Bark "Theone" - Bodo van Laak

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Bark "Theone" - Bodo van Laak
Karl Heinz Marquardt, F.A.S.M.A
A u s w a n d e r e r s c h if f
Ba r k "T h e o n e "
karl-heinz-marquardt.com
Karl Heinz Marquard
Auswandererschiff Bark „Theone“
1863/1864
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Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlich in:
MECHANIKUS, München 1966-1967.
Abb. 1 Ziemlich rom antisch und reichlich th eatra­
lisch ste llten sich die zornigen jungen M änner des
19. Jahrhunderts Ihre R eise in d ie neue W elt
vo r. R evo lu tio n ä r gesinn t und unter dem schwarzrot-golden en Banner v e rein t, so w o llten sie künftig
a ls freier Mann auf freier Scholle leben . Frauen
scheinen nicht m it vo n d er Partie g ew esen zu sein:
w eiblich es Pathos w ar dam als olfen bar nicht dar­
ste llb a r
Bark „Theorie”
1863/64
Abb. 2
niens
Abb. 1 , 2 u. 8 A us d e n . "
F liegenden Blättern" von
1845 ff.; Abb. 3—7 O riginalphotos d es V erfassers
228
Abb. 3
U n terw egs nach den G oldfeldern Califor-
Abb. 3 u. 4 H albm odell
d es
A u sw an derersch iffs
"T heone". Nachbau von K arlh ein z M arquardt für
das Verkehrsm useum Berlin. Da s O rigin al b e fin det
sich im M orgenstern-M useum B rem erhaven.
E ines der letz ten E xem plare der so g e n a n n te n
A u sw a n d e re r se g le r w ar d ie Bark „Theone".
Im G eg e n sa tz zu v ie le n a n d eren Schiffen, die
m an nur k on ju n k tu rb ed in gt für d ie A u sw a n ­
dererfahrt e in se tzte , w ar s ie e ig e n s für d iesen
E rw erb szw eig kon stru iert. D ie la n g e Poop,
w elch e b is an d en G roßm ast geführt w urde,
und die L u k en häu ser sind z. B. k en n zeich ­
n en d e M erkm ale e in e s F ahrgastschiffs.
D ie „ T h eo n e“ w u rd e 1863 v o n der R eed erei
T. L. Brauer & Sohn in Brem en b ei der W erft
J. C. T eck len b org in G eestem ü n d e, dem zum
K önigreich H an n over g e h ö ren d en T eil d es
h e u tig e n B rem erh aven , in A u ftrag g e g eb en .
Bis 1864 w u rd e sie fe r tig g e ste llt.
In den brem isch en Schiffahrtsakten gib t es
V erm erk e über den B ielb rief (v. 14. 7. 1864,
Brem en C hiffre VI Nr. 423) und über d ie V erm essu n gs-N r. 2566 vo m 24. Juni 1864. Darin
h eiß t es: Bark „Theone": G eführt v o n E. H e l­
m ers, Brem en, g eb a u t in E ichenholz m it ein em
V erdeck, m it festem Z w ischend eck und fe sten
Z w isch en d eck sb alk en , V o lk s lo g is über Deck
und m it B inn en bordbeplan kun g. D ie Länge
zw isch en d en S te v e n in der Richtung d es
H au p tverd eck s 150'4".
d ie T iefe:
vorn
m itte
2 1 ' 6,5"
2 0 ' 4"
d ie ob ere B reite Q uerschiff
28' 9"
29' 4"
d ie m ittlere B reite
29' 6"
30' 2"
d ie un tere B reite
2 7 ' 1"
2 9 ' 8"
d ie e rste A b sch n ittsh öh e
2' 9"
3' 3"
d ie z w e ite A b sch n ittsh öh e
5 ' 3"
4 ' 9"
Abb. 5 B ugverzierung des O rigin al-H albm odells
aus dem M orgenstern-M useum
hin ten
2 0 ' 6,5"
28' 2"
28' 2"
25' 4"
2' 5"
4 ' 10"
Abb. 6 Steu erbord-A n sich t
d es
B rem erhavener
T heone-M odells m it Blickrichtung nach vorn
229
D ie M aß an gab en sin d Brem er Fuß, w o b e i 1' =
0, 2893m beträgt. D er Brem er C om m erzlast
e n tsp rech en 3000 Pfund. Ü ber d ie Reste
der „ T h e o n e “ und ihren V erb leib ist wen
ig
üb erliefert. N ach ein em e rh a lten g e b lie b e n en
O rigin al-H alb m od ell k an n das Schiff a b e r b is
ins E in zeln e g esch ild ert w erd en .
