Häuser für die Herrscher Roms und Athens?

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Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
1. Einleitung
Joachim Losehand
Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
1
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
2
1. Einleitung
Joachim Losehand
Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
Überlegungen zu Funktion und Bedeutung
von Gebäude F auf der Agora von Athen
und der Regia auf dem Forum Romanum
3
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
Über den Autor:
Joachim Losehand (*1969), M. A., Dr. phil., Studium Alte
Geschichte, Kath. Theologie, Klass. Archäologie und Philosophie an
den Universitäten in München, Tübingen und Wien;
Mitglied der Arbeitsstelle „Antike Religion und Alte Geschichte“
an der Universität Oldenburg und
Leiter der Arbeitsstelle Toleranzforschung in Oldenburg.
Besuchen Sie mich im Internet:
www.losehand.net
2007 Joachim Losehand, Stuttgart
cc-Lizenz by-nc-sa
Als gedrucktes Buch erschienen
bei Verlag Dr. Kovac
ANTIQUITATES –
Archäologische Forschungsergebnisse, Bd. 42
Hamburg 2007, 154 Seiten,
ISBN: 978-3-8300-3397-4
http://www.verlagdrkovac.de/3-8300-3397-4.htm
4
1. Einleitung
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
5
1. Einleitung
7
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
11
2.1 Grabung und Befund
2.1.1 Grabungs- und Publikationsgeschichte
2.1.2 Bauphasen
2.1.3 Weitere Funde und archäologische Zeugnisse
12
12
12
28
2.2 Die bauliche Entwicklung der Regia
38
2.3 Funktion und Bedeutung der Regia
2.3.1 Die überlieferten Funktionen der Regia
2.3.2 Hausarchitektur in Etrurien
2.3.3 Interpretation der archaischen Fries-Platten der 3. Regia
2.3.4 Abschließende Zusammenfassung
47
48
67
74
82
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
85
3.1 Grabung und Befund
3.1.1 Schriftliche Quellen (Inschriften, lit. Belege)
3.1.2 Grabung und Befund (Gebäude C, D und F)
85
85
86
3.2 Die bauliche Entwicklung des süd-westlichen Areals
auf der Agora im historischen Kontext der Geschichte
Athens im 6. und frühen 5. Jh. v. Chr.
99
3.3 Funktion und Bedeutung des Gebäudes F auf der Agora
3.3.1 Gebäude F als Wirtschaftshaus
3.3.2 Peisistratos, Athen, Akropolis und Agora
3.3.3 Die Tholos und ihr(e) Vorgänger
3.3.4 „Form follows function“?
3.3.5 Zusammenfassung
3.3.6 Antithese: Gebäude F als Konglomerat von Gebäuden
102
103
105
111
117
121
124
5
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
4. Vergleich und Zusammenfassung
127
4.1 Baulicher Vergleich
127
4.2 Historischer Vergleich
130
4.3 Analogien zwischen Gebäude F, der Regia
und einer Tradition von „domus regiae“?
133
4.4 Funktion von Gebäude F und der Regia
136
5. Nachwort
141
6. Anhang
143
6.1 Bibliographie
6.1.1 Quellen
6.1.2 Sekundärliteratur
143
143
144
6.2 Abbildungsnachweis
151
6
1. Einleitung
1. Einleitung
Die philosophische Betrachtung
hat kein anderes Ziel,
als das Zufällige zu entfernen.1
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Regia auf dem
Forum Romanum in Rom, mit dem sog. Gebäude F auf (oder an) der
Agora in Athen und mit der Frage, ob und – wenn ja –, auf welche
Weise beide Bauwerke miteinander verglichen werden können, welche Ähnlichkeiten sie verbinden und welche Unterschiede sie trennen. Dieses Unterfangen haben zuvor – nihil sub sole novum, und
damit ist schon im zweiten Satz klar, daß dieses vorliegende opusculum nicht von sich sagen kann, originell zu sein – schon zwei Wissenschaftler explizit unternommen: 1971 Carmine Ampolo,2 und
neunzehn Jahre später Charlotte Scheffer,3 beide jedoch recht knapp
und quasi par force.4 Also erscheint eine neuerliche Betrachtung und
Bewertung der Befunde – weitere knapp 17 Jahre nach dem Aufsatz
von Frau Scheffer – sinnvoll und schon aus dem zeitlichen Abstand
heraus berechtigt.
Was den Vergleich des Gebäudes F mit der Regia anbetrifft, also
die vorangegangenen Untersuchungen von C. Ampolo und Ch.
Scheffer, so muß leider festgestellt werden, daß explizit neue und die
Beweiskraft verstärkende Erkenntnisse – bis auf einzelne versprengte
Thesen – seit der Arbeit von Charlotte Scheffer (1990) kaum vorzustellen sind. Allein ein Blick auf die Bibliographie zeigt, daß die
wissenschaftliche Diskussion vor allem zu Gebäude F ins Stocken
geraten ist. Das ist allerdings auch darauf zurückzuführen, daß einerseits zum geschichtlichen Hintergrund keine neuen Erkenntnisse
vorliegen, und höchstens alte Thesen mit gleichen Argumenten bekräftigt oder die Beweise an sich relativiert werden, andererseits
1
Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Die Vernunft in der Geschichte (1822/1828/1830),
ed. G. Lasson (51955), S. 29.
2
Ampolo 1971.
3
Scheffer 1990.
4
Scheffer 1990: 189.
7
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
auch keine neuen Grabungen an Gebäude F unternommen oder publiziert wurden. Zur Regia hingegen hat es seit 1990 neue Diskussionen gegeben, wenn sie sich auch vornehmlich auf die Dekoration des
Daches – die archaischen Architektur-Terrakotten wurden 1995 von
Susan B. Downey eingehend und interpretierend publiziert – beziehen oder beschränken.
Die allgemeine Entwicklung der Datenverarbeitung und der elektronischen Kommunikation hat auch der Klassischen Archäologie
neue Mittel zur Darstellung ihrer Ergebnisse und Thesen an die Hand
gegeben. Wobei sich die Gefahr potenziert hat, Thesen, die sich in
bildhaften Rekonstruktionen äußern, nicht für prinzipiell fallible
Zwischenergebnisse, sondern für „the truth about“ zu halten. Trotzdem will ich gerne auf die im Internet veröffentlichte digitale Rekonstruktion hinweisen, die natürlich an den Charme des Rom-Modells
von Italo Gismondi nicht heranreicht (genausowenig wie „Toy Story“
[1995] mit „Snow White and the Seven Dwarfs“ [1937] ernsthaft
konkurrieren kann). Von 1997 bis 2003 hat das „Cultural Virtual
Reality Laboratory“ (CVRLab) der Universität von Kalifornien in
Los Angeles (UCLA) an diesem Modell gearbeitet, das die Topographie der Stadt Rom zum Zeitpunkt des 21. Juni 400 n. Chr. zeigt,5
bzw. das, was communi opinione dafür gehalten werden kann.
Meine folgende Darstellung ist „quadratisch“ angelegt. „Quadratisch“ deshalb, weil ich einerseits ein Höchstmaß an Breite und ein
Mindestmaß an Tiefe erreichen will – und die Ausgewogenheit beider Dimensionen in der Ebene stellt nun mal ein Quadrat dar. Andererseits, weil mir seit meiner Kindheit einleuchtend von der Werbung
vermittelt wird, daß „quadratisch“ auch „praktisch“ – und damit
„gut“ bedeutet. Ob dieser phraseologistische Syllogismus (oder syllogistische Phraseologimus) auch auf eine wissenschaftliche Miszelle
angewendet werden kann, möge der Leser im Folgenden kritisch
beurteilen.
Ich will über den derzeitigen Wissensstand und Diskurs (und das ist
der des Jahres 2007) zur Regia, zum Gebäude F und zur Diskussion
5
8
http://dlib.etc.ucla.edu/projects/Forum/; Stand: 25. Juli 2007.
1. Einleitung
über den Vergleich beider Gebäude knapp, aber umfassend informieren. Dabei werde ich im ersten Teil die Regia und im zweiten Teil
das Gebäude F behandeln, eine bei einem Vergleich auch der Sache
nach bestechend logische Vorgehensweise. Diese beiden Hauptteile
gliedern sich parallel auf: Zunächst werden die Grabungsbefunde
dargestellt, dann eine geschichtliche Entwicklung des Bauwerks
nachgezeichnet, wobei Fakten, welche die Grabungen nicht erbringen können (so z. B. aus schriftlichen Quellen) und politische Ereignisse zusammen mit den archäologischen Befunden ein Gesamtbild
des jeweiligen Gebäudes und seiner Geschichte auch in einem weiteren (historisch-kulturellen) Zusammenhang ergeben sollen.
Das Bild wird vollständig, wenn auch die Funktion und Bedeutung der Gebäude beleuchtet wird. Dabei werden die verschiedenen
möglichen Funktionen, welche durch die schriftlichen Quellen belegt
sind, oder sich durch Vergleiche mit der politischen Geschichte (von
Athen und Rom) und mit anderen Aspekten ergeben, diskutiert und
nebeneinander gestellt. Miteinbezogen ist selbstverständlich der status quo der Forschungsdiskussion. Schließlich sollen die in den vorangegangenen Abschnitten angestellten Überlegungen, Interpretationen der Beweislage und dargestellten Diskussionen zu derselben
einander gegenübergestellt und somit der Versuch eines Vergleiches
zwischen Gebäude F und der Regia unternommen werden.
Um es nochmals explizit zu betonen: Ziel meiner Darstellung ist
es vornehmlich, ein Instrumentarium für eine diskursive Interpretation des derzeitigen status quo an Erkenntnissen bereitzustellen, nicht
aber, eine Richtung vorzugeben oder einzuschlagen. Denn weder
besteht für die Regia oder das Gebäude F die Möglichkeit, anhand
von primären oder sekundären Quellen eine eindeutige Aussage zur
Funktion zu treffen, noch der Wunsch, eine Theorie axiomatisch zu
antizipieren, um sie dann aus sich selbst zu beweisen (in der Art von
self-fulfilling prophecies).
Warum kommt man nun auf den Gedanken, zwei Gebäude, die
grob geschätzt über 1100 km Luftlinie von einander entfernt sind,
miteinander zu vergleichen? Dazu bitte ich Sie umzublättern.
9
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
Abbildung 1: Gebäude F links und Regia rechts
Die Ähnlichkeit der trapezoiden Anlage beider Gebäude, die
phasenweise zur gleichen Zeit existierten, ist zweifellos augenfällig,
wie auch deren Lage am politischen Herz der beiden großen Metropolen der griechisch-römischen Welt, dem Forum Romanum und der
Athener Agora. Die Diagnose der phänomenologischen Ähnlichkeit
reizt zur Frage, ob (a) daraus auf eine funktionale Ähnlichkeit geschlossen werden kann, und (b) ob wir vielleicht sogar eine Abhängigkeit aufgrund der Ähnlichkeit deduzieren können.
Ist es mit und seit Hegel erklärtes Ziel der Wissenschaften, den
Zufall zu eliminieren (vgl. das Eingangszitat), müssen wir doch auch
in Erwägung ziehen, daß es uns nach sorgfältiger Betrachtung und
Abwägung aller Notwendigkeiten (also der Befunde) passieren kann,
daß nichts anderes übrigbleibt als – der Zufall.
10
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
Heute ist die Regia, oder das, was von ihr übrig blieb, im Gegensatz zum Septimius-Severus-Bogen, der Säulenfront des SaturnTempels, der in die cella des Tempels für Antoninus Pius und
Faustina eingebauten Kirche San Lorenzo in Miranda oder der
rekonstruierten curia Iulia kein Touristen-Magnet. Die sterblichen
Überreste der „parva Regia“6 werden zumeist links oder rechts
liegengelassen.
Ihr Platz war und ist an der Süd-Ost-Seite des Forum Romanum,
zwischen dem Tempel für Antoninus Pius und Faustina und dem
Vestatempel. Bis in augusteische Zeit war die Regia die architektonische Begrenzung in diese Richtung, seit 29 v. Chr. steht sie buchstäblich im Schatten des ihr vorgebauten Tempels für den vergöttlichten Caesar (templum Divi Iuli), dessen Podium ihr auch heute
noch „die Schau stiehlt“.
Abbildung 2: Forum Romanum
(schematisch)
6
Ovid, Trist. 3, 1, 30.
11
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
2.1 Grabung und Befund
2.1.1 Grabungs- und Publikationsgeschichte7
Die ersten Grabungen auf dem Gebiet der Regia, bevor
1872-1875 groß angelegte Aufräumungsarbeiten in diesem Teil des
Forum Romanum vorgenommen wurden, waren die von Heinrich Jordan und Francis M. Nichols im Jahre 1866.8 Weitere Grabungen im 19. Jh. erfolgten u. a. durch Christian Hülsen (1886)9 und
durch Giacomo Boni (1899 bis 1900/01).10 Diese wurden nur sehr
oberflächlich publiziert,11 und gehen hier nicht in die weitere Darstellung der Grabungsbefunde mit ein.
Entscheidende Grabungen wurden von Frank Edward Brown
durchgeführt: einmal in einer Kampagne in den Jahren 1933 bis
1935,12 und dann nochmals von 1964 bis 1965.13 Neue Erkenntnisse,
die durch Vergleiche von Terrakotta-Funden bei Grabungen andernorts (z. B. Rom, Sant‘ Omobono, Acquarossa), und Terrakotta aus
dem Gebiet der Regia,14 des templum Divi Iuli und des arcus Augusti15 erzielt wurden, machten eine erneute Auseinandersetzung mit
den Befunden und teilweise eine Revision der Interpretation notwendig. Im Jahr 1987 fanden weitere Nachgrabungen auf dem Areal der
Regia und Vesta statt.16
2.1.2 Bauphasen
Die Darstellung der einzelnen Bauphasen der Regia stützt sich
vor allem auf diese neuesten Erkenntnisse zur archaischen, resp. vorund frührepublikanischen Zeit, die rund 10 Jahre nach den Grabun7
Zur Grabungs- und Publikationsgeschichte vgl. den neuesten Überblick in Sisani 2004 (18781921) und Cassetta-Sisani 2004 (1922-1975); dort verschiedene historische Photographien und
Pläne des Grabungsgebietes der Regia: Sisani 2004: Abb. 23, 32, 33, 43 und 44.
8
F. M. Nichols identifizierte und lokalisierte die Regia im gleichen Jahr an dieser Stelle.
[Brown 1935: 67 und Brown 1967: 48.]
9
Brown 1967: 48.
10
Brown 1967: 48.
11
Mit Ausnahme der von Jordan und Nichols [Brown 1935: 67].
12
Publikation in Brown 1935: 67-88.
13
Publikation in Brown 1967: 44-60.
14
Downey 1995: 1s.
15
Downey 1995: 1s. und Gjerstad 1960: 250, 289ss.
16
Scott 1987: 18ss.
12
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
gen von 1964/65 in einer zusammenfassenden Schrift von Frank
Brown publiziert wurden.17 Diese neu diskutierten Grabungsergebnisse wurden im allgemeinen anerkannt. Während die verschiedenen
Bauphasen der Regia als solche Allgemeingut der Forschung geworden sind, herrschen bei der Numerierung der einzelnen Phasen
durchaus noch unterschiedliche Auffassungen. Im Lexicon Topographicum Urbis Romae (LTUR)18 werden die Phasen 1, 2 und 3
usw. der folgenden Ausführungen als „Phase 1“, „Modifikation von
Phase 1“ und „Phase 2“ usw. bezeichnet, was zu einer nicht unerheblichen Verwirrung führt:19 Die Funde, die von den Ausgräbern der 3.
Phase zugeordnet werden,20 finden zwar im Text ihre Entsprechung,21 der Plan zeigt jedoch die Regia der 4. Phase.22
Da diese Einteilung von Russel T. Scott jedoch weder in den von
den an den Ausgrabungen federführend Beteiligten der American
Academy in Rome herausgegebenen Publikationen23 eine Entsprechung findet, noch bei anderen,24 soll sie weiterhin keine Beachtung
finden, um Mißverständnissen bei der Lektüre der Sekundärliteratur
sowie dieser Arbeit vorzubeugen, die sich an die „amerikanische
Nomenklatur“ hält.25
Die früheren Grabungsergebnisse und deren Interpretation von
Frank Brown (vgl. 2.1.2.1) ergaben eine Chronologie der Regia,
welche die 1. Regia wesentlich später ansetzte, was zum heutigen
Zeitpunkt nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. An geeigneter
17
Brown 1976: 15-36.
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: Abb. 75-80.
19
Gegenüberstellung Abb. 1 – 7.
20
Brown 1976, Downey 1995: 5s., dort Abb. 9.
21
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 191.
22
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: Abb. 78. Dagegen Brown 1976: 31, Abb. 14, Downey
1995: 7 und Abb. 2. J. Poucet (Poucet 1980: 309) folgt, wie S. Downey dieser Einteilung von
F. Brown.
23
Brown 1976, Downey 1995.
24
Z. B. Poucet 1980, Coarelli 1985: 59s., Abb. 15, Holloway 1996: 41, Abb. 4.10, oder Stopponi 1985: 186ss., Abb. 1-6.
25
Da R. T. Scott in seinem Artikel (LTUR, s. v. ‚Regia‘: 189ss.) die einzelnen Phasen nicht
explizit so numeriert, bzw. ihnen die Pläne der Abb. 75ss. nicht eindeutig zuordnet, kann die
verschobene Numerierung der Bauphasen – zumal sie sich in der Erklärung zu den Abb. 75ss.
lapidar nur mit „F. E. Brown“ als Herkunft findet – auch auf eine zu gutmeinende Redaktion
zurückgehen – dagegen spricht leider eine Modifikation in Abb. 77.
18
13
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
Stelle soll aber – zur Dokumentation eines Fortschritts in den Erkenntnissen und um der durch die Forschungsgeschichte der Regia
hindurch gehenden Diskussion auch zu Fragen der Datierung und
Chronologie Aufmerksamkeit zu zollen – darauf rekurriert werden.
Abbildung 3: Regia 1 (Periode 7)
2.1.2.1 Regia 1 (Periode 7)26
Die sog. „erste Regia“ (Periode 7, ca. 640/30 v. Chr.),27 von der
sich Reste von Capellacio-Fundamenten erhalten haben,28 wies schon
die, auch für die späteren Gebäudephasen typische Form und Raumverteilung auf: einen großen, trapezoiden Hof mit einer Raumgruppe
an einer der Seiten. Bei der Regia der ersten Phase befand sich diese
Raumgruppe an der Westseite des Hofes, bestehend aus zwei rechteckigen Räumen, die durch einen Gang voneinander getrennt waren
– wodurch diese keine gemeinsame Trennwand besaßen – und einem
weiteren Gang im Süden des zweiten Raumes. Der nordwestliche
26
Abb. 3.
Poucet 1980: 309; und erschlossen aus Rückrechnung nach Downey 1995: 6.
28
Brown 1967: 52.
27
14
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
Raum wurde aus den z. T. zusammenhanglosen Resten rekonstruiert,
das sind Stücke einer einzigen Reihe aus dünnen Blöcken aus gekörntem Tuffstein, welche sich in Länge und Breite unterscheiden.29
Die nördliche Hofmauer teilt die östliche Mauer des Raumes nördlich der auf den Hof hinausgehenden Tür in zwei ca. gleich große
Teile, so daß die Hälfte des nordwestlichen Raumes über die nördliche Hofbegrenzung hinausragt. Der zur vorherigen Periode 6 gehörende cippus befand sich nun außerhalb des Geländes.30
Der südliche Raum, von den beiden genannten Gängen im Norden und Süden flankiert, öffnete sich gleichfalls nach Osten auf den
Hof hin: es fanden sich von der Ostwand eine Reihe von 5 oder 6
Blöcken aus gekörntem Tuffstein, die von einem Zwischenraum für
eine Tür unterbrochen wurde.31 Im Inneren des Raumes befanden
sich eine runde Feuerstelle und Aschereste.32
Aufgrund einer Einprägung von ca. 38 cm Durchmesser, die auf
der Höhe der Südwand des Raumes im Abstand von 2,26 m aufgefunden wurde, welche von Frank E. Brown als Abdruck einer StützPlinthe für eine Säule aus Holz identifiziert wird, wird eine porticus
mit 4 Säulen auf der Westseite des Hofes angenommen.33 Die Südmauer des Hofes knickte nach der Hälfte ihres Verlaufes um ca. 40°
nach Norden ein, wodurch die schmalste Seite die Ostseite war. An
ihr befand sich der Eingang zur Regia.
29
Brown 1976: 21.
Brown 1976: 24.
31
Brown 1976: 22.
32
Brown 1976: 22 und Downey 1995: 5.
33
Brown 1976: 22.
30
15
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
Abbildung 4: Regia 2 (Periode 8)
2.1.2.2 Regia 2 (Periode 8)34
Kurze Zeit nach der Errichtung des ersten Gebäudes (ca. 630 v.
Chr.) wurde eine Erweiterung des Hofes durchgeführt: durch Nachgeben/Senken der ursprünglichen Mauer35 wurde die Nordwand weiter nach Norden an den Rand eines Grabens36 verschoben, und zwar
dergestalt, daß sie an der nun etwas verlängerten Ostwand des Hofes
nicht mehr im Winkel von 90° auftraf, sondern etwa im Winkel von
95-100°, und der so entstandene Freiraum im Westen zwischen nördlichem Raum und Nordwand durch Verlängerung der Ostwand (mit
Türöffnung) des Nordraumes nach Norden geschlossen wurde. Der
Südraum und die gesamte südliche Seite der Regia blieben von diesen Maßnahmen unberührt, jedoch setzte man noch zwei weitere
Säulen zum Ausgleich der porticus im Norden hinzu. Damit bestand
die porticus nun aus insgesamt sechs Säulen. Das Niveau des Areals
34
Abb. 5.
Brown 1976: 24.
36
Brown 1976: 24.
35
16
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
wurde angehoben, der cippus also im Boden begraben und gleichzeitig ein Graben zur Entwässerung des Hofes angelegt.37
Abbildung 5: Regia 3 (Periode 9)
2.1.2.3 Regia 3 (Periode 9)38
Durch Feuer und eine nachfolgende Überflutung39 scheinen tiefgreifende Reparaturarbeiten spätestens um die Mitte des 6. Jh.s v.
Chr.40 notwendig geworden zu sein, welche auch auf das Aussehen
der Regia (3) Auswirkungen hatten. Die Tür an der Ostseite des Hofes blieb an derselben Stelle, während die Ostwand selbst wesentlich
nach Süden hin verlängert wurde und in einem fast rechten Winkel
auf die ebenfalls verlängerte Südwand trifft. Das Südzimmer im Westen des Hofes wurde nach Süden hin zu Lasten des Ganges etwas
37
Brown 1976: 24.
Abb. 5.
Brown 1976, 26s., Downey 1995: 6, Poucet 1980: 309.
40
Holloway 1996: 62.
38
39
17
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
vergrößert, womit die Türöffnung im Osten nun mittig in der Ostwand lag.41
Das Nordzimmer hingegen wurde vollständig niedergelegt42 und ein
neuer, größerer Raum an der Hofwand im Norden angebaut. Die
genaue Ausdehnung dieses Raumes, der zwei Reihen mit vielleicht
jeweils drei Säulen besaß, läßt sich nicht mehr feststellen: Die Fundamente der Regia des 1. Jh.s v. Chr. wurden darüber errichtet. Die
Westfassade der Regia verlief nun nicht mehr in einer Linie, nur die
Westwand des Südraumes blieb auf gleicher Höhe, die restlichen
Wände im Westen (Hofmauer und Mauer des Nordraumes) sprangen
stufenweise zurück. Auch die Stellung der Säulen veränderte sich:43
Von den zuvor sechs Säulen wurde die nördlichste entfernt und entweder hinter die jetzt 1. und 2. Säule je eine weitere gesetzt, wodurch
eine Art „Peristyl“ nördlich des Südraumes entstand, oder es wurde
die jetzt 1. und die 2. (wieder von Norden her gesehen) Säule zur
Westwand hin verschoben, womit die porticus einen kurzen Richtungswechsel vollzieht: sie verläuft nun SN, dann OW, und
schließlich SN.44 Diese Varianten ergeben sich aus der Schwierigkeit, den lichten Raum zwischen der Westwand nördlich des Südraumes und der porticus in seinem ursprünglichen Verlauf (6 minus 1 Säule) mit einer Bedachung zu überspannen, was nur unter
Annahme einer der beiden vorgestellten Varianten gelingt.45
41
Brown 1976, 29.
Brown 1976, 26.
43
Brown 1976, 28.
44
Downey 1995: 6s. Im Plan von der bei R. T. Scott (462: Abb. 77; Abb. 3) als 2. Regia, sonst
aber als 3. Regia bezeichneten Regia, findet sich die erste der beiden Varianten. In der weiteren
Literatur wird nur Variante 2 graphisch dargestellt (vgl. z. B. Stopponi 1985: 186ss., Abb. 1-6,
Coarelli 1985: Foro Romano (Periodo Archaico): 59s., Abb. 15, Holloway 1996: 41, Abb. 4.10
und Iacopi 1982: 37ss., Abb. 6-10).
45
Downey 1995: 6s.
42
18
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
Abbildung 6: Regia 4 (Periode 10)
2.1.2.4 Regia 4 (Periode 10)46
Wohl ein neuerlicher Brand47 schaffte Raum für die nächste Phase der Regia, welche, anhand eines aufgefundenen Lekythos, der auf
540-530 datiert wurde,48 und in der Zeit kurz nach dem 3. Quartal
des 6. Jh.s v. Chr. (550-525 v. Chr.) begann. Sie brachte eine Änderung in der Anlage und Ausrichtung des Gebäudekomplexes: Ausdehnung und trapezoide Form blieben weitgehend erhalten, vor allem aufgrund der Lage nahe des Schnittpunktes zweier alter Straßen,
der sacra via und dem vicus Vestae. Die Räume waren bislang in den
vorangegangenen Phasen getrennt voneinander um den Hof angeordnet. Jetzt wurden drei Räume als eine Einheit auf der gegenüberliegenden Seite errichtet,49 also im Osten, wobei der mittlere Raum
als eine Art Vestibül50 diente, so daß die Regia weiterhin von Osten
her – wie ein Vergleich der Pläne zeigt, fast genau an der ursprünglichen Stelle – betreten werden konnte. Stand man im nicht rechtwink46
Abb. 6.
Brown 1976: 29 und Downey 1995: 59.
48
Brown 1976: 30 und Downey 1995: 59.
49
Brown 1976: 30.
50
Brown 1976: 33.
47
19
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
ligen Vestibül, gingen links und rechts die beiden ebenfalls nicht
rechtwinkligen Räume ab. Sie waren nur durch das Vestibül zu
betreten und öffneten sich also im Gegensatz zu den beiden Räumen
der früheren Phasen nicht mehr zum Hof hin.
Ging man weiter geradeaus, betrat man den Hof durch eine porticus mit wahrscheinlich drei Holzsäulen, die den drei Räumen vorgelagert war. Die Nordwand des Hofes bildete mit der Westwand der
drei Räume einen 90°-Winkel, knickte dann aber auf der Höhe der
Säulen um 15° nach Norden ab. Während die Südseite vollständig
gerade auch im 90°-Winkel zur Westwand verlief, knickte die Westseite etwas nördlich ihres Mittelpunktes wieder nach Osten ab: Der
Hof bildete somit ein unregelmäßiges Sechseck. Ungefähr in Achse
des Vestibüls wurde vor der Westwand des Hofes ein Stein gefunden, der wahrscheinlich zu den Fundamenten eines Altars gehörte.51
An dieser Stelle befand sich auch weiterhin, in den späteren Phasen
der Regia, ein Altar.52 Der Plan, welcher dem Artikel von Russel T.
Scott beigefügt ist,53 weist Unterschiede zu dem vom Frank Brown
auf.
1) Der Eingang zur Regia befindet sich hier an der Stirnseite des
Hofes, gegenüber der porticus. Der Zugang ist also in dieser Rekonstruktion nur von Westen direkt vom Forum Romanum aus möglich,
nicht, wie vorher ausgeführt, von Osten durch das sog. Vestibül. Um
den Niveauunterschied zu überbrücken, wird eine mehrstufige Treppe angenommen.54 2) Die porticus weist eine engere Säulenstellung
auf, d. h. es werden fünf Säulen rekonstruiert. Der Eingang wird bei
Russel Scott in den folgenden Phasen wieder an der ursprünglichen
Stelle im Osten angenommen,55 was allerdings eine Änderung des
Eingangs nur für die letzte vor-republikanische Phase als eher unwahrscheinlich erscheinen läßt. Außerdem verläuft die Nordwand
des Hofes in der Rekonstruktion von R. Scott vollkommen gerade.
51
Downey 1995: 59.
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 189.
53
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 462, Abb. 78.
54
Vgl. Brown 1935: 81s. Die Treppe zur kaiserzeitlichen Regia hatte möglicherweise eine
Vorgängerin. Brown weist sie aber (noch?) nicht der Periode 10 zu.
55
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 463, Abb. 79, 80, 81.
52
20
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
Abbildung 7: Regia 5 (Periode 11, Republikanisch 1)
2.1.2.5 Regia 5 (Periode 11; Republikanisch 1)56
Die erste Regia in republikanischer Zeit stammt aus der Zeit des
beginnenden 5. Jh. v. Chr.57 und änderte ihren Grundriß erneut, ohne
allerdings die schon ausgeführten Grundstrukturen anzutasten. Anders als bei den vorausgegangenen Phasen war wohl kein Brand von
Regia 4 der Motor des Baus.58 Dabei wurde Fundament-Material
vom Vorgängerbau übernommen,59 die aufragenden Strukturen waren aus Holz.60 Der in Phase 461 gebildete Komplex von zwei Räumen, die ein Vestibül flankieren, bleibt erhalten, „wandert“ aber mit
dem Uhrzeigersinn von Osten in den Süden der Anlage und ist nun
ca. 6,40 m breit und ca. 20,00 m lang.62 Der Westraum (in der vorigen Phase südlich vom Vestibül gelegen), von dessen Bodenbelag
56
Abb. 7.
Brown 1967: 58, Brown 1976: 17 und R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 189. Die frühere
Datierung auf das mittlere 4. Jahrhundert v. Chr. (Brown 1935: 71) wurde damit revidiert.
58
Brown 1966: 65; vgl. Abschnitt 2.2.
59
Brown 1967: 55.
60
Brown 1935: 70.
61
Vgl. 2.1.2.2.4
62
Brown 1935: 68 und Brown 1967: 55.
57
21
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
sich Capellacio-Fliesen erhalten haben,63 wurde zu einem etwa
11,20 m langen Rechteck erweitert64 und besaß erneut eine Herdstelle. Der Ostraum (in der vorigen Phase nördlich vom Vestibül gelegen) hatte eine Länge von 2,95 m bis 3,25 m.65 Beide Zimmer waren
nach wie vor nur durch das Vestibül, welches möglicherweise einen
Zugang von der südlich gelegenen Straße aufwies, zu betreten.66
In den Hof gelangte man also sowohl durch das Vestibül als auch
durch den ursprünglichen Eingang von Osten her.67 Die Nord- und
die West-, wie auch die Ostwand des Hofes blieben weitgehend an
der Stelle der vorangegangen Phase: die Nordwand in ihrer vollen
Länge; die Wand im Westen büßte nur am südlichen Ende etwas an
Länge ein; die Ostwand hingegen wurde um die Tiefe des Ostraumes
gekürzt und bildete somit die Schmalseite des Hofes. Die Südwand
der Regia wurde auf dem vicus Vestae errichtet, welche man dann
weiter südwärts verlaufen ließ.68 Im Südwesten des Hofes fand man
einen Brunnen, und die schon angesprochenen Fundamente für einen
Altar an der Westseite ließen sich auch für diese Phase nachweisen.69
Aus den aufgefundenen Fundament-Resten von zwei Säulen oder
Pfeilern, wird auf eine porticus geschlossen, die diesmal symmetrisch an der Nord- und Südseite des Hofes verläuft.70 Reste von
weiteren Mauern, welche von Frank Brown71 dieser Phase zugewiesen werden, nimmt Russel Scott72 erst in der nächsten Phase in den
Plan auf.
63
Brown 1967: 55.
Brown 1935: 68.
Da die Westwand im Winkel von 95°zur Südwand stand. Brown 1935: 68.
66
Brown 1967: 55 und 56.
67
Brown 1967: Abb. 4 und R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 463, Abb. 79. Scott übernimmt
konsequenterweise den Rekonstruktionsversuch von Abb. 78 auch in Abb. 79: Das Vestibül ist
hier kein Durchgangsraum, sondern nur durch den Hof erreichbar.
68
Brown 1967: 56.
69
Brown 1967: 56.
70
Brown 1967: 56 und Abb. 4. R. T. Scott vermerkt in seinem Plan (463, Abb. 79) zwei Pfeiler, unterläßt es aber, für diese Phase ein Peristyl daraus zu rekonstruieren, wie es F. E. Brown
tut.
71
Brown 1967: 56 und Abb. 4.
72
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:463, Abb. 79 und Abb. 80.
64
65
22
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
Abbildung 8: Regia 6 (Periode 11, Republikanisch 2)
2.1.2.6 Regia 6 (Periode 11; Republikanisch 2)73
Nach einer Zerstörung der 5. Regia durch Feuer im 3./2. Jh. v.
Chr., bei der die gesamten Aufbauten aus Holz verloren gingen,
wurden beim Wiederaufbau (unter anderem der Westwand mit ihren
Fundamenten)74 keine nennenswerten Änderungen am Grundriß
vorgenommen:75 Mit dem Aufbau der Westwand von den
Fundamenten her wurde die Regia ein wenig nach Westen erweitert,
die Mauern im Nordosten haben vielleicht eine Plattform getragen.76
Eine genauere Datierung des Feuers ist heute nicht eindeutig
möglich. Frank Brown setzte es im Ausgrabungsbericht von 193577
durch die datierende Beurteilung der Grotta-Oscura-Fundamente der
Westwand unter Zugrundelegung der Schriftquellen und der Analysen von T. Frank78 auf das Jahr 148 v. Chr. an. Nach den Ausgrabun-
73
Abb. 8
Brown 1935: 72.
75
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:192.
76
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:192.
77
Brown 1935: 72ss.
78
Scott 1988: 20, Anm. 8: T. Frank, Roman Buildings of the Republic. Papers and Monographs of the American Academy in Rome 3, 1924, p. 82.
74
23
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
gen von 1964/65 unter demselben Ausgräber79 wurde der Wiederaufbau dann für das ausgehende 3. Jh. v. Chr. angenommen
Da die Datierung auf 148 v. Chr. von Frank Brown mehr aufgrund der Schriftquellen denn auf der Charakterisierung der Grotta
Oscura durch T. Frank beruht,80 weist Russel Scott das Feuer und
den darauf folgenden Wiederaufbau in die Jahre zwischen 210 und
148 v. Chr.81 Direkt für das Jahr 148 v. Chr. oder bald danach sind
nach R. Scott keine archäologischen Belege nachweisbar.82 Einige
Veränderungen lassen unter Umständen zu, auch für die Zeit von
Sulla83 und schließlich von Caesar84 an eine Bautätigkeit an der Regia zu denken. Auch bei diesen Bauarbeiten wurde die Grundstruktur
der Regia nicht angetastet, obwohl der gesamte Südtrakt neu auf
verstärkten, belastbareren Fundamenten errichtet worden ist.85 Die
Nordwand der Regia wurde lediglich um 0,75 m nach Norden verschoben86 und die Proportionen der drei Räume ausgeglichener gestaltet.87 Wie mit jedem Auf-, Um- oder Neubau erhöhte sich auch
jetzt das Bodenniveau: Nun mußten im Westen 2,06 m durch eine
Treppe überbrückt werden,88 da man nun (wieder) im Westen einen
Eingang schuf.
Der erwähnte Annex im Westen des Südtraktes89 wurde in der
kaiserzeitlichen Regia neu errichtet. Die Veränderungen (Fundamente, Annex und Treppenkonstruktion) sind, aufgrund der archäologischen Befunde,90 in die Zeit kurz vor 55 v. Chr. und 36 v. Chr. zu
datieren und gründen wahrscheinlich in einer neuerlichen (Teil-?)
79
Brown 1967: 51.
Scott 1988: 20, Anm. 8.
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:190, 192 und Scott 1988: 20.
82
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:192.
83
Reste von Monte-Verde-Pflasterung, die mit derjenigen des Forum Romanum aus sullanischer Zeit zu vergleichen ist, wie auch eine große Zisterne (Brown 1935: 74s).
84
Rest eines Anbaus im Südwesten, der aber bei der späteren kaiserzeitlichen Umgestaltung
niedergelegt wurde. (R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 192).
85
Brown 1935: 79.
86
Brown 1935: 79.
87
Brown 1935: 79 und Anm. 1.
88
Brown 1935: 82.
89
Brown 1935: 80 und R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:190.
90
Brown 1935: 82.
80
81
24
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
Zerstörung durch einen Brand. In der neueren Literatur werden die
Ergebnisse von 193591 zur sullanischen und cäsarischen Epoche der
Regia, oder wenigstens der letzteren, nicht mehr eigens besprochen
oder in die Nomenklatur aufgenommen, was eine Bewertung der
Ergebnisse deutlich erschwert.
Abbildung 9: Kaiserzeitl. Regia (Periode 12)
2.1.2.7 Kaiserzeitliche Regia (Periode 12)
Die Regia der Kaiserzeit war nicht mehr aus Holz, wie die Vorgängerbauten,92 sondern hatte Wände aus Marmor93 mit Fundamenten aus Travertin und Capellacio94 sowie einen Fußbodenbelag aus
Marmor.95 Die Travertin-Blöcke stammten noch vom Vorgängerbau
und bildeten die Euthynterie der Wände.96 Der Neubau behielt den
Grundriß der republikanischen Regia in ihrem letzten Stand bei, le91
Brown 1935: 74ss.
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:190.
93
Resp. Wände aus opus caementitium mit einer Verkleidung aus weißem Marmor.
94
Brown 1935: 85.
95
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:190 und Brown 1935: 76 und 83s., 85.
96
Brown 1935: 85.
92
25
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
diglich einige Korrekturen und Verbesserungen wurden vorgenommen. So wurden die Nord- und die Ostfassade begradigt, die beide
bislang einen leichten Knick besaßen (die letztere einen deutlicher
sichtbaren).97
Der schon kurz erwähnte Annex wurde dahingehend ausgebaut,
daß er nun mit einer Art Gewölbe aus Travertin auf dem ursprünglichen, niedrigeren Niveau „unterkellert“ wurde, und über ein paar
Stufen abwärts, vom neuen Bodenniveau aus erreicht werden konnte.98 Über dem Gewölbe erhob sich dann der eigentliche Annex mit
den Mauern aus Marmor, welcher vom Bodenniveau von der Südseite her und vom Westzimmer aus über eine Treppe betreten wurde.99
Der Hof wurde mittels einer etwas seltsamen Konstruktion100
umgestaltet. Wohl um ihm, wenn man ihn von Osten her betrat, ein
symmetrisches Erscheinungsbild zu verleihen, wurden zwei Mauern,
eine von der Nord-Ost-Ecke und eine auf gleicher Linie von der
Nordwand des Westzimmers in den Hof eingezogen. Sie endeten
jeweils auf der Höhe der nun auf beiden Seiten des Hofes rekonstruierten Säulenstellungen (vier Säulen im Norden und fünf Säulen im
Süden)101 kurz hinter der vierten Säule (von Osten her gesehen).
Damit erhielt der Hof eine annähernd trapezoide Form mit jeweils
vier Säulen an den Langseiten. Der durch die vorspringenden Mauern quasi abgetrennte Bereich hatte die Form eines unregelmäßigen
Dreiecks mit dem weiten Zugang von Osten und einem weiteren von
Süden her, der über die Treppe im Westen erreichbar war. Eine fünfte Säule an der Südseite war auf einer Linie mit den anderen vier
Säulen positioniert, etwas nach Süd-Westen unterhalb des Schnittpunktes der Winkelhalbierenden dieses Dreiecks verschoben.102 Mittig zwischen den beiden hervorspringenden Wänden befand sich an
der Stelle seiner Vorgänger weiterhin der Altar. Den Hof (ohne abge97
Brown 1935: 86.
Brown 1935: 86.
99
Brown 1935: 86 und R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 464, Abb. 81 (Abb. 7).
100
Brown 1935: 87.
101
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 464, Abb. 81.
