Abenteuerliche Familienreise

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Abenteuerliche Familienreise
Mit drei Kindern während zehn Monaten rund um Australien
Abenteuerliche Familienreise
8 GLOBETROTTER-MAGAZIN frühling 2011
australien
Text und Fotos: Marion Nocco Vor 15 Jahren lernte Marion nocco bei einem dreimonatigen Sprachaufenthalt in Sydney ihren späteren Ehemann Angelo kennen. Die beiden bereisten anschliessend auf einer ersten gemeinsamen Tour den roten Kontinent. Damals hätten sie es nicht für möglich gehalten, dass sie viele Jahre später, zusammen mit drei Kindern, in Sydney einen landrover besteigen und zu einer zehnmonatigen, abenteuerlichen reise rund um Australien aufbrechen würden.
Neues Zuhause. Auch die Kinder gewöhnen sich bald ans Leben unterwegs und wollen beim Campeinrichten mit anpacken.
9
M
ami, warum hüpfen
eigentlich Kängurus», fragt Simon
(5), als wir den Kindern von unseren
Reiseplänen erzählen. Er findet diese
Tiere drollig und möchte unbedingt eines
streicheln. Cédric (4) will lieber Geparden beobachten, doch würde er sich auch mit Koalas
zufriedengeben, erklärt er uns ernsthaft.
Der Wunsch einer längeren Reise spukt
schon lange in unseren Köpfen herum. Wir
sehnen uns nach Abenteuern, und Australien
scheint das ideale Reiseland auch mit kleinen
Kindern zu sein. Unbekannt ist Angelo und
mir dieses Land nicht, wir haben vor Jahren
schon acht Monate in Down Under verbracht.
Der Kauf eines Landrovers ist der Startschuss
zur Umsetzung unseres grossen Traums. Mit
Hilfe von Kollegen bauen wir ihn um, installieren Kästen im Kofferraum und eine ausziehbare Schublade, wo der Benzinkocher
und Küchenutensilien verstaut werden können.
Zwei Monate vor unserer Abreise helfen die
beiden Buben und die 14 Monate alte Rachele
fleissig mit, das Auto zu bepacken. Einen
Dämpfer gibt es für Cédric, als ich ihm die
Playmobilkiste wieder in sein Zimmer zurückstelle. Spielsachen müssen auf ein Minimum
reduziert werden. Werkzeuge, Zelte, Schlafsäcke, Wasserkanister, Kochgeschirr und sogar
die Velos der Kinder finden Platz im Auto, das
im Container, per Zug und Schiff, hoffentlich
pünktlich in sechs Wochen Sydney erreichen
wird.
Die Nacht vor der Abreise schlafen wir
kaum. Haben wir wirklich alles erledigt? Simons Dispensgesuch für den Kindergarten
wurde ohne Problem bewilligt, meine Mutter
wird in unserer Abwesenheit die Post erledigen, und die Nachbarn schauen zum Haus.
Ohne Tränenvergiessen geht der Abschied
von unserer Familie nicht über die Bühne. Bei
leichtem Schneefall verlassen wir im Januar die
Schweiz und fliegen der Wärme entgegen.
Polizeikontrolle. Ratlos schauen Angelo und
ich uns an. Haben wir Sally richtig verstanden,
oder lassen uns unsere Englischkenntnisse im
Stich? Sally ist die nette Dame von der Transportfirma, die uns in Sydney den Landrover
übergeben soll. Sie erklärt uns, dass wir in
fünf Tagen wiederkommen sollen mit zusätzlichen 100 Dollar – unser Auto müsse ausgeräuchert werden. Bei der Durchsuchung des
Gefährts sei an einem Wanderschuh eine tote
Fliege gefunden worden. Haben die unser
Auto mit der Lupe untersucht? Wir können
die Situation nicht ändern und fahren mit
dem Bus wieder ins Hotel zurück.
Die Anstrengungen der letzten Tage fordern ihren Tribut. Die beiden Jungs und ich
werden krank, wir liegen bis zur Wagenübergabe mit Fieber im Bett. Das heulende Elend
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Koala. Ein putziger Bewohner Australiens.
Besonders auf Raymond Island lassen sie sich gut
beobachten (oben).
Immer wieder an der Küste. Ein Paradies für
Fischliebhaber. Für eine leckere Mahlzeit ist bald
gesorgt (rechts).
überkommt mich – unseren Reisestart habe ich
mir anders vorgestellt. Am fünften Tag fährt
Angelo allein mit dem Taxi zu Sally und holt
den Landrover ab. Bald fühlen wir drei Patienten uns wieder besser, und es kann endlich losgehen. Am nächsten Morgen fahren wir laut
singend aus Sydney hinaus und rollen der Küste
entlang südwärts.
Schon um halb neun liegen wir am Abend
müde im Zelt. Unsere erste Campingnacht in
Australien! Gemütlich eingekuschelt in die
warmen Schlafsäcke hören wir dem Wind zu,
der ums Zelt pfeift und durch die Blätter der
Bäume rauscht. Es dauerte eine Weile, bis wir
das grosse Familienzelt mit den zwei Schlafkammern und dem kleinen «Wohnzimmer»
aufgestellt hatten. Simon und Cédric halfen
kräftig mit, und Rachele rannte allen um die
Beine. Sie wollte natürlich auch mittun.
In den kommenden Tagen gewöhnen wir
uns ans Unterwegssein und geniessen die abwechslungsreichen Landschaften. Mal fahren
wir durch dichte Wälder, dann blicken wir wieder aufs türkisblaue Meer mit seinen langen,
menschenleeren Stränden.