Abb. 7 S teu erbord-A n sich t
d es
B rem erhavener
T heone-M odells m it Blickrichtung nach achtern
I. A u fbau
L änge
T iefe
65' 8"
6' 2"
T ragfäh igk eit: 392, 5 C om m erzlasten
B reite
27'
Abb. 8 Man h örte dam als so m ancherlei ü ber den
K om fort, d er die Z w isch en deckpassagiere w ährend
der U berfah rt erw a rte te
230
U ber d ie H erku nft d e s M od ell ist e in ig e s be
kannt. Es stam m t aus dem N achlaß d e s g r o ßen
deu tsch en
Segelsch iff-K on stru k teu rs
G eo r g
W . C la u ssen und befin d et sich je tz t im M or
g en stern -M u seu m , B rem erh aven . D er junge
C la u ssen trat 16-jährig a ls Schiffszim m erlehrlin g b ei der W erft J. C. T eck len b org in G e e stem ün de ein , d ie dam als im Jahr 1861 nur H olzSchiffbau b etrieb. V o n 1865 — 69 arb eitete
a ls Zeichner b e i der sch ottisch en W erft C aird
& Co. in G reenock. Dort w u rd en se in e r z e it die
gro ß en D am pfschiffe für d en „N orddeutsche
Lloyd" und d ie „Hapag" erbaut. D anach w ie der
bei T eck lenb org, w u rd e C la u sse n 1872 Prokurist und 1876 M itin h ab er der W e r ft. 1897
än d erte sich d ie G esellsch aftsform d e s U ntern eh m en s. M an w a n d e lte e s um in e in e A k tieng e se llsc h a ft und C la u sse n w u rd e der technische D irektor. Er schuf u. a. d ie großen
S egelsch iffe der W elt, d ie „P o to si“ und d
ie
„Preußen". V o n ihm stam m en d ie Entwü
rfe
für das S egelsch u lsch iff „G roßherzogin Elisabeth" und für die P o larexp ed ition ssch iffe „Germ ania" und „A dm iral T e g e th o f“. Er erhielt
höch ste A u szeich n u n g en un d w u rd e durch d
ie
V e rle ih u n g der T itel K öniglicher Baurat und
Dr. Ing. h. c. geeh rt, b e v o r er 1920 starb.
Z e itw e ilig schrieb m an G. W . C la u ssen auch
d en Bau d e s „T h eon e" -M od ells zu. A ls d ie
T h e o n e p rojek tiert und auf K iel g e le g t w urde,
w ar er zw ar schon auf der W erft, dam als
ar b e ite te er aber noch als L ehrling und wird
w o h l nur in d ie se r E igenschaft am Bau d es
Schiffs m itg ew irk t haben. D as M o d ell ist k e in e
L ehrlingsarb eit; e s w ird dem berühm ten S e g e l­
schiffkon struk teur erst sp ä ter lieb und teu er
g e w o rd en sein , w e il e s e in B au vorh ab en aus
se in e n e rste n Lehrjahren d arstellte.
Vor e in em Jahrzeh nt w u rd e das M od ell dem
V erfa sser d ie se s B eitrags zur R estau rierun g
ü b ergeb en . Bei d ieser G e le g e n h e it e n tsta n d en
d ie ersten M od ellzeich n u n gen . S ie k on n ten
berichtigt w erd en , a ls sp äter d ie V e rm e ssu n g s­
a n g a b en ausfindig gem acht w urden. Eine
gründ liche Ü b erarb eitu ng folgte, nachdem sich
im F ocke-M useum zu Brem en e in e M o d e ll­
k o p ie fand; sie h atte noch d ie D eck sau fb au ­
ten, d ie v om O rigin al v ersch w u n d en w aren .
N ach den berich tigten und ergän zten Z eich­
n u n gen s te llte der V e rfa sse r ein n e u e s H alb ­
m odell her, das für das im A u fbau befindliche
V erk eh rsm u seu m in B erlin bestim m t war.
