Berichterstattung Sozialinspektion Erhebung 2015

Transcription

Berichterstattung Sozialinspektion Erhebung 2015
Gesundheitsund Fürsorgedirektion
des Kantons Bern
Direction de la santé
publique et de la
prévoyance sociale
du canton de Berne
Sozialamt
Office des affaires sociales
Rathausgasse 1
3011 Bern
Telefon +41 31 633 78 11
Telefax +41 31 633 78 92
www.gef.be.ch
[email protected]
Berichterstattung Sozialinspektion
Erhebung 2015
Berichterstattung Sozialinspektion
Erhebung 2015
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung .......................................................................................................................... 3
2
Berichterstattung .............................................................................................................. 3
2.1
3
Ergebnisse im Überblick ............................................................................................. 4
2.1.1
Sozialinspektionsfälle .................................................................................... 4
2.1.2
Verdachtsmomente ....................................................................................... 4
2.1.3
Ergebnisse .................................................................................................... 5
2.1.4
Massnahmen ................................................................................................ 6
2.1.5
Kosten .......................................................................................................... 7
2.1.6
Zusammenarbeit ........................................................................................... 7
Schlussbetrachtung.......................................................................................................... 7
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Berichterstattung Sozialinspektion
1
Erhebung 2015
Einleitung
Mit dem Ziel, die Missbrauchsprävention und die Missbrauchsbekämpfung in der individuellen
Sozialhilfe zu stärken, wurde im Kanton Bern nach einer Übergangsregelung 2012 die Sozialinspektion auf gesetzlicher Ebene reglementiert. Sozialinspektionen können von den Gemeinden
angeordnet werden, wenn ein begründeter Verdacht auf unrechtsmässigen Sozialhilfebezug
vorliegt. Solche Inspektionen sollen Sozialdiensten helfen Klarheit über die Situation zu erhalten, um im Erhärtungsfall schnellstmöglich Massnahmen einleiten zu können.
Die gesetzliche Grundlage zur Sozialinspektion wurde am 1. Januar 2012 in Art. 50a des Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe vom 11. Juni 2001 (Sozialhilfegesetz, SHG; BSG 860.1)
und in Art. 23a ff der Verordnung über die öffentliche Sozialhilfe vom 24. Oktober 2001 (Sozialhilfeverordnung, SHV; BSG 860.111) verankert.
Das Gesetz ermächtigt die Gemeinden in gewissen Fällen, die Überwachung oder die verdeckte Ermittlung von Sozialhilfebeziehenden anzuordnen. Solche Überwachungen tangieren die
Grundrechte der persönlichen Freiheit und den Schutz der Privatsphäre und sind dadurch
durch konkrete gesetzliche Rahmenbedingungen geregelt. Sozialhilfebeziehende werden bei
Antragstellung über das Vorgehen des Sozialdienstes bei Verdacht auf unrechtmässigen Sozialhilfebezug informiert. Dies sollte präventiv einen möglichen Sozialhilfebetrug verhindern. Die
Überwachung selbst muss vorgängig von der Sozialbehörde genehmigt werden und darf nur
zeitlich begrenzt und auf öffentlich einsehbarem Grund durchgeführt werden.
Im Februar 2012 wurde auf Initiative der Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF) der Verein
Sozialinspektion1 gegründet, um den Gemeinden einen kompetenten und fachkundigen Partner
für Sozialinspektionen an die Seite zu stellen. Die Aufträge an den Verein Sozialinspektion sind
für die Sozialdienste kostenlos, da der Verein von der GEF mit einem Leistungsvertrag finanziert wird. Die Kosten für Inspektionsfirmen werden bis zu einem bestimmten Betrag vom Kanton übernommen.