Auf der Strasse Richtung Melbourne stoppt
uns die Polizei. Ein Hüne von einem Polizisten
winkt uns heraus. Er mustert unser Auto kritisch. Wir können es ihm nicht verübeln: Die
Velos der Jungs hängen am Dachträger links
australien
und rechts herunter, den Träger selbst schmüschied gibt er uns einen Tipp: «Besucht die
Raymond Island, dort findet ihr garantiert Kocken vier grosse Aluminiumkisten, ein Dieselalas, das ist toll für die Kids.»
und zwei Wasserkanister. Das Tollste aber ist
Angelos Konstruktion für Racheles Tretauto.
Es hängt über der Kühlerhaube und weist wie
Fische und Krebse fangen. Die ersten paar
ein Pfeil geradeaus. Das Gesicht des Polizisten
Wochen wollen wir alles perfekt machen für
drückt Neugier, aber auch Belustigung aus, als
die Kinder. Möglichst gegen Mittag auf einem
er nach einer Umrundung des Wagens wieder bei
mit Swimmingpool und Spielplatz ausgestatmir auf der rechten Seite anteten Zeltplatz ankommen,
kommt. «Drivers licence, please.»
um 12 Uhr Mittagessen, RaIch gebe ihm den Ausweis von
chele zum Schlafen legen…
Der Polizist
Angelo, da ja er am Steuer sitzt.
Dass uns diese Art zu reisen
«No, I want your license»,
nicht zusagt, merken wir
lacht schalmeint er an mich gewandt.
bald. Wir möchten mehr erNachdem er das Permis kontlend. Endleben. Die Autofahrstunden
rolliert hat, reicht er mir ein
können wir – dank Kinderlich hat er
Röhrchen für den Alkoholtest
märchen ab CD – um einiges
durchs Fenster. Doch plötzlich
gemerkt,
ausdehnen, sodass fünf oder
lacht er schallend heraus. Er hat
sogar sechs Stunden kein
dass sich
gemerkt, dass sich bei unserem
Problem sind.
Nach etlichen Nächten auf
Auto das Steuerrad auf der lindas SteuerZeltplätzen möchten wir endken Seite befindet. Jetzt wechrad auf der
selt der Mann schmunzelnd auf
lich einmal in der Wildnis undie andere Seite zu Angelo, der
ser Nachtlager aufschlagen.
linken Seite
Gegen Abend werden wir im
ins Röhrchen blasen muss, und
befindet.
Coorong-Nationalpark, 200
will nun alles von uns wissen:
«Where are you from? Where
Kilometer südlich von Adeare you going? How old are the
laide, fündig. Von unserem
kids?» Die Kinder können auf dem Rücksitz
Zelt aus geniessen wir eine wunderbare Auskaum aufhören zu kichern, als er bei ihnen den
sicht aufs Meer und die Sanddünen. Und das
Kopf reinstreckt und «hi mate» sagt. Zum AbSchönste: Wir haben viel Platz für uns alleine.
Weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen. Meine Glückshormone fangen an zu tanzen, die Kinder jauchzen vor Freude. Simon
und Cédric geniessen ihre Freiheit und fahren
mit den kleinen Bikes über Stock und Stein.
Rachele sucht Holzstücke auf dem Boden und
schaut jedes Pflänzchen genauestens an, das sie
dabei entdeckt. Angelo ist lange damit beschäftigt, auf dem Landroverdach mit einer Plache
einen Windschutz zu basteln. Er möchte zusammen mit Simon auf dem Dach des Wagens
schlafen. Ich kümmere mich um das allgemeine
Wohl und versuche, bei starkem Wind zu kochen. Bald kriechen wir in die Schlafsäcke und
lauschen den kräftigen Böen, die unser Zelt
schütteln.
Nach einem 600-Kilometer-Abstecher in die
kleine Opalstadt Andamooka, wo wir kurzzeitig dem Opalfieber verfallen, zieht es uns wieder
ans Meer. Die Eyre-Peninsula nordwestlich von
Adelaide ist ein Muss für jeden Fischliebhaber.
Die Männer kaufen zu den beiden von zu Hause
mitgenommenen Angelruten noch zwei dazu.
Mit dem Argument, dass die Fische an heimischen Ruten besser beissen. Beim stundenlangen Fischen kennen sie keine Müdigkeit. Heute
ist Simon der Glückspilz. Zwölf Fische zieht er
heraus, die in den schönsten Farben schimmern. Fürs Nachtessen ist gesorgt.
In der Kleinstadt Ceduna nisten wir uns einige Tage ein. John, der Zeltplatzchef, weiht uns
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in die Kunst des Krebsfischens ein. Ausgerüstet mit dem notwendigen Wissen, einigen Fischködern und einem Netzkorb, der
an einer Schnur befestigt ist, suchen wir
uns einen Platz auf der gut besetzten,
200 Meter langen, Jetty. Wir richten uns
neben zwei Aborigines ein, die wie Profis
aussehen und entsprechend zu Werke gehen. Es gilt, etwas Wichtiges zu beachten:
Zu kleine Krebse und Weibchen müssen
zurück ins Wasser. Nach drei Stunden geduldigen Wartens verlassen wir die Jetty
mit vier grossen Krebsen – schon wieder
ein feines Essen. John hilft uns bei der Zubereitung. Als er die lebendigen Krebse ins
siedendheisse Wasser legt, schlucken wir
ob dem brutalen Akt leer, dem Appetit tut
dies jedoch keinen Abbruch.