102
Daß diese Säule den Schnittpunkt nur um ein Weniges verfehlt hat, liegt sicher daran, daß
der Architekt nur daran dachte, die begonnene südliche Säulenstellung nach Westen hin fortzusetzen – wenn parallel im Norden zum spitzen Winkel des Dreiecks hin mehr Raum vorhanden
gewesen wäre, wäre vermutlich auch dort eine Säule errichtet worden.
98
26
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
trennten Bereich im Westen) bezeichnet Frank Brown als atrium
tetrastylum für vier Säulen,103 resp. als atrium Corinthium104 für eine
Stellung von acht Säulen, wie oben ausgeführt.
Abbildung 10: Die Bauphasen der Regia
103
104
Brown 1935: 87.
Brown 1935: 88.
27
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
2.1.3 Weitere Funde und archäologische Zeugnisse
2.1.3.1 Die archaischen Architektur-Terrakotten der Regia
Bei den Ausgrabungen der Jahre 1964/65 kamen neben den zuvor beschriebenen Überresten der Regia auch archaischen Architektur-Terrakotten ans Tageslicht. In den letzten Jahren haben diese
archaischen Fries-Terrakotten einen größeren Widerhall in der wissenschaftlichen Literatur gefunden,105 was an der durch die Bewertung der Funde neu entfachten Diskussion über Funktion und Bedeutung der Regia liegt, vor allem aber auch an weiteren, ähnlichen
Ausgrabungsergebnissen in anderen Orten Mittelitaliens.
Im Laufe der Untersuchungen konnten auch Fries-Platten und
Überreste, die aus dem Gebiet des Caesar-Tempels und des Augustus-Bogens stammen,106 mit den in der Regia gefundenen in Verbindung gebracht und als zur Dekoration der Regia gehörig identifiziert werden.107
Die Terrakotten können zwei der oben dargestellten Phasen der
Regia zugeordnet werden: zum einen der 3. Regia aus der Mitte des
6. Jh.s v. Chr., zum anderen der 4. Regia etwa aus dem letzten Viertel des gleichen Jahrhunderts.
2.1.3.1.1 Die archaischen Architektur-Terrakotten der 3. Regia
Die aufgefundenen Teile der Terrakotten der 3. Regia können in 5
Gruppen aufgeteilt werden:108
105
Cristofani 1995; Downey 1993 und 1995; Rystedt 1991 und 1993.
Vgl. Gjerstad 1960: 287s.; Downey 1993: 235; Downey 1995: 7. Die Darstellung der archaischen Architektur-Terrakotten in dieser Arbeit folgt der 1995 erschienenen Arbeit von S.
Downey. Sie wird in der Hauptsache zur Zitation herangezogen, wenn es sich um eine communis opinio handelt. Der Artikel von 1993 (Downey 1993) ist eine vorab erschienene und z. T.
wortwörtliche Kurzfassung dieser o. a. grundlegenden und bislang einzigen ausführlichen
Darstellung der archaischen Architektur-Terrakotten der Regia von 1995. Abweichende oder
ergänzende Meinungen werden natürlich behandelt und separat ausgewiesen.
107
Downey 1995: 7.
108
Downey 1995: 7.
106
28
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
Abbildung 11: Friesplatte mit stierköpfigem Mann
zwischen zwei Wildkatzen
2.1.3.1.1.1 Fries-Platten
Reste von Fries-Platten (Höhe 0,23/0,25 m)109 mit je einem Relief-Bild:110 ein stierköpfiger Mann, bzw. ein langbeiniger Vogel,111
zwischen zwei Tieren aus der Familie der (Wild)Katzen;112 diese
Anordnung: großer Vogel nach rechts gefolgt von einer Wildkatze113
findet sich noch in einem Fragment aus der cloaca maxima. Man
kann allgemein rekonstruieren: ein stierköpfiger Mann (dieser im
Gegensatz zum Vogel nach links) oder ein Vogel (nach rechts) zwischen zwei Wildkatzen (beide nach links oder nach rechts) auf je
einer Fries-Platte.114 Wie die Platten zueinander angeordnet waren,
bzw. der gesamte Fries an sich, läßt sich nicht mehr rekonstruieren,
109
Downey 1995: 14s.
Downey 1995: 9-32.
111
Evtl. ein Kranich oder ein Strauß (Downey 1995: 7).
112
Über die Rasse herrscht Uneinigkeit: weiblicher Löwe oder Panther? (Downey 1995: 8).
113
Das Wort „feline“, mag man genau als „katzenartiges Tier“ übersetzen, oder allgemeiner
„Katze“. Da dabei die Assoziation mit einer „Hauskatze“ sich jedoch unwillkürlich aufdrängt,
wurde auf den Oberbegriff von Löwin, Panther, o. ä.: „Wildkatze“ als Übersetzung zurückgegriffen, welcher ein realitätsnaheres Bild von den Darstellungen auf den Fries-Platten evoziert.
114
Downey 1995: 10 (sog. Romanelli-Fragment; vgl. Rystedt 1993: 250).
110
29
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
da dieses Motiv in der Kombination stierköpfiger Mann/Vogel und
Wildkatzen ohne etwas Vergleichbares ist.115
Eva Rystedt weist die beiden Rekonstruktionen von Mauro Cristofani116 und Irene Iacopi117 und eine weitere Giebelkonstruktion
aus „La grande Roma dei Tarquini“118 als verfehlt zurück119 und geht
zurück auf die von E. Gjerstad entworfene Ergänzung120 der Friesplatte:121 Ihrer Ansicht nach ging dem stierköpfigen Mann (resp. dem
Vogel) ein Panther voraus und ein Löwe folgte. Für die AlternativKombination Panther – Stierköpfiger – Löwe findet sich im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe eine Bucchero-Kanne,122 welche
eine ähnliche Ikonographie aufweist.123
Während – kurzbeinige – Wasservögel aller Art zur Dekoration
etruskischer, korinthischer und kleinasiatischer Keramik bekannterweise verwendet wurden,124 findet der straußenähnliche Vogel nur
bedingt eine Entsprechung. Große Vögel mit ausladender Figur finden sich auf etruskischer Keramik der orientalisierenden Periode.125
Im Unterschied zu den aus dieser Zeit bekannten Darstellungen,126
die einen Vogel mit kurvig nach unten gerichteten Schwanzfedern
zeigen, trägt der Vogel aus Rom (cloaca maxima) seine Schwanzfedern jedoch gerade und spreizt sie zu einem Fächer.
Ebenso sind die beiden anderen Figuren – wenn auch „exotisch“127 – durchaus nichts absolut Ungewöhnliches für die etruskische Kunst; sie tauchen auf etrusko-korinthischer und korinthischer
Keramik auf. Sowohl für die Verwendung des Motivs Wildkatzen als
115
Downey 1995: 19.
Cristofani 1988: 96; und 1995: 65; Abb. 1.
117
Iacopi 1982: 43s.
118
1990, Abb. 1.
119
Rystedt 1993: 249s.
120
Gjerstad 1966: 475; Abb. 142.
121
Gjerstad 1960: 289; Abb. 189.
122
Inv. No. 65/52.
123
Rystedt 1993: 252.
124
Downey 1995: 16.
125
Downey 1995: 16s.
126
Beispielsweise auf einem Skyphos aus der Tomba Barberini in Praeneste, einem silbernen
Kotylos aus der Tomba del Duce in Vetula (mit Pseudohieroglyphen), und einem BuccheroKantharos aus Tarquinia (Downey 1995: 17).
127
Downey 1995: 19.
116
30
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
dekoratives Element gibt es verschiedene Zeugnisse (auch für die
Darstellung von Leoparden)128 als auch für die des Stierköpfigen,
gemeinhin als der mythologisch-notorische Minotaurus identifiziert.
Auf die Bedeutung der verschiedenen Theorien für die Regia und
deren Nutzung wird an späterer Stelle detaillierter eingegangen. Die
Fragmente der Fries-Platten wurden vor allem in Sektion 6b, 7 und 8
des Ausgrabungsgebietes129 gefunden, gehören also aller Wahrscheinlichkeit nach zum Südgebäude/-raum der Regia.
2.1.3.1.1.2 Antefixe
Weiters wurden Teile zweier Antefixe, eines Gorgoneions und
eines weiblichen130 Kopfes, gefunden. Das Gorgoneion-Antefix,
welches nur noch die rechte Seite der Stirn zeigt, korrespondiert mit
dem Fund des Antefixes unter dem lapis niger131 und dem von Murlo
(Poggio Civitate)132 und dürfte somit ebenfalls aus der Zeit um 575
v. Chr. stammen. Vom Kopf einer Frau ist nur noch die untere Gesichtshälfte (Mund, Kinn, Halspartie bis hin etwa zu den Schlüsselbeinen) erhalten. Durch Vergleiche mit dem Kopf der seitlichen Sima von Murlo (Poggio Civitate) und einem Antefix aus Veii, auch
wenn diese nur sehr schwer möglich sind, läßt sich eine grobe Datierung zwischen 600 und 550 v. Chr. vornehmen;133 damit kann man
von einer ungefähr zeitgleichen Entstehung der beiden Antefixe ausgehen.
2.1.3.1.1.3 Sima Strigilata
Verschiedene Fragmente der sima strigilata lassen sich mit dem
südlichen Gebäude/Raum, aber auch mit dem im Norden134 in Verbindung bringen und geben hinreichend Aufschluß über die das Ge-
128
Downey 1995: 19, und Anm. 43.
Downey 1995: 54; Abb. 28.
130
Für das Geschlecht spricht die ursprüngliche Bemalung; vgl. Downey 1995: 35.
131
Downey 1995: 32.
132
Downey 1995: 33.
133
Downey 1995: 34.
134
Auch hier lassen sich Fragmente aus dem Gebiet um den Castor- und Caesar-Tempel als
originär von der Regia stammend einordnen. – Die Funde aus 6b und 6d sind aber möglicherweise nicht vom Südgebäude; vgl. Downey 1995: 40.
129
31
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
bäude (oder die Gebäude) bekrönende Sima.135 Die Anordnung der
Sima (zusammen mit dem Fries) für den Südraum wurde von Irene
Iacopi rekonstruiert.136 Bislang wurden keine Fragmente von Sima
strigilata gefunden, die nicht mit der Regia zu verbinden sind: Ein
Fragment-Fund um das Gelände des Castor-Tempels stammt – wenn
auch nicht absolut gesichert – von der Regia.137 Die Sima war in
roter und weißer Farbe bemalt, die Fascien waren mit konzentrischen
Kreisen verziert und wahrscheinlich rot bemalt.138
2.1.3.1.1.4 Scheibenakrotere
Zu einem oder zwei Scheibenakroter(en) gehören drei Fragmente,139 die in den Sektionen 4 und 8140 gefunden wurden; sie gehören
damit auch zum Gebäude/Raum im Süden. Die Fragmente No. 24
und 25141 werden von Susan Downey aufgrund ihrer Ähnlichkeit in
Profil und Verzierung (in Rot auf beigem Hintergrund) dem Rand
eines Akroters zugeordnet, No. 26, mit Restspuren von feinen roten
Linien auf weißer Bemalung (ein Gorgoneion?)142, der zentralen
Scheibe eines weiteren. Die Rekonstruktion ist problematisch:143
Einerseits sind die Überreste (v. a. No. 25)144 nur sehr fragmentarisch, andererseits wären die Scheibenakrotere, wie sie aufgrund der
vorliegenden Funde – mit einem massiveren Rand um eine dünne
Scheibe herum – wohl vorzustellen sind, zerbrechlich und etwas
instabil;145 sie unterscheiden sich so auch von anderen Scheibenakroteren.146
Während Scheibenakrotere für Griechenland, Kleinasien und das
griechisch besiedelte Italien (Großgriechenland) durchaus bekannt
135
Downey 1995: 37. Funde in Sektion 4 und 7; vgl. Downey 1995: 40.
Iacopi 1982: 43s; Abb. 34.
137
Downey 1995: 40.
138
Downey 1995: 38.
139
Downey 1995: 40.
140
Downey 1995: 46.
141
Zählung nach Downey 1995: 93ss.; Abb. 35, 36.
142
Downey 1995: 41.
143
Downey 1995: 45.
144
Downey 1995: 40.
145
Downey 1995: 41.
146
Downey 1995: 45.
136
32
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
sind,147 finden sich für Zentralitalien Beispiele dafür eher bei den
sog. Hausmodellen aus Veii (6./5. Jh. v. Chr.), Rom (4./3.) und Velletri (6./5.).148 Lediglich ein Scheibenakroter in Punta della Vipera
(Santa Severa), mit vielleicht ebenfalls einem Bild einer Gorgo auf
der Scheibe (welche kein Rand umfaßt),149 läßt sich bislang nachweisen. Wenn man die überkommenen Hausmodelle mit den Scheibenakroteren bedenkt, läßt das aber nicht auf eine grundsätzlich geringe
Verbreitung in Mittelitalien schließen.150
2.1.3.1.1.5 Verschiedene Fragmente
Auf weitere Überreste unbestimmter Funktion soll hier nicht
weiter eingegangen werden.151 Interessant ist noch der vordere Teil
des beschuhten Fußes einer freistehenden und wohl lebensgroßen
(Akroter-?) Statue.152 Auch hier haben sich Spuren von roter Bemalung erhalten. Und ein Vergleich mit Poggio Civitate und einer daraus resultierenden Datierung ist wiederum möglich.153 Wo sich die
Bemalung an den Schuhen der sitzenden Akroter-Statuen erhalten
hat, ist eine ähnliche Zunge wie am Schuh der Regia-Statue erkennbar. Ob auch der Schuh in seiner Gesamtheit denen in Poggio Civitate ähnelt, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen, da von dem der Regia
zu wenig aufgefunden wurde.154
2.1.3.1.1.6 Abschließende Bemerkungen
Die zur Dekoration – hauptsächlich des Südgebäudes/-raumes –
gehörenden Terrakotten sind aus einem grauen Ton, mit Spuren des
Minerals Augit gesprenkelt, einem schwarzen, grünlichschwarz bis
grünen Kettensilicat, glas- oder fettähnlich glänzend,155 und einem
147
Downey 1995: 42.
Downey 1995: 44.
Downey 1995: 43s.
150
Downey 1995: 44.
151
Downey 1995: 4, 46ss.
152
Downey 1995: 47s; Abb. 37.
153
Downey 1995: 48.
154
Downey 1995: 48.
155
Gefunden bei: „Angewandte Mineralogie“, © 2000 Büro für angewandte Mineralogie · Dr.
Stephan Rudolph · D-47918 Tönisvorst;
http://www.a-m.de/deutsch/lexikon/mineral/kettensilicate/augit.htm, Stand: 25. Juli 2007.
148
149
33
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
sehr hell-beigen Überzug aus Ton gefertigt.156 Im Unterschied dazu
sind die weiteren gefundenen Dachziegel (darunter ein vollständiger
und das Fragment eines Ziegels der Dachtraufe mit bemalter Kante),
so sie zur 3. Regia gehören, aus grobem, roten Ton und von einfacher funktionaler Form.157 Möglicherweise stammen manche Dachziegel (und damit die Form der neu für die 3. Regia angefertigten
Dachziegel) noch von einem Vorgängerbau, da – im Vergleich – die
Dächer aus Poggio Civitate und Acquarossa, die aus der Zeit kurz
vor der Regia stammen, in ihrer Konstruktion und Ausführung schon
eine Weiterentwicklung darstellen.158 Grundsätzlich ist die Rekonstruktion der regionalen Eigenart (und des Stiles) der aufgefundenen
Fragmente, die bislang keine Entsprechung gefunden haben, schwierig. Wie schon angedeutet, findet sich Dekoration in dieser Ausführung und mit diesem Charakter nicht nur an der Regia, sondern Ähnliches auch auf dem Forum Romanum, dem Capitol, wurde bei den
Ausgrabungen der Tempel bei Sant‘ Omobono in Rom,159 aber bislang noch nicht außerhalb der Stadt gefunden.160 Daraus wird geschlossen, daß sie regional in Rom selbst hergestellt worden ist und
man gibt auch der Annahme den Vorzug, daß eine einzige Werkstatt
sie angefertigt haben mag.161
2.1.3.1.2 Die archaischen Architektur-Terrakotten der 4. Regia
Es wurden ungleich weniger Überreste der ArchitekturTerrakotten von der 4. Regia gefunden als von ihrem Vorgängerbau.
Lediglich drei Antefixe in der Form eines weiblichen Kopfes, vielleicht einer Mänade?,162 und Teile einer weiß (und rot?) bemalten
sima strigilata, vielleicht auch der Teil eines Dachziegels können für
diese Periode 10 nachgewiesen werden.163 Zur Sima gehört wohl
auch das Fragment eines Pantherkopf-Wasserspeiers, gefunden in
156
Downey 1995: 8.
Downey 1995: 8.
158
Downey 1995: 52.
159
Ohne hier auf die Unterschiede zwischen den einzelnen Terrakotten von Sant‘ Omobono,
denen des Forum Romanum und des Capitols einzugehen (vgl. Downey 1995: 8).
160
Downey 1995: 8 und Anm. 9.
161
Downey 1995: 8.
162
Torelli 1988: 169, Text zu Abb. 63.
163
Downey 1995: 60.
157
34
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
Sektion 6d, welcher seine Pendants (in Kombination mit der Sima) in
Funden auf dem Forum Romanum hat (wieder in der Cloaca Maxima
und im Ausgrabungsgelände des Tempels des Castor und Pollux,
letztere Funde waren wahrscheinlich wiederum ursprünglich an der
Regia angebracht).164 Dasselbe Grundschema der Sima findet sich
auch in Velletri,165 Punta della Vipera, Veii und an den Tempeln von
Sant‘ Omobono in Rom,166 in Rom selbst aber tritt diese Form ganz
besonders häufig auf.167 Die Antefixe in Form von Frauenköpfen der
4. Regia gehören zu den früheren Exemplaren einer ganzen Reihe
von Antefixen mit weiblichen Gesichtszügen in Rom, in Etrurien und
im Latium des 6. Jh.s v. Chr.168 Der Typus des Frauenkopfes ohne
στεφνη findet sich u. a. in Vigna Parocchiale und Cerveteri.169 Die
Antefixe der Regia wurden in Cerveteri oder in Rom hergestellt, in
jedem Fall wurde für die Regia-Antefixe der gleiche Ton wie in Cerveteri verwendet.170 In der Form sind die Gesichter trapezoid, der
Künstler der Regia legte mehr Wert darauf, die Einzelheiten durch
die Bemalung, denn durch das Werkstück selber zu betonen.171 Die
Vergleichsstücke der Regia-Antefixe werden in einen relativ weit
gespannten Zeitraum des 6. Jh.s v. Chr. datiert, die Antefixe der Regia zum Teil aufgrund der Datierung der 4. Regia selbst, aber auch
durch den Vergleich mit dem Fund eines Antefixes in Ceri, welches
in die Zeit 530-520 v. Chr. datiert wird.172
Der rekonstruierte Dachziegel war von etwas raffinierterer
Machart als der der 3. Regia. Er wies – im Gegensatz zum Vorgänger-Modell – entsprechende Verbesserungen (Einkerbungen und
einen Zapfen) zur Verankerung des anliegenden Dachziegels und der
imbrices sowie eine Bemalung auf.173
164
Downey 1995: 61.
Brown 1976: 33.
166
Downey 1995: 62.
167
Downey 1995: 63.
168
Downey 1995: 68.
169
Downey 1995: 68.
170
Downey 1995: 63.
171
Downey 1995: 64.
172
Downey 1995: 66.
173
Downey 1995: 68s.
165
35
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
2.1.3.1.3 Zusammenfassung
Grundsätzlich sind zwei Unterschiede in der ArchitekturTerrakotta der 3. und der 4. Regia festzuhalten. Während die 3. Regia vor allem stadtrömischen Esprit atmet, „eigen-artige“ Lösungen
für die Gestaltung gefunden werden, ohne vollkommen isoliert zu
sein, repräsentieren die aufgefundenen Fragmente der 4. Regia zeitgenössische Typen – der für die Antefixe z. B. hat seinen Ursprung
in Cerveteri – und stehen damit stellvertretend für eine Öffnung hin
zu einer einheitlicheren, überregionalen Gestaltung und Produktion
in Mittelitalien.174
2.1.3.2 Das Fragment eines Bucchero-Gefäßes (mit Inschrift)175
Eines der bedeutendsten und am intensivsten diskutierten
Fundstücke ist das Fragment eines Bucchero-Gefäßes mit der Inschrift „REX“. Das Stück wurde in der von G. Boni sogenannten
„strato inferiore“ (unterhalb der Schicht aus dem 3. Jh. und zusammen mit Material aus allen vorherigen Jahrhunderten)176 gefunden177
und aufgrund der Machart in das 4. Jh. v. Chr. („subarchaisch“) datiert.178 Spätere Untersuchungen setzen die Entstehungszeit in das
letzte Viertel des 6. Jh.s (Regia 4) an, also deutlich früher.179 Diese
zeitliche Diskrepanz wird vor allem bei der Untersuchung der Buchstaben des Wortes „REX“ evident: Das Zeichen für den Buchstaben
„R“ – welches nicht an den griechischen Buchstaben „Rho“ (Zeichen: „P“) erinnert, sondern an das römische „R“ – wurde von manchen Forschern180 als erst für das 4. Jh. v. Chr. nachgewiesen angesehen. Die Schwierigkeit besteht also, wie M. Guarducci so schön
schreibt, in dem Problem, daß Buchstaben, welche erst ab dem 4. Jh.
auftauchen, in den Ton eines Bucchero-Gefäßes aus dem ausgehenden 6. Jh. tief (also nicht nachträglich) eingeritzt wurden.181 Im
174
Downey 1995: 71.
CIL 1007.
Guarducci 1972: 381.
177
„Amid the débris in the cistern“ (Brown 1935: 71)
178
Gjerstad 1960: 306s.
179
Guarducci 1972: 381.
180
H. Solin, Glotta 46, 1968 248-253; vgl. Guarducci 1972: 381.
181
Guarducci 1972: 382.
175
176
36
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
Kommentar zu CIL 1007 werden die Buchstaben sogar „nitindae
liberae rei publicae exeuntis“182 bezeichnet.
Damit stellt sich auch die Frage, ob es sich bei dem inschriftlich
genannten „König“ um den römischen König der vorrepublikanischen Zeit gehandelt hat, oder den rex sacrorum, der dessen kultische Funktion danach, in der Republik, mit ausfüllte.
H. Happ und H. Solin diskutierten Ende der 1960er Jahre diese Frage
intensiv und kontrovers.183 M. Guarducci weist nun Schrift (anhand
von Vergleichsproben)184 und Gefäß185 in die Zeit der letzten Könige
Roms, also etwa in die 2. Hälfte des 6. Jh.s v. Chr.186 Dieser Meinung schließt sich Frank Brown an,187 und geht in seinem vorangegangenen Grabungsbericht188 sogar so weit, die Inschrift „REX“ als
Autograph, also als „Unterschrift“ von eines Königs eigener Hand,
anzusehen.
2.1.3.3 Konsular- und Triumphal-Fasten, Fragmente
Das Archiv des pontifex maximus war wohl in der Regia untergebracht, wie auch die annales maximi.189 Es wurde ursprünglich in
der Forschung angenommen, daß die Bruchstücke der Konsular- und
Triumphal-Fasten,190 welche vor allem im 16. und dann auch im 19.
Jh. auf dem Forum Romanum an der Ostseite des Castor-Tempels
gefunden wurden,191 von der Regia stammten: Man stellte sie sich an
der Außenseite der Regia angebracht vor.192
Während die öffentliche Anbringung von Tafeln und Listen an
einem Gebäude, z. B. der severischen Forma Urbis Romae eine
„schlagende Analogie“193 für die Anbringung der Fasten an der Re182
Descriptio in CIL 1007: 578.
Vgl. Guarducci 1972: 381, Anm. 1.
184
Guarducci 1972: 382s.
185
Auf dem VI. Kongreß für lateinische und griechische Epigraphik 1972 in München.
186
Guarducci 1972: 383. In Frage kommen damit Servius Tullius (578-534) oder Tarquinius
Superbus (534-510).
187
Brown 1976: 35.
188
Brown 1967: 58.
189
Cic. de leg. 1,2, 6; Gell. N. A. 2, 28, 6; Dionys. 1, 76, 3
190
CIL 12: 5.
191
Jordan 1885: 300s.
192
Abb. 39, 40.
193
Jordan 1885: 300.
183
37
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
gia bot, wurden auch leise Zweifel laut, welche auf eine spätere Datierung (als 36 v. Chr.) der Schrift und auf die massiven Marmorblöcke, in die die Fasten eingemeißelt waren,194 hinwiesen. Inzwischen geht man davon aus, daß die vorliegenden Fasten im Zusammenhang mit den Saekular-Feiern von 17 v. Chr. stehen und am einige Jahre zuvor errichteten Parther-Bogen angebracht waren.195
Weiters wurde ein Inschriften-Fragment – von einem zylindrischen Peperino-Altar stammend – im Fundament-Bereich der Westwand des Nordbereichs der 6. Regia196 und ein weiteres Fragment
mit der Inschrift: „[IN] . HONOREM . DOMUS . AVGVSTAE“197 gefunden. Letzteres wird mit der noch nicht gefundenen domus kalatorum,
dem „Haus der Herolde“, in Verbindung gebracht
2.2 Die bauliche Entwicklung der Regia
In der Zusammenschau ergibt sich für die bauliche Entwicklung
der Regia das vom archäologischen Befund her geschlossene Bild
eines über fast ein Jahrtausend hinweg genutzten Zweckbaus, der
seine Grundstruktur aufgrund der Ehrwürdigkeit der Funktion nicht
wesentlich veränderte. Nachdem die Gegend zwischen Velia und
dem nördlichen Palatin-Abhang seit dem 8. Jh. v. Chr. besiedelt war,
hatte man das Gebiet der späteren 1. Regia etwa im letzten Viertel
des 7. Jh.s v. Chr. von Hütten geräumt und in einen religiösen Bezirk
umgewandelt.198 Eine Stele (cippus) aus dieser „Periode 6“ genannten Phase der Zeit vor der eigentlichen Regia ist noch erhalten.199
Bald nach „Periode 6“ lassen sich die ersten CapellacioFundamente der 1. Regia nachweisen. Die beiden Räume an der
Westseite eines unregelmäßigen Hofes, verbunden nur durch eine
Mauer, welche auch Teil der Hofmauer war, wurden erst 1976200 als
194
Jordan 1885: 301s.
Zanker 1972: 15s.
196 .
A COVRI (CIL 1008); vgl. Platner 1929: 440ss.
197
Brown 1935: 80.
198
Brown 1967: 51s.; Holloway 1996: 55 und 62.
199
Brown 1976: 21.
200
Brown 1976: 21.
195
38
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
die erste Phase der Regia identifiziert, zuvor201 nur als Fundamente
eines Tempels und eines dazugehörigen heiligen Bezirks. Für den
Südraum konnten Reste eines Herdes (einer Feuerstelle) ausgemacht
werden. Frank Brown rekonstruiert eine porticus mit 4 Säulen auf
der Westseite des Hofes, entlang der Ostfront der beiden Räume. 202
Dieses Ensemble wurde kurze Zeit später aufgrund statischer Probleme erweitert (2. Regia), ohne den Grundriß wesentlich zu verändern:203 Der Hof und der Nordraum wurden beide nach Norden hin
erweitert, der cippus wurde vom neuen – erhöhten – Bodenniveau
überdeckt.204 In diese Periode 8 gehören möglicherweise DachziegelFragmente, welche unter den Terrakotten der 3. Regia aufgefunden
wurden.205
In die Zeit des beginnenden 6. Jh.s wird auch der Anfang der Entwicklung des Forum Romanum gestellt: Nach einer Pflasterung des
Comitiums und wohl vorangegangener Entwässerung und der Anlage einer Kanalisation (cloaca maxima), erfolgte vielleicht eine „architektonische Ausgestaltung des Volksversammlungsplatzes am
Fuß des Kapitols.“ 206 Die Inschrift auf einem cippus unter dem sog.
lapis niger, die einen REX erwähnt, und die damit einhergehenden
Probleme, sollen hier nicht behandelt werden.
Möglicherweise Feuer und Überschwemmung, welche die häufigsten Ursachen für einen Neu- oder Wiederaufbau eines Gebäudes
schon seit Anbeginn der Siedlung in der Senke waren, machte neuerliche Bauarbeiten ca. um die Mitte des 6. Jh.s v. Chr.207 notwendig.
Diese 3. Regia ist vom Grundriß her ein „Ausreißer“, auch wenn die
ursprüngliche Einteilung – zwei Räume an einem Hof mit porticus –
nicht verändert wurde. Während das Südgebäude nur etwas vergrößert wird, „wandert“ der Nordraum, erhält eine Säulenstellung im
Inneren und befindet sich nun an der Nordseite des Hofes. An der
Westseite verläuft weiterhin eine porticus, deren Säulenstellung aber
201
Brown 1967: 52.
Brown 1976: 22.
203
Brown 1976: 24s.
204
Brown 1976: 24.
205
Downey 1995: 8 und 52.
206
Kolb 1995: 77.
207
Holloway 1996: 62.
202
39
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
nicht mehr sicher rekonstruiert werden kann. In jedem Fall verbindet
sie die beiden Eingänge der Räume nicht mehr (in gerader Linie).
Der Hof selbst „begradigt“ seine bis dahin unregelmäßige Form fast
zu einem Rechteck.
Doch nicht nur der Grundriß bietet Überraschungen. Auch die
aufgefundenen Architektur-Terrakotten, welche lange Zeit als ein
sicheres „Signal“ galten für die Bestimmung von Architektur in Etrurien und Latium als Reste eines Tempels208 – denen auch Stücke aus
Grabungen am Caesar- und am Castor-Tempel zugeordnet werden
konnten und die Zeugnisse für eine regional-stadtrömische Produktion sind – sind für die Rekonstruktion der gesamten Phasen der Regia
von eminenter Bedeutung.
Durch die Funde von Murlo (Poggio Civitate) und Acquarossa in
den 70er Jahren des 20. Jh. war eindeutig belegt, daß dekorative Architektur-Terrakotten auch Gebäude schmücken konnten, die (eindeutig) keine Tempel waren.209 Somit veränderte sich der Blick auf
die einzelnen Phasen der Regia: Die nach der Zählung von 1967210
noch 1. Regia konnte als die (heute) 5. Regia in der Zählung benannt
werden. Die Interpretation der Motive (v. a. der Fries-Platten) des
Bauschmuckes selbst und die Rekonstruktion des Systems seiner
Anbringung werfen einige Schwierigkeiten auf. Es gilt aber als
wahrscheinlich, daß die meisten aufgefundenen Teile (Friesplatten,
simae strigilatae, Akroterien, etc.) zum Schmuck des Südraumes
gehörten. Während die auf den Friesplatten dargestellten Figuren –
ein laufendes stierköpfiges Wesen mit einem menschlichen, männlichen Leib, schreitende (weibliche?)211 Wildkatzen, wohl Löwinnen
oder Panther oder Leoparden, und straußenähnliche Vögel – für sich
gesehen nur vergleichsweise wenig Probleme aufwerfen, ist ihre
Kombination Anlaß genug zu weitreichenden Spekulationen und
Theorien.
208
Pars pro toto: Brown 1976: 34, im Vergleich zur früheren Meinung: Brown 1967: 53.
Vgl. aufgrund eines ähnliches Befundes eine gleichlautende Vermutung im Abschnitt 4.3.
210
Brown 1967: 55 und Abb. 4; Abb. 12.
211
Nur im Falle, daß es sich um Löwen handelt, wäre deren Geschlecht eindeutig bestimmt: die
abgebildeten Tiere haben keine Mähne.
209
40
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
Die 4. Regia änderte nach einer erneuten Brand-Katastrophe ihre
Ausrichtung um 180°: Die beiden Räume bilden mit einem Vestibül
in ihrer Mitte nun ein einheitliches Gebäude im Osten der Anlage.
Beide Räume öffnen sich nicht mehr zum Hof (der nun im Westen
des Gebäudes liegt) hin, sondern nur noch zum zentralen Vestibül,
durch das der gesamte Komplex betreten wurde. Wieder wird eine
(diesmal 3säulige) porticus an der Hofseite des Gebäudes rekonstruiert. Ihr gegenüber fanden sich in der Mitte vor der (West-)Wand des
Hofes Überreste eines Altars. Dieser Platz wird in den folgenden
Phasen der Regia bis in die Kaiserzeit für einen Altar reserviert bleiben.212 Auch aus dieser Zeit haben sich architektonische Terrakotten
erhalten,213 die zusammen mit archaischer schwarzfiguriger Keramik
(datiert 540-530)214 als Datierungshilfe dienen und den Beginn dieser
Phase kurz nach dem 3. Quartal des 6. Jh.s v. Chr. ansetzen lassen.
Die Terrakotten weisen nun nicht mehr auf eine lokale Herkunft
hin, sondern in ihrer Eigenart auf eine standardisierte Produktion in –
oder nach dem Vorbild von Matrizen aus – Cerveteri. Das Fragment
eines schon von Giacomo Boni (1899-1901) ergrabenen BuccheroGefäßes mit der Inschrift „REX“ konnte nach neueren Untersuchungen der Schrift und der Scherbe selbst in das letzte Viertel des 6. Jh.s
datiert werden.215 Die Frage, ob es sich bei dem inschriftlich genannten „König“ um den römischen König der vorrepublikanischen Zeit,
oder den rex sacrorum, der dessen kultische Funktion danach, in der
Republik, mit ausfüllte, gehandelt hat, muß an dieser Stelle im Raum
stehen bleiben, zumal die Wende vom 6. zum 5. Jh. den Wechsel
vom Königtum zur Republik in Rom brachte, also beide Möglichkeiten aus der Datierung des Bucchero-Gefäßes erwachsen.
Da die römische Oberschicht in republikanischer Zeit ihren
Wohnsitz an den „Ausläufern des Palatins zum Forum hin“ 216 hatte,
kann man diesen Umstand – zusammen mit den antiken Autoren –
zum Anlaß nehmen, dies auch für die Königszeit anzunehmen. Die
212
Brown 1976: 29ss.
Downey 1995: 60ss.
214
Brown 1976: 30; Downey 1995: 59; Holloway 1996: 62.
215
Guarducci 1972: 381ss.
216
Kolb 1995: 83.
213
41
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
archäologischen Befunde für das letzte Viertel des 6. Jh.s v. Chr.
sprechen dafür. 217
Bald nach Beginn der Republik am Anfang des 5. Jh.s v. Chr.
dürfte die 5. Regia erbaut worden sein. Die Zerstörung des Vorgängerbaus wird mit dem Einfall des Königs von Clusium, Porsenna,218
in Verbindung gebracht. Die „Schneise der Zerstörung“ durch Rom
wird ihm zugeschrieben.
Wieder drehen sich die Räume, diesmal um 90° nach Süden. Der
Grundriß der drei Räume und ihre Abfolge (langer Raum im Westen
mit Herdstelle, Vestibül, Raum im Osten) wurde nicht verändert,
lediglich etwas, der neuen Lage angepaßt, erweitert. Ob und wie weit
man eine porticus analog zu den Vorgängerbauten rekonstruieren
kann (nur an der Südseite des Hofes oder auch symmetrisch dazu im
Norden, wodurch ein Peristyl-Hof entstünde), wird in der Forschung
unterschiedlich entschieden. 219 Mit diesem Umbau hat die Regia ihr
für die nachfolgende Bauten letztgültiges, fast kanonisches Gesicht
erhalten. Die Tempel des Castor und Pollux und des Saturn allerdings folgen nicht, wie F. Kolb bemerkt, der Ausrichtung der Regia,
sondern dem Verlauf der sacra via, was auch in den folgenden Jahrhunderten so bleibt. Damit „besetzte die politisch führende Gruppe
der jungen Republik die beiden Enden des Forums, wo sich das Comitium, bzw. die Regia befanden, die gleichzeitig um- bzw. neugebaut wurden.“ 220
Das Feuer, das diese (5.) Regia zerstörte, ist heute nicht eindeutig zu datieren. Das Datum 210 v. Chr. entnehmen wir Livius.221 Die
217
Kolb 1995: 84, 103 und 131ss und Holloway 1996: 63s.
Alföldy 1984: 15.
Brown 1967: 56 u. Abb. 4 (Abb. 12); R. T. Scott (LTUR, s. v. ‚Regia‘, Abb. 79 [Abb. 5])
220
Kolb 1995: 121.
221
Liv. 26, 27: „[...] nocte quae pridie Quinquatrus fuit pluribus simul locis circa forum incendium ortum. eodem tempore septem tabernae quae postea quinque, et argentariae quae nunc
novae appellantur, arsere; comprehensa postea privata aedificia - neque enim tum basilicae
erant - comprehensae lautumiae forumque piscatorium et atrium regium; aedis Vestae vix
defensa est tredecim maxime servorum opera, qui in publicum redempti ac manu missi sunt.
nocte ac die continuatum incendium fuit, nec ulli dubium erat humana id fraude factum esse
quod pluribus simul locis et iis diuersis ignes coorti essent.“
218
219
42
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
Datierung in das Jahr 148 v. Chr. erfolgt aufgrund einer Notiz bei
Iulius Obsequens222 und eines Livius-Fragmentes,223 nicht aber aufgrund eindeutiger archäologischer Evidenz.224 Jordan vertrat noch die
Auffassung, es lägen Nachrichten über zwei verschiedene Brände
vor,225 während Frank Kolb nur von dem späteren Datum spricht.226
Die Befunde lassen nur einen Brand in einem größeren Zeitrahmen,
nämlich in den Jahren zwischen 210 und 148 v. Chr. zu.227 Tatsächlich hat es in Rom Katastrophen in kurzer zeitlicher Abfolge228 gegeben, was eine genaue Datierung für heutige Archäologen und antike
Autoren sicher gleichermaßen schwierig gestaltet. Auch die Frage,
ob die Regia durch den Einfall der Gallier 390 v. Chr. beschädigt
oder zerstört wurde, ist nicht zu klären.229
In der Zeit Sullas (Diktatur 82 bis 79 v. Chr.) wurden nur wenige
Veränderungen oder Ausbesserungen an der Regia vorgenommen.230
Reste eines Anbaus im Südwesten, der aber später, bei der kaiserzeitlichen Umgestaltung, niedergelegt und verändert aufgebaut wurde, 231
lassen die Überlegung zu, daß unter Caesar, der möglicherweise in
der Regia als pontifex maximus Wohnung (Amtssitz?) bezog, weitere
Baumaßnahmen erfolgten.232 Diese archäologischen Befunde (für
verstärkte Fundamente, den genannten Annex und eine Treppenkonstruktion im Westen aufgrund des erhöhten Niveaus)233 sprechen für
die Zeit zwischen 55 v. Chr. und 36 v. Chr.
Nach der Ermordung Caesars und dem darauffolgenden Bürgerkrieg,
der in einem Zweikampf um die Hegemonie im Römischen Reich
222
Iulius Obsequens 19: [Spurio Postumio L. Pisone coss. (A.U.C. 606 / 148 v. Chr.)] Vasto
incendio Romae cum regia quoque ureretur, sacrarium et es duabus altera laurus ex mediis
ignibus inviolatae steterunt.
223
Liv. epit. Oxyrh. 127-129.
224
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 192.
225
Jordan 1885: 427, Anm. 143.
226
Kolb 1995: 205.
227
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 190, 192 und Scott 1988: 20.
228
So für das 2. Jahrhundert v. Chr. in den Jahren 193, 192, 189, 186, 178, 167 und 148 (Kolb
1995: 199).
229
Vgl. Platner 1929: 440ss.; Livius 5, 42.
230
Brown 1935: 74s.
231
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:192.
232
Suet. Caesar 46: Habitavit primo in subura modicis aedibus, post autem pontificatum maximum in sacra via domo publica.
233
Brown 1935: 82.
