Sendestörung

Transcription

Sendestörung
Nachrichten vom Fließband: Die
RMI von Heiner Feuer (im Bild)
und Karl Kleinrubatscher
beliefert vom Funkhaus in der
Bozner lnnsbrucker Straße
(Bild links) aus gleich neun
Privatradios mit Nachrichten,
Wetter und Werbung. Ein
Serviceblock, der für RMI ein
gutes Geschäft war und für den
das Land üppige Beiträge
gewährte - bis der Staatsrat
in Rom den Geldhahn mit einem
Urteil, das die Position von
RMI als monopolistisch anPrangerte, zudrehte. Jetzt müssen
die neun Radiosender sogar
befürchten, dass sie die bislang
gewährten Beiträge zurückzahlen müssen.
Sendestörung
Die meisten Südtiroler Privatradios sind ohne öffentliche FÖrdermittel
nicht überlebensfähig. Ein Staatsratsurteil und ein neues Landesgesetz
wecken Hoffnung - ünd sorgen gleichzeitig fur mächtig Aufregung.
wird derzeit ziemlich viel durcheinandergebracht.
Ich hab fast den Verdacht, da steckt Absicht daa
hinter." Heiner Feuer, Südtirols potentester Radiomacher, ist immer auf Achse. Der Schwergewichtler steuerte Montagabend noch sein 12-Meter-segelboot Laika
II in den Hafen von Lignano, am nächsten Täg in der Früh saß
er nach dem verlängerten \Tochenende bereits wieder an seinem
Schreibtisch im Funkhaus in der Bozner Innsbrucker Straße.
Feuer: ,,Urlaub ist in diesem Sommer nicht wirklich moglich."
Schuld daran ist ein Urteil des Staatsrates, das am 9' Juli in
Rom erging - und das Landesgesetz zur Rundfunkfürderung,
im Landtag behandelt wird. Feuer: ,,Die beiden Dinge haben nichts miteinander ztt tun, aber trotzdem .-." Ttotz'
dem herrscht Aufregung in der Südtiroler Radioszene. Mit wem
immer von den Machern man spricht, so kontrovers ihre Meinungen auch sein mögen, in einem Punkt sind sich alle einig:
das derzeit
Staatsratsurteil und Landesgesez haben dasZeug, die Existenzgrundlage der Südtiroler Privatradios auf den Kopf zu stellen.
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No. 3o/2013
Administration"
,,Master of Business
Radio machen muss in Zeiten wie diesen ein hartes Geschäft sein. Solange die'§7'irtschaftskrise hierzulande ein Fremdwort war, funktionierte das Businesskonzept' das nahezu allen
Privatradios zugrunde liegt: eine Plattform schaffen für'§7'erbeschaltungen. Tiendige Musik, möglichst wenig Gequatsche,
dafür möglichst viele Spots: Damit schaffte es im kleinen Südtirol zwar niemand zu Reichtum, aber man konnte sich gut über
'§ü'asser
halten.
Im Jahr 1995 wurde der Südtiroler Radiomarkt revolutio-
niert. Mit RMI (Radio Media International, siehe Kasten) trat
eine Agentur auf den PIan, die Radiomachen erstmals nicht
mehr nur als Hobby und Passion betrachtete, sondern als knallhartes Geschäft. RMI gab sich die Struktur einer Ägentur mit
demZiel, möglichst viele Privatradios mit Nachrichten zuver'
sorgen. Das Geschäftsmodell war beziehungsweise ist so genial
wie umstritten: Ich liefere dir einen stündlich aktualisierten und
'§V'etter und \Terbung; du befertigen Block mit Nachrichten,
zahlst mir den Dienst in Form eines Abonnements, dessen Höhe
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lgl. U4/ Z o) r Joel
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Alle flechte vorbeha ten/fliproduzlone
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servata
FF_Media GmbH/Srl
,,Als das Urteil in Rom erging,
war das ein großer Tag für
mich, aber wohl auch für alle
unabhängigen Radios in
Südtirol": Radiomacher und
RMI-Kritiker Walter
Wiedenhofer im Sendestudio
von Radio Sonnenschein
in Lana.
