Schenkungen - Notar Dr. Veit, Heidelberg
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Schenkungen - Notar Dr. Veit, Heidelberg
Schenkungen Von Notar Dr. Peter Veit Heidelberg Dr. Peter Veit www.notar-veit.de Alte Glockengießerei 9 Tel. 06221/72 95 03- 0 - "Der Turm" 69115 Heidelberg 2 Notar Dr. Peter Veit Schenkungen mit Erbschaftsteuer- und Pflichtteilsreform www.notar-veit.de 69115 Heidelberg ⋅ Alte Glockengießerei 9 ⋅ "Der Turm" 3 Hinweis: Diese Broschüre wurde sorgfältig und nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung kann ich jedoch nur für Auskünfte übernehmen, die Ihnen von mir individuell erteilt werden. Für die in dieser kostenlosen Broschüre enthaltenen Informationen muss ich jegliche Haftung ausschließen. Die Broschüre ersetzt in keinem Fall die rechtliche und steuerliche Beratung im Einzelfall. Für ein individuelles Beratungsgespräch stehe ich Ihnen gern zur Verfügung. 2005- 2015 Notar Dr. Peter Veit, Heidelberg Stand: Januar 2015 Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und sonstige Verbreitung, auch auszugsweise, nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Autors. 4 Inhaltsübersicht I. Motive für lebzeitige Vermögensübertragungen II. Vorbehaltsrechte des Übergebers 1. Nießbrauch 2. Wohnungsrecht 3. Wart und Pflege 4. Leibgeding 5. Versorgungsleistungen 6. Kombination Mietvertrag/Versorgungsleistungen 7. Exkurs: Sozialhilfebedürftigkeit des Übergebers III. Vertragliche Rückforderungsrechte IV. Weitere "Gegenleistungen" des Erwerbers 1. Schuldübernahme 2. "Abstandsgelder" 5 3. Verzicht auf Geldforderungen 4. "Gleichstellungsgelder" V. Pflichtteilsumgehung durch rechtzeitige sung? 1. Kreis der Pflichtteilsberechtigten 2. Natur und Höhe des Anspruchs 3. Vermeidungsstrategien VI. Sonderfall: Schenkungen an Minderjährige VII. Schenkungsteuer 1. Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer 2. Steuerklassen 3. Freibeträge 4. Steuersätze 5. Bewertungsverfahren Überlas- 6 6. Sparmöglichkeiten a) Steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen/Schenkung vermeiden b) Steuerklasse/Freibeträge: Wer überträgt wem? c) Zehnjahresgrenze: Mehrfache Ausnutzung der Freibeträge VIII. Andere steuerliche Gesichtspunkte 1. Grunderwerbsteuer 2. Einkommensteuer IX. Weiterführende Informationen 7 8 I. Motive für lebzeitige Vermögensübertragungen Vielfältig sind in der Praxis die Motive und Zielvorstellungen, die mit Schenkungen unter Lebenden verfolgt werden. Diese Broschüre beschäftigt sich mit einem besonders bedeutsamen Ausschnitt solcher lebzeitiger Zuwendungen, nämlich der Schenkung von Grundbesitz an Kinder in vorweggenommener Erbfolge. Mitunter sollen durch eine Schenkung an eines oder mehrere Kinder unliebsame Pflichtteilsansprüche weiterer Personen umgangen werden. Bei Vorbehalt geeigneter Rechte kann die Übergabe auch die Versorgung des Übergebers sicherstellen, etwa wenn der Erwerber eine laufende Rente zusagt oder sich zur Pflege des Übergebers verpflichtet. Die Übertragung sichert für den Empfänger den endgültigen Erwerb des Gegenstandes ab. Sie schafft damit eine relativ verlässliche Grundlage für größere Investitionen des Erwerbers in das Objekt. Ein wichtiges steuerliches Motiv für Schenkungen ist der Wunsch, dem Empfänger Erbschaftsteuer zu ersparen. Die vorliegende Broschüre wird sich im Einzelnen mit den dabei auftretenden Rechtsfragen befassen und aufzeigen, inwieweit die dargestellten Erwartungen durch eine Schenkung in vorweggenommener Erbfolge erfüllt werden können und welche Risiken dem auf der anderen Seite gegenüberstehen. 9 II. Vorbehaltsrechte des Übergebers Entschließen Eltern sich dazu, eine Immobilie bereits zu Lebzeiten auf ihre Kinder zu übertragen, so möchten sie das Objekt in der Praxis meist doch nicht vollständig aus der Hand geben. Nicht selten wohnen sie selbst in dem Anwesen oder sind auf dessen Mieteinnahmen zur eigenen Alterssicherung angewiesen. Mitunter sollen die Kinder sich zur Pflege der Eltern verpflichten oder diese durch laufende monatliche Zahlungen finanziell unterstützen. Der folgende Abschnitt beleuchtet die wichtigsten möglichen Vorbehaltsrechte der Übergeber. 1. Nießbrauch Das klassische Vorbehaltsrecht des Übergebers schlechthin ist der "Nießbrauch". Er gewährleistet dem Übergeber, dass er trotz formaler Eigentumsumschreibung im Grundbuch die wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit des Schenkungsgegenstandes wie bisher behält. Das schließt nicht nur die Möglichkeit ein, ein übertragenes Haus selbst zu bewohnen und zu nutzen, sondern umfasst auch die Befugnis zur Vermietung und das Recht, die Mieteinnahmen für sich zu beanspruchen. Im Fall einer Vermietung ist der Nießbraucher und nicht der Eigentümer berechtigt, alle die Mietverhältnisse betreffenden Erklärungen abzugeben, also Mietverträge gegebenenfalls auch zu kündigen, zu ändern oder neue abzuschließen. Mit diesem umfassenden Nutzungsrecht korrespondiert die Pflicht, die bisherige wirtschaftliche Bestimmung des Anwesens aufrechtzuerhalten und nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft zu verfahren. Insbesondere hat der Nießbraucher für die Erhaltung des Objekts in seinem wirtschaftlichen Bestand zu sorgen. Ausbesserungen und Erneuerungen 10 obliegen ihm allerdings nach dem Gesetz nur insoweit, als sie zur gewöhnlichen Unterhaltung gehören. Während also der Nießbraucher die kleineren, regelmäßig wiederkehrenden Ausbesserungen und Instandsetzungen zu tragen hat, wäre eine außerplanmäßige Großreparatur - etwa wenn ein Sturm das gesamte Dach abdecken sollte oder die Heizanlage komplett ausgetauscht werden müsste - vom Eigentümer zu bezahlen. Freilich können die Beteiligten eine abweichende Lastenverteilung vereinbaren. Davon wird u.a. aus steuerlichen Gründen gerade bei vermieteten Objekten häufig Gebrauch gemacht. Wird ein vermietetes Objekt unter Nießbrauchsvorbehalt übergeben, so berücksichtigt auch das Steuerrecht, dass das Mietverhältnis beim Veräußerer verbleibt. Nachdem die Miete weiterhin an ihn zu zahlen ist, werden ihm die Mieteinnahmen auch steuerlich als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wie bisher allein zugerechnet. Umgekehrt kann auch nur der Nießbraucher objektbezogene Aufwendungen als Werbungskosten geltend machen. Bei den ohnehin vom Nießbraucher zu tragenden gewöhnlichen Unterhaltungskosten ergeben sich daraus steuerlich keine Probleme. Fallen aber außerordentliche Aufwendungen an, können diese bei einem Nießbrauch mit gesetzlicher Lastenverteilung weder vom Nießbraucher noch vom Eigentümer geltend gemacht werden: Vom Nießbraucher deshalb nicht, weil sie ja nach dem Gesetz zu Lasten des Eigentümers gehen, und vom Eigentümer ebenfalls nicht, denn dieser erzielt wegen des Nießbrauchs aus dem Objekt keine steuerbaren Einkünfte mehr. Und nur wer steuerbare Einkünfte erzielt, kann nach dem Korrespondenzprinzip des Einkommensteuerrechts auch Werbungskosten geltend machen. Sollen die außerordentlichen Lasten einkommensteuerlich nicht verlorengehen, muss der Nießbrauch vertraglich so ausgestaltet werden, dass der Nießbraucher auch diese außerordentlichen Lasten übernimmt. 