Industrialisierung
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Industrialisierung
Lernender.ch - Das Infoportal für Lernende Industrialisierung (ca. 1770 – 1870) Zeittafel 1769 James Watt erfindet die Dampfmaschine ca. 1770 Beginn der industriellen Revolution in England 1785 Erfindung des mechanischen Webstuhls 1833 1. gesetzliche Einschränkung der Kinderarbeit in England 1835 1. Eisenbahn in Deutschland (Nürnberg – Fürth) ca. 1840 Beginn der industriellen Revolution in Deutschland 1847/48 Karl Marx und Friedrich Engels verfassen das „Kommunistische Manifest“ 1855/56 Massenerzeugung von Stahl (Henry Bessemer, Engländer) 1857 Entdeckung des Erdöls 1863 Gründung 1. deutsche Arbeiterpartei „Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein“ 1865 Gründung Allgemeiner Deutscher Frauenverein 1869 Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Begriffe Bauernbefreiung: Beseitigung aller Herrenrechte (Leibeigenschaft, Erbuntertänigkeit, Grundherrschaft über Bauern. Vollzog sich in längerem, mehrstufigen Prozess, Herren wurden entschädigt. Gewerbefreiheit: bedeutet, dass jeder grundsätzlich jeden Gewerbebetrieb, betreiben kann (kein Zunftwesen mehr). Schrittweise im 18. und 19. Jh. Industrialisierung: Tiefgreifender, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Wandlungsprozess, der zuerst in England (1770), dann auf dem europäischen Kontinent und später in anderen Weltteilen einsetzte und bis heute nicht abgeschlossen ist. Vergleichbar mit der Neolithischen Revolution, als die Menschen sesshaft wurden. Im Mittelpunkt stehen die industrielle Produktionsweise und die Umverteilung der Arbeit von der Landwirtschaft ins Gewerbe und den Dienstleistungsbereich. 1. Phase wird als industrielle Revolution bezeichnet. Kapitalismus: Wirtschaftsordnung innerhalb derer sich die Industrialisierung in Europa und Nordamerika vollzog. Produktionsmittel in den Händen von Privatpersonen, der Kapitalisten und Unternehmer, ihnen gegenüber stehen die Lohnarbeiter. Pauperismus: Bezeichnung für Massenarmut (lat. pauper=arm). Insbesondere in der ersten Hälfte des 19. Jh. Ursachen: Bevölkerungswachstum, langsam steigende Nahrungsmittelproduktion, Mangel an Arbeit. Der Pauperismus endete mit der industriellen Revolution. Soziale Frage: ungelöste Probleme speziell in den frühen Phasen der Industrialisierung: unsichere Arbeitsplätze, Arbeitslosigkeit, niedrige Löhne, lange Arbeitszeiten, Wohnungselend, fehlende Versorgung bei Krankheit, Invalidität und Tod. 1 Lernender.ch - Das Infoportal für Lernende Industrielle Revolution Beginn des Maschinenzeitalters Æ nicht nur die Wirtschaft, auch die Gesellschaft wurde umgekrempelt. Mutterland der industriellen Revolution ist England (ab ca. 1750) Nachher folgen Frankreich und Belgien, in Deutschland setzt die industrielle Revolution ca. 1830 ein. Wegen der zeitlichen Verzögerung, wirtschaftlicher, politischer und sozialer Unterschiede zu England, verlief die industrielle Revolution etwas anders. England Beginn über Textilindustrie Deutschland: Beginn über Eisenbahn (Deutschlands Kleinstaaten wurden einheitlicher Wirtschaftsraum). Gemeinsamkeiten aller Länder: • • • • Unmenschliche Arbeitsbedingungen Existenznot Soziales Elend Wenige profitieren und werden reich Æ soziale Frage (wie kann man diese neuen sozialen Probleme lösen?) Æ ökologische Frage (Folgen für die Umwelt?) 