:
i::a.iM:i-:::§:l
::riri.:i:::i:i:r:r
,,Es wäre die
Gleichschaltung.
Wir hingegen
wollten anders
sein, und wollen
auch in Zukunft
anders ein."
Walter Wiedenhofer
;- nach Reichweite des Senders zwischen 55.000 und 96.000
iu:o im Jahr variiert. Dein Vorteil: Du ersparst dir nicht nur
:-::
teure Redaktion, sondern es wird dir auch noch die Hälfte
:.s -\bo-Preises in Form öffentlicher Beiträge zurückerstattet.
\;un Privatradios konnten diesem Angebot nicht widers:ei-:. Es sind - neben Südtirol I und Radio Tirol (die beide direx: oder indirekt zu R.ivfl gehören) - Radio Holiday im Besitz
der Pustertaler Medien GmbH, Tele Radio Wnschgau des Ra-
dio-Pioniers Rudolf Lösch , Radio Gherdeina der Gherdeina Sas
(Thomas Rabanser) sowie die Kirchensender Grüne Welle und
Stadtradio Meran (St.Josef GmbH). Diese Radiosender strahlen
bereits seit Jahren allesamt die selben Nachrichtenblöcke aus.
Deren Erkennungszeichen:,,Südtirol Journal".
Vier Radiomacher sagten hingegen Nein. Zum Beispiel Adrian \Tenger (er besitzt gemelnsam mit Bartl Thaler Radio 2000
und Die Antenne). Er sagt: ,,Es war doch von Beginn an klar,
dass man uns ein Geschäft vorgegaukelt hat, das in erster Linie
ein Geschäft ftr RMI ist. Jetzt beginnen es auch die anderen zu
merken. Ich bin froh, dass wir da nicht mitgemacht haben."
Wie \Tenger konnte auch \Talter Wiedenhofer den Lockrufen von Heiner Feuer und Karl Kleinrubatscher widerstehen.
\\-iedenhofer ist der Mache r von Radio Sonnenschein: ein Buggler. rvie er im Buche steht, einer, dem man glaubt, wenn er von
sich sagt, seit ftinfzehn Jahren keinen Urlaub gemacht zu haben.
\Yiedenhofer: ,,Radio machen ist für mich Leidenschaft. Deshalb kann ich es nicht ausstehen, wenn man hergeht und eine
Gleichschaltung sämtlicher Radiosender versucht. Denn genau dies würde passieren, wenn alle die Südtirol-Journal-Nachrichten ausstrahlen würden. Nein, wir wollten anders sein, und
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Media GmbH/Sr
wir wollen auch in Zukunft anders sein." Thotzdem blieb
das
Kriegsbeil begraben, solange die staatliche Förderung für alle etwas vorsah. Zwar nur wenige tausend Euro pro Sender, aber immerhin. Das änderte sich 2009, als der Staat imZtge der Sparmaßnahmen den Radios den Geldhahn zudrehte.
Jetzt trat das Land Südtirol an die Stelle des Staates - und
zwar mit einem Beschluss der Landesregierung vom 22. November 2010. Es war ein Beschluss, der eine Zweiklassengesellschaft einführte: Die Beiträge wurden nicht mehr den einzelnen Sendern gewährt, sondern jener Agentur, die diese Sender
mit Nachrichten beliefert. Diese Agentur muss folgende Bedingungen erfüllen: a) Sie muss mindestens 4 im Berußalbum
eingetragene Journalisten angestellt haben; b) Sie muss bereits
mindestens 5 Radiosender mit Nachrichten beliefern - und c)
Die Agentur muss seit mindestens zwei Jahren existieren.