11 Die AfA- Befugnis steht bei einem Vorbehaltsnießbrauch im Rahmen vorweggenommener Erbfolge weiterhin dem Übergeber zu. Probleme ergeben sich allerdings dann, wenn nur ein Elternteil Alleineigentümer der übertragenen Immobilie ist, aber ein Nießbrauch für beide Eltern bestellt wird. Hier kann das Finanzamt die AfA möglicherweise hälftig kürzen. Um das zu vermeiden, sollte der Nießbrauch lediglich dem Eigentümer- Ehegatten bestellt werden. Der andere Ehegatte kann dadurch gesichert werden, dass ihm ein aufschiebend bedingtes (weiteres) Nießbrauchsrecht auf den Tod des Eigentümer- Ehegatten bestellt wird, das erst entsteht, wenn er diesen tatsächlich überleben sollte. Zur Sicherung des Übergebers sollte der Nießbrauch unbedingt in das Grundbuch eingetragen werden, auch wenn das rechtlich gesehen nicht zwingend ist. Nur dadurch kann der Übergeber aber eine Rangstelle im Grundbuch für sich besetzen. Wird der Nießbrauch an erster Stelle in das ansonsten lastenfreie - Grundbuch eingetragen, kann der Übergeber auch dann noch ruhig schlafen, wenn der Erwerber einmal in finanzielle Schwierigkeiten geraten sollte und eine Zwangsversteigerung der Immobilie droht. Der Nießbrauch erlischt dann nämlich selbst im Versteigerungsfall nicht, sondern kann dem Ersteher des Anwesens entgegengehalten werden. 2. Wohnungsrecht Das zweite klassische Vorbehaltsrecht des Übergebers stellt das "Wohnungsrecht" dar. Es beinhaltet das Recht, ein Gebäude oder einen Gebäudeteil unter Ausschluss des Eigentümers als Wohnung zu nutzen. In der Praxis wird es meist lediglich hinsichtlich eines Gebäudeteils, also z.B. einer von mehreren Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus bestellt. Darin liegt einer der wesentlichen Unterschiede zum Nießbrauch. Der Nieß- 12 brauch bezieht sich als das umfassendere Recht normalerweise auf das gesamte Anwesen. Der zweite wesentliche Unterschied besteht darin, dass das Wohnungsrecht regelmäßig nur zur Eigennutzung berechtigt. Zwar darf der Berechtigte seine Familie und die zu seiner Pflege erforderlichen Personen in die Wohnung aufnehmen. Zur Vermietung der Räume ist der Wohnungsberechtigte jedoch nicht befugt. Schließlich muss Hauptzweck die Nutzung des Objekts zu Wohnzwecken sein; an einer Gewerbeimmobilie würde ein Wohnungsrecht daher ebenfalls ausscheiden. Mit dem auf einen Gebäudeteil beschränkten Wohnungsrecht gesetzlich verbunden ist das Recht zur Mitbenutzung der zum gemeinschaftlichen Gebrauch der Hausbewohner bestimmten Anlagen und Einrichtungen, also z.B. des Kellers, Speichers, Hofs und Gartens. In Zweifelsfällen empfiehlt es sich, den Inhalt dieses Mitbenutzungsrechts bei der Wohnungsrechtsbestellung im Einzelnen zu präzisieren. Von den mit dem Anwesen verbundenen Lasten treffen den Wohnungsberechtigten nach dem Gesetz lediglich die Ausbesserungen und Erneuerungen im Rahmen der gewöhnlichen Unterhaltung bezüglich der ihm zur Nutzung zustehenden Räume. Daraus darf jedoch nicht gefolgert werden, dass im Übrigen der Eigentümer zur Unterhaltung des Objekts verpflichtet wäre. Übernimmt er die Instandhaltung freiwillig, so muss er sie zwar auch bezahlen; er kann an sich notwendige Maßnahmen aber auch aufschieben und sehenden Auges in Kauf nehmen, dass die Immobilie nach und nach verfällt. Es kann sich daher empfehlen, bei der Wohnungsrechtsbestellung dem Eigentümer vertraglich eine Instandhaltungspflicht aufzuerlegen. 13 3. Wart und Pflege Zusagen des Erwerbers, den Übergeber bei Krankheit oder Gebrechlichkeit zu versorgen und zu pflegen, stellten früher einen wichtigen Bestandteil vieler Übergabeverträge dar, gerade im landwirtschaftlichen Bereich. Heute werden derartige Klauseln nur noch verhältnismäßig selten gewünscht, was sicher eine soziale Folge der veränderten Lebensverhältnisse und des Übergangs von der Groß- zur Kleinfamilie darstellt. Dessen ungeachtet sind solche Vereinbarungen auch heute natürlich nach wie vor zulässig und möglich. Wenn solche Klauseln gewünscht werden, ist zum Schutz des Erwerbers vor übermäßiger Inanspruchnahme vertraglich möglichst klar abzugrenzen, zu welchen Leistungen er verpflichtet ist. Nach manchen Formulierungsvorschlägen soll die Verpflichtung zur Wart und Pflege nur insoweit bestehen, als sie von einer ungelernten Kraft geleistet werden kann. Es kann auch vereinbart werden, dass die Verpflichtungen enden, wenn aus ärztlicher Sicht die Einweisung des Übergebers in ein Alten- oder Pflegeheim unvermeidlich ist oder die Pflegeverpflichtung ruht, solange der Übergeber sich nicht in dem übergebenen Anwesen aufhält. Vorgeschlagen wird weiter, an die Pflegestufen nach dem Pflegeversicherungsgesetz oder den notwendigen täglichen Zeitaufwand für die Pflege abzustellen. Grundbuchmäßig abgesichert werden können die Vereinbarungen durch Eintragung einer Reallast in das Grundbuch. 4. Leibgeding Unter einem Leibgeding versteht man kein eigenständiges grundbuchmäßiges Recht - wie es etwa Nießbrauch, Wohnungsrecht oder Reallast dar- 14 stellen -, sondern lediglich eine zusammenfassende Eintragung mehrerer Rechte unter einem Sammelbegriff. Sie kommt nach der Rechtsprechung unter besonderen Voraussetzungen in Betracht. Anstelle mehrerer sonst notwendiger Einzelrechte wird also in das Grundbuch nur ein einziges Leibgedingsrecht eingetragen, was die Übersichtlichkeit des Grundbuchs verbessern mag, für sich genommen aber nicht besonders bemerkenswert wäre. Ein Vorteil für den Berechtigten liegt aber in einem erhöhten Schutz für den Fall, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfolgen sollten. Dies lässt es grundsätzlich als sinnvoll erscheinen, von der Möglichkeit der Zusammenfassung von Einzelrechten zu einem Leibgeding in der Praxis Gebrauch zu machen. Besonders häufig werden Wohnungsrechte und Reallasten zur Absicherung von Pflegeverpflichtungen als Leibgeding zusammenfassend eingetragen. 5. Versorgungsleistungen Gelegentlich kommen die Beteiligten überein, dass der Erwerber des Grundbesitzes dem Übergeber laufende monatliche Zahlungen erbringen soll, meist auf dessen Lebensdauer. Steuerlich gesehen wurde bislang zwischen Leibrenten einerseits und sog. "dauernden Lasten" andererseits unterschieden; dauernde Lasten waren beim Erwerber als Sonderausgabe einkommensteuerlich voll abzugsfähig, wodurch sich interessante steuerliche Sparmöglichkeiten ergaben. Diese bestehen heute im Rahmen einer normalen Hausübergabe nicht mehr, kommen allerdings bei Betriebsübergaben weiterhin in Betracht. 15 Um den Übergeber vor den Folgen einer Geldentwertung zu schützen, wird bei solchen Versorgungsleistungen häufig eine Wertsicherung des Zahlungsbetrages gewünscht. So kann sichergestellt werden, dass der monatliche Betrag sich erhöht, sobald die Geldentwertung ein bestimmtes Ausmaß erreicht hat. Zulässig sind solche Wertsicherungsklauseln nur, wenn sie bestimmte gesetzliche Anforderungen erfüllen. Der Notar wird Sie diesbezüglich beraten. Zur Absicherung des Übergebers unterwirft der Erwerber sich wegen seiner monatlichen Zahlungsverpflichtung normalerweise der sofortigen Zwangsvollstreckung. Sollte er seinen Verpflichtungen also nicht nachkommen, muss der Übergeber ihn nicht umständlich auf Zahlung verklagen, sondern kann unmittelbar versuchen, die geschuldeten Beträge zwangsweise beizutreiben. Schließlich erfolgt in der Praxis regelmäßig auch eine grundbuchliche Absicherung. Geeignet ist wiederum die Bestellung einer Reallast. 