, oder das vorrangige attische Tauschmittel, Silber aus Laureion – , und Gastgeschenke gedient haben: Eine frühe Form des Handels bestand ja auch im Austausch von Geschenken.“ 559 Diese Theorie hat bislang kaum Freunde560 gefunden, zumal zwar zum einen der private Charakter und die entsprechende Nutzung von F durch die Nähe zum südlichen Handwerkerviertel begründet wird, andererseits die Nutzung der Tholos (sicher kein privates Gebäude) auf Gebäude F zurückverweist und dieses nun doch wieder öffentlich-staatlich genutzt worden sein soll. Daß die südliche Agora von Privathäusern und Handwerkerbauten geräumt wurde,561 also das Private zurückgedrängt wurde, um der Repräsentation Platz zu machen, spricht zwar für die quasi öffentlich-staatliche Variante, andererseits ist eine vermutete Lagerung von „Importgetreide“ oder Vorräten in Gebäude F – an einer so exponierten Lage – doch sehr schwer zu begründen, wie auch die (zeitweilige) Nutzung der dem Gebäude F nachfolgenden Tholos zur Getreidelagerung.562 Wenn man dazu bedenkt, daß das Innere der Tholos durch eine kreisrunde Öffnung in der Mitte des schirmartigen Daches beleuchtet wurde (wie einhellig rekonstruiert wird) ist fraglich, wie ernsthaft die Nutzung der Tholos als Getreidelagerstätte bedacht werden muß. Eine ähnliche These hat kürzlich John K. Papadopoulos vertreten;563 er sieht im Grundriß von Gebäude F die Werkstatt eines Töpfers, und interpretiert den zentralen Innenhof als Annex („leanon“) und bzw. oder als Speicher („shed“). 559 Börner 1995: 43s. Nur S. Miller (1978: 62) verweist auf diese These, ohne sie aber näher zu diskutieren. 561 Shear 1978: 4, Shapiro 1989: 5 und Camp 1989: 46. 562 Börner 1995: 43s., dort Anm. 123. 563 Papadopoulos 2003: 296. Andererseits hält er es für möglich, daß Gebäude F „with the Regia in mind“ erbaut worden sein könnte [Papadopoulos 2003: 296, dort Anm. 142]; der terminus ante quem – kurz nach 550 v. Chr. – verweist auf Regia 4 als mögliches Vorbild für Gebäude F, ein Grundriß, der keine Ähnlichkeiten mit dem Athener Bau aufweist. Wahrscheinlich hatte John Papadopoulos selbst den Grundriß der Bauphase(n) Regia 5ff. (seit Anfang des 5. Jh) vor Augen, allerdings stand da schon Gebäude F rund ein halbes Jahrhundert, was chronologisch einleuchtend Gebäude F zum Vorbild der Regia (5ff.) macht – und nicht umgekehrt (vgl. a. 4.1 Baulicher Vergleich). 560 104 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen So wenig plausibel es klingt, sich Gebäude F – und die Tholos –als Lagerhäuser oder Werkstätten vorzustellen, werde ich im Abschnitt 4 (Vergleich von Regia und Gebäude F) diese Aspekte, wenn auch von einer anderen Seite her, nochmals zur Sprache bringen. 3.3.2 Peisistratos, Athen, Akropolis und Agora Wer war Peisistratos (ca. 600-528/27 v. Chr.)? Ein machtbewußter Aufsteiger, der nach mehreren Anläufen die Alleinherrschaft in Athen errang, damit die Vorrangstellung der Aristokraten (v. a. der Alkmaioniden) brach und zur Sicherung seines Herrschaftsanspruches und auch zu seiner eigenen Sicherheit auf der Burg residierte, umgeben von durch eine List ihm zugestandenen Leibwächtern,564 und das Volk niederhielt565? Oder der Volksfreund, dem das Wohlergehen des einfachen Bürgers am Herzen lag und mit Vernunft und Weisheit unter ihnen herrschte und wohnte? Welchem Areal schenkte Peisistratos die Aufmerksamkeit seiner Baupolitik – wenn er denn überhaupt eine hatte?566 Der Agora oder der Akropolis? Für beide Gebiete lassen sich nach Aussage der Forschung überhaupt keine nennenswerten Bautätigkeiten nachweisen, die auf eine direkte Initiative des Peisistratos zurückzuführen sind. Dies ist die Schlußfolgerung aus der erstaunlichen Tatsache, daß in der Forschung einerseits entweder Bautätigkeit auf der Agora ( = A+) einhergeht mit Stagnation auf dem Burgberg (B-),567 andererseits aber fehlende Bautätigkeit auf der Agora (A-) zeitgleich mit Initiative auf der Burg (B+)568 angenommen wird.569 Das ist natürlich weder vernünftig noch plausibel. Wenn Jan Boersma zwar zugibt, daß rein archäologisch eine Urheberschaft oder Initiative Peisistratos‘ für irgendein Gebäude nicht nachweisbar ist, daß von einer allgemeinen Baupolitik augusteischen Zuschnitts nicht ausgegangen werden kann, dann verweist er mit Recht auf die unleugbare Tatsache, daß Peisistratos Tyrann von Athen war und in 564 Herodot 1, 59, 6. Kolb 1977: 111; Arist., Pol. 5, 1313 b 23, 566 Kolb 1977: 112. 567 Boersma 1970: 15. 568 Kolb 1977: 107s. 569 +A-A=0 +B-B=0. 565 105 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? dieser Position sicherlich seinen Einfluß auf die Baupolitik in der πλις ausübte.570 Die von Jan Boersma (1970) besonders betonte Unterscheidung der Baupolitik in der Phase der Regierung des Peisistratos und in die Phase der Regierung seiner Söhne darf nicht – zusammen mit dem archäologischen Befund – dahingehend mißverstanden werden, daß es erst unter den Söhnen Peisistratos‘ überhaupt eine Baupolitik gegeben hat, die diesen Namen verdient.571 Wer die Medien der Kommunikation derart virtuos und – wieder an Octavian/Augustus erinnernd – fast „modern“ eingesetzt haben soll, um auf die Phye-Athena-Prozession und ihren Symbolgehalt („Athena führt Peisistratos in ihre Stadt und übergibt sie ihm“) und auf eine vermutete Angleichung Peisistratos‘ an Herakles, „den Schützling der Athena“572 hinzuweisen, der soll auf dem Gebiet der Baupolitik keinerlei Initiative ergriffen haben? 3.3.2.1 Peisistratos und die Akropolis Die notorische Nachricht bei Herodot,573 Peisistratos habe die Akropolis mit seinen Leibwächtern besetzt (ein Ereignis, das auf 560 v. Chr. datiert wird), ist der Hinweis, auf dem die Vermutung basiert, der Tyrann habe die Akropolis zu seinem Wohnsitz erkoren. Auch die ideologische Nähe zur Stadtgöttin Athena (bezeugt durch seinen Einzug in Athen in Begleitung der als Athena verkleideten Phye574 und die Neuordnung der Panathenäen575) begründet eine räumliche Nähe zu ihr – durch einen Wohnsitz ihres „Schützlings“ auf der Akropolis,576 und den initiierten und wohl begonnenen Umbau des „alten Athena-Tempels“.577 Auch eine als Herrschaftsinstrument 570 Boersma 2000: 55. Kolb 1977: 112; noch ganz von der überragenden Gestalt („ein einheitlich planender, starker, zielbewußter Wille“: 213) des Peisistratos geblendet ist Zietzschmann 1934: 209-217. 572 Kolb 1977: 13. 573 Herodot 1, 59. 574 Herodot 1, 60; Blok 2000: 39ss. 575 Nach Parke 1987: 41 wurden die Panathenäen schon um 566 vom Archonten Hippokleides neu geordnet. 576 Kolb 1977: 113. 577 Kolb 1977: 103; dagegen Boersma 2000: 53. 571 106 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen wichtige Orakelsammlung war in diesem Tempel der Athena Polias auf dem Burgberg untergebracht.578 Wenn außer den Alkmaioniden kaum adelige Familien Athen verließen, ist ein Wohnsitz auf der Akropolis auch nach der endgültigen Erlangung der Herrschaft 546 v. Chr. (nach dem dritten Anlauf; auch der zweite Versuch 559 v. Chr. war gescheitert) wahrscheinlich, ist doch die Opposition nicht aus der Stadt geflohen oder vertrieben worden.579 Daß die vermögenden Aristokraten wenig Interesse daran hatten, die „Residenz des Tyrannen“ auszuschmücken und das religionspolitische Programm damit auch zu unterstützen, ist unter diesem Blickwinkel nicht unverständlich und erklärt das archäologisch faßbare zahlenmäßige Abnehmen von Weihgeschenken auf der Akropolis.580 Allerdings kann weder für eine zweite und dritte (endgültige) Besetzung der Akropolis ein Beleg, noch für die „Residenz“ des Peisistratos ebenda ein archäologischer Befund beigebracht werden, was aber nach Sachlage auch kein Beweis gegen die Vermutung ist, Peisistratos habe auf der Burg gewohnt. Grundsätzlich kann man nämlich davon ausgehen, daß Kontrolle über die Akropolis und Kontrolle über die Stadt in einem engen Zusammenhang stehen. Kolb581 sieht diesen Zusammenhang sogar kausal, d. h.: Aufgrund der religiösen Bedeutung als Zentrum des Athena-Kultes ist die Herrschaft über die Akropolis gleichbedeutend mit der Herrschaft über die Stadt. Ein implizites Argument für einen Wohnsitz Peisistratos‘ auf der Akropolis (wenn man – tertium non datur – sein Wohnhaus nicht überhaupt an ganz anderer Stelle vermutet) ist auch, daß Gebäude F sich nach Hans von Steuben im Bereich der 2ρχα/α oder *ερ an der Agora befunden habe;582 damit wäre auch die Vermutung einer Nutzung von F für Handelsbelange oder gar Vorratshaltung haltlos. Hingegen müssen sich die Anhänger der „Akropolis-Theorie“ fragen lassen, warum im Jahr 507 Kleomenes und Isagoras vom 578 Herodot 5, 90; Kolb 1977: 104s, Anm. 26. Kolb 1977: 105s. 580 Kolb 1977: 104. 581 Kolb 1977: 105, Anm. 29. 582 Steuben 1988: 39. 579 107 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? athenischen Volk auf der Akropolis belagert und schlußendlich zum Abzug gezwungen werden, die Akropolis also als strategischer Punkt, von dem aus die Stadt zu beherrschen ist und der auch den diese besetzt Haltenden Sicherheit und Schutz bietet, vollständig versagte. 