2 Lernender.ch - Das Infoportal für Lernende Die industrielle Revolution in England Politik Das Parlament hat seit dem Mittelalter eine starke Stellung. Keine neuen Steuern ohne Zustimmung des Parlaments Mitsprache in der Gesetzgebung 17. Jh.: Könige wollten Parlament „entmachten“ Æ 1641: Streit um Steuererhebungen Æ Bürgerkrieg Æ 1649: König Karl I. wird hingerichtet Æ Ausrufung der Republik (lat.: res publica = Sache des Volkes) Æ 1660: Nach nur 11 Jahren wird die Republik abgeschafft und Karl II. wird König. Æ Jakob II. wollte erneut die Macht des Parlaments beschneiden und den katholischen Glauben wieder einführen Æ Parlament setzt protestantischen König ein Æ glorreiche Revolution Æ 1689: Bill of Rights Æ König gesteht dem Parlament mehr Rechte zu: Zustimmung für Gesetze Recht der Steuerbewilligung Regelmässige Wahlen Regelmässige Einberufung Das Unterhaus wird von der Oberschicht gewählt Æ Landlords und Kaufleute bestimmen die Politik Gesellschaft Besitzende Bürger haben die gleichen politischen Rechte wie besitzende Adlige und wirtschaftliche Tätigkeit gilt nicht als „unfein“. Æ Adel und Bürgertum bestimmen Wirtschaft und Handel Æ Adel und Bürgertum bezahlen Steuern Æ Nachkommen der Adligen, waren bürgerlich (Erstgeborener erbt Titel) Æ Tüchtigkeit war gefragt Æ mehr Heiraten zwischen den Schichten Diese „Verschmelzung“ der Schichten förderte die wirtschaftliche Tätigkeit und schaffte die Voraussetzungen für die industrielle Revolution. 3 Lernender.ch - Das Infoportal für Lernende Kolonien Seit dem 17. Jh. gilt Englands Hauptinteresse der Beherrschung der Meere Æ Grosse Kolonien und viel Fernhandel Æ Ausbau der Flotte, Förderung der Handelspolitik Æ nach dem 7-jährigen Krieg ist England die Handelsweltmacht - Importe Sklavenhandel Exporte London wird zur Handelshauptstadt Æ Bürgerliche häufen sich riesige Vermögen an Landwirtschaft Die Landwirtschaft konzentriert sich (Bauern verkaufen Land an Grossgrundbesitzer) Bevölkerung Die Bevölkerung wächst stark an Æ nicht genug Arbeit Æ Flucht in die Städte (Hoffnung auf Arbeit) Æ eigene Landwirtschaft reicht nicht zur Versorgung der Bevölkerung Æ innerer Markt wächst Æ Ausbau des Verkehrsnetzes Æ Exportgüter (Eisenwaren, Wolltuch) werden in Manufakturen und mittels Heimarbeit hergestellt. Da es keine Zünfte gibt, herrscht die freie Konkurrenz 4 Lernender.ch - Das Infoportal für Lernende Der Durchbruch der Industrialisierung Beginn der industriellen Revolution in England: 1770 Die 1. Phase ist geprägt durch die Verarbeitung der Baumwolle. Sie stellt gleichzeitig den ersten Schritt zur Fabrikarbeit dar. Warum Baumwolle? - Steigender Bedarf an Textilien durch Bevölkerungswachstum Anbau in Indien und südl. Nordamerika (Kolonien von England) Fertige Tuche können im In- und Ausland gewinnbringend verkauft werden (Export möglich, da England Seemacht) Erfindungen 1764: Maschine mit 8 Spindeln (Spinning Jenny) 1769: Spindeln mit Wasserantrieb 1778: Verbindung zu einer Maschine mit 20-50 Spindeln (Mule = Maultier) Erfinder: Crompton Neues Problem: Zu viel Garn, handwerkliche Verarbeitung nicht mehr möglich Æ Edmund Cartwright erfindet 1784 den mechanischen Webstuhl Æ Fabriken Æ Dampfmaschine wird als Antrieb genutzt (James Watt, 1769) Die Dampfmaschine war ursprünglich für den Bergbau geplant (Kohle) Æ Mit der Zeit entstanden auch Fabriken für Metallwaren und