6. Kombination Mietvertrag/Versorgungsleistungen Das sog. "Stuttgarter Modell" versuchte, insbesondere bei Übergabe eines Mehrfamilienhauses mit nur einer vom Übergeber selbstgenutzten Wohnung steuerliche Vorteile durch die Ersetzung des (zivilrechtlich eigentlich ideal passenden) Wohnungsrechts durch eine Kombination aus einem Mietvertrag über die "Vorbehaltswohnung" und der Vereinbarung einer dauernden Last zu erzielen. Übergeber und Erwerber schlossen einen Mietvertrag ab, wonach der Übergeber die von ihm selbstgenutzte Wohnung auch weiterhin bewohnte, aber gegen Zahlung einer monatlichen Miete. Zum Schutz des Übergebers wurde das ordentliche Kündigungsrecht des Erwerbers ausgeschlossen. 16 Gleichzeitig versprach der Erwerber dem Übergeber die Zahlung einer monatlichen dauernden Last. Diese wurde so festgelegt, dass Miete und dauernde Last sich großenteils aufhoben. Der mögliche steuerliche Vorteil lag in der vollen Abzugsfähigkeit der dauernden Last im Rahmen der Einkommensteuer des Erwerbers. Zum 01.01.2008 wurde die Abzugsfähigkeit jedoch auf Sonderfälle wie Betriebsübergaben beschränkt. Interessant erscheint das "Stuttgarter Modell" daher heute regelmäßig nur unter einem ganz anderem Aspekt, nämlich als mögliches Instrument zur Pflichtteilsumgehung (näher dazu unter V.3.c.)). 7. Exkurs: Sozialhilfebedürftigkeit des Übergebers Nicht selten verbinden Eltern mit der Übertragung einer Immobilie an ihre Kinder auch die Vorstellung, das Objekt könne so für den Fall ihrer späteren Pflegebedürftigkeit und der damit u.U. einhergehenden Inanspruchnahme von Sozialleistungen dem Zugriff der öffentlichen Hand entzogen werden. Das Sozialhilferecht wird vom Grundsatz der Nachrangigkeit der Sozialhilfe beherrscht. Wer in der Lage ist, sich aus eigenem Einkommen oder Vermögen selbst zu helfen, kann keine Ansprüche an den Sozialhilfeträger stellen. Zum verwertbaren Einkommen gehört naturgemäß auch das, was dem Übergeber aus vorbehaltenen Rechten zufließt. Hat der Übergeber sich beispielsweise den Nießbrauch vorbehalten und kann er seine Wohnung in dem übergebenen Haus wegen Pflegebedürftigkeit und Umzugs in ein Heim nicht mehr selbst nutzen, steht ihm wegen des Nießbrauchs die 17 Vermietungsmöglichkeit zu. Der Sozialhilfeträger wird verlangen, dass davon Gebrauch gemacht wird, und die Miete muss zur Deckung der Pflegekosten verwendet werden. Fraglich erscheint, inwieweit das entsprechend gilt, wenn statt eines Nießbrauchs ein Wohnungsrecht vorbehalten wurde. Da ein Wohnungsrecht nach seinem gesetzlichen Inhalt an sich nur zur Eigennutzung berechtigt, sollte sich für die Beteiligten eine günstigere Rechtslage dem Sozialhilfeträger gegenüber ergeben. Dies wurde jetzt auch von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Grundsatz bestätigt: Zwar sei der Übergabevertrag auszulegen. Wenn er keine Regelung darüber enthalte, wie die Wohnung nach einem Umzug des Berechtigten in ein Pflegeheim genutzt werden solle, werde eine Verpflichtung des Erwerbers, die Wohnung selbst zu vermieten oder deren Vermietung durch den Übergeber zu gestatten, dem hypothetischen Willen der Parteien allerdings im Zweifel nicht entsprechen. Folglich kann das Sozialamt regelmäßig nicht die Abführung der vollen (erzielten oder erzielbaren) Miete verlangen. Anders wäre es folgerichtig dann, wenn dem Wohnungsberechtigten die Vermietung vertraglich gestattet wäre. Dies wird in der notariellen Praxis aber nur eher selten gewünscht. Für die Vertragsgestaltung empfiehlt sich eine ausdrückliche Klausel, wonach das Wohnungsrecht beim Auszug des Berechtigten aus dem übergebenen Anwesen ruht. Dann kommt für den Erwerber wohl nur eine Verpflichtung in Betracht, seine durch den Wegzug "ersparten Aufwendungen" zu vergüten. Hierbei dürfte es sich normalerweise nur um einen Bruchteil des vollen Mietwerts handeln. Eine vollständige Klärung durch die Rechtsprechung steht freilich noch aus. Als besonders gefahrenträchtig erscheint unter sozialhilferechtlichem Aspekt die Vereinbarung einer Verpflichtung zu Wart und Pflege. Die 18 Rechtsprechung hat auch in einem solchen Fall eine Verpflichtung des Übernehmers angenommen, zumindest den Wert seiner "ersparten Aufwendungen" zur Pflege beizusteuern. Zwar kann man vertraglich regeln, dass seine Verpflichtungen ruhen sollen, solange der Berechtigte sich z.B. nicht in dem übergebenen Anwesen aufhält. Rein zivilrechtlich wäre der Übernehmer dann entlastet, sobald der Übergeber zur stationären Pflege in ein Heim aufgenommen werden muss. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Rechtsprechung dem Erwerber die Berufung auf eine solche Klausel im Verhältnis zum Sozialhilfeträger verwehren könnte. Die weitere Entwicklung bleibt auch insoweit abzuwarten. Weitere wichtige Zugriffsmöglichkeiten eröffnet dem Sozialamt die Bestimmung des § 528 BGB über die Verarmung des Schenkers. Danach kann ein Schenker von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks fordern, soweit er nach der Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen eigenen angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Dieser Anspruch ist ausgeschlossen, wenn seit der Leistung des geschenkten Gegenstandes zehn Jahre verstrichen sind. Wer also seinen Kindern eine Immobilie überträgt und innerhalb von zehn Jahren pflegebedürftig wird, kann selbst die Rückabwicklung der Schenkung verlangen, soweit er die Kosten seiner Pflege nicht aufbringen kann. Diesen Anspruch des Schenkers kann das Sozialamt auf sich überleiten und anstelle des Schenkers geltend machen, um nicht auf den Heimkosten sitzen zu bleiben. Ob der Schenker selbst damit einverstanden ist, spielt dann keine Rolle mehr. Höchst fraglich war in diesem Zusammenhang, wann ein Geschenk als "geleistet" gilt. Denn häufig werden Immobilien nicht auflagenfrei übertragen, sondern unter dem Vorbehalt lebenslanger Nutzungsrechte für den Schenker weitergegeben. 