Augenentzündung. Nun kehren wir
dem Meer für lange Zeit den Rücken. Erst
an der Westküste werden wir wieder darauf treffen. Wir sind unterwegs nach
Alice Springs, der Outbackstadt im Herzen Australiens. Zuerst entlang den Flinders Ranges, dann auf der unbefestigten
Strasse des Oodnadatta-Tracks. Die Gegend
ist wunderschön, wenn nur die vielen Fliegen
nicht wären. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang plagen uns die lästigen Viecher.
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Gegenverkehr. Begegnung mit einem Road Truck
in der Einöde (oben).
Das Reisen macht Spass. Wenn nur diese
vielen Fliegen nicht wären (unten).
Improvisation. Outdoor-Badezimmer (rechts).
In Alice Springs richten wir uns gleich
für eine Woche auf dem Zeltplatz ein, denn
Rachele bereitet uns Sorgen. Ihre Augen
sind seit zwei Tagen stark geschwollen und
vereitert. Wir müssen ins Spital mit ihr.
Um acht Uhr abends scheint in der
Notfallaufnahme einiges los zu sein. Aborigines kommen und gehen. Einige sind
betrunken, andere haben sich verletzt. Wir
sitzen im Warteraum und müssen uns gedulden. Ein Aborigine kommt hereingehumpelt und setzt sich neben mich. Er
macht einen ungepflegten Eindruck, riecht
nach Alkohol. Seine Kleider sind schmutzig und zerrissen, auf der dunklen Haut
seiner Stirn zeichnen sich Schweissperlen
ab. Er schaut mich und Rachele, die auf
meinen Knien sitzt, immer wieder an. Mir
wird es zunehmend ungemütlich. Was will
er von uns? Wieso schaut er uns immer
wieder an? Plötzlich gibt er uns in Englisch
zu verstehen, dass er Rachele in seine
Arme nehmen möchte. Ich schüttle den
Kopf. Der Mann lässt aber nicht locker
und sagt, dass er unserer Tochter sein gesundes Auge schenken möchte. Mit einer
langsamen und präzisen Geste greift er an sein
Auge. Dann legt er die Hand – ohne Rachele
zu berühren – symbolisch über ihre entzündeten Augen und hält einen Moment inne. Die
australien
Welt scheint stillzustehen. Wir schauen den
Mann perplex an. Wie durch ein Wunder hört
Rachele auf zu wimmern und kuschelt sich
noch fester in meine Arme. Erst als uns der
Arzt hereinruft, erwachen wir aus unserem
traumähnlichen Zustand.
Der Arzt meint, dass Racheles Augeninfektion von den Fliegen komme. Die haben uns
die letzten zwei Wochen gequält. Sie sassen
nicht nur in und um die Augen, sondern krochen in die Ohren, in die Nasenlöcher, und
beim Toilettengang in die Büsche klebten sie
am Po. Er verschreibt ihr Augentropfen, die
zum Glück bald nützen. Oder war es doch die
Heilkraft des Aborigine?
Wir sehen den Mann am nächsten Tag
nochmals. Schon von Weitem winkt er uns zu
und möchte wissen, wie es Racheles Augen
geht. Wir hätten nicht erwartet, dass er sich
überhaupt noch an uns erinnern kann. Später
denken wir noch oft an den Vorfall zurück.
Lagerfeuerromantik. Angelo und ich diskutieren intensiv, welchen Weg wir nehmen sollen Richtung Westen. Die direkteste Verbindung ist die Great-Central-Road, 1126 Kilometer Schotterpiste vom Ayers Rock nach Laverton. Die andere ist ein heute nicht mehr
unterhaltener Track, der Gunbarrel-Highway,
der von der Great-Central-Road abzweigt
20 000 Jahren Palmen wachsen. Der Weg dortund dann abenteuerliche 500 Kilometer durch
hin scheint endlos, obwohl nach der Hauptdie menschenleerste Gegend Australiens
strasse nur 21 Kilometer Naturstrasse zu fahren
führt. In unserem Outbackbuch steht, dass
sind. Wir rumpeln durch ausgetrocknete Flussder Track nicht allein befahren werden darf
beete, über kurvige Buckelpisund GPS und Funk ein Muss
ten und durch felsige Schluchsind.
ten. Gegen Abend treffen wir
Mitten in dieser EntscheiWir wagen
im idyllischen Bushcamp ein,
dungsfindung laufen wir alten
uns auf den
wo es sich bereits einige Leute
Bekannten in die Arme. Martin und Manuela, mit denen
gemütlich gemacht haben. Im
Gunbarrelwir vor ein paar Wochen Opale
Licht der Dämmerung sind die
gesucht hatten, stehen plötzFarben der Felsen besonders
Highway,
lich vor uns. Es herrscht allerintensiv, Licht und Schatten
abenteuerseits eine Riesenfreude. Die
geben ihnen eine einzigartige
Kinder hüpfen aufgeregt heDynamik und Kraft – was für
liche 500
rum, und alle reden durcheinein kleines Paradies!
Kilometer
ander. Da die beiden auch sehr
Beim Kochen übertreffen
abenteuerlustig sind, über ein
wir uns wieder einmal selbst.
durch menrobustes Auto verfügen und
Unser Bohneneintopf, über
schenleere
dem Lagerfeuer gekocht, finauch in den Westen fahren
det regen Anklang, ebenso das
wollen, besprechen wir am
Landschaft.
selbst gebackene Brot. Das
Abend die Route ausgiebig.