Ein H a lb m o d ell ist für d en Fachm ann ein v o r ­
treffliches S tu d ien o b jek t. Einem größ eren K reis
der M o d ellb a u er ersch ein t e s a lle r d in g s nicht
gan z so in te re ssa n t; je d e n fa lls w ü rd en sie
e s nicht u n b ed in g t in sein em O rigin alzu stan d
nachbauen w o llen . A u s d iesem Grund w urde
d en H alb m od ell-P län en e in T akelriß b e ig efü g t.
Er entspricht dem e in er Bark der sech ziger
Jahre, w o b e i d ie groß e N e u e ru n g d ie se s Jahr­
zeh n ts, d ie g e te ilte n M a rsseg el, schon berück­
sichtigt w u rd en .
K. H. Marquardt
(wird fortgesetzt)
Auswandererschiff
Bark „Theone“
1864-
(T e il II)
In u n serer U m gan gssp rach e ist m an m it dem
A u sw a n d erer sch n ell fertig: er w ill h in au s —
w as so ll's — m ag er w an dern . In W irk lich k eit
w an dert u n ser M ann k e in e h alb e M eile w eit.
Zu Fuß e rled ig t er d ie F orm alitäten; nun g e h t
er v ie lle ic h t noch vom H o tel bis zum T axi und
v o n dort b is zur A b fertig u n g ; m it ein paar
Schritten erreicht er dann d ie G an gw ay, und
w en n er schließ lich im F lu g zeu g sitzt, ist er ein
A u sw an d erer. W e n ig e Stunden sp äter w ird er
v o n den z u stä n d ig en B ehörden a ls E inw anderer
em p fan gen . So rasch g e h t d a s je tz t auf der
W anderschaft, und d ie F üße k ön n en d a b ei a u s­
ruhen.
Ein A u sw an d erersch iff d e s 19. Jahrhu nd erts
w ar lä n g er u n terw eg s. W en n e s aber m it Kurs
auf N ordam erik a den H eim ath afen verließ , b e ­
h erb ergte e s auf se in e n D ecks auch k e in e w a n ­
d erlu stig en F ußgänger. V ie lle ic h t w ar das W ort
v om „ A u sw a n d erer" schon d am als veraltet.
Abb. 1
„A u sw a n d ern" ist e in e g e n a u e Ü b ersetzu n g
d es la tein isch en W o r tes „em igrare", das m an
im A ltertum a n w en d e te, w en n e in er den Staub
Rom s v o n den Füßen sch ü ttelte, um e b e n so u n ­
fr e iw illig w ie e n d g ü ltig in d ie P rovinz zu z ie ­
hen. D as Schicksal e in e s solch en Em igranten
h ie lt m an für b e k la g e n sw er t; e s w ar w om öglich
schlim m er als der Tod. D er B etroffen e em pfand
e s a ls sein p ersö n lich es Unglück, daß er hinfort
Der Deutsche A u sw an derer
Ja, ja, so ist's, es kann nicht an ders sein
So s te ll’ ich m ir das Leben drüben vor;
A u f schnell! Schifft nach A m erika mich ein;
in Deutschland b le ib t w oh l künftig nur ein Thor.
280
Prob lem e der A u sw an d ererfah rt im 19. Jh.
(Ein Exkurs)
Es gab Z eiten, in d en en m an w an dern d das
h eim atlich e F ürstentum v e rließ ; je n se its der
G renze w ar m an in der Frem de. W er dam als
freizü gig se in durfte, nahm D ie n ste beim K ai­
ser, beim Sultan, beim Zaren o d er auch beim
G roßchan. Zu je d e r Z eit w aren L eute u n ter­
w e g s, d ie irg en d w o in der W e lt e in e n e u e
B leib e suchten. A u sw an d erer n an n te m an sie
trotzdem nicht; sie b lieb en , w a s sie w aren , und
m achten b ei frem den V ö lk ern v ie lle ic h t ihr
Glück. M anchm al in der H isto rie nahm der
W and ertrieb M assencharakter an; m an spricht
desh alb v o n den Epochen der V ö lk e r w a n d e ­
rung. D as W ort darf gan z buchstäblich g e n o m ­
m en w erd en , aber e in e A u sw a n d eru n g im h e u ­
tig en Sinn b e z eich n e te e s kaum .