zur Herstellung der Maschinen Die Eisenbahn Die Eisenbahn gab der Industrialisierung einen weiteren Impuls Zuerst wurden kurze Bahnstrecken unter Tag gebaut und im Bergbau genutzt. Über Tag wurden die Stracken dann länger und wurden schon bald zum günstigsten Transportmittel für jegliche Art von Gütern. Æ Mit dem Eisenbahn-Bau stieg die Nachfrage nach Eisen und Stahl 5 Lernender.ch - Das Infoportal für Lernende Veränderte Lebensbedingungen Die rasanten technologischen Fortschritte in nur etwa 50 Jahren veränderten so einiges. Landarbeiter: Kein Schutz bei Notsituationen (z.B. Krankheit) Keine Arbeit heisst, kein Einkommen Æ Armut Die Fabriken änderten daran nichts, denn es gab Arbeitskräfte im Überfluss (Bevölkerungswachstum, Verstädterung). Æ Die Arbeiter erhielten nur Hungerlöhne Æ Arbeitszeit betrug 15 Stunden oder mehr Æ Kinderarbeit (auch im Bergbau unter Tag) Æ Gefahren: Unfälle mit Maschinen 6 Lernender.ch - Das Infoportal für Lernende Die industrielle Revolution in Deutschland Schwelle zur Industrialisierung 1783/84: Jenny) Die 1. Maschinen in Deutschland wurden in Betrieb genommen (Spinning 1789: Die 1. Dampfmaschine in Deutschland Diese Ereignisse hatten keine Bedeutung für die Gesamtwirtschaft in Deutschland. Die Strukturen für eine spürbare industrielle Revolution waren noch nicht vorhanden. Situation vor der industriellen Revolution Deutscher Bund mit 39 souveränen Staaten Æ erschwerter Güterverkehr, gelähmter Warenaustausch (Zollbestimmungen, etc.) Um 1800 leben 80 % der Bevölkerung auf dem Land, 20 % leben in Städten. Die Zünfte lähmen die freie Konkurrenz und „verhindern“ den Beginn der Industrialisierung. Erste Anzeichen der Industrialisierung - Heimarbeit und Manufakturen - Versuche englische Maschinen nachzubauen Aber: - Zunftregeln erschweren den Einsatz neuer Techniken - Keine Unternehmerschicht, wie in England - Wirtschaftsleben wird von oben gesteuert - Kontinentalsperre gegen England trifft die kontinentale Wirtschaft - Überseemärkte gehen an England verloren Hindernisse wurden durch Politik der Reformen beseitigt. Æ Aufhebung der Unfreiheit der Bauern Æ Bevölkerungswachstum Æ Produktivität muss gesteigert werden Die Gewerbefreiheit und die Standesschranken wurden abgeschafft und öffneten so neue Möglichkeiten. Die Entwicklung ging nur langsam voran, da technisches Wissen, Fertigkeiten und auch die Nachfrage fehlten. 7 Lernender.ch - Das Infoportal für Lernende Anfänge der industriellen Revolution In Deutschland begann die industrielle Revolution um 1840 im Ruhrgebiet. Warum im Ruhrgebiet? - Traditionelles Textilgewerbe Erschlossenes Gebiet Herstellung von Eisenwaren Kohlevorkommen Rhein als Transportweg Die Eisenbahn Die Eisenbahn ist ein günstiges Transportmittel für schwere Güter und setzt zugleich die Nachfrage nach Stahl (Geleisbau) und anderen Baumaterialien in Gang (Bau von Brücken, Bahnhöfen, Wagen, Lokomotiven). Die erste Bahn entstand in Nürnberg (Süddeutschland) Æ rasanter Ausbau des Eisenbahn-Netzes Englische Lokomotiven wurden mit der Zeit durch bessere, eigene Konstruktionen ersetzt. Durch den Anstieg des Bedarfs an Stahl wächst das Ruhrgebiet. Der grösste Betrieb ist die Firma Krupp. Textilindustrie in Deutschland? Es gab parallel zur Schwerindustrie eine Textilindustrie die auch von den technischen Fortschritten profitierte, sie hatte aber nie ein so grosses