43
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
zwischen Marcus Antonius und Octavian gipfelte, war es nicht so,
daß nur einer der beiden Kombattanten Auftraggeber und Bauherr
für Tempel und öffentliche Gebäude war.234 Zwar war Octavian „in
den dreißiger Jahren der wichtigste Bauherr in Rom, aber neben ihm
gab es etliche andere“,235 welche daran bauten, aus der Stadt aus
(Lehm-) Ziegeln eine Stadt aus Marmor zu machen.236 In der Hauptsache waren es Feldherren, denen ein Triumph zugebilligt worden
war, und die durch die Geldmittel, die ihnen aus der Beute ihrer
Feldzüge zur Verfügung standen, sich an diesem Wettkampf, ausgetragen mit den Mitteln der Baukunst, beteiligen konnten. Anhänger
des Antonius waren u. a. Munatius Plancus, der den Neubau des
Saturntempels übernahm, und Caius Sosius, der nach 34 v. Chr. einen neuen Apollo-Tempel in Circo plante (Apollo-SosianusTempel).237 Auf der Seite Octavians baute Domitius Cornificius den
alten Tempel der Diana auf dem Aventin wieder auf, und schließlich
auch Cnaeus Domitius Calvinus, ursprünglich ein Gefolgsmann Caesars,238 der 36 v. Chr. seine Beutegelder nur zum Teil für den gestatteten Triumphzug239 verwandte, den größten Teil ex manubiis240
vielmehr in den Neubau der Regia steckte, welche – zum wiederholten Male in ihrer Geschichte – abgebrannt war und ein ungeheueres
Prestigeobjekt darstellte.241 Als Beispiel für einen Bauherrn ohne
Bindung an einen der Triumvirn steht Asinius Pollio (ein nach seinem Konsulat und Triumph 40/39 v. Chr. den politischen Mächten
gegenüber eher kritisch eingestellter Mann) an vorderster Stelle. Er
234
Zanker 1997: 73.
Zanker 1997: 73.
236
Suet. Aug. 28, 3: Urbem neque pro maiestate imperii ornatam et inundationibus incendiisque obnoxiam excoluit adeo, ut iure sit gloriatus marmoream se relinquere, quam latericiam
accepisset.
237
Zanker 1997: 74 und Coarelli 1988: 71s.
238
Christ 1993: 367, 371. Nachricht über Gn. D. Calvinus haben wir auch durch eine Inschrift:
CIL VI.1301, in der er – neben imperator – auch die Titel eines consul und eines pontifex trägt.
239
„Nie zuvor hatte Rom so viele Triumphe in so kurzer Zeit – und aus so geringfügigen
Anlässen – gefeiert.“ (Zanker 1997: 73).
240
Boëthius 1970: 184s.; CIL VI.1301.
241
CIL VI.1301; Cass. Dio 48, 42, 4: [...] τ τε χρυσον τ παρ τν πλεων ς ατ εωθς
δδοσθαι κ µνων τν βηρικν !λαβε [...]
235
44
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
erneuerte das atrium Libertatis und schuf die erste öffentliche Bibliothek griechischer und lateinischer Autoren in Rom.242
Daß die Bauherren nicht nur Eilfertigkeit ihren Herren gegenüber an den Tag legten, läßt sich aus der Nachricht des Cassius Dio
zum Aufbau der Calvinischen Regia gut ersehen: Statuen, die sich
Calvinus von Octavian leihweise zur Ausschmückung des Neubaus
erbat, verblieben schlußendlich als Votivgabe in der Regia, da Calvinus scherzhaft meinte, er habe nicht genügend Männer, und Octavian
solle doch Helfer senden, um die Statuen abzuholen – was der aber
aus Furcht, ein Sakrileg zu begehen, tunlichst unterließ.243
Die programmatische Umgestaltung des Forum Romanum, dessen östlichster Abschluß durch die Jahrhunderte die Regia bildete,
hatte auch Konsequenzen für die Regia. An ihre Westseite wurde der
Tempel des vergöttlichten Caesar (29 v. Chr. eingeweiht) errichtet,
so daß nun er, und nicht mehr das altehrwürdige Gebäude den Abschluß im Osten des Forums bildete, und die Regia hinter dem Tempel den Blicken der Menschen auf dem Forum ganz entzogen war.244
Der aufragende calvinische Neubau war, wie der Fußbodenbelag,
aus Marmor.245 Die Travertin-Blöcke für die Euthynterie der Wände
waren wiederverwendet worden.246
Das Schema der Regia wurde grundsätzlich beibehalten, lediglich einige „Korrekturen“ des Grundrisses der 6. Regia wurden in
den neuen Plan eingebracht. Der Annex wurde „unterkellert“ bzw.
eine Decke über den Raum des alten Niveaus gezogen.247 Der eigentliche Annex mit Mauern aus Marmor konnte, vom neuen Bodenniveau aus, von der Südseite und vom Westzimmer her betreten wurden.248 Nun werden auf beiden Seiten des Hofes Säulenstellungen
rekonstruiert (entweder zwei oder vier Säulen im Norden und zwei
oder 5 (4+1) Säulen im Süden an den Langseiten: atrium tetrastylum
242
Zanker 1997: 77s.
Cass. Dio 48, 42, 5.
244
Zanker 1972: 14; Abb. 41.
245
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:190 und Brown 1935: 76 und 83s., 85.
246
Brown 1935: 85.
247
Brown 1935: 86.
248
Brown 1935: 86 und R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 464, Abb. 81 (Abb. 7).
243
45
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
für vier Säulen,249 resp. atrium Corinthium250 für eine Stellung von
acht Säulen).251 Zwischen zwei Mauervorsprüngen (von Norden und
Süden her) befand sich nach wie vor der Altar. Während Calvinus
die Regia „großzügig“ (s. o.) mit verschiedensten Objekten und Statuen ausstattete,252 war die marmorne Regia, im Gegensatz zur „späteren Ornamentfülle am Apollotempel des Sosius“, 253 vergleichsweise einfach und schlicht ausgestattet.254
Weitere Nachrichten zur Geschichte der Regia in den ersten beiden Jahrhunderten unserer Zeitrechnung sind eher spärlich. Ob die
Regia durch den neronischen Brand und die nachfolgenden Baumaßnahmen für die Domus Aurea, und auch durch einen Brand unter
Kaiser Commodus 191 n. Chr.255 in Mitleidenschaft gezogen wurde,
läßt sich also nicht sagen.
Das ca. 15 x 20 cm „große“ Fragment No. XIII/17 (resp. Tafel
III, Fr. 21)256 der severischen Forma Urbis Romae257 – hergestellt
etwa 203-211 n. Chr., 258 – ist leider verlorengegangen, aber in einer
Renaissance-Handschrift259 im Vatikan bewahrt. Mit dem Schriftzug
[R]EGIA liefert es einen entsprechenden Nachweis, daß die Regia
noch in der Zeit des Kaisers Septimius Severus gestanden haben
muß.260 Auch wenn in der Forschung angenommen wird, daß die
Forma Urbis auf einen Vorgänger am gleichen Ort – dem templum
Pacis aus der Zeit des Kaisers Vespasian – zurückgeht und manche
Pläne ohne Aktualisierung übernommen wurden, muß doch für das
Gebiet des Forum Romanum, zu dem ja die Regia gehörte, die seve-
249
Brown 1935: 87.
Brown 1935: 88.
251
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 464, Abb. 81 (Abb. 7).
252
Cass. Dio 48, 42, 5.
253
Zanker 1997: 75s.
254
Zanker 1997: 75s.
255
Herodian 1, 14, 3 und Ch. Hülsen 1905: „Sotto Commodo la Regia venne un'altra volta
danneggiata dalle fiamme, ma fu subito ricostruita da Settimio Severo.“
256
Jordan 1885: 302, Anm. 132.
257
Rodríguez Almeida, E.: Forma Urbis Marmorea (Aggiornamento Generale 1980) 1981: 96,
und Abb. 22 (Abb. 42); im Internet unter: http://formaurbis.stanford.edu/; Stand: 25. Juli 2007.
258
Kolb 1995: 23.
259 Cod. Vat. Lat. 3439 - Fo 22r.
http://formaurbis.stanford.edu/fragment.php?record=84; Stand: 25. Juli 2007.
260
Jordan 1885: 301s.
250
46
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
rianische Darstellung des status quo für die Zeit der Aufstellung
vorausgesetzt werden – schließlich handelte es sich um das Zentrum
der Stadt. Einen weiteren Beleg für eine Existenz der Regia im 3.
nachchristlichen Jahrhundert bietet uns Solinus.261
Wie weit in die späte Antike hinein die Regia Bestand hatte –
vor allem das Bauwerk, denn mit der Erhebung des Christentums zur
Staatsreligion262 war die ursprüngliche Funktion obsolet geworden –
läßt sich nur schwer ausmachen. In einer Inschrift aus dem 4. Jh.263
taucht die Regia nochmals im Zusammenhang mit dem VestaHeiligtum und dem heiligen Feuer auf. Da heute zweifelsfrei die
„Reste im Rücken des Tempels des Divus Iulius in einem dort erhaltenen Marmorfußboden und einigen noch aufrecht stehenden Pfeilern“ als jene der Regia gelten, was H. Jordan noch 1885 vehement
bestritt,264 lassen sich auch Teile aus der Spätantike und z. T. des
Mittelalters265 als Zeugnisse für eine weitere Bautätigkeit in diesen
Jahrhunderten anführen. Daß es sich bei den Bauteilen um Teile der
Regia in sensu vero et proprio gehandelt hat, ist aber nicht wahrscheinlich (s. o.).
2.3 Funktion und Bedeutung der Regia
Im Zusammenhang mit der Funktion und Bedeutung der Regia
tauchen verschiedene Fragen und daraus folgende Problemstellungen
auf. Wir besitzen verschiedene Nachrichten zur Regia in der sog.
„historischen“ Zeit, also während der Republik und der Kaiserzeit,
die ein gut rekonstruierbares Bild vermitteln. Für die Zeit davor –
zunächst vorsichtig gesprochen: das „vorrepublikanische Rom“ – ist
eine Diskussion darüber, (vor allem:) von wem und zu welchem
Zweck die Regia verwendet wurde, so kontrovers wie spekulativ.
261
Solinus 1,21: Numa in colle primum Quirinali deinde propter aedem Vestae in regia quae
adhuc appellatur.
262
24. Februar 391: Verbot aller heidnischen Kulte (Opfer, Tempelbesuch, Verehrung von
Götterbildern) durch Kaiser Theodosius.
263
CIL VI.511; Kolb 1995: 82.
264
Jordan 1885: 303.
265
Jordan 1885: 304.
47
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
Denn aus archäologischer Sicht sagt uns „the Regia [...] very little
about the Roman kingship or the king’s functions, political or sacred,“266 wenn man die Regia mit dem „REX“ 267 aufgrund der Inschrift des Bucchero-Gefäßes268 in Verbindung bringt.
Und möchte man die Autoren, die über diese Zeit (nicht: in dieser Zeit) geschrieben haben, heranziehen, gerät man automatisch
zwischen die Fronten derjenigen, die die Historizität und damit die
Brauchbarkeit der Quellen (zumindest) bezweifeln, und derjenigen
die – seit Schliemann – die historische Wahrheit (wenigstens cum
grano salis) und damit deren Wert für unsere Kenntnis der Geschichte anerkennen und postulieren. „Dabei beschuldigt man sich gegenseitig der Leichtgläubigkeit oder aber der Hyperkritik, und dieser
Streit tobt vor allem um die historische Rekonstruktion der Königszeit.“ 269
So muß man neben den archäologischen Befunden und den schriftlichen Quellen zur Regia einerseits, andererseits auch das Gebäude
und seinen Grundriß selbst – frei von allem „Vorwissen“ zu ihrem
Namen und ihrer überlieferten Funktion – in die Untersuchung mit
einbeziehen, also quasi „über den Tellerrand schauen“ und aus Analogien und Parallelen anderer Gebäude Rückschlüsse ziehen. Dies
soll für die Regia in diesem Abschnitt versucht werden.
2.3.1 Die überlieferten Funktionen der Regia
2.3.1.1 Die Regia als Wohnung/Haus des Königs („Rex“)
Die Regia hat ihren „amtlichen Namen [...], wie auch ohne
Zeugnisse ersichtlich, von dem Aufenthalt des Königs“.270 Kein
Zweifel besteht darin, daß „regia“ und „rex“ etymologisch mit einander verwandt sind – der Titel „rex“ ist indoeuropäischer Herkunft271 – und, wie die Auffindung des Bucchero-Gefäßes in einer
266
Holloway 1996: 63.
Vgl. Abschnitt 2.3.1.1.
268
Vgl. Abschnitt 2.1.3.2.
269
Kolb 1995: 44.
270
Jordan 1885: 423; Festus 279: regia domus ubi rex habitat.
271
Alföldy 1984: 15.
267
48
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
Schicht der Regia belegt,272 auch ein zeitlicher und funktioneller
Zusammenhang zwischen dem „rex“ und der Regia besteht.273 Diesen Zusammenhang bestätigt die moderne Forschung unter Rückgriff
nicht zuletzt auf literarische Zeugnisse.274 Welche Informationen
lassen sich den Quellen zum Verhältnis „rex“ und Regia entnehmen?
Für Numa, einen „rex“ in sensu vero et proprio als Bewohner
(und z. T. selbst Erbauer) der Regia in der Königszeit sprechen Stellen bei Solinus,275 Servius,276 Tacitus277 und Ovid.278 Solinus stellt
einen Katalog der einzelnen Wohnstätten der römischen Könige
auf:279 Tatius habe auf der arx gewohnt, dort, wo jetzt (zur Zeit des
Solinus) der Tempel der Iuno Moneta zu finden sei; Numa erst auf
dem Quirinal und dann in der Regia; Tullus Hostilius auf der Velia;
Ancus Marcius „in summa sacra via“ beim Heiligtum der Laren;
Tarquinius Priscus bei der Porta Mugonia „supra summam novam
viam“; und Tarquinius Superbus schließlich auf den Esquilin. Einen
etwas allgemeineren Zusammenhang zwischen Numa und der Regia
stellen Plutarch280 und Cassius Dio281 her, und Servius spricht noch
an anderer Stelle ganz allgemein von der Regia als „Haus des Königs“,282 welche Horaz als „monumenta regis“ erkennt.283
272
Vgl. Abschnitt 2.1.3.2.
Fraglich hingegen ist, um welchen „rex“ es sich in diesem Fall gehandelt hat: den Herrscher
über Rom der Königszeit oder den republikanischen „rex sacrorum“?
274
Vgl. Brown 1967: 47s.; Brown 1976: 35; Holloway 1996: 62; et al.
275
Solinus 1, 21 (25?): Numa in colle primum Quirinali deinde propter aedem Vestae in regia
quae adhuc appellatur.
276
Serv. ad Aen. 8, 363: Quis enim ignorat regiam ubi Numa habitavit in radicibus Palati
finibusque Romani fori esse?
277
Tac. Ann, 15, 41: [...] Numaeque regia et delubrum Vestae cum penatibus populi Romani
exusta [...]
278
Ovid, Trist. 3, 1, 30: Paruit, et ducens "haec sunt fora Caesaris," inquit, "haec est a sacris
quae via nomen habet, hic locus est Vestae, qui Pallada servat et ignem, haec fuit antiqui regia
parva Numae."
279
Dieser Katalog findet sich in Teilen bei: Varro, ap. Non. 531, 9 und Liv. I 41, 4.
280
Plut. Numa 14.
281
Cass. Dio, Frg. 6, 2.
282
Serv. ad Aen. 2. 57: flaminia autem domus flaminis dicitur sicut regia regis domus.
Vgl. Festus 279: regia domus ubi rex habitat.
283
Horaz, Carm. 1, 2, 15: Vidimus flavom Tiberim retortis litore Etrusco violenter undis ire
deiectum monumenta regis templaque Vestae.
273
49
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
2.3.1.1.1 Rex, rex sacrorum, rex sacrificulus, pontifex maximus
und „Regia“
2.3.1.1.1.1 Die römischen Könige
Die angeführten Quellen sprechen deutlich von einer ausgeprägten Tradition; wie ist diese Tradition mit den uns bekannten geschichtlichen und archäologischen Erkenntnissen zur römischen Königszeit vereinbar? Selbstverständlich kann hier nicht in extenso auf
die Geschichte der Beziehungen zwischen Rom/Latium und Etrurien
eingegangen werden; einige wenige Markierungen müssen genügen.
Während die Annalistik von zwei etruskischen Königen, L. Tarquinius Priscus und L. Tarquinius Superbus, spricht, ist es nach heutigem Erkenntnisstand durchaus möglich, daß alle Herrscher Etrusker
waren,284 wie „auch Porsenna, der König von Clusium, der kurz nach
der Vertreibung des letzten Tarquiniers Rom vorübergehend besetzte.“285 Der Einfluß der etruskischen Kultur auf Rom und Latium läßt
sich u. a. an den Keramikimporten ablesen, deren älteste Funde in
das 8. Jh. v. Chr. datieren und die seit dem 7. Jh. kontinuierlich anwachsen,286 ermöglicht durch die etruskische Eroberung Campaniens.287 Wenn man die Entwicklung von einer eisenzeitlichen Siedlung der Villanova-Kultur bis hin zu einer „Stadt“ Ende des 7. Jh.s
v. Chr. verfolgt288 – abgesehen davon, daß aus der ursprünglich lateinischen Siedlung eine etruskische Stadt im sakralrechtlichen Sinne
wurde289 – so kann man davon ausgehen, daß diese Entwicklung
sicherlich einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen hat,290
also vielleicht in der Mitte des 7. Jh.s v. Chr. begann.291 Wie dieser
Einfluß ausgeübt wurde, ist umstritten. Einerseits wird (im Falle der
Urbanisierung, die einen faktisch sichtbaren Einfluß darstellte) von
284
Meyer 1983: 155, Alföldy 1984: 15, Kolb 1995: 74.
Alföldy 1984: 15.
Ogilvie 1983: 186s.
287
Aber der „Einfluß der Etrusker auf Rom betraf fast alle Lebensbereiche“ (Kolb 1995: 75).
288
Ogilvie 1983 187.
289
Kolb 1995: 76s.
290
Kolb 1995: 77.
291
Ogilvie 1983: 187.
285
286
50
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
dem „gewaltsamen Eingriff einer fremden Macht“292 gesprochen,
aber auch von einer kleinen etruskischen Oberschicht, durch die keine Assimilation eines ganzen Volkes erfolgen konnte.
Was die Erlangung der Herrschaft anbetrifft, lassen sich einzelne
„Könige“, vor allem die der Spätzeit der ca. 150 Jahre währenden
etruskischen Herrschaft, vielleicht mit Condottieri aus der Zeit der
italienischen Renaissance vergleichen, welche die Stadt überfielen
und die Macht dort übernahmen – wie auch Porsenna dies kurze Zeit
tat.293 Einen leisen Anklang daran mag die annalistische Schilderung
der „Karriere“ des L. Tarquinius Priscus sein, der, nach einem gescheiterten Anlauf in Tarquinia, schließlich in Rom nach dem Tode
von Ancus Marcius die Macht übernehmen konnte.294 Daß die Königs-Chronologie nicht bedenkenlos zur historischen Einordnung
herangezogen werden kann, zeigt neben den ungewöhnlich hohen
Lebensaltern einzelner Könige (wie z. B. Tarquinius Priscus mindestens 110 Jahre alt geworden sein müßte) auch die Vermutung, daß
der Name zumindest eines Herrschers über Rom nicht in die Königsliste aufgenommen wurde.295 Geht man davon aus, daß auch Porsenna von Clusium die Macht in Rom auf dem „üblichen“ Weg einer
Eroberung übernehmen wollte, nachdem die Bürger der Stadt den
Vorgänger verjagt hatte, stellt sich die Frage, ob aus diesem singulären und sicherlich bedeutsamen Ereignis der Vertreibung eines etruskischen Herrschers in der Tradition der letzte Tarquinier auch zum
letzten Herrscher Roms gemacht wurde – nachdem man Porsenna
auch nach sehr kurzer Zeit wieder vertreiben konnte und alle anderen
etruskischen Versuche, die Macht über die Stadt zu erlangen, gescheitert waren.296 Ob damit der Beginn der Republik „wirklich um
508 oder einige Jahre später“297 anzusetzen ist, muß an dieser Stelle
offen bleiben – Einar Gjerstad z. B. verlegte den Beginn der Republik erst in die Zeit um 450 v. Chr.298
292
Ogilvie 1983: 183.
Alföldy 1984: 15.
294
Kolb 1995: 74.
295
Kolb 1995: 90.
296
Alföldy 1984: 15.
297
Alföldy 1984: 15.
298
Gjerstad 1967: 7ss.
293
51
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
Während man einerseits von den Königsnamen der Annalistik abrückt,299 lassen sich andererseits auch Stimmen hören, die ihre Erkenntnisse zur Königszeit an dieser Chronologie entlang einordnen.
Stellvertretend dafür sollen die in dieser Untersuchung schon genannten Wissenschaftler genannt werden: Frank Brown, der die verschiedenen Phasen der Regia verschiedenen Königen der Chronik
zuordnet,300 Margherita Guarducci, die das Bucchero-Gefäß mit der
Inschrift „REX“ in die Zeit des Königs Servius Tullius (578-534)
oder Tarquinius Superbus (534-510)301 datiert, während Frank
Brown darin sogar den Autograph eines Königs sieht,302 und schließlich F. Coarelli, der seine Thesen zum Forum Romanum in archaischer Zeit – auf die noch später einzugehen ist – mit den Nachrichten
zu den sieben römischen (resp. etruskischen, s. o.) Königen in Einklang zu bringen versucht. 303
Ein weiteres Zeugnis ist die als älteste Inschrift geltende Sakralvorschrift, in der das Wort „REX“ (resp. dessen Dativ-Form, altlat.
RECEI; klass.-lat. REGI) auftaucht, auf dem ins 6. Jh. v. Chr. datierten
cippus unter dem lapis niger auf der Fläche des comitium.304
Festgehalten werden und als gesichert gelten kann also, daß eine
nicht unbedingt näher bestimmte Anzahl von etruskischen Führern,
deren Namen wir nicht unbesehen der sicherlich einerseits auf die
Siebenzahl der Könige, andererseits auf Beginn der Republik hin
konstruierten Chronik entnehmen dürfen, und die den Titel „rex“
führten – aber auch „locumo“ ist überliefert305 –, im Laufe von über
150 Jahren in Rom die Herrschaft innehatte. Dabei sind weder Beginn noch Ende eindeutig anhand eines Datums faßbar, sondern dürf-
299
Vgl. Kolb 1995: 70, 90s.
Brown 1976: 35.
301
Guarducci 1972: 383.
302
Brown 1967: 58.
303
Coarelli 1981: 241ss.
304
Er wird von Frank Kolb nicht als zuverlässige Quelle der Königszeit angesehen, weil – wie
er meint – er nicht in die Zeit der etruskischen Könige zu datieren sei. Der cippus aus GrottaOscura-Tuff stamme frühestens aus dem Anfang des 4. Jh.s v. Chr., da erst nach der Eroberung
Veiis dieses Material im Gebiet von Veii abgebaut werden und in Rom verfügbar sein konnte.
[Kolb 1995 77ss.] Datierung und Begründung sind allerdings in der Forschung auf Ablehnung
gestoßen.
305
Serv. ad Aen. 2, 278 und 8, 65, 475; Ogilvie 1983: 187.
300
52
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
ten den Zeitraum von der Mitte des 7. bis in die letzten Jahre des 6.
Jh.s v. Chr. umfaßt haben. Dieser „rex“ war oberster Feldherr, Richter und Priester zugleich. 306
Andererseits erscheint es nicht einsichtig, daß die – in ihrer Zahl
sicherlich begrenzten – Herrscher reine Phantasienamen erhielten
oder ebensolche Phantasiegestalten der Annalistik waren. Richtiger
ist wohl vielmehr, daß neben den „konstruierten“ Königen auch historische Herrschergestalten Eingang in die Liste gefunden haben,
wobei die Trennung oder Verbindung von Name, Person und Persönlichkeit schwierig, wenn nicht unmöglich ist, aber als grundsätzliche
Option bestehen bleiben sollte.
Für die vorliegende Untersuchung zum Bauwerk „Regia“ und
zur Funktion derselben ist also unter Berücksichtigung aller bislang
gewonnenen Erkenntnisse als sehr wahrscheinlich anzunehmen, daß
ein etruskischer Herrscher des beginnenden 6. Jh. v. Chr. den Bau
der „Regia“ initiierte und diese, resp. die in der weiteren Zeit der
etruskischen Herrschaft über Rom errichteten Nachfolgebauten,
mindestens für einen (weiteren) „rex“, am sinnvollsten aber für alle
Herrscher, von funktionaler Bedeutung war(en) und entsprechend
anhaltend genutzt wurde(n).
2.3.1.1.1.2 Der rex sacrorum oder rex sacrificulus
Der rex sacrorum steht, wie schon mehrfach erwähnt, in ebensolchem Zusammenhang mit der Regia, wie der rex. 307 (Andererseits
erwähnt aber Cassius Dio,308 „daß das [Haus] des Königs“ von Augustus den Vestalinnen übergeben wurde, weil es vom Haus der
Priesterinnen nur durch eine Wand getrennt sei. Wie schon oben
306
Alföldy 1984: 15.
Festus 279: regia domus ubi rex habitat.
Serv. ad Aen. 8, 363: domus enim [...] regia dicitur, quod in ea rex sacrificulus habitare consuesset, sicut flaminia domus in qua flamen habitat, dicebatur
308
Cass. Dio 54, 27, 3: ατ" #θ$λησεν, ο&τε τι ατν προσ'σεσθαι !φη, κα( γκειµ$νων ο*
307
ξαν$στη τε κα( ξ,λθεν κ το- συνεδρου. κα( ο&τε κε/να !τ´ κυρ1θη ο&τ´ οκαν τιν
δηµοσαν !λαβεν, 2λλ µ$ρος τι τ,ς 3αυτο-, 4τι τν 2ρχι$ρεων ν κοιν" πντως οκε/ν
χρ,ν, δηµοσωσεν. τ5ν µ$ντοι το- βασιλ$ως τν *ερν τα/ς 2ειπαρθ$νοις !δωκεν, πειδ5
6µτοιχος τα/ς οκ'σεσιν ατν 7ν.
53
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
erwähnt, übernahmen die Mitglieder der städtischen Oberschicht die
Aufgaben und Funktionen des vertriebenen etruskischen Herrschers.309 Der rex sacrorum, oder rex sacrificulus, wie er meist bei
den Schriftstellern genannt wird,310 wurde als politisch machtloses
Amt – dem Amtsinhaber auf Lebenszeit311 war es versagt, irgendein
politisches Engagement oder gar ein imperium auszuüben – in die
Republik übernommen. Trotz der politischen Einflußlosigkeit, die
das Amt nicht immer attraktiv für engagierte römische Patrizier erscheinen ließ,312 besaß der rex sacrorum den ersten Rang unter den
Priestern.313 Nach ihm wurden Aufzeichnungen über bestimmte kultische Handlungen datiert (er war also eponym),314 und die „Ankündigung der feriae [...] an den Nonen [am dies februatus] des betroffenen Monats [...] vor dem rex sacrorum315 [war] die einzige authentische Publikationsform seitens der religiösen Institutionen.“ 316 Diese Verkündigung wurde – verbunden mit einer Opferhandlung – auf
der arx vollzogen.317
Weitere Opferhandlungen des rex sacrorum geschahen am 24.
Februar, dem Festtag des Regifugiums ,318 dem 24. März und dem 24.
Mai, an denen zum jeweiligen comitium ein Sühneopfer von ihm
dargebracht wurde und so die Tage vom nefas zum fas, also entsühnt
wurden.319 Er war vor allem auch Priester des Ianus, einem urspr.
309
Alföldy 1984: 15.
Rex sacrorum ist die amtliche Bezeichnung auf Inschriften. Bei Livius 9, 34 12 heißt er rex
sacrificorum, und 40, 42, 8 wird er rex sacrificum genannt.
Festus 293: regia ad domum regis sacrificuli; Serv. ad Aen. 8, 363: domus enim [...] regia
dicitur, quod in ea rex sacrificulus habitare consuesset, sicut flaminia domus in qua flamen
habitat, dicebatur.
311
Dionys. 4, 74.
312
Vgl. Livius 40, 42, 8.
313
Festus 185.
314
Plin. N. H. 11, 186: L. Postumio L f. Albino rege sacrorum post CXXVL Olympiadem, cum
rex Pyrrhus ex Italia decessisset, cor in extis haruspices inspicere coeperunt.
315
Varro 6,28 und 6,13.
316
Schlußbericht zum Forschungsprojekt „Sozialgeschichte der römischen Religion“, Hubert
Cancik, Jörg Rüpke, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Universität Potsdam 1997;
http://www.uni-potsdam.de/u/klassphilol/ber.htm, Stand: 25. Juli 2007.
317
Varro 6,13.
318
Schauplatz war das comitium, wo der rex sacrorum ein Opfer darbrachte und anschließend –
in Erinnerung an die Vertreibung des Tarquinius Superbus – selbst vom comitium floh.
319
2
Q.R.C.F = quando rex comitavit fas (CIL I 289): „Wenn der König das Opfer beim comitium vollzogen hat, ist er/es fas.
310
54
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
altitalischen numen, welcher die Hauseingänge (ianua) und die
Stadttore bewachen und Haus und Stadt vor Unheil bewahren sollte,
dessen Fest (die Agonalia am 9. Januar)320 in der Regia stattfand.321
Die verschiedenen Funktionen des Ianus, welche nicht nur auf den
Schutz von Tür und Tor beschränkt waren und auf etruskische Ursprünge zurückgehen, beinhalteten auch einen Bezug zum Werden
und Entstehen von Mensch und Natur. Als Gott des Anfangs322 (nach
dem der erste Monat des Jahres, der Januar, benannt war und ist)
wurde er auch im Frühjahr angerufen, um das Wachstum des Getreides zu begünstigen, wie er auch im Zusammenhang mit der Ernte
wieder eine Rolle spielte.323
Am Festtag des Gottes Consus, den Consualia, fuhr der rex sacrorum mit seiner prächtig geschmückten Kutsche einmal um die
Arena des Circus Maximus. Im Anschluß fanden Maultier-Rennen
statt. Die Bedeutung des Consus ist nicht eindeutig geklärt: Zum
einen wird er als Gott des Ratschlags (conso = consuto: raten) gesehen, der den Römern beim Fest mit den Nachbarn den Raub der Sabinerinnen als Mittel gegen die Abnahme der Bevölkerung verkündete, und im Andenken an den schlußendlich glücklichen Ausgang der
320
Varro 6, 12: Dies Agonales per quos rex in Regia arietem immolat; Ovid fast. 1, 318.
Stewart 1999.
322
Macrob. Sat. 1, 15, 19: A qua etiam Ianum Iunonium cognominatum diximus, quod illi deo
omnis ingressus, huic deae cuncti Kalendarum dies videntur adscripti.
323
„According to one legend, narrated by St. Augustine in his De Civitate Dei, the worship of
Janus was introduced into Rome by Romulus whereas that of Sol, the god of the Sun, was
instituted by the Sabine King, Titus Tatius. Originally, Sol-Janus was a god of light and the
sun. He opened the gates of heaven by going forth in the morning and closed them on returning
thence at evening. The two divinities came to be conflated at a later period. The idea of a
separate god known as Sol was lost in that of Janua (= Janus) because we find very few references to the worship of the former deity in ancient Roman sources whereas worship of the
latter assumed great importance such that Numa Pomilius of Cures, the legendary second king
of Rome, in his regulation of the Roman calendar, called the first month Januarius after Janus
who, by then, was popularly conceived as presiding over the beginning of all things. As the
origin of all organic life, especially of human life, Janus was therefore called ‘Consivius’ (=
‘the Sower’). The hymns of the Salii Palatini and the Solii Agonales, the priests of Mars, date
from the first century BC and contain allusions to Janus as “the good creator”, “the god of
gods”, “the oldest of the gods” and “the beginning of all things”. Allusions to the liturgical
importance of Janus at crucial times of the agricultural year can be seen in the fact that some
of the Salian hymns sung to him were to be chanted only in March during thr planting time
when Janus was invoked to assist the vegetative growth. He was also invoked during harvest
time in ceremonies associated with Jupiter and Juno.“ (Stewart 1999)
321
55
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
Unternehmung und den also weisen Rat wurden die Consualia gefeiert. Da Consus (wie der etruskische Tages)324 aus der Erde kam,
wurde er das restliche Jahr über in einem verborgenen Heiligtum
verehrt, dessen Altar man nur zu den Spielen ausgrub.325 Nach einer
anderen Überlieferung war Consus der Gott der Ernte, welche in
unterirdischen Gewölben gelagert wurde.326 Damit ist Consus zu
sehen mit Ops Consivia, Ianus und dem Gott Mars, der in der Tradition „Grundbegriff der alle Lebensverrichtungen durchdringenden
und beherrschenden männlichen Kraft und Stärke [...] gewesen zu
sein [scheint]. Insbesondere war er [Mars] Gott des Ackerbaues, den
man um Segen für die Feldfrüchte anrief; [...] so wie andererseits
Gott des Frühlings, daher der Monat März seinen Namen trägt und
ihm geheiligt ist.“ 327 Der Mutter des Mars, Iuno,328 opferte die regina sacrorum,329 die – nicht nur kultische – Ehefrau des rex sacrorum.
Sie übernahm das Amt wohl automatisch, wenn ihr Ehemann das
seine des rex sacrorum antrat.
2.3.1.1.1.3 Rex sacrorum und pontifex maximus
Die Stellung des pontifex maximus war ungleich politischer dadurch, daß er – im Gegensatz zum rex sacrorum – Auspizien abhalten durfte. Auch dieses Amt wurde lebenslänglich ausgeübt.330 Der
pontifex maximus übte die Oberhoheit über den rex sacrorum aus,331
und alle pontifices und die Auguren ernannten gemeinsam den rex
sacrorum.332 Nach Sueton333 und Cassius Dio334 wohnte Caesar als
324
Pfiffig 1998: 37; Festus 492, 6.
WdM: s. v. Consus, 145
326
Stewart 1999.
327
WdM: s. v. Mars, S. 323
328
„Die alte latinische Göttin ‚*Iunis (Juno) ist ‚die jugendliche, die junge Frau (in empfängnisfähigem Alter),‘ vgl. iunix, iuvenis, iuvenica. Sie stellt die weibliche Funktion dar, wie
Genius der Zeuger, die männliche.“ Pfiffig 1998: 266.
329
Macrob. Sat. 1, 15, 19: Romae quoque Kalendis omnibus, praeter quod pontifex minor in
curia Calabra rem divinam Iunoni facit, etiam regina sacrorum, id est regis uxor, porcam vel
agnam in regia Iunoni immolat: a qua etiam Ianum Iunonium cognominatum diximus, quod illi
deo omnis ingressus, huic deae cuncti Kalendarum dies videntur adscripti.
330
Wie Augustus erst nach dem Tode des vormaligen Triumvirns Lepidus auch das Amt des
Pontifex Maximus übernehmen konnte.
331
Livius 2, 2, 1.
332
Dionys. 5, 1.
333
Suet., Caesar 46
325
56
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
pontifex maximus in der domus publica, welche von der Forschung
allgemein nicht mit der Regia gleichgesetzt wird.335 Augustus verlegte den Wohnsitz des pontifex maximus 12 v. Chr. auf den Palatin336
und machte einen Teil seines Hauses so zu einem öffentlichen Gebäude. Daß die Regia aber vom pontifex maximus und den anderen
pontifices als Versammlungsraum genutzt wurde, wissen wir durch
Plinius d. J337 und Cicero.338 Von kultischen Handlungen des pontifex
(Maximus) zusammen mit den salischen Jungfrauen wissen wir
durch eine Festus-Stelle,339 und nur durch eine Parallel-Stelle bei
Cassius Dio340 kann analog darauf geschlossen werden, daß die pontifices auf einem Herd in der Regia als Opfergabe das Blut aus dem
Schweif des sog. „Oktober-Pferdes“ versprengt und den Pferdekopf
an der Wand der Regia angebracht haben.341 Der Reinigungs-Ritus
des „Oktober-Pferdes“ (im Oktober reinigten die Bauern ihr Ackergerät)342 findet im Zusammenhang mit einem Wagenrennen auf dem
Marsfeld statt, wobei das innere Pferd des siegreichen Gespannes
enthauptet und sein Kopf außen an der Regia angebracht wurde.343
334
Cass. Dio 43, 44, 6: Τα-τ τε ο9ν ττε τ" Κασαρι, κα( οκαν ;στε ν τ" δηµοσ<
οκε/ν, *εροµηναν τε ξαρετον 6σκις =ν νκη τ$ τις συµβ> κα( θυσαι π' ατ> γγνωνται,
κ=ν µ'τε συστρατε@σηται µ'θ' 4λως πικοινων'σA τν καταπραχθ$ντων, !δοσαν.
335
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚domus publica‘: 165s.
Cass. Dio 54, 27, 3; P. Zanker, Der Apollontempel auf dem Palatin. Ausstattung und politische Sinnbezüge nach der Schlacht von Aktium, in: Annalecta Romana, Suppl. X, Seite 40.
337
Plin. Ep. 4, 11, 6: Nam cum Corneliam Vestalium maximam defodere vivam concupisset, ut
qui illustrari saeculum suum eiusmodi exemplis arbitraretur, pontificis maximi iure, seu potius
immanitate tyranni licentia domini, reliquos pontifices non in Regiam sed in Albanam villam
convocavit.. Nec minore scelere quam quod ulcisci videbatur, absentem inauditamque damnavit incesti, cum ipse fratris filiam incesto non polluisset solum verum etiam occidisset; nam
vidua abortu periit. (Dies als negative Charakterisierung Kaiser Domitians, der die pontifices
zu sich in seine Albaner Villa zitiert.)
338
Cic. ad Att. 10, 3a, 1: Visum te aiunt in regia.
339
Festus 329: Salias virgines – quas Aelius Stilo scripsit sacrificium facere in regiam cum
pontifice.
340
Cass. Dio 43, 24, 4: ΟCτος µDν ο9ν δι τα-τα δικαι1θη, Eλλοι δD δ@ο Eνδρες ν τρπ<
336
τιν( *ερουργας σφγησαν. Κα( τ µDν αFτιον οκ !χω επε/ν ο&τε γρ G Σβυλλα !χρησεν,
ο&τ' Eλλο τι τοιο-το λγιον γ$νετο, ν δ' ο9ν τ" Iρε< πεδ< πρς τε τν ποντιφκων κα(
πρς το- *ερ$ως το- Jρεως τ@θησαν, κα( αK γε κεφαλα( ατν πρς τ βασλειον
2νετ$θησαν.
341
Festus 186, 249; Plut. q. Rom. 97.
Ogilvie 1986: 121.
343
Ogilvie 1986: 121.
342
57
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
2.3.1.2 Weitere Handlungsträger in der Regia
Die Regia wurde aber, der schriftlichen Überlieferung nach,
nicht nur von den bislang behandelten Personen genutzt, sondern
auch von anderen: Bei Macrobius (nach Granius Licinianus) ist vermerkt, daß von den flaminica dem Iuppiter ein Widder geopfert wurde.344 Und eine Inschrift aus dem Jahr 14 n. Chr. belegt, daß die Regia als Versammlungsstätte der fratres Arvales345 genutzt wurde,346
wie auch von den Vestalinnen und einem weiteren Priester.
2.3.1.3 Ops Consivia, hastae Martis (oder: hastae Martiae)
Aus den Schriftquellen erfahren wir, daß die Regia nicht nur
„Haus“ (mit welcher Funktion, soll hier nicht erörtert werden) für
den rex, den rex sacrorum, den pontifex maximus und andere war,
sondern auch als Aufbewahrungsort für kultische Gegenstände diente
und ein Ort war, an dem heilige Handlungen vollzogen wurden.
Der Schild des Mars – welchen die Römer als vom Himmel gefallenes Geschenk des Iuppiter an Numa ansahen, und von dem Waffenschmied Marmurius347 aus Angst vor Verlust elf Kopien (ancilia)
anfertigte – sowie die sog. Speere des Mars (hastae) wurden in der
Regia (sacrarium Martis) aufbewahrt. Diese heiligen Speere bewegten sich („hastae martiae ... motae“), wenn ein Krieg oder ein anderes drohendes Unheil bevorstand (wie sie sich z. B. am Vorabend der
Iden des März 44 v. Chr. – der Ermordung Caesars – bewegten).348
So sind mehrere solcher prodigia v. a. bei Iulius Obsequens überlie-
344
Macrob. 16, 30 : Causam vero huius varietatis apud Granium Licinianum libro secundo
diligens lector inveniet. Ait enim nundinas Iovis ferias esse, siquidem flaminica omnibus nundinis in regia Iovi arietem soleat immolare: sed lege Hortensia effectum ut fastae essent, uti
rustici, qui nundinandi causa in urbem veniebant, lites conponerent: nefasto enim die praetori
fari non licebat.
345
Wörterbuch der Mythologie: 69 : „Arvales fratres (Arvalische Brüder). In Rom ein Collegium von zwölf Priestern, dessen Stiftung mit der Sage von Acca Larentia zusammenhängt,
indem diese an die Stelle eines von zwölf Söhnen, den sie verloren hatte, den Romulus annahm, der nun sich und den übrigen den obigen Namen beilegte. Sie hatten das Fest zu leiten,
das Ambarvalia hieß. Ihre Würde war lebenslänglich und konnte selbst durch Verbannung
nicht verloren gehen.“
346
CIL VI 2023a (9).
