als pdf - Westdeutsches Tumorzentrum
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WTZJournal_0312_RZ_Layout 1 26.03.13 15:36 Seite 1 01•2013 ISSN 1869-5892 | 4,- € www.wtz-essen.de journal Journal des Westdeutschen Tumorzentrums WTZ Essen 4 Therapie des Mammakarzinoms Neues vom San Antonio Breast Cancer Symposium 2012 Peter Kern 10 Gastrointestinale Tumoren – Was ist wichtig für die Klinik? Bericht vom ASCO-GI-Symposium 2013 Johannes Meiler 12 Blutkrebsbehandlung ohne Chemotherapie Highlights von der ASH-Jahrestagung 2012 Jan Dürig 14 Multiples Myelom: Genetische Prädisposition identifiziert Ergebnisse in Nature Genetics publiziert Lewin Eisele WTZJournal_0312_RZ_Layout 1 26.03.13 15:36 Seite 2 Col oquium Onko ogie Die Buchreihe erscheint in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) Col oquium Onko ogie 14 Update Hämatologie / Onkologie 2012 Alle wichtigen hämato-onkologischen Entwicklungen der vergangenen zwölf Monate Aus dem Inhalt: Mammakarzinome – Gynäkologische Tumoren – Gastrointestinale Tumoren – Lungenkarzinome – Urologische Tumoren – Kopf-Hals-Tumoren – Weichteilsarkome – ZNS-Tumoren – Leukämien und Blutstammzelltransplantationen – Maligne Lymphome – Supportivtherapie – Schmerztherapie – Palliativmedizin Herausgeber: Stephan Petrasch und Gerhard Ehninger 600 Seiten · 101 Abbildungen und 99 Tabellen · ISBN 978-3-933012-23-4 · 49,50 € Erhältlich in medizinischen Fachbuchhandlungen oder direkt beim Verlag (ohne Berechnung von Versandkosten). LUKON Verlagsgesellschaft GmbH Landsberger Straße 480 a · 81241 München Fon: 089-820 737-0 [email protected] · www.Lukon.de WTZJournal_0312_RZ_Layout 1 26.03.13 15:36 Seite 3 editorial Liebe Leserin, lieber Leser, 4 ganz im Zeichen der großen Kongresse, die Ende 2012 und Anfang 2013 stattgefunden haben, steht diese Ausgabe des WTZ-Journals. Peter Kern von der Universitätsfrauenklinik berichtet über ein überaus lebhaftes und 3 Schwerpunkt Therapie des Mammakarzinoms – Neues vom San Antonio Breast Cancer Symposium 2012 Dr. med. Peter Kern Fortschritte in der Behandlung von Patientinnen mit Mammakarzinom praxisrelevantes Symposium im texanischen San Antonio (Seite 4). Die neoadjuvante systemische Therapie gewinnt offensichtlich weiter an Bedeutung, und Mammakarzinom-Experten sind immer besser in der Lage zu 10 beurteilen, ob eine Patientin nach der Operation von einer adjuvanten Chemotherapie profitiert oder nicht. Gastrointestinale Tumoren Bericht vom ASCO-GI 2013 Dr. med. Johannes Meiler Was ist wichtig für die Klinik? Dr. Johannes Meiler von der Inneren Klinik (Tumorforschung) präsentiert eine Auswahl von Ergebnissen des Gastrointestinal Cancer Symposiums der ASCO Über die Vision, in nicht allzu ferner Zukunft ganz ohne Chemotherapie auszukommen – zumindest was die chronische lymphatische Leukämie oder das Follikuläre Lymphom angeht –, berichtet Jan Dürig von der Klinik für Hämatologie ab Seite 12. Er hat, wie etwa 20.000 andere Teilnehmer auch, 12 Anfang Dezember letzten Jahres die Jahrestagung der US-amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie besucht. Von den neuen Möglichkeiten dürften in naher Zukunft vor allem ältere Patienten profitieren, die sich einer ver- Bei der ASH-Jahrestagung ging es um ein Thema, das demnächst das klinische Handeln aller Hämatologen entscheidend beeinflussen dürfte: die sich abzeichnende Möglichkeit, Blutkrebserkrankungen wie die Chronische lymphatische Leukämie und das Follikuläre Lymphom ganz ohne Chemotherapeutika behandeln zu können. gleichsweise nebenwirkungsreichen Chemo-Immuntherapie nicht mehr unterziehen können. Von der Teilnehmerzahl eine Kategorie kleiner, von der Bedeutung für Behandler von Tumoren des Verdauungstrakts aber ebenso wichtig ist das Gastrointestinal Cancer Symposium der US-amerikanischen Gesellschaft für klinische Onkologie (ASCO), an dem Ende Januar Johannes Meiler von der Jahrestagung der American Society of Hematology Blutkrebsbehandlung ohne Chemotherapie PD Dr. med. Jan Dürig 14 Inneren Klinik (Tumorforschung) teilgenommen hat. Seinen Bericht lesen Sie Panorama German Life Science Award für Shirley Knauer ab Seite 10. Multiples Myelom: Genetische Prädisposition identifiziert Dieses Journal erscheint am Ende eines langen Winters, und wir wünschen Erfolgreiche Post-ASH und Post-SABCS-Veranstaltungen Ihnen und uns, dass mit dem Osterfest tatsächlich auch hierzulande der Frühling beginnt. 7 Ihre 15 Angelika Eggert Andreas Hüttmann Geschäftsführende Direktorin des WTZ Redaktionsleiter des WTZ-Journals Behandlungsprogramme Alle Behandlungsprogramme im Überblick Vorschau/Impressum WTZJournal_0312_RZ_Layout 1 26.03.13 15:36 Seite 4 s c h w e r p u n k t w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 3 · 5 . J g Therapie des Mammakarzinoms Neues vom San Antonio Breast Cancer Symposium 2012 Peter Kern Universitätsfrauenklinik Essen und Brustzentrum Düsseldorf, Luisenkrankenhaus Bereits zum 35. Mal trafen sich Anfang Dezember 2012 im texanischen San Antonio Grundlagenforscher und Kliniker zum Austausch über die Fortschritte in der Behandlung von Patientinnen mit Mammakarzinom. Der Verlauf der Veranstaltung belegt einmal mehr, dass die Erkenntnisse der Grundlagenwissenschaftler den klinischen Alltag mehr denn je beeinflussen. Die klassische Zytostase wird immer häufiger ersetzt durch die zielgerichtete Beeinflussung der Wachstums-Signalkaskade. pCR nach neoadjuvanter Therapie als Prognosemarker Die mit einer neoadjuvanten systemischen Therapie erreichbare histopathologische Komplettremission pCR (englisch: pathological complete response) ist ein Surrogatparameter für die klinische Langzeit-Prognose. Frauen, bei denen nach einer neoadjuvanten systemischen Therapie kein invasives oder nicht-invasives Karzinom mehr nachweisbar ist, erreichen ein längeres krankheitsfreies und auch ein längeres Gesamt-Überleben. Dies belegte Patricia Cortazar von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) anhand von Neoadjuvanz-Daten aus vier internationalen Studiengruppen, von denen der größte Anteil aus der GermanBreastGroup (GBG) stammte. WTZJournal_0312_RZ_Layout 1 26.03.13 15:36 Seite 5 s c h w e r p u n k t w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 3 · 5 . J g Gesamt-Überleben Allerdings ist die Definition der pCR international nicht einheitlich; drei unterschiedlich strenge Definitionen werden in Studien genutzt: 1. ypT0ypN0: Invasives oder nicht-invasives Karzinom weder in Brust noch in Axilla nachweisbar. 2. ypT0/Tis ypN0: Invasives Karzinom weder in Brust noch in Axilla nachweisbar; DCIS ist allerdings erlaubt. 