Schönste ist aber, nach dem EsNach ein paar Büchsen Bier
finde sogar ich die Vorstellung, eine der abgesen ums Lagerfeuer zu sitzen. Wir erzählen uns
legensten Gegenden Australiens mit dem
gegenseitig Geschichten und singen Lieder, bis
Landrover zu durchqueren, gar nicht mehr so
die vielen Sterne am Himmel funkeln. Dann
übel. So entscheiden wir, gemeinsam den Gunist es Zeit zum Schlafengehen. Wir kuscheln
barrel zu befahren und verabreden uns.
uns in die warmen Schlafsäcke und hören zum
ersten Mal das Heulen der Dingos, das uns in
Bevor es so weit ist, machen wir einen Abden Schlaf begleitet.
stecher ins Palm Valley. Dort sollen schon seit
13
Abenteuer Gunbarrel. Ein paar
Tage später warten wir beim Warakurna-Roadhouse auf Martin und
Manuela. Pünktlich treffen sie mit
ihrem alten Nissan Patrol ein. Es
ist schon Nachmittag, doch wir
entscheiden uns, die 220 Kilometer
bis Warburton, dem Ausgangspunkt der Gunbarrelroute, noch
heute zu fahren. Leider ist bei Tempo 80 und Wellblechpiste die Kasperli-CD nicht mehr zu verstehen.
Es klappert und scheppert. So
schauen die Kinder aus dem Fenster und halten nach vorbeihüpfenden Kängurus Ausschau.
Die Sonne steht bereits knapp
über dem Horizont, und wir haben
immer noch 30 Kilometer vor uns.
Die Dunkelheit legt sich wie eine
mit tiefer Zufriedenheit. Der
Sternenhimmel scheint zum
Greifen nah. Die Sterne leuchten
klar und deutlich, ohne Konkurrenz von anderen Lichtern. Wir
geniessen diesen Moment und
würden ihn gerne festhalten.
Tief saugen wir die Empfindung
ein. Rachele drückt sich an
mich. Simon und Cédric geniessen anders. Sie möchten Vieles
wissen. Leben auf dem Mond
Tiere? Warum leuchtet er? Warum gibt es so viele Sterne?
Am nächsten Morgen erwachen Angelo und ich zuerst und
geniessen den Sonnenaufgang.
Einfach nur wir zwei. Viel sprechen wir nicht, halten uns einfach an der Hand. Ich lehne
meinen Kopf an seine Schulter.
Stille. Einsamkeit. Freiheit. Dann dies: «Mami,
ich habe Hunger!» Schon ist der magische Moment vorbei. Einer nach dem andern krabbeln
unsere drei kleinen Abenteurer verwuschelt aus
dem Zelt und helfen, ein Feuer zu machen.
Nach zwei Tagen wird der Strassenzustand
etwas besser. Trotzdem müssen wir heute zweimal einen knietiefen Fluss durchqueren. Die
Landschaft ist karg, Tiere sieht man kaum. Einzig ein Emu läuft uns über den Weg. Umso erstaunter sind wir dann, als eine Horde Dromedare an uns vorbeirennt.
Ins Spital. Am Abend finden wir wieder einen
idyllischen Übernachtungsplatz und erleben
eine weitere herrliche Sternennacht. Doch am
nächsten Morgen dann die grosse Aufregung:
riesige Hand über die Landschaft und hüllt uns
bald vollständig ein. Nicht das kleinste Licht
ist zu sehen: keine Strassenlaterne, keine Häuser. Gut zu wissen, dass sich unsere Freunde
hinter uns befinden.
In Warburton finden wir nach einigem Suchen den Zeltplatz und stehen im Dunkeln vor
verschlossenem Tor. Wir klopfen laut. Hundegebell ist die einzige Antwort. Was sollen wir
nun tun? Martin klettert kurzerhand übers Gitter und macht uns das Tor von innen auf. Da
kommt der Zeltplatzchef angelaufen und zeigt
uns mürrisch einen Platz. Wir stellen nur das
kleine Dreierzelt auf und schlafen eng aneinander ein – wie in einer Sardinenbüchse.
Herrlicher Sonnenschein begrüsst uns am
nächsten Morgen. Das Abenteuer Gunbarrel
kann beginnen. Gut gelaunt fahren wir los. Der
Track ist teilweise sehr ausgewaschen, der Wagen kracht immer wieder in Schlaglöcher. Wellblechpisten wechseln sich ab mit sandigen, felsigen oder von Spinnefex-Gras überwucherten
Feldwegen. Teilweise machen wir nicht mehr
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Papa ist der Beste. Klein Rachele ist dankbar
für die fliegenfreie Zone (oben).
Reisebekanntschaften. Die Wildnisrouten
sollten nicht alleine befahren werden (Mitte).
Abenteuer. Orientierungssinn und fahrtechnisches Können sind ein Muss (unten und rechte
Seite).
als acht Kilometer in der Stunde. Mich erstaunt
immer wieder, wie unser Landrover Wege
meistert, wo es nach keinem Durchkommen
aussieht. Angelo ist ein begeisterter Outbackfahrer und führt uns sicher und elegant über
fast jedes Hindernis.
Unser erstes Nachtlager finden wir auf einer kleinen Anhöhe, dem Mount Beadell, der
zu Ehren des Strassenbauers so benannt wurde.
Ein Denkmal erinnert an den grossen Outbackforscher. Unsere Jungs helfen fleissig, Holz
zu suchen. Schon bald knistert ein wohlig warmes Feuer, auf dem ein schmackhaftes Nachtessen brutzelt.