347
Ogilvie 1982: 101348
Cass. Dio 44, 17, 2.
58
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
fert: für das Jahr 181 v. Chr. ,349 das Jahr 117 v. Chr.,350 102 v.
Chr.,351 98 v. Chr.352 und schließlich für 95 v. Chr.,353 wie auch bei
Gellius für das Jahr 99 v. Chr.354 Die Schilde wurden von den salii
zwischen dem 1. März, dem Tag an dem die Schilde vom Himmel
gefallen sind, und dem 24. März „in einem Waffenreigen durch die
Straßen“355 getragen.
349
6. In area Vulcani et Concordia sanguinem pluit. Hastae Martis motae. Lanuvii simulacrum
Iunonis Sospitae lacrimavit. Pestilentiae Libitina non suffecit. Ex Sibyllinis supplicatum cum
sex mensibus non pluisset. Ligures proelio victi deletique.
350
36. Fulmine Romae et circa pleraque tacta. Praeneste lacte pluit. Hastae Martis in regia
motae. Priverni terra septem iugerum spatio in caverna desedit. Saturniae androgynus annorum decem inventus et mari demersus. Virgines viginti septem urbem carmine lustraverunt.
Reliquum anni in pace fuit.
351
44. Novemdiale sacrum fuit, quod in Tuscis lapidibus pluerat. Urbs aruspicum iussu lustrata. Hostiarum cinis per decemviros in mare dispersus, et per dies novem per magistratus circa
omnia templa et municipia pompa ducta supplicantum. Hastae Martis in regia sua sponte
motae. Sanguine circa amnem Anienem pluit. Examen apium in foro boario in sacello consedit.
In Gallia in castris lux nocte fulsit. Puer ingenuus Ariciae flamma comprehensus nec ambustus. Aedes Iovis clusa fulmine icta. Cuius expiationem quia primus monstraverat Aemilius
Potensis aruspex, praemium tulit, ceteris celantibus, quod ipsis liberisque exitium portenderetur. Piratae in Cilicia a Romanis deleti. Teutoni a Mario trucidati.
352
47. Bubone in Capitolio supra deorum simulacra viso cum piaretur, taurus victima exanimis
concidit. Fulmine pleraque decussa. Hastae Martis in regia motae. Ludis in theatro creta
candida pluit; fruges et tempestates portendit bonas. Sereno tonuit. Apud aedem Apollinis
decemviris immolantibus caput iocineris non fuit, sacrificantibus anguis ad aram inventus.
Item androgynus in mare deportatus. In circo inter pila militum ignis fusus. Hispani pluribus
proeliis devicti.
353
50. Caere lacte pluit. Lebadiae Eutychides in templum Iovis Trophonii degressus tabulam
aeneam extulit, in qua scripta erant, quae ad res Romanas pertinent. Fulminis afflatu pleraque
animalia exanimata. Venafri hiatu terra alte subsedit. Vultures canem mortuum laniantes
occisi ab aliis et comesi vulturibus. Agnus biceps, puer tribus manibus totidemque pedibus
natus Ateste. Hastae Martis in regia motae. Androgynus Urbino natus in mare deportatus. Pax
domi forisque fuit.
354
Gell. N. A. 4,6, 1-2: VI. Verba veteris senatusconsulti posita, quo decretum est hostiis
maioribus expiandum, quod in sacrario hastae Martiae movissent; atque ibi enarratum, quid
sint "hostiae succidaneae", quid item "porca praecidanea"; et quod Capito Ateius ferias quasdam "praecidaneas" appellavit. I. Ut terram movisse nuntiari solet eaque res procuratur, ita
in veteribus memoriis scriptum legimus nuntiatum esse senatui in sacrario in regia hastas
Martias movisse. II. Eius rei causa senatusconsultum factum est M. Antonio A. Postumio
consulibus, eiusque exemplum hoc est: "Quod C. Iulius L. filius pontifex nuntiavit in sacrario
in regia hastas Martias movisse, de ea re ita censuerunt, uti M. Antonius consul hostiis maioribus Iovi et Marti procuraret et ceteris dis, quibus videretur, lactantibus. Ibus uti procurasset,
satis habendum censuerunt. Si quid succidaneis opus esset, robiis succideret."
355
Ogilvie 1986: 101.
59
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
Die Göttin Ops, die wie Ianus den Beinamen „Consivia“ (oder: Consevia)356 trägt, Gattin des Saturn ist und auch mit Consus in Verbindung gebracht wird, feierte am 25. August ihr Fest (Opiconsivia).
Die Fruchtbarkeits- und Erdgöttin wurde in einem kleinen Heiligtum
in der Regia verehrt, welches außer von den Vestalinnen und dem
zuständigen Priester (sacerdos) nicht betreten werden durfte.357
2.3.1.4 Zusammenfassende Überlegungen und Interpretation
Wir wissen also einiges über die kultischen Handlungen, die
Opfergerätschaften in den Räumen (sacraria) und die heiligen Gegenstände des Mars sowie über Versammlungen in der Regia, wie
auch über den Personenkreis, der im Laufe der Jahrhunderte mit der
Regia in Bezug stand (rex, rex sacrorum, regina sacrorum, pontifices, fratres Arvales, flaminica). Die archäologischen Befunde lassen
sich anhand der Schriftquellen gut erklären, die beiden Räume lassen
sich den verschiedenen überlieferten Funktionen zuordnen: der größere mit einem Herd für Mars und seine Waffen, der andere für Ops
Consivia.358
Für die Zeit der Republik sprechen Gellius359 und Iulius Obsequens360 davon, daß die Regia ein sacrarium besessen habe (oder:
eine sacrarium sei?), und bei Festus361 lesen wir im Zusammenhang
mit der Regia von einem fanum. Also hatte, wie H. Jordan 1885
schreibt, „die Regia die Qualität eines konsekrierten Heiligtums (fanum) besessen, welche den Gedanken ausschließt, daß Menschen,
356
WdM: 145 s. v. Consevius, Consivius, Consivia (Röm. M.), Fortpflanzer, Fortpflanzerin,
Beiname des Janus und der Ops, einer latinischen Göttin der Fruchtbarkeit, Gemahlin des
Saturnus, welche von späteren Mythographen mit Rhea identificirt worden ist.
357
Varro 6, 21: Opeconsiva dies ab dea Ope Consiva, cuius in Regia sacrarium quod adeo
artum, eo praeter virgines Vestales et sacerdotem publicum introeat nemo. Vgl. Fest. 186, 249.
358
Brown 1976: 35s.
359
Gell. N. A. 4,6, 1-2: VI. [...], quod in sacrario hastae Martiae movissent; ... I. Ut terram
movisse nuntiari solet eaque res procuratur, ita in veteribus memoriis scriptum legimus nuntiatum esse senatui in sacrario in regia hastas Martias movisse.
360
Iulius Obsequens 19: [Spurio Postumio L. Pisone coss. (A.U.C. 606 / 148 v. Chr.)] Vasto
incendio Romae cum regia quoque ureretur, sacrarium et es duabus altera laurus ex mediis
ignibus inviolatae steterunt.
361
Festus 278.
60
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
welche auch immer, in diesem Gebäude gewohnt haben.“362 So kann,
nach Jordan, trotz eines in der Tradition fest verwurzelten Zusammenhanges zwischen der Regia und der Institution des Königs,
„schwerlich davon [ausgegangen werden], daß derselbe darin wohnte“.363 Die Antwort auf die Frage, ob es sich bei der Regia als Ganzes
um ein konsekriertes Heiligtum handelte – wofür wohl die Stelle bei
Cassius Dio spricht,364 an der Octavian die mögliche Entfernung von
Statuen aus der Regia als Sakrileg fürchtet, wie auch die Nachrichten
bei Gellius,365 Iulius Obsequens366 und Festus367 derart interpretiert
werden können – und zwar durch ihre ganze Geschichte hindurch,
oder nicht, ist ausschlaggebend für eine Beurteilung der Regia als
Wohnhaus für den rex, den rex sacrorum und den pontifex maximus.
Wohl mit Sicherheit kann zunächst konstatiert werden, daß in
der Kaiserzeit der pontifex maximus als der jeweilig regierende Kaiser nicht in der Regia wohnte. 368
Auch der rex sacrorum scheint nicht in der Regia gewohnt zu
haben. Festus spricht von zwei verschiedenen Gebäuden 369 – aber
jener rex sacrificulus von dem bei Servius die Rede ist,370 könnte
identisch mit dem rex ... sacrorum einer anderen Servius-Stelle sein.
In letzterer ist von der Unverletzlichkeit des Königs (rex) die Rede,371 also dem rex als rex (rerum) sacrorum, der der Tradition nach
vor dem pontifex maximus in der Regia „gewohnt“ habe. Wenn man
362
Jordan 1885: 424 (Angleichung der urspr. Rechtschreibung an die heutige Orthographie
durch JL).
Jordan 1885: 423.
364
Cass. Dio 48, 42, 5.
365
Gell. N. A. 4,6, 1-2: VI. [...] , quod in sacrario hastae Martiae movissent; [...] I. Ut terram
movisse nuntiari solet eaque res procuratur, ita in veteribus memoriis scriptum legimus nuntiatum esse senatui in sacrario in regia hastas Martias movisse.
366
Iulius Obsequens 19: [Spurio Postumio L. Pisone coss. (A.U.C. 606 / 148 v. Chr.)] Vasto
incendio Romae cum regia quoque ureretur, sacrarium et es duabus altera laurus ex mediis
ignibus inviolatae steterunt.
367
Festus 278.
368
Cass. Dio 54, 27, 3.
369
Festus 293: [...] ne eatenus quidem sacra (via) appellanda est a regia ad domum regis
sacrificuli sed etiam a regis domo ad sacellum Streniae.
370
Serv. ad Aen. 8, 363: [...] domus in qua pontifex habitat regia dicitur, quod in ea rex sacrificulus habitare consuesset, sicut flaminia domus in qua flamen habitat, dicebatur
371
Serv. ad Aen. 8, 646: [...] quia occidi non poterat impediente, rex enim etiam sacrorum
fuerat.
363
61
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
annimmt, daß der pontifex maximus in der Regia „habitat“ 372, also
wohnt, worauf noch später eingegangen werden soll, muß der rex
sacrorum an anderer Stelle seine (Amts-)Wohnung gehabt haben.
Und besonders dann, wenn zu keiner Zeit irgend jemand in der Regia
wohnte,373 muß die domus regis an anderer Stelle vermutet werden.
Ausgehend von der Festus-Stelle wurde – bislang aber vergebens –
nach der domus regis sacrorum gesucht.374 Als domus regis, aber
auch als domus publica375 wird nach Cassius Dio aufgrund seiner
Lage376 ein Gebäude östlich des atrium Vestae benannt.377 Die Stelle
bei Cassius Dio zeigt das Dilemma der Forschung auf: Augustus will
keine offizielle Residenz beziehen (οκαν τιν δηµοσαν), aber es ist
seine Pflicht als pontifex maximus, eine solche zu bewohnen (ν
κοιν" [...] οκε/ν χρ,ν). Weil er nun sein eigenes Haus auf dem Palatin (erst teilweise, dann später ganz) der Öffentlichkeit übergibt,
erfüllt er die Verpflichtung, die er als pontifex maximus hat, und
schenkt „das (Haus) des Königs der heiligen Dinge (=rex sacrorum)“
(τ5ν [...] το- βασιλ$ως τν *ερν) schließlich den vestalischen Jungfrauen. Der lateinische Begriff für „ν κοιν"“ wäre „in publico“ und
eine „οκα δηµοσα“ wäre eine domus publica. Es drängt sich zunächst die Stelle bei Sueton378 auf, in der davon die Rede ist, daß
Caesar „post autem pontificatum maximum in sacra via domo publica“ zieht.
Beleuchtet man nur diese beiden Schriftstellen, ergeben sich
einige Probleme: Handelt es sich um irgendein staatliches Gebäude,
welches dem pontifex maximus als öffentliche Residenz dient, oder
um eine bestimmte domus publica? Wenn letzteres zutrifft und die
domus regis sacrorum nicht identisch mit dem Wohnsitz des pontifex
maximus, also der domus publica ist, Wohnsitz von Opferkönig und
oberstem Priester sich an unterschiedlicher Stelle befinden und beide
372
Serv. ad Aen. 8, 363: [...] domus in qua pontifex habitat regia dicitur [...]
Jordan 1885: 424.
374
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘: 189.
375
R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Domus Publica‘: 165s.
376
Cass. Dio 54, 27, 3.
377
E. Papi, LTUR, s. v. ‚Domus Regis Sacrorum/Sacrificuli‘: 169s. und 417, Abb. 49.
378
Suet. Caesar 46: [...] post autem pontificatum maximum in sacra via domo publica.
373
62
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
feste Institutionen sind, wirft dies zusätzlich folgende Frage auf: Wo
befanden sich diese Gebäude? Das Gebäude beim atrium Vestae
kann nicht beides – domus publica und domus regis – sein. Da die
Regia nach Plinius379 in der Kaiserzeit von den pontifices weiterhin
als Versammlungsort genutzt wurde, also noch in Funktion stand, ist
nicht die Regia das Gebäude des Opferkönigs, welches Augustus den
Vestalinnen übergab, sondern die domus regis, welche sich somit
gleich bei den Vestalinnen befand? Dafür steht, daß Cassius Dio den
Begriff „τ βασλειον“ verwendet, wenn er von der Regia spricht,380
von „τ5ν [...] το- βασιλ$ως τν *ερν“ aber als dem den Vestalinnen
überantworteten Gebäude.381 Andererseits: warum verfügt Augustus
als pontifex maximus über den Wohnsitz des rex sacrorum, und,
wenn das Szenario richtig ist, wo wohnte ab dieser Zeit der rex
sacrorum? Abgesehen von diesen Fragen, denen nicht weiter nachgegangen werden soll, wäre eine weitere Möglichkeit, „domus
publica“ als „nomen communis“ anzusehen: 382 Sowohl der Wohnsitz
des pontifex maximus als auch der des rex sacrorum gelten also als
domus publica(e), als öffentliche Residenzen (οκαι δηµοσαι),383 die
aber bis einschließlich Caesar auch bezogen werden mußten,384 d. h.,
eine Umwandlung des bisherigen Privathauses in eine öffentliche
Residenz war also unmöglich. Somit wäre eigentlich auch die Regia
als Amtslokal, als domus publica anzusehen, ein Haus von öffentlichem/staatlichen Interesse, gleichgültig, ob darin gewohnt wurde
oder nicht.
Womit also mindestens drei domus publicae existiert haben
müßten: eine Regia, die identifiziert ist, ein Haus für den rex sacrorum und eines für den pontifex maximus. („Mindestens“ deswegen,
weil auch analog nach Servius ad Aen. 8, 363: „flaminia domus in
qua flamen habitat, dicebatur“). Eine weitere – ausschließlich spekulative – Variante wäre, daß es eine domus publica gegeben hat, in der
379
Plin. Ep. 4, 11, 6
Cass. Dio 43, 24, 4; Cass. Dio 48, 42, 4.
381
Cass. Dio 54, 27, 3.
382
Coarelli 1981: 242.
383
Cass. Dio 54, 27, 3. Der Triumvir und pontifex maximus Lepidus wohnte dann schon nicht
mehr in Rom.
384
Suet., Caesar 46; auch zu Caesar Cass. Dio 43, 44 und Plin. 19, 23.
380
63
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
rex sacrorum und pontifex maximus unter einem Dach bzw. in einem
Komplex wohnten, und die von Augustus aufgrund ihrer Nähe zu
den Vestalinnen diesen zur Verwaltung übergeben worden ist, während der rex sacrorum weiterhin dort wohnte. Dieser Gedanke würde
den Grundriß südöstlich des atrium Vestae einer Bestimmung übergeben und die Suche nach einem weiteren Gebäude überflüssig machen. Dagegen sprechen aber alle Schriftquellen, die beide Priester
auf diese Weise nicht miteinander in Verbindung bringen; von einer
„Wohngemeinschaft“ der beiden obersten Priester kann, während sie
die Regia (mit anderen) als Ort für heiligen Handlungen teilten, also
wohl nicht die Rede sein.
Die verschiedenen Varianten haben natürlich einen unterschiedlichen Plausibilitätsgrad, und geht man zurück auf die bedeutsame
Frage, ob der pontifex maximus in der Regia nicht nur seinen Amtsgeschäften nachging, sondern dort auch residierte, also wohnte, was
allgemein bestritten wird, muß man noch bedenken, daß neben dem
pontifex maximus auch noch der rex sacrorum, die vestalischen Jungfrauen und weitere Amtsträger die Regia für ihre kultischen Verrichtungen nutzten und zusätzlich auch noch die hastae Martis und das
Heiligtum der Ops Consivia Platz fanden. Bei dem Gebäude, das als
Regia gilt, ist dies zwar für die sacraria möglich ist, für eine Wohnung des pontifex maximus (und seiner Gattin?) bleibt dort aber
kaum oder kein Platz. Hinzu kommt natürlich auch die Einschränkung Jordans, 385 in einem fanum oder sacrarium sei es nicht gestattet, daß ein Mensch wohne.
Leider stehen der sich (jetzt) anbietenden Möglichkeit, an dieser
Stelle die „Akten“ zur Frage, ob in der Regia jemals jemand gewohnt
habe, endgültig „zu schließen“, zwei „Hindernisse“ entgegen: das
eine in Form einer Stelle bei Cassius Dio über die Vorzeichen zur
Ermordung Caesars,386 das andere in Form der schon erwähnten neu-
385
Jordan 1885: 424 (Angleichung der urspr. Rechtschreibung an die heutige Orthographie
durch JL).
Cass. Dio 44, 17, 2: πρς δ´ !τι κα( σηµε/α ο&τ´ Lλγα ο&τ´ 2σθεν, ατ" γ$νετο· τ τε
386
γρ 4πλα τ Jρεια παρ´ ατ" ττε Nς κα( παρ 2ρχιερε/ κατ τι πτριον κεµενα ψφον
τ,ς νυκτς πολPν ποησε, κα( α* θ@ραι το- δωµατου ν Q κθευδεν ατµαται
2νεRχθησαν.
64
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
en Erkenntnisse zur Dekoration mit architektonischen Terrakotten
von etruskischen Gebäuden.
An dieser Stelle kann keine Diskussion über die Bewertung und
Gewichtung von schriftlichen Quellen, also eine Methodologie der
Quellenkritik, erfolgen. Und doch wäre es weder zulässig zu sagen,
daß man mit ein und der selben Schriftstelle eine Tatsache und ihr
Gegenteil beweisen könne, noch, daß man Schriften als „Gemengsel“
oder „windiges Gefasel“387 bezeichnet. Vor allem soll nicht für eine
bestimmte Theorie unzulässig geworben, sondern für eine ausgewogene Betrachtung der Fakten und Meinungen, die über den zu behandelnden Gegenstand existieren, Sorge getragen werden.
Die Bemerkung Cassius‘ Dio zu den Waffen des Mars (hastae
Martis = τ 4πλα τ Jρεια), die am Vorabend der Ermordung Caesars einen „großen Lärm“ machten und das drohende Unheil damit
voraussagten,388 ist nicht aus Gründen der zu erzielenden Wirkung
oder Bedeutung der Stelle an das Ende der Zusammenfassung gesetzt
worden, sondern aufgrund des Umstandes, daß in keiner vom Autor
gefundenen und herangezogenen Untersuchung seitens der Wissenschaft zu diesem Thema diese Stelle erwähnt oder besprochen wird.
Absicht? Selbst wenn Cassius Dio „windiges Gefasel“389 niedergeschrieben hätte, oder der Text dieser Stelle sekundär oder verderbt
sein sollte, oder aus anderen Gründen nicht das Gewicht der anderen
Kapitel in Dios Werk hat, muß doch darauf rekurriert werden, um
das Bild abzurunden.
Cassius Dio schreibt, daß die lärmenden Waffen (ancilia des
Gottes Mars) sich in seinem [Caesars] Haus befunden haben – gemäß
der alten Tradition und Ehrwürdigkeit seines Amtes als pontifex maximus.390 Diese Aussage steht in direktem Gegensatz zu den bislang
angestellten Überlegungen, oder um es bildlich auszusprechen, hier
liegt ein Puzzle-Teil vor, welches sich kaum in das bisherige Bild
387
Jordan 1885: 299, Anm. 128.
Cass. Dio, 44, 17, 3: [...] τ τε γρ 4πλα τ Jρεια παρ´ ατ" ττε Nς κα( παρ 2ρχιερε/
κατ τι πτριον κεµενα ψφον τ,ς νυκτς πολPν ποησε [...]
389
Jordan 1885: 299, Anm. 128.
390
Cass. Dio, 44, 17, 3.
388
65
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
einfügen will und nirgendwo angesetzt werden kann, außer vielleicht
an die Nachricht von Servius.391
Ganz offensichtlich geht die Cassius-Dio-Stelle mit dem bislang
als Regia identifizierten Grundriß nicht konform, denn wenn die
„hastae Martis in regia motae“, dann müßte auch Caesar in eben der
Regia geschlafen haben und dafür ist nach dem jetzigen Befund
schlicht und einfach kein Platz.
Auswege wären:
1. Die Regia war – zur Zeit Caesars – größer (zweistöckig?) als
ausgegraben, womit auch weitere Räume möglich wären, von denen
sich vielleicht im Norden392 Reste erhalten haben. Ausgeschlossen ist
eine größere Regia natürlich nicht, die Ausmaße der Regia des Calvinus, also die überbaute Fläche sprechen zwar nicht unbedingt dafür
(denn sonst wäre die sacra via im Norden etwas versetzt verlaufen),
aber auch nicht dagegen. Es haben sich aber – außer für die kaiserzeitliche Phase – für keine Zeit Ansätze von Treppen in ein weiteres
Stockwerk gefunden, noch wurden sie von den Ausgräbern als möglich rekonstruiert – was die Frage nicht beantwortet, wo der pontifex
maximus in den anderen Phasen gewohnt hat, wenn nicht in einem
der zwei Räume (ohne den Durchgangsraum).
Außerdem ist damit die unantastbare Heiligkeit der Regia, in
welcher sich – als sacrarium – kein Mensch zu Wohnzwecken aufhalten durfte (s. o.), infrage gestellt. Sagen also Gellius,393 Iulius
Obsequens394 und Festus,395 daß die Regia ein sacrarium oder fanum
besessen habe oder eine sacrarium resp. fanum sei, wie schon vor-
391
Serv. ad Aen. 8, 363: domus in qua pontifex habitat regia dicitur, quod in ea rex sacrificulus habitare consuesset, sicut flaminia domus in qua flamen habitat, dicebatur
Brown 1967: 56 und Abb. 4; R. T. Scott, LTUR, s. v. ‚Regia‘:463, Abb. 79 (Abb. 5) und
Abb. 80 (Abb. 6).
393
Gell. N. A. 4,6, 1-2: VI. [...], quod in sacrario hastae Martiae movissent; [...] I. Ut terram
movisse nuntiari solet eaque res procuratur, ita in veteribus memoriis scriptum legimus nuntiatum esse senatui in sacrario in regia hastas Martias movisse.
394
Iulius Obsequens 19: [Spurio Postumio L. Pisone coss. (A.U.C. 606 / 148 v. Chr.)] Vasto
incendio Romae cum regia quoque ureretur, sacrarium et es duabus altera laurus ex mediis
ignibus inviolatae steterunt.
395
Festus 278.
392
66
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
sichtig angemerkt wurde? Dieser Frage soll im folgenden Abschnitt
nachgegangen werden.
2. Die hastae Martiae befanden sich nicht mehr in der Regia,
sondern im Haus Caesars des pontifex maximus. Und dies wird wohl
zutreffen. Denn wie oben im Zusammenhang mit den hastae Martiae
beschrieben, wurden sie (sowohl die hastae Martiae als auch die
ancilia wurden unter den „Waffen des Mars“ subsumiert) in einer
über drei Wochen dauernden (vom 1. bis 24. März eines jeden Jahres) Prozession durch die Stadt getragen. Dabei kehrten die salii
immer wieder über Nacht in „geeignete Gebäude“ 396 ein und feierten
dort ein üppiges Fest. Nun wurde Caesar am 15. März 44 v. Chr.
ermordet, und die Schilde lärmten in der Nacht zuvor. Was liegt also
näher, als daß die Salier an diesem Abend des 14. März mit den hastae Martiae in das Haus Caesars eingekehrt waren und dort über
Nacht blieben: Niemand wird leugnen, daß das Haus des pontifex
maximus eines der geeignetsten Gebäude für eine Station ist.
Dies bedeutet, daß Caesar keinesfalls in der Regia gewohnt haben kann, denn die Speere des Mars konnten sich am Vorabend des
15. März nicht in der Regia befinden. In Verbindung mit der schon
dargestellten Stelle bei Sueton (Caesar 46) kann man also sicher sein,
daß der pontifex maximus nicht in der Regia wohnte, sondern diese
nur sein Amtshaus war, wo er sich zu kultischen und anderen Versammlungen aufhielt. Das Haus des pontifex maximus muß also an
anderer Stelle gesucht werden, möglicherweise also gegenüber auf
dem Gebiet des atrium Vestae.
2.3.2 Hausarchitektur in Etrurien
Um über die Regia Erkenntnisse gewinnen, ihre Funktion besser
verstehen zu können, kann man nicht nur die Funde vor Ort und die
Schriftquellen betrachten und abwägen, man muß auch „in die Ferne
schweifen“ und hoffen, Parallelen für diese ungewöhnliche Architektur zu finden, welche die Regia vielleicht nicht mehr gar so ungewöhnlich erscheinen lassen.
396
Ogilvie 1986: 101.
67
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
In den letzten Jahrzehnten hat sich das Bild von etruskischer Architektur entscheidend gewandelt. Während bis in die 60er Jahre des 20.
Jh.s noch relativ wenig über die Hausarchitektur (wenn, dann v. a.
durch „Miniaturmodelle in Hausform wie Urnen und Cippen“, durch
„die reiche Innengliederung etruskischer Tumulusgräber“397 mangels
anderer Funde) bekannt war, konnten sich nach den spektakulären
Ausgrabungen in Murlo, Acquarossa und Le Ferriere neue Erkenntnisse Bahn brechen.398
2.3.2.1 Forum-Haus, Rom, Sacra Via
Das Forum-Haus über dem sog. sepulcretum in Nachbarschaft
zur Regia an der sacra via,399 welches schon Boni ausgegraben hatte,
läßt sich im Licht der Regia (oder vice versa) neu betrachten. Beide
Gebäude weisen eine erstaunlich ähnliche Grundrißstruktur auf für
die Periode 4 des Forum-Hauses und für die 4. Regia (und folgende
Phasen): einem Ensemble von drei (miteinander verbundenen?)
Räumlichkeiten ist eine (im Fall des Forum-Hauses: viersäulige)
porticus vorgelagert. Nur der mittlere Raum war von der porticus aus
betretbar,400 von dort aus gelangte man weiter in den linken Raum.
Der rechte Raum war wohl nur von der Rückseite durch einen Hof
und über eine Rampe betretbar und besaß vielleicht eine „umlaufende Lagerstätte“, welche bei dem Raum auf ein triclinum schließen
läßt.401 Der Vorgängerbau aus dem Jahr um 530-500 v. Chr., welcher
zeitgleich oder etwas später als das Auftreten dieser dreiteiligen
Struktur des Gebäudegrundrisses bei der Regia entstand, kann kaum
noch nachgewiesen werden, nur der Zugang von der sacra via aus ist
gesichert.402 Die Frage, ob das Forum-Haus der Periode 4 (Mitte 5.
Jh. v. Chr.) die Struktur der Regia aufgreift, bzw. welche oder ob
überhaupt eine Abhängigkeit zwischen beiden Gebäuden besteht,
kann vorerst nicht geklärt werden. Daß die Ähnlichkeit zwischen
397
Prayon 1975: Einleitung.
Prayon 1975: Einleitung.
399
Prayon 1975: 143ss.; Holloway 1996: 55ss.
400
Prayon 1975: 145.
401
Prayon 1975: 145.
402
Prayon 1975: 143.
398
68
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
dem Gebäudekörper des „Forum-Hauses“ und dem der Regia nicht
zufällig oder absichtslos ist, zeigen weitere Befunde.
2.3.2.2 Acquarossa (Monumental-Zone F)
Die etruskische Siedlung Acquarossa neben der römischen Stadt
Ferrentium wird seit 1966 von schwedischen Archäologen ausgegraben. Ganz Acquarossa wurde um 500 v. Chr. von einem großen
Brand zerstört und nicht wieder auf- oder überbaut. Daher lassen sich
die Gebäude aus dem 7. und 6. Jh. v. Chr. sehr gut rekonstruieren.
Der „typische“ Grundriß eines der 20 zum Vorschein gekommenen
Häuser war ein dreizelliges Gebäude mit einer vorgelagerten porticus.403
2.3.2.2.1 Zone F: Hofanlage E
In der kleinen Ortschaft Acquarossa, 6 km nördlich von Viterbo
wurde 1967 in der Zone F, der sog. „Monumental-Zone“, ein großes
Haus („Palast“, A-C) und eine Hofanlage (Gebäude E) mit einem
dreiteiligen Gebäude im Süden des Hofes ausgegraben. Die „Dreizellenanlage“ südlich des Hofes E 404 (der Komplex befindet sich rund
7 m östlich des „Palastes“ A-C), von der der Ostraum nur teilweise
erhalten ist, weist große Ähnlichkeit mit dem „Forum-Haus“ in Rom
auf. Der mittlere und der westliche Raum weisen einen annähernd
rechteckigen Grundriß von 5 x 4,5 m resp. 4,5 x 4,5 m auf.405 Im
Gegensatz zum „Forum-Haus“ fehlen wahrscheinliche, verbindende
Öffnungen zwischen den Räumen, der mittlere Raum ist von Süden
und vom Hof im Norden aus betretbar, die beiden ihn flankierenden
Räume nur vom Hof aus.
2.3.2.2.2 Zone F („Palast“, A-C)
Das „Palast“ oder „Herrenhaus“ genannte406 L-förmige und größte Gebäude im Ausgrabungsgebiet F besteht aus drei Teilen, denen
jeweils eine porticus vorgelagert ist und die nicht durch Türöffnun-
403
Etrusker & Römer 1999: 46.
Östenberg 1975: 24.
Östenberg 1975: 24.
406
Etrusker & Römer 1999: 48.
404
405
69
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
gen miteinander verbunden sind. Die beiden Hauptgebäude, im rechten Winkel aneinandergefügt, besitzen eine große Anzahl von Räumlichkeiten, die in unterschiedlichem Bezug zueinander angeordnet
sind. Das Nebengebäude D, in der ersten Phase wohl um 600 v. Chr.
errichtet,407 ist nicht vollständig rekonstruierbar, wird aber z. T. so
gesehen, daß es die A gegenüberliegende Hofseite ganz einnimmt.
Gebäude A408 (ca. 10 x 16 m) wird nun wieder als ein dreiteiliges
Gebäude rekonstruiert, dessen mittlerer, die beiden Flügelräume
verbindender Raum, der Hauptraum des Gebäudes ist. Die Befunde
reichen aber nicht aus, um eine zusätzliche Öffnung (eines) der beiden Räume im Westen und Osten des großen Hauptraumes auch auf
die 4säulige porticus im Süden auszuschließen. Die Rekonstruktionszeichnungen weisen für A verschiedene Varianten aus. Die drei
Räume und die vorgelagerte porticus sind nur über den Hof von Süden aus zugänglich und nicht durch Türöffnungen des sich anschließenden Bereiches B.
Der Bereich B – (9 x 10 m),409 kein architektonisch eigenständiges
Gebäude, sondern der Nordflügel des an der Ostseite des Hofes befindlichen größten Hauptgebäudes – besteht aus drei Räumen. Die
beiden kleineren, fast gleich großen und fast quadratischen Zimmer
sind an der südlichen Längswand des dritten Zimmers angeordnet.
Der eine quadratische Raum, der von der nördlichen Schmalseite der
porticus von B und C betreten werden kann, war wahrscheinlich ein
Durchgangsraum, von dem aus man das andere kleine Zimmer und
den großen Raum betreten konnte.
Der Gebäude-Teil C,410 an dessen westlicher Längsseite (24 m)
eine 5säulige porticus angrenzt (von der aus B zugänglich ist – s. o.),
besteht aus vier abwechselnden quadratischen (q) und rechteckigen
(r) Räumen in der Abfolge q1-r1-q2-r2 (von Nord nach Süd). Die
Zimmer q1 und q2 sind nur von r1 aus zugänglich, welcher sich auf
die porticus hin öffnet. In der Mitte dieser weiten Öffnung von 4,5 m
befand sich eine Säule, deren Basis noch in situ erhalten ist,411 wo407
Östenberg 1975: 19.
Östenberg 1975: 18.
409
Östenberg 1975: 18.
410
Östenberg 1975: 18s.
411
Östenberg 1975: 19.
408
70
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
durch r1 einen herrschaftlich-repräsentativen Charakter erhielt. Der
rechts von r1 abgehende Raum q2 weist Reste eines an drei Seiten
umlaufenden Podiums auf, welches wahrscheinlich Klinen getragen
hat. Damit wäre q2 als Speiseraum (Triclinum) genutzt worden. r2
(Länge: 6,5 m) ist „direkt von der porticus aus“ 412 erreichbar. Ihm
gegenüber auf der anderen Seite der Säulenstellung war noch ein
weiterer kleiner, quadratischer Raum (2,5 x 2,5 m), der wieder an
den Abschnitt D angrenzt.
2.3.2.2.3 Die Dach-Dekorationen von Acquarossa
Die Dächer der Häuser in Acquarossa waren mit TerrakottaZiegeln gedeckt und besaßen einen, zum Teil aufwendigen Schmuck.
Die bemalten architektonischen Terrakotten sind von Charlotte
Wikander413 in der Schriftenreihe des Königl. Schwedischen Instituts
in Rom ediert und besprochen worden. Zu den beiden Portiken vor A
und C der Zone F wurden viele Reste von sog. „revetment plaques“
(Verkleidungen), und Antefixen mit Köpfen von Mänaden gefunden.414 Während man sich früher kaum Gedanken über die differenzierte Identifikation von Gebäuden mit architektonischen Terrakotten
machte, sondern anhand der Terrakotten stereotyp auf einen Tempel
schloß,415 konnte man in dem vorhandenen Grundriß nun ganz und
gar nicht den eines Tempels vermuten. Er entspricht vielmehr dem
eines großen Wohnhauses mit Speise- und Schlafzimmern, Räumen
zur Repräsentation, zur Unterbringung von Pferden, für Vorratshaltung und zur Vorbereitung von Speisen. In diesen – modern gesprochen – „Multifunktions-Komplex“ ist sicherlich auch ein Heiligtum
integriert gewesen, in welchem der Herr des Hauses (des Ortes?)
kultischen Verrichtungen für die Gemeinschaft (bestehend aus blutsverwandter Familie und Personal) nachging.416 Vor allem sprechen
auch die dargestellten Motive und Szenen eine andere Sprache:417
Neben Episoden aus dem tatenreichen Leben des Herkules – H. mit
412
Östenberg 1975: 19.
Wikander 1981
414
Wikander 1981: 47.
415
Andersen 1993: 71.
416
Etrusker & Römer 1999: 48 und Holloway 1996: 60.
417
Vgl. Stopponi 1985: 41ss., bes. 56ss. Abb. 50.
413
71
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
Stier (Acheloos oder der kretische Stier?), H. und der nemeische
Löwe418 – ist auch ein Trinkgelage (symposion) abgebildet, welches
sicherlich auf den Alltag und das Leben der in diesem Haus wohnenden Menschen der Oberschicht hinweist.
2.3.2.3 Murlo (Poggio Civitate)419
Ein gleiches Phänomen findet man in Murlo (Poggio Civitate):
Das mit Recht „Palast“ zu nennende Haus ist ein Gebäude aus einem
Guß. Um einen quadratischen Hof mit Säulenreihen an drei Seiten
befinden sich eine Reihe von unterschiedlich großen quadratischen
oder langgestreckt rechteckigen Räumen, welche sich in der Mehrheit auf den Hof hin öffnen. Nur je ein Zugang zum Palast findet sich
an den zwei gegenüberliegenden Flügeln. Insgesamt bietet sich dem
Betrachter ein Bild von Einheitlichkeit, Geschlossenheit und Monumentalität (der Komplex hat 62,0 m Seitenlänge)420, ganz im Gegensatz zum zuvor besprochenen Gebäudekomplex von Acquarossa,
welches einen additiven und offenen Charakter besitzt.
Die prächtigen architektonischen Terrakotten (Reliefplatten,
Antefixe mit Reiter-Darstellungen)421 aus dem 7. und 6. Jh. v. Chr.422
(Phase 1 und 2) und der Grundriß, der auch an Renaissance-Palazzi
Italiens erinnert, verweisen mehr auf eine große und mächtige Adelsfamilie als auf ein Heiligtum.
2.3.2.4. Borgo Le Ferriere (Satricium)423
Bedauerlicherweise ist keinerlei architektonische Terrakotta von
den Hof-Gebäuden A und B in Le Ferriere gefunden wurden.424 Die
aus der Zeit 600-540 v. Chr. stammenden zwei Komplexe A und B425
haben die gleiche Matrix: Zwei langgestreckte Gebäude fast gleicher
Länge mit je drei oder vier Räumen stehen sich im Abstand von ca.
418
Holloway 1996: 58.
Abb. 51, 52.
Maaskant-Kleibrink 1991: 103.
421
Etrusker & Römer 1999: 49 und Holloway 1996: 60s.
422
Torelli 1983: 475s.
423
Abb. 53, 54.
424
Maaskant-Kleibrink 1991: 100.
425
Maaskant-Kleibrink 1991: 91.
419
420
72
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
15 m parallel gegenüber. Der so gebildete Hof wird an der einen
Seite (nach NO) von einer Mauer abgeschlossen, die andere Seite
bleibt in voller Breite offen.426 In der Komposition des Inneren ist die
Aufteilung in große Räume, die von deutlich kleineren flankiert werden, ähnlich wie in Acquarossa und z. T. in Murlo auffällig. Ein
schematischer Vergleich von Le Ferriere (A und B) und Acquarossa
(A bis C) macht diese Gemeinsamkeit evident. Auch hier findet sich
zudem eine porticus vor einem Flügel des Gebäudes A.427
2.3.2.5 Zusammenfassung
Elemente etruskischer Tempel – dekorative Terrakotten und
Säulen – sind, wie die vorgeführten Beispiele zeigten, nicht bindend
nur auf Tempel zu beziehen.428 Auffällig ist auch, daß diese Art der
Dach-Dekoration nach dem dritten Viertel des 6. Jh.s v. Chr. (mit
Ausnahme von Marzabotto) für Privathäuser nicht mehr nachweisbar
ist.429 Dies korrespondiert zumindest teilweise mit der Regia, deren
Dekorationen vor allem der 3. Phase (Mitte des 6. Jh.s v. Chr.) zugeschrieben werden. Wie schon ausgeführt, „wurden ungleich weniger
Überreste der Architektur-Terrakotten von der 4. Regia gefunden als
von ihrem Vorgängerbau.“ Andererseits bedeutet, daß überhaupt
Terrakotten aus dem letzten Viertel des 6. Jh.s gefunden wurden, daß
hier – im Gegensatz zu Acquarossa, Murlo und Le Ferriere – weiter
diese Dekorationen angebracht wurden. Und da die Regia also nach
525 v. Chr. noch Terrakotta-Dekoration besaß, kann sie – nach Andersen – in dieser Zeit kein Privathaus gewesen sein.430
Wenn im Abschnitt 2.3.2.4 auf die schematisierte Komposition
des inneren Grundrisses von Gebäuden eingegangen wurde, muß
dieser Vergleich natürlich auch für die Regia erfolgen. Auch bei der
Regia lassen sich mit der 3. und allen folgenden Phasen diese Kompositionselemente nachweisen: kleiner quadratischer Raum (q) und
langgestreckter rechteckiger Raum (r). Daß die Wände z. T. nicht
ganz im Winkel von 90° aufeinandertreffen, wie dies übrigens auch
426
Vgl. Maaskant-Kleibrink 1991: 95s.
Abb. 55.
428
Andersen 1993: 86.
429
Andersen 1993: 86.
430
Einfacher Syllogismus.