Gewicht. Rolle des Staates England versuchte, das technische Wissen im Land zu behalten ihre Machtstellung zu erhalten. Die Bundesstaaten erlangten durch Industriespionage dennoch wichtige Kenntnisse und die Staaten förderten zudem den Maschinenschmuggel. Die Staaten waren auch als Unternehmer tätig, sie wollten privaten Unternehmungen ein Beispiel und Ansporn sein. Strassen-, Eisenbahnbau sowie das Schulwesen waren in staatlichen Händen. Die Staaten waren am wirtschaftlichen Wachstum interessiert. Æ Zölle wurden beseitigt und es wurden Zollvereine gegründet Æ einheitliches Zollgebiet 8 Lernender.ch - Das Infoportal für Lernende Lebensbedingungen und soziale Frage Grosses Bevölkerungswachstum Ursachen: - Aufhebung der Leibeigenschaft und der Zunftschranken Æ jeder kann eine Familie gründen - Verbesserung der medizinischen und hygienischen Verhältnisse (z.B. Impfungen) Æ tiefere Kindersterblichkeit - Produktionssteigerung in der Landwirtschaft Æ mehr Menschen können ernährt werden Æ Not, weil zu wenig Arbeitsmöglichkeiten Æ Heimarbeit nimmt zu, Löhne werden immer tiefer Æ Erzeugnisse (immer noch handwerklich) können nicht mit der englischen Qualität mithalten Æ Hungersnöte, Proteste, Armut, soziale Not Æ Abwanderung in die Städte, Hoffnung in der neuen Industrie Arbeit zu finden Verhalten der Unternehmer Unternehmer erwirtschaften in der 1. Phase der Industrialisierung enorme Gewinne und investieren diese wieder in den Betrieb. Es herrscht der Zwang mit der Konkurrenz und dem Fortschritt mitzuhalten. Kapitalistische Wirtschaftsform Arbeitskräfte gibt’s im Überfluss Æ schlechte Bedingungen und fast militärisches Regiment der Unternehmer (Fabrikordnungen) 9 Lernender.ch - Das Infoportal für Lernende Soziale Lage der Arbeiterschaft Leute kommen in die Städte, um Arbeit zu finden Æ Aus Handwerkern und Bauern werden Industriearbeiter Æ Junge Mädchen suchen Anstellungen in reichen Familien Æ sie verdienen fast nichts, arbeiten lange, sind abhängig, werden ausgenutzt Da überall die Löhne so tief sind, müssen auch die Frauen und Kinder arbeiten, um überleben zu können. Die Wohnungssituation ist katastrophal. Æ Das Baugewerbe konnte mit dem Bevölkerungswachstum und der Verstädterung nicht mithalten Ansätze zur Lösung der sozialen Frage Aus der Not entstanden sozialistische Ideen. Die Arbeiter wollten sich selbst helfen. Staat, Kirchen und Unternehmer erkannten die neuen sozialen Probleme nur allmählich. Æ es wurden Organisationen zur Selbsthilfe gegründet (z.B. Obdachlosenheime) Emanuel Kettler („Arbeiterbischof“) fordert in der Offenbacher Predigt: - Lohn, der der geleisteten Arbeit entspricht Menschliche Arbeit soll nicht als Ware gelten Liberale: Sozialreform: - Bessere Bildungschancen für die Unterschicht Selbsthilfevereine wie z.B. Versicherungs- und Konsumvereine Bürgerliche Organisationen unterstützen diese Vorschläge. Gesundheitsrisiken - Abrieb und Schleifstaub Giftige Dämpfe, Abgase Lärm Hohe Temperaturen und Luftfeuchtigkeit Æ 1884 entsteht die erste staatliche Unfallversicherung 10 Lernender.ch - Das Infoportal für Lernende Wichtige Persönlichkeiten der Industrialisierung Adam Smith Führte das Prinzip der Arbeitsteilung ein. Er wies auch auf den Entfremdungseffekt hin, den dieses Prinzip mit sich brachte. Das wurde jedoch nicht beachtet. Solche Aussagen waren in der Industrialisierung nicht erwünscht. 11