3.3.2.2 Peisistratos und die Agora Der Agora als dem Zentrum peisistratidischer Baupolitik geben im Anschluß an Boersma (1970) noch T. Shear jr. (1978), P. Young (1980), H. von Steuben (1988) und H. Shapiro (1989) den Vorzug. Hans von Steuben583 rekonstruiert einen systematischen Plan (mit dem Apollon-Patroos-Tempel im Zentrum) der Bautätigkeit auf der Westseite der Agora584 und T. Shear jr. ordnet die Schließung der Brunnenschächte auf der Agora den verschiedenen Perioden peisistratidischer Machtergreifung zu.585 Peisistratos habe – so suggeriert Boersma 1970586 – den Ausbau der (neuen) Agora nach Verlegung der ekklesia von der Alten Agora dorthin nur folgerichtig weiterbetrieben. In einer erneuten Betrachtung, rund dreißig Jahre später,587 gibt Boersma zu, daß eine mittelbare Verbindung zwischen den Aktivitäten auf der Agora und Peisistratos nicht nachweisbar ist.588 Selbst wenn „ein einheitlich planender, starker, zielbewußter Wille“ 589 – der des Peisistratos – auf diesem Gelände gewirkt hat, bedeutet das aber keineswegs – weder aus stadtplanerischer Sicht, noch aus den Befunden und Quellen –, daß Peisistratos für sich und die Seinen dort auch zeichenhaft seine Residenz errichtet haben muß. Gleich, wie man die baulichen Aktivitäten auf der Agora (oder der Akropolis) gewichtet und die Rolle der Tyrannen dabei versteht, vor allem, wenn man den Hauptanteil den Söhnen Hippias und Hipparchos 583 Steuben 1988: 31ss. Abb. 65. 585 Shear 1978: 4ss. 586 Boersma 1970: 15. 587 Boersma 2000: 49ss. Die Publikation ist Ergebnis eines Arbeitskreises aus dem Jahre 1993 – in wieweit der Forschungsstand zum Zeitpunkt des Erscheinens des Berichts in die Aufsätze eingearbeitet ist, war nicht ersichtlich. 588 Boersma 2000: 55. 589 Nochmals Zietzschmann 1934: 213. 584 108 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen zuschreibt – die Frage bleibt offen, warum die Familie dort im Gebäude F Wohnung bezogen haben soll. 3.3.2.3 Peisistratos, Athen und die Nachwelt Es ist hier nicht der Ort, erschöpfend das Urteil der Nachwelt über Peisistratos‘ und seiner Söhne und Nachfolger Herrschaft darzustellen. Communis opinio aber ist folgende Tendenz: Peisistratos wird (in der Forschung) als archaischer Quasi-Perikles590 oder athenischer Quasi-Augustus591 dargestellt, dessen „happy involvement [...] in the civic life of Athens“592 im allgemeinen wohlwollend von den Athenern aufgenommen wurde.593 Diejenigen, die die moderate Einflußnahme594 nicht so wohlwollend sahen – unter ihnen die Alkmaioniden und Philaiden – verließen „unhappy“595 die Stadt, und das „Goldene Zeitalter“ nahm seinen Lauf.596 Selbst die Gewaltherrschaft des Hippias nach dem ebenso gewaltsamen Ende seines jüngeren Bruders, herbeigeführt durch Harmodios und Aristogeiton, wird einerseits unter dem Gesichtspunkt des durch den Tod des Hipparchos Paralysierten gesehen, die Bluttat selbst manchmal sogar – im Krieg und in der Liebe sind alle Mittel erlaubt – als reine Privatfehde dargestellt, welche nach dem endgültigen Sturz Hippias‘ 510 von den neuen/alten Machthabern (den Alkmaioniden und Philaiden) zum „Tyrannenmord“ umgedichtet wurde: Die „Befreier“ erhielten als postumen Dank der auferstandenen Demokratie ihr berühmtes Denkmal. Unstrittig ist, daß diese Sichtweise von den antiken Autoren wie Aristoteles – er bezeichnete die Regierungszeit des Peisistratos als ein „Zeitalter des Chronos“ 597 – und (weniger blumig) von Herodot und Thukydides598 überliefert und geteilt wird. Auch der Autor des 590 Zietzschmann 1934: 216s. Shapiro 1989: 2. 592 Young 1980: 109. 593 Young 1980: 107. 594 Shapiro 1989: 3. 595 Young 1980: 107. 596 Shapiro 1989: 2. 597 Arist., Ath. Pol. 16, 7. 598 Herodot 1, 59 und Thuk. 6, 54, 5 591 109 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? platonischen Dialogs „Hipparch“ 599 zeichnet das freundliche Bild einer gebildeten und auf kulturellem Gebiet einflußnehmenden Familie. Gleichfalls ohne Widerspruch ist die Tatsache, daß die Herrschaft der Peisistratiden, (auch durch die Erschließung der Silberbergwerke im Laureion)600 eine Blütezeit und einen wirtschaftlichen Aufschwung für Athen mit sich brachte. Es kam zu einer regen Bautätigkeit und Kunstförderung unter Einfluß der führenden ostionischen Kunst: Neben Kultbauten auf der Akropolis601 und in Eleusis602, der Neuordnung der Dionysos-Spiele, Aufzeichnung und Vortrag der homerischen Epen bei den Panathenäen603 erfolgte auch der Ausbau der Agora. Als Beispiele für die rege Tätigkeit von Künstlern während der Tyrannis der Peisistratiden mögen auch die sich in den Münchner Antikensammlungen befindliche Exekias-Schale mit einer Darstellung der Seefahrt des Dionysos (um 530) und eine Amphora mit Dionysos und Satyrn (Amasis, um 550) dienen. Die „weise“ und „volksfreundliche“604 Machtausübung Peisistratos‘ geschah dadurch, daß er die formale politische Ordnung, die durch die solonischen Reformen vorgegeben war, nicht anrührte: Angehörige seiner Familie waren aber in den entscheidenden Gremien vertreten.605 Es muß hier nicht diskutiert werden, in wieweit man dem gezeichneten Bild der Zeit der Peisistratiden Glauben schenken soll – entscheidend ist, daß dieses Bild existiert und dazu die Vorstellung, Peisistratos habe hoch oben über der Stadt und umgeben von seiner Leibwache „eingebunkert“ wie ein mykenischer König residiert,606 wenig passend erscheint. Wesentlich „vielversprechender“607 dagegen ist die Vorstellung, Peisistratos habe mit seiner Großfamilie – immerhin fünf Söhne sind überliefert608 – mitten unter den einfa- 599 Hipparch 228b – Der Dialog ist höchstwahrscheinlich nicht aus der Feder Platons. Demandt 1995, S. 179. Demandt 1995, S. 182. 602 Bleicken 1995, S. 37. 603 Platon, Hipparch 228b. Die Panathenäen wurden schon um 566 vom Archonten Hippokleides neu geordnet (Parke 1987, S. 41) 604 Dazu: Bleicken 1995, S. 37f, Demandt 1995, S. 177ff. 605 Bleicken 1995, S. 34. 606 Shapiro 1989: 3, Anm. 17. 607 Boersma 2000: 54s. 608 Young 1980: 108. 600 601 110 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen chen Bürgern gewohnt, als „champion of the people and friend of the nobility“.609nd diese neue Mitte war die Agora, die der natürliche Raum als politisches, soziales und kulturelles Herz von Athen und Attika für die Residenz des Tyrannen610 war. Diese Darstellung der Argumentation der Befürworter eines Peisistratos-Wohnsitzes auf der Agora von Athen ist sicherlich stark polemisiert und darum auch etwas ungerecht. Aber nicht ungerechtfertigt, denn es sollte versucht werden, zu vermitteln, daß die Argumentation (allerdings nicht nur die der Befürworter, sondern auch die der Gegner) vor allem von emotionaler Qualität ist und darauf aufbaut, daß es, um nochmals J. Boersma zu zitierten, „vielversprechender“611 ist, den (deswegen?) beliebten Führer eines wirtschaftlich blühenden Gemeinwesens sowohl ideell als auch geographisch im Herzen der Bürgerschaft wohnend zu sehen. Denn die Zeugnisse sind noch jetzt (im Jahr 2007) extrem mager und dürftig, wie auch Jan Boersma zugibt.612 Diejenigen, die Frank Kolb613 folgen und Peisistratos auf der Akropolis Wohnung nehmen lassen, haben, abgesehen von zwei Schriftstellen (Herodot und Aristoteles),614 die Peisistratos zumindest mit der Akropolis in Verbindung bringen, auch keine stichhaltigeren Argumente an der Hand. Je nach Sicht und vor allem nach dem Stand der Forschungserkenntnisse erscheinen beide Möglichkeiten plausibel und „vielversprechend“. 3.3.3 Die Tholos und ihr(e) Vorgänger615 Eine andere Möglichkeit, sich Gebäude F zu nähern, ist die, von der Zukunft auf die Vergangenheit zu schließen. Das heißt, daß man mit Einschränkung aus der Funktion und Bedeutung der nachfolgenden Bauten, möglicherweise auf die des Gebäudes F rückschließen kann. Daß dies natürlich ebenfalls einen durchaus spekulativen Charakter besitzt, ist verständlich, denn die Voraussetzung für das Unter- 609 Boersma 1970: 17. Boersma 1970: 17. 611 Boersma 2000: 54s. 612 Boersma 2000: 55. 613 Kolb 1977. 614 Kolb 1977: 105. 615 Nach „The Tholos and its Predecessors“ = Hesperia Suppl. IV. 610 111 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? fangen ist, daß das Bauland – um mit modernen Termini zu sprechen –, auf dem Gebäude F im 6. Jh. v. Chr. errichtet wurde, nicht mit der Errichtung der Tholos „umgewidmet“ wurde, sondern eine solche Umwidmung schon stattfand, bevor oder spätestens während Gebäude F auf dem Gelände stand. Das bedeutet, daß entweder Gebäude F nie zu einem anderen Zweck diente, zu dem auch die Tholos gebaut wurde, oder daß die Nutzung des Gebäudes F wenigstens in seiner Endphase vor seiner Niederlegung die Nutzung der nachfolgenden Tholos antizipierte. Dieser Annahme steht im Grunde nichts im Wege,616 sie ist – durch Vergleiche mit ähnlichen Entwicklungen – hinreichend gesichert, wenigstens plausibel. Die einzige Anfrage wäre, ob nicht erst mit dem Bau der Tholos, welche sich in ihrem Grund- und rekonstruierten Aufriß grundlegend von Gebäude F unterscheidet, auch eine funktionale Änderung (nach den dramatischen und wechselvollen Ereignissen der vorangegangenen Jahre) eingeläutet wurde. Aber natürlich ist auch dieses Problem in der Forschung erkannt und bei der Rekonstruktion der Geschichte von Gebäude F bedacht worden. 3.3.3.1 Die Tholos und das Alte Bouleuterion im Verhältnis zu ihren Vorgängern Schon die Ausgräber haben Rückschlüsse aus den verschiedenen Bauphasen auf dem südwestlichen Gebiet der Agora auf Gebäude F gezogen.617 Ausgehend von den Mitte des 5. Jh.s v. Chr. vorhandenen Gebäuden (Tholos und Altes Bouleuterion) wird eine Kette von Analogien gebildet:618 (Altes Bouleuterion Tholos) (Altes Bouleuterion Geb. F) (Altes Bouleuterion Geb. F) (Geb. C Geb. F) (Geb. C Geb. D) (Geb. C Geb. F) 616 Dagegen Miller 1978: 62s. Thompson 1940: 40ss. 618 Nach Hesperia Suppl. IV:40 [ „ZY X“W = Lies: „Z verhält sich zu Y wie X zu W“] 617 112 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen Damit wird deutlich, daß Gebäude F die Funktionen der ihm nachfolgenden Tholos erfüllte. Über die Funktion der Gebäude C und D, die ebenfalls zum gesamten Komplex F gehören, soll aber hier nicht weiter gesprochen werden. Die Vermutung der Ausgräber, daß C aufgrund der Analogie-Kette ein quasi „Ältestes“ Bouleuterion, D funktionaler Vorgänger von F und der Tholos war, ist rein spekulativ und wurde in der Forschung nur mit geteilter Meinung aufgenommen.619 Aus620 (Altes Bouleuterion Tholos) (Altes Bouleuterion Geb. F) kann man schließen: Tholos oder Tholos = Gebäude F621 aber – natürlich – nicht: Tholos ≡ Gebäude F622 Gebäude F Damit ist es nun notwendig geworden, die Funktion(en) der Tholos zu betrachten. 