Die Vorstellung, auf einer Fläche so gross
wie die Schweiz völlig alleine zu sein, erfüllt uns
australien
kannte, wiederzusehen. Das ältere australische
Ehepaar reist im Wohnwagen rund um Australien. Wir haben sie schon am Anfang unserer Reise kennengelernt und seither immer
wieder getroffen. Die beiden haben ein kleines
Motorboot mit dabei. Jeden Tag fährt Gerry
mit Simon und Cédric eine Weile aufs Meer
und braust dabei so schnell übers Wasser, dass
sie kreischen vor Freude. Rachele kommt auch
nicht zu kurz, sie wird herumgetragen und
richtig verwöhnt. Sue und Gerry lieben unsere
Kinder. Umso schwerer fällt der Abschied,
doch wir sind sicher, dass wir uns wiedersehen
werden.
Nach einer Woche «Dolce far niente» in
Broome merken wir, dass das viele Nichtstun
unsere Motivation für die Weiterreise in den
Keller geschickt hat. Da ist sie nun, die grosse
Reisekrise! Wir machen uns ernsthaft Gedanken und diskutieren stundenlang, ob wir die
Reise abbrechen oder in ein anderes Land reisen sollen. Schliesslich helfen uns die Kinder
bei der Entscheidung. Sie möchten in Australien bleiben. Nach eingehendem Kartenstudium entscheiden wir, dass wieder Outback
angesagt ist: Zuerst die Gibb-River-Road, dann
der Purnulu-Nationalpark mit den Bungle
Bungle, den berühmten «Bienenkörben» aus
Stein.
Panne im Nirgendwo. Wir starten früh in
Wie immer koche ich auf unserem Benzinkocher Tee und stelle die Pfanne mit dem siedend heissen Wasser auf den Boden. Rachele
kommt zu mir, geht in die Hocke, verliert das
Gleichgewicht und stützt sich mit der rechten
Hand in der Pfanne mit dem heissen Wasser
ab. Ich reisse sie weg und sehe, dass die Hand
und der Arm bis zum Ellbogen knallrot sind.
Die Haut der Finger und des oberen Handgelenks löst sich ab. Rachele schreit und ist nicht
zu beruhigen. Alle sind völlig überfordert,
keiner kann in diesem Durcheinander einen
klaren Gedanken fassen. Sicher ist: Wir brauchen ärztliche Hilfe. Einfacher gesagt als getan – das nächste Spital ist in Wiluna. Das
sind 350 Kilometer Schotter, mindestens fünf
Stunden Fahrzeit.
So schnell haben wir noch nie zusammengepackt. Racheles Hand wickle ich in ein nasses
Tuch, das ich immer wieder benetze. Dann
brausen wir los. Die Patientin darf bei mir auf
den Knien sitzen, doch sie ist immer noch nicht
zu besänftigen. Da kommt uns die australische
Tierwelt zu Hilfe. Zwei Dingos laufen gemütlich über die Strasse und schauen uns lange
nach. Kurz darauf sitzen buchstäblich Hunderte
von Kängurus am Strassenrand. Erst kürzlich
hat es geregnet, überall spriesst frisches Gras.
Kununurra, haben heute 350 Kilometer vor
uns. Die letzten 53 Kilometer, die zu den Bungle Bungle führen, werden raue Piste sein. Wir
holpern um die Mittagszeit durch die Gegend,
als unser Auto nach einem heftigen Schlag
den Geist aufgibt. Die Sonne brennt heiss vom
wolkenlosen Himmel. Der Wagen springt
Die Tiere hüpfen herum und fressen sich an
nicht mehr an. Als Angelo die Kühlerhaube
der grünen Pracht satt. Fasziniert schaut Raöffnet, erkenne ich ein grosses Fragezeichen
chele aus dem Fenster, vergisst für einen Moin seinem Gesicht. Es bleibt uns nichts anment die Schmerzen und hört
deres übrig, als zu warten.
auf zu weinen. Dann schläft sie
Nach einer Stunde hält ein
erschöpft in meinen Armen
Auto. Ein älteres australisches
Wir holpern
ein.
Ehepaar fragt, ob wir Hilfe
In Wiluna finden wir ein
durch die
brauchen. Gemeinsam mit ihkleines Spital, wo Racheles
nen diskutieren wir die beste
Gegend, als
Hand von einem netten Arzt
Lösung. Es ist klar, wir müsgepflegt und verbunden wird.
unser Auto
sen das Auto abschleppen lasBald kann sie wieder lachen
sen. Doch wir haben kein
nach einem
und zeigt uns stolz ihren blenHandy, und das nächste
dend weissen Verband. Dann
heftigen
Roadhouse, um von dort den
heisst es Abschied nehmen von
Abschleppdienst zu organiSchlag
Martin und Manuela.
sieren, ist 90 Minuten entAls wir die Nordwestküste
plötzlich
fernt. John und Joyce, die beierreichen, ist nach den intenden Australier, bieten an, uns
den Geist
siven vergangenen Monaten
zum Roadhouse zu fahren.
zuerst einmal Erholung angeaufgibt.
Schnell ist entschieden, dass
sagt. Wir brauchen Ferien vom
Rachele und ich bei ihnen
Reisen! Die Küste mit den
einsteigen und Angelo mit
herrlichen Destinationen Carnarvon, Exmouth
den Jungs beim Auto wartet.
und Broome sind ideale Ziele, um für längere
John und Joyce sind zurzeit auf Reisen,
doch schon in zwei Wochen gehen sie zurück
Zeit zu verweilen. Teilweise bleiben wir über
eine Woche am gleichen Ort und geniessen das
ins Arnhem Land. Die beiden arbeiten als LehSchnorcheln, Baden und Sandburgenbauen.
rer auf der kleinen Elcho Island, sie unterrichWir freuen uns, Sue und Gerry, zwei alte Beten dort Aborigine-Kinder. Spontan laden sie
15
uns für einen Besuch ein. Joyce steckt mir ein
Zettelchen mit ihrer Telefonnummer zu. Nach
einem herzlichen Abschied beim Roadhouse
hüte ich den Zettel mit ihrer Telefonnummer
wie einen kleinen Schatz in meiner Tasche.