3. ypT0/Tis: Invasives Karzinom in der Brust nicht nachweisbar. Die Autorin zeigte, dass die erste und zweite pCR-Definition hinsichtlich des ereignisfreien (EFS) und des GesamtÜberlebens den besten prognostischen Wert hat (Abb. 1). Wahrscheinlichkeit Ereignisfreies Überleben 1.0 0 1.0 8 0.8 0.8 6 0.6 0.6 4 0.4 2 0.2 Für fast alle Subtypen mit pCR konnte ein prognostisch günstiger Verlauf gezeigt werden außer bei Patientinnen mit HR-positiven/HER2-negativen, G1/2 (Luminal-A-like) Tumoren. In einer kürzlich erschienenen Arbeit [1] zu den Daten der nur in Deutschland durchgeführten Studien konnte die prognostische Relevanz der pCR bei HR-positiven/HER2-positiven Tumoren allerdings nicht gezeigt werden. Die Erhöhung der pCR-Rate durch eine Therapie korreliert nicht mit einem durch diese Therapie verlängerten Überleben. Mit anderen Worten: Die pCRRate allein ist kein hinreichendes Kriterium für die Beurteilung eines Therapie- pCR (n=2131) 0.4 HR=0,36 p*<0,001 0.2 pCR (n=2131) keine pCR (n=9824) 5 keine pCR (n=9824) 0 0 0 50 100 150 200 Monate 0 50 100 150 200 Abbildung 1: Die histopathologische Komplettremission (yp0/Tis ypN0) ist ein valider Surrogatparameter für die Vorhersage eines verlängerten ereignisfreien (links) oder Gesamt-Überlebens (rechts). pCR = histopathologische Komplettremission, HR = Hazard Ratio; nach [S1-11]. 60 50 50 40 30 30 20 10 Die Wahrscheinlichkeit einer pCR hängt hauptsächlich von der Tumorbiologie ab (Abb. 2). Die höchsten pCR-Raten werden bei Hormonrezeptor(HR)-negativen/HER2-positiven Tumoren erreicht, wenn Trastuzumab eingesetzt wird, gefolgt von den tripelnegativen Karzinomen. Auch bei den HR-positiven Karzinomen ist eine pCR möglicherweise ein Surrogatparameter; der Effekt ist am größten bei Grad-3/HR-positiven Tumoren. Insgesamt sind zwei Befunde bemerkenswert: HR=0,48 p*<0,001 0 16 34 31 18 7 Grad 1-2 Grad 3 HR+ kein Tras Tras HER2+/HR+ kein Tras Tras HER2+/HR- TripleNeg Abbildung 2: pCR-Rate in Abhängigkeit von der Tumorbiologie. HR+/- = Hormonrezeptor-positiv/negativ, HER2+/- = HER2-Rezeptor-positiv/negativ, Tras = Trastuzumab; TripleNeg = Tripelnegativ; nach [S1-11] regimes. Dieses Ergebnis kann jedoch mit mangelnder statistischer Power für den Unterschied in den Therapiearmen begründet sein. Sehr junge Patientinnen (<35 Jahre) profitieren besonders von neoadjuvanter Chemotherapie Eine von Sybille Loibl in San Antonio vorgetragene Meta-Analyse der GBGGeparden-Studie zeigte nun, dass Mammakarzinom-Patientinnen bis zu einem Alter von 35 Jahren häufiger als ältere Frauen eine pCR erreichen (23,6 Prozent versus 17,5 Prozent). Dieser Effekt ist in erster Linie durch das tripelnegative Mammakarzinom bedingt, bei dem junge Frauen unter 35 Jahren zu 45 Prozent eine pCR erreichen. Der Anteil an tripelnegativen Tumoren ist bei jungen Frauen unter 35 Jahren mit 32 Prozent gegenüber den anderen Altersgruppen deutlich erhöht. Sehr junge Patientinnen mit einem Luminal-ATumor (HR-positiv/HER2-negativ, niedriges Risiko) hatten nach Erreichen einer pCR tendenziell ein besseres krankheitsfreies Überleben als sehr junge LuminalA-Patientinnen ohne pCR. Eine pCR scheint nach dieser Datenanalyse von 8949 Patientinnen – davon 3028 mit Luminal-A-Tumoren – bei sehr jungen Patientinnen auch beim Luminal-A-Typ von prognostischem Wert zu sein, während dieser Zusammenhang für ältere Luminal-A-Patientinnen in anderen Studien nicht herstellbar war [S3-1]. Adjuvante Therapie Adjuvante Therapie: Patientinnen mit Hochrisiko-Mammakarzinom profitieren von dichter und intensivierter Behandlung Auch nach zehn Jahren Follow-Up bleibt die dosisdichte und dosisintensivierte Therapie mit Epirubicin, Paclitaxel und Cyclophosphamid (ETC) für Patientinnen mit mehr als vier Lymphknotenmetastasen die zur Zeit wirksamste und sicherste Behandlungsoption. Diese WTZJournal_0312_RZ_Layout 1 26.03.13 15:36 Seite 6 s c h w e r p u n k t Schlussfolgerung legen Daten der GAIN-Studie nahe, die in San Antonio von Volker Möbus und der AGO-Studiengruppe Mamma präsentiert wurden [S3-4]. 1 · 2 0 1 3 · 5 . J g zent (HR 0,72; 95%KI 0,60 bis 0,87). Anzumerken ist, dass die Paclitaxelgabe im Standardarm dreiwöchentlich und nicht – wie heute im Sparano-Schema üblich – wöchentlich erfolgte. Daher ist davon auszugehen, dass der Standardarm bei wöchentlicher Paclitaxel-Gabe an Effektivität gewonnen hätte. Zwischen 1998 und 2003 waren 1.284 Patientinnen rekrutiert worden. Die durchschnittliche Follow-Up-Dauer betrug 122 Monate. Im experimentellen Arm erhielten Patientinnen drei Zyklen mit jeweils 150 mg/m2 Epirubicin, 225 mg/m2 Paclitaxel und 2.500 mg/m2 Cyclophosphamid in einem zweiwöchigen Intervall zusammen mit einer G-CSF-Unterstützung zur Vorbeugung einer Neutropenie sowie randomisiert Erythropoetin zur Anämieprophylaxe. Im Standardarm wurden vier Zyklen konventionell dosiertes Epirubicin (90 mg/m2) und Cyclophosphamid (600 mg/m2), gefolgt von vier Zyklen Paclitaxel (175 mg/m2) verabreicht, und zwar in einem dreiwöchigen Intervall ohne G-CSF-Unterstützung. Adjuvante Therapie des tripelnegativen Mammakarzinoms: Nutzen von Bevacizumab nicht nachgewiesen Der Anti-VEGF-Antikörper Bevacizumab ist nach den aktuellen Leitlinien derzeit nur in der Erstlinientherapie beim fortgeschrittenen HER2-negativen Mammakarzinom in Kombination mit Paclitaxel oder Capecitabin zugelassen. Ob der Antikörper zusätzlich zur Standardtherapie beim tripelnegativen Mammakarzinom wirksam ist, untersuchte die BEATRICE-Studie an 2.591 Frauen. Nach einer medianen Follow-Up von 32 Monaten zeigte sich kein Vorteil für die einjährige adjuvante Gabe (IDFS HR 0,87, 95%KI 0,72 bis 1,07, p=0,1810). Darüber hinaus kamen Grad3-Nebenwirkungen (besonders Hypertonus) in der Bevacizumab-Gruppe bei 5 Prozent, in der Standardarm-Gruppe dagegen nur bei weniger als 1 Prozent der Patientinnen vor [S6-5]. Die FollowUp-Zeit ist noch nicht ausreichend lang, um eventuelle Effekte auf das Gesamt- Die dosisdichte und -intensivierte Therapie verlängerte das rezidivfreie Überleben signifikant (HR 0,74; 95%KI 0.63 bis 0,87), und zwar unabhängig vom Nodalstatus oder vom Rezeptorstatus. Das Zehnjahres-Gesamtüberleben (Abb. 3) war im experimentellen Arm mit 69 Prozent ebenfalls signifikant besser als im Standardarm mit 59 Pro- 1.0 0 ETC C: 10-Jahres--Überlleben 69% EC➔T T: 10-Jahres-Ü Überleb ben 59% 8 0.8 Gesamt-Überleben 6 w t z - j o u r n a l 6 0.6 logrank test: p = 0,0007 beidse eitig HR: 0,72; 95%CI; 0,60 bis 0,87 4 0.4 2 0.2 ETC: n = 641, 201 Ere eignisse, media an = NA EC➔T: n = 611, 245 Ereiignisse, median n = NA 0 0 20 40 60 80 100 120 140 Monate Abbildung 3: Gesamtüberleben nach zehn Jahren unter dosisdichter und dosisintensivierter Therapie. ETC = Epirubicin, Paclitaxel, Cyclophosphamid (dosisdicht und -intensiviert. EC→T = Epirubicin, Cyclophosphamid → Paclitaxel (Standarddosierung); nach [S3-4] überleben zu beurteilen – erste Ergebnisse hierzu werden Ende 2013 erwartet. Der Einsatz von Bevacizumab beim frühen HER2-negativen Mammakarzinom ist daher außerhalb von Studien nicht zu rechtfertigen. Adjuvante Therapie des frühen HER2positiven Mammakarzinoms: Trastuzumab für ein Jahr bleibt Standard Neue Daten zur Dauer der adjuvanten Trastuzumab-Therapie wurden in San Antonio ebenfalls vorgestellt: In der französischen PHARE-Studie (n=3.382) konnte die Gleichwertigkeit einer kürzeren Therapiedauer (sechs Monate) im Vergleich zum Standard (ein Jahr) nicht bestätigt werden [S5-3]. Auch die zweijährige Therapiedauer ist der Standarddauer von einem Jahr nicht überlegen, wie Daten der HERA-Studie zeigen (OS: HR 1,05, 95%KI 