3.3.3.2 Die Tholos Die Tholos oder, wie sie nach ihrem schirmartigen Dach auch genannt wurde: die σκις,623 war eines der markantesten Gebäude der Agora. Der an sich schlichte Rundbau mit einem Durchmesser von 18,32 m624 und einer Höhe von ca. 6 m, der von der Zeit seiner Erbauung, ca. 480 v. Chr., bis in die Spätantike (eine Erneuerung nach dem Heruler-Sturm 267 n. Chr. ist nachgewiesen) in Funktion war, 619 Miller 1978: 62s. Lies: „Das Alte Bouleuterion steht in gleichem funktionalen Verhältnis zur Tholos wie auch das Alte Bouleuterion im gleichen funktionalen Verhältnis zu Gebäude F steht.“ 621 Lies: „Die Tholos erfüllte die gleiche Funktion wie Gebäude F.“ 622 Lies: „Die Tholos war identisch mit Gebäude F.“ 623 Vgl. Börner 1995, S. 142, Anm. 116. 624 Camp 1989, S. 84. 620 113 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? war eines der bedeutendsten Amtslokale der athenischen Demokratie. Spätere Aus- und Umbauten oder Renovierungen und Wiedererrichtungen nach Bränden oder Zerstörungen (was auch die Küchenräume betraf) durch die Jahrhunderte hindurch brauchen an dieser Stelle nicht weiter besprochen werden, da im Grunde der Charakter der Tholos sich nicht wesentlich änderte. Die Gestaltung des Innenraums, der bis in hadrianische Zeit durch sechs Säulen im Zentrum des wohl in der Mitte offenen Daches gegliedert wurde und einen Altar in seiner Mitte hatte, läßt sich ansonsten nur schwer rekonstruieren, weil keinerlei archäologisch greifbaren Beweise beizubringen sind. Pausanias625 erwähnt die Tholos nur nebenhin, seine kurze Bemerkung war aber mitentscheidend für die Identifizierung der Agora als solche durch die amerikanischen Ausgräber von 1934.626 Neben Silberstatuetten, die Pausanias in der Tholos gesehen hat, wurden dort auch die amtlichen Hohlmaße und Gewichte aufbewahrt. Diese Vermutung gründet sich auf den Fund einer Ton-Olpe, eines spätarchaischen Hohlmaßes um 500, welches in dem Gebiet an den Tag kam. In wieweit die Aufgabe, diese Maße und Gewichte aufzubewahren, auch vor dem 2. Jh. v. Chr. nachzuweisen ist, wie eine Inschrift aus dieser Zeit belegt,627 läßt sich nicht endgültig sagen, vor allem, da ja im 4. Jh. v. Chr. dafür besondere Beamtenstellen und Räumlichkeiten (Metroon) eingerichtet wurden.628 Die hauptsächliche Funktion der Tholos war die eines Speiseraumes.629 Neben zahlreichen literarischen Quellen 630 läßt sich dies vor allem auch archäologisch durch einen Küchenanbau im Norden und entsprechende Keramikscherben von offiziellen „Staats-Servicen“ (mit der Aufschrift „δηµσιον“, also „dem Volk gehörig“) nachweisen.631 625 1, 5, 1. Camp 1989, S. 2. 627 IG II2, 1013, 37ff. 628 Vgl. Börner 1995, S. 42 und 43, Anm. 120. 629 Miller 1978: 57. 630 Miller 1978: 57, Anm. 58. 631 Camp 1989, S. 106 und Kenzler 1998, S: 283. 626 114 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen Ob die Tholos jenes Gremium, das die Beschlüsse der Boule vorbereitete, also die Prytanen (50 Ratsmitglieder einer monatlich wechselnden Phyle, die gleichzeitig der Boule vorstanden), beherbergte, ist umstritten. S. Miller verneint grundsätzlich, daß die Tholos das πρυτανε/ον632Athens war,633 andererseits gibt er zu, daß es sich bei der Tholos um eine Art „Prytaneion-Annex“634 gehandelt habe, in dem sich jeweils das Drittel der Prytanen aufhielt,635 welches sich während der einmonatigen Amtsdauer ständig, d. h. Tag und Nacht, zur Verfügung halten mußte.636 Jedoch ist es nicht unbedingt ersichtlich, warum ein – rundes und damit zugegebenermaßen äußerst ungewöhnliches – Gebäude, welches auf der Agora in unmittelbarer Nähe zum Alten Bouleuterion errichtet wurde, nur einem Teil der Prytanen als Aufenthaltsort dienen sollte, während ein weiteres Prytaneion irgendwo anders in Athen alle Aufgaben außer der Speisung der Prytanen erfüllte.637 F. Seiler638 hat mit der „Einmaligkeit der Athener Tholos“ weniger Probleme als S. Miller639 und unterscheidet nicht zwischen einem eigentlichen Prytaneion und der Tholos. Gerade die Frage, wie die Prytanen gesessen oder gelegen haben – denn es war in Griechenland üblich, im Liegen zu speisen – wirft Fragen auf: Wenn man „das Übliche“ voraussetzt, ergibt sich keine sinnvolle Aufstellung von ca. 50 Klinen und einer entsprechenden Anzahl Tischen. Wenn nun aber die Prytanen an der Wand entlang auf Bänken und an gleichlangen Tischen gesessen haben – was ebenso wenig ungewöhnlich gewesen wäre – ließe sich eine sinnvolle Aufteilung ermöglichen.640 Die charakteristische Kreisform der Tholos läßt zudem an den „Heiligen Kreis“ der homerischen Epen denken, „an dem der Rat zusammentraf und der das Zentrum der Volksversammlung bilde- 632 Prytaneion; Amtslokal des diensttuenden Ratsausschusses in Athen. Miller 1978: 38. 634 Miller 1978: 38. 635 Miller 1978: 58. 636 Camp 1989, S. 105. 637 Miller 1978: 38s. 638 Seiler 1986: 35. 639 Miller 1978: 25-37 und 38. 640 Vgl. dazu Seiler 1986: 34s., Camp 1989, S. 106 und Kenzler 1998, S: 285, Anm. 101. 633 115 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? te“641 und somit an „eine Anknüpfung bzw. Wiederbelebung der Speisegemeinschaft, die auch von den Ratsmitgliedern in homerischer Zeit gebildet wurde“.642 Daß die Prytanen in der Tholos auch opferten, war selbstverständlich, da ja Religion und Politik aufs engste verknüpft waren.643 3.3.3.3 Gebäude F als Vorgänger der Tholos Wenn also Gebäude F Vorgänger der Tholos ist, also ein „Prytaneion-Annex“644 in Millerscher Terminologie, ist Gebäude F dann in der Mitte des 6. Jh.s v. Chr. als Prytaneion645 gebaut worden? Dagegen ist S. Miller, der mit Einschränkung zu Recht schreibt, daß ein derartiges Gebäude wohl kaum von Peisistratos den Prytanen – bei aller Volksfreundschaft – gebaut worden wäre. Wäre es stattdessen „angemessen [...,] wenn im Anschluß an ihre [die der Peisistratiden, resp. die des Hippias] Vertreibung im Jahr 510 v. Chr. und die Einsetzung der Verfassung des Kleisthenes im Jahr 508/7 justament der Speisesaal der Tyrannen jetzt dazu verwendet worden wäre, die Ratsherren der neuen Demokratie zu verköstigen“?646 Grundsätzlich nicht ablehnend steht S. Miller647 dieser Möglichkeit gegenüber, wenn er auch zu bedenken gibt, daß es nicht eindeutig geklärt ist, ab wann die Prytanen ein ständiger Ausschuß der Boule waren. Aus dieser Unsicherheit ergeben sich folgende Möglichkeiten: Waren die Prytanen erst ab Ephialtes ein Ausschuß der Boule,648 besteht überhaupt keine Notwendigkeit, F als Prytaneion (-Annex) zu betrachten, da vorher kein Bedarf dafür bestand. Gab es Prytanen in der Zeit der peisistratidischen Tyrannis, wo hatten sie dann ihr Amtslokal? Folgt man John Camp (s. o.), dann dürften sie ihren Sitz nicht im Gebäude F gehabt haben. Was einerseits für die Millersche Theo- 641 Kenzler 1998, S: 284f. Kenzler 1998, S: 285. Seiler 1986: 35. 644 Miller 1978: 62. 645 Von einem „Prytaneion-Annex“ kann man wohl aufgrund der Ausmaße kaum sprechen. 646 Camp 1989: 106. 647 Miller 1978: 65. 648 Miller 1978: 65, Anm. 78; Kenzler 1998: 275, Anm. 40. 642 643 116 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen rie (s. o.) spricht, das eigentliche Prytaneion sei an ganz anderer Stelle in Athen situiert gewesen, aber andererseits auch dagegen, denn warum sollten die Prytanen nur die Speiseräume verlegen, nicht gleich den ganzen Amtssitz? War das Gebäude F das eigens für die Prytanen gebaute Amtslokal, erfüllte F dann die von einem Prytaneion (zwei Teil-Prytaneia sind in diesem Fall vernünftigerweise nicht zu erwarten) erwarteten Aufgaben?649 3.3.4 „Form follows function“? 3.3.4.1 Ein Prytaneion, Prytanikon oder Prytaneion-Annex Wenn Gebäude F das eigens für die Prytanen errichtete Gebäude war und nicht ein „umgewidmetes“ Gebäude,650 dann ist zu erwarten, daß es den Anforderungen, die an ein Prytaneion zu stellen sind,651 funktional und baulich vollauf entspricht (ein Provisorium anzunehmen, wäre ziemlich unsinnig). In seiner Untersuchung zu „Festbankett und griechische Architektur“652 stellt Ch. Börker hingegen fest, daß Prytaneia653 keine „klar definierte“ eigenständige Form herausgebildet haben, bestätigt aber gleichzeitig die beiden Funktionen eines Prytaneions: die Verköstigung der Prytanen (und ihrer Gäste) und die Verehrung der Hestia. Schon der Ort, an dem Gebäude F steht, ist generell ein geeigneter Platz für ein Prytaneion:654 nahe an (resp. innerhalb)655 der Agora, bei einem Bouleuterion und in der Nähe von religiösen Einrichtungen. Zudem ist eine „Hestia-Halle“ in einem Prytaneion nachzuwei- 649 Nancy A. Winter [1993: 224] weist darauf hin, daß Komplex F jedoch weder ein Tempel noch ein Schatzhaus gewesen sein kann, wie der Fund zweier Gorgoneion-Antefixe in H (datiert auf ca. 550/40 v. Chr.) vermuten ließe. 650 Miller 1978: 63s. Nur der Vollständigkeit halber muß erwähnt werden, daß die Chronologie der Gebäude – vor allem, daß Gebäude D auf Gebäude F folgt! – so nicht anhand der Befunde bestätigt werden kann. Es ist leider nicht nachvollziehbar, woher S. Miller die Informationen für das Schaubild (1978: 63, Abb. 3) hat. 651 Vgl. Miller 1978: 25ss. 652 Börker 1983. 