Wiedenhofer & Co. trauten ihren Augen nicht, als sie diesen Beschluss sahen: Die Maßnahme war,,eins zu eins auf RMI
zugeschnitten, die einzige Agentur, die diese Bedingungen erftillen konnte". Die Folge: Beiträge sollte es in Zukunft nur
mehr für jene Agentur geben, der sich ,,Rebellen" wie §Tiedenhofer oder \Tenger verweigern. Konkret spülte das Gesetz jfirlich insgesamt 324.000 Euro in die Kassen von RMI. Diese gab
das Geld an jene neun Radiosender weiter, die von RMI gegen
Bezahlung des doppelt so hohen Abo-Preises den sogenannten
Nachrichtenblock beziehen.
Gegen diese ,,Unverfrorenheit" zogen \Tiedenhofer, aber
auch Siegfried Torggler (Radio Südtirol) und Adrian '§ü'enger
(Radio 2000 und Antenne) vor Gericht. Zunächst schienen die
No. 30 /
2013 29
Erfolgsaussichten gering. Schließlich hatte sich auch Landeshauptmann Durnwalder in das Verfahren eingelassen: die geballte Macht des Landes Süddrol und der potenten RMI-Lobby, der auch das Medienhaus Athesia angehört (siehe Kasten),
gegen drei kleine Radio-Macher.
Diese konnten ihre Freude kaum fassen, als sie von Anwältin Antonella Castrignö über das am 9. Juli in Rom erfolgte
Urteil in Kenntnis gesetzt wurden. '§Tiedenhofer: ,,\Vir haben
'§V'as
ftir ein wunderschöner Tägl" Tätsächlich hatgewonnenl
ten die Staatsräte, darunter der Südtiroler fuchter Bernhard
'§7'atschn
verpasst:
Lageder, der Landesregierung eine saftige
Der Beschluss, nach dem nur jene Radiosender eine Förderung erhalten, die von RMI die Nachrichten beziehen, wider-
Privatradios in Südtirol
Hörer insgesamt und Eigentümer
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2012
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Siegfried Torggler.
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Mario Bertoldi
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Walter Wiedenhofer
ln Rot: Die Radiosender, die ihre Nachrichten von
RMI beziehen. Dazu gehören auch Stadtradio
Meran (Kurie), das nicht mehr existierende Radio
Gherdöina 2 (Rabanser) und Radio Nord (Karl
Thalmann). Ebenso in der Astat-Studie nicht
berücksichtigt wurde der eigenständige
Südtiroler Rundfunk (Gabriel Torggler).
Platzhirsch in Südtirol ist ein Firmengeflecht rund um Heiner
Feuer und Karl Kleinrubatscher. Die beiden sind Haupteigner
(je 40 Prozent) von RMI (Radio Media lnternational). Die
restlichen 20 Prozent teilen sich die lnnsbrucker ACC Werbeund Marketinggesellschaft von Bernd Dresen und Winfried
Zuegg. RMI ist eine Nachrichtenagentur mit zehn Beschäftigten und bedient 9 Privatradios (siehe Grafik). An der Spitze
des Firmengeflechts steht die Funkhaus Südtirol GmbH.
Diese gehört zu 51 Prozent der RMS (Radio Media Service:
95 Prozent RMI und 5 Prozent Sabrina Maria Fleischmann),
und zu 49 Prozent der Barenth & Freisinger Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (lnnsbruck). Es ist ein offenes Geheimnis,
dass Barenth & Freisinger ihre Anteile für die Athesia halten.
Funkhaus Südtirol und RMI gehören also nicht der Athesia
(zumindest nicht offiziell), aber es kann behauptet werden,
dass die Athesia auch im Radiogeschäft kräftig mitmischt.
Die so genannten unabhängigen Radiomacher, die ihre
Nachrichten nicht von RMI beziehen, sind das Duo Bartl Thaler
und Adrian Wenger (Radio 2000 und Antenne), der Alto-AdigeJournalist Mario Bertoldi (NBC), Walter Wiedenhofer (Radio
Sonnenschein) sowie Radio-Urgestein Gabriel Torggler (Südtiroler Rundfunk) und dessen Sohn Siegfried (Radio Südtirol).