W en n m an d ie Sprache beim W ort nim m t,
m erkt m an b isw e ile n , daß sie offen bar an
A ltersersch ein u n g en krankt; nur aus G ew o h n ­
h e it n eh m en w ir d avon w e n ig N o tiz. D as zu ­
sa m m e n g e se tzte T ä tig k e itsw o r t „ au sw an d er n "
stam m t aus V o r ste llu n g sb er e ic h e n , zu den en
e s k e in e m od ern e E ntsprechung m ehr zu g e ­
ben scheint. Es g eh ö rt e in er w e it z u rü ck lieg en ­
d en V e r g a n g e n h e it an, und trotzdem kenn t
m an auch h e u te noch e in A u sw an d ererp rob lem .
O weh! O w eh! W elch gräßlicher Betrug!
O V aterland! W ie sehn ich mich nach dir!
Ich ste rb e hier elendiglich am Pflug —
Und Frau und K in der h olt Löw' und G eier mir.
n icht m ehr im S ta a tsw e se n der F reun de und
V erw a n d ten leb en durfte. D er Z w anq zur Emi­
gr ation kam ein er A u ssto ß u n g gleich. N un w ar
aber d ie H ochkultur der an tik en H eim atstad t
ringsum v o n barbarischen V ö lk ersch a ften um ­
geb en . Es m ochte d esh a lb gan z gleich g ü ltig
se in , w o h in sich der Em igrant w e n d e te . D ie s ist
auch der Grund, w arum das W ort „ au sw an ­
dern" im m er e in en u n b estim m ten R ichtun gs­
bezu g als ch arak teristisch es M erkm al hat. D e fi­
niert w ird der A u sg a n g sp u n k t, d as Z iel liegt
im D u nk len.
A u f d ie A u sw an d erer, d ie im 19. Jh. und später
ihr G lück in A m erik a versu ch en w o llte n , läßt
sich der B egriff nicht m ehr o h n e w e ite r e s in
d ie se r se in e r altertü m lich en B ed eu tu n g a n w en ­
den. V o n d er n e u e n W e lt e rw a rteten sich die
m e isten A u sw a n d e re r e in b e ss e r e s S ta a ts w e ­
sen , als sie e s zu H a u se an g e tr o ffe n h atten , und
sie g in g e n fr eiw illig . Auch w ir b e d e n k en je d e s ­
m al d en G rad der F re iw illig k eit, w en n w ir nach
u n serem Sp rachgefüh l z w isch en A u sw an d erern
und E m igranten un tersch eid en .
In der n e u e r en G eschichte Europas ist e s recht
häu fig vorg ek o m m en , daß d ie V ölk er ihre j e ­
w e ilig e H eim at h öh er b e w e r te te n a ls die
Frem de. S olch es gesch ah v o r allem nach der
fran zösisch en R ev o lu tio n , a ls sich d ie m odernen
N a tio n a lsta a te n k o n stitu ierten . Dem n ation al
em p fin d en d en Bürger w ar e s v o n da an nicht
m ehr ü b elzu n eh m en , w e n n er der M einu ng
war, e s herrschten w ie d e r gan z ähn liche Zu­
stän d e w ie im k la ssisch en A ltertu m . Für sein en
H ausgebrauch z e r le g te er die W e l t in 2 T e ile
und un terschied in g u te m G lau b en : h ier V a ter­
la n d — dort Barbarei. D er u n b estim m te Rich­
tu n g sb ezu g d es W ortes " a u sw a n d e rn “ schien
dam it e in e n n eu en Sinn e rh alten zu hab en , und
u n se r e Sprache w u rd e um ein z ä h le b ig e s Schlagw ort bereichert.
W er aus dem N a tio n a lsta a t au sw a n d erte, b e le i­
d ig te g en a u gen om m en d ie Z u rückbleib en den,
d enn er gab ih n en zu v e rste h e n , daß er ihre
hoch gesch ätzte L e b e n sw e ise g e r n e g e g e n e in e
an d ere ein tau sch en w o lle . V o n die s e r M öglich ­
k e it der M iß fallsk u n d geb u n g w u rd e zu B eginn
d e s 19. Jh. reichlich G ebrauch gem acht. Ein Bür­
ger, der m achtlos g e g e n die b e ste h e n d e O rd­
nung a u fb eg eh rte, k o n n te das Land un ter Pro­
te st v e rla sse n . D ie R e g ier u n g en hofften, mit
d en P rotestw an d erern w ü rd e sich auch der
G eist der R eb ellio n verflü ch tigen und so nahm
d ie A u sw a n d eru n g bald bed roh lich e A u sm aß e
an. S ie w u rd e für d ie V ö lk e r Europas zum Pro­
blem .