653 Börker 1983: 11. 654 Miller 1978: 30. 655 Thompson 1940: 40. 117 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? sen.656 Die Möglichkeit der Verehrung der Göttin Hestia ist eines der herausragenden propria, die ein Prytaneion zu erfüllen hat.657 Damit werden andere Gebäude, die der Speisung und Versammlung gedient haben, von einem Prytaneion deutlich unterschieden. Der Altar der Hestia war ein Herd, auf dem die Prytanen ihre Opfer vollzogen. In Gebäude F sind zwar weder ein solcher Herd oder kultische Gegenstände innerhalb eines Raumes erhalten, der für den Kult reserviert war. Da aber einerseits wenig über die Einzelheiten zur HestiaVerehrung bekannt ist, andererseits der Altar auch ein einfacher Asche-Altar658 sein konnte, muß es nicht heißen, daß dieses distinktive Kriterium nicht von Gebäude F erfüllt wurde. Um seine Funktion eines Speise- und Versammlungsraumes zu erfüllen, muß ein Prytaneion genügend viele und genügend große Zimmer besitzen, damit alle Versammelten aufgenommen werden können. Aus dem gesamten Grundriß von F läßt sich sicher entnehmen, daß die Grundvoraussetzungen dafür gegeben sind.. Auch die von Miller aufgestellten Kriterien „Hof“ und „verschiedene weitere Räumlichkeiten“659 (z. B. für Maße und Gewichte660?) werden erfüllt, das ist leicht aus dem Grundriß ersichtlich. 3.3.4.2 Ein Speise- und Versammlungsraum661 Ein Punkt wird leicht übersehen, obwohl er offensichtlich ist und beachtet werden muß: Nicht allein die schiere Größe, Ausdehnung und Großzügigkeit des Gebäudes, sondern die Anlage der einzelnen (Trenn-)Wände ist ausschlaggebend. Vergleicht man verschiedene als Prytaneia identifizierte Gebäude662 und zieht auch verschiedene Banketthäuser vergleichend hinzu,663 fällt folgendes sofort ins Auge: Mit Ausnahme des Prytaneions von Dreros664 sind alle Wände in den 656 Miller 1978: 34s. Miller 1978: 34. 658 Miller 1978: 35. 659 Miller 1978: 30 und 35. 660 Börner 1995: 46. 661 Mit „Raum“ ist hier nicht ein einzelnes Zimmer, gleich welchen Ausmaßes, gemeint, sondern das den lichten Raum umfassende Gebäude. 662 Miller 1978: 93ss. 663 Börker 1983: 9ss. 664 Welches allerdings auch in das 8. Jahrhundert v. Chr. datiert wird. Vgl. Miller 1978: 93-98. 657 118 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen Gebäuden in einem Winkel von 90° miteinander verbunden, gleich, ob es sich typologisch um στοαι,665 Peristyl-,666 oder Pastas-Häuser667 handelt. Diese Typen verbindet, daß „die parataktische Reihung von Räumen, die voneinander unabhängig und doch auf bequeme Weise miteinander verbunden sind“,669 ermöglicht wird. Während die Räume des Nord- und Südflügels dieser Annordnung entsprechen, fällt auf, daß keiner der Räume rechtwinklig angelegt ist. Ein rechtwinkliger Grundriß war aber notwendig, um die Einrichtung eines Speiseraumes unterzubringen: Da die Griechen Anfang des 6. Jh.s v. Chr. aus dem Orient die Sitte übernommen hatten, liegend (auf Klinen) zu speisen,670 mußte für eine entsprechende Anordnung der Klinen gesorgt werden. Unter anderem, um den Zugang zu den Klinen durch Personal und die Kommunikation unter den Gästen nicht zu behindern, wurden diese zweckmäßig entlang der Wände aufgestellt,671 dadurch mußten die Ecken der Speiseräume jeweils einen rechten Winkel aufweisen, um eine optimale Platzausnutzung zu gewährleisten. Daß die rekonstruierten Räume auch in ihrer Seitenlänge den im Uhrzeigersinn aufgestellten Klinen nicht entsprachen, kommt noch hinzu. Betrachtet man also den Grundriß der einzelnen Räume von Gebäude F, so fällt es schwer, sich vorzustellen, daß, während schon seit ca. einer Generation im Liegen gegessen wurde, dieser Gewohnheit hier architektonisch nicht Rechnung getragen wurde, oder die Gäste, wie zu Homers Zeiten,672 wieder sitzend aßen. Die Diskussion über die Aufstellung von Klinen oder Sitzen in der Tholos (Abschnitt 3.3.3.2), an die zu erinnern wäre, hilft hier nicht wirklich weiter. Wenn man also davon ausgeht, daß nicht ein Nebeneinander von verschiedenen Möglichkeiten – also beim Speisen zu liegen oder zu sitzen – bis zum ausgehenden 6. Jh. existiert hat, dürfte damit ausge665 Börker 1983: 13s. Börker 1983: 16s. 667 Börker 1983: 15. 669 Börker 1983: 15. 670 Börker 1983: 12. 671 Zur Aufstellung der Klinen und den architektonischen Voraussetzungen für Speiseräume: Börker 1983: 12ss. 672 Börker 1983: 12. 666 119 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? schlossen sein, daß Gebäude F als Speise- oder Versammlungshaus erbaut wurde, wie damit auch an eine originäre Funktion als Prytaneion oder Prytanikon (Prytaneion-Annex) kaum zu denken wäre. Man kann natürlich darüber spekulieren, ob eine solche Umstellung der Eßgewohnheiten (aus der aufrecht-vertikalen in die horizontale Lage), die sicher nicht von heute auf morgen vonstatten ging, zunächst den Charakter des modischen Experiments besaß, das in seiner Neu- und Fremdartigkeit auf eine innovationsfreudige und reiche Oberschicht beschränkt war, und sich erst langsam ausbreitete und auch in der Architektur bemerkbar machte. Ch. Börker spricht von keiner vergleichbaren Anlage, die in die Zeit des mittleren 6. Jh.s fällt. Die zeitlich am nächsten liegende (hier: Peristyl-) Anlage, der Westbau des Heraion von Argos, stammt aus den letzten Jahren des 6. Jh.s v. Chr.673 Nicht zur Gänze auszuschließen ist aber die Möglichkeit, daß Gebäude F vorübergehend als Provisorium von einem offiziellen Gremium genutzt wurde. Mit welcher Wahrscheinlichkeit es sich bei dem Gremium um die Prytanen gehandelt hat, wurde schon diskutiert. 3.3.4.3 Ein Privathaus Beschränkt man sich auf den Grundriß allein, d. h., sieht man von der exponierten Lage des Gebäudes F am Rand der Agora ab, dann muß man uneingeschränkt feststellen, daß ein Gebäude dieser Anlage plausibel als „privates Stadthaus“ identifiziert werden kann.674 Die rekonstruierte Zweiteilung in einen Küchen- und Wirtschaftstrakt und einen großzügigen Wohn- und Repräsentationsbereich675 für einen großen Mehrpersonen-Haushalt ist nicht von der Hand zu weisen.676 Sowohl die Gesamtanlage als auch die einzelnen Zimmer sind in ihrem Grundriß mehr oder minder unregelmäßig, die leicht trapezoide Form der Anlage insgesamt wird einerseits bedingt durch den 673 Börker 1983: 16. Dieser Einschätzung wird allgemein in der Forschung gefolgt. Young 1980: 152s. 676 Shear 1978: 6ss. 674 675 120 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen vorgegebenen Straßenverlauf, andererseits ist der fast durchweg unregelmäßige Grundriß nur mit individuellen Bedürfnissen und geographischen Notwendigkeiten (z. B. der Bodenbeschaffenheit) zu erklären.677 Das Alte Bouleuterion aus den Jahren 510-500 v. Chr.,678 für welches der Nordflügel von Gebäude F weichen mußte, wird als vollkommen quadratischer Bau errichtet und entspricht in seiner Konzeption (Monumentalität und Repräsentation ohne geographisch bedingte Einschränkungen) viel mehr einem öffentlichen Gebäude, als das F je getan hat. Daß es sich bei dem Gesamtkomplex (ohne die Gebäude C und D) natürlich nicht um ein „einfaches“ Wohnhaus gehandelt hat, ist unzweifelhaft. Die Ausmaße und die Lage des Bauwerks korrespondieren mit der Bedeutung des Erbauers, Besitzers und/oder Nutzers. Alle Funktionen, die für den „Betrieb“ einer Großfamilie notwendig waren, können hier ihren Raum finden: die Lagerung von Vorräten, die Unterbringung des Personals, Kochgelegenheiten, Zu- und Abwasser, private Kammern für die Familie selbst, einen repräsentativen Hof mit Säulen und an ihn angrenzend große Räume für offizielle Gelegenheiten. Damit drängt sich wie von selbst die Frage auf, welche Familie ab der Mitte des 6. Jh.s bis zur Errichtung der Tholos (terminus ultimus) ein solches Haus in einer solchen Lage besitzen und bewohnen konnte. 3.3.5 Zusammenfassung Während man sich vorstellen kann, daß sich die Nutzung von Gebäude F in Laufe seiner Geschichte wandelte (von einem Privathaus zu einem im politischen Herzen Athens für staatliche Belange zeitweise weitergenutzten Gebäude), und dafür plausible Szenarien (s. o.) entwirft, muß doch zugegeben werden, daß bislang keine wirklich begründete Erklärung für die ursprüngliche Funktion von Gebäude F vorgelegt wurde. Bringt man Peisistratos mit Gebäude F in Verbindung, was unweigerlich geschieht, wenn man sich mit seiner Person oder mit dem Gebäude beschäftigt, dann ist auffällig, daß die 677 678 Zum gleichen Befund bei der Anlage der Regia 4, vgl. 2.1.2.4. Kenzler 1998: 277. 