427
73
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
in Acquarossa und Le Ferriere der Fall ist, muß keine Abweichung
vom Schema bedeuten, zumal die Regia im Laufe ihrer Geschichte
im Grundriß sehr durch ihren Standort geprägt ist, was ihren unregelmäßigen Außen- und Innen-Grundriß hinreichend erklärt.
Dies bedeutet, daß sowohl im Aufbau eines Hauses mit eindeutig
privatem Charakter (welches natürlich für die Mitglieder der städtischen Oberschicht gebaut wurde), dessen Elemente fast wie Fertigteile nach bestimmten Mustern aneinandergefügt wurden,431 als auch
in der Dekoration mit bemalten und z. T. reliefierten Antefixen, Simen, Akroteren und Fries-Platten sowie der Verwendung von Portiken und Höfen, sich eindeutig Ähnlichkeiten und Parallelen zwischen der Regia in Rom und anderen Häusern finden lassen. Alle
genannten Elemente, die z. B. der Komplex A-C in Acquarossa aufweist, sind auch in der Regia der 3. und der folgenden Perioden
nachzuweisen. Auch die – vorsichtigen, weil nicht ganz abgesicherten – Rekonstruktionen der Giebel und der Dachkonstruktion allgemein432 lassen die Regia nicht als ein singuläres oder außergewöhnliches Bauwerk erscheinen. Gerade auch die Existenz von Zisterne
und Herd (letzterer im geschlossenen Raum), weist auf die Bedienung von menschlichen Grundbedürfnissen (Wasser, Nahrungszubereitung und Wärme) hin, was für eine, auch andauernde Bewohnbarkeit der Regia sprechen kann.
2.3.3 Interpretation der archaischen Fries-Platten der 3. Regia
Die Interpretation der architektonischen Terrakotten, genauer,
der Motive der Fries-Platten, ist eigentlich ein Exkurs, bei dem verschiedene Möglichkeiten erwogen werden sollen. Die bildliche Darstellung der Tiere und des Mischwesens regen die Phantasie und die
Spekulationsfreude im Übermaß an, und man darf sich nicht von (im
Wortsinne!) “zwingenden“ Erklärungen verführen lassen, sonst erlebt man vielleicht am Ende eine Ernüchterung wie die Kunsthistori431
(Maaskant-Kleibrink 1991: 97ss.) – Wobei es fraglich ist, ob man der Schematisierung
außerordentlich viel Gewicht beimessen soll oder ob dies nicht eine Rückprojektion unserer
Massen-Fertigteil-Architektur ist Und außerdem: die ökonomischste und praktischste Bauweise
erfolgt mit geraden Wänden, die im rechten Winkel zueinander stehen – da ist nicht viel Auswahl in der Komposition zu erwarten.
432
Abb. 56, 57, 58.
74
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
ker, die im 19. Jh. Tizians Gemälde [z. B. die sog. „Venus von Urbino“] von statuenhaften, nackten liegenden Frauen [...] als symbolgeladen betrachtet“ haben: „man behauptete, es handle sich um veranschaulichte Interpretationen von Allegorien aus der klassischen lateinischen Literatur.“ 433 Schlußendlich fanden sich aber Briefe aus der
Zeit, die belegen, „daß diese Kunstwerke gemalt wurden, weil es
eine starke Nachfrage nach Schlafzimmerbildern von erotischen
Nackten in wollüstigen Posen gab.“ 434
Die Bedeutung der aufgefundenen architektonischen Terrakotten, welche der 3. und der 4. Regia zugeordnet werden, liegt für diese
Untersuchung nicht allein in ihnen selbst, sondern vor allem in der
Tatsache, daß solche Terrakotten nicht allein an Tempeln, sondern
auch an privaten (Wohn-)Häusern in Etrurien und dem etruskischen
Einflußgebiet zu Dekorationszwecken verwendet wurden. Nichtsdestotrotz soll nun versucht werden, die Bilderwelt der archaischen
Fries-Platten der 3. Regia auf ihren Symbolgehalt zu untersuchen.
Das stierköpfige Wesen erinnert natürlich spontan an den Minotaurus,435 der aber in der Kunst meist nackt436 entweder im mythologischen Zusammenhang (Theseus, Aridane) dargestellt wird,437 und
nicht – auch nicht alleine438 – mit einem Schurz bekleidet, wie der
Stierköpfige der Regia. In der Komposition der Motive auf den
Fries-Platten – ein Stierköpfiger zwischen ausschreitenden Wildkatzen – und (als Variante) ein großer Vogel zwischen ausschreitenden
Wildkatzen lassen sich keine bislang bekannten oder gar gängigen
Bilder wiedererkennen. So wurde das Mischwesen auch allg. arche-
433
Jardine 1999: 19.
Jardine 1999: 19.
435
Dieses Assoziation haben Torelli 1983: 487-89 und Coarelli 1983: 63-64.
436
Bekleidet im mythologischen Kontext ist er auf einer Polledara Hydra aus der „Grotte der
Isis“ in Vulci zu sehen (Downey 1995: 20).
437
Vgl. Attische schwarzfigurige Amphora (ca. 540 v. Chr.); Seite A: Theseus und der Minotaurus, Seite B: Herakles und Löwe. Staatl. Antikensammlungen und Glyptothek, München
(No. 1397).
438
Wie auf einem Silberstater aus Knossos, ca. 425-360 v. Chr.; Obvers: nackter Minotaurus
laufend nach links, Revers: labyrinthisches Mäander-Muster. Arthur S. Dewing Collection (No.
1981); Minotaurus laufend nach rechts im Knielaufschema: Kat. 148 aus „Pferdemann und
Löwenfrau – Mischwesen der Antike“, Ausstellungskatalog, München 2000 (Ursprung: Paris,
Cabinet des Médailles).
434
75
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
typisch identifiziert,439 oder – wohl in Anlehnung an die AlcathoëSage (womit auch die Löwen und/oder Panther erklärt wären) – als
Dionysos, dessen Attribut auch ein Stier sein konnte. 440 Die Stellung
und Funktion des Vogels bei diesen Erklärungsversuchen bleibt hingegen im Dunklen.
Auch wenn der Minotaurus in seinem ursprünglichen mythischen
Kontext – als das Monster, das er ist – meist nackt dargestellt
wird,441 kann er auch mit einem Lendenschurz („chitoniscus“) bekleidet in einer Szene mit Theseus auftauchen.442 „Unser“ lendenbeschürzter Stierköpfiger der Regia-Friesplatte ist entweder ganz aus
dem üblichen Hintergrund der Geschichte von Minos, Ariadne, Theseus herausgetreten und davon isoliert443 – oder man muß annehmen,
daß es sich bei der dargestellten Figur nicht um den Minotaurus handelt.
Dieser Annahme, daß eine andere Figur als der Minotaurus dargestellt ist, ging Pietro Romanelli444 nach und schlug vor, die Wildkatzen als Panther anzusehen und den stierköpfigen Mann als stierköpfigen Dionysios. Sowohl der Panther, als auch der Stier sind Tiere des Dionysios, der Stier aber tauche nur seltener in diesem
Zusammenhang auf. Leider bleibt P. Romanelli Beispiele schuldig,
genauso wie eine Erklärung für den Vogel in diesem dionysisch gedeuteten Bilderzyklus.445
Somit lassen sich drei verschiedene Erklärungen für die Darstellung des stierköpfigen Wesens finden: a) Es handelt sich um den
Minotaurus, was politisch motivierte Intention unterstellt; Vertreter
dieser Theorie sind u. a. M. Torelli446 und F. Coarelli.447 b) Es handelt sich um einen stierköpfigen Menschen, also ein Mischwesen,
mit oder vor allem ohne einen mythischen Hintergrund; es wäre viel439
Downey 1995: 22.
Romanelli 1955: 206.
441
Downey 1995: 20, und Anm. 46.
442
Vgl. Polledara Hydra aus der „Grotte der Isis“ in Vulci (Downey 1995: 20).
443
Wäre er es nicht, wäre eine Diskussion um die Benennung und auch die Hilfskonstruktion
„stierköpfiger Mann“ sicherlich obsolet.
444
Romanelli 1955a: 206.
445
Downey 1995: 22.
446
Torelli 1983: 487-89.
447
Coarelli 1983: 63-64.
440
76
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
leicht eher als ein archaisches Wesen im common sense des unspezifisch Urzeitlichen anzusehen.448 c) Es handelt sich um den Gott Dionysios mit Stierhaupt und um ihn begleitende Panther: Pietro Romanelli und seine Theorie449 haben jedoch keine weitere Unterstützung
gefunden.
Betrachtet man die Gottheiten, welche in der Regia ein Heiligtum besaßen (Mars, Ops Consivia) und welche außerdem vom rex
sacrorum und den anderen schon genannten Priestern kultisch verehrt wurden (Iuno, Ianus, Consus, Iuppiter) so ist auffällig, daß alle
diese Götter (mit Ausnahme von Iuppiter, trotz seiner reichhaltig
unter Beweis gestellten Zeugungsfähigkeit) einen engen Bezug zur
Fruchtbarkeit, zur Vegetation, zum Werden und Vergehen der Natur,
also zum Ackerbau haben. Die römische Religion war eine ursprünglich „agrarische“ Religion, die sich in der Republik zu einer staatstragenden Religion umwandelte.450 Bestes Beispiel für die Verbindung von Ackerbau und Staat ist der sagenhafte Römer Cincinnatus,
der nach getaner Arbeit in nur 16tägiger Diktatur „ohne Federlesen“
wieder zu seinem Pflug und seiner Scholle zurückkehrte.
Consivia oder Consivius (=„Fortpflanzerin“, „Fortpflanzer“) ist
der Beiname für Ops, eine altitalische Fruchtbarkeitsgöttin, und für
Ianus,451 der auch mit Iuno in Verbindung gebracht wurde.452 Iuno
selbst, der die regina sacrorum ein Schwein oder ein Schaf in der
Regia opferte, stellte „die jugendliche, die junge Frau (in empfängnisfähigem Alter )“453 dar. Auch Mars kann nicht nur als Gott des
Krieges, wie er zumeist dargestellt und gesehen wird, sondern ohne
Verrenkungen auch als Gott der Fruchtbarkeit und des Ackerbaus
bezeichnet werden: Der Gott, wohl sabinischen Ursprungs (Mavors,
448
Downey 1995: 22.
Romanelli 1955a: 206.
Stewart 1999.
451
WdM: 145: „Consevius, Consivius, Consivia (Röm. M.), ‚Fortpflanzer, Fortpflanzerin’,
Beiname des Janus und der Ops, einer latinischen Göttin der Fruchtbarkeit, Gemahlin des
Saturnus, welche von späteren Mythographen mit Rhea identificirt worden ist..“
452
Macrob. Sat. 1, 15, 19: Romae quoque Kalendis omnibus, praeter quod pontifex minor in
curia Calabra rem divinam Iunoni facit, etiam regina sacrorum, id est regis uxor, porcam vel
agnam in regia Iunoni immolat: a qua etiam Ianum Iunonium cognominatum diximus, quod illi
deo omnis ingressus, huic deae cuncti Kalendarum dies videntur adscripti.
453
Pfiffig 1998: 266.
449
450
77
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
Mamers, Marmar), war in der archaischen Zeit mit der „alle Lebensverrichtungen durchdringenden und beherrschenden männlichen
Kraft und Stärke“ 454 verbunden. „Insbesondere war er Gott des Akkerbaues, den man um Segen für die Feldfrüchte anrief“. 455 Nicht
umsonst trägt der Frühlingsmonat März seinen Namen: Neben der
Aussaat wurden auch Kriege, die im Winter unterbrochen wurden,
im Frühjahr wieder aufgenommen. Als Kriegsgott beschützte Mars
Acker und Feld vor Eindringlingen und Feinden, in Friedenszeiten
(deren Ende er durch die prodigia der hastae Martiae anzeigte) beschützte er das Land des einzelnen Bürgers und trug mit Sorge für
den Ertrag aus der Bearbeitung des Bodens.
Welche Hinweise finden sich nun zu den auf den Fries-Platten
dargestellten Wesen? Stehen Wildkatzen (Panther, Leoparden, Löwen), ein stierköpfiges Mischwesen und ein Vogel (Strauß oder Kranich) in irgendeinem Bezug zu den in der Regia verehrten Göttern
oder zu den Göttern, denen andere Personen, welche mit der Regia in
Verbindung gebracht werden, kultische Handlungen entgegenbrachten?
Untersucht man zunächst noch einmal die schon von P. Romanelli456 aufgebrachte Theorie, das stierköpfige Wesen solle als Dionysios interpretiert werden, ist zunächst nochmals festzuhalten, daß
Stier, Panther und Löwe im Zusammenhang mit dem Gott auftauchen: In der Alcathoë-Sage nimmt der Gott selbst nacheinander die
Gestalt dieser Tiere an.457 Daß Dionysios/Bacchus ein Fruchtbarkeitsgott ist, muß nicht eigens betont werden. Nach einem Nebenstrang des Dionysios-Mythos soll er „in Indien gelebt, den Obst- und
Weinbau und die Veredlung der Früchte gelehrt, ein Sohn des Jupiter
und der Proserpina (oder ihrer Mutter, der Ceres), dem Menschengeschlecht den nützlichen Stier gebracht und dasselbe zur Vervoll-
454
WdM: 323.
WdM: 323.
Vgl. Romanelli 1955a: 206.
457
WdM: S. 25: s. v. Alcathoë: A. und ihre Schwestern Arsippe und Leucippe vergaßen das
Fest des Bacchus zu feiern und blieben statt dessen an ihren Webestühlen sitzen; der Gott
forderte sie selbst zur Teilnahme an der Feier auf, und da sie nicht sogleich Folge leisteten,
erschreckte er sie dadurch, daß er sich in einen Stier, einen Panther, und schließlich in einen
Löwen verwandelte.
455
456
78
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
kommnung des Ackerbaues geführt haben“. 458 Nach Pfiffig ist Semele, die Mutter des Dionysios in der griechischen Mythologie eine
Erscheinungsform der Demeter/Ceres459 (phryg. zemelo– = irdisch).460 Der Bezug zu Feld, Vegetation und Ackerbau ist damit
offensichtlich.
In der verschlungenen und alles mit allem verwebenden Welt der
Mythologie ist es nicht verwunderlich, daß Dionysios auch mit Ariadne, der Protagonistin der Theseus-und-Minotaurus-Sage in Verbindung steht: Ariadne sei die Herrin des Labyrinths und mit Dionysios vermählt gewesen; dieser habe sie nach ihrer Entführung durch
Theseus töten lassen.461
Wenn man den Vogel als Kranich interpretiert, findet man für
sein Auftauchen auf der Fries-Platte auch eine Erklärung: Der Kranich war – wenn auch nicht geklärt ist, warum – ein heiliger Vogel
der Demeter/Ceres. „Sein Vogelzug, in dessen Verlauf er den Frühling ankündigte, machte ihn zum Symbol der Erneuerung, [...] sein
auffälliger Balzschritt wurde zum Vorbild des Kranichtanzes (Geranikos) und zum Inbegriff der Lebensfreude und Liebe.“462
Die zwölf fratres Arvales, von deren Bezug zur Regia wir durch
eine Inschrift wissen, 463 feierten im April „zu Ehren der Ceres, des
Bacchus und anderer Feldgötter“ ein Fest, „zur Abwendung des Unglücks von den Getreidefeldern“.464 Sie standen dem Umzug und den
Opfern vor und trugen Ährenkränze mit weißen Wollbinden.465 Es
458
WdM: 91s.
WdM: 130:Ceres/Demeter ist die Göttin der fruchttragenden Erde, also des Ackerbaues,
aber auch Göttin der Ehe und der Ehefrauen insbesondere, die daher manche Theile ihres
Dienstes mit Ausschluss der Männer verrichteten; als Ackerbau-Göttin auch Göttin des durch
Gesetze gesittigten Lebens. Der Mythus von ihrer aus der Tiefe der Erde wiederkehrenden
Tochter wurde häufig, besonders in den Mysterien, auch auf die Unsterblichkeit der Seele
bezogen.“ [...] „In Italien wurde sie auch von den Etruskern unter den höchsten Gottheiten
verehrt und mit dem Jahresgott Vertumnus zusammengestellt. Der Name C. sollte von den
Sabinern genommen sein, und in ihrer Sprache Brot bedeuten.“
460
Pfiffig 1998: 290.
461
Pfiffig 1998: 290.
462
LdS: 244s.
463
CIL VI 2023a (9).
464
WdM: 34.
465
WdM: 34.
459
79
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
gibt also vielfältige Bezüge zwischen der Regia, ihrer Dekoration im
6. Jh. v. Chr. und der römischen Religion und ihren Kulten.
Läßt man der Phantasie ein wenig die Zügel schießen,466 stößt man
auf die Acheloos-Sage bei Ovid.467 Der Flußgott Acheloos erzählt
Theseus, der auf dem Weg nach Athen ist, wie er mit Herakles rang,
wie er dabei zunächst die Gestalt einer Schlange:
„meas devertor ad artes,
elaborque viro longum formatus in anguem“ (Met. 9, 62s.)
und dann die eines Stieres:
„sic quoque devicto restabat tertia tauri
forma trucis“ (Met. 9, 80s.)
annahm. Herakles brach ihm dabei ein Horn ab, aus welchem die
Najaden das Füllhorn schufen:
„naides hoc, pomis et odoro flore repletum,
sacrarunt; divesque meo Bona Copia cornu est.“ (Met. 9,87s.)
Flußgötter wie Acheloos, Skamadros, etc. wurden in der griechischen Mythologie oft als tiermenschliche Mischwesen dargestellt, so
auch als „Menschen mit Stierkopf“.468
In der Beschreibung zum Gemälde „Achelous and Hercules“, des
US-amerikanischen Malers Thomas Hart Benton aus dem Jahre
466
Ein weiterer Aspekt, der im Laufe der Untersuchungen hervorstach, war, daß die Bauarbeiten an der Regia immer wieder durch Feuer und/oder Überflutung (Brown 1976, 26s., Downey
1995: 6, Poucet 1980: 309.) notwendig geworden waren: so auch um die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr., auf welche die 3. Regia folgte. Auch die vor der ersten Regia errichteten Hütten
scheinen immer wieder durch Fluten (und Brände) zerstört und umgehend wieder neu aufgebaut worden zu sein. (Brown 1967: 51s.)
467
Ovid, Met. 8, 547-9, 100.
468
LdS: 371.
80
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
1947,469 heißt es: „The myth of Achelous and Hercules explains how
the development of agriculture depended on the taming of rivers that
overflow their banks and destroy cropland. At flood season the river
god Achelous assumed the form of an enraged bull. He wrestled with
Hercules for the favors of Deianira, who symbolized the fertile river
delta.“470
Schon im 6. Jh. v. Chr. fand Acheloos (Achlae) Eingang in die
etruskische Kunst, meist dargestellt als bärtiger Mann mit Stierhörnern.471 Der Kampf mit Herakles ist auf einem Dreifuß aus Vulci
(ebenfalls 6./5. Jh.) dargestellt.472 Auch wenn man allgemein nach
Stier-Mensch-Wesen in der etruskischen Kunst fahndet, stößt man
auf Acheloos: In der Hauptkammer der Tomba dei Tori in Tarquinia
„sind zwei obszöne Gruppen, in deren Nähe ein menschenköpfiger
Stier steht, gemalt“473 Dieser „mannsköpfige“ Stier wird als Acheloos, der „von links [...] mit gesenktem Haupt heranstürmt“ 474 interpretiert, was natürlich einen Widerspruch zur Beschreibung von Pietro Romanelli darstellt, der aber in diesem Fall nicht erheblich ist.
Wenn die Sagenkreise, welche einen Bezug zur Fruchtbarkeit der
Natur haben und diese bildlich darstellen sollen, im Zusammenhang
mit den archaischen Friesplatten vorgestellt wurden, soll das nicht
bedeuten, daß damit eine gültige Interpretation vorgelegt wird. Alle
Versuche, die Figuren einzeln (wie der Minotaurus durch Analogie
mit den verschiedenen Feldzeichen der römischen Legionen eine
weitere Bedeutung erhält)475 oder als Gesamtensemble zu erklären,
wie das in Ansätzen geschehen ist, bleiben vorerst Stückwerk, an
dem unter Berücksichtigung vielfältigster Aspekte sicher auch in
Zukunft gearbeitet werden muß. Und die Frage bleibt bestehen, ob
die Darstellungen neben einem symbolhaften oder apotropäischen
Gehalt (welcher durch die Gorgoneion-Antefixe noch verstärkt wer469
Thomas Hart Benton, Achelous and Hercules, 1947, tempera and oil, 62 7/8 x 264 1/8 m.,
Smithsonian American Art Museum, Gift of Allied Stores Corporation, and museum purchase
through the Smithsonian Institution Collections Acquisition Program.
470
http://americanart.si.edu/collections/tours/benton/index2.html; Stand: 25. Juli 2007
471
Pfiffig 1998: 287.
472
Pfiffig 1998: 341.
473
Romanelli 1955b: 30.
474
Pfiffig 1998: 213.
475
Downey 1995: 29.
81
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
den würde), den sie zweifelsohne haben, nicht auch Gefallen an der
spielerisch-exotischen Pracht zeigen, welche „einen Aufschwung des
kulturellen und gemeindlichen Lebens“ widerspiegeln,476 und damit
auch Lebensfreude.
2.3.4 Abschließende Zusammenfassung
Die Analyse der Ergebnisse der Grabungen und der archäologischen Befunde der Regia, verbunden mit dem Vergleich von Ergebnissen von anderen Gebäuden in Etrurien in der Zeit des 6. Jh.s, lassen keinen anderen Schluß zu, als die Regia nicht ausschließlich als
ein rein sakral genutztes Gebäude zu interpretieren, bzw. die Wurzeln für ihre Gestalt auch in der Privatarchitektur zu sehen. Daraus
folgt: Nimmt man die dargestellten Rekonstruktionsversuche der
verschiedenen Phasen der Regia als Grundlage der Interpretation, so
sind die Parallelen zur etruskischen Privatarchitektur unübersehbar.
Folgt man den Schriftquellen und den archäologischen Befunden,
kann die Regia mit Einschränkung als ein aristokratisches (königliches?) Wohnhaus für ein Mitglied der (herrschenden?) Oberschicht
angesehen werden. Z. B. Solinus,477 Servius,478 Tacitus,479 und Ovid480 schreiben die Regia dem Numa als Wohnsitz zu.
Die Regia war kein großes, palastartiges Gebäude („parva regia“
bei Ovid), welches zwar sein Gesicht nicht grundsätzlich veränderte,
aber doch seine Ausrichtung im Inneren immer wieder grundlegend
änderte. So wurde von Filippo Coarelli481 versucht, den Bezug zwischen Regia und atrium Vestae auch für die Frühzeit architektonisch
zu rekonstruieren. Das heißt, die Regia sei Teil eines größeren Komplexes gewesen, was ihre mangelhafte Eignung als Residenz kom-
476
Müller-Karpe 1962: 20.
Solinus 1, 21 (25?): Numa in colle primum Quirinali deinde propter aedem Vestae in regia
quae adhuc appellatur.
478
Serv. ad Aen. 8, 363: Quis enim ignorat regiam ubi Numa habitavit in radicibus Palati
finibusque Romani fori esse?
479
Tac. Ann, 15, 41: [...] Numaeque regia et delubrum Vestae cum penatibus populi Romani
exusta [...]
480
Ovid, Trist. 3, 1, 30: Paruit, et ducens "haec sunt fora Caesaris," inquit, "haec est a sacris
quae via nomen habet, hic locus est Vestae, qui Pallada servat et ignem, haec fuit antiqui regia
parva Numae."
481
Coarelli 1981.
477
82
2. Die Regia auf dem Forum Romanum
pensieren soll. Archäologischerseits ließ sich diese These nicht verifizieren.
Wenn man die Regia als „Palast“ eines etruskischen Herrschers
ansieht (F. E. Brown482 weist die verschiedenen Perioden 7 bis 10
Tarquinius Priscus (616–578), Servius Tullius (578–534) und Tarquinius Superbus (534–510) zu), ob wir ihn namentlich fassen können oder nicht, ist es aber weiterhin fraglich, ob der Bau zu Wohnzwecken oder für Amtsgeschäfte gedacht war. Da einerseits „Paläste“ nicht unbedingt den Zuschnitt der Kaiserzeit haben mußten, um
ein repräsentatives Gebäude für den Herrscher darzustellen,483 und
andererseits die Annalistik die verschiedenen Könige verschiedene
Gebäude bewohnen läßt (wenn man Nachrichten zur vorrepublikanischen Zeit Roms als Schematismus, Rückprojektion aus der Gegenwart des Schreibers oder gar Phantasie ansieht, ist auch die Tradition,
der König habe auf der arx residiert, im Grunde wertlos), ist die
Überlegung, die Regia als ein von einem rex für einen rex erbautes
Haus anzusehen, nicht vollkommen aus der Luft gegriffen. Vor allem
die Dekoration der sog. 3. und 4. Regia spricht für einen aufwendig
geschmückten repräsentativen Bau, und dies nicht in der Anfangsphase der Stadtwerdung Roms, sondern als diese in vollem Gange
war bis zum analistischen und wahrscheinlich auch tatsächlichen
Ende der etruskischen Herrschaft über Rom.
Außer den vorgestellten Schriftquellen gibt es keine einwandfreien (obwohl auch die Schriftquellen natürlich nicht „einwandfrei“
sind) Belege für eine Residenz eines Königs in diesem Areal, die
Regia genannt wird. Geht man aber davon aus, daß zu den „üblichen“ Aufgaben, die Herrscher allgemein erfüllen, in der Antike das
religiöse Element – die Vermittlerrolle zwischen Göttern und Menschen, institutionalisiert im Amt des Priesters – einen gewichtigen
Teil seines Amtes ausmacht, ist es nicht abwegig, auch in jenem
Haus auf dem Forum das „Haus des Königs“ zu sehen, in dem die
Schilde und Speere des Kriegsgottes Mars aufbewahrt wurden, welche für ihn als obersten Heerführer und Beschützer von Stadt und
Land durch ihre Funktion als prodigia von großer Bedeutung waren.
482
483
Brown 1976: 35.
Vgl. Larissa am Hermos und Pergamon.
83
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
Daß auch den anderen Götter, welche um das greifbare Gedeihen des
Landes und die Blüte des Staates in der Republik angerufen wurden,
schon in der Königszeit dort Verehrung zuteil wurde, ist nicht ausgeschlossen. Endgültig kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, daß
der oder ein König (Herrscher) in der Regia (auch nur zeitweise)
gewohnt hat. Das Gebäude selbst schließt, wie Vergleiche gezeigt
haben, nicht eo ipso aus, daß es theoretisch Wohnzwecken gedient
haben mag, doch hat diese Annahme einen stark spekulativen Charakter. Mit größerer Sicherheit kann jedoch bejaht werden, daß der
sakrale Aspekt des Gebäudes – welches als die Regia identifiziert
wird – in die Königszeit hineinreicht und in unmittelbarer Verbindung mit dem König steht. Für die Republik jedoch kann man aufgrund der Interpretation von Cass. Dio, 44, 7 mit großer Sicherheit
annehmen, daß der pontifex maximus nicht in der Regia wohnte.
Ob andererseits die „parva regia“ dem rex sacrorum als Wohnsitz diente? Nicht nur aus praktischen Gründen (die Größe der Regia
spricht dagegen) ist es unwahrscheinlich, daß der rex sacrorum mit
seiner regina dort wohnte. Allein die lebenslange Amtszeit der beiden höchsten Priesterämter läßt kaum vermuten, daß in republikanischer Zeit die (patrizische) Familie eines der Amtsinhaber in der
kleinen Regia Wohnung bezog. Auch die vielfältigen Gruppen, die
den Bau nutzten, und deren kultische Verrichtungen und Versammlungen sprechen aus Gründen der Praktikabilität (ganz abgesehen
von der Bedeutung eines sacrarium) für eine Trennung von Wohnund Amtshaus, wobei die Regia für rex sacrorum und pontifex maximus letzteres war. Grundsätzlich erscheint es also für die Republik
und die Kaiserzeit plausibel und sicher, daß der Regia ausschließlich
eine sakrale Funktion und Bedeutung zukam (in Verbindung mit den
zu erfüllenden Amtsgeschäften der einzelnen mit ihr verbundenen
Institutionen) und die Regia auch als Wohnhaus, wenn überhaupt,
dann nur zeitlich begrenzt während der etruskischen Herrschaftsphase genutzt wurde. Eine über diese Annahme hinausgehende Evidenz
gibt es dafür allerdings bislang noch nicht.
84
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
3.1 Grabung und Befund
3.1.1 Schriftliche Quellen
(Inschriften, lit. Belege)
An dieser Stelle sollen die nichtarchäologischen Quellen und Belege
zu den Gebäuden C-K (in Analogie
zur systematischen Darstellung der
Befunde und Belege der Regia in Rom
[2.1.1]) aufgezeigt werden. Inschriftliche oder literarische Quellen zur
Geschichte Athens von ca. 600 v. Chr.
bis 470/465 v. Chr. (jener ungefähren
Zeitspanne, in welcher die Gebäude
C-K in Abfolge oder parallel nebeneinander existierten) werden an anderer Stelle eingehend behandelt.
Leider sind jedoch außer den in
im folgenden Abschnitt 3.1.2 dargeAbbildung 12: Süd-West-Ecke
stellten archäologischen Befunden
der Athener Agora (6./5. Jh.)
keinerlei
Textstellen
aus
der
historiographischen, philosophischen
oder dichterischen Literatur484 oder auch Inschriftenfunde (mit direktem oder indirektem Bezug) zu den Gebäuden C-K oder dem Gelände an der süd-westlichen Ecke der Agora von Athen bekannt geworden. Quellentexte, die bei der Interpretation, Funktionszuordnung
und Benennung der Gebäude C-K behilflich sein könnten, werden
aus systematischen Gründen gleichfalls an anderer Stelle behandelt,
da diese nicht expressis verbis auf das Areal angewandt werden können und damit keine direkte Quelle sind.
484
Welche zur Geschichte Athens wiederum - wenn auch keine zeitgenössische – reichhaltiger
vorhanden sind.
85
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
3.1.2 Grabung und Befund (Gebäude C, D und F)485
Die im Jahre 1933 begonnenen, ab 1934 fortgesetzten Ausgrabungen auf
dem Gebiet der Tholos
(Sektion Βeta und Ζeta)
führten 1937 und 1938 zur
Erkundung der unter dem
Rundbau und der sich im
Norden befindlichen Gebäude (hellenistisches Metroon)
liegenden Schichten durch
Homer A. Thompson.486
Da für die Diskussion der
Funktion und Bedeutung
von Gebäude F das gesamte
Areal der späteren Tholos
und des Neuen und des Alten Bouleuterions (welches
unter dem Metroon liegt)
von Wichtigkeit ist, sollen
auch die als C, D und E
benannten Gebäude, welche
sich unter dem Alten
Bouleuterion fanden, in die
Abbildung 13: Gebäude C-K
Darstellung der Grabungsund Altes Bouleuterion
befunde mit einbezogen
werden.487 Die Befunde
wurden 1940 von der American School of Classical Studies at
Athens in der Reihe HESPERIA ediert. Auf diesen genannten Gra485
Seit einiger Zeit präsentiert die AMERICAN SCHOOL OF CLASSICAL STUDIES im Internet die
„Athenian Agora Excavations“; dort sind alte Luftaufnahmen der Ausgrabungen, Photographien, Pläne, Rekonstruktionen usw. zu finden.
http://www.agathe.gr/cgi-bin/feature?lookup=siteguide:6; Stand: 25. Juli 2007
486
Hesperia Suppl. IV: 2s.
487
Abb. 61.
86
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
bungsberichten basiert, soweit nicht anders vermerkt, die folgende
Darstellung, welche auch die bewährte Gliederung übernimmt.
3.1.2.1 Gebäude C, D und E
3.1.2.1.1 Gebäude C
Von diesem an der nördlichen Seite des Geländes gelegenen
Gebäudes wurden zunächst die Nord- und Ostwand sowie der nördliche Teil der Westwand und die innere Querwand gefunden, so daß
sich ein rechteckiges Haus mit 6,70 m [N-S] x 15,00 m [O-W]
Grundfläche und zwei Räumen von unterschiedlicher Größe rekonstruieren ließ.488 Da die Südwand z. T. durch die Nordwand des Alten Bouleuterion und eine weitere Wand des darauffolgenden hellenistischen Metroon überlagert wurde, konnte H. A. Thompson nur
vermuten, daß sich je ein Zugang zu den beiden Räumen des Gebäudes C unter den späteren Gebäudeteilen befand.489 Die Ostwand zur
Agora hin wurde verlängert, wodurch diese beiden hypothetischen,
aber doch wahrscheinlichen Zugänge, sich zu einem annähernd
rechtwinkligen Hof öffneten, welcher im Norden von Gebäude C, im
Westen von dem letzten Ausläufer des Kolonos Agoraios, im Osten
eben von dieser Wand und schließlich im Süden von Gebäude D
umgeben war.
Die Datierung von C wurde nach früheren Ausgrabungen,490 welche
die Entstehungszeit anhand von Keramikfunden in das 7. Jh. v. Chr.
legen, durch weitere Keramikfunde nach unten korrigiert:491 es wird
nun 600-575 v. Chr. als Zeitraum der Errichtung von Gebäude C
angenommen. Einige unbestimmte Zeit später, kurz nach Gebäude
F,492 scheinen Renovierungsmaßnahmen notwendig geworden zu
sein, die sich deutlich an der inneren Querwand und S-O-Ecke der
äußeren südlichen Wand zeigen. Dabei wurde auch die südliche Begrenzungsmauer des Hofes zur Agora eingerissen, welcher nun ein
um 0,70 m erhöhtes Bodenniveau erhielt, und durch eine neue er488
Hesperia Suppl. IV: 8.
Hesperia Suppl. IV: 8s.
490
Hesperia VI: 122ss.
491
Hesperia Suppl. IV: 11.
492
Hesperia Suppl. IV: 15.
489
87
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
setzt, in welcher ein kleiner Eingang mit Treppe rekonstruiert wird.
Ein Anschluß dieser Begrenzungsmauer an die von Gebäude F ausgehende und auf sie zulaufende Mauer wird angenommen.493
3.1.2.1.2 Gebäude D und E
Das wohl kurz darauf, fast parallel zu Gebäude C, gegenüber (im
Süden) errichtete kleinere Gebäude D bestand ursprünglich aus zwei
unterschiedlich großen Räumen, an welche im Westen bald nach der
Fertigstellung der ersten Räume ein weiterer kleiner angefügt wurde,
der ein geringfügig höheres Bodenniveau (0,10-0,20 m) aufwies.494
Die in einer Grube bis unterhalb des Metroons gefundene Keramik
verweist die Entstehungszeit von D in die Jahre 575–550 v. Chr.495
Vom Gebäude E ist nur die südwestliche Ecke erhalten, welche
sich gleich gegenüber nördlich des mittleren Raumes von D (also im
Hof zwischen C und D) befindet.496 Beide Gebäude, D wie E, fielen
der schon erwähnten Renovierungsmaßnahme von Gebäude C (und
Neustrukturierung des Hofes) zum Opfer.
3.1.2.1.3 Zusammenfassende Chronologie der Gebäude C, D und E
Mit Blick auf die Häuser C bis E, kann, was die Befunde aus den
Grabungen anlangt, folgende – sehr grobe – Chronologie aufgestellt
werden: Das Zwei-Zimmer-Haus C aus dem ersten Viertel des 6. Jh.
v. Chr. mit der sich anschließenden Begrenzungsmauer hin zur Agora im Osten, erhielt nicht allzu lange nach seiner Errichtung ein etwas kleineres Gegenüber im Süden mit zunächst zwei, dann drei
Räumen. Dadurch war ein mehr oder minder einheitlicher und in sich
geschlossener Gebäudekomplex geschaffen worden. Dieses Ensemble hatte ab ca. 570 v. Chr. vielleicht 20 bis 25 Jahre Bestand, bis
dann zugunsten einer Öffnung des Hofes hin zum südlich von D neu
errichteten Gebäude F das Gebäude D kurze Zeit nach 550 v. Chr.
niedergerissen wurde. Dadurch entstand ein neuer, bei weitem größerer Komplex – durch Gebäude F im Süden, C im Norden und die
493
Hesperia Suppl. IV: 15; Abb. 63.
Hesperia Suppl. IV: 12.
Hesperia Suppl. IV: 13.
496
Hesperia Suppl. IV: 12.
494
495
88
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
Mauer im Osten zur Agora hin eingefaßt –, welcher den alten ablöste.
3.1.2.2 Gebäude F (Komplex F)
Der allgemein in der Literatur als „Gebäude F“ bezeichnete
Komplex in der Südwest-Ecke der Agora wurde von den Ausgräbern
zur besseren Unterscheidung in der Chronologie der einzelnen Teile
mit verschiedenen, fortlaufenden Buchstaben von F bis K bezeichnet.
Dabei handelt es sich, allgemein gesagt, weitgehend nicht um von
„Gebäude F“ unabhängige, selbständige Gebäude (wie H als Backofen identifiziert wird, der nun sicherlich in direktem Bezug zu F und
nicht für sich alleine steht),497 sondern um Teile eines im folgenden
„Komplex F“ genannten Gesamtgebäudes. Wenn also vom „Komplex F“ die Rede ist,498 dann sind im folgenden Kapitel die gesamten
Teil-Gebäude F, G, H, I, J und K gemeint, die mit anderen Buchstaben bezeichneten „Gebäude“ als Teile davon; Einheiten ohne Buchstaben werden als Teile des größten „Gebäudes F“ jeweils als solche
benannt.
3.1.2.2.1 Lage, Erhaltungszustand und Plan
Der ganze Komplex F liegt, wie schon erwähnt, an (auf) der
äußersten süd-westlichen Ecke der Agora am Abhang des Kolonos
Agoraios.499 An dieser Ecke treffen zum einen die Straße, welche zu
(oder von) dem Areopag und der Pnyx führt, und jene zusammen, die
entlang von F weiter dem Abhang des Kolonos Agoraios nach SüdWesten folgt.
In späterer Zeit wurde der Westteil (Gebäude H und I und der
sog. „Küchentrakt“ von Gebäude F) durch die Tholos überbaut,500
wodurch eine extensive Ausgrabung in diesem Bereich nur zu deren
Lasten gehen würde. So wurden lediglich vier schmale Schnitte
durch den Boden der Tholos und weitere Tunnel von der Seite her zu
497
Hesperia Suppl. IV: 18.
In Assoziation zu Hesperia Suppl. IV: 42.
499
Durch den Fund von Grenzsteinen (4ροι) wird der Komplex F als innerhalb der Agora
gelegen angesehen.
500
Das Niveau der Tholos liegt etwa 0,80 m über dem des Komplexes F (Hesperia Suppl. IV:
15.).
498
89
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
dem Gebiet gegraben, um diesen Bereich zu erkunden.501 Während
Gebäude K im Südwesten und der große Hof mit den angrenzenden
Räumlichkeiten (= Gebäude F) noch z. T. von der Tholos überlagert
werden, ist das Gebäude J nicht davon berührt.
Der Komplex F selbst mit einer W-O-Ausdehnung von 27,00 m
und an der breitesten Stelle in N-S-Richtung von 18,50 m502 wird
dominiert von einem großen Hof, in welchem jeweils sieben Säulen
an der Nord- und an der Südseite rekonstruiert werden. Gefunden
haben sich davon lediglich zwei Basen an der östlichen Schmalseite,
zwei weitere und der Abdruck einer fünften an der Südseite, dazu
eine an der Nordseite.503 Um diesen Hof herum gruppierten sich im
Norden vier aneinanderliegende Räume, im Süden davon drei weitere, wobei sich die Haupträume wohl direkt zum Hof hin öffneten.504
An die Westwand des großen Hofes grenzten (eine Verbindung
zwischen beiden Bereichen kann aufgrund der Überbauung durch die
nachfolgende Tholos nicht mehr ausgemacht, sollte aber als plausibel
angenommen werden),505 mehrere Räume, die sich um einen weiteren, deutlich kleineren Hof („Küchenhof“)506 gruppierten, in dem
eine Säulenbasis gefunden wurde.507 Die Ostwand setzte sich nach
Norden auf das Gebäude D hin als östliche Begrenzung eines Hofes
zur Agora fort.508 Eine mit „G“ bezeichnete Konstruktion – ein rechter Winkel aus Mauerwerk, der in der Ecke der Nordwand von F und
der östlichen Begrenzungsmauer zur Agora einen kleinen abgeschlossenen Raum beschreibt, wird als offenkundiges Propylon angesehen, wenn auch von einfacher Machart.