19 Nach der einschlägigen Rechtsprechung zum Pflichtteilsrecht ist ein Geschenk erst geleistet, wenn der Schenker - auch wirtschaftlich gesehen - ein endgültiges Vermögensopfer erbracht hat. Daran fehlt es naturgemäß bei der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt. Auf die Problematik der Sozialhilfe übertragen müsste das bedeuten: Das Sozialamt könnte den Rückforderungsanspruch zeitlich unbefristet geltend machen, wenn die Eltern zum "Pflegefall" werden - auch noch nach Jahrzehnten! Hier schaffte der Bundesgerichtshof im Jahre 2011 Abhilfe. Er entschied: Der Nießbrauchsvorbehalt hat zur Folge, dass die Eltern - aus den ihnen vorbehaltenen Mieterträgen des Objekts - zumindest einen Teil ihres Unterhaltsbedarfs selbst decken können. Soweit die Pflegekosten nicht anderweitig aufgebracht werden können, müssen die Eltern die Mieterträge hierfür einsetzen. Dies kommt auch dem Sozialamt zugute. Dessen Interessen werden nur durch die Übertragung der übrigen - über die Möglichkeit der Eigennutzung und Vermietung hinaus - mit dem Eigentum verbundenen Befugnisse - etwa zum Verkauf - auf die Kinder berührt. Diese Übertragung findet jedoch sofort mit dem Wechsel des Eigentums statt. Daher ist es nicht gerechtfertigt, für den Beginn der Zehnjahresfrist des § 528 BGB zusätzlich ein "endgültiges Vermögensopfer" zu fordern. Fazit: Sind seit der Schenkung 10 Jahre verstrichen, droht keine Rückforderung der Schenkung mehr bei Sozialhilfebedürftigkeit. Die Rückabwicklung der Schenkung nach § 528 BGB vollzieht sich - anders als man zunächst annehmen sollte - nicht durch Rückgabe der Immobilie "in natura". Vielmehr geht die Rechtsprechung davon aus, dass der Anspruch des Übergebers sich auf laufende monatliche Zahlungen des Übernehmers richtet. Je nach den Umständen des Einzelfalls erscheint es als durchaus denkbar, dass solche laufenden Zahlungen den Übernehmer stärker in Bedrängnis bringen können, als es die Rückgabe der Immobilie selbst täte. Der Bundesgerichtshof hat dem Übergeber jetzt ein Wahl- 20 recht zugesprochen, sich von einer möglichen Zahlungspflicht durch Rückübertragung des Anwesens zu befreien. Wie diese Betrachtungen gezeigt haben, kommt es bei der Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Rechte der Übergeber sich an dem Vertragsanwesen vorbehalten soll, zu einem deutlichen Interessenwiderspruch. Im eigenen Interesse seiner bestmöglichen Absicherung mag für den Übergeber z.B. das besonders weitgehende Nießbrauchsrecht als unverzichtbar erscheinen. Gerade dieses Recht wäre bei späterer Sozialhilfebedürftigkeit aber für den Erwerber besonders nachteilig, da es zur Vermietung und Herausgabe der Mieterträge verpflichtet. Soll der Notar also dem Übergeber lieber die Absicherung durch einen Nießbrauch ausreden oder gar zur vorbehaltlosen Übergabe raten? Durch jede Übertragung verzichtet der Übergeber zwangsläufig auf ein gutes Stück eigener Sicherheit. Trotz aller möglichen Vorbehalte kann er regelmäßig nicht mehr auf die Substanz und den Wert der Immobilie zugreifen, sei es durch ihren Verkauf oder ihre Belastung mit einer Hypothek oder Grundschuld. Wer die Immobilie übernimmt, begibt sich damit auch in eine gewisse Verantwortlichkeit für den Übergeber. Dem widerspräche es nach meiner Überzeugung, dem Übergeber nun auch noch den Verzicht auf zivilrechtlich sachgerechte und seit Jahrzehnten bewährte Sicherungen anzusinnen. Dies gilt um so mehr, als ja in keiner Weise feststeht, ob es überhaupt jemals beim Übergeber zur Inanspruchnahme von Sozialleistungen kommen wird, und ggfls. in welchem Ausmaß. 21 III. Vertragliche Rückforderungsrechte Wird eine Immobilie zu Lebzeiten auf ein Kind überschrieben, gilt das mit allen Konsequenzen: Der Erwerber wird neuer Eigentümer, er kann das Objekt nun verkaufen, belasten oder sonst veräußern. Stirbt das Kind wider Erwarten vor dem Übergeber, tritt die normale Erbfolge auch hinsichtlich des übertragenen Anwesens ein: Wenn das Kind ein Testament errichtet hat, fällt das Übergabeobjekt mit dem sonstigen Vermögen des Kindes an die von ihm bestimmten Erben. Ist kein Testament vorhanden, tritt gesetzliche Erbfolge ein. Ist das Kind selbst verheiratet und hat es eigene Kinder, erben beispielsweise sein Ehepartner und seine Kinder, während der Übergeber leer ausgeht. Durch entsprechende Klauseln im Übergabevertrag kann der Übergeber sich auch insoweit gewisse Mitspracherechte vorbehalten. So kann etwa vereinbart werden, dass der Erwerber zu jeder Veräußerung oder Belastung des Anwesens die vorherige Zustimmung des Übergebers benötigt. Für den Fall, dass er sich darüber vertragswidrig hinwegsetzen sollte, kann er sich zur Rückübertragung des Anwesens verpflichten. Dieser bedingte Rückübertragungsanspruch wiederum kann durch Eintragung einer Eigentumsvormerkung im Grundbuch abgesichert werden. Eine entsprechende Vereinbarung wäre auch für den Fall des Versterbens des Erwerbers vor dem Übergeber möglich. Das Anwesen fällt dann zwar zunächst an die Erben des Erwerbers, der Übergeber hat aber ein Wahlrecht und kann es von diesen zurückverlangen. Übt er dieses Rückerwerbsrecht aus, ist alles wieder wie vor der Überlassung. Anderenfalls verbleibt das Objekt endgültig bei den Erben des Kindes. 22 Ist man schon dabei, eine solche Rückforderungsklausel zu vereinbaren, wird regelmäßig auch noch der Vermögensverfall des Kindes mit abgesichert. Es wird vereinbart, dass der Übergeber auch dann zur Rückforderung berechtigt ist, wenn über das Vermögen des Kindes ein Insolvenzverfahren eröffnet werden sollte oder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Anwesen durch Gläubiger des Kindes erfolgen sollten. So kann die Immobilie der Familie erhalten und vor einem Gläubigerzugriff geschützt werden. Schwierige Detailfragen können auftauchen, wenn das Kind größere Investitionen in das Anwesen vornehmen möchte, zu deren Finanzierung gegebenenfalls auch Grundpfandrechte eingetragen werden müssen. In derartigen Fällen ist besonders gewissenhaft zu prüfen, ob Rückforderungsklauseln überhaupt sachgerecht sind. Sollte man trotz möglicher Schwierigkeiten auf eine Rückforderungsklausel nicht verzichten wollen, sind im Detail besonders sorgfältige Regelungen zu treffen. 23 IV. Weitere "Gegenleistungen" des Erwerbers 1. Schuldübernahme Nicht selten sind im Grundbuch des Übergabeobjekts noch Hypotheken oder Grundschulden eingetragen, die vom Übergeber herrühren. Hier gilt es zwei Fälle zu unterscheiden: Liegen den Grundpfandrechten keine Verbindlichkeiten mehr zugrunde, sollten sie normalerweise gelöscht werden. Das gilt insbesondere dann, wenn Vorbehaltsrechte für den Übergeber bestellt werden. Nur dann erhalten diese Rechte nämlich die erste Rangstelle im Grundbuch. Würde der Übergeber den Vorrang der Grundpfandrechte vor seinen Rechten dulden, könnte der Erwerber ein Darlehen aufnehmen und zu dessen Absicherung die bestehenbleibenden Grundpfandrechte verwenden. Würde er eines Tages seinen Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen können, liefe der Übergeber Gefahr, seine Vorbehaltsrechte in der Zwangsversteigerung des Anwesens zu verlieren, und zwar im schlimmsten Fall ohne jede Entschädigung. Liegen dem Grundpfandrecht aber noch Verbindlichkeiten des Übergebers zugrunde, so können diese vom Übergeber planmäßig weiter bedient werden, vom Übergeber selbst oder vom Erwerber in einer Summe abgelöst werden, oder der Erwerber "übernimmt" diese laufenden Verbindlichkeiten unter Freistellung des Übergebers. Übergeber und Erwerber haben es naturgemäß nicht in der Hand, der Bank einen Schuldnerwechsel aufzuzwingen. Es ist daher wichtig zu wissen, dass der Übergeber der Bank gegenüber nur aus der Haftung frei 24 wird, wenn diese dem Schuldnerwechsel auch zustimmt. Die Beteiligten können den Notar damit beauftragen, diese Zustimmung einzuholen. 