2 Berichterstattung
Um die Missbrauchstendenzen in der Sozialhilfe über einen längeren Zeitraum zu beobachten
und die Zusammenarbeit mit Sozialinspektionspartnern zu analysieren sowie mögliche Massnahmen bei Bedarf ergreifen zu können, ist das Kantonale Sozialamt auf eine fundierte Berichterstattung seitens der Sozialdienste angewiesen. Artikel 23d SHV sieht dabei vor, dass die
Sozialdienste dem Sozialamt (SOA) der GEF jedes Jahr Ende September über die Sozialinspektion Bericht erstatten. Mithilfe einer Online-Befragung zur Sozialinspektion erhebt das SOA
jährlich die Daten in allen Sozialdiensten und wertet diese anschliessend aus.
Die aktuelle Berichterstattung bezieht sich auf den Zeitraum vom 1. September 2014 bis 31.
August 2015. Nachfolgend werden die Ergebnisse zusammengefasst und anhand der Daten
der letztjährigen Berichtsperiode erste Rückschlüsse gezogen.
1
Internetseite des Vereins Sozialinspektion: http://www.sozialinspektion.ch
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Berichterstattung Sozialinspektion
2.1
2.1.1
Erhebung 2015
Ergebnisse im Überblick
Sozialinspektionsfälle
Während der Berichtsperiode wurden insgesamt 179 Sozialinspektionsfälle in 37 Sozialdiensten durchgeführt, davon wurden 115 Fälle abgeschlossen. Dabei weisen Biel, Bern und Thun
die meisten Fälle auf. Von den 115 abgeschlossenen Fällen waren 31 Fälle vom Sozialdienst
Biel und 20 Fälle vom Sozialdienst der Stadt Bern. Thun folgt mit einem grösseren Abstand mit
sechs Fällen. Die übrigen Sozialdienste weisen unter sechs Fälle auf. Im Vergleich zur letzten
Berichtsperiode hat die Anzahl abgeschlossener Sozialinspektionsfälle zugenommen (Vorjahr:
85 abgeschlossene Fälle).
Die Anzahl der laufenden Fälle beträgt 64, davon sind elf Fälle vom Sozialdienst Biel, zehn vom
Sozialdienst der Stadt Bern und sechs vom Sozialdienst Thun (Vorjahr: Total 65 laufende Fälle).
2.1.2
Verdachtsmomente
Für die 115 abgeschlossenen Fälle wurden insgesamt 195 Verdachtsmomente erwähnt. Dabei
gibt es zu beachten, dass für einen abgeschlossenen Fall mehrere Verdachtsmomente aufgenommen werden können.
In knapp 50% bezieht sich der genannte Verdacht auf nicht oder nicht vollständig deklariertes
Einkommen. Bei 27% handelt es sich um falsche Angaben zur Wohnsituation. Die prozentuale
Verteilung der Verdachtsmomente hält sich ähnlich wie im Vorjahr.
Verdachtsmomente 2015
Prozentuale Darstellung
7.7%
Nicht oder nicht vollständig deklariertes
Erwerbseinkommen (n=96)
15.9%
49.2%
27.2%
Falsche Angaben zur Wohnsituation
(n=53)
Nicht korrekt deklarierte Vermögenswerte
(n= 31)
Anderes (n=15)
Beispiele für andere Verdachtsmomente sind:
-
Einkommen aus kriminellen Tätigkeiten
Gemeinsamer Haushalt trotz anderslautenden Angaben
Arbeitsfähigkeit
Ferienaufenthalt (länger als 4 Wochen)
Fahrzeuge
Familiengrösse (Personen pro Haushalt)
Besuchsrecht bei Eltern
Gesundheitliche Einschränkungen, die evtl. keine sind (IV hat Renten eingestellt)
Doppelt ausbezahlte Leistungen wurden nicht gemeldet.
Hinweise auf die Miete eines Lagerraums für nicht definierte Zwecke
Selbständige Erwerbsarbeit
Bezug von Harz IV-Geldern während gleichzeitigem Sozialhilfebezug in der Schweiz
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Berichterstattung Sozialinspektion
2.1.3
Erhebung 2015
Ergebnisse
Bei über 38% der abgeschlossenen Fälle wurden keine ausreichenden Beweise gefunden um
den Verdacht zu erhärten (bei 14.8% wurde der Verdacht entkräftet, bei 23.5% nicht erhärtet).