121 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? Forschung grundsätzlich von einem „entweder – oder“ ausgeht: Peisistratos habe entweder auf der Agora oder auf der Akropolis gewohnt, resp. residiert, wie er auch entweder auf der Agora oder auf der Akropolis Bauvorhaben geplant oder verwirklicht habe. Wahrscheinlich ist, daß Gebäude F ursprünglich nicht als ein öffentlich genutztes Gebäude geplant und gebaut wurde, läßt sich die Innengestaltung doch keinem Gremium679 oder einer amtlichen Funktion zuordnen. Wesentlich plausibler ist eine den Umständen und Notwendigkeiten angepaßte flexible Nutzung, d. h. ein Wandel in der Funktion und Bedeutung von F. Daß dabei die ursprüngliche Bestimmung die am kontroversesten diskutierte ist, während man doch zu keiner Phase irgendeinen Anhaltspunkt zur Nutzung besitzt, verdeutlicht die Ungewöhnlichkeit des Gebäudes an diesem Platz. „Am vielversprechendsten“ – sozusagen als dem kleinsten gemeinsamen Nenner – ist es, sich Gebäude F als ein Wohngebäude, konzipiert für eine reiche Aristokraten-Familie, vorzustellen. Wenn man diese Vorstellung teilt, muß man die Grenzen der Agora neu überdenken, denn innerhalb des von 4ροι (Grenzsteinen) abgesteckten Gebietes680 ist ein Privathaus undenkbar. Möglich, daß genau dieses Areal (Komplex F) formalrechtlich noch außerhalb der Agora lag, als es bebaut wurde. Will man Peisistratos auf der Akropolis wohnen sehen, dann könnte das für Gebäude F bedeuten, daß es – da es ja vielleicht vor der endgültigen Machtergreifung durch Peisistratos gebaut wurde681– vielleicht von einer unbekannten aristokratischen Familie geplant und errichtet wurde, und später vom Clan der Peisistratiden übernommen wurde. Da aber die Chronologie von F nicht auf einige wenige Jahre exakt bestimmt werden kann, können die Peisistratiden durchaus als Bauherren und Nutzer aufgetreten sein, denn die Besetzung und Beherrschung der Akropolis muß nicht gleichbedeutend damit sein, daß der Tyrann selbst und die ganze Familie die Burg (ständig?) bewohn- 679 Schon gar nicht dem Rat der 400, wie Karl Welwei vorschlug (nach Libero 1996: 101, Anm. 347). Einen der 4ροι fand man in situ gegenüber der südwestlichen Ecke von Gebäude F. 681 Libero 1996: 101. 680 122 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen ten.682 Das Argument mangelhafter persönlicher Sicherheit von Leib und Leben des Tyrannen bei einem Wohnsitz auf der Agora683 ist nicht sehr stichhaltig angesichts der „Präsenz der bewaffneten Truppen [auf der Akropolis und] sicherlich in der Stadt selbst“, 684 die „ihren Eindruck auf die Bevölkerung nicht verfehlt haben“ 685 kann. Die verschiedenen „Mittel der Herrschaftsabsicherung“ 686 dürften auch bei einem nicht trutzburgartigen Bauwerk wie dem Gebäude F verhindert haben, daß „der Tyrann schutzlos seinen Mördern ausgeliefert gewesen wäre.“ 687 Die Forschung hat zur frühen Tyrannis der Griechen kaum zeitgenössische Quellen zur Verfügung,688 und das wenige bislang vorhandene (archäologische und Quellen-) Material zur hier behandelten Thematik ist zugegebenermaßen eigentlich recht unergiebig. Da aber ein berechtigtes Interesse daran besteht, dem Gebäude einen Namen zu geben, es, wie man in der Jägersprache sagt: „anzusprechen“, um sich damit einen Begriff davon zu machen – was ein „Mehr“ an Erkenntnis bedeutet –, ist es bis zur Erbringung eines eindeutigen Gegenbeweises nicht falsch oder wissenschaftlich unsauber, wenn man Gebäude F den Namen „Palast der Peisistratiden“ gibt. Gleichzeitig sollte man (quasi als erklärende Fußnote) stets dabei „mitdenken“, daß es sich um ein Gebäude palastartigen Zuschnitts handelt, welches den Namen aufgrund der Nutzung durch die Peisistratiden (oder Peisistratos) mangels besserer Alternativen und nur aufgrund von „vielversprechenden“ Vermutungen trägt, die bislang weder wirklich bewiesen noch wirklich widerlegt werden konnten. Zu überlegen wäre allerdings, ob dieses Gebäude nicht von vornherein für eine unterschiedliche Nutzung geplant war, also verschiedene einzelne Amtslokale hier Raum fanden. Das kann auch bedeuten, daß Gebäu- 682 Vgl. Libero 1996: 50ss. (Herkunft des Peisistratos), 101 (Sicherheitsaspekte). Libero 1996: 101. 684 Libero 1996: 63. 685 Libero 1996: 63. 686 Libero 1996: 62-68. 687 Libero 1996: 101. 688 Vgl. Libero 1996: 11s. 683 123 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? de F nie so aussah, wie es stets rekonstruiert und diskutiert wurde und wird. 3.3.6 Antithese: Gebäude F als Konglomerat von Gebäuden Auf dieses grundsätzliche Problem weist Ulf Kenzler hin: 689 Bei allem Zutrauen zu Grabungsberichten ist vielfach eine gesunde Portion Skepsis angebracht, was die großzügige Rekonstruktion der Befunde zu einem Ganzen anlangt. Der „immer wieder kritiklos abgedruckte Grundriß“, so Ulf Kenzler,690 suggeriert einen großen Komplex („Komplex F“!), verbunden durch Öffnungen. Diese seien aber nicht gesichert. Der sog. Küchen-Trakt wird von ihm als ein eigenständiges Haus angesehen, „zu dessen Räumen wohl auch der kleine Bau I gehört hat“.691 Da Ulf Kenzler auch den Nordflügel (zusammen mit G) und den Südtrakt als jeweils eigenständige Häuser ansieht,692 bleibt von der „Rekonstruktion des Raumkomplexes als ein einziges, großes Gebäude mit repräsentativem Anspruch“693 so wenig übrig, daß die Diskussion über Funktion und Bedeutung von Gebäude (und Komplex) F keine mehr ist, weil ihr der Gegenstand entzogen wurde: Stattdessen sollen an dieser Stelle „mehrere einzelne Wohnhäuser [...], die Wand an Wand errichtet wurden“694 gestanden haben. Zwar paßt dies gut in die archaische Wohnbebauung im Süden der Agora, welche aus kleinteiligen Gebäuden bestand,695 andererseits – befanden sich die Überreste von „Komplex F“ nicht innerhalb der Agora?696 Zudem bleibt die Frage unbeantwortet, wie sich die Existenz von kleinteiliger Wohnbebauung mit der Etablierung der Agora als politischem Zentrum verträgt, von dem private Gebäude zurückgedrängt wurden.697 689 Kenzler 1998: 275s. Kenzler 1998: 275. 691 Kenzler 1998: 275. 692 Kenzler 1998: 276. 693 Kenzler 1998: 276. 694 Kenzler 1998: 276. 695 Kenzler 1998: 276. 696 Thompson 1940: 40. 697 Vgl. Shear 1978: 4ss. 690 124 3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen Wenn man den Steinplan der Ausgräber von 1939698 studiert, muß man, auch ohne guten Willen zu zeigen, zugeben, daß F (abgesehen von G, H, I, J und K) zwar zu einem einzigen Haus rekonstruiert werden kann, aber nicht werden muß. Sieht man Nord- und Südteil von F als eine jeweils eigenständige Einheit, bei denen die Räume parataktisch (einzeln nebeneinander) angeordnet sind, hätte man eine ähnliche Situation wie bei C und D, welche auch gegenüberliegend mit einem Hof in der Mitte angelegt wurden (die Westwand des Hofes ist rekonstruiert – der Hof könnte auch nach Westen hin offen gewesen sein). Der Abstand zwischen Nord- und Südteil von F mißt zwischen ca. 5,0 m im Osten und ca. 10,0 m im Westen (Mittel: 7-8 m; zum Vergleich C-D: 10,0 m). Wenn man sich Nord- und Südteil von F nicht als private Gebäude vorstellt, sondern einer öffentlichen (oder kommerziellen?) Nutzung den Vorzug gibt, läßt sich der Abbruch des Nordteils auch damit erklären, daß er nicht abhängiger Teil eines einzigen Gebäudes war, sondern eigenständige Räumlichkeiten beherbergte, die zum Zeitpunkt der Errichtung des Alten Bouleuterions leicht entbehrt, weil vielleicht an eine andere Stelle verlegt werden konnten. Das Konzept eines freien Konglomerats von Einzelgebäuden ignoriert allerdings m. E. die Existenz der Mauer zur Agora hin,699 die den Platz zwischen F-K und C-D von der Agora abtrennt und nach außen ein geschlossenes Ensemble präsentiert. Viele Fragen bleiben bei einer solchen Hypothese unbeantwortet, vor allem verlagert sich die Frage nach Bewohnern und Nutzung des für sich schon ungewöhnlichen Komplexes F (mit G, H, I, J und K) hin zur Frage, wer und wie man die Gebäude „N“(Nord), „S“(Süd), den Hof („F“?) und die anderen genannten Teile des Komplexes nutzte und warum sie so eng beieinander und auch verschachtelt gebaut wurden. Leider sind die Möglichkeiten, eine genaue Untersuchung der an den Grundfesten der vorliegenden Arbeit über das Gebäude F und die Regia rüttelnden These anzustellen, hier sehr eingeschränkt. 698 699 Abb. 61. Vgl. Abschnitt 3.1.2.1.1. 125 Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? Vielleicht aber hilft der Vergleich beider Gebäude, doch zu entscheiden, daß die bislang gültige Rekonstruktion von Gebäude F als ein großes Gebäude nicht nur der Fähigkeit des menschlichen Auges zu verdanken ist, Fragmente wunschgemäß zu einem Ganzen zusammenzufügen. 126 4. Vergleich und Zusammenfassung 4. Vergleich und Zusammenfassung Die Befunde und verschiedenen Aspekte von Gebäude F und Regia wurden in den beiden vorangegangenen Abschnitten dargestellt. Jetzt soll anhand der vorliegenden Erkenntnisse versucht werden, die verbindenden (gemeinsamen) und trennenden (unterscheidenden) Elemente herauszufiltern. Die entsprechenden Belegstellen finden sich in den beiden vorangegangenen Abschnitten. 