2. "Abstandsgelder" Unter einem "Abstandsgeld" versteht man eine Herauszahlung, die der Erwerber dem Übergeber zu erbringen hat. Vereinbart werden kann eine einmalige, sofort oder auch erst später fällig werdende Zahlung. Der Übergeber kann dem Erwerber auch die Zahlung des Betrages in mehr oder weniger hohen Raten gestatten. Zur Absicherung des Übergebers sollte der Erwerber sich wegen seiner Zahlungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen. Zusätzlich kann eine Sicherungshypothek oder Grundschuld für den Übergeber in das Grundbuch eingetragen werden. 3. Verzicht auf Geldforderungen Mitunter erfolgt die Übertragung auch mit Rücksicht auf besondere Leistungen, die der Erwerber dem Übergeber bereits erbracht hat. Diese können beispielsweise in Geldaufwendungen auf den Grundbesitz bestehen, etwa wenn der mit im Haus wohnende Sohn vor Jahren einen Betrag zur Erneuerung der Heizungsanlage beigesteuert hat und nun Eigentümer des Hauses werden soll. Die Übertragung kann auch zur Honorierung von Arbeitsleistungen erfolgen, die der Erwerber in dem Anwesen erbracht hat. Einen ähnlichen Fall stellt die Übergabe zur Abgeltung von Pflichtteilsansprüchen wie im folgenden Beispiel dar: Der Vater ist bereits vorverstor- 25 ben, die Mutter hat das Anwesen vom Vater allein geerbt und der Sohn seinen Pflichtteil bislang nicht geltend gemacht. Bei der Überlassung des Anwesens können Mutter und Sohn festhalten, dass sie teilweise zur Abgeltung des Pflichtteilsanspruchs des Sohnes dem Vater gegenüber erfolgt. Solche Vereinbarungen führen zu einem entgeltlichen oder teil- entgeltlichen Erwerb, der grundsätzlich beständiger ist als ein unentgeltlicher. So können sich für den Erwerber Vorteile z.B. im Verhältnis zu pflichtteilsberechtigten Geschwistern oder bei späterer Inanspruchnahme durch den Träger der Sozialhilfe (vor allem im Falle der Pflegebedürftigkeit des Übergebers) ergeben. 4. "Gleichstellungsgelder" Unter "Gleichstellungsgeldern" versteht man Herauszahlungen des Erwerbers an weitere gesetzliche Erben des Übergebers, in der Regel an seine Geschwister. Wie "Abstandsgelder" können auch diese Zahlungen in einer Summe oder in Raten, sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt fällig werden. Hinsichtlich der Absicherungsmöglichkeiten durch Zwangsvollstreckungsunterwerfung und Bestellung von Hypotheken oder Grundschulden gilt ebenfalls Entsprechendes. Häufig soll mit derartigen Vereinbarungen erreicht werden, dass nach dem Tod des Übergebers zwischen dem Erwerber und seinen Geschwistern kein Streit darüber entsteht, wie die übertragene Immobilie zu bewerten ist, und ob den Geschwistern noch irgendwelche Ansprüche gegen den Erwerber zustehen. Sämtliche Kinder können an der notariellen Übergabeurkun- 26 de mitwirken und sich gegenseitig als gleichgestellt erklären. Besser noch geben die durch Herauszahlungen abgefundenen Geschwister in der Urkunde einen (auf das übergebene Anwesen gegenständlich beschränkten) Pflichtteilsverzicht gegenüber dem Übergeber ab. Damit ist sichergestellt, dass beim Ableben des Übergebers zwischen den Kindern keine Meinungsverschiedenheiten mehr über einen etwaigen Wertausgleich entstehen können, und der Übernehmer des Anwesens ist vor etwaigen Nachforderungen geschützt. 27 V. Pflichtteilsumgehung durch rechtzeitige Überlassung? Immer wieder sieht sich der Notar mit dem Wunsch konfrontiert, Pflichtteilsansprüche unliebsamer Personen auszuschließen oder zu reduzieren. Fraglich erscheint, inwieweit lebzeitige Übertragungen zugunsten einer anderen Person sich dazu eignen. Um das beurteilen zu können, seien hier zunächst einmal die Grundzüge des geltenden Pflichtteilsrechts dargestellt. Nach § 2303 BGB kann ein Abkömmling des Erblassers von dem Erben den Pflichtteil verlangen, wenn er durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Das gleiche Recht steht den Eltern und dem Ehegatten sowie dem eingetragenen Lebenspartner des Erblassers zu. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils. 1. Kreis der Pflichtteilsberechtigten Pflichtteilsberechtigt sind also ausschließlich Abkömmlinge, Eltern, der Ehegatte, außerdem nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz der eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartner. Abkömmlinge sind nicht nur die Kinder, sondern auch die weiteren Abkömmlinge, wie Enkel, Urenkel usw. Selbstverständlich fallen unter die Pflichtteilsberechtigten auch die nichtehelichen Kinder. Freilich sind all diese Personen grundsätzlich nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn sie durch den Erblasser von der Erbfolge ausgeschlossen wurden. Erben beispielsweise die Kinder des Erblassers, so können die Enkel keinen Pflichtteil verlangen. Denn die Enkel sind schon nach dem "Repräsentationsprinzip" durch die noch lebenden Kinder von der gesetzlichen 28 Erbfolge ausgeschlossen. Dieser Ausschluss beruht nicht auf der letztwilligen Verfügung des Erblassers. 2. Natur und Höhe des Anspruchs Der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Geldzahlungsanspruch. Der Pflichtteilsberechtigte wird also nicht Mitglied der Erbengemeinschaft, sondern hat gegen diese nur eine Zahlungsforderung. Dies ist sehr bedeutsam, da in der Erbengemeinschaft das Einstimmigkeitsprinzip herrscht. Als Miterbe könnte der Pflichtteilsberechtigte vieles blockieren, so steht ihm nur eine Geldforderung zu. Die Höhe dieser Forderung beläuft sich auf den halben Wert des gesetzlichen Erbteils. Beispiele: Eltern sind ohne notariellen Ehevertrag miteinander verheiratet. Dann beläuft der Erbteil des Ehepartners sich auf 1/2, die restliche Hälfte des Erbes steht den Abkömmlingen zu. Wäre nur ein Kind vorhanden, würde es ebenfalls 1/2 erben (Pflichtteil also 1/4), bei zwei Kindern betrügen deren Erbteile je 1/4 (Pflichtteile je 1/8). Wäre die Ehe geschieden oder der Ehepartner schon vorverstorben, wären die Abkömmlinge die alleinigen gesetzlichen Erben. Bei einem Kind beliefe sich sein Pflichtteil also auf 1/2, bei zwei Kindern auf je 1/4. Auf den Pflichtteil muss der Berechtigte sich lebzeitige Zuwendungen durch den Erblasser anrechnen lassen, wenn dieser bei der Zuwendung angeordnet hatte, dass diese Anrechnung erfolgen soll. Häufig vergessen Schenker, diese Anrechnungsbestimmung zu treffen oder zumindest beweiskräftig zu dokumentieren. 29 3. Vermeidungsstrategien a) Pflichtteilsentziehung Das Gesetz sieht die Möglichkeit vor, dass der Erblasser einem Berechtigten seinen Pflichtteil entzieht. Dies kommt jedoch nur in gravierenden Ausnahmefällen in Betracht, etwa wenn der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser nach dem Leben getrachtet hat. Die Pflichtteilsentziehung spielt deswegen in der Praxis heute kaum eine Rolle. b) Pflichtteilsverzicht Volljährige Pflichtteilsberechtigte können jederzeit auf ihren Pflichtteil verzichten, z.B. gegen eine Abfindungszahlung oder auch aus völlig freien Stücken. Wichtig ist, dass ein derartiger Verzicht der notariellen Beurkundung bedarf. Mündliche oder schriftliche Verzichte sind unwirksam und wertlos. Praktisch spielt auch der Pflichtteilsverzicht keine allzu große Rolle. Häufig ist ein Verzicht nicht erreichbar, weil das Verhältnis zum Pflichtteilsberechtigten schlecht ist, oder der Erblasser scheut gerade wegen des an sich guten Verhältnisses davor zurück, den Pflichtteilsberechtigten um einen solchen Verzicht anzugehen. Wer einem Kind eine Immobilie zur endgültigen Abfindung aller erbrechtlichen Ansprüche übertragen möchte, könnte die Übertragung aber durchaus davon abhängig machen, dass das Kind in der Übergabeurkunde einen entsprechenden Verzicht erklärt. 