D as B e isp iel für e in e P ro testa u sw a n d eru n g h at­
ten 1620 d ie pu ritanisch en P ilg e rv ä te r g e g eb en .
A ls d ie In d ep en d en ten m it ihrem Schiff „M ayflo w e r ” nach A m erik a s e g e lte n , kam e s nicht
v o n un gefäh r, daß s ie ih re S e e r e is e a ls „Pil­
gerschaft" v e rsta n d e n w is s e n w o llten . N ach
ü b erk om m en en sch olastisch en B egriffen faßte
sie ihr Leben o h n eh in als m e ta p h y sisch e W a n ­
derschaft auf; in p rotestan tisch er A b sich t w o ll­
ten sie auß erdem an e in b ib lisch es E reign is er­
innern. S ie kam en sich v o r w ie d as V olk , das
un ter M o se s d ie leck eren F leisch töp fe Ä g y p ­
ten s aus r e lig iö s e n G ründen zurückließ, und
w an d ten sich dem Land ihrer H offn u n g leich ten
H erzen s zu. D ie se p rotestan tisch e P ilgerschaft
v e rh ä lt sich zur en g lisch en R eform ation w ie d ie
W and erschaft der n ach folgen d en eu ropäischen
Sied ler zur fran zösisch en R ev o lu tio n .
V om W an d erer u n tersch eid et sich der P ilger
durch se in e r e lig iö s e Absicht. So w ie sich die
P ilg erv ä ter aufm achten, um d ie r e lig iö s e F rei­
h eit zu erlan gen , so streb ten d ie eu ropäischen
A u sw an d erer d e s 19. Jhs. zu m eist nach b ü rger­
licher F reih eit. J e n e m od ern e Form der A u s­
w an deru ng, d ie w ir begrifflich v o n der Em igra­
tion u n tersch ied en haben, e r w e ist sich som it
als e in e sä k u la risie rte P ilgerschaft. D as W ort
„A usw anderung" h ä tte der Z e itg e n o s se dann
als F o r tb e w e g u n g sw e ise im g e is tig e n Bereich
zu v e rste h e n . Dort g e h t m an h e u te noch schritt­
w e is e vor, und niem an d fährt. Auch der u n b e ­
stim m te R ichtun gsb ezug der A u sw a n d eru n g er ­
h ie lt h ier e in e n n eu en Sinn, denn das Reich
der Id een ist draußen und dort überall.
T eil sin d s ie se it nicht v ie l m ehr als 100 Jahren
in d er n e u e n W elt. G eistig e r B esitz der a b en d ­
län d isch en K ultur kam m it d en A u sw an d erern
nach drüben, und e s gib t F älle, in d en en in
A m erik a e tw a s v erw irk lich t w u rd e, d as in
Europa zur g leic h e n Z eit h öch sten s gedacht
w erd en durfte.
W äh ren d d es 19. Jhs. w ar d ie n e u e W e lt für
Z uzug fast unbeschränkt aufn ahm efähig. Dafür
b egan n m an e s aber in Europa zu m erken, w ie
v ie le a r b e itsfä h ig e M en schen schon fo rtg ezo ­
g e n w aren . D en K onkurrenzkam pf m it dem g e ­
lo b te n Land der F reih eit k o n n te m an nicht gut
durch Z w an gsm aß n ah m en b e g in n en . Ein g e n e ­
r e lle s V erb ot der A u sw a n d eru n g w ä re aus
m ancherlei G ründen un zw eck m äß ig g e w e se n .
W er die tie fe r e P rob lem atik der A u sw a n d e re r ­
fahrt d e s 19. Jhs. b e g r eifen w ill, so llte sich m it
d en G ed a n k en g ä n g en der R om antik vertraut
m achen und d ie G eschichte d es N a tio n a lism u s
in Europa zu v e r s te h e n suchen. A bsichtlich v e r ­
zichten w ir darauf, d ie h istorisch en Tatsachen
zu w ie d e rh o le n ; nur e in ig e Z eitd ok u m en te s o l­
le n h ier für sich sprechen.