0,86-1,28, p=0,63, [S5-2]). Adjuvante endokrine Therapie des frühen HR-positiven Mammakarzinoms (I): Zehn Jahre Tamoxifen verlängert das Gesamtüberleben Beim frühen Mammakarzinom ist die antihormonelle Therapie bei positivem Hormonrezeptorstatus (>1%) Standard, wobei für die Prämenopause Tamoxifen und für die Postmenopause zusätzlich auch die Aromatasehemmer zur Verfügung stehen. In San Antonio wurden erstmalig Daten der ATLAS-Studie zu zehn versus fünf Jahren Tamoxifen-Behandlung vorgestellt [S1-2]. Die Weiterführung der Tamoxifen-Therapie über fünf Jahre hinaus führte zu einer signifikanten Verbesserung des rezidivfreien Überlebens (DFS: 617 Rezidive/ 3.428 Pat. versus 711/3.418, p=0,002) und des Gesamtüberlebens (OS: 639 versus 722 Todesfälle, p=0,01) mit einem deutlichen Carryover-Effekt über die Einnahmedauer hinaus. In der zweiten Dekade wurde die Brustkrebs-Sterblichkeit um ein Drittel und in der dritten Dekade um die Hälfte gesenkt. Der absolute Nutzen für die Patientinnen durch die zehnjährige Tamoxifen-Therapie ist somit etwa 30-fach WTZJournal_0312_RZ_Layout 1 26.03.13 15:36 Seite 7 s c h w e r p u n k t höher als der potenzielle Schaden: Die 12-prozentige Verbesserung in Bezug auf brustkrebsbedingte Sterblichkeit steht einem 0,4-prozentigen Mortalitätsrisiko aufgrund von Lungenembolie oder Endometriumkarzinom gegenüber, wenn man 10 Jahre Tamoxifen versus kein Tamoxifen vergleicht. Der absolute Nutzen für die ersten 5 Jahre Tamoxifen wird mit 9 Prozent und für die weiteren 5 Jahre mit zusätzlichen 3 Prozent, damit insgesamt mit 12 Prozent angegeben. Bei einer endokrin sensitiven Erkrankung ist demnach die Verlängerung der adjuvanten endokrinen Therapie nach fünf Jahren Tamoxifen unter Weiterführung der Tamoxifen-Therapie beziehungsweise im Sinne einer erweiterten adjuvanten Therapie mit einem Aromatasehemmer (Postmenopause) auf insgesamt bis zu zehn Jahre evidenzbasiert und sinnvoll. w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 3 · 5 . J g Die Frage des Benefits einer alleinigen Aromatasehemmer-Monotherapie über einen verlängerten Zeitraum von bis zu zehn Jahren wird durch die SALSA-Studie der österreichischen ABCSG beantwortet werden, deren Studienergebnisse noch ausstehen. Die Sequenztherapie von fünf Jahren Tamoxifen, gefolgt von drei bis fünf Jahren des Aromatasehemmers Letrozol hat in einer von Goss et al. bereits beim SABCS 2009 präsentierten Meta-Analyse [2] zu einer signifikanten Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens geführt, selbst wenn zwischen Tamoxifen- und Aromatasehemmertherapie eine Behandlungspause von bis zu sechs Jahren eingelegt wurde. Der Trend geht bei der endokrinen Behandlung hin zu einer Langzeit-Therapie über zehn Jahre, da das hormonsensitive Mammakarzinom ein über die Jahre gleichmäßiges Risiko (von jährlich 1 bis 2 Prozent) darstellt, während das HRnegative Mammakarzinom insbesondere in den ersten zwei Jahren nach Erstdiagnose den Gipfel der Rezidivierung erreicht hat. Wenn die Patientin während der Tamoxifen-Einnahme postmenopausal wird, empfiehlt sich nach der MA17Studie der Wechsel auf eine erweiterte endokrine Therapie mit Aromatasehemmern, es sei denn, es liegt seitens der Patientin ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse oder ossäre Frakturen vor. In diesen Fällen ist eher die verlängerte Tamoxifen-Gabe zu erwägen. Adjuvante endokrine Therapie (II): Letrozol ist bei postmenopausalen Patientinnen mit Mammakarzinom wirksamer als Tamoxifen, insbesondere beim lobulären Subtyp In der BIG 1-98-Studie wurde geprüft, wie Tamoxifen oder der Aromatase-Inhibitor Alle Behandlungsprogramme im Überblick Programm 1: Tumorerkrankungen des Magen-DarmTraktes (Westdeutsches Magen-DarmZentrum) Kontakt: Dr. S. Kasper Innere Klinik (Tumorforschung) Telefon: 0201-723-2039 Mail: [email protected] Programm 2: Tumorerkrankungen der Lunge und der Thoraxorgane (Lungenkrebszentrum am Westdeutschen Tumorzentrum) Kontakt: Dr. W. Eberhardt Innere Klinik (Tumorforschung) Telefon: 0201-723-3131 Mail: [email protected] Programm 3: Hämatologische Onkologie (Leukämien, Lymphome und Myelome) Kontakt: Prof. Dr. U. Dührsen Klinik für Hämatologie Telefon: 0201-723-2417 Mail: [email protected] Programm 4: Gynäkologische Tumoren Kontakt: Prof. Dr. R. Kimmig, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Telefon: 0201-723-2441 Mail: [email protected] Programm 5: Neuroonkologie Kontakt: Prof. Dr. U. Sure Klinik für Neurochirurgie Telefon: 0201-723-2804 Mail: [email protected] Programm 6: Urologische Tumoren Kontakt: Prof. Dr. Dr. h. c. H. Rübben Klinik für Urologie Telefon: 0201-723-3211 Mail: [email protected] Programm 7: Pädiatrische Hämatologie/Onkologie Kontakt: Prof. Dr. A. Eggert Zentrum für Kinder und Jugendmedizin, Klinik für Kinderheilkunde III Telefon: 0201-723-3784 Mail: [email protected] Programm 8: Hauttumoren Kontakt: Prof. Dr. D. Schadendorf Klinik für Dermatologie Telefon: 0201-723-2430 Mail: [email protected] Programm 9: Endokrine Tumoren Kontakt: Prof. Dr. Dr. D. Führer-Sakel Klinik für Endokrinologie und Zentrallabor, Bereich Forschung und Lehre Telefon: 0201-723-2821 Mail: [email protected] Programm 10: Kopf-/Hals-Tumoren Kontakt: Prof. Dr. S. Lang Klinik für HNO-Heilkunde Telefon: 0201-723-2481 Mail: [email protected] Programm 11: Augentumoren Kontakt: Prof. Dr. N. Bornfeld Zentrum für Augenheilkunde, Erkrankungen des hinteren Augenabschnitts Telefon: 0201-723-3569 Mail: [email protected] Programm 12: Knochen- und Weichteiltumoren Kontakt: Prof. Dr. G. Taeger Klinik für Unfallchirurgie Telefon: 0201-723-1312 Mail: [email protected] [email protected] Programm 13: Knochenmarktransplantation Kontakt: Prof. Dr. D. W. Beelen Klinik für Knochenmarktransplantation Telefon: 0201-723-3136 Mail: [email protected] Programm 14: Tumorerkrankungen des älteren Patienten, Geriatrische Onkologie Kontakt: Dr. W. Eberhardt Innere Klinik (Tumorforschung) Telefon: 0201-723-3131 Mail: [email protected] Programm 15: Primäre Tumoren der Leber (Lebertumor-Centrum am WTZ) Kontakt: Prof. Dr. Jörg Schlaak Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie Telefon: 0201-723-3615 Mail: [email protected] 7 WTZJournal_0312_RZ_Layout 1 26.03.13 15:36 Seite 8 Rezidivbehandlung Rezidivbehandlung: Eine Poly-Chemotherapie verlängert das Leben von Patientinnen mit Lokalrezidiven Patientinnen mit komplett resezierten Lokalrezidiven oder lokoregionären Krankheitsherden sollten eine Poly-Chemotherapie erhalten, speziell wenn das Rezidiv endokrin nicht sensitiv ist [S3-2]. Das ist das Ergebnis der CALOR-Studie (Chemotherapy as Adjuvant for Locally Recurrent Breast Cancer). Die teilnehmenden Patientinnen, deren Rezidive komplett reseziert waren, wurden stratifiziert nach vorangegangener Chemotherapie, Hormonrezeptorstatus des Rezidivs sowie Ort des Rezidivs (Brust, Narbe, Thoraxwand, Lymphknoten). Die Patientinnen erhielten eine Chemotherapie oder keine Chemotherapie. Empfohlen wurde eine Poly-Chemotherapie mit mindestens vier Zyklen; die Präparate-Auswahl blieb den Prüfärzten überlassen. Das krankheitsfreie Überleben nach median