Die Leute vom Roadhouse sind sehr hilfsbereit und organisieren in Kununurra einen
Abschleppwagen, der sich sogleich auf den Weg
zu uns macht. Jetzt ist es drei Uhr nachmittags,
vor sechs Uhr ist der Wagen nicht zu erwarten.
Was wohl die drei Männer alleine im Outback
machen?
Um halb sechs fährt ein riesiger Abschleppwagen auf den grossen Parkplatz des Roadhouses. Du meine Güte, ist der für uns? Rachele
und ich steigen zu Fahrer Marc in die Führerkabine. Es ist schon stockdunkel. Für die
20 Kilometer Naturstrasse zurück zu Angelo
brauchen wir fast zwei Stunden. Rachele und
ich schliessen unsere drei Männer fest in die
Arme, und natürlich breche ich vor Erleichterung in Tränen aus.
Das Aufladen des Landrovers auf den Anhänger ist für uns ein Spektakel. Dann steigen
wir alle in den Truck, wo die Kinder in kurzer
Zeit auf der Hinterbank einschlafen.
Die Fahrt dauert endlos lang, erst um Mitternacht kommen wir in Kununurra an. Unser
Nachtlager dürfen wir vor Marcs Garage errichten, wir legen die Matten und Schlafsäcke
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auf den Boden und schlafen bald ein. Marc
genau wissen, was uns in Nhulunbuy erwartet,
schafft es, unser Auto wieder fahrtüchtig zu
plündern wir in Katherine den grossen Supermachen. Die Lust auf die Bungle Bungle ist uns
market. Wir kaufen Vorräte ein, als müssten wir
aber vergangen. Wir brechen
eine ganze Armee versorgen.
auf Richtung Darwin mit dem
Es ist morgens um fünf, die
neuen Ziel, durchs Arnhem
Sonne geht auf. Wir sind schon
Nach dem
Land zu fahren und die Elcho
seit einer Stunde unterwegs.
Island zu besuchen und freuen
Die Stimmung ist so wunderherzlichen
uns darauf, möglichst viel über
bar, dass wir anhalten müssen.
Abschied
die Aborigines zu erfahren.
Gemeinsam stehen wir eine
In Darwin, der Hauptstadt
Weile am Strassenrand und
hüte ich
des Northern Territory, verlauschen in die Stille. Ein wilden Zettel
bringen wir einige Tage. Hier
der Esel und zwei Kängurus
sind auch schon unterwegs, sie
müssen wir das Permit für das
mit der
Arnhem Land einholen. Das
lassen sich bei ihrer FuttersuTelefongrosse Siedlungsgebiet der Abche nicht von uns stören. Die
origines ist etwa doppelt so
Luft ist herrlich frisch, wir fühnummer
gross wie die Schweiz. Mit nur
len uns richtig gut. Dann müswie einen
20 000 Menschen ist es sehr
sen wir weiter, es liegen noch
spärlich besiedelt, die meisten
über 700 Kilometer vor uns –
Schatz.
leben an der Küste. Viele Aboeine Distanz, die wir sonst nie
rigines sind aus den Städten
an einem Tag fahren. Wir erund von den Rinderfarmen hierher zurückgereichen Nhulunbuy mit seinen 4000 Einwohkehrt und versuchen, ihre alte Kultur zu leben
nern erst bei Dunkelheit. Da es hier keinen ofund den früheren Lebensstil wieder aufzunehfiziellen Zeltplatz gibt, quartieren wir uns für
men. Als Nicht-Aborigines brauchen wir eine
die nächsten drei Tage im Motel ein. Mit dem
Permit für Elcho Island klappt es dank John
Bewilligung, um die 800 Kilometer Schotterstrasse von Katherine nach Nhulunbuy zu fahund Joyce wunderbar. Der Stammesälteste auf
ren. Das Permit für Elcho Island selbst können
Elcho Island musste dazu auch sein Einverwir erst in Nhulunbuy beantragen. Da wir nicht
ständnis geben.
australien
Elcho Island. Zwei Tage später sitzen wir in
einem kleinen, klapprigen Flugzeug, das uns
auf die 55 Kilometer lange und 6 Kilometer
breite Insel fliegt. Die Gepäcklimite haben wir
wegen der vielen Esswaren leicht überschritten. Auf der Insel gibt es keinen Laden, die
Leute müssen ihre Nahrungsmittel und andere Sachen für den Alltag in Nhulunbuy bestellen. Sie werden dann einmal pro Woche per
Schiff geliefert. Nach eineinhalb Stunden
Schüttelflug setzt der Pilot gekonnt auf der
sandigen Piste des Hauptortes Galiwinku auf.
Auf Elcho Island leben etwa 2000 Aborigines.
Nur die Lehrer, Krankenpfleger und Piloten
sind Weisse, die meisten von ihnen Australier.
Der Vater von John holt uns am Flughafen ab
und fährt uns zu sich nach Hause, wo wir die
ersten drei Tage im Garten zelten dürfen.
Nachher stellt uns ein anderes australisches
Ehepaar – auch sie Lehrer – ein Zimmer in ihrem Haus zur Verfügung. Wir sind froh darum, denn hier gibt es weder Hotel noch Zeltplatz, und gerührt über ihre grosse Gastfreundschaft.