30 c) Lebzeitige Übertragung Häufig kommen Erblasser auf den Gedanken, zur Umgehung von Pflichtteilsansprüchen einer "ungeliebten" Person eine lebzeitige Übertragung zugunsten des gewünschten Nachfolgers vorzunehmen. Ein Verkauf muss als geeignete Gestaltung von vornherein ausscheiden. Denn dann muss ein halbwegs angemessener Kaufpreis vereinbart werden und auch tatsächlich fließen. Da es häufig um Grundbesitz und damit um größere Beträge geht, ist es nicht plausibel, wenn dieser Geldbetrag innerhalb kurzer Zeit beim Erblasser einfach "verschwindet". Geeignet könnte demgegenüber die Vornahme einer Schenkung sein. So einfach macht es das Gesetz dem Erblasser jedoch ebenfalls nicht. Denn sonst könnte jeder Erblasser, der seine Zeit gekommen sieht, noch kurz vor dem Ableben sein gesamtes Vermögen herschenken und die Pflichtteilsansprüche nach Belieben aushöhlen. Nach § 2325 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte Pflichtteilsergänzung verlangen, wenn Vermögensgegenstände innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall hergeschenkt wurden. Diese Schenkungen werden dem Nachlass zum Zwecke der Pflichtteilsberechnung wieder hinzugerechnet. Stirbt der Schenker bereits im ersten Jahr nach der Schenkung, wird die Schenkung voll hinzugerechnet, dann reduziert sich der ergänzungspflichtige Schenkungswert für jedes folgende Jahr um 10 %. Diese "Abschmelzungsregelung" wurde neu ins Gesetz aufgenommen und gilt für alle Fälle ab dem 1.1.2010. Strenger ist die Gesetzeslage bei Schenkungen an den Ehegatten. Wird die Ehe erst durch den Tod des Erblassers beendet, so werden diese Schenkungen ganz unabhängig davon hinzugerechnet, wann sie erfolgt sind. 31 Häufig erfolgen Schenkungen unter Vorbehalt von Nutzungsrechten, insbesondere eines Nießbrauchs, also eines umfassenden Nutzungsrechts am ganzen Objekt. Die Vereinbarung eines solchen Nießbrauchs führt nach der Rechtsprechung ebenfalls dazu, dass die Zehnjahresfrist nicht zu laufen beginnt. Trotzdem kann die Übertragung gegen Nießbrauchsvorbehalt zur Pflichtteilsreduzierung äußerst sinnvoll sein. Denn für die Pflichtteilsberechnung dem Nachlass hinzugerechnet wird nur der Wert der Schenkung. Schenkungswert ist hier die Differenz zwischen dem Wert des übertragenen Objekts und dem Wert des vorbehaltenen Nutzungsrechts. Das ist der erzielbare Reinertrag der Immobilie, hochgerechnet auf die statistische Restlebenserwartung des Schenkers nach der Sterbetafel. Bei jüngeren Übergebern liegt der Wert des Nutzungsvorbehalts typischerweise so hoch, dass der Schenkungswert durch die Vereinbarung des Nießbrauchs erheblich, unter Umständen auf nahe Null, gedrückt wird. Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung allerdings, dass das Objekt von der Übertragung bis zum Erbfall wertstabil bleibt. Ist aufgrund des Alters und Gesundheitszustands des Erblassers die Wahrscheinlichkeit des Überlebens der zehn Jahre hoch, so kommt auch eine Übertragung gegen Vorbehalt eines eingeschränkten Nutzungsrechts (z.B. eines Wohnungsrechts an nur einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus) in Betracht. Pflichtteilsrechtlich empfehlenswert, allerdings zivilrechtlich hinsichtlich der dem Veräußerer garantierten Sicherheit nicht optimal, kann auch der Abschluss eines vom Erwerber unkündbaren Mietvertrags mit dem Veräußerer auf dessen Lebenszeit sein. Der Erwerber übernimmt zugleich eine Verpflichtung zur Zahlung eines monatlichen Geldbetrages. Aus dieser monatlichen Zahlung des Erwerbers bestreitet der Veräußerer die verein- 32 barte Miete, wohnt also "unter dem Strich" nach wie vor unentgeltlich ("Stuttgarter Modell"). Damit ergibt sich ein ähnliches wirtschaftliches Ergebnis wie beim Vorbehalt des Nießbrauchs, möglicherweise lassen sich jedoch die pflichtteilsrechtlichen Nachteile des Nießbrauchs durch diese Lösung vermeiden. 33 VI. Sonderfall: Schenkungen an Minderjährige Gelegentlich gewünscht, aber rechtlich und auch sonst besonders problematisch sind Übertragungen an minderjährige Kinder. Aus rechtlicher Sicht kommt es entscheidend darauf an, ob der Minderjährige durch die Zuwendung lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt. Ist dies der Fall, so kann er den Vertrag selbst unterschreiben, sofern er bereits das 7. Lebensjahr vollendet hat, oder die Eltern können den Vertrag zugleich im eigenen Namen und als gesetzliche Vertreter ihres Kindes abschließen. Der Bestellung eines Pflegers für das minderjährige Kind bedarf es dann nicht. Zur Frage, wenn ein Rechtsgeschäft für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft ist, besteht eine umfangreiche Rechtsprechung. Zwar soll es unschädlich sein, wenn der Übergeber ein Grundstück unter dem Vorbehalt eines Nießbrauchs oder eines Wohnungsrechts überträgt. Schon die weitere Vereinbarung eines vertraglichen Rückforderungsrechts - etwa für den Fall des Vorversterbens des Minderjährigen - soll jedoch dazu führen, dass der Vertrag auch rechtlich nachteilig ist. Der Erwerb eines vermieteten oder verpachteten Anwesens soll ebenfalls nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sein. Entsprechendes nimmt die Rechtsprechung für den Erwerb eines Erbbaurechts und häufig oder einer Eigentumswohnung an. Soweit die Eltern oder der Minderjährige nicht selbst handeln können, muss für das Kind ein Ergänzungspfleger bestellt werden. Der vom Ergänzungspfleger im Namen des Kindes sodann abgeschlossene Vertrag bedarf zusätzlich der familiengerichtlichen Genehmigung. Bei der Entscheidung, ob es die Genehmigung erteilt, hat das Familiengericht ausschließlich das Wohl und die Interessen des Kindes zu berücksichtigen. 34 Ungeachtet dieser rechtlichen Feinheiten muss der Übergeber sich darüber im Klaren sein, dass er das Anwesen so lange praktisch dem Rechtsverkehr entzieht, bis der jüngste Erwerber das Volljährigkeitsalter erreicht hat. Veräußerungen und Belastungen sind weitgehend ausgeschlossen, da sie kaum je im Interesse des Minderjährigen liegen dürften (und mögliche berechtigte Interessen der Eltern für das Familiengericht keine Rolle spielen). In keinem Fall dürfen die Eltern das Kind bei derartigen Geschäften vertreten. Vor allem aber ist kaum je vorhersehbar, welche persönliche oder auch wirtschaftliche Entwicklung der Minderjährige in der Zukunft noch nehmen wird. Das sonnige Baby kann sich zum drogensüchtigen Kriminellen wandeln, oder es kann das Opfer einer Behinderung werden, so dass die allzu früh übertragene Immobilie dem Sozialhilfeträger anheimfällt. 35 VII. Schenkungsteuer 1. Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer sind gemeinsam im "Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz" geregelt. Auch inhaltlich gelten für Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer im Wesentlichen die gleichen Grundsätze. Somit macht es für die Steuer normalerweise keinen Unterschied, ob ein Gegenstand verschenkt wird oder durch Erbfolge übergeht. Steuerpflichtig sind grundsätzlich der Erwerb von Todes wegen, die Schenkung sowie die sog. Zweckzuwendung. Das Bundesverfassungsgerichts hatte das alte Erbschaftsteuerrecht für verfassungswidrig erklärt. Grundbesitz war auf der Grundlage der steuerlichen Einheitswerte und damit in der Regel deutlich niedriger bewertet worden, als dem wahren Verkehrswert entsprochen hätte. Darin sah das Gericht eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung. Mit Wirkung ab dem 01.01.2009 hat der Gesetzgeber deshalb die Erbschaftsteuer grundlegend reformiert. 2. Steuerklassen Abhängig von der persönlichen Nähe zum Erblasser/Schenker unterscheidet das Gesetz drei Steuerklassen: 36 Steuerklasse I: 1. der Ehegatte und der eingetragene (gleichgeschlechtliche) Lebenspartner, 2. die Kinder und Stiefkinder, 3. die Abkömmlinge der Kinder und Stiefkinder und 4. die Eltern und Voreltern (aber nur beim Erwerb von Todes wegen). Steuerklasse II: 1. die Eltern und Voreltern (bei Schenkungen), 2. die Geschwister, 3. die Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern, 4. die Stiefeltern, 5. die Schwiegerkinder, 6. die Schwiegereltern und 7. der geschiedene Ehegatte. Steuerklasse III: alle übrigen Erwerber, Zweckzuwendungen. 3. Freibeträge Wiederum abhängig vom persönlichen Näheverhältnis zum Erblas- ser/Schenker gewährt das Gesetz unterschiedlich hohe allgemeine Steuerfreibeträge: Steuerfrei bleibt der Erwerb a) folgender Personen in Steuerklasse I: des Ehegatten und eingetragenen (gleichgeschlechtlichen) Lebenspartners in Höhe von € 500.000,-, 37 der Kinder und Stiefkinder und der Kinder verstorbener Kinder und Stiefkinder in Höhe von € 400.000,-, der Kinder von Kindern und Stiefkindern im Übrigen in Höhe von € 200.000,-, der übrigen Personen der Steuerklasse I in Höhe von € 100.000,-; b) der Personen der Steuerklasse II in Höhe von € 20.000,-, c) der Personen der Steuerklasse III in Höhe von gleichfalls € 20.000,-. Hinzu kommen sachliche Steuerbefreiungen. So ist z.B. Hausrat steuerfrei, wenn dessen Wert pro Person der Steuerklasse I € 41.000,-- nicht übersteigt. Wichtig sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Regelungen über den Ansatz betrieblichen Vermögens. Hier ist an die Stelle des früheren Betriebsvermögensfreibetrags von € 225.000,-- ein außerordentlich kompliziertes System von Begünstigungsregelungen getreten, sofern der Betrieb in bestimmtem Umfang und auf eine bestimmte Mindestdauer fortgeführt wird. Wichtig ist, dass für die Besteuerung aufgrund des § 14 Erbschafts- und Schenkungsteuergesetz alle Zuwendungen eines Zehnjahreszeitraums zusammengerechnet werden. Das bedeutet umgekehrt, dass der allgemeine Freibetrag nach Ablauf dieser zehn Jahre wieder neu in Anspruch genommen werden kann! 4. Steuersätze Die Steuersätze variieren abhängig von der Steuerklasse und dem Wert des steuerpflichtigen Erwerbs (nach Abzug der Freibeträge). Sie sind in der nachstehenden Tabelle zusammengefasst: 38 Wert des steuerpflichtigen Vomhundertsatz in den Steuerklassen Erwerbs bis einschließlich € I II III 75.000,00 7 15 30 300.000,00 11 20 30 600.000,00 15 25 30 6.000.000,00 19 30 30 13.000.000,00 23 35 50 26.000.000,00 27 40 50 über 26.000.000,00 30 43 50 Innerhalb der Steuerklasse I hat die Reform keine wesentliche Änderung gebracht. Drastisch erhöht wurden jedoch zunächst die Steuersätze in den Steuerklassen II und III. Für die Steuerklasse II wurden sie zum 1.1.2010 wieder ermäßigt auf die in der Tabelle genannten Sätze. 5. Bewertungsverfahren bei Grundbesitz Ein wesentlicher Aspekt der Erbschaftsteuerreform ist das neugeschaffene Bewertungsverfahren für Grundbesitz. Eine amtliche Bewertung findet heute nur noch im Erbfall bzw. im Schenkungsfall statt, wenn also konkreter Bewertungsbedarf besteht. Die frühere Besteuerung nach Einheitswerten, die eine leichtere Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der Steuer ermöglichte, wurde schon vor Jahren abgeschafft. Dadurch sollte Verwaltungsaufwand reduziert werden. Da die Einheitswerte aber gleichwohl fortgeschrieben werden und für die Grundsteuer noch Bedeutung haben, erscheint dies nicht unbedingt als folgerichtig. 39 Grundvermögen ist grundsätzlich mit dem gemeinen Wert (Verkehrswert) anzusetzen. Für unbebaute Grundstücke ist der vom zuständigen Gutachterausschuss für Grundstückswerte bei der Gemeinde festgestellte Bodenrichtwert maßgeblich, der einfach auf die zu bewertende Fläche hochgerechnet wird. Eine pauschale Ermäßigung – wie vor der Erbschaftsteuerreform – wird nicht mehr gewährt. Die Gutachterausschüsse erteilen kostenlos Auskunft über diese Bodenrichtwerte. Der gemeine Wert bebauter Grundstücke soll künftig nach typisierenden Bewertungsverfahren ermittelt werden. Beim Vergleichswertverfahren wird der Wert vorrangig aus den von den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte mitgeteilten Vergleichspreisen abgeleitet. Es soll für Wohnungs- und Teileigentum sowie Ein- und Zweifamilienhäuser gelten. Voraussetzung ist, dass es sich um weitgehend gleichartige Gebäude handelt. Beim Ertragswertverfahren wird der Steuerwert aus dem Bodenwert und dem Gebäudeertragswert, ausgehend von den Jahresrohmieten, ermittelt. Es findet insbesondere bei Mietwohngrundstücken sowie Geschäfts- und gemischt genutzten Grundstücken Anwendung, für die sich eine marktübliche Miete feststellen lässt. Grundstücke, für die kein Vergleichswert ermittelt werden kann, für die sich keine übliche Miete feststellen lässt, sowie sonstige bebaute Grundstücke werden nach dem Sachwertverfahren bewertet. Bodenwert und Gebäudesachwert, ausgehend von den Regelherstellungskosten unter Berücksichtigung einer Alterswertminderung, ergeben zusammengerechnet und multipliziert mit einer "Wertzahl" den maßgeblichen Grundbesitzwert. Sowohl bei unbebauten als auch bebauten Grundstücken ist noch darauf hinzuweisen, dass der Nachweis eines niedrigeren Werts durch den 40 Steuerpflichtigen - etwa mittels eines Sachverständigengutachtens - vom Gesetz zugelassen wird. Das bisherige Abzugsverbot für Nutzungs- und Rentenlasten zugunsten des Übergebers aufgrund entsprechender Vorbehalte wurde durch die Erbschaftsteuerreform aufgehoben. Nach neuem Recht mindern diese Belastungen den Steuerwert des Erwerbs. Auf die Lebensdauer des Übergebers vereinbarte Rechte sind anhand der aktuellen, jährlich herausgegebenen Sterbetafeln des Statistischen Bundesamts zu bewerten. 