vier Jahren Follow-Up lag in der Chemotherapie-Gruppe bei 79 Prozent, in der Kontrollgruppe bei 61 Prozent (HR 0,51; 95%KI 0,29 bis 0,90; p=0,02). Das Gesamtüberleben für denselben Follow-Up-Zeitraum betrug in der Che- 1 · 2 0 1 3 · 5 . J g motherapie-Gruppe 90 Prozent, in der Kontrollgruppe 81 Prozent (HR 0,38; 95%KI 0,17 bis 0,88; p=0,02). Besonders profitierten Frauen mit endokrin nicht responsivem Lokalrezidiv: Das DFS nach vier Jahren lag bei 77 Prozent in der Chemotherapie-Gruppe gegenüber 45 Prozent in der Kontrollgruppe (p=0,01), das OS bei 84 Prozent versus 70 Prozent (p=0,052). im Übergang von der G1- zur S-Phase inhibiert die Substanz die DNA-Synthese. In präklinischen Studien war zuvor derjenige Luminal-Typ (ER-positiv/HER2negativ) identifiziert worden, für den aufgrund einer erhöhten Expression von Cyclin D1 und Rb-Protein ein Ansprechen auf den CDK-Inhibitor wahrscheinlich war. In der TRIO-18-Studie [S1-6] konnten Finn et al. nun zeigen, dass der CDK-4/6Inhibitor PD 0332991 zusammen mit Letrozol im Vergleich zu Letrozol allein klinisch tatsächlich zu sehr viel besseren Ergebnissen führt. Mit der Kombination verlängerte sich in der Erstlinienbehandlung von postmenopausalen Patientinnen mit ER-positivem und HER2negativem fortgeschrittenem Mammakarzinom das mediane progressionsfreie Überleben von 7,5 Monate (Letrozol allein) auf 26,1 Monate (HR 0,32, 95%KI Fortgeschrittene und metastasierte Situation CDK-4/6- Inhibitoren: Neues Wirkprinzip zur Behandlung von Patientinnen mit ER-positiven/HER2negativen fortgeschrittenen oder metastasierten Mammakarzinomen PD 0332991 ist ein oraler Inhibitor der Zyklin-abhängigen Kinasen (CDK) 4 und 6. Durch die Blockierung des Zellzyklus 1.0 0 Wahrscheinlichkeit des progressionsfreien Überlebens 8 Letrozol in der adjuvanten Therapie und hinsichtlich des Rezidivmusters wirken. Luminal-B-Patientinnen, also solche mit hochproliferativen HR-positiven und HER2-negativen Tumoren, profitieren vom Letrozol-Einsatz hinsichtlich des krankheitsfreien Überlebens am meisten, und zwar sowohl bei invasiv duktal (IDC) als auch bei invasiv lobulär (ILC) wachsenden Tumoren (ILC: HR 0,35; 95%KI 0,21 bis 0,56; IDC: HR 0,64; 95%KI 0,52 bis 0,78). Bei ILC-Patientinnen insgesamt ergab sich auch ein Trend zu einem besseren Gesamtüberleben unter Letrozol (p=0,053). Die Autoren fordern dazu auf, die biologischen Hintergründe dieser Befunde weiter zu erforschen [S1-1]. w t z - j o u r n a l HR = 0,37 (95%Kl 0,21-0,63) p < 0,001 8 0.8 6 0.6 4 0.4 2 0.2 PD 0332991 + Le etrozol Letrozol 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 Monate Abbildung 4: Progressionsfreies Überleben mit PD 0332991 plus Letrozol gegen Letrozol allein; adaptiert nach [S1-6]. 1.0 Wahrscheinlichkeit des progressionsfreien Überlebens s c h w e r p u n k t PBO + EX XE (E/N N = 127/239) EVE + EXE (E E/N = 15 55/485) 0.8 0.6 0.4 0.2 0 0 12 24 36 48 60 72 84 Wochen Abbildung 5: BOLERO-2-Studie. Ergebnisse der 12-Monate-Follow-Up. Progessionsfreies Überleben zentral (HR = 0,36 (95%KI: 0,28 0,45), Log- rank p-Wert: <1x 1016): Everolimus plus Exemestan: 11,0 Monate, Plazebo plus Exemestan: 4,1 Monate; adaptiert nach [P6-04-02]. WTZJournal_0312_RZ_Layout 1 26.03.13 15:37 Seite 9 Progressionsfreies Überleben (%) s c h w e r p u n k t w t z - j o u r n a l 100 Ptz + T + D: median 18,5 Mona ate Pla + T + D: mediian 12,4 Monate 80 }Δ6 6,5 Monate 1 · 2 0 1 3 · 5 . J g Docetaxel-basierten Chemotherapie (p=0,0008). Zusammenfassung 60 40 20 HR = 0,6 62; 95%CI 0,51-0,75; p< <0,0001 0 0 5 10 15 20 25 30 35 Monate Abbildung 6: CLEOPATRA-Studie. Primärer Endpunkt: unabhängig begutachtetes progressionsfreies Überleben (n = 433 Patientinnen mit progressionsfreiem Überleben). D Docetaxel, PFS progressionfreies Überleben, Pla Plazebo, Ptz Pertuzumab, T Trastuzumab; adaptiert nach [4]. 0,19 bis 0,56, p<0,001, Abb. 4). Die mediane Dauer der Einnahme betrug im experimentellen Kombinationsarm 8,9 Monate, im Standardarm 5 Monate. Im Kombinationsarm trat als Grad-3-Nebenwirkung eine Neutropenie bei etwa der Hälfte der Patientinnen auf. Die Phase-III-Zulassungsstudie für PD 0332991 wird auch in Deutschland verfügbar sein. Everolimus überwindet die endokrine Resistenz in der metastasierten Situation Beim fortgeschrittenen Mammakarzinom verbessert Exemestan mit Everolimus (10 mg/Tag) nach Versagen einer Therapie mit einem nicht steroidalen Aromatase-Inhibitor signifikant das progressionsfreie Überleben. Seit Herbst 2012 ist der mTOR-Inhibitor Everolimus bei postmenopausalen Patientinnen und Versagen eines nicht steroidalen Aromataseinhibitors (AI) gemeinsam mit dem steroidalen AI Exemestan zugelassen. Grundlage für die Zulassung sind die in Abbildung 6 zusammengefassten Ergebnisse der Phase-III-Studie BOLERO-2, zu der in San Antonio die finale PFS-Analyse von Piccart M et al. präsentiert wurde (P6-04-02, Abb. 5). Durch die Hinzunahme von Everolimus wurde das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) von 4,1 auf 11 Monate verlängert (zentrale Begutachtung: HR 0,38, 95%KI 0,31 bis 0,48, p<0,0001). Der Benefit einer solchen Kombinationstherapie ließ sich in allen prospektiv de- finierten Subgruppen nachweisen, einschließlich der Patienten mit visceralen Metastasen (n=406), drei oder mehr Metastasenorten (n=271) und Patienten mit ECOG-Status 1 oder 2 (n=274). Duale HER2-Blockade für Patientinnen mit fortgeschrittenem HER2positiven Mammakarzinom Zur Behandlung von Patientinnen mit fortgeschrittenem HER2-positiven Mammakarzinoms hat die duale Blockade mit Trastzumab und dem Dimerisierungsinhibitor Pertuzumab bei einem Docetaxel-Backbone mittlerweile in der CLEOPATRA-Studie einen Vorteil im progressionsfreien Überleben gezeigt (Abb. 6). In der Erstlinientherapie verbesserte die Hinzunahme von Pertuzumab zum Standard Docetaxel und Trastuzumab im Gesamtkollektiv das progressionsfreie Überleben (median 18,5 versus 12,4 Monate; HR 0,62, 95%KI0,51 bis 0,75, p<0,001 [4]). Auch für die Subgruppe der bereits adjuvant mit Trastuzumab vorbehandelten Patientinnen (therapiefreie Zeit mindestens 12 Monate) zeigte sich ein vergleichbarer Effekt. In San Antonio präsentierten Swain et al. nun auch die bestätigenden Daten zum Gesamtüberleben (P5-18-26). Nach median 30-monatigem Follow-Up war das Sterberisiko in der PertuzumabGruppe um 34 Prozent reduziert. Die für eine dreijährigen Follow-Up-Zeit verfügbaren Daten zeigen ein um 15,4 Prozent verbessertes Gesamtüberleben für die duale HER2-Rezeptor-Blockade bei einer In der Neoadjuvanz zeigt sich die pCR ohne In-situ-Reste als bester Prognosefaktor – dies gilt auch für unterschiedliche Rezeptor-Subtypen. In der Adjuvanz verlängert die höhere Dichte und Intensität der Chemotherapie beim Nodalbefall (≥4 Lymphknoten) das Überleben. Dagegen hat die Hinzunahme der Neoangiogenese-Hemmung mit Bevacizumab zur adjuvanten Chemotherapie bei HER2-negativen Tumoren keinen Vorteil gezeigt. Die Dauer von einem Jahr Trastuzumab bleibt beim frühen HER2-positiven Mammakarzinom Standard – weder die Verlängerung auf zwei Jahre noch die Verkürzung auf ein halbes Jahr erscheint gerechtfertigt. In der Rezidivsituation gibt es erstmals prospektive Daten für einen Überlebensvorteil durch den Einsatz einer (Poly-)Chemotherapie, inbesondere beim hormonrezeptor-negativen Status, was in die klinische Praxis einfließen sollte. Die duale HER2-Rezeptor-Blockade mit Pertuzumab und Trastuzumab plus Docetaxel zeigte sich bei Patientinnen mit fortgeschrittenem HER2-positivem Mammakarzinom der bisherigen gegen HER2 gerichteten Therapie mit Trastuzumab plus Docetaxel überlegen. Die Überwindung der endokrinen Resistenz durch mT0R-Inhibition (Everolimus) stellt mit der Verdopplung des krankheitsfreien Überlebens ebenso einen Meilenstein in der metastasierten Situation dar wie die neuen Substanzen aus der Klasse der Cyclin-abhängigen Kinase-Inhibitoren als vielversprechende, wenig toxische, zielgerichtete Therapien mit großem Potenzial. Literatur auf Anforderung: [email protected]. 