Verwurzelt in Kappelrodeck
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Verwurzelt in Kappelrodeck
Marketing Verwurzelt in Kappelrodeck So macht’s der Nachbar – Blumen Hodapp Anfang des Jahres gewann Caroline Bohnert den Wettbewerb „Bouquet San Remo“, eigentlich eine rein italienische Angelegenheit. Diese „Sensation“ nahmen wir zum Anlass, die Weihenstephanerin im Geschäft ihrer Familie im badischen Kappelrodeck zu besuchen. Text und Fotos: Edith Strupf K appelrodeck liegt malerisch in Weinberge gebettet. Die Gemeinde hat gerade mal 5500 Einwohner – und zwei Blumengeschäfte. Eines davon ist „Blumen Hodapp“, ein Betrieb mit Tradition und typisch wechselhafter Geschichte, mit Gemüseproduktion während des Kriegs und anschließender Orientierung in Richtung Zierpflanzenbau. Nach zwei Jahren an der Fachschule für Blumenkunst Weihenstephan kam Caroline Bohnert im letzten Sommer zurück nach Hause. Mit ihr ist der Betrieb jetzt schon in der vierten Generation aktiv – momentan arbeitet sie gemeinsam mit ihrer Mutter Heidi Bohnert und ihrer Oma Christa Hodapp im Laden. Zusätzlich sind zwei Teilzeitkräfte beschäftigt. Die Gärtnerei wurde vor 15 Jahren aufgegeben, Caroline Bohnerts Vater arbeitet nicht in der grünen Branche. „Ich wurde nie in den Beruf gezwungen“, sagt Caroline Bohnert. „Ich habe mir den Beruf selbst ausgesucht und nach Weihenstephan war klar, dass ich heimgehe.“ Ihre Ausbildung hat sie in Baden-Baden gemacht, danach wechselte sie in ein Ge- 50 8-2009 florieren! schäft in Singen. Dann kam Weihenstephan. Die Schulzeit hat sie darin bestärkt, nach Kappelrodeck zurückzukehren. „Ich bin kein Typ für große Teams. Wenn ich morgens aufstehe, weiß ich, dass ich viel zu tun habe, aber ich weiß auch, dass ich das Ergebnis selbst in der Hand habe.“ Die Weihenstephaner Flornet-Mitgliedschaft nutzte Caroline Bohnert für einen neunwöchigen Studienaufenthalt in Norwegen – inklusive zwei Praktika in Oslo, die sie mit ihrer Klassenkameradin Agnes Westphal absolvierte: Im Geschäft „Storgatens Blomsterhandel“ von Torbjørn Åkesson, dem Europameister 2003, und bei Aina Nyberget, der Inhaberin von „Passiflora“ und Gestalterin des Brautstraußes für die norwegische Kronprinzessin. Familienfeste werden noch gefeiert Am Geschäft in Kappelrodeck gefällt ihr die Vertrautheit mit der Kundschaft. „Man kennt die Kunden, trinkt einen Kaffee zusammen.“ Rote Nelken mit Schleierkraut für den Friedhof werden genauso verlangt wie moderne Floristik. Wenn man einen Auftrag besonders gut erledigt, dann spricht sich das auf dem Land schnell herum, egal ob es um die Werkstücke selbst oder die Beratung geht. Trauerbinderei gehört zum Alltag, Hochzeitsfloristik nimmt zu, Familienfeste werden noch gefeiert. „Der Ort ist ländlich und die Ortenau ist nicht München, aber auch kein armes Gebiet“, sagt Caroline Bohnert über ihre Heimat. Dass man auf dem Land keine schönen, hochwertigen Produkte verkaufen könne, sei ein weit verbreitetes Vorurteil, das sie nicht bestätigen kann. Auch die Vorstellung, Flieder, Päonien und Sommerflor wären nur etwas für Stadtgeschäfte, stimme so nicht. Wenn Flieder erst einmal überall am Wegesrand blühe, dann sei es zu spät für den Verkauf, klar, aber vorher ließen sich die Kunden durchaus von den duftenden Blüten begeistern. „Es spricht sich herum, wenn es besonders schöne Sorten oder Qualitäten im Geschäft gibt und wenn schöne passende Vasen im Sortiment sind.“ Schon während der Ausbildung speicherte sie passende Ideen für zu Hause im Blumen und Grün bewusst auswählen und werkstoffgerecht verarbeiten, das ist Caroline Bohnerts Anspruch im Geschäft. Es mache zwar Spaß, sich etwas Verrücktes einfallen zu lassen, für eine Ausstellung zum Beispiel, aber den Alltag bestimmen „normale“, ungekünstelte Arbeiten. Seit letztem Sommer ist Caroline Bohnert zurück in Kappelrodeck. Das Blumengeschäft ist 95 m² groß. Bei der Warenpräsentation setzt sie auf Gruppierungen und Reihungen und viele Pflanzen. Im Schnittblumenbereich stehen Einzelblüten mit Grün und fertige Sträuße bereit. florieren! 