4.1 Baulicher Vergleich Gebäude F und Regia befinden sich jeweils im sich entwickelnden politischen Zentrum der Stadt: auf der Agora, resp. auf dem Forum Romanum. Der Platzgestaltung entsprechend, nehmen sie eine geographische Randposition ein. Die Regia befindet sich nicht auf der „politischen“ Seite des Forums, auf der Comitium und Senat angesiedelt sind, sondern etwa auf der gegenüberliegenden Seite. Gebäude F hingegen ist auf dem Areal gebaut, das später Teil des politischen Zentrums von Athen wird: Noch zuzeiten von F wird knapp gegenüber dem Gebäude im Norden das Alte Bouleuterion errichtet, die Tholos, Prytaneion oder Prytaneion-Annex werden über Gebäude F erbaut. Es wird angenommen, daß Gebäude F um die Mitte des 6. Jh.s v. Chr. geplant und gebaut wurde. Wie dargestellt, veränderte F seine Gestalt in den rund 80 Jahren seines Bestands nur insofern, als Gebäude(teile) im Südwesten angefügt und der Nordflügel des eigentlichen Gebäudes F abgetragen wurden, während der dominierende trapezoide Hof als das Zentrum und der daran angeschlossene südliche Gebäudetrakt als Elemente bestehen blieben. Obwohl durch Zerstörungen in Mitleidenschaft gezogen, wurde F immer wieder repariert, bis es dann um 470 v. Chr. vollständig abgerissen wurde. Die Baugeschichte der Regia läßt sich bis in die Anfänge des 6. Jh.s v. Chr. verfolgen. Bis die Regia den Grundriß erhielt, welcher bei einem Vergleich zwischen Regia und Gebäude F zumeist heran- 127 Joachim Losehand: Ein Haus für den Herrscher? gezogen wird,700 wurde sie in 90 bis 100 Jahren viermal umgebaut, wobei der zweite, dritte und vierte Umbau (zur 3., bzw. 4. und 5. Regia) die Anlage der Räumlichkeiten deutlich veränderte. Die beiden ursprünglich getrennten Räume wurden beim dritten Umbau durch einen als Vestibül bezeichneten Raum miteinander verbunden und diese Dreiergruppe als ein Komplex zunächst im Osten (4. Regia), dann im Süden (5. Regia) gebaut. Diese um die Wende vom 6. zum 5. Jh. v. Chr. entstandene Form der Regia weist die frappierendsten Ähnlichkeiten mit Gebäude F auf: „Entfernt“ man vor seinem geistigen Auge den Nordflügel von F (was auch in einer späteren Bauphase tatsächlich geschah) und auch alle anderen Gebäude(teile) G, I, J und K, dann erhält man eine parataktisch angeordnete Gruppe von Räumen im Süden an der Längsseite eines trapezoiden Hofes. Vor dieser Gruppe von Räumen ist im Hof eine porticus angelegt. Ein ungeübtes und uninformiertes Auge hält so den Grundriß von F und den der Regia für den ein und desselben Gebäudes. Das Herz und Zentrum von Gebäude F ist also der Gestalt der 5. Regia mehr als ähnlich, vor allem auch, da die Längs- und Schmalseiten des trapezoiden Hofes das gleiche Verhältnis zueinander und auch die gleiche Ausrichtung an den Himmelsrichtungen haben wie bei der Regia. Im Unterschied zur Regia befanden sich ursprünglich im Norden des Hofes von F noch weitere Räume. Auch der großzügige Küchenoder Wirtschaftstrakt im Westen des Hofes hat kein Pendant in der Regia. Die als kultisches Herdfeuer interpretierte Feuerstelle, im großen Westraum der 5. Regia, geht zwar wahrscheinlich auf vorzeitliche Herde zur Zubereitung von warmen Speisen zurück,701 eine Entsprechung der „boiling pits“ nördlich des sog. Küchen-Trakts – oder der Einrichtung des Küchen-Traktes an sich – beim Athener Gebäude mit der Feuerstelle in der Regia, stellt letztere jedoch wohl nur von den Wurzeln her dar. Die Regia hatte in keiner Phase Neben- oder Wirtschaftsräume im Sinne der Nebenräume von Gebäude F, der mittlere Raum ab Periode 10 (4. Regia) ist eine Art Verbindungs700 701 Ampolo 1971: Abb. 2 und Scheffer 1990: Abb. 1. Scheffer 1990: 186. 128 4. Vergleich und Zusammenfassung und Eingangsraum. Wie Gebäude F aber hatte die Regia auch eine Wasserversorgung (Zisterne, Kanal), die sie, wie schon ausgeführt, zusammen mit dem Herd ursprünglich potentiell bewohnbar machte. Die 5. Regia stellt also in ihrem Grundriß eine Art Gebäude F dar: Vom „Bruder“ hat die Regia aus der Wende vom 6. zum 5. Jh. v. Chr. dessen architektonisches Zentrum, den trapezoiden Hof, die porticus, den südlichen Flügel und die Anordnung – ungefähr nach Himmelsrichtungen – des Ensembles von Athen. Selbst, daß die Räume im Süden des Hofes nicht die ganze Längsseite einnehmen, sondern ein Teil Mauer an „gleicher“ Stelle nach Norden einknickt, findet sich auch bei der 5. Regia. Ist also die 5. Regia eine fast getreue Kopie des Zentrums von Gebäude F? Baugeschichtlich betrachtet, erfolgt die Entwicklung der Regia der 1. Phase hin zur 5. Phase folgerichtig: Die in der 1., 2. und 3. Phase voneinander getrennten Räume wurden beim dritten Umbau zu einem Gebäude zusammengefaßt und wanderten dann um 90° beim vierten Umbau im Uhrzeigersinn. Diese „Wanderbewegung“ um jeweils 90° ist schon in der 3. Phase zu sehen: Der Nordraum „wandert“ vom Westen in den Norden und „zieht“ in der 4. Phase den anderen Raum auf die Ostseite mit; die entstandene Dreiergruppe wird in der 5. Phase endgültig in den Süden verlegt. Natürlich ist dies nur eine vereinfachte Darstellung zur Veranschaulichung. Würde sie genau der Wirklichkeit entsprechen, dann wäre der Westraum der 5. Phase funktional der Nordraum der 1. Phase. Nun aber entspricht tatsächlich der Westraum der 5. Phase – durch die Herdstelle – wohl dem Südraum der 1. Phase. Nichtsdestotrotz ist die Anlage der Gebäude im Süden eine Folge dieser Entwicklung. Hinzu kommt, daß die stattgefundene „Vereinigung“ der ursprünglich wohl durch eine porticus verbundenen Räume oder Gebäude der 1. bis 3. Regia zu einem Gebäude schon in der 4. Phase stattgefunden hat und nicht erst mit dem vierten Umbau (5. Regia). Auch die trapezoide Form des Hofes und damit der ganzen Regia ist schon im Grundriß der 1. Phase aufgrund topographischer Gesichtspunkte angelegt: sacra via und vicus Vestae laufen in unmit129 Joachim Losehand: Ein Haus für den Herrscher? telbarer Nähe ungefähr in dem Winkel aufeinander zu, in dem auch Nord- und Südwand der Regia aufeinander treffen würden, verlängerte man sie weiter nach Osten. Da sich an dieser Situation für die folgenden Phasen nichts geändert hat, resp. man den Straßenverlauf nicht ändern konnte und damit mit Einschränkung nicht geändert hat (abgesehen von einer Verschiebung, die aber den grundsätzlichen Verlauf und die Richtung der Straße nicht änderte), kann die große Entsprechung im Grundriß der Regia und dem Herzstücks von Gebäude F nicht ausschließlich ursächlich im Grundriß von F gesehen werden. Mit Einschränkung ist allerdings auch der Grundriß von Gebäude F vom dortigen Straßenverlauf geprägt.702 Deutlicher: Eine direkte Verbindung, resp. direkte Abhängigkeit des Grundrisses der 5. Regia von Gebäude F könnte nur dadurch plausibel sein, wenn die 4. Regia sich wesentlich von ihrer Nachfolgerin unterschieden hätte. Das ist aber, wie dargestellt wurde, nicht der Fall. 4.2 Historischer Vergleich Diese Ähnlichkeit, welche in der Einleitung durch ein Nebeneinander der beiden Grundrisse – dem der 5. Regia und dem des Gebäudes F (ohne den Nordtrakt) – augenfällig gemacht wurde, besteht auch in einer ähnlichen Position in der politischen Geschichte der jeweiligen Stadt, und das Unternehmen eines Vergleiches ist damit zementiert. Denn gerade die Kombination – ähnlicher Grundriß in ähnlicher historischer Situation – machen die Untersuchung der Ähnlichkeiten und Unterschiede plausibel. Zunächst muß natürlich beachtet werden, daß Gebäude F nur bis ca. 470/60 v. Chr. Bestand hatte, die Regia hingegen noch weitere 800 Jahre lang. Damit wäre ein erster, beide Gebäude trennender Punkt erwähnt: Das Gebäude F auf Agora wurde im ersten Viertel des 5. Jh.s v. Chr. abgerissen und ein neues Gebäude darüber errichtet, welches entweder eine andere Funktion erfüllte oder einen Teil 702 Ampolo 1971: 445. 130 4. Vergleich und Zusammenfassung der Nutzung von F übernahm. Die Regia veränderte zwar Anfang des 5. Jh.s ihren Grundriß, blieb aber – wahrscheinlich unter Kontinuität ihrer hauptsächlichen Nutzung – die folgenden Jahrhunderte bestehen. Grundsätzlich verbindend aber ist wieder, daß auf beiden Arealen, in Athen und in Rom, bis ca. 460 v. Chr. Neubauten die alten Gebäude abgelöst hatten: Die (5.) Regia hatte eine veränderte Ausrichtung der Räumlichkeiten – blieb aber im Grunde ihrer Struktur treu –, das Gebäude auf der Agora (die Tholos) erhielt eine vollständig neue Form: Beide Male dauerten Funktion und Nutzung der beiden Gebäude mit Einschränkung bis in die Spätantike an. Ob aus der fortdauernden Nutzung der 5. Regia im Anschluß an die 4. Regia – trotz baulicher Veränderungen – auch auf eine Nutzungskontinuität bei der Tholos als Nachfolgebau des Gebäudes F geschlossen werden kann,703 ist mehr als fraglich und übersteigt auch die Möglichkeiten eines Vergleiches. Beide Gebäude haben eine Veränderung zwischen dem letzten Jahrzehnt des 6. Jh.s und ca. 460 v. Chr. erfahren – die Regia nur teilweise, Gebäude F hingegen radikal: sie wurden abgerissen, ein neuer Bau darüber errichtet –, ein Vorgang, der mit historischen Ereignissen korrespondiert. Die nach der Annalistik um das Jahr 509 v. Chr. erfolgte Vertreibung des Tarquinius Superbus (die Fasten mit den eponymen Magistraten beginnen mit diesem Jahr),704 korrespondiert mit der Vertreibung des Hippias 510 v. Chr. An dieser Stelle soll nicht die Vertreibung der beiden Machthaber Gegenstand sein, da hier nicht der Platz ist, um die verschiedenen Ursachen und den Verlauf differenziert zu beurteilen,705 sondern die Tatsache, daß Mitte des 5. Jh.s Chr. in Athen und in Rom andere politische Situationen herrschten als noch zu Anfang des Jahrhunderts. Athen war eine „Demokratie“ 703 Statt (Altes Bouleuterion Tholos) (Altes Bouleuterion Geb. F) hieße dies nun: (Regia 5 und ff. Tholos) (Regia 1-4 Geb. F) wobei hier jetzt das Verhältnis von Historie und Nutzung ausgedrückt werden soll 704 Gjerstad 1976: 22ss. Zur Diskussion vgl. Christ 1994: 53s. 705 Für Hippias vgl. Libero1996: 131. Sie sieht die Vertreibung als einen Akt von außen seitens der Aristokraten an, um die Familie der Alkmaioniden mit spartanischer Unterstützung wieder in Athen zu etablieren, weniger als ein innerstädtisches Aufbegehren der Bevölkerung von Athen gegen Hippias. 