9 WTZJournal_0312_RZ_Layout 1 26.03.13 15:37 Seite 10 A S C O - G I w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 3 · 5 . J g Gastrointestinale Tumoren – Bericht vom ASCO-GI 2013 Was ist wichtig für die Klinik? Mit etwa 3.000 Teilnehmern zählt das jährlich im Januar stattfindende Gastrointestinal Cancer Symposium der US-amerikanischen Gesellschaft für klinische Onkologie (ASCO) zu einem der weltweit größten Treffen für gastrointestinale Tumoren. Vom 24. bis 26. Januar 2013 wurden die neuesten Ergebnisse aus der klinischen und ex- 1 Prozent (G) versus 3 Prozent (nab-P+G), obwohl die Kombination mit 31 Prozent versus 16 Prozent mehr Neutropenien verursachte. Die Rate an Grad-3-Neuropathien im nab-P+G-Arm lag mit 17 Prozent signifikant höher als im G-Arm (1 Prozent), war allerdings bei allen Patienten innerhalb von 29 Tagen reversibel [3]. Diese Behandlungskombination könnte insbesondere für Patienten, die für eine Behandlung mit FOLFIRINOX nicht in Frage kommen, eine therapeutische Alternative darstellen. perimentellen Forschung diskutiert. Für das WTZ-Journal berichtet Dr. Johannes Meiler von der Inneren Klinik (Tumorforschung). Ösophaguskarzinome: Hinzunahme von Cetuximab zur Radiochemotherapie nicht sinnvoll medianes Überleben Monate (95%KI) 1.0 0 Anteil Überlebender 10 nab-P + Gem 8,5 8, (7,89-9,53) Gem 6,7 7 (6 ( ,01-7,23) 0.8 8 75. Perzentile e 14,8 11,4 HR = 0,7 72; 2 95%KI 0,617-0,835 p<0,000015 5 0.6 6 0.4 4 0.2 2 0 Die definitive – also als ausschließliche Behandlung durchgeführte – Radiochemotherapie beim lokal fortgeschrittenen Ösophaguskarzinom ist für Patienten mit Komorbiditäten und/oder lokal inoperablen Tumoren eine Option. Die Hinzunahme von Cetuximab zur definitiven Radiochemotherapie mit Cisplatin und Fluorpyrimidin wurde in der SCOPE-1-Studie an 258 Patienten untersucht. Die Intensivierung der Chemotherapie resultierte in einer deutlichen Zunahme der Toxizität. Dies führte zu einer reduzierten Therapiedichte im Cetuximab-Arm. Die Krankheitskontrollrate (66 Prozent versus 77 Prozent) und die Zwei-Jahres-Überlebensrate (41 Prozent versus 56 Prozent) waren im experimentellen Therapiearm niedriger [1], die Studie wurde vorzeitig beendet. Metastasiertes Pankreaskarzinom: Patienten profitieren von nab-Paclitaxel plus Gemcitabin Die randomisierte Phase-III-Studie MPACT verglich die wöchentliche Therapie mit Gemcitabin (G) gegen eine Kombinationstherapie aus nab-Paclitaxel (nab-P), einem Albumin-gebundenen Paclitaxel, plus Gemcitabin (G). Es zeigte sich eine hochsignifikante Überlegenheit der Kombinationstherapie, die eine Verbesserung des medianen Überlebens von 6,7 auf 8,5 Monate zur Folge hatte (Abb. 1). Der Anteil von Patienten, die mindestens ein Jahr überlebten, konnte von 22 Prozent in der Mono- auf 35 Prozent in der Kombinationstherapie gesteigert werden. Die Toxizität von nab-P+G war im Vergleich zu G nur moderat erhöht: Der Anteil an febrilen Neutropenien lag bei 0 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30 33 Monate Abbildung 1: Die Kombination aus nab-Paclitaxel plus Gemcitabin (nab-P + Gem) erreicht gegenüber Gemcitabin (Gem) eine signifikante Verbesserung des medianen Überlebens von 6,7 auf 8,5 Monate; nach [3]. Metastasiertes Magenkarzinom: Ramucirumab ist wirksam Die doppelblind randomisierte, Placebo-kontrollierte Phase-IIIStudie REGARD untersuchte den VEGF-Rezeptor-Inhibitor Ramucirumab (RAM) gegen die alleinige Supportivtherapie (best supportive care, BSC) bei Patienten mit Magenkarzinomen und Karzinomen des gastroösophagealen Übergangs. Es wurden Patienten eingeschlossen, deren Tumoren nach Platin/Fluorpyrimidin-Therapie rezidivierten beziehungsweise progredient waren. Der primäre Endpunkt war die Verbesserung des Gesamtüberlebens. Das mediane Überleben in der RAM-Gruppe war mit 5,2 Monaten gegenüber 3,8 Monaten in der BSC-Gruppe signifikant verlängert. Die sekundären Endpunkte wie progressionsfreies Überleben (2,1 Monate versus 1,3 Monate) und zwölfwöchiges progressionsfreies Überleben (40 Prozent versus 16 Prozent) waren im RAM-Arm ebenfalls signifikant besser als in der Placebo-Gruppe. Als Hauptnebenwirkung trat bei 7,2 Prozent der Patienten im Therapiearm Hypertonie auf, in der PlaceboGruppe dagegen bei 2,6 Prozent [2]. WTZJournal_0312_RZ_Layout 1 26.03.13 15:37 Seite 11 A S C O - G I w t z - j o u r n a l Kolorektales Karzinom: Ältere Patienten profitieren von Bevacizumab Ein Großteil der Patienten mit kolorektalem Karzinom ist mehr als 70 Jahre alt. Eine Behandlung mit Oxaliplatin oder Irinotecan ist wegen der Nebenwirkungen für diese Gruppe häufig keine echte Option. In der AVEX-Studie wurde deshalb die B+CKombinationstherapie Bevacizumab (7,5mg/kg KG) und Capecitabin (1000mg/m2 d1-14 bid) mit einer Capecitabin-Monotherapie (C) verglichen. Das als primärer Endpunkt geprüfte mediane progressionsfreie Überleben war im Kombinationstherapie-Arm mit 9,1 Monaten gegenüber 5,1 Monaten im Monotherapie-Arm signifikant verlängert. Das Gesamtüberleben verbesserte sich von 16,8 Monaten im C-Arm auf 20,7 Monate im B+C-Arm; die Differenz erreichte jedoch keine statistische Signifikanz [4]. Die AVEX-Studie ist die erste Studie, in der Bevacizumab speziell bei älteren Patienten mit metastasiertem kolorektalen Karzinom untersucht wurde. Metastasiertes kolorektales Karzinom: Besseres PFS nach FOLFOXIRI plus Bevacizumab Patienten mit oligotoper Metastasierung eines kolorektalen Karzinoms können nach intensivierter neoadjuvanter Behandlung mit nachfolgender Metastasenresektion potenziell kurativ behandelt werden. In der TRIBE-Studie wurden 508 Patienten prospektiv in die Therapiearme FOLFOXIRI plus Bevacizumab und FOLFIRI plus Bevacizumab randomisiert. Die intensivierte Therapie führte zu einem verbesserten progressionsfreien Überleben (11,9 vs. 9,5 Monate). Die Ansprechrate konnte ebenfalls signifikant von 53 Prozent auf 64 Prozent gesteigert werden [6]. Durch ein verbessertes Therapieansprechen wurde in mehreren vorherigen Studien gezeigt, dass die Rate sekundärer Metastasenresektionen gesteigert werden kann. Im Rah- 1 · 2 0 1 3 · 5 . J g men der PERIMAX-Studie wird in Kürze unter anderem am WTZ in Essen dieses