E ine Zeitschrift, d ie im Bürgertum d e s D e u t­
schen B undes und d es sp äteren K aiserreich es
w e ite V erb reitu n g erla n g te, w aren d ie „F lie­
g e n d e n Blätter". D ie R ed ak tion sy m p a th isierte
se it ihrer G ründung im Jah re 1844 m it dem G e­
dan ken der deu tsch en E inheit. Durch d ie ersten
Ja h rg ä n g e zieh t sich e in e te n d e n z iö s illu strierte
F ortsetzu n gsgesch ich te, d ie u n ter dem T itel
„Die deu tsch en A u sw an derer" veröffen tlich t
w u rd e. D ie V e rfa sse r g e b e n e in e r se its zu, daß
man der U n freih eit im d eutsch en V aterlan d d er­
z e it nur durch d ie A u sw a n d eru n g entrin n en
k ön n e, w arn en aber g leic h z eitig v o r ein em so l­
chen Entschluß. Ihre Satire z ie lt in versteck ten
A n sp ie lu n g e n auf d ie E inführung e in er A m e ­
rik a-ähnlich en D em ok ratie in E uropa. ln der
B ild gesch ichte w ird der so z ia listisc h e R e v o lu ti­
onär B arnabas W ü h lh u b er zum R eiseg efä h rten
d e s bü rgerlichen S p ek u la n ten K asim ir H eu lm aier. V e re in t im A u sw an d erersch ick sal, v e r ­
brüdern sich d ie p o litisch en G egn er und u n ter­
h alten sich in lie d e r lich en D ia lo g en , d ie auch
h e u te noch k a b a rettreif w ären. N ach 1856 v e r ­
sch w in d et d ie p o litisch e T en d en z aus d e n „F lie­
g e n d e n Blättern". U n sere Illu stration sp rob en
b e z ie h e n sich d esh alb nur auf d ie A n fä n g e der
B e sied elu n g N ord am erik as im 19. Jh.
Red.
In den Jahren v o n 1820 b is h e u te un ternah m en
e tw a 7 M illio n en D eutsch e das W agn is der
A u sw a n d eru n g . V ie le w e ite r e M illio n en aus
d en eu rop äisch en N achbarländern g e s e llte n
sich w äh ren d d e s g leich en Z eitraum s zu ihnen.
D ie F am ilien der w e iß e n E inw an derer A m e ri­
k a s stam m en au s Europa, und zu e in em großen
282
Abb. 2
M ittel gegen die A u sw an deru n g
„Ich hab ihn rufen lassen, G em ein de-V orsteh er,
w e il er ein vern ü n ftiger Mann ist, der d ie Leute
kennt — sag' er mal, fällt denn ihm nichts ein, w ie
man unseren Bauern die Lust zum A u sw an dern v e r­
treiben k ö n n te?"
„Dafür könnt man grad schon sorgen — thät's denn
so schw er halten, w enn unsre R egierungen das N ord­
am erika an sich bringen so llten ? — W enn das gieng,
Eur G naden, und das Land wär e rst m al te u tsch —
ich kann's Eur Gnaden schon ganz g e w iß sagen,
nachher hat die Gschicht m it dem Ausw andern ihr
End auf alle Z eite n .“
W er w arnen w o llte, v e r le g te sich d esh a lb aufs
A rgu m en tieren .
D ie d ie sb e z ü g lic h e n D ok u m en te au s d en 50erJahren d e s v o r ig e n Jahrhu nd erts lie s t man
h e u te nicht o h n e R ührung, w e il s ie v o n H ilf­
lo s ig k e it zeu g en . V o n e in e r h a lb w e g s g erech ­
ten V e rte ilu n g d e s Sozialp rod u k ts kann zu d ie ­
ser Z eit k e in e R ede sein . D ie A rbeiterschaft
p ro testiert w e g e n un zu reich en der Entlohnung,
und d ie U n ternehm er k la g e n w ä h re n d d e sse n
über d ie A b w a n d eru n g v o n A rb eitsp o ten tia l.