Von H, vermutlich einem Backofen etwas süd-westlich vom
„Küchenhof“ und im Westen von Gebäude F, ist schon die Rede
501
Hesperia Suppl. IV: 15.
Hesperia Suppl. IV: 18.
Hesperia Suppl. IV: 17. Abb. 60.
504
Hesperia Suppl. IV: 18.
505
Hesperia Suppl. IV: 18.
506
Hesperia Suppl. IV: 23.
507
Hesperia Suppl. IV: 17.
508
Hesperia Suppl. IV: 15 und 18.
502
503
90
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
gewesen.509 Das annähernd quadratische510 Gebäude im Süden des
„Küchenhofs“, setzt eine gedachte Linie der südlich des Hofes von F
liegenden Räumlichkeiten fort, ohne diese zu berühren, und paßt sich
harmonisch in die vom „Küchenhof“ und Gebäude F nach Norden
und Osten eingefaßte Ecke ein. Diese Ecke wird im Süden von J
abgeschlossen und von K (angelehnt an J) im Süd-Westen nur noch
„halbherzig“ nach Westen begrenzt.511 Ein Gang zwischen den Gebäuden F und I (von I ausgehend), der entlang der Südfassade des
Komplexes F weiter verläuft und der fast schon zu einem eigenen
Raum an der Südfassade mutiert, wurde von je einer Türkonstruktion
an beiden Enden abgeschlossen.512 Dieser Gang wurde durch die
spätere Erweiterung des Komplexes F an dessen Südseite (durch J)
überbaut, resp. wesentlich verschmälert, wobei eine Tür zwischen I
und J am Westende dieses Ganges eingefügt wurde. Die Räumlichkeiten J bestehen aus zwei Teilen mit einem großen, fast rechteckigen Raum (welcher den niedergelegten Raum an der Südwand von F
fast überdeckt und so ersetzt), der sich mit zwei Säulen zum genannten Gang auf die Südwand von Gebäude F öffnet. Eine Gruppe von
kleineren Zimmern sammelt sich westlich davon um ein kleines Eingangsvestibül.513 Die beiden annähernd gleich großen Gebäudeteile
werden durch eine Tür getrennt, die die Hauptzwischenwand von J
zu I nach Norden hin verlängert. Der in der äußeren süd-westlichen
Ecke des Komplexes F, zwischen J und der Mauer des wiederbelebten Friedhofes gelegene Raum K nutzt den noch vorhandenen
Platz514 aus. Seine Nutzung konnte aber, wie bei den anderen Teilen I
und J, bislang nicht eruiert werden.
509
Hesperia Suppl. IV: 18.
Durch Überlagerungen durch späteres Mauerwerk läßt sich eine genaue Ausdehnung nicht
genau bestimmen. (Hesperia Suppl. IV: 33.)
511
Hesperia Suppl. IV: 33.
512
Hesperia Suppl. IV: 33.
513
Hesperia Suppl. IV: 34.
514
Hesperia Suppl. IV: 38s.
510
91
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
3.1.2.2.2 Das Gebäude F515
Abbildung 14: Gebäude F
3.1.2.2.2.1 Der Südteil des Hofes und der Südflügel
Ausgehend von den schon erwähnten Säulenbasen, die in situ
erhalten sind,516 läßt sich, nach Aussage des Grabungsberichtes, die
südliche Säulenreihe des Hofes recht genau rekonstruieren. Während
das Interkolumnium vor dem mittleren Raum des Südflügels ca.
2,15 m beträgt, lassen sich die weiteren anhand der beiden aufgefundenen östlichsten Basen mit rund 1,89 m angeben,517 womit die südliche Reihe aus sieben Säulen bestünde. Die wahrscheinlich zu späte515
Abb. 14.
Hesperia Suppl. IV: 17 und 20.
517
Hesperia Suppl. IV: 20.
516
92
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
rer Zeit in dieser Phase von Gebäude F als Pflasterung vor den beiden westlichen Räumen des Südflügels verlegten unregelmäßigen
Platten aus bläulichem, schieferartigem Stein sind noch in einer Reihe auf der Linie der Säulenbasen vor den Eingängen zu den Zimmern
erhalten; der ursprünglichere Bodenbelag findet sich dazwischen:
fester Sandboden.518 Zwischen den Zugängen zu den beiden genannten Räumen ragt ein Mauervorsprung bis knapp vor die Säulenreihe
hervor. Er gehört wohl zur allerersten Phase.
Alle Räume des Südflügels (wie im übrigen auch die des Nordflügels) führen auf den großen Hof hinaus. Der mittlere und größte
Raum im Südflügel ist wahrscheinlich auch der Hauptraum (S2) des
gesamten Hauses mit zwei weiteren Zugängen zu den beiden Räumen auf der rechten und auf der linken Seite.519 Der (Ost-)Raum zur
Rechten des Hauptraumes (S3), von dem außer den flachen Fundament-Gräben nur Mauerreste im Westen und Norden erhalten sind,
kragt erstaunlicherweise über die bisherige Begrenzung der Fassade
etwas nach Osten hinaus. Dies wird damit begründet, daß der Untergrund an dieser Stelle den Baumeistern wohl zu viel Widerstand bot
und deswegen ein „Umweg“ in der Mauerführung das Problem löste.
Der Raum zur Linken des Hauptraumes (S1) wäre in seiner Grundfläche beinahe quadratisch, wenn nicht die Ecke der West- und der
Nordwand sind spornartig nach Nordwesten verschieben würde. Die
Ausgräber vermuten in dieser Wand, die durch die Tholos und eine
mittelalterliche Grube stark zerstört ist, einen Zugang zum „Küchentrakt“, der so eine Verbindung zwischen den Räumlichkeiten um den
großen Hof und diesem Trakt schaffen würde. Dadurch mutiert der
Raum S1 zu einem Durchgangs- und „Service“-Raum, die Tür zwischen ihm und dem Hauptraum wird zu einer „Service“-Tür.520 Doch
diese Bezeichnungen implizieren schon eine Deutung des Gesamtensembles, auf die aber an dieser Stelle noch nicht eingegangen werden
soll.
518
Hesperia Suppl. IV: 20.
Hesperia Suppl. IV: 22.
520
Hesperia Suppl. IV: 22.
519
93
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
3.1.2.2.2.2 Der Nordteil des Hofes und der Nordflügel
Im Ausgrabungsbericht521 wird konzediert, daß die Rekonstruktion einer nördlichen Säulenfront mit Überdachung eher spekulativ,
aber nichtsdestoweniger plausibel erscheint, wenn man zum einen
den Wunsch nach Symmetrie, zum anderen den nach Schutz vor der
im Süden stehenden Sonne in Betracht zieht.522 Die beiden vorhandenen (Säulen-)Basen werden um fünf weitere ergänzt (um wieder
die Gesamtzahl von sieben zu erhalten), so daß sich auch hier ein
Interkolumnium von 1,86 m ergibt. Die Vorhallen des Süd- und des
Nordflügels werden also symmetrisch rekonstruiert: Der Abstand
zwischen Wand und Säule wurde von den Bauherren mit fast durchgehend ca. 7 Fuß (~ 2,10 m) eingehalten, wie auch das Interkolumnium mit seinen 1,86 m ca. 6 Fuß ausmacht. Entsprechend dem Interkolumnium an der Ostseite (ca. 6 Fuß) wird auch dort eine Überdachung angenommen, allerdings nicht an der Westseite, wo sich, außer an den Ecken, keinerlei Baseneindrücke erhalten haben und ergo
auch nicht vermutet werden.523
Der Nordflügel besteht aus einer Serie von drei etwa gleich großen
(oder kleinen), aneinandergereihten Räumen (N1-N3) und einem
großen Raum (N4) im Westen. N1 öffnet sich nur nach Norden zum
Platz auf Gebäude C hin, N3 bleibt ohne näheren Charakterzug, eine
Öffnung geht auf den großen Hof hinaus. N2 hingegen läßt sich,
obwohl sich keine Türschwellen nachweisen ließen, als Durchgangsund Eingangsraum annehmen. Der größte Raum des Nordflügels
(N4) schließlich hatte seinen Eingang vom Hof her (zwingend aufgrund der Höhe der erhaltenen Reste der Westwand des Raumes, die
keine Tür zuläßt); eine Aussage zu seiner Bestimmung läßt sich allerdings nicht treffen, da keine weiteren Funde gemacht wurden.524
521
Hesperia Suppl. IV: 20.
Hesperia Suppl. IV: 20.
Hesperia Suppl. IV: 20s.
524
Hesperia Suppl. IV: 21.
522
523
94
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
3.1.2.2.2.3 Der sog. „Küchentrakt“
Um den bislang der Einfachheit halber, aber quasi suggestiv so
genannten „Küchenhof“ gruppieren sich mehrere Räume und Kammern. In der Mitte des Eingangs zur sog. Küche hat sich eine einzelne Säulenbasis (∅ = 0,36 m) für eine Holzsäule erhalten, wie auch
eine kleine Wand ihr gegenüber, um die man an deren West- und
Ostseite herumgehen konnte. Zwei Kanäle aus den gleichen Terrakotta-Teilen führen von der Süd-Ost-Ecke des Küchenhofes zur südlichen Straße: einer der beiden Kanäle, der offensichtlich im Rahmen
der Errichtung von Gebäude J außer Betrieb genommen wurde, führt
auf dem direkten und damit kürzesten Wege zur Straße, der andere,
später, nach oder zusammen mit J errichtete Kanal führt um diese
Gebäude herum. Da diese Kanäle gedeckt waren, wird vermutet, daß
es sich um Abwasser-Kanäle aus dem Küchenbereich handelt.525 Für
die Zuleitung von Wasser finden sich zwei Brunnen, der frühere
südlich, der später angelegte westlich von H, den Fundamenten des
„Backofens“.526 Der erste Brunnen war ein einfacher Einschnitt von
ca. 10,20 m Tiefe in den gewachsenen Felsen, doch bald waren einige Felsbrocken hineingestürzt und begruben die wenige vorhandene
Keramik, die hineingeworfen worden war, unter sich. Bei der zweiten Brunnenkonstruktion lernte man daraus und verkleidete den
9,30 m tiefen Schacht mit unregelmäßig behauenen Randsteinen.
Hier waren die Keramikfunde so reichlich, weil der Brunnen lange in
Betrieb war: Die unterschiedlichsten Tongefäße und Tongegenstände, darunter 170 glasierte wie unglasierte Krüge zum Wasserschöpfen,527 die als Abfall hineingeworfen worden waren, füllten den
Brunnen über 3,0 m hoch. Die anderen 6,0 m wurden mit flachen
Mühlsteinen, beim Bau zerbrochenen Tholos-Teilen, Erde und anderem aufgefüllt, als man am Bau der Tholos war.
Im Norden des Küchenbezirkes, durch einen Gang erreichbar,
waren zwei Feuergruben angelegt worden, zunächst nur eine von ca.
525
Hesperia Suppl. IV: 24.
Hesperia Suppl. IV: 25.
527
Hesperia Suppl. IV: 25.
526
95
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
6,75 m Länge, dann, wohl aufgrund erhöhten Bedarfes, eine zweite –
beide gedacht zur Zubereitung von Fleisch auf dem Rost.528
3.1.2.3 Das runde Poros-Monument
Ein etwas eigenartiges Gebilde, welches noch der sicheren Zuordnung seiner Verwendung harrt,529 steht in der Ecke des Ganges,
der zwischen den Gebäuden I und J verläuft.
Das aufgrund seiner Form und des Materials, aus dem es hergestellt wurde, schlicht das „runde Poros-Monument“ genannte Stück
besteht aus einer unteren Trommel von konischer Form aus braunem
Poros, mit oberem Durchmesser von 0,71 m, einem unterem Durchmesser von ca. 0,80 m und einer Höhe von 0,56 m; sowie aus einer
oberen Trommel aus grauem Poros (∅ = 0,62 m, Höhe = 0,26 m),
die 10 cm über der unteren Trommel mittels eines 23 cm hohen, sich
verjüngenden Pflockes auf dieser aufliegt. Aufgrund des Erhaltungszustandes ist zu vermuten, daß dieses Gebilde entweder längere Zeit
unter einem Schutzdach aufgestellt oder nur von kurzer Lebensdauer
war. Ursprünglich war wohl nur die untere Trommel mit dem hochstehenden Zapfen in Gebrauch,530 die obere Trommel wurde bei der
Erbauung der Tholos und dessen Bezirk als wiederbelebende Maßnahme aufgesetzt. Da das Monument möglicherweise noch in den
Tagen der Tholos in Gebrauch war, wird an einen kleinen Altar zur
Darbringung von Opfern oder Trankspenden gedacht,531 was aber,
wie eingangs gesagt, nicht sicher ist, da jegliche Beweise fehlen.
3.1.2.4 Veränderungen am Plan des Komplexes F532
Der Bau des Alten Bouleuterions und der großen Wasserleitung
auf der Agora von Athen brachte einige bauliche Veränderungen für
das Gebäude F mit sich: Um einen größeren Vorplatz für das Alte
Bouleuterion zu schaffen, wurde der komplette Nordflügel des Gebäudes niedergelegt, mit dem Aushubmaterial, das beim Bau der
Wasserleitung anfiel, aufgefüllt und mit Splittern bedeckt, die bei der
528
Hesperia Suppl. IV: 26s.
Hesperia Suppl. IV: 39s.
530
Hesperia Suppl. IV: 40.
531
Hesperia Suppl. IV: 40.
532
Abb. 64.
529
96
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
Errichtung des Bouleuterions abfielen. 533 Die Säulenreihe im Norden
des Hofes wurde entfernt. Quasi zum „Ausgleich“ – wohl, weil man
den Platz benötigte, der durch die Abtragung des Nordflügels fehlte
– wurde das Gebäude J errichtet. Wenige Zeit später erfuhr auch der
Südflügel eine bedeutende Veränderung, allerdings wohl aufgrund
nicht geplanter Zerstörung. Die Südwand wurde schwer beschädigt
und mit Material der Nordwand wieder aufgerichtet, wie auch beim
übrigen Wiederaufbau altes Material zur Verwendung kam. Zudem
wurde eine Wand von Norden nach Süden über den Resten des großen Hauptraumes S2 eingezogen, so daß der neue Raum nun die
ganze Länge von der südlichen Säulenstellung bis zur Südwand einnahm. Von dieser Wand aus gehen weitere Wandfragmente in den
Hof hinein, die aber wohl nur begonnen und nicht zu Ende geführt
wurden.534 Auch der Küchentrakt und H wurden von den Zerstörungen und Baumaßnahmen betroffen, H wurde wohl während der Errichtung des Südflügels von F niedergelegt.535
3.1.2.5 Zusammenfassende Chronologie des Komplexes F
Die Reste von Keramik, die unter und zwischen dem Fußboden
von Gebäude F gefunden wurden, lassen eine Datierung des Gebäudes auf das mittlere 6. Jh. v. Chr. zu, möglicherweise ein paar Jahre
später, da F wohl nach D errichtet worden ist. Die Funde in den
Brunnen im Küchentrakt lassen auf eine Verwendung des älteren der
beiden von der Mitte über das letzte Drittel bis zum Ende des Jahrhunderts schließen.536 Die Keramik, die ganz oben gefunden wurde,
kann im Typ mit jener verglichen werden, die im Zusammenhang
mit der Zerstörung durch die Perser gesehen wird. Diese Waren sind
also wohl mit den Aufräumungsarbeiten nach der Zerstörung Athens
dort hinein geworfen worden. Jene Keramik, die in den zweiten,
jüngeren Brunnen geworfen worden ist, läßt sich chronologisch gut
zuordnen. Sie stammt aus der Zeit vom Ende des 6. Jh.s v. Chr. bis
zum 1. Viertel des 5. Jh.s v. Chr.; aufgrund von Vergleichen läßt sich
533
Hesperia Suppl. IV: 27s.
Hesperia Suppl. IV: 28.
Hesperia Suppl. IV: 28.
536
Hesperia Suppl. IV: 28.
534
535
97
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
die Chronologie der Fundstücke, die aus den unteren zwei Dritteln
des Brunnens geborgen wurden, auf kurz vor 490 v. Chr. bis kurz
nach 480 n. Chr. eingrenzen. Der Brunnen scheint also auch während
der Zeit der persischen Belagerung in Benutzung gewesen zu sein.537
Das letzte Drittel der Brunnenfüllung gab Unterschiedlichstes frei,
zuoberst wurden zerbrochene Teile des Daches der Tholos gefunden.
Bei H und K wurden noch Ostraka u. a. unter Steinen in H und K
gefunden, die in den Zusammenhang mit der Ostrakophoria von 482
v. Chr.538 gebracht werden.539
Damit kann folgende Chronologie für den Komplex F aufgestellt
werden: Gebäude F (mit Nord- und Südflügel) und I wurden in annähernd gleicher Zeit errichtet, also kurz nach der Mitte des 6. Jh.s v.
Chr., zusammen mit dem Küchenkomplex, dessen erster Brunnen bis
zum Ende des Jahrhunderts, dessen zweiter Brunnen bis kurz nach
480 v. Chr. in Verwendung war. In der Zeit zwischen 510 und 500 v.
Chr. wurde durch den Abriß des Nordflügels, mit dem der nördlichen
Säulenreihe des Hofes einhergehend, ein größerer Vorplatz für das
Alte Bouleuterion geschaffen und dann, oder auch gleichzeitig, J
errichtet, kurz darauf auch K. Die möglicherweise durch den Persersturm verursachte Zerstörungen am Südflügel540 wurden mit dem
noch vorhandenen Baumaterial nach dem Abzug der Besatzer behoben; eine Neuaufteilung der Räumlichkeiten des Südflügels trat anstelle des alten Plans. H und K, die ebenfalls zerstört worden waren,
wurden bald wieder errichtet. Dieses Ensemble blieb bis zur Errichtung der Tholos bestehen, die über das nördliche Areal des Komplexes F gebaut wurde.541
537
Hesperia Suppl. IV: 30s.
Bei der Aristeides ostrakisiert wurde.
539
Hesperia Suppl. IV: 32s.
540
Hesperia Suppl. IV: 33.
541
Abb. 64.
538
98
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
3.2 Die bauliche Entwicklung des süd-westlichen Areals auf der
Agora im historischen Kontext der Geschichte Athens im 6. und
frühen 5. Jh. v. Chr.
Die Agrarkrise des ausgehenden 7. und beginnenden 6. Jh. in
Attika, welche durch Ausdehnung des Großgrundbesitzes und die
Leibeigenschaft verschuldeter Bauern ausgelöst worden war, führte
in den Jahren 594/3 v. Chr. zur Verfassungsreform und Gesetzgebung des Archon Solon. Durch Aufhebung der Leibeigenschaft und
Befreiung der Bauern durch Tilgung ihrer Hypotheken (σεισχθεια)
wurden die ersten Spannungen gelöst, der radikalen Forderung des
Volkes nach einer Neuverteilung des Bodens kam Solon aber nicht
nach. Statt dessen wurde die Aristokratie durch Gliederung des Volkes in 4 Einkommensklassen (Pentakosiomedimnen, Hippeis, Zeugiten, Theten) nach Schätzung des Bodenertrags (τ/µηµα) eingeschränkt (Timokratie), und neben den Archonten und dem Rat vom
Areiopag ein Volksrat (βουλ') mit 400 Mitgliedern, ein Volksgericht
(Gλιαα) und die Volksversammlung (κκλησα) eingerichtet.542
Zwar waren damit die Spannungen nicht gänzlich behoben. Der
größte Teil der Gesetzgebung, der fast alle Lebensbereiche erfaßte,
erlangte jedoch Geltung auf Jahrhunderte. Diese Geltung war nach
der Einführung der Gesetze vom Volk beeidet worden: Man wolle
nur Änderungen vornehmen, nachdem man Solon gefragt habe. Solon verließ Athen nach Beendigung seines Werkes, und bald darauf
(582-580) wird Damasias in Athen gesetzwidrig mehrmals Archon,
innenpolitische Wirren nach zeitweiliger Aussetzung der Archontenwahl folgen, an denen sich Großgrundbesitzer des Binnenlandes
(Pediaker), Bauern des Küstengebietes (Paralier) unter Führung der
Alkmaioniden und Gebirgsbewohner (Hyperakrier) unter Peisistratos, der hier zum ersten Mal die politische Bühne betritt, beteiligen.
Für diese nun summarisch behandelte Zeit von ca. 20 bis 25 Jahren
wird die Errichtung der Gebäude C und D angenommen, wobei Ge-
542
Die Mitglieder der ekklesia waren wohl nahezu aufgrund der geforderten Qualifikationen
der Laienrichter (Mindestalter 30 Jahre und vereidigt) mit denen der solonischen heliaia identisch.
99
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
bäude D zeitlich etwas später angesetzt wird, also an den Bau von D
auch noch bis kurz nach 575 v. Chr. zu denken ist.
Im Jahr 566 erfolgt dann die Stiftung, resp. Neuordnung der alle
4 Jahre stattfindenden (Großen) Panathenäen unter dem Archon Hypokleides aus der Familie der Philaiden.543 Fünf Jahre später, 561/60,
erringt Peisistratos nach der Bewaffnung seiner Anhänger in Athen
erstmalig die Alleinherrschaft. Seine politischen Gegner, aristokratische Familien, verlassen unter dem Philaiden Milthiades Athen und
ziehen nach dem Hellespont. Schon wenige Jahre später, 556/55,
wird Peisistratos gestürzt, er entkommt nach Eretria. Mit einer
Gefolgschaft von Söldnern aus Thessalien und Thrakien, die er mit
dem Ertrag seiner Goldbergwerke im Pangaion-Gebirge bezahlt,
siegt er 546/45 über seine Gegner bei Pallene, nordöstlich von Athen.
Peisistratos zieht in Athen ein, die Alkmaioniden gehen nach Delphi
und Sparta in die Emigration.
In dieser Zeitspanne, zwischen dem Sturz des Peisistratos und
den ersten Jahren nach seiner Rückkehr nach Athen, ist der Baubeginn von F anzusetzen, wobei Gebäude I womöglich einige kurze
Jahre zuvor schon errichtet worden ist. Daneben spiegeln die „Errichtung eines Altars für die 12 Götter [auf der Agora] sowie der Bau
eines Aquädukts und eines Brunnenhauses [...] das Interesse der Peisistratiden an diesem Areal“544 wider. 527 stirbt Peisistratos, ohne
nochmals vertrieben worden zu sein, als Tyrann von Athen. Nachfolger sind seine beiden Söhne, Hippias und Hipparchos. Peisistratos
der Jüngere, Sohn des Hipparch, übernimmt einmal das Archontenamt. 519 verbündet sich Plataiai mit Athen zum Schutz gegen
Theben. 514 dann wird Hipparchos bei den Panathenäen von Harmodios und Aristogeiton aus Privatrache ermordet, was zu einer
Zwingherrschaft des mißtrauisch gewordenen Hippias über Athen
führt. Die Alkmaioniden in Attika unternehmen erstmals 512 einen
gescheiterten Versuch, die Herrschaft in Athen wieder an sich zu
reißen. Zwei Jahre später, 510, gelingt ein erneuter Versuch; die
Spartaner unter König Kleomenes I. unterstützen die (u. a. nach
Sparta! – s. o.) emigrierten Alkmaioniden und vertreiben Hippias,
543
544
Vgl. Parke 1987.
Camp 1989: 42.
100
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
der nach Sigeion, später nach Persien geht. Dieses Jahr 510 v. Chr.
ist der terminus ante quem, zu dem angenommen wird, daß Gebäude
D niedergelegt und die Verbindungsmauer zwischen C und F mit
dem Tor G ein geschlossenes Gebiet umgrenzen. Zwischen 510 und
508/7 kommt es dann zu Machtkämpfen zwischen Isagoras und dem
Alkmaioniden Kleisthenes, in deren Verlauf die Spartaner zur Unterstützung von Isagoras nochmals nach Athen ziehen. Kleisthenes setzt
sich jedoch endgültig durch und kann seine Reformpläne verwirklichen. Jeder Gebietsteil athenischen Staatsgebietes (Stadt, Umland
und Küste) war in zehn organisatorische Einheiten gegliedert und das
ganze Gebiet dann neu zusammengesetzt worden, so daß sich zehn
neue Teile, aus je einem Teil Stadt, einem Teil Umland und einem
Teil Küste (jeweils Trittys genannt) formierten. Diese zehn neu geschaffenen sog. Phylen entsandten jeweils 50 Mitglieder aus ihren
Reihen in die Ratsversammlung (Boule). So war die alte solonische
Boule um 100 Mitglieder auf insgesamt 500 Ratsherren angewachsen. Die kleisthenischen Reformen machten durch die Neuordnung
der Entsendung von Vertretern in die Ratsversammlung einen Neubau notwendig, welcher dann bis zur Wende vom 6. zum 5. Jh. v.
Chr. im sog. „Altes Bouleuterion“ auf dem Gelände der früheren
Gebäude C und D gebaut wurde. Um einen geräumigeren Vorplatz
zu schaffen, wurde der Nordflügel eingerissen, die Säulenvorhalle im
Norden niedergelegt und mit Gebäude J im Süden ein Ersatz (?) geschaffen, der auch in den Zu- und Abwasserleitungen des Küchentraktes seine Auswirkungen zeigt.
Für die Zeit der Perserkriege lassen sich an den Gebäuden (nunmehr
F bis K) keine Änderungen nachweisen, bis dann im sog. „Persersturm“ 480/79 v. Chr.545 vor allem F stark in Mitleidenschaft gezogen worden ist.546 Der Südflügel wurde sehr schnell wieder mit vorhandenem Material aufgebaut und dabei komplett umgestaltet, so
daß das Gebäude F weiterhin bis zur Errichtung der Tholos um
470/65 unter Kimon (476-463) Bestand hatte.
545
Aus Platzmangel wird auf eine Darstellung der Ereignisse, die vor und während der Kämpfe
zwischen Griechen und Persern stattfanden, verzichtet.
546
Hesperia Suppl. IV: 33.
101
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
3.3 Funktion und Bedeutung des Gebäudes F auf der Agora
Im Gegensatz zur Regia fehlen jegliche Hinweise, sei es aus den
archäologischen Befunden oder den Schriftquellen, wer und zu welchem Zweck das Gebäude F auf der Agora gebaut und/oder genutzt
hat oder haben könnte. Die Diskussion um die Funktion und die Eigentümer des Gebäudes F stützt sich also ausschließlich auf Argumente, die beim derzeitigen Stand der Erkenntnisse nur eine größere
oder mindere Plausibilität für sich beanspruchen können. Daß Peisistratos der Agora wohl seine besondere Aufmerksamkeit schenkte
und diese sich unter seiner Herrschaft und unter der seiner Söhne bis
zur Vertreibung seines Sohnes Hippias zum Zentrum der Stadt Athen
entwickelte, ist allgemein untersucht und anerkannt worden547 – zumal Bauprojekte von und unter einem Tyrannen auch Teil eines
„Wettbewerbs“ um Ansehen unter den griechischen Tyrannen waren.548 Das anhaltende Interesse an Peisistratos‘ Tyrannis549 schlägt
sich auch in der Interpretation des Gebäudes F nieder: Keine Arbeit
zu Peisistratos und seiner Zeit, welche sich nicht mit der Frage auseinandersetzt, ob es sich bei Gebäude F um das Haus des Tyrannen
und seiner Familie gehandelt haben mag. Mangels neuer Erkenntnisse schlagen die Autoren sich dabei entweder auf die Seite der Befürworter oder auf die Seite derer, die eine solche These kategorisch
zurückweisen, legen also eine Art Glaubensbekenntnis ab. So darf
man mit Fug und Recht behaupten, daß die Diskussion um Gebäude
F in der Hauptsache eine Diskussion um Gebäude F als Sitz des Peisistratos und seiner Familie ist. Alle Hypothesen sind schlußendlich
Argumente für oder gegen eine Nutzung von Gebäude F durch Peisistratos.
Es erzeugt zugegebenermaßen einen ehrfürchtigen Schauer,
Wohn- und Wirkungsstätte eines großen Mannes der athenischen
Geschichte zu kennen, ähnlich wie man Achill und Hektor auch wissenschaftlich greifbar vor Troia kämpfen sehen möchte („Und die
Ilias hat doch recht!“). Die vornehm skeptische Zurückhaltung, die
547
Martin 1951: 255ss., Boersma 1970, Shear 1978, Young 1980, Shapiro 1989, et al.
Young 1980, Camp 1989: 46, Kolb 1977: 112.
549
Sancisi-Weerdenburg 2000.
548
102
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
mit Unbehagen kindlichen Enthusiasmus als unwissenschaftlich,
weil vielleicht zu einfach, brandmarkt (den Ruch Schliemannschen
Dilettantismus‘ in der Nase), ist ebenso einleuchtend. Da aber bislang der entscheidende Hinweis fehlt, der der einen oder anderen
Theorie den Boden entzieht, bleiben letztendlich nur Vermutungen,
oder positiver gesagt: Plausibilitätsanalysen ohne Anspruch, die
Wirklichkeit abzubilden.
3.3.1 Gebäude F als Wirtschaftshaus
Bevor das Für und Wider des Verhältnisses von Gebäude F und
Peisistratos diskutiert werden soll, muß man „eine bisher kaum beachtete Überlegung Oskar Broneers[550] aufgreifen“, „zu deren Gunsten [...] weitere Argumente“ Frank Börner551 anführt. O. Broneer
sieht (bzw. sah 1941) in Gebäude F mit seinem „zufälligen Grundriß“552 ein Haus, das „private commercial enterprise“ diente und
verwies auf die kleinen Bauten des Töpferviertels, „vergleichbar der
Bebauung im Viertel der Marmorarbeiter südwestlich der Athener
Agora“.553 Durch Vergleiche mit Bau II und Bau III, ausgegraben
unter der Südstoa der Agora von Korinth,554 welche vage mit einer
Nutzung durch Handwerker555 in Verbindung gebracht werden können, meint Frank Börner, auch wenn er den Grundriß von Gebäude F
als eher „großzügig“ und „gegliedert“556 interpretiert, daß in den
„Eigenschaften eines Wohnhauses und in der Lage im Bereich eines
älteren Handwerkerviertels“557 an eine ähnliche Bestimmung für
Gebäude F zu denken wäre, u. a. „als Vorgänger der Tholos zur Aufbewahrung der Maße und Gewichte und möglicherweise auch als
Sitz der dafür zuständigen Beamten“.558 Und „einige seiner Räume
oder Höfe könnten als Lagerraum für öffentliche Vorräte – z. B. für
solche, die für die Versorgung der Gemeinschaft bestimmt waren,
550
O. Broneer, AJA 45,1941: 128.
Börner 1995: 38.
552
Börner 1995: 38.
553
Börner 1995: 39.
554
Börner 1995: 39.
555
Börner 1995: 40s.
556
Börner 1995: 39.
557
Börner 1995: 42.
558
Börner 1995: 43.
551
103
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
wie Importgetreide, oder das vorrangige attische Tauschmittel, Silber
aus Laureion – , und Gastgeschenke gedient haben: Eine frühe Form
des Handels bestand ja auch im Austausch von Geschenken.“ 559
Diese Theorie hat bislang kaum Freunde560 gefunden, zumal
zwar zum einen der private Charakter und die entsprechende Nutzung von F durch die Nähe zum südlichen Handwerkerviertel begründet wird, andererseits die Nutzung der Tholos (sicher kein privates Gebäude) auf Gebäude F zurückverweist und dieses nun doch
wieder öffentlich-staatlich genutzt worden sein soll. Daß die südliche
Agora von Privathäusern und Handwerkerbauten geräumt wurde,561
also das Private zurückgedrängt wurde, um der Repräsentation Platz
zu machen, spricht zwar für die quasi öffentlich-staatliche Variante,
andererseits ist eine vermutete Lagerung von „Importgetreide“ oder
Vorräten in Gebäude F – an einer so exponierten Lage – doch sehr
schwer zu begründen, wie auch die (zeitweilige) Nutzung der dem
Gebäude F nachfolgenden Tholos zur Getreidelagerung.562 Wenn
man dazu bedenkt, daß das Innere der Tholos durch eine kreisrunde
Öffnung in der Mitte des schirmartigen Daches beleuchtet wurde
(wie einhellig rekonstruiert wird) ist fraglich, wie ernsthaft die Nutzung der Tholos als Getreidelagerstätte bedacht werden muß.
Eine ähnliche These hat kürzlich John K. Papadopoulos vertreten;563
er sieht im Grundriß von Gebäude F die Werkstatt eines
Töpfers, und interpretiert den zentralen Innenhof als Annex („leanon“) und bzw. oder als Speicher („shed“).
559
Börner 1995: 43s.
Nur S. Miller (1978: 62) verweist auf diese These, ohne sie aber näher zu diskutieren.
561
Shear 1978: 4, Shapiro 1989: 5 und Camp 1989: 46.
562
Börner 1995: 43s., dort Anm. 123.
563
Papadopoulos 2003: 296. Andererseits hält er es für möglich, daß Gebäude F „with the
Regia in mind“ erbaut worden sein könnte [Papadopoulos 2003: 296, dort Anm. 142]; der
terminus ante quem – kurz nach 550 v. Chr. – verweist auf Regia 4 als mögliches Vorbild für
Gebäude F, ein Grundriß, der keine Ähnlichkeiten mit dem Athener Bau aufweist. Wahrscheinlich hatte John Papadopoulos selbst den Grundriß der Bauphase(n) Regia 5ff. (seit Anfang des
5. Jh) vor Augen, allerdings stand da schon Gebäude F rund ein halbes Jahrhundert, was
chronologisch einleuchtend Gebäude F zum Vorbild der Regia (5ff.) macht – und nicht
umgekehrt (vgl. a. 4.1 Baulicher Vergleich).
560
104
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
So wenig plausibel es klingt, sich Gebäude F – und die Tholos –als
Lagerhäuser oder Werkstätten vorzustellen, werde ich im Abschnitt
4 (Vergleich von Regia und Gebäude F) diese Aspekte, wenn auch
von einer anderen Seite her, nochmals zur Sprache bringen.
3.3.2 Peisistratos, Athen, Akropolis und Agora
Wer war Peisistratos (ca. 600-528/27 v. Chr.)? Ein machtbewußter Aufsteiger, der nach mehreren Anläufen die Alleinherrschaft in
Athen errang, damit die Vorrangstellung der Aristokraten (v. a. der
Alkmaioniden) brach und zur Sicherung seines Herrschaftsanspruches und auch zu seiner eigenen Sicherheit auf der Burg residierte,
umgeben von durch eine List ihm zugestandenen Leibwächtern,564
und das Volk niederhielt565? Oder der Volksfreund, dem das Wohlergehen des einfachen Bürgers am Herzen lag und mit Vernunft und
Weisheit unter ihnen herrschte und wohnte?
Welchem Areal schenkte Peisistratos die Aufmerksamkeit seiner
Baupolitik – wenn er denn überhaupt eine hatte?566 Der Agora oder
der Akropolis? Für beide Gebiete lassen sich nach Aussage der Forschung überhaupt keine nennenswerten Bautätigkeiten nachweisen,
die auf eine direkte Initiative des Peisistratos zurückzuführen sind.
Dies ist die Schlußfolgerung aus der erstaunlichen Tatsache, daß in
der Forschung einerseits entweder Bautätigkeit auf der Agora ( =
A+) einhergeht mit Stagnation auf dem Burgberg (B-),567 andererseits aber fehlende Bautätigkeit auf der Agora (A-) zeitgleich mit
Initiative auf der Burg (B+)568 angenommen wird.569
Das ist natürlich weder vernünftig noch plausibel. Wenn Jan
Boersma zwar zugibt, daß rein archäologisch eine Urheberschaft
oder Initiative Peisistratos‘ für irgendein Gebäude nicht nachweisbar
ist, daß von einer allgemeinen Baupolitik augusteischen Zuschnitts
nicht ausgegangen werden kann, dann verweist er mit Recht auf die
unleugbare Tatsache, daß Peisistratos Tyrann von Athen war und in
564
Herodot 1, 59, 6.
Kolb 1977: 111; Arist., Pol. 5, 1313 b 23,
566
Kolb 1977: 112.
567
Boersma 1970: 15.
568
Kolb 1977: 107s.
569
+A-A=0 +B-B=0.
565
105
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
dieser Position sicherlich seinen Einfluß auf die Baupolitik in der
πλις ausübte.570 Die von Jan Boersma (1970) besonders betonte
Unterscheidung der Baupolitik in der Phase der Regierung des Peisistratos und in die Phase der Regierung seiner Söhne darf nicht – zusammen mit dem archäologischen Befund – dahingehend mißverstanden werden, daß es erst unter den Söhnen Peisistratos‘ überhaupt
eine Baupolitik gegeben hat, die diesen Namen verdient.571 Wer die
Medien der Kommunikation derart virtuos und – wieder an Octavian/Augustus erinnernd – fast „modern“ eingesetzt haben soll, um auf
die Phye-Athena-Prozession und ihren Symbolgehalt („Athena führt
Peisistratos in ihre Stadt und übergibt sie ihm“) und auf eine vermutete Angleichung Peisistratos‘ an Herakles, „den Schützling der
Athena“572 hinzuweisen, der soll auf dem Gebiet der Baupolitik keinerlei Initiative ergriffen haben?
3.3.2.1 Peisistratos und die Akropolis
Die notorische Nachricht bei Herodot,573 Peisistratos habe die
Akropolis mit seinen Leibwächtern besetzt (ein Ereignis, das auf 560
v. Chr. datiert wird), ist der Hinweis, auf dem die Vermutung basiert,
der Tyrann habe die Akropolis zu seinem Wohnsitz erkoren. Auch
die ideologische Nähe zur Stadtgöttin Athena (bezeugt durch seinen
Einzug in Athen in Begleitung der als Athena verkleideten Phye574
und die Neuordnung der Panathenäen575) begründet eine räumliche
Nähe zu ihr – durch einen Wohnsitz ihres „Schützlings“ auf der
Akropolis,576 und den initiierten und wohl begonnenen Umbau des
„alten Athena-Tempels“.577 Auch eine als Herrschaftsinstrument
570
Boersma 2000: 55.
Kolb 1977: 112; noch ganz von der überragenden Gestalt („ein einheitlich planender, starker, zielbewußter Wille“: 213) des Peisistratos geblendet ist Zietzschmann 1934: 209-217.
572
Kolb 1977: 13.
573
Herodot 1, 59.
574
Herodot 1, 60; Blok 2000: 39ss.
575
Nach Parke 1987: 41 wurden die Panathenäen schon um 566 vom Archonten Hippokleides
neu geordnet.
576
Kolb 1977: 113.
577
Kolb 1977: 103; dagegen Boersma 2000: 53.
571
106
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
wichtige Orakelsammlung war in diesem Tempel der Athena Polias
auf dem Burgberg untergebracht.578
Wenn außer den Alkmaioniden kaum adelige Familien Athen verließen, ist ein Wohnsitz auf der Akropolis auch nach der endgültigen
Erlangung der Herrschaft 546 v. Chr. (nach dem dritten Anlauf; auch
der zweite Versuch 559 v. Chr. war gescheitert) wahrscheinlich, ist
doch die Opposition nicht aus der Stadt geflohen oder vertrieben
worden.579 Daß die vermögenden Aristokraten wenig Interesse daran
hatten, die „Residenz des Tyrannen“ auszuschmücken und das religionspolitische Programm damit auch zu unterstützen, ist unter diesem Blickwinkel nicht unverständlich und erklärt das archäologisch
faßbare zahlenmäßige Abnehmen von Weihgeschenken auf der
Akropolis.580
Allerdings kann weder für eine zweite und dritte (endgültige)
Besetzung der Akropolis ein Beleg, noch für die „Residenz“ des
Peisistratos ebenda ein archäologischer Befund beigebracht werden,
was aber nach Sachlage auch kein Beweis gegen die Vermutung ist,
Peisistratos habe auf der Burg gewohnt. Grundsätzlich kann man
nämlich davon ausgehen, daß Kontrolle über die Akropolis und Kontrolle über die Stadt in einem engen Zusammenhang stehen. Kolb581
sieht diesen Zusammenhang sogar kausal, d. h.: Aufgrund der religiösen Bedeutung als Zentrum des Athena-Kultes ist die Herrschaft
über die Akropolis gleichbedeutend mit der Herrschaft über die
Stadt.
Ein implizites Argument für einen Wohnsitz Peisistratos‘ auf der
Akropolis (wenn man – tertium non datur – sein Wohnhaus nicht
überhaupt an ganz anderer Stelle vermutet) ist auch, daß Gebäude F
sich nach Hans von Steuben im Bereich der 2ρχα/α oder *ερ an der
Agora befunden habe;582 damit wäre auch die Vermutung einer Nutzung von F für Handelsbelange oder gar Vorratshaltung haltlos.