Therapiekonzept für die perioperative Behandlung von hepatisch metastasierten kolorektalen Karzinomen überprüft werden. Rektumkarzinom: Neoadjuvante Therapie erfolgversprechend Die präoperative Radiochemotherapie gefolgt von Operation und adjuvanter Therapie gilt als Standard in der Behandlung des Rektumkarzinoms in den Stadien II und III. Allerdings kann die adjuvante Therapie bei vielen Patienten nicht optimal durchgeführt werden, sodass die Rezidiv- und Überlebensrate möglicherweise beeinträchtigt ist. In der nicht-randomisierten Phase-II-Studie CONTRE wurde daher überprüft, ob eine komplette neoadjuvante Therapie mit 8 Zyklen mFOLFOX6 möglich und sinnvoll ist. In der Studie konnten mit 28 von 30 Patienten mehr als 90 Prozent der Teilnehmer die neoadjuvante Behandlung vollständig beenden. Eine komplette pathologische Remission wurde nach der Radiochemotherapie bei 6 von 21 oder 29 Prozent der Patienten erreicht. R0-Resektionen wurden bei allen untersuchten Patienten erreicht [5]. Damit bietet die komplette neoadjuvante Therapie einen interessanten Ansatz für zukünftige Studienkonzepte, insbesondere für Patienten mit primär metastasiertem Rektumkarzinom, die für eine sekundäre Metastasenresektion in Frage kommen. Literatur: [1] Thomas Crosby et al., J Clin Oncol 30: 2012 (suppl 34; abstr LBA3) [2] Charles S. Fuchs et al., J Clin Oncol 30: 2012 (suppl 34; abstr LBA5) [3] Daniel D. Von Hoff et al., J Clin Oncol 30: 2012 (suppl 34; abstr LBA148) [4] David Cunningham et al., J Clin Oncol 30: 2012 (suppl 34; abstr 337) [5] Kimberly Perez et al., J Clin Oncol 30: 2012 (suppl 34; abstr 335) [6] Fotios Loupakis et al., J Clin Oncol 30: 2012 (suppl 34; abstr 336) Anzeige Medizinisches Hörbuch „Mit Lungenkrebs leben“ Professor Dr. med. Andreas Schalhorn (Hrsg.) Unter Mitwirkung von Dr. med. Pia Heußner und Dr. med. Joachim von Pawel M nkreit bs leb en Lunge Mit Lungenkrebs leben Ein med izinisch für Betro ffene, A es Hörbuch n höri ge und Freundge e Herausgegeben von Prof. Dr. med. Andreas Schalhorn „Die Reaktion ist einfach, dass man Angst hat, dass man einfach keinen Halt mehr hat, dass einem der Boden wegEhefrau eines Lungenkrebspatienten gezogen wird …“ Für Betroffene, Angehörige und Freunde. 14 Informationseinheiten mit verständlichen Inhalten zu Krankheit und Behandlungsmöglichkeiten zur Bewältigung der Angst zu finanziellen und sozialen Fragen Gesamtspieldauer: 47 Minuten Ein medizinisches Hörbuch für Betroffene, Angehörige und Freunde LUKON © 2010 Verlagsge sells by www.lu chaft mbH M kon.de ünchen ISBN: 978-3-933012-15-9 LUKON-Verlag, München Preis: 24,50 € 11 WTZJournal_0312_RZ_Layout 1 26.03.13 15:37 Seite 12 A S H w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 3 · 5 . J g NH2 Blutkrebsbehandlung ohne Chemotherapie 12 Highlights von der ASH-Jahrestagung 2012 M ehr als 20.000 Teilnehmer und mehrere hundert Sitzungen: Bei den jeweils im Dezember stattfindenden Jahrestagungen der US-amerikanischen Fachgesellschaft für Hämatologie ist es nicht immer einfach, den Überblick zu bewahren. Aus der Fülle der präsentierten Ergebnisse hat sich PD Dr. Jan Dürig von der Klinik für Hämatologie für ein Thema entschieden, das demnächst das klinische Handeln aller Hämatologen entscheidend beeinflussen dürfte: die sich abzeichnende Möglichkeit, Blutkrebserkrankungen wie die CLL und das FL ganz ohne Chemotherapeutika behandeln zu können. Blutkrebserkrankungen wie die Chronische Lymphatische Leukämie (CLL) oder das Follikuläre Lymphom (FL) lassen sich mit klassischen Chemotherapeutika nur unzureichend behandeln. Denn anders als viele andere Tumorzellen zeichnen sich Lymphomzellen nicht durch eine hohe Proliferationsrate aus. Ihr Überleben ist eher von der Stimulation ihrer B-Zell-Rezeptoren und vom Vorhandensein passender Signale in der hämatopoetischen Mikroumgebung abhängig (siehe Kasten Seite 14). FL-Behandlung ohne Zytostatika Vor diesem Hintergrund verdient eine von Fowler et al. auf der ASH-Jahrestagung 2012 in Atlanta vorgestellte Phase-II-Studie über die Erstlinienbehandlung von 110 Patienten mit indolenten B-Zell-Lymphomen Beachtung [1]. Der in Abbildung 1A schematisch dargestellte Behandlungsplan umfasst die kontinuierliche A Monate 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Zyklus 1 bis 6 Zyklus 7 bis 12 Lenalidomid 20 mg/Tag*, T1-21 Lenalidomid 20 mg/Tag*, T1-21 1 O N N N N Abbildung 2: Chemische Struktur des BTK-Inhibitors Ibrutinib N O Pharmakologische Eigenschaften von Ibrutinib: PCI-32765 bindet kovalent an Cystein-481 im aktiven Zentrum von BTK Weitgehend spezifisch für BTK, Restaktivität gegen Lyn, Lck, Src, Fgr BTK Inhibition, IC50 = 0,5 nM Oral bioverfügbar, 1-2 x 420 mg/d → 24h BTK Inhibition tägliche perorale Gabe des Immunmodulators Lenalidomid in Kombination mit einer in monatlichen Intervallen intravenös applizierten Infusion von Rituximab. Diese Therapie wurde von den Patienten hervorragend toleriert und zeichnete sich zudem durch eine erstaunlich gute Wirksamkeit aus (Abb. 1 B). Aufgrund der besonders guten Ansprechraten in der Gruppe der Patienten mit FL soll jetzt eine Nachfolgestudie durchführt werden, in der dieses Konzept randomisiert mit der Gabe einer Zytostatika-Rituximab-Kombination als aktuellem Standard der Erstlinientherapie beim FL verglichen wird. Sollte diese Studie erfolgreich verlaufen, könnte zukünftig bei der Erstlinienbehandlung des FL vollständig auf einen ZytostatikaEinsatz verzichtet werden! 2 Rituximab 375 mg/m2, T1 Restaging Rituximab 375 mg/m2, T1 Restaging Restaging Restaging Falls klinischer Benefit: Therapie bis zu 12 Zyklen *SLL: Startdosis Zyklus 1 Lenalidomid 10 mg, Dosiseskalation 15 mg, 20 mg B Ansprechen % SLL (n=30) MZL (N=27) FL (n=46) Alle ITT (n=110) ORR CR/CRu PR SD PD 80 27 53 13 7 89 67 22 11 0 98 87 11 2 0 85 60 25 7 2 Abbildung 1: Chemotherapiefreie Erstlinienbehandlung indolenter B-Zell-Lymphome mit Lenalidomid und Rituximab [1] Ibrutinib zur Behandlung der CLL Ähnlich bahnbrechende Ergebnisse präsentierten John Byrd von der Ohio State University und Jan Burger vom MD Anderson Cancer Center in Houston zur Behandlung von Patienten mit rezidivierter und/oder Chemotherapie-refraktärer CLL (2, 3). Byrd et al. setzten in ihrer Phase-II-Studie den von der Firma Celera Genomics neu entwickelten, oral verfügbaren Hemmstoff der Bruton‘s tyrosin kinase (BTK, Abb. 2) Ibrutinib in zwei verschiedenen Dosierungen ein: 420 mg einmal beziehungsweise zweimal täglich. Die Daten zeigen eine für diese prognostisch sehr ungünstige Patientengruppe hohe Gesamtansprechrate von 71 Prozent, die bei 75 Prozent der ansprechenden Patienten mindestens 26 Monate anhielt. Es fanden sich keine dosisabhängigen Unterschiede in der Wirksamkeit, sodass für die weitere Anwendung die Gabe von 420 mg Ibrutinib p.o./die empfohlen wird. WTZJournal_0312_RZ_Layout 1 26.03.13 15:37 Seite 13 w t z - j o u r n a l Die hier beschriebenen Ergebnisse bei der CLL und FL müssen zukünftig in Phase-III-Studien bestätigt werden, geben aber schon jetzt Anlass zu großer Hoffnung. Durch das günstige Toxizitätsprofil dieser neuen zielgerichteten