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No.
Bo
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2013
spreche dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung, weil er die
Sender ,,zwingt, sich bei One Air (RMI) zu abonnieren". Mit
dem Beschluss habe die Landesregierung praktisch ,,ein Monopol geschaffen" und die Hürden dermaßen hoch gelegt, dass
mögliche Mitbewerber sie nicht überspringen können. Zitat:
,,Damit werden die Prinzipien der Sinnhaftigkeit, der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit, die bei der Festsetzung von
Kriterien ftir die Vergabe von Beiträgen notwendig sind, außer
Krafr geserzr."
\7ährend \Tiedenhofer & Co. das Uneil mit Freude begrüßen, ist für die RMl-Abonnenten der Super-Gau eingetreten:
Sie müssen befurchten, die gewährten Beträge zurückzahlen zu
müssen. Für kleine Sender käme dies dem Todesstoß gleich.
Plötzlich wackelt der Boden, auf dem die privaten Radiostationen stehen. Alles scheint in Frage gestellt, auch die ,,Informationssendungen", ftir die es von Landesregierung, Region oder
Handelskammer ein hübsches Kleingeld gab. Ein Beispiel: Für
jede Ausstrahlung der Propagandasendungen,,Die Montagspressekonferenz der Landesregierung" oder,,Die Europaregion
informiert" oder ,,Zukunftsforum §7irtschaft" gab es zwischen
'W.obei
80 und 190 Euro.
die größte Scheibe des Kuchens wiejene
Sender ging, die auf RMI abonniert sind.
derum an
V'eil alles in Frage gestelltwird, blicken die Radio-Macher mit
Spannung auf das Rundfunkgesez, das derzeit im Landtag behandelt wird. Dieses hatte ursprünglich einen hehren Vorsatz:
Als forderungswürdig galten nur Sender, die für die deutsche
und Iadinische Minderheit,,werwolle Programme" ausstrahlen.
Von solcherlei Vorsätzen gibt es inzwischen keine Spur mehr
im Gesetz. Die Fassung, die am Freitag im Landtag verabschiedetwurde, sieht nur mehr ein einziges Kriterium vor: Um in den
Genuss einer Förderung zu kommen, müssen die Sender ,,eine
eigene Stamm-Mannschaft von mindestens zwei Mitarbeitern
mit unbefristetem Arbeitsverhältnis" aufweisen. Das Gesetz war
ursprünglich mit 4 Millionen Euro dotiert. Inzwischen wurde
der Betrag auf eine Million Euro herabgesetzt - und gleichzeitig wurde die Kategorie der Begünsdgten nicht nur auf die Radiosender begrenzt, sondern auch auf die Online-Portale ausgedehnt.
Abgesehen davon, dass sämtliche Detailregelungen erst von
der Landesregierung definiert werden müssen, wissen jetzt dre
Radio-Macher, dass ihre Erwartungen in das Rundfunkgesetz
wieder einmal zu hoch gesteckt waren. §Talter'§Tiedenhofer
kann seine Enttäuschung nicht verbergen: ,,\7enn ein dermaßen kleiner Betrag auf dermaßen viele Akteure aufgeteilt werden muss, dann fallen für uns nur Brosamen ab."
Auch Heiner Feuer ist alles andere als gltlckllch. Ztm
einen muss er das Urteil des Staatsrates verdauen. Zum anderen
muss er als Vorsitzender des Verbandes der Rundfunksender im
HDS seinen Mitgliedern erklären, weshalb ein von allen gutgeheißener Vorschlag in allerletzten Minute von S\? und PD im
Landtag doch noch über den Haufen geschmissen wurde. Adrian Wenger glaubt den Grund zu kennen: ,,'§(i'eil in Südtirol halt
immer noch gewisse Lobbys das Sagen haben." Radio machen
in südtirol scheint wirldich ein hartes Geschäft'
uoroert oarr,!
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A 1e Rechie vorbehalten/Bioroduzlone
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