8-2009 51 Marketing Blumen, (blühende) Pflanzen und passende Gefäße stehen eindeutig im Mittelpunkt des Angebots – im Geschäft und davor. In Zukunft möchte Caroline Bohnert noch mehr große Gefäße ins Programm aufnehmen. Hinterkopf ab. Jetzt will sie ihre Vorstellungen umsetzen. Die Warenpräsentation zum Beispiel ist „offener und begehbarer“ geworden und soll noch mehr mit größeren Gefäßen strukturiert werden. „Man muss etwas wagen und auch mal großzügiger einkaufen“, sagt Caroline Bohnert. Accessoires dagegen findet man kaum im Geschäft. „Es gibt schon so viele Geschenkeläden.“ Der Hauptgrund für Kunden, ins Geschäft zu kommen, ist die Floristik selbst. Caroline Bohnert legt Wert auf eine bewusste Blumen- und Grünauswahl, die Werkstücke sollen Lebendigkeit ausstrahlen. Auf einen bestimmten Stil will sie sich nicht festlegen. „Ich arbeite gerne reduziert, gerne mit klaren Linien, auch mal ein Untergerüst für eine Einzelblüte, im Sommer dann üppige Sträuße.“ Vor allem werkstoffgerecht soll die Verarbeitung sein, betont Bohnert. Auch sonst will sie sich nicht einschränken, hat keine Lieblingsblume oder -farbe. „Das kann jetzt Rosa sein und in zwei Wochen Orange, auch abhängig von den Blumen, die jahreszeitlich das Bild bestimmen.“ „Blumen sollen Blumen bleiben“, das ist klar für Bohnert, und von dieser Überzeugung hat sie sich auch beim Wettbewerb „Bouquet Sanremo“ nicht abbringen las- 52 8-2009 florieren! sen, obwohl ihre italienischen Kollegen die Aufgaben ganz anders in Angriff genommen haben. Blumen auseinanderzunehmen, um sie dann wieder zusammenzusetzen, war keine Ausnahme, manchmal wurde versucht, mit Glitzern und Pailletten bei der Wirkung nachzuhelfen. Bohnert ist bei ihrer ungekünstelten Herangehensweise geblieben. „Ein Strauß kann trotzdem extravagant aussehen, besonders, wenn man den Blumen Freiraum lässt, mal mit interessanten Zweigen Akzente setzt und mit Farbe spielt.“ Bestärkt wurde die Floristin durch die Werkstoffe – riesige Ranunkeln, Mohn in Spitzenqualität, toller Eucalyptus. „Warum sollte man so schönes Material zerlegen?“ Die Aufgaben in Sanremo Auch die Themen – Lady Marian, Robin Hood und Merlin, der Zauberer – wurden von den Wettbewerbsteilnehmern sehr unterschiedlich interpretiert. „Im Gegensatz zu den meisten anderen Teilnehmern wollte ich die Personen nicht figurativ nachbilden, sondern abstrakt. Auch das war eine Herangehensweise, die für meine italienischen Kollegen eher ungewohnt war.“ Die international besetzte Jury wusste Bohnerts Floristik zu schätzen – sie gewann den Wettbewerb und wurde infolgedessen beauftragt, Sträuße für das berühmte „Festival di Sanremo“ Ende Februar zu binden. Es findet seit 1951 statt, ist das älteste Musikfestival Europas und wird an fünf Abenden in Folge vom Fernsehen übertragen. Caroline Bohnert hatte die Aufgabe, medienwirksame Sträuße zu binden, groß und dekorativ. „Das ist ja durchaus verständlich. Mir wurde gesagt, dass die Sträuße Fernwirkung haben müssen – da greift man schon beherzt in den Eimer. Ich habe keine Probleme, einen großen Strauß zu halten, aber das ging gerade noch so“, erinnert sich die Weihenstephanerin. Gemeinsam mit anderen Gewinnern des „Bouquet Sanremo“ ist sie jetzt im „Italian Style Team“. Drei- bis viermal im Jahr kommen die Floristen zusammen, um Werkstücke zu entwerfen oder den Blumengroßmarkt Sanremo zu repräsentieren. Im April zum Beispiel war Bohnert, die jetzt italienisch lernt, mit der Gruppe auf dem Blumengroßmarkt Düsseldorf. Der Aufgabe, „etwas Schönes“ aus der italienischen Blumenlieferung zu machen, ging sie gerne nach, aber hinterher kam sie auch gerne wieder nach Hause. Daran hat auch der Gewinn des Sanremo-Wettbewerbs nichts geändert. n