Der Bürgersm ann h a tte sich la n g e Z eit m it dem
G ed an k en beruhigt, d ie A u sw a n d e r u n g sw illi­
g e n w ü rd en den u n tersten V o lk ssch ich ten e n t­
stam m en und d as V aterlan d k ö n n e sie w ah r­
scheinlich entb eh ren ; da spricht e s sich auf e in ­
m al herum , daß auch b e g ü te r te L eute den w e i­
ten W e g nicht scheuten. In ihrem Jah rgan g 1859
te ilte d ie D eutsch e A u sw a n d e re r ze itu n g der
L eserschaft m it: " D ie R ede vom arm en A u s­
w an d erer ist nur noch se lte n am P latz." Durch
In form ationen d ie se r Art w urde S o r g e gew eck t,
und man fürchtete, e s k ö n n e allm ählich zu v ie l
an V o lk sv er m ö g en a b g e z o g e n w erd en . M it
Z ah len an gab e n zum K apitalexport d er letzten
J ah rzeh n te w a rtete Bism arck 1885 auf. Er w i­
dersprach zunächst dem V orw urf, daß d ie N ot
T riebfeder d er A u sw an d eru n g s e i und ste llte
fest: " D ie h oh en A u sw an d ererziffern sin d ein
g a n z g e n a u e r M aßstab für d a s S te ig e n u n se re s
W o h lsta n d es: je b e ss e r e s un s geh t, d e sto
höh er ist d ie Z iffer der A u sw a n d e ru n g .“ N e u e r ­
d in g s w ü rd en nur noch " w o h lh a b e n d e Leute"
und " d ie b e sser en A rbeiter" au sw an d ern . In
den Jah ren von 1832— 1855 s e ie n in sg esa m t 200
M illio n en T a ler au sgefü h rt w orden. D er K api­
ta lex p o rt durch A u sw an d erer hab e dann in dem
v ie l k ü rzeren Zeitraum v on 1850— 1860 schon
d ie sta ttlich e H öh e v on 236 M illio n en G ulden
(1 G ulden = ca. 2 Taler) erreicht. Um d ie Jah r­
hu nd ertm itte rechnete m an ü b er sc h la g sw eise
dam it, daß der D u rchsch nittsausw an derer e in e
Barschaft v on 80 b is 600 T alern m itführte.
k on nten. D ie s schon in d er Jahrhu nd ertm itte
erk annt zu hab en , ist aber e in V erd ien st der
b e flisse n argu m en tieren d en Jou rn alisten , denn
s ie leg te n dam it erstau n lich e Z e u g n isse von
staatsm än n isch er K lu gh eit u n d kaufm ännischer
W eitsich t ab. U n s kam e s im g e g e b e n e n Z usam ­
m en h an g vornehm lich darauf an, e in e Art Bi­
lan z aufzum achen. D ie G ew in n - und V e rlu st­
rechnung hat für d ie Länder Europas offen bar
recht z u fr ie d e n stelle n d e E rgeb n isse g e ze itig t.
In der Bilanz d e s eu rop äisch en A u sw an d erer­
gesch äfts sch ein t d ie H a b en -S eite in te re ssa n te
Z ahlen a u s g e w ie s e n zu haben.
U n ser H auptthem a han d elt v o n dem A u sw a n ­
dererschiff " T heone", d as in der 2. H älfte d es
19. Jhs. auf e in er W e se rw e r ft g eb a u t wurde
und nachm als in Brem en b e h e im a tet war.
M ochte auch der e in e o d e r a n d ere Staatsm ann
d ie zu d ie se m T hem a g e sa m m elte n N achrichten
für alarm ierend h alten ; ern sth afte K o n seq u en ­
zen zo g d er Staat nicht daraus. W ahrscheinlich
hatte d as A u sw an d erergesch äft auch im Inland
e in ig e v erlo ck en d e S eiten , d ie dem Staat zu
Buch schlugen.
Im Preußischen Jahrbuch von 1858 bem üh te
man sich um b eru h ig en d e A rgu m en te. Es heißt
dort: ". . . . daß d ie d eu tsch en A u sw an d erer nicht
m it a llem , w a s s ie h ab en und sin d v e r lo r e n ­
g eh en . v ielm eh r au f H andel und Industrie
D eutsch lan ds e in e n en tsch ied en fördernden
Einfluß üben." N och d eu tlich er wird d ie D eu t­
sche A u sw a n d ererzeitu n g , w en n s ie im g leich en
Jahr schreibt: "A u sw a n d e ru n g sp o litisc h e H and­
lu n g en D eutsch lan ds, d ie sich g e g e n d ie USA
richteten, w ürden dem d eu tsch en H and el tiefere
und n ach h altigere W u n d en sch lagen , a ls je ­
m als fein d lich e K aper und Blockaden geth an
haben. Daß v on den P assagiertran sp orten h e u t­
z u ta g e fast aller H and el zw ischen Europa und
A m erik a u n m ittelbar a b h ä n g ig ist, w eiß je d e s
Kind. A lle großen H a n d elsp lä tze d e r Staaten
G roßbritannien, Frankreich, B elg ien . H olland,
w elch e d as am erikan isch e G eschäft b etreiben,
v e rd a n k e n ihre co m m erzielle G eltu n g v o r zu g s­
w e ise d er B eförd erun g v on A u sw an d erern .