Ein Schulbesuch zeigt uns, dass die Aborigines in alten Traditionen als auch in westlichen Fächern unterrichtet werden. Es ist für
uns ein Riesenerlebnis, in vier Klassen reinzuschauen. Die Kinder sind zwischen 7 und 13 Jahre alt, einige Weisse sind auch dabei – Kinder
Im Arnhem Land. Die Nocco-Knirpse freuen sich
über die neuen Aborigine-Spielgefährten auf Elcho
Island (links oben).
Kängurus. Jede tierische Begegnung bringt
willkommene Abwechslung in lange Autofahrten
(oben).
Elcho Island. Die ganze Familie ist gut und sicher
auf der kleinen Insel gelandet (unten).
von Ärzten oder Lehrern. Bei unserem Besuch
wird der Unterricht eine Weile unterbrochen.
Die Kinder sind unglaublich neugierig und fragen uns Löcher in den Bauch. Ihr herzhaftes
Lachen werden wir bestimmt nicht mehr vergessen.
Später lernen wir Marcus, den Sohn des
Stammeschefs, kennen. Er wird in ein paar Jahren den Platz seines Vaters einnehmen. Als
Lehrer ist es ihm ein grosses Anliegen, dass die
Aborigine-Kinder beide Kulturen kennenlernen. Die Welt der Aborigines wurde mit dem
Eintreffen der Weissen im 18. Jahrhundert
massiv erschüttert. Noch im 19. Jahrhundert
ging man davon aus, dass sie ein dem Untergang geweihtes Volk sind. Ihre Sitten, Rituale
und ihr Glaube stiessen bei den Europäern
mehrheitlich auf Ablehnung. Die Einwanderer
drangen immer tiefer in ihre Lebensräume vor
und verdrängten ihre Kultur und Traditionen.
Erst in den vergangenen Jahrzehnten wurden
Anstrengungen unternommen, die zu einem
besseren Verständnis der Aborigine-Kultur
und deren Lebensart führten. Im Jahr 2008 entschuldigte sich das australische Parlament formell für die Verbrechen an den Aborigines
während der letzten zwei Jahrhunderte.
Hier auf Elcho Island funktioniert die Gemeinschaft – auch dank einem strikten Alkoholverbot. Die Menschen können ihre alten
17
Darwin
Cape York
Elcho Island
Nhulunbuy
Katherine
Kununurra
Gibb River
Road
Bungle Bungle
Broome
Telegraph-Road
Cooktown
Townsville
Port Headland
Exmouth
Wiluna
Geraldton
Palm Valley
Kings Canyon
Ayers Rock
Warburton
Mackay
Alice Springs
AU S T R A L I E N
GunbarellHighway
Perth
Cairns
Brisbane
Ceduna Andamooka
Sydney
Eyre Peninsula
Adelaide
Canberra
Murmansk
Melbourne
Auf zum Teil abenteuerlichen Wegen
während 10 Monaten durch Down Under
Traditionen weitgehend leben. Bei einem Ausflug mit unseren Bekannten können wir uns
davon überzeugen. Wir fahren zu einem kleinen Strand in der Nähe des Dorfes. Kaum angekommen, scheint jede und jeder genau zu
wissen, was er oder sie machen muss. Die
Frauen suchen im Sumpf Würmer und Larven
und im Meer Austern. Wie beneide ich Angelo!
Er darf mit den Männern auf Fischjagd. Unsere
Kinder werden von Marcus betreut, der mit
ihnen in die Büsche geht, um wilden Honig zu
suchen. Diese Bienen sind kleiner als Fliegen
und besitzen keinen Stachel. Simon und Cédric erzählen uns später, dass Marcus an den
Stämmen gelauscht hat, um den genauen Ort
18 GLOBETROTTER-MAGAZIN frühling 2011
des Nestes ausfindig zu machen. Der Honig ist
ganz anders als bei uns. Aber süss und klebrig
ist er auch hier.
Und wir Frauen sind also am Würmersuchen. Ich bin froh, dass wir die Suche bald abbrechen, da die Erde zu trocken ist und die
Tiere sich verkrochen haben. Die Austernsuche
ist um einiges angenehmer. Die Frauen zeigen
mir, wie man mit einem spitzen Stein die Muscheln von den Steinen abschlagen muss, um
sie dann roh zu verzehren.
Kurze Zeit später staune ich nicht schlecht,
als Angelo mit einem etwa 70 Centimeter langen Fisch daherkommt. Er strahlt übers ganze
Gesicht. Die Männer bringen auch Hummer,
Krebse und eine riesige Muschel, die sie in einem Wasserkessel über dem Feuer kochen. Für
Seafood-Liebhaber das reinste Paradies! Frauen
backen mit dem mitgebrachten Mehl Fladenbrote. In grosse Blätter eingewickelt, werden
sie für etwa 20 Minuten in die heisse Glut gelegt.
Unterdessen baden die Kinder im Meer.
Und Krokodile? Ein älterer Aborigine schaute
nach unserer Ankunft eine halbe Stunde lang
intensiv aufs Meer hinaus. Erst dann gab er den
Kindern ein Zeichen, dass keine Gefahr bestehe. Wir vertrauen ihm und lassen die
Knirpse den Strand und das Wasser geniessen.
Nach Sonnenuntergang säubern und verwischen wir die Feuerstelle, lassen den Platz so
zurück, wie wir ihn vorgefunden haben, und
fahren zurück ins Dorf.
Wir verbringen noch drei weitere lehrreiche Tage hier, bevor wir uns von all den liebenswürdigen Menschen auf Elcho Island verabschieden müssen und mit dem kleinen
klapprigen Flugzeug zurück in die Zivilisation
fliegen.