131 Joachim Losehand: Ein Haus für den Herrscher? – dieser Begriff ist erst ab der Mitte des 5. Jh.s faßbar – 706 und Rom eine Republik (geworden). Daß durch eine in der antiken Geschichtsschreibung aufgestellte Analogie und eine Datierung beider Ereignisse in das (die) gleiche(n) Jahr(e) um 510/509 auf eine analoge Nutzung des Gebäudes F („Palast der Peisistratiden“) und der Regia („Palast der römischen Könige“) zu schließen wäre, ist sehr zweifelhaft. Daß die Ereignisse des ausgehenden 6. und der Jahre bis zur Mitte des 5. Jh.s an der Bebauung der beiden Areale in Rom und in Athen abzulesen sind, kann für Athen ohne Einschränkungen gesagt werden. Für Rom muß das Ende der etruskischen Herrschaft nicht unbedingt eine verändernde Baumaßnahme an der Regia nach sich gezogen haben; auch ein Brand kann eine solche Maßnahme notwendig gemacht haben, was einen Vergleich in ereignisgeschichtlicher Hinsicht erschwert. Nimmt man hingegen mit Einar Gjerstad707 an, daß die Königsherrschaft in Rom bis um 450 v. Chr. andauerte, würde das natürlich bedeuten, daß die 5. Regia noch aus der Zeit der Könige stammt. Also wären sowohl Gebäude F und die (5.) Regia nach einem Machtwechsel (450 in Rom, 510 in Athen) weiter genutzt worden. Erst um 460 wurde Gebäude F in Athen abgerissen. Wenn man also nicht die Geschichte der Gebäude anhand der Datierung von Ereignissen, sondern nur anhand dieser Ereignisse deutet – in diesem Fall der Wechsel von der Alleinherrschaft zu einer „demokratischen“708 Regierungsform –, lassen sich Regia und Gebäude F wieder positiv vergleichen: Beide Gebäude „überstanden“ den politischen Wechsel (wenn auch wohl aus unterschiedlichen Gründen). Fraglich ist, ob die Beziehungen Roms zu Griechenland709 und damit natürlich zu Athen – abgesehen vom Fernhandel – in dieser Zeit so intensiv waren, daß die Regia ein bewußter „Transfer“ oder eine gewollte Kopie des Gebäudes F war, durch die zeitgleich regierenden Peisistratiden und Könige von Rom sogar vielleicht von letzteren in Auftrag gegeben. Und selbst wenn die Beziehungen weitreichender waren, ist die Implikation, 706 Bleicken 1995: 72. Gjerstad 1976: 27ss. 708 Um zu verhindern, daß man die Begriffe „Demokratie“ und „demokratisch“ mit unserem heutigen Verständnis liest und versteht, werden sie – wertneutral – in „...“ gesetzt. 709 Dazu Christ 1994: 53, 58 – 60. 707 132 4. Vergleich und Zusammenfassung Implikation, Tarquinius Superbus hätte in Anlehnung an den Palast des Peisistratos seinen Palast als Kopie errichtet, sehr phantastisch zu nennen. Daß in der Tradition eine enge Bindung Roms an Griechenland beschrieben wurde, wird auch durch den Besuch der Söhne des Tarquinius Superbus in Delphi (um 500 v. Chr.?) deutlich.710 Zwar „läßt sich diese Konsultation des Delphischen Orakels als Versuch verstehen, die sagenumwobene Frühzeit Roms mit griechischen Motiven auszuschmücken“,711 aber eine entsprechende Verbindung zwischen Rom und Griechenland ist tatsächlich denkbar. Nicht weniger phantasievoll und ebenso unbelegt ist die Vermutung – setzt man die 5. Regia nach der Vertreibung der Könige an –, die neue Gestalt der Regia sei aufgrund der – von Bewunderung geprägten – Beziehungen der jungen römischen Republik zur athenischen Demokratie (beginnendes 5. Jh.s v. Chr.) entstanden. Dennoch: die Ähnlichkeit beider Bauwerke ist so eindeutig, daß es schwer fällt, eine vollkommen beziehungslose und von Gebäude F unabhängige Planung und Errichtung der 5. Regia für wahrscheinlich zu erachten. 4.3 Analogien zwischen Gebäude F, der Regia und einer Tradition von „domus regiae“? Wie in der Einleitung schon angesprochen, wurden in den letzten Jahrzehnten mehrfach Überlegungen angestellt über die Art der möglichen Beziehungen – eine Abhängigkeit der Regia von Gebäude F ist schwerlich nachzuweisen – zwischen den beiden Gebäuden in Rom und Athen. Neunzehn Jahre nach dem vielbeachteten Artikel von Carmine Ampolo,712 welcher u. a. die Frucht der Ausgrabungen von Frank Brown713 war, sichtete Ch. Scheffer714 im Jahr 1990 nochmals 710 Livius 1, 56. Rosenberger 2001: 93. 712 Ampolo 1971. 713 Brown 1967. 714 Scheffer 1990. 711 133 Joachim Losehand: Ein Haus für den Herrscher? die seither gewonnenen und publizierten Erkenntnisse und Schlußfolgerungen, v. a. von F. Coarelli715 und M. Torelli.716 Die einander bedingenden und erklärenden Erkenntnisse der dargestellten Ausgrabungen v. a. in Acquarossa und Satricium, aber auch in Murlo (Poggio Civitate) und Rom führten dazu, eine Beziehung zwischen etruskischen Häuser der Aristokratie und der Regia als sehr wahrscheinlich anzunehmen. Einerseits war in der 3. und 4. Phase der Regia diese – ähnlich den Gebäuden in Acquarossa und Murlo – mit dekorativen Architektur-Terrakotten geschmückt,717 was für diese beiden Phasen an eine ähnliche Nutzung der Regia wie der Gebäude von Acquarossa und Murlo denken läßt. Auf der anderen Seite waren die Elemente des Grundrisses und ihre Zusammenstellung von großer Entsprechung. Sowohl die gestalterische und dekorative Funktion einer porticus an einem Hof, wie auch die daran parataktisch angeordneten, aber doch vom Hof unabhängig erscheinenden Räumlichkeiten, deren Schema sich in Acquarossa (Haus F) und Satricium (Haus A) finden läßt,718 sind nicht nur in den beiden genannten Orten, sondern auch in Murlo und natürlich im Grundriß der Regia vorhanden. Ch. Scheffer verglich nun die Gebäude in Athen, Rom, Acquarossa und Satricium auch hinsichtlich ihrer Ausmaße, und es ist fast nicht verwunderlich, daß alle vier sich nicht nur in der Gestaltung, sondern auch in den Ausmaßen stark ähneln.719 Der vergleichende Blick nach Griechenland, welcher in der Regia aufgrund ihrer Feuerstelle zunächst – bis zu den Nachgrabungen durch Frank Brown 1967 – als ein Haus nach dem Vorbild des grie715 Coarelli 1981 und 1983. Vorwort von Torelli in: Stopponi 1985 und Torelli 1983. 717 Durch zwei auf dem Gebiet des Komplexes F (in H) gefundene Gorgoneion-Antefixe, datiert auf ca. 550/40 v. Chr. [dazu vgl. Winter 1993: 224] wäre eine weitere Koinzidenz nachweisbar. Wenn Gebäude/Komplex F kein Schatzhaus und kein Tempel ist (wovon wir, so meine ich, ausgehen dürfen), dann haben wir es mit einem der seltenen Fälle für das archaische griech. Festland zu tun, bei denen Gorgoneion-Antefixe für ein Haus mit nicht (hauptsächlich?) sakralem Charakter (s. u.) nachweisbar sind. Die Akrotere in Rom (3. Regia) und Athen sind weitgehend zeitgleich in die Mitte des 6. Jh. v. Chr. zu datieren, was zu reizvollen Rückschlüssen verleitet oder wenigstens eine weitere Begründung für die Untersuchung phänomenologischer Kontingenzen liefert. 718 Maaskant-Kleibrink 1991: 96 719 Scheffer 1990: 189, Tafel 1. 716 134 4. Vergleich und Zusammenfassung chischen Megaron sah,720 fand damit auch im Palast von Larissa am Hermos ein Vorbild für „palastartige“ Anlagen,721 der aber von Ch. Scheffer722 als ungeeignet abgelehnt wurde. Wirklich vergleichbar sind auch Gebäude wie z. B. in Vouliagmeni oder in Megara Hybleia kaum (obwohl sie eine ähnliche Dimension haben).723 Gebäude F versagt sich m. E. der Einordnung in eine bestimmte Typologie und steht mehr mit den etruskischen Gebäuden in Bezug denn zu solchen in Griechenland.724 Es ist als grundsätzlich plausibel anzunehmen, daß das Gebäude F in Athen durch seine Existenz während zweier Generationen einen Einfluß auf die griechischen Städte in Italien und auf die Bauweise der etruskischen Oberschicht ausübte. Andererseits weist Haus A in Satricium aus dem Anfang des 6. Jh.s v. Chr. schon dieselben Grundelemente auf (porticus, parataktische Reihung von Zimmern, zwei gegenüberliegende Teile an einem Hof) und Haus F in Acquarossa (ca. 550 v. Chr.) ist in etwa zeitgleich mit Gebäude F in Athen anzusetzen. Schon die Geschichte der (frühen) etruskischen Rechteckbauten725 weist Parallelen zu griechischen Hausformen auf, und so erscheint die Kompositionsweise der Häuser von Satricium, Acquarossa, Murlo und Rom einer Entwicklung zu folgen, die durch die Griechen natürlich weiterhin beeinflußt wurde. Wie die Darstellungen der verschiedenen, mit der Regia verglichenen Gebäude zeigte, taucht diese Hausform (porticus an einem Hof, parataktische Reihung von Räumen an zumindest einer Seite) an verschiedenen Stellen Italiens vor allem um die Mitte des 6. Jh.s v. Chr. auf und hat ihre direkten Vorläufer in Häusern, welche sich ab dem Beginn des Jahrhunderts nachweisen lassen (z. B. Satricium, „Forum-Haus“ in Rom). Für Griechenland findet sich bislang mit Einschränkung nur Gebäude F aus der Mitte des 6. Jh.s;726 trotzdem 720 Prayon 1975: 149 und Müller-Karpe 1962: 94s. Torelli 1983: 488 und Stopponi 1985: 33s. 722 Scheffer 1990: 186. 723 Scheffer 1990: 186. 724 Scheffer 1990: 186s. 725 Prayon 1975: 128ss. 726 Scheffer 1990: 186. 721 135 Joachim Losehand: Ein Haus für den Herrscher? muß angenommen werden, daß auch F Vorläufer besitzt, wenn auch vielleicht nicht typologische. Für den Vergleich von Regia und Gebäude F bedeutet das in nuce, daß sie sich in ihren (auch: Schmuck-) Elementen und in der Anordnung derselben vergleichen lassen; daraus aber auf eine typologische Abhängigkeit oder eine bestimmbare von Griechenland ausgehende Entwicklung schließen zu wollen, ist bislang noch nicht erwiesen. Sicherlich untersuchenswert wäre, ob und in wieweit die Dreiteilung eines Hauses baugeschichtlich mit der Dreiteilung der Cella eines etruskischen Tempels korreliert, da aufgrund der in dieser Arbeit dargestellten neuen Erkenntnisse zur Dekoration und zur Anlage von etruskischen Häusern „a ground plan alone can only be identified as a temple plan if the foundations show a clear, threecellar structure on a high podium. Moreover, private houses [...] may have a ‚three-cella‘ plan, as have several tombs. Columns alone do not identify a building as a temple, as shown at Murlo and Acquarossa.“727 Vielleicht bedeutet dies ja, daß Elemente des Sakralbaus auf die private Architektur auch über die Dekoration hinaus einen stärkeren Einfluß hatten, als bislang angenommen, und die Ähnlichkeit zwischen Regia und Gebäude F – wenn F denn ein einheitlicher funktionaler Komplex war und nicht ein Konglomerat von einzelnen Gebäuden – zwar aus der Station einer Entwicklung herrührt, welche auf den gleichen Elementen fußt, aber aus unterschiedlichen baugeschichtlichen Gründen oder in dieser Gruppierung entstand. 