Bei 18.3% der Fälle wurde der Verdacht teilweise erhärtet und bei über 43% der Fälle erhärtete
sich der Verdacht und konnte nachweislich bestätigt werden.
Im Vergleich zur letzten Berichtsperiode hat sich der Anteil Fälle mit erhärtetem Verdacht vergrössert (Vorjahr: In 32.9% der Fälle hat sich der Verdacht erhärtet). Die Anzahl der Fälle, in
denen der Verdacht entweder nicht erhärtet oder entkräftet werden konnte, lag 2014 nur minim
höher bei 41%.
Ergebnisse der durchgeführten Sozialinspektion 2015
Prozentuale Darstellung
Erhärtet (n=50)
14.8%
Teilweise erhärtet (n=21)
23.5%
43.5%
Nicht erhärtet (n=27)
Entkräftet (n=17)
18.3%
Beweismittel, mit denen der Verdacht erhärtet werden konnte, waren unter anderem:
-
Kontoauszüge
Arbeitsvertrag
Hausbesuche
Internetrecherchen
Videoüberwachungen / verdeckte Ermittlungen
Abklärungen (Ausländerbehörde, Liegenschaftsdienste, Arbeitgeber)
Ermittlungen mit KAPO (Erotikmilieu / Drogenmilieu)
Entkräftende Beweismittel waren beispielsweise:
-
Zu hoch versicherte Policen
Verdeckte Ermittlungen, Hausbesuche (auch unangemeldet)
Internetrecherchen
Fotobeweise
Bankenumfrage
Befragung durch Sozialinspektoren
Hier ist anzufügen, dass jeder Verdachtsmoment in einem Fall einzeln eine (unterschiedliche)
Beweislage aufweisen kann.
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Berichterstattung Sozialinspektion
2.1.4
Erhebung 2015
Massnahmen
Die Sozialdienste haben bei den abgeschlossenen Sozialinspektionen als Massnahme vorwiegend Strafanzeige eingereicht (35%) (Mehrfachnennungen pro Fall möglich). Im Vorjahr hingegen wurden prozentual am häufigsten Rückerstattungen eingeleitet (2014: 38%); Strafanzeigen
wurden in 25% der Fälle getätigt.
Massnahmen der Sozialdienste 2015
Prozentuale Darstellung
9%
20%
Kürzung der Sozialhilfe (n=24)
Einstellung der Sozialhilfe (n=13)
24%
11%
Strafanzeige (n=42)
Rückerstattung (n=29)
35%
Anderes (n=11)
Von Seiten der Klienten und Klientinnen wurden weniger oft Massnahmen ergriffen. Wenn
Massnahmen ergriffen wurden, dann meistens durch Wegzug oder durch die Aufnahme einer
Erwerbstätigkeit. Prozentual hat sich der Anteil der Klienten und Klientinnen, die eine Erwerbstätigkeit aufnahmen, zum Vorjahr fast verdoppelt (2015: 26.7%; 2014: 13.8%). Das Gesuch
wird hingegen um knapp die Hälfte weniger zurückgezogen als im letzten Berichtsjahr (2014:
31%).
Massnahmen der Klienten und Klientinnen 2015
Prozentuale Darstellung
16.7%
16.7%
Rückzug Gesuch (n=5)
Wegzug (n=12)
26.7%
40.0%
Aufnahme Erwerbstätigkeit (n=8)
Anderes (n=5)
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Berichterstattung Sozialinspektion
2.1.5
Erhebung 2015
Kosten
Die Kosten für die Sozialinspektionsaufträge aller Sozialdienste, welche an Sozialinspektionsfirmen vergeben wurden, beliefen sich während der Berichtsperiode auf gut CHF 85‘000.–. Diese Kosten haben im Vergleich zur letzten Berichtsperiode um fast einen Drittel zugenommen.