Hingegen müssen sich die Anhänger der „Akropolis-Theorie“
fragen lassen, warum im Jahr 507 Kleomenes und Isagoras vom
578
Herodot 5, 90; Kolb 1977: 104s, Anm. 26.
Kolb 1977: 105s.
580
Kolb 1977: 104.
581
Kolb 1977: 105, Anm. 29.
582
Steuben 1988: 39.
579
107
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
athenischen Volk auf der Akropolis belagert und schlußendlich zum
Abzug gezwungen werden, die Akropolis also als strategischer
Punkt, von dem aus die Stadt zu beherrschen ist und der auch den
diese besetzt Haltenden Sicherheit und Schutz bietet, vollständig
versagte.
3.3.2.2 Peisistratos und die Agora
Der Agora als dem Zentrum peisistratidischer Baupolitik geben
im Anschluß an Boersma (1970) noch T. Shear jr. (1978), P. Young
(1980), H. von Steuben (1988) und H. Shapiro (1989) den Vorzug.
Hans von Steuben583 rekonstruiert einen systematischen Plan (mit
dem Apollon-Patroos-Tempel im Zentrum) der Bautätigkeit auf der
Westseite der Agora584 und T. Shear jr. ordnet die Schließung der
Brunnenschächte auf der Agora den verschiedenen Perioden peisistratidischer Machtergreifung zu.585 Peisistratos habe – so suggeriert
Boersma 1970586 – den Ausbau der (neuen) Agora nach Verlegung
der ekklesia von der Alten Agora dorthin nur folgerichtig weiterbetrieben. In einer erneuten Betrachtung, rund dreißig Jahre später,587
gibt Boersma zu, daß eine mittelbare Verbindung zwischen den Aktivitäten auf der Agora und Peisistratos nicht nachweisbar ist.588
Selbst wenn „ein einheitlich planender, starker, zielbewußter Wille“
589
– der des Peisistratos – auf diesem Gelände gewirkt hat, bedeutet
das aber keineswegs – weder aus stadtplanerischer Sicht, noch aus
den Befunden und Quellen –, daß Peisistratos für sich und die Seinen
dort auch zeichenhaft seine Residenz errichtet haben muß. Gleich,
wie man die baulichen Aktivitäten auf der Agora (oder der Akropolis) gewichtet und die Rolle der Tyrannen dabei versteht, vor allem,
wenn man den Hauptanteil den Söhnen Hippias und Hipparchos
583
Steuben 1988: 31ss.
Abb. 65.
585
Shear 1978: 4ss.
586
Boersma 1970: 15.
587
Boersma 2000: 49ss. Die Publikation ist Ergebnis eines Arbeitskreises aus dem Jahre 1993
– in wieweit der Forschungsstand zum Zeitpunkt des Erscheinens des Berichts in die Aufsätze
eingearbeitet ist, war nicht ersichtlich.
588
Boersma 2000: 55.
589
Nochmals Zietzschmann 1934: 213.
584
108
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
zuschreibt – die Frage bleibt offen, warum die Familie dort im Gebäude F Wohnung bezogen haben soll.
3.3.2.3 Peisistratos, Athen und die Nachwelt
Es ist hier nicht der Ort, erschöpfend das Urteil der Nachwelt über
Peisistratos‘ und seiner Söhne und Nachfolger Herrschaft darzustellen. Communis opinio aber ist folgende Tendenz: Peisistratos wird
(in der Forschung) als archaischer Quasi-Perikles590 oder athenischer
Quasi-Augustus591 dargestellt, dessen „happy involvement [...] in the
civic life of Athens“592 im allgemeinen wohlwollend von den Athenern aufgenommen wurde.593 Diejenigen, die die moderate Einflußnahme594 nicht so wohlwollend sahen – unter ihnen die Alkmaioniden und Philaiden – verließen „unhappy“595 die Stadt, und das „Goldene Zeitalter“ nahm seinen Lauf.596 Selbst die Gewaltherrschaft des
Hippias nach dem ebenso gewaltsamen Ende seines jüngeren Bruders, herbeigeführt durch Harmodios und Aristogeiton, wird einerseits unter dem Gesichtspunkt des durch den Tod des Hipparchos
Paralysierten gesehen, die Bluttat selbst manchmal sogar – im Krieg
und in der Liebe sind alle Mittel erlaubt – als reine Privatfehde dargestellt, welche nach dem endgültigen Sturz Hippias‘ 510 von den
neuen/alten Machthabern (den Alkmaioniden und Philaiden) zum
„Tyrannenmord“ umgedichtet wurde: Die „Befreier“ erhielten als
postumen Dank der auferstandenen Demokratie ihr berühmtes
Denkmal.
Unstrittig ist, daß diese Sichtweise von den antiken Autoren wie
Aristoteles – er bezeichnete die Regierungszeit des Peisistratos als
ein „Zeitalter des Chronos“ 597 – und (weniger blumig) von Herodot
und Thukydides598 überliefert und geteilt wird. Auch der Autor des
590
Zietzschmann 1934: 216s.
Shapiro 1989: 2.
592
Young 1980: 109.
593
Young 1980: 107.
594
Shapiro 1989: 3.
595
Young 1980: 107.
596
Shapiro 1989: 2.
597
Arist., Ath. Pol. 16, 7.
598
Herodot 1, 59 und Thuk. 6, 54, 5
591
109
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
platonischen Dialogs „Hipparch“ 599 zeichnet das freundliche Bild
einer gebildeten und auf kulturellem Gebiet einflußnehmenden Familie. Gleichfalls ohne Widerspruch ist die Tatsache, daß die Herrschaft der Peisistratiden, (auch durch die Erschließung der Silberbergwerke im Laureion)600 eine Blütezeit und einen wirtschaftlichen
Aufschwung für Athen mit sich brachte. Es kam zu einer regen Bautätigkeit und Kunstförderung unter Einfluß der führenden ostionischen Kunst: Neben Kultbauten auf der Akropolis601 und in Eleusis602, der Neuordnung der Dionysos-Spiele, Aufzeichnung und Vortrag der homerischen Epen bei den Panathenäen603 erfolgte auch der
Ausbau der Agora. Als Beispiele für die rege Tätigkeit von Künstlern während der Tyrannis der Peisistratiden mögen auch die sich in
den Münchner Antikensammlungen befindliche Exekias-Schale mit
einer Darstellung der Seefahrt des Dionysos (um 530) und eine Amphora mit Dionysos und Satyrn (Amasis, um 550) dienen.
Die „weise“ und „volksfreundliche“604 Machtausübung Peisistratos‘ geschah dadurch, daß er die formale politische Ordnung, die
durch die solonischen Reformen vorgegeben war, nicht anrührte:
Angehörige seiner Familie waren aber in den entscheidenden Gremien vertreten.605 Es muß hier nicht diskutiert werden, in wieweit man
dem gezeichneten Bild der Zeit der Peisistratiden Glauben schenken
soll – entscheidend ist, daß dieses Bild existiert und dazu die Vorstellung, Peisistratos habe hoch oben über der Stadt und umgeben von
seiner Leibwache „eingebunkert“ wie ein mykenischer König residiert,606 wenig passend erscheint. Wesentlich „vielversprechender“607
dagegen ist die Vorstellung, Peisistratos habe mit seiner Großfamilie
– immerhin fünf Söhne sind überliefert608 – mitten unter den einfa-
599
Hipparch 228b – Der Dialog ist höchstwahrscheinlich nicht aus der Feder Platons.
Demandt 1995, S. 179.
Demandt 1995, S. 182.
602
Bleicken 1995, S. 37.
603
Platon, Hipparch 228b. Die Panathenäen wurden schon um 566 vom Archonten Hippokleides neu geordnet (Parke 1987, S. 41)
604
Dazu: Bleicken 1995, S. 37f, Demandt 1995, S. 177ff.
605
Bleicken 1995, S. 34.
606
Shapiro 1989: 3, Anm. 17.
607
Boersma 2000: 54s.
608
Young 1980: 108.
600
601
110
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
chen Bürgern gewohnt, als „champion of the people and friend of the
nobility“.609nd diese neue Mitte war die Agora, die der natürliche
Raum als politisches, soziales und kulturelles Herz von Athen und
Attika für die Residenz des Tyrannen610 war.
Diese Darstellung der Argumentation der Befürworter eines Peisistratos-Wohnsitzes auf der Agora von Athen ist sicherlich stark
polemisiert und darum auch etwas ungerecht. Aber nicht ungerechtfertigt, denn es sollte versucht werden, zu vermitteln, daß die Argumentation (allerdings nicht nur die der Befürworter, sondern auch die
der Gegner) vor allem von emotionaler Qualität ist und darauf aufbaut, daß es, um nochmals J. Boersma zu zitierten, „vielversprechender“611 ist, den (deswegen?) beliebten Führer eines wirtschaftlich
blühenden Gemeinwesens sowohl ideell als auch geographisch im
Herzen der Bürgerschaft wohnend zu sehen. Denn die Zeugnisse sind
noch jetzt (im Jahr 2007) extrem mager und dürftig, wie auch Jan
Boersma zugibt.612 Diejenigen, die Frank Kolb613 folgen und Peisistratos auf der Akropolis Wohnung nehmen lassen, haben, abgesehen
von zwei Schriftstellen (Herodot und Aristoteles),614 die Peisistratos
zumindest mit der Akropolis in Verbindung bringen, auch keine
stichhaltigeren Argumente an der Hand. Je nach Sicht und vor allem
nach dem Stand der Forschungserkenntnisse erscheinen beide Möglichkeiten plausibel und „vielversprechend“.
3.3.3 Die Tholos und ihr(e) Vorgänger615
Eine andere Möglichkeit, sich Gebäude F zu nähern, ist die, von
der Zukunft auf die Vergangenheit zu schließen. Das heißt, daß man
mit Einschränkung aus der Funktion und Bedeutung der nachfolgenden Bauten, möglicherweise auf die des Gebäudes F rückschließen
kann. Daß dies natürlich ebenfalls einen durchaus spekulativen Charakter besitzt, ist verständlich, denn die Voraussetzung für das Unter-
609
Boersma 1970: 17.
Boersma 1970: 17.
611
Boersma 2000: 54s.
612
Boersma 2000: 55.
613
Kolb 1977.
614
Kolb 1977: 105.
615
Nach „The Tholos and its Predecessors“ = Hesperia Suppl. IV.
610
111
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
fangen ist, daß das Bauland – um mit modernen Termini zu sprechen –, auf dem Gebäude F im 6. Jh. v. Chr. errichtet wurde, nicht
mit der Errichtung der Tholos „umgewidmet“ wurde, sondern eine
solche Umwidmung schon stattfand, bevor oder spätestens während
Gebäude F auf dem Gelände stand.
Das bedeutet, daß entweder Gebäude F nie zu einem anderen
Zweck diente, zu dem auch die Tholos gebaut wurde, oder daß die
Nutzung des Gebäudes F wenigstens in seiner Endphase vor seiner
Niederlegung die Nutzung der nachfolgenden Tholos antizipierte.
Dieser Annahme steht im Grunde nichts im Wege,616 sie ist – durch
Vergleiche mit ähnlichen Entwicklungen – hinreichend gesichert,
wenigstens plausibel. Die einzige Anfrage wäre, ob nicht erst mit
dem Bau der Tholos, welche sich in ihrem Grund- und rekonstruierten Aufriß grundlegend von Gebäude F unterscheidet, auch eine
funktionale Änderung (nach den dramatischen und wechselvollen
Ereignissen der vorangegangenen Jahre) eingeläutet wurde. Aber
natürlich ist auch dieses Problem in der Forschung erkannt und bei
der Rekonstruktion der Geschichte von Gebäude F bedacht worden.
3.3.3.1 Die Tholos und das Alte Bouleuterion im Verhältnis zu ihren
Vorgängern
Schon die Ausgräber haben Rückschlüsse aus den verschiedenen
Bauphasen auf dem südwestlichen Gebiet der Agora auf Gebäude F
gezogen.617 Ausgehend von den Mitte des 5. Jh.s v. Chr. vorhandenen Gebäuden (Tholos und Altes Bouleuterion) wird eine Kette von
Analogien gebildet:618
(Altes Bouleuterion Tholos) (Altes Bouleuterion Geb. F)
(Altes Bouleuterion Geb. F) (Geb. C Geb. F)
(Geb. C Geb. D)
(Geb. C Geb. F)
616
Dagegen Miller 1978: 62s.
Thompson 1940: 40ss.
618
Nach Hesperia Suppl. IV:40 [ „ZY X“W = Lies: „Z verhält sich zu Y wie X zu W“]
617
112
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
Damit wird deutlich, daß Gebäude F die Funktionen der ihm nachfolgenden Tholos erfüllte. Über die Funktion der Gebäude C und D,
die ebenfalls zum gesamten Komplex F gehören, soll aber hier nicht
weiter gesprochen werden. Die Vermutung der Ausgräber, daß C
aufgrund der Analogie-Kette ein quasi „Ältestes“ Bouleuterion, D
funktionaler Vorgänger von F und der Tholos war, ist rein spekulativ
und wurde in der Forschung nur mit geteilter Meinung aufgenommen.619
Aus620
(Altes Bouleuterion Tholos) (Altes Bouleuterion Geb. F)
kann man schließen:
Tholos
oder
Tholos
=
Gebäude F621
aber – natürlich – nicht:
Tholos
≡
Gebäude F622
Gebäude F
Damit ist es nun notwendig geworden, die Funktion(en) der Tholos
zu betrachten.
3.3.3.2 Die Tholos
Die Tholos oder, wie sie nach ihrem schirmartigen Dach auch
genannt wurde: die σκις,623 war eines der markantesten Gebäude der
Agora. Der an sich schlichte Rundbau mit einem Durchmesser von
18,32 m624 und einer Höhe von ca. 6 m, der von der Zeit seiner Erbauung, ca. 480 v. Chr., bis in die Spätantike (eine Erneuerung nach
dem Heruler-Sturm 267 n. Chr. ist nachgewiesen) in Funktion war,
619
Miller 1978: 62s.
Lies: „Das Alte Bouleuterion steht in gleichem funktionalen Verhältnis zur Tholos wie auch
das Alte Bouleuterion im gleichen funktionalen Verhältnis zu Gebäude F steht.“
621
Lies: „Die Tholos erfüllte die gleiche Funktion wie Gebäude F.“
622
Lies: „Die Tholos war identisch mit Gebäude F.“
623
Vgl. Börner 1995, S. 142, Anm. 116.
624
Camp 1989, S. 84.
620
113
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
war eines der bedeutendsten Amtslokale der athenischen Demokratie.
Spätere Aus- und Umbauten oder Renovierungen und Wiedererrichtungen nach Bränden oder Zerstörungen (was auch die Küchenräume betraf) durch die Jahrhunderte hindurch brauchen an dieser
Stelle nicht weiter besprochen werden, da im Grunde der Charakter
der Tholos sich nicht wesentlich änderte. Die Gestaltung des Innenraums, der bis in hadrianische Zeit durch sechs Säulen im Zentrum
des wohl in der Mitte offenen Daches gegliedert wurde und einen
Altar in seiner Mitte hatte, läßt sich ansonsten nur schwer rekonstruieren, weil keinerlei archäologisch greifbaren Beweise beizubringen
sind.
Pausanias625 erwähnt die Tholos nur nebenhin, seine kurze Bemerkung war aber mitentscheidend für die Identifizierung der Agora
als solche durch die amerikanischen Ausgräber von 1934.626 Neben
Silberstatuetten, die Pausanias in der Tholos gesehen hat, wurden
dort auch die amtlichen Hohlmaße und Gewichte aufbewahrt. Diese
Vermutung gründet sich auf den Fund einer Ton-Olpe, eines spätarchaischen Hohlmaßes um 500, welches in dem Gebiet an den Tag
kam. In wieweit die Aufgabe, diese Maße und Gewichte aufzubewahren, auch vor dem 2. Jh. v. Chr. nachzuweisen ist, wie eine Inschrift aus dieser Zeit belegt,627 läßt sich nicht endgültig sagen, vor
allem, da ja im 4. Jh. v. Chr. dafür besondere Beamtenstellen und
Räumlichkeiten (Metroon) eingerichtet wurden.628 Die hauptsächliche Funktion der Tholos war die eines Speiseraumes.629 Neben zahlreichen literarischen Quellen 630 läßt sich dies vor allem auch archäologisch durch einen Küchenanbau im Norden und entsprechende
Keramikscherben von offiziellen „Staats-Servicen“ (mit der Aufschrift „δηµσιον“, also „dem Volk gehörig“) nachweisen.631
625
1, 5, 1.
Camp 1989, S. 2.
627
IG II2, 1013, 37ff.
628
Vgl. Börner 1995, S. 42 und 43, Anm. 120.
629
Miller 1978: 57.
630
Miller 1978: 57, Anm. 58.
631
Camp 1989, S. 106 und Kenzler 1998, S: 283.
626
114
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
Ob die Tholos jenes Gremium, das die Beschlüsse der Boule vorbereitete, also die Prytanen (50 Ratsmitglieder einer monatlich wechselnden Phyle, die gleichzeitig der Boule vorstanden), beherbergte,
ist umstritten. S. Miller verneint grundsätzlich, daß die Tholos das
πρυτανε/ον632Athens war,633 andererseits gibt er zu, daß es sich bei
der Tholos um eine Art „Prytaneion-Annex“634 gehandelt habe, in
dem sich jeweils das Drittel der Prytanen aufhielt,635 welches sich
während der einmonatigen Amtsdauer ständig, d. h. Tag und Nacht,
zur Verfügung halten mußte.636 Jedoch ist es nicht unbedingt ersichtlich, warum ein – rundes und damit zugegebenermaßen äußerst ungewöhnliches – Gebäude, welches auf der Agora in unmittelbarer
Nähe zum Alten Bouleuterion errichtet wurde, nur einem Teil der
Prytanen als Aufenthaltsort dienen sollte, während ein weiteres Prytaneion irgendwo anders in Athen alle Aufgaben außer der Speisung
der Prytanen erfüllte.637 F. Seiler638 hat mit der „Einmaligkeit der
Athener Tholos“ weniger Probleme als S. Miller639 und unterscheidet
nicht zwischen einem eigentlichen Prytaneion und der Tholos.
Gerade die Frage, wie die Prytanen gesessen oder gelegen haben
– denn es war in Griechenland üblich, im Liegen zu speisen – wirft
Fragen auf: Wenn man „das Übliche“ voraussetzt, ergibt sich keine
sinnvolle Aufstellung von ca. 50 Klinen und einer entsprechenden
Anzahl Tischen. Wenn nun aber die Prytanen an der Wand entlang
auf Bänken und an gleichlangen Tischen gesessen haben – was ebenso wenig ungewöhnlich gewesen wäre – ließe sich eine sinnvolle
Aufteilung ermöglichen.640
Die charakteristische Kreisform der Tholos läßt zudem an den
„Heiligen Kreis“ der homerischen Epen denken, „an dem der Rat
zusammentraf und der das Zentrum der Volksversammlung bilde-
632
Prytaneion; Amtslokal des diensttuenden Ratsausschusses in Athen.
Miller 1978: 38.
634
Miller 1978: 38.
635
Miller 1978: 58.
636
Camp 1989, S. 105.
637
Miller 1978: 38s.
638
Seiler 1986: 35.
639
Miller 1978: 25-37 und 38.
640
Vgl. dazu Seiler 1986: 34s., Camp 1989, S. 106 und Kenzler 1998, S: 285, Anm. 101.
633
115
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
te“641 und somit an „eine Anknüpfung bzw. Wiederbelebung der
Speisegemeinschaft, die auch von den Ratsmitgliedern in homerischer Zeit gebildet wurde“.642 Daß die Prytanen in der Tholos auch
opferten, war selbstverständlich, da ja Religion und Politik aufs engste verknüpft waren.643
3.3.3.3 Gebäude F als Vorgänger der Tholos
Wenn also Gebäude F Vorgänger der Tholos ist, also ein
„Prytaneion-Annex“644 in Millerscher Terminologie, ist Gebäude F
dann in der Mitte des 6. Jh.s v. Chr. als Prytaneion645 gebaut worden?
Dagegen ist S. Miller, der mit Einschränkung zu Recht schreibt, daß
ein derartiges Gebäude wohl kaum von Peisistratos den Prytanen –
bei aller Volksfreundschaft – gebaut worden wäre.
Wäre es stattdessen „angemessen [...,] wenn im Anschluß an ihre
[die der Peisistratiden, resp. die des Hippias] Vertreibung im Jahr
510 v. Chr. und die Einsetzung der Verfassung des Kleisthenes im
Jahr 508/7 justament der Speisesaal der Tyrannen jetzt dazu verwendet worden wäre, die Ratsherren der neuen Demokratie zu verköstigen“?646 Grundsätzlich nicht ablehnend steht S. Miller647 dieser Möglichkeit gegenüber, wenn er auch zu bedenken gibt, daß es nicht eindeutig geklärt ist, ab wann die Prytanen ein ständiger Ausschuß der
Boule waren.
Aus dieser Unsicherheit ergeben sich folgende Möglichkeiten: Waren die Prytanen erst ab Ephialtes ein Ausschuß der Boule,648 besteht
überhaupt keine Notwendigkeit, F als Prytaneion (-Annex) zu betrachten, da vorher kein Bedarf dafür bestand. Gab es Prytanen in der
Zeit der peisistratidischen Tyrannis, wo hatten sie dann ihr Amtslokal? Folgt man John Camp (s. o.), dann dürften sie ihren Sitz nicht
im Gebäude F gehabt haben. Was einerseits für die Millersche Theo-
641
Kenzler 1998, S: 284f.
Kenzler 1998, S: 285.
Seiler 1986: 35.
644
Miller 1978: 62.
645
Von einem „Prytaneion-Annex“ kann man wohl aufgrund der Ausmaße kaum sprechen.
646
Camp 1989: 106.
647
Miller 1978: 65.
648
Miller 1978: 65, Anm. 78; Kenzler 1998: 275, Anm. 40.
642
643
116
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
rie (s. o.) spricht, das eigentliche Prytaneion sei an ganz anderer Stelle in Athen situiert gewesen, aber andererseits auch dagegen, denn
warum sollten die Prytanen nur die Speiseräume verlegen, nicht
gleich den ganzen Amtssitz?
War das Gebäude F das eigens für die Prytanen gebaute Amtslokal, erfüllte F dann die von einem Prytaneion (zwei Teil-Prytaneia
sind in diesem Fall vernünftigerweise nicht zu erwarten) erwarteten
Aufgaben?649
3.3.4 „Form follows function“?
3.3.4.1 Ein Prytaneion, Prytanikon oder Prytaneion-Annex
Wenn Gebäude F das eigens für die Prytanen errichtete Gebäude
war und nicht ein „umgewidmetes“ Gebäude,650 dann ist zu erwarten,
daß es den Anforderungen, die an ein Prytaneion zu stellen sind,651
funktional und baulich vollauf entspricht (ein Provisorium anzunehmen, wäre ziemlich unsinnig).
In seiner Untersuchung zu „Festbankett und griechische Architektur“652 stellt Ch. Börker hingegen fest, daß Prytaneia653 keine „klar
definierte“ eigenständige Form herausgebildet haben, bestätigt aber
gleichzeitig die beiden Funktionen eines Prytaneions: die Verköstigung der Prytanen (und ihrer Gäste) und die Verehrung der Hestia.
Schon der Ort, an dem Gebäude F steht, ist generell ein geeigneter
Platz für ein Prytaneion:654 nahe an (resp. innerhalb)655 der Agora,
bei einem Bouleuterion und in der Nähe von religiösen Einrichtungen. Zudem ist eine „Hestia-Halle“ in einem Prytaneion nachzuwei-
649
Nancy A. Winter [1993: 224] weist darauf hin, daß Komplex F jedoch weder ein Tempel
noch ein Schatzhaus gewesen sein kann, wie der Fund zweier Gorgoneion-Antefixe in H
(datiert auf ca. 550/40 v. Chr.) vermuten ließe.
650
Miller 1978: 63s. Nur der Vollständigkeit halber muß erwähnt werden, daß die Chronologie
der Gebäude – vor allem, daß Gebäude D auf Gebäude F folgt! – so nicht anhand der Befunde
bestätigt werden kann. Es ist leider nicht nachvollziehbar, woher S. Miller die Informationen
für das Schaubild (1978: 63, Abb. 3) hat.
651
Vgl. Miller 1978: 25ss.
652
Börker 1983.
653
Börker 1983: 11.
654
Miller 1978: 30.
655
Thompson 1940: 40.
117
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
sen.656 Die Möglichkeit der Verehrung der Göttin Hestia ist eines der
herausragenden propria, die ein Prytaneion zu erfüllen hat.657 Damit
werden andere Gebäude, die der Speisung und Versammlung gedient
haben, von einem Prytaneion deutlich unterschieden. Der Altar der
Hestia war ein Herd, auf dem die Prytanen ihre Opfer vollzogen. In
Gebäude F sind zwar weder ein solcher Herd oder kultische Gegenstände innerhalb eines Raumes erhalten, der für den Kult reserviert
war. Da aber einerseits wenig über die Einzelheiten zur HestiaVerehrung bekannt ist, andererseits der Altar auch ein einfacher
Asche-Altar658 sein konnte, muß es nicht heißen, daß dieses distinktive Kriterium nicht von Gebäude F erfüllt wurde. Um seine Funktion eines Speise- und Versammlungsraumes zu erfüllen, muß ein
Prytaneion genügend viele und genügend große Zimmer besitzen,
damit alle Versammelten aufgenommen werden können.
Aus dem gesamten Grundriß von F läßt sich sicher entnehmen,
daß die Grundvoraussetzungen dafür gegeben sind.. Auch die von
Miller aufgestellten Kriterien „Hof“ und „verschiedene weitere
Räumlichkeiten“659 (z. B. für Maße und Gewichte660?) werden erfüllt,
das ist leicht aus dem Grundriß ersichtlich.
3.3.4.2 Ein Speise- und Versammlungsraum661
Ein Punkt wird leicht übersehen, obwohl er offensichtlich ist und
beachtet werden muß: Nicht allein die schiere Größe, Ausdehnung
und Großzügigkeit des Gebäudes, sondern die Anlage der einzelnen
(Trenn-)Wände ist ausschlaggebend. Vergleicht man verschiedene
als Prytaneia identifizierte Gebäude662 und zieht auch verschiedene
Banketthäuser vergleichend hinzu,663 fällt folgendes sofort ins Auge:
Mit Ausnahme des Prytaneions von Dreros664 sind alle Wände in den
656
Miller 1978: 34s.
Miller 1978: 34.
658
Miller 1978: 35.
659
Miller 1978: 30 und 35.
660
Börner 1995: 46.
661
Mit „Raum“ ist hier nicht ein einzelnes Zimmer, gleich welchen Ausmaßes, gemeint, sondern das den lichten Raum umfassende Gebäude.
662
Miller 1978: 93ss.
663
Börker 1983: 9ss.
664
Welches allerdings auch in das 8. Jahrhundert v. Chr. datiert wird. Vgl. Miller 1978: 93-98.
657
118
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
Gebäuden in einem Winkel von 90° miteinander verbunden, gleich,
ob es sich typologisch um στοαι,665 Peristyl-,666 oder Pastas-Häuser667
handelt. Diese Typen verbindet, daß „die parataktische Reihung von
Räumen, die voneinander unabhängig und doch auf bequeme Weise
miteinander verbunden sind“,669 ermöglicht wird. Während die Räume des Nord- und Südflügels dieser Annordnung entsprechen, fällt
auf, daß keiner der Räume rechtwinklig angelegt ist.
Ein rechtwinkliger Grundriß war aber notwendig, um die Einrichtung eines Speiseraumes unterzubringen: Da die Griechen Anfang des 6. Jh.s v. Chr. aus dem Orient die Sitte übernommen hatten,
liegend (auf Klinen) zu speisen,670 mußte für eine entsprechende
Anordnung der Klinen gesorgt werden. Unter anderem, um den Zugang zu den Klinen durch Personal und die Kommunikation unter
den Gästen nicht zu behindern, wurden diese zweckmäßig entlang
der Wände aufgestellt,671 dadurch mußten die Ecken der Speiseräume
jeweils einen rechten Winkel aufweisen, um eine optimale Platzausnutzung zu gewährleisten. Daß die rekonstruierten Räume auch in
ihrer Seitenlänge den im Uhrzeigersinn aufgestellten Klinen nicht
entsprachen, kommt noch hinzu.
Betrachtet man also den Grundriß der einzelnen Räume von Gebäude F, so fällt es schwer, sich vorzustellen, daß, während schon
seit ca. einer Generation im Liegen gegessen wurde, dieser Gewohnheit hier architektonisch nicht Rechnung getragen wurde, oder die
Gäste, wie zu Homers Zeiten,672 wieder sitzend aßen. Die Diskussion
über die Aufstellung von Klinen oder Sitzen in der Tholos (Abschnitt
3.3.3.2), an die zu erinnern wäre, hilft hier nicht wirklich weiter.
Wenn man also davon ausgeht, daß nicht ein Nebeneinander von
verschiedenen Möglichkeiten – also beim Speisen zu liegen oder zu
sitzen – bis zum ausgehenden 6. Jh. existiert hat, dürfte damit ausge665
Börker 1983: 13s.
Börker 1983: 16s.
667
Börker 1983: 15.
669
Börker 1983: 15.
670
Börker 1983: 12.
671
Zur Aufstellung der Klinen und den architektonischen Voraussetzungen für Speiseräume:
Börker 1983: 12ss.
672
Börker 1983: 12.
666
119
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
schlossen sein, daß Gebäude F als Speise- oder Versammlungshaus
erbaut wurde, wie damit auch an eine originäre Funktion als Prytaneion oder Prytanikon (Prytaneion-Annex) kaum zu denken wäre.
Man kann natürlich darüber spekulieren, ob eine solche Umstellung der Eßgewohnheiten (aus der aufrecht-vertikalen in die horizontale Lage), die sicher nicht von heute auf morgen vonstatten ging,
zunächst den Charakter des modischen Experiments besaß, das in
seiner Neu- und Fremdartigkeit auf eine innovationsfreudige und
reiche Oberschicht beschränkt war, und sich erst langsam ausbreitete
und auch in der Architektur bemerkbar machte. Ch. Börker spricht
von keiner vergleichbaren Anlage, die in die Zeit des mittleren
6. Jh.s fällt. Die zeitlich am nächsten liegende (hier: Peristyl-) Anlage, der Westbau des Heraion von Argos, stammt aus den letzten Jahren des 6. Jh.s v. Chr.673
Nicht zur Gänze auszuschließen ist aber die Möglichkeit, daß
Gebäude F vorübergehend als Provisorium von einem offiziellen
Gremium genutzt wurde. Mit welcher Wahrscheinlichkeit es sich bei
dem Gremium um die Prytanen gehandelt hat, wurde schon diskutiert.
3.3.4.3 Ein Privathaus
Beschränkt man sich auf den Grundriß allein, d. h., sieht man
von der exponierten Lage des Gebäudes F am Rand der Agora ab,
dann muß man uneingeschränkt feststellen, daß ein Gebäude dieser
Anlage plausibel als „privates Stadthaus“ identifiziert werden
kann.674 Die rekonstruierte Zweiteilung in einen Küchen- und Wirtschaftstrakt und einen großzügigen Wohn- und Repräsentationsbereich675 für einen großen Mehrpersonen-Haushalt ist nicht von der
Hand zu weisen.676
Sowohl die Gesamtanlage als auch die einzelnen Zimmer sind in
ihrem Grundriß mehr oder minder unregelmäßig, die leicht trapezoide Form der Anlage insgesamt wird einerseits bedingt durch den
673
Börker 1983: 16.
Dieser Einschätzung wird allgemein in der Forschung gefolgt.
Young 1980: 152s.
676
Shear 1978: 6ss.
674
675
120
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
vorgegebenen Straßenverlauf, andererseits ist der fast durchweg unregelmäßige Grundriß nur mit individuellen Bedürfnissen und geographischen Notwendigkeiten (z. B. der Bodenbeschaffenheit) zu
erklären.677 Das Alte Bouleuterion aus den Jahren 510-500 v. Chr.,678
für welches der Nordflügel von Gebäude F weichen mußte, wird als
vollkommen quadratischer Bau errichtet und entspricht in seiner
Konzeption (Monumentalität und Repräsentation ohne geographisch
bedingte Einschränkungen) viel mehr einem öffentlichen Gebäude,
als das F je getan hat.
Daß es sich bei dem Gesamtkomplex (ohne die Gebäude C und
D) natürlich nicht um ein „einfaches“ Wohnhaus gehandelt hat, ist
unzweifelhaft. Die Ausmaße und die Lage des Bauwerks korrespondieren mit der Bedeutung des Erbauers, Besitzers und/oder Nutzers.
Alle Funktionen, die für den „Betrieb“ einer Großfamilie notwendig
waren, können hier ihren Raum finden: die Lagerung von Vorräten,
die Unterbringung des Personals, Kochgelegenheiten, Zu- und Abwasser, private Kammern für die Familie selbst, einen repräsentativen Hof mit Säulen und an ihn angrenzend große Räume für offizielle Gelegenheiten.
Damit drängt sich wie von selbst die Frage auf, welche Familie
ab der Mitte des 6. Jh.s bis zur Errichtung der Tholos (terminus ultimus) ein solches Haus in einer solchen Lage besitzen und bewohnen
konnte.
3.3.5 Zusammenfassung
Während man sich vorstellen kann, daß sich die Nutzung von
Gebäude F in Laufe seiner Geschichte wandelte (von einem Privathaus zu einem im politischen Herzen Athens für staatliche Belange
zeitweise weitergenutzten Gebäude), und dafür plausible Szenarien
(s. o.) entwirft, muß doch zugegeben werden, daß bislang keine wirklich begründete Erklärung für die ursprüngliche Funktion von Gebäude F vorgelegt wurde. Bringt man Peisistratos mit Gebäude F in
Verbindung, was unweigerlich geschieht, wenn man sich mit seiner
Person oder mit dem Gebäude beschäftigt, dann ist auffällig, daß die
677
678
Zum gleichen Befund bei der Anlage der Regia 4, vgl. 2.1.2.4.
Kenzler 1998: 277.
121
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
Forschung grundsätzlich von einem „entweder – oder“ ausgeht: Peisistratos habe entweder auf der Agora oder auf der Akropolis gewohnt, resp. residiert, wie er auch entweder auf der Agora oder auf
der Akropolis Bauvorhaben geplant oder verwirklicht habe.
Wahrscheinlich ist, daß Gebäude F ursprünglich nicht als ein
öffentlich genutztes Gebäude geplant und gebaut wurde, läßt sich die
Innengestaltung doch keinem Gremium679 oder einer amtlichen
Funktion zuordnen. Wesentlich plausibler ist eine den Umständen
und Notwendigkeiten angepaßte flexible Nutzung, d. h. ein Wandel
in der Funktion und Bedeutung von F. Daß dabei die ursprüngliche
Bestimmung die am kontroversesten diskutierte ist, während man
doch zu keiner Phase irgendeinen Anhaltspunkt zur Nutzung besitzt,
verdeutlicht die Ungewöhnlichkeit des Gebäudes an diesem Platz.
„Am vielversprechendsten“ – sozusagen als dem kleinsten gemeinsamen Nenner – ist es, sich Gebäude F als ein Wohngebäude,
konzipiert für eine reiche Aristokraten-Familie, vorzustellen. Wenn
man diese Vorstellung teilt, muß man die Grenzen der Agora neu
überdenken, denn innerhalb des von 4ροι (Grenzsteinen) abgesteckten
Gebietes680 ist ein Privathaus undenkbar. Möglich, daß genau dieses
Areal (Komplex F) formalrechtlich noch außerhalb der Agora lag, als
es bebaut wurde. Will man Peisistratos auf der Akropolis wohnen
sehen, dann könnte das für Gebäude F bedeuten, daß es – da es ja
vielleicht vor der endgültigen Machtergreifung durch Peisistratos
gebaut wurde681– vielleicht von einer unbekannten aristokratischen
Familie geplant und errichtet wurde, und später vom Clan der Peisistratiden übernommen wurde.
Da aber die Chronologie von F nicht auf einige wenige Jahre
exakt bestimmt werden kann, können die Peisistratiden durchaus als
Bauherren und Nutzer aufgetreten sein, denn die Besetzung und Beherrschung der Akropolis muß nicht gleichbedeutend damit sein, daß
der Tyrann selbst und die ganze Familie die Burg (ständig?) bewohn-
679
Schon gar nicht dem Rat der 400, wie Karl Welwei vorschlug (nach Libero 1996: 101,
Anm. 347).
Einen der 4ροι fand man in situ gegenüber der südwestlichen Ecke von Gebäude F.
681
Libero 1996: 101.
680
122
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
ten.682 Das Argument mangelhafter persönlicher Sicherheit von Leib
und Leben des Tyrannen bei einem Wohnsitz auf der Agora683 ist
nicht sehr stichhaltig angesichts der „Präsenz der bewaffneten Truppen [auf der Akropolis und] sicherlich in der Stadt selbst“, 684 die
„ihren Eindruck auf die Bevölkerung nicht verfehlt haben“ 685 kann.
Die verschiedenen „Mittel der Herrschaftsabsicherung“ 686 dürften
auch bei einem nicht trutzburgartigen Bauwerk wie dem Gebäude F
verhindert haben, daß „der Tyrann schutzlos seinen Mördern ausgeliefert gewesen wäre.“ 687
Die Forschung hat zur frühen Tyrannis der Griechen kaum zeitgenössische Quellen zur Verfügung,688 und das wenige bislang vorhandene (archäologische und Quellen-) Material zur hier behandelten
Thematik ist zugegebenermaßen eigentlich recht unergiebig. Da aber
ein berechtigtes Interesse daran besteht, dem Gebäude einen Namen
zu geben, es, wie man in der Jägersprache sagt: „anzusprechen“, um
sich damit einen Begriff davon zu machen – was ein „Mehr“ an Erkenntnis bedeutet –, ist es bis zur Erbringung eines eindeutigen Gegenbeweises nicht falsch oder wissenschaftlich unsauber, wenn man
Gebäude F den Namen „Palast der Peisistratiden“ gibt. Gleichzeitig
sollte man (quasi als erklärende Fußnote) stets dabei „mitdenken“,
daß es sich um ein Gebäude palastartigen Zuschnitts handelt, welches den Namen aufgrund der Nutzung durch die Peisistratiden (oder
Peisistratos) mangels besserer Alternativen und nur aufgrund von
„vielversprechenden“ Vermutungen trägt, die bislang weder wirklich
bewiesen noch wirklich widerlegt werden konnten. Zu überlegen
wäre allerdings, ob dieses Gebäude nicht von vornherein für eine
unterschiedliche Nutzung geplant war, also verschiedene einzelne
Amtslokale hier Raum fanden. Das kann auch bedeuten, daß Gebäu-
682
Vgl. Libero 1996: 50ss. (Herkunft des Peisistratos), 101 (Sicherheitsaspekte).
Libero 1996: 101.
684
Libero 1996: 63.
685
Libero 1996: 63.
686
Libero 1996: 62-68.
687
Libero 1996: 101.
688
Vgl. Libero 1996: 11s.
683
123
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
de F nie so aussah, wie es stets rekonstruiert und diskutiert wurde
und wird.
3.3.6 Antithese: Gebäude F als Konglomerat von Gebäuden
Auf dieses grundsätzliche Problem weist Ulf Kenzler hin: 689 Bei
allem Zutrauen zu Grabungsberichten ist vielfach eine gesunde Portion Skepsis angebracht, was die großzügige Rekonstruktion der
Befunde zu einem Ganzen anlangt. Der „immer wieder kritiklos abgedruckte Grundriß“, so Ulf Kenzler,690 suggeriert einen großen
Komplex („Komplex F“!), verbunden durch Öffnungen. Diese seien
aber nicht gesichert. Der sog. Küchen-Trakt wird von ihm als ein
eigenständiges Haus angesehen, „zu dessen Räumen wohl auch der
kleine Bau I gehört hat“.691
Da Ulf Kenzler auch den Nordflügel (zusammen mit G) und den
Südtrakt als jeweils eigenständige Häuser ansieht,692 bleibt von der
„Rekonstruktion des Raumkomplexes als ein einziges, großes Gebäude mit repräsentativem Anspruch“693 so wenig übrig, daß die
Diskussion über Funktion und Bedeutung von Gebäude (und Komplex) F keine mehr ist, weil ihr der Gegenstand entzogen wurde:
Stattdessen sollen an dieser Stelle „mehrere einzelne Wohnhäuser
[...], die Wand an Wand errichtet wurden“694 gestanden haben. Zwar
paßt dies gut in die archaische Wohnbebauung im Süden der Agora,
welche aus kleinteiligen Gebäuden bestand,695 andererseits – befanden sich die Überreste von „Komplex F“ nicht innerhalb der Agora?696 Zudem bleibt die Frage unbeantwortet, wie sich die Existenz
von kleinteiliger Wohnbebauung mit der Etablierung der Agora als
politischem Zentrum verträgt, von dem private Gebäude zurückgedrängt wurden.697
689
Kenzler 1998: 275s.