Therapien wird es wahrscheinlich möglich sein, Menschen, die bislang aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters nicht für eine nebenwirkungsreiche Chemoimmuntherapie in Betracht kamen, effektiv zu behandeln. Davon könnten insbesondere CLL-Patienten profitieren; denn sie sind zum Zeitpunkt der Diagnosestellung durchschnittlich bereits 72 Jahre alt. Antigen BCR n = 40 Median 25%-75% Non-Outlier Range Normalisierung der Blutlymphozytenzahl 40000 n = 37 30000 20 n = 31 16 10000 n = 33 n = 37 20000 0 Wochen 0 1 2 3 8 4 12 24 28 Abbildung 3: Lymphozytenverlauf unter der Therapie mit Ibrutinib und Rituximab [3] Monat 1 2 Zyklus 1 Rituximab 375 mg/m2 1 3 4 5 6 7 - 12 Zyklus 2 bis 6 Tag Tag 8 15 21 1 1 1 1 1 Ibrutinib 420 mg/d PO Abbildung 4: Design der MD-Anderson-Studie zur Behandlung von Patienten mit rezidivierter CLL mit Rituximab und Ibrutinib [3] Literatur: [1] Fowler et al., Blood 2012;120: Abstract 901 [2] Byrd et al., Blood 2012; 120: Abstract 189 [3] Burger et al., Blood 2012; 120: Abstract 187 Abbildung 5: Therapeutische Ansatzpunkte im B-Zell-Rezeptor-Signalweg BCR: B-Zell-Rezeptor CD79: CD79-Oberflächenprotein LYN: Tyrosinkinase (v-yes-1 Yamaguchi sarcoma viral related oncogene homolog) SYK: Spleen tyrosine kinase; PI3Kδ-Phosphatidylinositol 3-Kinase delta BTK: Bruton’s Tyrosine Kinase AKT: Protein Kinase B-alpha mTOR: mammalian Target Of Rapamycin extrazellulär CD79 A 13 n = 39 n = 40 50000 ALC/µl PB n = 40 60000 n = 37 Hoffnung vor allem für ältere Patienten Um den Wirkungseintritt zu beschleunigen und die Effektivität von Ibrutinib zu erhöhen, setzte die Gruppe um Jan Burger in ihrer Phase-II-Studie eine Kombination aus Rituximab (375 mg/qm KO alle 4 Wochen) und Ibrutinib (420 mg 1 x pro Tag) ein (Abb. 4). Nach drei bis sechs Monaten lag die Gesamtansprechrate bei 83 Prozent und damit etwas höher als im Patientenkollektiv von Byrd und Kollegen. Auch die Normalisierung der Blutlymphozytenkonzentration, die in der Untersuchung von Byrd und Kollegen etwa 40 Wochen gedauert hatte, stellte sich etwas eher ein, nämlich im Mittel nach etwa 16 Wochen (Abb. 3). 70000 n = 40 Durch den biologischen Wirkmechanismus kommt es unmittelbar nach Beginn der Behandlung mit Ibrutinib zu einer Umverteilung der Leukämiezellen aus den Geweben in das periphere Blut (Abb. 3). Der dadurch verursachte Anstieg der zirkulierenden Leukämiezellen kann mehrere Monate anhalten und widerspricht den klinischen Erfahrungen nach konventioneller Chemoimmuntherapie. Die klinische Handhabung dieses neuen BTK-Inhibitors erfordert daher eine gewisse Expertise in der Behandlung von CLL-Patienten, um diesen Effekt von einem möglichen Progress der Grunderkrankung zu unterscheiden, die ebenfalls mit einem Anstieg der Leukämiezellen im peripheren Blut einhergeht. 1 · 2 0 1 3 · 5 . J g n = 40 A S H BP A B P P P SYK LYN P PIP3 PIP2 Pl3Kδ P BTK P SYK LYN P Ibrutinib AKT mTOR P intrazellulär WTZJournal_0312_RZ_Layout 1 26.03.13 15:37 Seite 14 p a n o r a n a 14 w t z - j o u r n a l Was klassische Chemotherapeutika von neuen Medikamenten unterscheidet Blutkrebserkrankungen entstehen, wenn einzelne Zellen des hämatopoetischen Systems sozusagen einen genetischen Unfall erleiden, der ihnen einen Vermehrungs- und/oder einen Überlebensvorteil verschafft, der dann an die Nachkommenzellen weitergegeben wird (Monoklonalität). Als Folge des gestörten Gleichgewichts zwischen Zellneubildung und Zelltod kommt es zu einer kontinuierlichen Zunahme der Zellzahl, die letztendlich zu einer klinisch erkennbaren Tumorerkrankung führt. Häufig erfasst die Erkrankung bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung den größten Teil des menschlichen Organismus und bedarf daher einer systemisch wirksamen medikamentösen Therapie. Bis Ende der 1990er Jahre standen zur Behandlung im Wesentlichen herkömmliche Zytostatika zur Verfügung, die ihre Wirkung über eine Hemmung der Zellteilung entfalten. Eine Heilung ist mit diesen Medikamenten nur dann möglich, wenn die Krebszellen gegenüber der Chemotherapie empfindlicher sind als die normalen Körperzellen und durch diese komplett beseitigt werden. Ein weiterer Nachteil der Chemotherapie besteht in der häufig relativ schlechten Verträglichkeit, die ihre Anwendung bei älteren Patienten mit komorbiditätsbedingt eingeschränkter Organfunktion limitiert. Die Chronische Lymphatische Leukämie (CLL) und das Follikuläre Lymphom (FL) gehen von reifen CD5-positiven B-Zellen beziehungsweise B-Keimzentrums-Lymphozyten aus, wobei der genaue, die Erkrankung auslösende genetische Defekt jeweils unbekannt ist. Forschungsbemühungen der letzten Jahre haben ergeben, dass die Akkumulation der Tumorzellen in beiden Fällen weniger durch eine gesteigerte Zellteilung als durch eine verlängerte Lebensdauer der malignen B-Zellen bedingt ist. Aus diesem Grund können herkömmliche Zytostatika diese Tumorentitäten zwar günstig beeinflussen, sie aber nicht heilen. Zahlreiche aktuelle Forschungsarbeiten deuten darauf hin, dass das Überleben der Lymphomzellen von einer Stimulation des B-Zell-Rezeptors und von Signalen aus der hämatopoetischen Mikro-Umgebung abhängt. Die Entschlüsselung dieser molekularen Mechanismen hat bereits in den vergangenen Jahren zur Entwicklung einer Reihe von neuen Medikamenten geführt, die gezielt mit der B-Zell-Rezeptor-Signalgebung interferieren oder eine immunologisch vermittelte Zerstörung der Tumorzellen bewirken (Abb. 5, Seite 13). Der gegen das auf der Oberfläche reifer B-Zellen vorhandene CD20-Molekül gerichtete Antikörper Rituximab beispielsweise wird schon seit längerem eingesetzt und hat in den vergangenen zehn Jahren zu einer deutlichen Verbesserung der Behandlungsergebnisse bei den B-Zell-Lymphomen geführt. Gemeinsam ist diesen neuen Medikamenten, dass sie ihre Wirkung weitgehend unabhängig von der Proliferation der Tumorzellen entfalten können. 1 · 2 0 1 3 · 5 . J g German Life Science Award für Shirley Knauer Die Biologin Prof. Dr. Shirley Knauer vom Zentrum für Medizinische Biotechnologie (ZMB) der Universität Duisburg-Essen (UDE) ist Mitte März mit dem German Life Science Award ausgezeichnet worden. Sie teilt sich den mit 50.000 Euro dotierten Wissenschaftspreis mit einem Dresdener Wissenschaftler. Shirley Knauer erforscht, wie sich Krebszellen ausbreiten und warum sie teils resistent gegen Chemo- und Strahlentherapien sind. Im Fokus ihrer Arbeiten stehen zwei Eiweißmoleküle, die als Angriffspunkte für die Entwicklung neuer Medikamente dienen. Das Survivin und die Taspase 1 kommen zwar auch in gesunden Zellen vor, spielen bei der Entstehung von Krebs aber eine besondere Rolle. Knauer untersucht die zugrunde liegenden Krankheitsmechanismen und will so Konzepte für die Arzneimittel-Entwicklung liefern. Überreicht wurde der Forschungspreis durch Prof. Dr. Roger Goody, erster Vize-Präsident der Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie e.V. (GBM), während des Forum Life Science an der Technischen Universität München. Stifter des Preises ist die Firma Roche, Basel. Erfolgreiche Post-ASH und Post-SABCS-Veranstaltungen Wer Patientinnen