Im Kriechgang zum Cape. Über den GulfSavannah-Track erreichen wir Cairns an der
Nordostküste. Hier entscheiden wir, noch einmal ein Abenteuer zu wagen. Wir wollen auf
dem Old-Telegraph-Track zum Cape York,
dem nördlichsten Punkt Australiens, fahren.
Dünn besiedelt und kaum erschlossen, gilt
die Cape York Peninsula als eines der letzten
grossen Wildnisgebiete. Der Fahrer wird auf
dieser Strecke auf eine harte Probe gestellt. Mit
unserer Outback-Erfahrung sowie dem Geländewagen sollte das Abenteuer aber machbar
sein. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, an einer der raren Tanksäulen zu tanken, und das
Baden in einem der krokodilreichen Flüsse ist
absolut tabu.
australien
Dann geht die Allradreise weiter. Tiefe Auswaschungen und Felsbrocken bewältigen wir
nur im Kriechgang. Auch wenn Angelo manchmal ins Schwitzen kommt, so sind wir doch
immer wieder erstaunt, wie unser treuer Landrover auch schier unüberwindbare Hindernisse
meistert.
Geschafft! Gegen Abend kommen wir auf
dem Zeltplatz in Seisa an. Wir haben die Tour
zum Cape York ohne Panne gemeistert. Literweise habe ich Schweiss vergossen, doch jetzt
sind wir alle stolz. Wir bauen unser kleines
Zelt inmitten von Kokospalmen an einem
schönen Strand auf. Als Belohnung verspeisen wir eine Kokosnuss, die Angelo mühsam
mit seiner Machete geöffnet hat. In diesem
Moment gibt es nichts Köstlicheres auf der
Welt. Wir bleiben eine ganze Woche in der
herrlichen Gegend, bevor wir uns auf den
Rückweg nach Cooktown machen.
Bald werden wir Abschied von Australien
nehmen müssen. Für die Reise nach Sydney,
entlang der eher touristischen Ostküste, wollen
wir uns nicht lange Zeit nehmen. Am Hafen in
Sydney wartet der Schiffscontainer für unseren
Landrover.
Unsere lange Tour war eine wunderbare
Familienreise. Ich weiss nicht genau, was unseren Kindern in Erinnerung bleiben wird. Eines jedoch ist sicher: Die intensive Zeit, die wir
zusammen verbringen durften, die Abenteuer,
die wir miteinander erlebten – all dies wird für
immer in unseren Herzen sein.
[email protected]
© Globetrotter Club, Bern
Stolze Jungs. Simon und Cédric haben auf Elcho
Island Beute gemacht (unten links und Mitte).
In Cooktown machen wir unser Auto CapeGanz oben. Familie Nocco beim nördlichsten
York-tauglich. Wir nehmen nur das AllernöPunkt des australischen Kontinents (unten rechts).
tigste mit. Der Dachträger muss leer sein: AllDas macht Spass. Schlafen im Millionen-Sternetägliche Dinge wie Tisch und Stühle bleiben im
Hotel unter freiem Himmel (oben).
grossen Zelt, das wir für ein paar Dollar auf dem
Zeltplatz in Cooktown stehen lassen dürfen.
Zwei Tage später stehen wir am Anfang des
Tracks. Schon kurze Zeit später müssen wir den
Felsbrocken. Zum Glück ist ein anderes Fahrersten Fluss durchqueren. Trotz Krokodilgefahr
zeug in der Nähe, das den Fluss schon passiert
muss jemand aussteigen, um die Wassertiefe
hat. Sein Fahrer ruft uns zu: «Fahrt eine
und die Beschaffenheit des Flussgrundes ausS-Kurve, sonst bleibt ihr stecken.» Wir halten
zukundschaften. Meist schiuns an seine Anweisungen und
cken die Fahrer ihre Ehefrauen
kommen heil auf der anderen
voraus… Ich wate durch den
Seite an.
Dieses Naknietiefen Fluss und gebe AnUnsere Nachtlager schlagen
gelo Anweisungen, welchen
wir in einem idyllischen Bushturbecken
Weg er fahren soll. Manchmal
camp auf. Simon und Cédric
ist das einsind grosse Steine im Wasser,
können fast nicht aufhören, mit
die er von oben nicht sehen
ihren Spielautos im Sand «Telezige auf
kann. Die Kinder jauchzen, als
graph Track» zu spielen. WieCape York,
im Innern des Autos Wasser
der einmal koche ich über dem
unter ihren Füssen durchfliesst.
Feuer unseren vegetarischen
in dem man
Auf der anderen Flussseite
Reis-/Bohneneintopf, während
ohne Angst
muss sich das Auto erst noch
Angelo und Simon sehnsüchtig
über kleine Felsbrocken und
dem wilden Truthahn nachvor Krokodidurch grosse Löcher kämpfen.
schauen, der in den Büschen
len baden
Und plötzlich befinden wir uns
verschwindet.
in extremer Schräglage. Ich
Zwei Tage später sind wir
kann.
schreie laut auf, habe Angst,
die einzigen Besucher bei den
dass wir auf die Seite kippen.
Eliot Falls. Dieses Naturbecken
Doch auch diese schwierige Stelle meistern wir
ist das einzige auf der Cape York Peninsula, in
mit Bravour. Dann wird die Strasse wieder eben.
dem man ohne Angst vor Krokodilen baden
Es bleibt jedoch keine Zeit zum Frohlokann. Wir plantschen alle vergnügt herum, bis
cken, schon kommt das nächste Hindernis in
der Staub der letzten Tage abgewaschen ist und
wir uns so richtig sauber fühlen.
Sicht: ein noch breiterer Fluss mit noch mehr
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