Kenzler 1998: 275.
691
Kenzler 1998: 275.
692
Kenzler 1998: 276.
693
Kenzler 1998: 276.
694
Kenzler 1998: 276.
695
Kenzler 1998: 276.
696
Thompson 1940: 40.
697
Vgl. Shear 1978: 4ss.
690
124
3. Das Gebäude F auf der Agora von Athen
Wenn man den Steinplan der Ausgräber von 1939698 studiert, muß
man, auch ohne guten Willen zu zeigen, zugeben, daß F (abgesehen
von G, H, I, J und K) zwar zu einem einzigen Haus rekonstruiert
werden kann, aber nicht werden muß. Sieht man Nord- und Südteil
von F als eine jeweils eigenständige Einheit, bei denen die Räume
parataktisch (einzeln nebeneinander) angeordnet sind, hätte man eine
ähnliche Situation wie bei C und D, welche auch gegenüberliegend
mit einem Hof in der Mitte angelegt wurden (die Westwand des Hofes ist rekonstruiert – der Hof könnte auch nach Westen hin offen
gewesen sein). Der Abstand zwischen Nord- und Südteil von F mißt
zwischen ca. 5,0 m im Osten und ca. 10,0 m im Westen (Mittel:
7-8 m; zum Vergleich C-D: 10,0 m). Wenn man sich Nord- und Südteil von F nicht als private Gebäude vorstellt, sondern einer öffentlichen (oder kommerziellen?) Nutzung den Vorzug gibt, läßt sich der
Abbruch des Nordteils auch damit erklären, daß er nicht abhängiger
Teil eines einzigen Gebäudes war, sondern eigenständige Räumlichkeiten beherbergte, die zum Zeitpunkt der Errichtung des Alten Bouleuterions leicht entbehrt, weil vielleicht an eine andere Stelle verlegt
werden konnten.
Das Konzept eines freien Konglomerats von Einzelgebäuden
ignoriert allerdings m. E. die Existenz der Mauer zur Agora hin,699
die den Platz zwischen F-K und C-D von der Agora abtrennt und
nach außen ein geschlossenes Ensemble präsentiert.
Viele Fragen bleiben bei einer solchen Hypothese unbeantwortet,
vor allem verlagert sich die Frage nach Bewohnern und Nutzung des
für sich schon ungewöhnlichen Komplexes F (mit G, H, I, J und K)
hin zur Frage, wer und wie man die Gebäude „N“(Nord), „S“(Süd),
den Hof („F“?) und die anderen genannten Teile des Komplexes
nutzte und warum sie so eng beieinander und auch verschachtelt
gebaut wurden. Leider sind die Möglichkeiten, eine genaue Untersuchung der an den Grundfesten der vorliegenden Arbeit über das Gebäude F und die Regia rüttelnden These anzustellen, hier sehr eingeschränkt.
698
699
Abb. 61.
Vgl. Abschnitt 3.1.2.1.1.
125
Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens?
Vielleicht aber hilft der Vergleich beider Gebäude, doch zu entscheiden, daß die bislang gültige Rekonstruktion von Gebäude F als ein
großes Gebäude nicht nur der Fähigkeit des menschlichen Auges zu
verdanken ist, Fragmente wunschgemäß zu einem Ganzen zusammenzufügen.
126
4. Vergleich und Zusammenfassung
4. Vergleich und Zusammenfassung
Die Befunde und verschiedenen Aspekte von Gebäude F und Regia
wurden in den beiden vorangegangenen Abschnitten dargestellt. Jetzt
soll anhand der vorliegenden Erkenntnisse versucht werden, die verbindenden (gemeinsamen) und trennenden (unterscheidenden) Elemente herauszufiltern. Die entsprechenden Belegstellen finden sich
in den beiden vorangegangenen Abschnitten.
4.1 Baulicher Vergleich
Gebäude F und Regia befinden sich jeweils im sich entwickelnden politischen Zentrum der Stadt: auf der Agora, resp. auf dem Forum Romanum. Der Platzgestaltung entsprechend, nehmen sie eine
geographische Randposition ein. Die Regia befindet sich nicht auf
der „politischen“ Seite des Forums, auf der Comitium und Senat
angesiedelt sind, sondern etwa auf der gegenüberliegenden Seite.
Gebäude F hingegen ist auf dem Areal gebaut, das später Teil des
politischen Zentrums von Athen wird: Noch zuzeiten von F wird
knapp gegenüber dem Gebäude im Norden das Alte Bouleuterion
errichtet, die Tholos, Prytaneion oder Prytaneion-Annex werden über
Gebäude F erbaut.
Es wird angenommen, daß Gebäude F um die Mitte des 6. Jh.s v.
Chr. geplant und gebaut wurde. Wie dargestellt, veränderte F seine
Gestalt in den rund 80 Jahren seines Bestands nur insofern, als Gebäude(teile) im Südwesten angefügt und der Nordflügel des eigentlichen Gebäudes F abgetragen wurden, während der dominierende
trapezoide Hof als das Zentrum und der daran angeschlossene südliche Gebäudetrakt als Elemente bestehen blieben. Obwohl durch Zerstörungen in Mitleidenschaft gezogen, wurde F immer wieder repariert, bis es dann um 470 v. Chr. vollständig abgerissen wurde.
Die Baugeschichte der Regia läßt sich bis in die Anfänge des 6.
Jh.s v. Chr. verfolgen. Bis die Regia den Grundriß erhielt, welcher
bei einem Vergleich zwischen Regia und Gebäude F zumeist heran-
127
Joachim Losehand: Ein Haus für den Herrscher?
gezogen wird,700 wurde sie in 90 bis 100 Jahren viermal umgebaut,
wobei der zweite, dritte und vierte Umbau (zur 3., bzw. 4. und 5.
Regia) die Anlage der Räumlichkeiten deutlich veränderte. Die beiden ursprünglich getrennten Räume wurden beim dritten Umbau
durch einen als Vestibül bezeichneten Raum miteinander verbunden
und diese Dreiergruppe als ein Komplex zunächst im Osten (4. Regia), dann im Süden (5. Regia) gebaut. Diese um die Wende vom 6.
zum 5. Jh. v. Chr. entstandene Form der Regia weist die frappierendsten Ähnlichkeiten mit Gebäude F auf: „Entfernt“ man vor seinem
geistigen Auge den Nordflügel von F (was auch in einer späteren
Bauphase tatsächlich geschah) und auch alle anderen Gebäude(teile)
G, I, J und K, dann erhält man eine parataktisch angeordnete Gruppe
von Räumen im Süden an der Längsseite eines trapezoiden Hofes.
Vor dieser Gruppe von Räumen ist im Hof eine porticus angelegt.
Ein ungeübtes und uninformiertes Auge hält so den Grundriß von F
und den der Regia für den ein und desselben Gebäudes.
Das Herz und Zentrum von Gebäude F ist also der Gestalt der 5.
Regia mehr als ähnlich, vor allem auch, da die Längs- und Schmalseiten des trapezoiden Hofes das gleiche Verhältnis zueinander und
auch die gleiche Ausrichtung an den Himmelsrichtungen haben wie
bei der Regia.
Im Unterschied zur Regia befanden sich ursprünglich im Norden
des Hofes von F noch weitere Räume. Auch der großzügige Küchenoder Wirtschaftstrakt im Westen des Hofes hat kein Pendant in der
Regia.
Die als kultisches Herdfeuer interpretierte Feuerstelle, im großen
Westraum der 5. Regia, geht zwar wahrscheinlich auf vorzeitliche
Herde zur Zubereitung von warmen Speisen zurück,701 eine Entsprechung der „boiling pits“ nördlich des sog. Küchen-Trakts – oder der
Einrichtung des Küchen-Traktes an sich – beim Athener Gebäude
mit der Feuerstelle in der Regia, stellt letztere jedoch wohl nur von
den Wurzeln her dar. Die Regia hatte in keiner Phase Neben- oder
Wirtschaftsräume im Sinne der Nebenräume von Gebäude F, der
mittlere Raum ab Periode 10 (4. Regia) ist eine Art Verbindungs700
701
Ampolo 1971: Abb. 2 und Scheffer 1990: Abb. 1.
Scheffer 1990: 186.
128
4. Vergleich und Zusammenfassung
und Eingangsraum. Wie Gebäude F aber hatte die Regia auch eine
Wasserversorgung (Zisterne, Kanal), die sie, wie schon ausgeführt,
zusammen mit dem Herd ursprünglich potentiell bewohnbar machte.
Die 5. Regia stellt also in ihrem Grundriß eine Art Gebäude F dar:
Vom „Bruder“ hat die Regia aus der Wende vom 6. zum 5. Jh. v.
Chr. dessen architektonisches Zentrum, den trapezoiden Hof, die
porticus, den südlichen Flügel und die Anordnung – ungefähr nach
Himmelsrichtungen – des Ensembles von Athen. Selbst, daß die
Räume im Süden des Hofes nicht die ganze Längsseite einnehmen,
sondern ein Teil Mauer an „gleicher“ Stelle nach Norden einknickt,
findet sich auch bei der 5. Regia.
Ist also die 5. Regia eine fast getreue Kopie des Zentrums von
Gebäude F?
Baugeschichtlich betrachtet, erfolgt die Entwicklung der Regia
der 1. Phase hin zur 5. Phase folgerichtig: Die in der 1., 2. und 3.
Phase voneinander getrennten Räume wurden beim dritten Umbau zu
einem Gebäude zusammengefaßt und wanderten dann um 90° beim
vierten Umbau im Uhrzeigersinn. Diese „Wanderbewegung“ um
jeweils 90° ist schon in der 3. Phase zu sehen: Der Nordraum „wandert“ vom Westen in den Norden und „zieht“ in der 4. Phase den
anderen Raum auf die Ostseite mit; die entstandene Dreiergruppe
wird in der 5. Phase endgültig in den Süden verlegt. Natürlich ist dies
nur eine vereinfachte Darstellung zur Veranschaulichung. Würde sie
genau der Wirklichkeit entsprechen, dann wäre der Westraum der 5.
Phase funktional der Nordraum der 1. Phase. Nun aber entspricht
tatsächlich der Westraum der 5. Phase – durch die Herdstelle – wohl
dem Südraum der 1. Phase.
Nichtsdestotrotz ist die Anlage der Gebäude im Süden eine Folge
dieser Entwicklung. Hinzu kommt, daß die stattgefundene „Vereinigung“ der ursprünglich wohl durch eine porticus verbundenen Räume oder Gebäude der 1. bis 3. Regia zu einem Gebäude schon in der
4. Phase stattgefunden hat und nicht erst mit dem vierten Umbau (5.
Regia). Auch die trapezoide Form des Hofes und damit der ganzen
Regia ist schon im Grundriß der 1. Phase aufgrund topographischer
Gesichtspunkte angelegt: sacra via und vicus Vestae laufen in unmit129
Joachim Losehand: Ein Haus für den Herrscher?
telbarer Nähe ungefähr in dem Winkel aufeinander zu, in dem auch
Nord- und Südwand der Regia aufeinander treffen würden, verlängerte man sie weiter nach Osten. Da sich an dieser Situation für die
folgenden Phasen nichts geändert hat, resp. man den Straßenverlauf
nicht ändern konnte und damit mit Einschränkung nicht geändert hat
(abgesehen von einer Verschiebung, die aber den grundsätzlichen
Verlauf und die Richtung der Straße nicht änderte), kann die große
Entsprechung im Grundriß der Regia und dem Herzstücks von Gebäude F nicht ausschließlich ursächlich im Grundriß von F gesehen
werden. Mit Einschränkung ist allerdings auch der Grundriß von
Gebäude F vom dortigen Straßenverlauf geprägt.702
Deutlicher: Eine direkte Verbindung, resp. direkte Abhängigkeit
des Grundrisses der 5. Regia von Gebäude F könnte nur dadurch
plausibel sein, wenn die 4. Regia sich wesentlich von ihrer Nachfolgerin unterschieden hätte. Das ist aber, wie dargestellt wurde, nicht
der Fall.
4.2 Historischer Vergleich
Diese Ähnlichkeit, welche in der Einleitung durch ein Nebeneinander der beiden Grundrisse – dem der 5. Regia und dem des Gebäudes F (ohne den Nordtrakt) – augenfällig gemacht wurde, besteht
auch in einer ähnlichen Position in der politischen Geschichte der
jeweiligen Stadt, und das Unternehmen eines Vergleiches ist damit
zementiert. Denn gerade die Kombination – ähnlicher Grundriß in
ähnlicher historischer Situation – machen die Untersuchung der Ähnlichkeiten und Unterschiede plausibel.
Zunächst muß natürlich beachtet werden, daß Gebäude F nur bis
ca. 470/60 v. Chr. Bestand hatte, die Regia hingegen noch weitere
800 Jahre lang. Damit wäre ein erster, beide Gebäude trennender
Punkt erwähnt: Das Gebäude F auf Agora wurde im ersten Viertel
des 5. Jh.s v. Chr. abgerissen und ein neues Gebäude darüber errichtet, welches entweder eine andere Funktion erfüllte oder einen Teil
702
Ampolo 1971: 445.
130
4. Vergleich und Zusammenfassung
der Nutzung von F übernahm. Die Regia veränderte zwar Anfang des
5. Jh.s ihren Grundriß, blieb aber – wahrscheinlich unter Kontinuität
ihrer hauptsächlichen Nutzung – die folgenden Jahrhunderte bestehen. Grundsätzlich verbindend aber ist wieder, daß auf beiden Arealen, in Athen und in Rom, bis ca. 460 v. Chr. Neubauten die alten
Gebäude abgelöst hatten: Die (5.) Regia hatte eine veränderte Ausrichtung der Räumlichkeiten – blieb aber im Grunde ihrer Struktur
treu –, das Gebäude auf der Agora (die Tholos) erhielt eine vollständig neue Form: Beide Male dauerten Funktion und Nutzung der beiden Gebäude mit Einschränkung bis in die Spätantike an.
Ob aus der fortdauernden Nutzung der 5. Regia im Anschluß an
die 4. Regia – trotz baulicher Veränderungen – auch auf eine Nutzungskontinuität bei der Tholos als Nachfolgebau des Gebäudes F
geschlossen werden kann,703 ist mehr als fraglich und übersteigt auch
die Möglichkeiten eines Vergleiches.
Beide Gebäude haben eine Veränderung zwischen dem letzten
Jahrzehnt des 6. Jh.s und ca. 460 v. Chr. erfahren – die Regia nur
teilweise, Gebäude F hingegen radikal: sie wurden abgerissen, ein
neuer Bau darüber errichtet –, ein Vorgang, der mit historischen Ereignissen korrespondiert.
Die nach der Annalistik um das Jahr 509 v. Chr. erfolgte Vertreibung des Tarquinius Superbus (die Fasten mit den eponymen
Magistraten beginnen mit diesem Jahr),704 korrespondiert mit der
Vertreibung des Hippias 510 v. Chr. An dieser Stelle soll nicht die
Vertreibung der beiden Machthaber Gegenstand sein, da hier nicht
der Platz ist, um die verschiedenen Ursachen und den Verlauf differenziert zu beurteilen,705 sondern die Tatsache, daß Mitte des 5. Jh.s
Chr. in Athen und in Rom andere politische Situationen herrschten
als noch zu Anfang des Jahrhunderts. Athen war eine „Demokratie“
703
Statt (Altes Bouleuterion Tholos) (Altes Bouleuterion Geb. F) hieße dies nun:
(Regia 5 und ff. Tholos) (Regia 1-4 Geb. F) wobei hier jetzt das Verhältnis von
Historie und Nutzung ausgedrückt werden soll
704
Gjerstad 1976: 22ss. Zur Diskussion vgl. Christ 1994: 53s.
705
Für Hippias vgl. Libero1996: 131. Sie sieht die Vertreibung als einen Akt von außen seitens
der Aristokraten an, um die Familie der Alkmaioniden mit spartanischer Unterstützung wieder
in Athen zu etablieren, weniger als ein innerstädtisches Aufbegehren der Bevölkerung von
Athen gegen Hippias.
131
Joachim Losehand: Ein Haus für den Herrscher?
– dieser Begriff ist erst ab der Mitte des 5. Jh.s faßbar – 706 und Rom
eine Republik (geworden). Daß durch eine in der antiken Geschichtsschreibung aufgestellte Analogie und eine Datierung beider Ereignisse in das (die) gleiche(n) Jahr(e) um 510/509 auf eine analoge Nutzung des Gebäudes F („Palast der Peisistratiden“) und der Regia
(„Palast der römischen Könige“) zu schließen wäre, ist sehr zweifelhaft. Daß die Ereignisse des ausgehenden 6. und der Jahre bis zur
Mitte des 5. Jh.s an der Bebauung der beiden Areale in Rom und in
Athen abzulesen sind, kann für Athen ohne Einschränkungen gesagt
werden. Für Rom muß das Ende der etruskischen Herrschaft nicht
unbedingt eine verändernde Baumaßnahme an der Regia nach sich
gezogen haben; auch ein Brand kann eine solche Maßnahme notwendig gemacht haben, was einen Vergleich in ereignisgeschichtlicher Hinsicht erschwert.
Nimmt man hingegen mit Einar Gjerstad707 an, daß die
Königsherrschaft in Rom bis um 450 v. Chr. andauerte, würde das
natürlich bedeuten, daß die 5. Regia noch aus der Zeit der Könige
stammt. Also wären sowohl Gebäude F und die (5.) Regia nach
einem Machtwechsel (450 in Rom, 510 in Athen) weiter genutzt
worden. Erst um 460 wurde Gebäude F in Athen abgerissen. Wenn
man also nicht die Geschichte der Gebäude anhand der Datierung
von Ereignissen, sondern nur anhand dieser Ereignisse deutet – in
diesem Fall der Wechsel von der Alleinherrschaft zu einer
„demokratischen“708 Regierungsform –, lassen sich Regia und
Gebäude F wieder positiv vergleichen: Beide Gebäude
„überstanden“ den politischen Wechsel (wenn auch wohl aus
unterschiedlichen Gründen). Fraglich ist, ob die Beziehungen Roms
zu Griechenland709 und damit natürlich zu Athen – abgesehen vom
Fernhandel – in dieser Zeit so intensiv waren, daß die Regia ein
bewußter „Transfer“ oder eine gewollte Kopie des Gebäudes F war,
durch die zeitgleich regierenden Peisistratiden und Könige von Rom
sogar vielleicht von letzteren in Auftrag gegeben. Und selbst wenn
die Beziehungen weitreichender waren, ist die Implikation,
706
Bleicken 1995: 72.
Gjerstad 1976: 27ss.
708
Um zu verhindern, daß man die Begriffe „Demokratie“ und „demokratisch“ mit unserem
heutigen Verständnis liest und versteht, werden sie – wertneutral – in „...“ gesetzt.
709
Dazu Christ 1994: 53, 58 – 60.
707
132
4. Vergleich und Zusammenfassung
Implikation, Tarquinius Superbus hätte in Anlehnung an den Palast
des Peisistratos seinen Palast als Kopie errichtet, sehr phantastisch zu
nennen. Daß in der Tradition eine enge Bindung Roms an Griechenland beschrieben wurde, wird auch durch den Besuch der Söhne des
Tarquinius Superbus in Delphi (um 500 v. Chr.?) deutlich.710 Zwar
„läßt sich diese Konsultation des Delphischen Orakels als Versuch
verstehen, die sagenumwobene Frühzeit Roms mit griechischen Motiven auszuschmücken“,711 aber eine entsprechende Verbindung zwischen Rom und Griechenland ist tatsächlich denkbar.
Nicht weniger phantasievoll und ebenso unbelegt ist die Vermutung – setzt man die 5. Regia nach der Vertreibung der Könige an –,
die neue Gestalt der Regia sei aufgrund der – von Bewunderung
geprägten – Beziehungen der jungen römischen Republik zur athenischen Demokratie (beginnendes 5. Jh.s v. Chr.) entstanden.
Dennoch: die Ähnlichkeit beider Bauwerke ist so eindeutig, daß
es schwer fällt, eine vollkommen beziehungslose und von Gebäude F
unabhängige Planung und Errichtung der 5. Regia für wahrscheinlich
zu erachten.
4.3 Analogien zwischen Gebäude F, der Regia und einer
Tradition von „domus regiae“?
Wie in der Einleitung schon angesprochen, wurden in den letzten
Jahrzehnten mehrfach Überlegungen angestellt über die Art der möglichen Beziehungen – eine Abhängigkeit der Regia von Gebäude F ist
schwerlich nachzuweisen – zwischen den beiden Gebäuden in Rom
und Athen. Neunzehn Jahre nach dem vielbeachteten Artikel von
Carmine Ampolo,712 welcher u. a. die Frucht der Ausgrabungen von
Frank Brown713 war, sichtete Ch. Scheffer714 im Jahr 1990 nochmals
710
Livius 1, 56.
Rosenberger 2001: 93.
712
Ampolo 1971.
713
Brown 1967.
714
Scheffer 1990.
711
133
Joachim Losehand: Ein Haus für den Herrscher?
die seither gewonnenen und publizierten Erkenntnisse und Schlußfolgerungen, v. a. von F. Coarelli715 und M. Torelli.716
Die einander bedingenden und erklärenden Erkenntnisse der dargestellten Ausgrabungen v. a. in Acquarossa und Satricium, aber auch
in Murlo (Poggio Civitate) und Rom führten dazu, eine Beziehung
zwischen etruskischen Häuser der Aristokratie und der Regia als sehr
wahrscheinlich anzunehmen.
Einerseits war in der 3. und 4. Phase der Regia diese – ähnlich
den Gebäuden in Acquarossa und Murlo – mit dekorativen Architektur-Terrakotten geschmückt,717 was für diese beiden Phasen an eine
ähnliche Nutzung der Regia wie der Gebäude von Acquarossa und
Murlo denken läßt. Auf der anderen Seite waren die Elemente des
Grundrisses und ihre Zusammenstellung von großer Entsprechung.
Sowohl die gestalterische und dekorative Funktion einer porticus
an einem Hof, wie auch die daran parataktisch angeordneten, aber
doch vom Hof unabhängig erscheinenden Räumlichkeiten, deren
Schema sich in Acquarossa (Haus F) und Satricium (Haus A) finden
läßt,718 sind nicht nur in den beiden genannten Orten, sondern auch in
Murlo und natürlich im Grundriß der Regia vorhanden. Ch. Scheffer
verglich nun die Gebäude in Athen, Rom, Acquarossa und Satricium
auch hinsichtlich ihrer Ausmaße, und es ist fast nicht verwunderlich,
daß alle vier sich nicht nur in der Gestaltung, sondern auch in den
Ausmaßen stark ähneln.719
Der vergleichende Blick nach Griechenland, welcher in der Regia aufgrund ihrer Feuerstelle zunächst – bis zu den Nachgrabungen
durch Frank Brown 1967 – als ein Haus nach dem Vorbild des grie715
Coarelli 1981 und 1983.
Vorwort von Torelli in: Stopponi 1985 und Torelli 1983.
717
Durch zwei auf dem Gebiet des Komplexes F (in H) gefundene Gorgoneion-Antefixe,
datiert auf ca. 550/40 v. Chr. [dazu vgl. Winter 1993: 224] wäre eine weitere Koinzidenz
nachweisbar. Wenn Gebäude/Komplex F kein Schatzhaus und kein Tempel ist (wovon wir, so
meine ich, ausgehen dürfen), dann haben wir es mit einem der seltenen Fälle für das archaische
griech. Festland zu tun, bei denen Gorgoneion-Antefixe für ein Haus mit nicht (hauptsächlich?)
sakralem Charakter (s. u.) nachweisbar sind. Die Akrotere in Rom (3. Regia) und Athen sind
weitgehend zeitgleich in die Mitte des 6. Jh. v. Chr. zu datieren, was zu reizvollen Rückschlüssen verleitet oder wenigstens eine weitere Begründung für die Untersuchung phänomenologischer Kontingenzen liefert.
718
Maaskant-Kleibrink 1991: 96
719
Scheffer 1990: 189, Tafel 1.
716
134
4. Vergleich und Zusammenfassung
chischen Megaron sah,720 fand damit auch im Palast von Larissa am
Hermos ein Vorbild für „palastartige“ Anlagen,721 der aber von Ch.
Scheffer722 als ungeeignet abgelehnt wurde. Wirklich vergleichbar
sind auch Gebäude wie z. B. in Vouliagmeni oder in Megara Hybleia
kaum (obwohl sie eine ähnliche Dimension haben).723 Gebäude F
versagt sich m. E. der Einordnung in eine bestimmte Typologie und
steht mehr mit den etruskischen Gebäuden in Bezug denn zu solchen
in Griechenland.724 Es ist als grundsätzlich plausibel anzunehmen,
daß das Gebäude F in Athen durch seine Existenz während zweier
Generationen einen Einfluß auf die griechischen Städte in Italien und
auf die Bauweise der etruskischen Oberschicht ausübte. Andererseits
weist Haus A in Satricium aus dem Anfang des 6. Jh.s v. Chr. schon
dieselben Grundelemente auf (porticus, parataktische Reihung von
Zimmern, zwei gegenüberliegende Teile an einem Hof) und Haus F
in Acquarossa (ca. 550 v. Chr.) ist in etwa zeitgleich mit Gebäude F
in Athen anzusetzen.
Schon die Geschichte der (frühen) etruskischen Rechteckbauten725 weist Parallelen zu griechischen Hausformen auf, und so erscheint die Kompositionsweise der Häuser von Satricium, Acquarossa, Murlo und Rom einer Entwicklung zu folgen, die durch die Griechen natürlich weiterhin beeinflußt wurde.
Wie die Darstellungen der verschiedenen, mit der Regia verglichenen Gebäude zeigte, taucht diese Hausform (porticus an einem
Hof, parataktische Reihung von Räumen an zumindest einer Seite)
an verschiedenen Stellen Italiens vor allem um die Mitte des 6. Jh.s
v. Chr. auf und hat ihre direkten Vorläufer in Häusern, welche sich
ab dem Beginn des Jahrhunderts nachweisen lassen (z. B. Satricium,
„Forum-Haus“ in Rom). Für Griechenland findet sich bislang mit
Einschränkung nur Gebäude F aus der Mitte des 6. Jh.s;726 trotzdem
720
Prayon 1975: 149 und Müller-Karpe 1962: 94s.
Torelli 1983: 488 und Stopponi 1985: 33s.
722
Scheffer 1990: 186.
723
Scheffer 1990: 186.
724
Scheffer 1990: 186s.
725
Prayon 1975: 128ss.
726
Scheffer 1990: 186.
721
135
Joachim Losehand: Ein Haus für den Herrscher?
muß angenommen werden, daß auch F Vorläufer besitzt, wenn auch
vielleicht nicht typologische.
Für den Vergleich von Regia und Gebäude F bedeutet das in
nuce, daß sie sich in ihren (auch: Schmuck-) Elementen und in der
Anordnung derselben vergleichen lassen; daraus aber auf eine typologische Abhängigkeit oder eine bestimmbare von Griechenland
ausgehende Entwicklung schließen zu wollen, ist bislang noch nicht
erwiesen. Sicherlich untersuchenswert wäre, ob und in wieweit die
Dreiteilung eines Hauses baugeschichtlich mit der Dreiteilung der
Cella eines etruskischen Tempels korreliert, da aufgrund der in dieser
Arbeit dargestellten neuen Erkenntnisse zur Dekoration und zur Anlage von etruskischen Häusern „a ground plan alone can only be
identified as a temple plan if the foundations show a clear, threecellar structure on a high podium. Moreover, private houses [...] may
have a ‚three-cella‘ plan, as have several tombs. Columns alone do
not identify a building as a temple, as shown at Murlo and Acquarossa.“727 Vielleicht bedeutet dies ja, daß Elemente des Sakralbaus auf die private Architektur auch über die Dekoration hinaus
einen stärkeren Einfluß hatten, als bislang angenommen, und die
Ähnlichkeit zwischen Regia und Gebäude F – wenn F denn ein einheitlicher funktionaler Komplex war und nicht ein Konglomerat von
einzelnen Gebäuden – zwar aus der Station einer Entwicklung herrührt, welche auf den gleichen Elementen fußt, aber aus unterschiedlichen baugeschichtlichen Gründen oder in dieser Gruppierung entstand.
4.4 Funktion von Gebäude F und der Regia
Daß Gebäude F plausibel mit den Peisistratiden und die Regia
mit den römischen Königen in Verbindung gebracht werden können,
dies jedoch mangels Evidenzen weder eindeutig bewiesen noch ausgeschlossen ist, wurde schon dargestellt. Auch unabhängig von Per-
727
Andersen 1993: 74.
136
4. Vergleich und Zusammenfassung
sonen sind beide Gebäude in ihrer Funktion nicht ohne Probleme zu
vergleichen.
Für die 1. bis 5. Regia ist eine Nutzung als Wohnhaus aufgrund
archäologischer Vergleichsbelege möglich, aber nicht zwingend.
Und sie ist unmöglich, wenn die Regia von vornherein ein sacrarium
gewesen ist. Gebäude F wird aber nach wie vor – und dies mit Einschränkung wohl zu Recht – als Haus identifiziert, welches für einen
bedeutenden Aristokraten als Wohnhaus gebaut wurde, was auch für
die Gebäude in Acquarossa und Satricium gelten kann.728
Mit großer Sicherheit erfüllte die Regia ab dem 5. Jh. v. Chr. nur
religiöse Funktionen und diente damit im Zusammenhang stehenden
Amtshandlungen. Für Gebäude F liegen keinerlei Belege vor, ob und
welche kultischen Verrichtungen dort ausgeübt wurden. Das heißt,
man kann die Funktionen nur sehr vage vergleichen: Während für die
Regia sakrale Funktionen eindeutig belegt sind, und der Charakter
eines Wohnhaus für die Regia nur sehr unsicher ist – da nur aus den
Vergleichen mit Acquarossa oder Murlo zu schließen –, läßt sich
Gebäude F als privates Wohnhaus leichter sehen, denn als offizielles
Amtshaus oder gar Heiligtum.729
Eine Parallele zwischen Rom und Athen, zunächst weniger zwischen den beiden Bauten – aufgrund der mangelnden Belege für
Regia und Gebäude F –, denn den beiden Arealen, wurde von Carmine Ampolo730 im Jahr 1971 gezogen und dann von Filippo Coarelli731 zehn Jahre später aufgegriffen und vertieft.
Grundlegend dafür ist die Parallele zwischen der griechischen
Göttin Hestia und ihrem römischen Pendant Vesta sowie der Bedeutung des „immerwährenden Herdfeuers“ für das Gemeinwesen.
Nimmt man an, wie dargestellt, daß Gebäude F zumindest in seiner
Endphase ein Prytanikon war, ist ein Hestia-Heiligtum im Komplex
anzunehmen – und eigentlich nur dann. Carmine Ampolo sieht dieses
Heiligtum im Gebäude I.732 Der Tempel der Vesta befindet sich im
728
Scheffer 1990: 190.
Winter 1993: 224.
730
Ampolo 1971: 447.
731
Coarelli 1981.
732
Ampolo 1971: 447.
736
137
Joachim Losehand: Ein Haus für den Herrscher?
Rom der historischen Zeit direkt neben der Regia; wenn das Herdfeuer im Südraum der Regia (1. bis 3. Phase) der Herd der Vesta und
nicht der Altar des Mars war, hatten beide Gebäude über eine gewisse Zeit hinweg eine gleiche religiöse Funktion.
Diese Parallele beruht allerdings auf der – bislang nicht bewiesenen733 – Annahme, die Tholos als Nachfolgerin des Gebäudes F habe
einen Altar der Hestia besessen, und sei ihrerseits auch die Nachfolgerin von Gebäude F, nicht nur, weil sie an selber Stelle gebaut, sondern ähnlich oder gleich genutzt wurde: als Prytaneion oder Prytanikon, womit auch Gebäude F einen Hestia-Altar besessen haben muß.
Darüber hinaus liegen auch für die Regia keinerlei Nachrichten vor,
daß sie in der Königszeit einen Vesta-Altar beherbergte.
Daß die Vestalinnen einen engen Kontakt zur Regia hatten, ist
hingegen belegt. Sie kamen zu kultischen Verrichtungen dorthin und
waren nach 12 v. Chr. auch „Eigentümer“ der Regia.734 Für eine Erhärtung dieser These fehlen aber bislang eindeutige Hinweise.
Weniger eindeutig, aber doch bestechend ist ein Hinweis, der von
Frank Börner in die Diskussion um die Funktion von Gebäude F
eingebracht wurde: 735 Sollte sich in Gebäude F ein „Lagerraum für
öffentliche Vorräte“ 736 befunden haben, dann wäre über eine mögliche Ähnlichkeit zwischen Gebäude F und dem Komplex Regia/Vesta
zu spekulieren: Denn „in Rom wohnen die di penates im Vorratsraum der Vesta, und man könnte geneigt sein, die bauliche Urform
der penus Vestae am Forum und mit ihm die der aedes Vestae nicht
in der mediterran runden Wohnhütte, sondern in den Speicherhäusern von Alba (Longa) zu suchen. Auffällig ist immerhin, daß die
aedes Vestae in gleicher Weise von atrium Vestae und Regia abgetrennt ist, wie diese runden Speicher von den alten Häusern, was bei
anderen Tempeln nicht der Fall ist.“737
733
Miller 1978: 60.
Cass. Dio 54, 27.
735
Börner 1995: 43s.
736
Börner 1995: 43s.
737
Bömer 1951: 96.
734
138
4. Vergleich und Zusammenfassung
Man muß nicht so weit gehen, daß die Tholos der Getreidelagerung
diente, wie Frank Börner vermutet738 (dies hätte allerdings eine Aufstellung eines Hestia-Altars vereitelt), vielleicht ist aber die Ähnlichkeit des Vesta-Tempels mit den Speicherhäusern von Alba Longa
und die Ähnlichkeit der Tholos mit dem Vesta-Tempel739 auch aus
diesem Zusammenhang heraus erklärbar. Damit ist eine Beziehung
zwischen dem Vesta-Heiligtum, der Regia, den bildlichen Darstellungen auf den architektonischen Terrakotten der Regia, der Tholos
und dem Gebäude F hergestellt.
Bei aller Begeisterung für diesen Aspekt, der verschiedene Bereiche – Form, Funktion und Bedeutung – miteinander verknüpft,
muß aber doch darauf insistiert werden, daß diese Überlegungen
bislang rein spekulativen Charakter haben. Was für die einzelnen
Gebäude in Athen und Rom, wie auch für die Beziehung zwischen
den aufeinander folgenden Bauten und jeweils auch wechselseitig
gilt, ist eine Binsenweisheit: Man kann aus richtigen Voraussetzungen falsche Folgerungen ziehen. Und wie bei jedem Vergleich und
jeder Interpretation sollte man sich hüten, von zwei (noch so plausibel erscheinenden) Ähnlichkeiten, wie naheliegend oder gering sie
sein mögen, auf kausale Beziehungen, Parallelen oder gar Abhängigkeiten zu schließen.
Welche Parallelen und Beziehungen zwischen Gebäude F in
Athen und der Regia in Rom aufgezeigt werden können und (dann
noch) diskutiert werden müßten, das habe ich der vorliegenden Arbeit zu erläutern versucht.
738
739
Börner 1995: 43s, Anm. 123.
Dies hieße nun: (Vesta-Tempel Tholos) (Regia Gebäude F).
139
Joachim Losehand: Ein Haus für den Herrscher?
140
5. Nachwort
5. Nachwort
Die Publikation einer geisteswissenschaftlichen Zulassungsarbeit – meine Untersuchung zur Regia und zum Gebäude F wurde
im Wintersemester 2001/02 von der Universität München, im speziellen zuständig das Institut für Klassische Archäologie, als Magisterarbeit angenommen – bedarf der Erläuterung. Denn üblicherweise
sind nur naturwissenschaftlich-technische Diplom-/Master-Arbeiten
überhaupt repräsentabel genug, um den Autor in Versuchung zu führen, sie über die kleine Schar der Korrektoren hinaus der Öffentlichkeit aufzudrängen.
Doch liegt zum Themenkomplex Regia bzw. zu Gebäude F keine
detailliertere Monographie vor, die aktuellere Forschungsergebnisse
berücksichtigt. Die Gründe dafür sind vornehmlich darin zu sehen,
daß es auf dem Areal der Regia und ganz besonders auf dem von
Gebäude F keine neuen Grabungen und damit auch keine archäologische Befunde gibt (für Gebäude F zweifellos ein Zustand, der mit
dem terminus technicus „Desiderat der Forschung“ nur unzureichend
eingeschätzt wird).
Außerdem wurden viele Aspekte, bei der Regia z. B. die religionsgeschichtliche Seite, bislang nicht von Berufeneren erörtert und
publiziert, Befunde und Interpretationen zu Gebäude F in neuerer
Zeit oft nur in Nebengedanken und Anmerkungen eingestreut; Perlen, die es wert sind, gesammelt und eingebunden im Kontext
zugänglich gemacht zu werden.
Andererseits: Da ich, und das war für niemanden überraschender
als für mich selbst, den Wissenschaften nicht den Rücken gekehrt
habe, um das zu tun, was ein Studienabgänger eben so tun muß, also
sich der freien Marktwirtschaft auszuliefern, sondern an den Brüsten
Klios hängenblieb, möchte ich dieses Büchlein auch als Morgengabe
verstanden wissen. Interessanter Zufall, daß der Durchmesser des
Seminarraums (dem Turmzimmer im Tübinger Schloß), in dem ich
vor zehn Jahren meine erste Berührung mit der Athener Tholos (und
der Klassischen Archäologie) hatte, dem Durchmesser eben dieser
Tholos bis auf wenige Fußbreit entspricht.
141
Joachim Losehand: Ein Haus für den Herrscher?
Mein Dank gilt Luca
Giuliani für dessen damalige
kritische Anmerkungen resp.
Hinweise auf corrigenda in
meiner Arbeit, die ich in die
Druckfassung
eingearbeitet
und zum Anlaß genommen
habe, manche Änderung vorzunehmen.
Die Monographie „Ein
Haus für den Herrscher? –
Überlegungen zu Funktion
und Bedeutung von Gebäude
Abbildung 15: Schloß Hohentübingen,
Seminarraum Klassische Archäologie
F auf der Athener Agora und
der Regia auf dem Forum
Romanum“ ist der erste Band der im Frankfurter F. S. Friedrich Verlag erscheinenden Reihe der „Wissenschaftlichen Beiträge“. Ich habe
die süße Bürde, als Herausgeber dieser Reihe zu fungieren und
gleichzeitig die Freude, einen ersten (wissenschaftlichen) Beitrag
dazu zu leisten.
Felix S. Friedrich darf ich meinen Verleger und meinen Freund
nennen – und ihm, der er beide Aufgaben mit vorbildlicher Geduld
erfüllt, dafür dankbar sein.
Joachim Losehand
Neapel, im Juli 2007
142
6. Anhang
6. Anhang
6.1 Bibliographie
6.1.1 Quellen
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6. Anhang
6.2 Abbildungsnachweis
Alle Abbildungen 2007 von Joachim Losehand (by-nc-sa); Quellen:
Abbildung 1
Zeichnung nach Brown 1976, Abbildung 4
und Hesperia Suppl. IV, Abbbildung 13
Abbildung 3-9
Zeichnung nach Brown 1976:
Abbildungen 4, 8, 10, 12, 14 und
LTUR 4 (1999): Abbildungen 80, 81
Abbildung 10
Zeichnung nach Brown 1976: Abbildungen
4, 8, 10, 12, 14 und
LTUR 4 (1999): Abbildungen 80, 81
Abbildung 11
Zeichnung nach Gjerstad 1960,
Abbildung 189
Abbildung 13-14
Zeichnungen nach
Hesperia Suppl. IV, Abbildung 13 und
Camp 1986, Abbildung 27
151
Joachim Losehand: Ein Haus für den Herrscher?
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