6. Sparmöglichkeiten Das geltende Recht eröffnet eine ganze Reihe von Sparmöglichkeiten. Einige Wichtige sollen näher dargestellt werden. a) Steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen/Schenkung vermeiden Stellt die Übertragung gar keinen steuerpflichtigen Erwerb im Sinne des Gesetzes dar, bleibt sie vollkommen steuerfrei. Daraus ergibt sich folgende Gestaltungsmöglichkeit: Eheleute haben sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Nach dem Tod des Erstversterbenden möchte der Längerlebende eine Immobilie auf ein Kind übertragen, das beim Tod des erstversterbenden Elternteils - wie normalerweise üblich - keinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hat. Anstatt nun eine Schenkung zu vereinbaren, kann festgelegt werden, dass die Übertragung (zumindest auch) zur Abgeltung des Pflichtteilsanspruchs nach dem erstverstorbenen Elternteil erfolgt. Insoweit liegt 41 dann ein entgeltliches Geschäft vor mit der Möglichkeit der entsprechenden Schenkungsteuerersparnis. b) Steuerklasse/Freibeträge: Wer überträgt wem? aa) Ausnutzung der Freibeträge beider Eltern Die allgemeinen Steuerfreibeträge stehen den Kindern gegenüber jedem Elternteil zu. Steuergünstig ist es also, wenn jeder Elternteil etwas verschenkt oder vererbt. bb) Wechsel der Steuerklasse durch Adoption Auch durch eine Adoption kann ein Wechsel in eine günstigere Steuerklasse und zu höheren Freibeträgen hin erfolgen. cc) Kinder nicht zugunsten des Schwiegerkinds/der Enkel übergehen Bei Übertragung an ein Schwiegerkind entsteht regelmäßig eine erheblich höhere Steuer als bei Übertragung an das Kind. Entsprechendes gilt, wenn (noch lebende) Kinder zugunsten von deren Kindern übergangen werden, also eine Generation übersprungen wird. dd) Verteilung der Zuwendung auf mehrere Empfänger Wird die Zuwendung auf mehrere Empfänger verteilt, so können die Freibeträge wirkungsvoller ausgenutzt werden. Darin liegt ein entscheidender steuerlicher Nachteil des beliebten "Testaments aufs längste Leben", in dem Eheleute sich gegenseitig 42 zu Alleinerben einsetzen. Als Folge dieser Verfügung bleiben die Freibeträge der Kinder beim Tod des erstversterbenden Elternteils ungenutzt. Dies sollte bei einem hohen Nachlasswert bei der Testamentsgestaltung im Hinterkopf behalten werden. In geeigneten Fällen kann die Steuerlast dadurch verringert werden, dass der Erstversterbende den Kindern Vermächtnisse zu Lasten des Längerlebenden aussetzt, bestehend z.B. in der Verpflichtung zur Herauszahlung eines Geldbetrages bis zur Höhe des allgemeinen Freibetrags von € 400.000,-- je Kind. Es sind auch Gestaltungen denkbar, in denen dem Längerlebenden eine weitgehende Entscheidungsfreiheit überlassen wird, nach seinem Gutdünken festzulegen, wann und wie er die Kinder am Nachlass des Erstverstorbenen beteiligt. Als "Notbremse" kommt noch die abgestimmte Geltendmachung von Pflichtteilsrechten in Betracht. Der überlebende Ehegatte schließt mit den Abkömmlingen, die aufgrund des Testaments nichts geerbt haben, einen Vertrag zur Abfindung von deren Pflichtteilsansprüchen. Durch die Herauszahlung an die Kinder mindert sich die Steuerlast des überlebenden Elternteils; die Kinder können für die Herauszahlung den Freibetrag beanspruchen. ee) Kettenschenkungen Steht das wertvolle Familienheim im Alleineigentum eines Ehepartners und soll es einem gemeinsamen Kind übertragen werden, so steht nur einmal der Freibetrag von € 400.000,-- zur Verfügung. Günstiger wäre es, wenn die Eltern Miteigentümer zu je ein halb wären, das Kind könnte den Freibetrag dann zweimal - gegenüber jedem Elternteil gesondert - in Ansatz bringen. Eine entsprechende Situation besteht, wenn Eltern einem Schwiegerkind etwas übertragen möchten. Zwischen Eltern und Kind bestehen hohe Freibeträge, 43 ebenso zwischen Kind und Schwiegerkind. Der Freibetrag bei einer Direktübertragung von den Eltern auf das Schwiegerkind ist dagegen bescheiden. In solchen Fällen könnte man an eine gestaffelte Übertragung (zuerst eines Miteigentumsanteils an den Ehepartner und dann des ganzen Objekts weiter an das Kind, bzw. im zweiten Beispiel zunächst an das Kind und dann weiter an das Schwiegerkind) denken. In derartigen Situationen ist die Gefahr zu bedenken, dass das Finanzamt einen Gestaltungsmissbrauch annimmt und den Vorgang steuerlich so behandelt, als sei die Übertragung doch unmittelbar erfolgt. Entscheidend für die steuerliche Beurteilung war bislang vor allem, ob die Weiterschenkung aus freier Entschließung erfolgt oder nicht. Fehlt es an einer solchen, erfolgt die Besteuerung wie bei einer Direktübertragung. Eigene Entscheidungsmacht dürfte der Zwischenerwerber bereits dann haben, wenn er als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, bevor die Weiterübertragung erfolgt. Neuerdings erscheint jedoch fraglich, inwieweit bei Kettenschenkungen ein "Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten" im Sinne der verschärften Bestimmung des § 42 Abgabenordnung angenommen werden wird. Das lässt es ratsam erscheinen, zwischen beiden Übertragungen zumindest eine gewisse "Schamfrist" verstreichen zu lassen. ff) Übernahme der Schenkungsteuer durch den Schenker Vor allem bei ungünstiger Steuerklasse und niedrigen Freibeträgen lässt sich überraschenderweise eine (beachtliche) Steuerersparnis dadurch erreichen, dass der Schenker die Schenkung- 44 steuer übernimmt. Dies gilt es z.B. bei einer Zuwendung an den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Auge zu behalten. c) Zehnjahresgrenze: Mehrfache Ausnutzung der Freibeträge Beträchtliche Steuerersparnisse ermöglicht die bereits angesprochene Zehnjahresgrenze, nach deren Ablauf die allgemeinen Steuerfreibeträge wieder erneut in Anspruch genommen werden können. Bei entsprechend großem Vermögen empfiehlt es sich daher, z.B. eine geeignete Immobilie frühzeitig auf Abkömmlinge zu übertragen, damit nach Verstreichen von 10 Jahren die Steuerfreibeträge noch ein zweites und ggfls. auch noch ein drittes oder gar viertes Mal in Anspruch genommen werden können. 45 VIII. Andere steuerliche Gesichtspunkte 1. Grunderwerbsteuer Grunderwerbsteuer entsteht bei der lebzeitigen Übertragung von Immobilien zur vorweggenommenen Erbfolge regelmäßig nicht. § 3 Nr. 2 Grunderwerbsteuergesetz nimmt Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes von der Grunderwerbsteuer aus. Etwas anderes kann zwar für Schenkungen unter einer Auflage oder für sog. gemischte Schenkungen gelten. Dann greift jedoch meist der Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 6 Grunderwerbsteuergesetz (Erwerb unter Verwandten in gerader Linie) ein. 2. Einkommensteuer Die Grundzüge der steuerlichen Behandlung von Mieteinkünften beim Nießbrauchsvorbehalt wurden bereits bei Erörterung des Nießbrauchs behandelt (vgl. Abschnitt II.1.). An dieser Stelle soll nur noch auf die besonderen Risiken hingewiesen werden, wenn das Übergabeobjekt zu einem Betriebsvermögen gehört. Hier kommt es zu einer Entnahme und der Gefahr einer erheblichen Steuerbelastung durch die damit verbundene Aufdeckung stiller Reserven. Besteht auch nur die Möglichkeit, dass das Grundstück zu einem Betriebsvermögen gehören könnte, sollte vor der Beurkundung unbedingt ein steuerlicher Berater konsultiert werden. 46 IX. Weiterführende Informationen Beck- Rechtsberater im dtv: Fromm/Vogt, Richtig schenken und vererben, 7. Aufl. 2012, € 14,90- (v.a. zu steuerlichen Fragen)