Sozialinspektionsfälle, welche dem Verein Sozialinspektion übertragen wurden, lösen für die
Sozialdienste keine Kostenfolgen aus, weil der Verein Sozialinspektion die Kosten für diese
Fälle direkt mit der GEF abrechnet.
Der Verein Sozialinspektion kostete die GEF im Jahr 2015 gemäss Leistungsvertrag rund CHF
690‘000.–.
Bei den abgeschlossenen Fällen mit unrechtmässigem Sozialhilfebezug konnte die rückerstattungspflichtige Summe bei 37 Fällen beziffert werden und belief sich auf knapp CHF 674’000.–.
Dabei macht allein der Sozialdienst Biel mit CHF 350‘000.– über die Hälfte aus, gefolgt von
CHF 70‘000.– beim Sozialdienst Region Laupen.
2.1.6
Zusammenarbeit
Insgesamt haben 32 Sozialdienste mit dem Verein Sozialinspektion zusammengearbeitet. Im
Vergleich zur letztjährigen Berichtsperiode haben somit 5 Sozialdienste mehr die Leistungen
des Vereins in Anspruch genommen.
Sechs Sozialdienste arbeiteten mit einer Inspektionsfirma zusammen. Das sind weniger als
2014 (9 Sozialdienste beauftragen Inspektionsfirmen).
Ein Sozialdienst hatte 2015 beide Möglichkeiten der Zusammenarbeit genutzt.
3 Schlussbetrachtung
2015 wurde in 37 Sozialdiensten Sozialinspektionen durchgeführt (Vorjahr: 26 Sozialdienste).
Die meisten Fälle wurden wie im Jahr zuvor von den Sozialdiensten Biel, Thun und Bern gemeldet. Dabei konnten 2015 im Verhältnis gleich viele Fälle abgeschlossen werden wie das
Jahr zuvor. Die Anzahl der Verdachtsmomente bleiben im Schnitt die gleichen; interessant ist
jedoch, dass sich 2015 der Verdacht in deutlich mehr Fällen erhärtet hatte. Auch griffen die
Sozialdienste bei erwiesenem Missbrauch verstärkt auf die Massnahme der Strafanzeige zurück. Die Rückerstattung hingegen wurde prozentual weniger in die Wege geleitet als in der
letzten Berichtsperiode. Erstaunlich auch deshalb, weil im Vergleich die Klienten und Klientinnen in doppelt so vielen Fällen wie letztes Jahr eine Erwerbstätigkeit aufnahmen, wenn sie im
Verdacht des Sozialhilfemissbrauchs standen. Dennoch konnte bei total 37 Fällen die Rückerstattung auf über CHF 670‘000.– beziffert werden und der ansteigende Trend zur Aufnahme
einer Erwerbstätigkeit bei Verdachtsmomenten ist positiv zu bewerten.
Insgesamt kann somit ein positives Fazit gezogen werden: Die Sozialdienste haben 2015 verstärkt auf die Hilfe von Sozialinspektoren zurückgegriffen und konnten dadurch geeignete Massnahmen einleiten. Dabei griffen die meisten Sozialdienste auf die Unterstützung des Vereins
Sozialinspektion zurück. Die Berichterstattung zeigt, dass die Sozialinspektion ein geeignetes
Mittel ist um Sozialhilfemissbrauch entgegen zu wirken, sowohl aktiv als auch präventiv.
Es ist aber festzuhalten, dass die 179 Fälle, bei welchen 2015 ein Verdacht auf Sozialhilfemissbrauch bestand, einen sehr kleinen Anteil ausmachen. So hatten die Sozialdienste in weniger als einem Prozent aller Sozialhilfeunterstützungen einen Verdacht, den sie durch eine
Sozialinspektion abklären liessen.
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