4.4 Funktion von Gebäude F und der Regia Daß Gebäude F plausibel mit den Peisistratiden und die Regia mit den römischen Königen in Verbindung gebracht werden können, dies jedoch mangels Evidenzen weder eindeutig bewiesen noch ausgeschlossen ist, wurde schon dargestellt. Auch unabhängig von Per- 727 Andersen 1993: 74. 136 4. Vergleich und Zusammenfassung sonen sind beide Gebäude in ihrer Funktion nicht ohne Probleme zu vergleichen. Für die 1. bis 5. Regia ist eine Nutzung als Wohnhaus aufgrund archäologischer Vergleichsbelege möglich, aber nicht zwingend. Und sie ist unmöglich, wenn die Regia von vornherein ein sacrarium gewesen ist. Gebäude F wird aber nach wie vor – und dies mit Einschränkung wohl zu Recht – als Haus identifiziert, welches für einen bedeutenden Aristokraten als Wohnhaus gebaut wurde, was auch für die Gebäude in Acquarossa und Satricium gelten kann.728 Mit großer Sicherheit erfüllte die Regia ab dem 5. Jh. v. Chr. nur religiöse Funktionen und diente damit im Zusammenhang stehenden Amtshandlungen. Für Gebäude F liegen keinerlei Belege vor, ob und welche kultischen Verrichtungen dort ausgeübt wurden. Das heißt, man kann die Funktionen nur sehr vage vergleichen: Während für die Regia sakrale Funktionen eindeutig belegt sind, und der Charakter eines Wohnhaus für die Regia nur sehr unsicher ist – da nur aus den Vergleichen mit Acquarossa oder Murlo zu schließen –, läßt sich Gebäude F als privates Wohnhaus leichter sehen, denn als offizielles Amtshaus oder gar Heiligtum.729 Eine Parallele zwischen Rom und Athen, zunächst weniger zwischen den beiden Bauten – aufgrund der mangelnden Belege für Regia und Gebäude F –, denn den beiden Arealen, wurde von Carmine Ampolo730 im Jahr 1971 gezogen und dann von Filippo Coarelli731 zehn Jahre später aufgegriffen und vertieft. Grundlegend dafür ist die Parallele zwischen der griechischen Göttin Hestia und ihrem römischen Pendant Vesta sowie der Bedeutung des „immerwährenden Herdfeuers“ für das Gemeinwesen. Nimmt man an, wie dargestellt, daß Gebäude F zumindest in seiner Endphase ein Prytanikon war, ist ein Hestia-Heiligtum im Komplex anzunehmen – und eigentlich nur dann. Carmine Ampolo sieht dieses Heiligtum im Gebäude I.732 Der Tempel der Vesta befindet sich im 728 Scheffer 1990: 190. Winter 1993: 224. 730 Ampolo 1971: 447. 731 Coarelli 1981. 732 Ampolo 1971: 447. 736 137 Joachim Losehand: Ein Haus für den Herrscher? Rom der historischen Zeit direkt neben der Regia; wenn das Herdfeuer im Südraum der Regia (1. bis 3. Phase) der Herd der Vesta und nicht der Altar des Mars war, hatten beide Gebäude über eine gewisse Zeit hinweg eine gleiche religiöse Funktion. Diese Parallele beruht allerdings auf der – bislang nicht bewiesenen733 – Annahme, die Tholos als Nachfolgerin des Gebäudes F habe einen Altar der Hestia besessen, und sei ihrerseits auch die Nachfolgerin von Gebäude F, nicht nur, weil sie an selber Stelle gebaut, sondern ähnlich oder gleich genutzt wurde: als Prytaneion oder Prytanikon, womit auch Gebäude F einen Hestia-Altar besessen haben muß. Darüber hinaus liegen auch für die Regia keinerlei Nachrichten vor, daß sie in der Königszeit einen Vesta-Altar beherbergte. Daß die Vestalinnen einen engen Kontakt zur Regia hatten, ist hingegen belegt. Sie kamen zu kultischen Verrichtungen dorthin und waren nach 12 v. Chr. auch „Eigentümer“ der Regia.734 Für eine Erhärtung dieser These fehlen aber bislang eindeutige Hinweise. Weniger eindeutig, aber doch bestechend ist ein Hinweis, der von Frank Börner in die Diskussion um die Funktion von Gebäude F eingebracht wurde: 735 Sollte sich in Gebäude F ein „Lagerraum für öffentliche Vorräte“ 736 befunden haben, dann wäre über eine mögliche Ähnlichkeit zwischen Gebäude F und dem Komplex Regia/Vesta zu spekulieren: Denn „in Rom wohnen die di penates im Vorratsraum der Vesta, und man könnte geneigt sein, die bauliche Urform der penus Vestae am Forum und mit ihm die der aedes Vestae nicht in der mediterran runden Wohnhütte, sondern in den Speicherhäusern von Alba (Longa) zu suchen. Auffällig ist immerhin, daß die aedes Vestae in gleicher Weise von atrium Vestae und Regia abgetrennt ist, wie diese runden Speicher von den alten Häusern, was bei anderen Tempeln nicht der Fall ist.“737 733 Miller 1978: 60. Cass. Dio 54, 27. 735 Börner 1995: 43s. 736 Börner 1995: 43s. 737 Bömer 1951: 96. 734 138 4. Vergleich und Zusammenfassung Man muß nicht so weit gehen, daß die Tholos der Getreidelagerung diente, wie Frank Börner vermutet738 (dies hätte allerdings eine Aufstellung eines Hestia-Altars vereitelt), vielleicht ist aber die Ähnlichkeit des Vesta-Tempels mit den Speicherhäusern von Alba Longa und die Ähnlichkeit der Tholos mit dem Vesta-Tempel739 auch aus diesem Zusammenhang heraus erklärbar. Damit ist eine Beziehung zwischen dem Vesta-Heiligtum, der Regia, den bildlichen Darstellungen auf den architektonischen Terrakotten der Regia, der Tholos und dem Gebäude F hergestellt. Bei aller Begeisterung für diesen Aspekt, der verschiedene Bereiche – Form, Funktion und Bedeutung – miteinander verknüpft, muß aber doch darauf insistiert werden, daß diese Überlegungen bislang rein spekulativen Charakter haben. Was für die einzelnen Gebäude in Athen und Rom, wie auch für die Beziehung zwischen den aufeinander folgenden Bauten und jeweils auch wechselseitig gilt, ist eine Binsenweisheit: Man kann aus richtigen Voraussetzungen falsche Folgerungen ziehen. Und wie bei jedem Vergleich und jeder Interpretation sollte man sich hüten, von zwei (noch so plausibel erscheinenden) Ähnlichkeiten, wie naheliegend oder gering sie sein mögen, auf kausale Beziehungen, Parallelen oder gar Abhängigkeiten zu schließen. Welche Parallelen und Beziehungen zwischen Gebäude F in Athen und der Regia in Rom aufgezeigt werden können und (dann noch) diskutiert werden müßten, das habe ich der vorliegenden Arbeit zu erläutern versucht. 738 739 Börner 1995: 43s, Anm. 123. Dies hieße nun: (Vesta-Tempel Tholos) (Regia Gebäude F). 139 Joachim Losehand: Ein Haus für den Herrscher? 140 5. Nachwort 5. Nachwort Die Publikation einer geisteswissenschaftlichen Zulassungsarbeit – meine Untersuchung zur Regia und zum Gebäude F wurde im Wintersemester 2001/02 von der Universität München, im speziellen zuständig das Institut für Klassische Archäologie, als Magisterarbeit angenommen – bedarf der Erläuterung. Denn üblicherweise sind nur naturwissenschaftlich-technische Diplom-/Master-Arbeiten überhaupt repräsentabel genug, um den Autor in Versuchung zu führen, sie über die kleine Schar der Korrektoren hinaus der Öffentlichkeit aufzudrängen. Doch liegt zum Themenkomplex Regia bzw. zu Gebäude F keine detailliertere Monographie vor, die aktuellere Forschungsergebnisse berücksichtigt. Die Gründe dafür sind vornehmlich darin zu sehen, daß es auf dem Areal der Regia und ganz besonders auf dem von Gebäude F keine neuen Grabungen und damit auch keine archäologische Befunde gibt (für Gebäude F zweifellos ein Zustand, der mit dem terminus technicus „Desiderat der Forschung“ nur unzureichend eingeschätzt wird). Außerdem wurden viele Aspekte, bei der Regia z. B. die religionsgeschichtliche Seite, bislang nicht von Berufeneren erörtert und publiziert, Befunde und Interpretationen zu Gebäude F in neuerer Zeit oft nur in Nebengedanken und Anmerkungen eingestreut; Perlen, die es wert sind, gesammelt und eingebunden im Kontext zugänglich gemacht zu werden. Andererseits: Da ich, und das war für niemanden überraschender als für mich selbst, den Wissenschaften nicht den Rücken gekehrt habe, um das zu tun, was ein Studienabgänger eben so tun muß, also sich der freien Marktwirtschaft auszuliefern, sondern an den Brüsten Klios hängenblieb, möchte ich dieses Büchlein auch als Morgengabe verstanden wissen. Interessanter Zufall, daß der Durchmesser des Seminarraums (dem Turmzimmer im Tübinger Schloß), in dem ich vor zehn Jahren meine erste Berührung mit der Athener Tholos (und der Klassischen Archäologie) hatte, dem Durchmesser eben dieser Tholos bis auf wenige Fußbreit entspricht. 141 Joachim Losehand: Ein Haus für den Herrscher? Mein Dank gilt Luca Giuliani für dessen damalige kritische Anmerkungen resp. Hinweise auf corrigenda in meiner Arbeit, die ich in die Druckfassung eingearbeitet und zum Anlaß genommen habe, manche Änderung vorzunehmen. Die Monographie „Ein Haus für den Herrscher? – Überlegungen zu Funktion und Bedeutung von Gebäude Abbildung 15: Schloß Hohentübingen, Seminarraum Klassische Archäologie F auf der Athener Agora und der Regia auf dem Forum Romanum“ ist der erste Band der im Frankfurter F. S. Friedrich Verlag erscheinenden Reihe der „Wissenschaftlichen Beiträge“. Ich habe die süße Bürde, als Herausgeber dieser Reihe zu fungieren und gleichzeitig die Freude, einen ersten (wissenschaftlichen) Beitrag dazu zu leisten. Felix S. Friedrich darf ich meinen Verleger und meinen Freund nennen – und ihm, der er beide Aufgaben mit vorbildlicher Geduld erfüllt, dafür dankbar sein. Joachim Losehand Neapel, im Juli 2007 142 6. Anhang 6. Anhang 6.1 Bibliographie 6.1.1 Quellen Aristotelis opera omnia, ed. I. Bekker (1831-1870). Platonis opera, ed. J. Souihé (1962). Dionis Cassii Historiarum romanarum fragmenta, ed. J. Morelli (1798). Rufius Festus, Breviarium rerum gestarum populi Romani (1828). Herodot, Historien, ed. 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