mit Mammakarzinom oder Patienten mit hämatologischen Erkrankungen betreut, kommt am Monat Dezember nicht vorbei: Das San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) und die Jahrestagung der US-amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie (ASH) bilden die jeweiligen Highlights für Ärzte der entsprechenden Fachrichtungen. Wer nicht selbst in die USA reisen kann oder mag, für den bietet das WTZ seit einigen Jahren eine echte Alternative: Die Nachlese der jeweiligen Kongresse im Januar des Folgejahres. Auch in diesem Januar haben sich insgesamt etwa 500 Ärzte die Chance auf die „professionell gefilterten“ Informationen nicht entgehen lassen. Das WTZ dankt allen Kolleginnen und Kollegen für ihr Interesse und den Organisatoren aus der Universitätsfrauenklinik und aus der Klinik für Hämatologie für die exzellente Vorbereitung und Durchführung der Fortbildungsveranstaltungen. WTZJournal_0312_RZ_Layout 1 26.03.13 15:37 Seite 15 p a n o r a m a Multiples Myelom: Genetische Prädisposition identifiziert Zusammen mit Wissenschaftlern aus Großbritannien und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg konnten Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg Essen im Rahmen einer Studie einen genetischen Marker identifizieren, der mit einer Prädisposition für eine bestimmte Form des multiplen Myeloms einhergeht. Die zu Tumorzellen transformierten Plasmazellen von Patienten mit multiplem Myelom weisen häufig genetische VerändeHistopathologische Aufnahme eines multirungen auf. Dazu plen Myeloms gehören unter anderem Umlagerungen von DNA-Abschnitten zwischen Chromosomen. Im Rahmen einer Studie unter Beteiligung des Instituts für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE) am Universitätsklinikum Essen, die im März im renommierten Fachmagazin Nature Genetics publiziert worden ist, wurde untersucht, ob es genetische Varianten gibt, die zu einem erhöhten Risiko für bestimmte, durch chromosomale Veränderungen gekennzeichnete Untergruppen des multiplen Myeloms führen (N. Weinhold et al.: The CCND1 c.870G>A polymorphism is a risk factor for t(11;14)(q13;q32) multiple myeloma Nat. Genet., March 2013). w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 3 · 5 . J g Genomweite Assoziationsstudien Variationen der Erbsubstanz in einer Bevölkerung, die nur einzelne Bausteine der DNA von normalen Körperzellen betrifft, werden EinzelNukleotidaustausche beziehungsweise single nucleotide polymorphisms oder kurz SNPs genannt. Mit Hilfe von genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) versucht man festzustellen, ob sich das Vorkommen bestimmter SNPs bei erkrankten und nicht erkrankten Personen unterscheidet. Das ist den Autoren der jetzt veröffentlichten GWAS offenbar beim multiplen Myelom gelungen: Ein einzelner SNP auf Chromosom 11, der im Gen für das Protein Cyclin D1 liegt und dessen Funktionsweise beeinflusst, war mit einem fast zweifach erhöhten Risiko für ein multiples Myelom mit einer Translokation t(11;14) verbunden. Der Zusammenhang mit diesem SNP war für Untergruppen des multiplen Myeloms mit anderen chromosomalen Veränderungen nicht nachweisbar. Auch beim Mantelzelllymphom war dieser Zusammenhang nicht zu beobachten, obwohl auch dieser Tumor häufig mit einer Translokation t(11;14) einhergeht. Das multiple Myelom lässt sich derzeit noch nicht ursächlich behandeln. Studien wie die jetzt veröffentlichte sollen aber Aufschluss über die Entstehung der Erkrankung geben und so neue Ansätze für Prävention und Behandlung liefern. Dr. med. Lewin Eisele, Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie, Leiter AG Krebsepidemiologie, Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie Vorschau Neuzulassungen in Hämatologie und Onkologie Ab der nächsten Ausgabe werden Experten des Westdeutschen Tumorzentrums im WTZ-Journal innovative Neuzulassungen aus Hämatologie und Onkologie vorstellen. Als Comprehensive Cancer Center ist dem WTZ daran gelegen, validierte neutrale Informationen zu bieten. Besprochen werden Neuzulassungen, die nicht länger als ein Jahr auf dem Markt sind. Haben Sie bezüglich der Substanzauswahl einen bestimmten Wunsch? Dann nehmen Sie Kontakt mit uns auf; schreiben Sie direkt an die Redaktion unter [email protected] oder schicken Sie einen Brief an: Redaktion WTZ-Journal LUKON-Verlag · Landsberger Straße 480 a · 81241 München · Fax: 089-820 737-17 Impressum 15 WTZ-Journal ISSN: 1869-5892 © 2013 by Westdeutsches Tumorzentrum Essen und LUKON-Verlagsgesellschaft mbH, München Redaktion PD Dr. med. Andreas Hüttmann (Redaktionsleitung, verantwortlich); Prof. Dr. med. Angelika Eggert; Günter Löffelmann, Tina Schreck (CvD), Ludger Wahlers (089-820 737-0; [email protected]), Anschrift wie Verlag Anzeigen Manfred Just (089-820 737-0; M. [email protected]), Anschrift wie Verlag Herausgeber Direktorium Westdeutsches Tumorzentrum Essen WTZ, vertreten durch Prof. Dr. med. Angelika Eggert Hufelandstraße 55, 45122 Essen, www.wtz-essen.de Verlag LUKON Verlagsgesellschaft mbH Landsberger Straße 480 a, 81241 München Fon: 089-820 737-0 Fax: 089-820 737-17 E-Mail: [email protected], www.lukon-verlag.de Abonnement Das WTZ-Journal erscheint viermal jährlich zum Einzelpreis von 4,00 €. Der Preis für ein Jahresabonnement beträgt 15,00 €. Die genannten Preise verstehen sich zuzüglich Versandkosten: Inland 3,00 €; Ausland: 12,00 €. Die Bezugsdauer beträgt ein Jahr. Der Bezug verlängert sich automatisch um ein weiteres Jahr, wenn das Abonnement nicht spätestens sechs Wochen vor Ablauf des Bezugsjahres schriftlich gekündigt wird. Für Mitglieder des Westdeutschen Tumorzentrums (WTZ) ist der Bezug des WTZ-Journals im Mitgliedsbeitrag bereits enthalten. Layout, Gestaltungskonzept und Illustration Charlotte Schmitz, 42781 Haan Bildnachweis Alle Grafiken und Illustrationen: Charlotte Schmitz, Haan; Titel, Seite 14 mitte: André Zelck, Essen; Seite 4: cleomiu (Fotolia); Seite 14 links: Schlierner (Fotolia); Seite 15: Wikipedia/16004 75 KGH Wikimedia Commons Druck flyeralarm, Würzburg Printed in Germany Urheber- und Verlagsrecht Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Annahme des Manuskripts gehen das Recht zur Veröffentlichung sowie die Rechte zur Übersetzung, zur Vergabe von Nachdruckrechten, zur elektronischen Speicherung in Datenbanken, zur Herstellung von Sonderdrucken, Fotokopien und Mikrokopien an den Verlag über. Jede Verwertung außerhalb der durch das Urheberrechtsgesetz festgelegten Grenzen ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. In der unaufgeforderten Zusendung von Beiträgen und Informationen an den Verlag liegt das jederzeit widerrufliche Einverständnis, die zugesandten Beiträge beziehungsweise Informationen in Datenbanken einzustellen, die vom Verlag oder Dritten geführt werden. Auflage 2.500 Exemplare Haut- und Schleimhautschutz mit der AgainLife Produktserie von Bendalis Haut- und Schleimhautschutz bei Strahlenbelastung, Antihormon-, Immun- und Chemotherapie Modulation der Mastzellenaktivität Entzündungshemmend, schmerz- und juckreizlindernd Anus Haut Mund www.againlife.de Rachen Vagina