O h n e A u sw an d eru n g k e in e R h ederei, ohn e
R h ederei k ein W aare nau stau sch — d ie s e R egel
g ilt ü b er a ll."
D ie z itier te n M ein u n gsäu ß eru n gen ste h e n hier
für v ie le andere, d ie m an m ehr o d e r m inder in
gleich artiger Form d en zah lreich en d eutsch en
und a u slän d isch en P u b lik ation en en tn eh m en
kann, d ie üb er d ie s e s T hem a w äh ren d der
2. H älfte d e s 19. Jhs. gedruckt w urden. S e lb st­
verstän d lich m ußte e s für d ie europäischen
S ta a ten v o n V o r teil sein , w en n s ie m öglichst
v ie le e ig e n e Leute im Land d e s groß en H an­
d elsp artn ers und k ü n ftigen R ivalen an sied eln
Abb. 3
A llein schon d e sh a lb m e sse n w ir der b rem i­
schen Schiffahrt in un serem Exkurs e in e g e ­
w iss e V o r zu g sr o lle zu. W en n m an ab er schon
v o n der A u sw an d ererfah rt berichtet, kom m t
Brem en w ie von se lb st in s G espräch, w e il sein
H afen d ie se m E rw erb szw eig e in e n seh r großen
T eil s e in e s in tern a tio n a len R an ges verdankt.
B rem en w u rd e zum H a u p t-A u sreiseh a fen der
d eu tsch en A u sw an d erer. S ein W ied era u fstieg
w ar dann ste il und v o llz o g sich fast u n b eg reif­
lich schnell.
D ie M enschen, d ie in Europa den A n fan g d es
19. Jh s. a ls E rw achsene erleb ten , stan d en noch
la n g e sehr stark unter d em Eindruck der fran­
zösisch en R evolu tion . Brem en g e h ö r te v o n 1810
b is 1813 zum französischen K aiserreich und galt
in ihm a ls H au p tstad t d e s D ep artem en ts U n ter­
w eser. U n ter dem N am en e in e r freien H a n se­
stad t v o llz o g e s z w e i Jah re sp äter d en Beitritt
zum D eutsch en Bund. W er ab er um 1815 in
d ie se H an sestad t g ek o m m en w äre, h ätte dort
kaum m ehr e in e n ben ü tzb aren S e e h a fe n vor­
gefu n d en . D ie V erb in d u n g zum M eer v e rsa n ­
d e te z u se h e n d s. A u f d e r H öh e von Brem en war
d ie W e se r so seicht gew o rd en , daß man s ic bei
Ebbe an e in ze ln e n S te lle n m ü h elo s durchw aten
k on nte; w er d ie s tat, w u rd e h öch sten s b is zum
283
K nie naß. Ein G roß teil d e s Brem er S e e sc h iff­
verk eh rs m uß te über das e tw a 30 km se e w ä r ts
g e le g e n e B rake a b g e w icke lt w erd en , das aber
schon im A u slan d , d. h. im benachb arten G roß­
herzogtu m O ld en bu rg, lag. D ie S itu a tio n des
e ig e n e n H a fen s sch ien a u s w e g lo s zu w erd en .
V ie le S ch iffsh an d w erk er und G esch ä ftsleu te
w aren schon in d as N achbarland a b gew an d ert,
u n d im m er noch schritt d ie V ersa n d u n g der
W e se r u n au fh altsam fort. D er Brem er B ürger­
m eister Sm idt b etrieb schließ lich d ie V e rleg u n g
d e s H afen s ans M eer und schuf in d en Jahren
1825— 1830 d ie V o r a u sse tzu n g e n dafür. G e g e n ­
ü b er v o n G ee ste m ü n d e (dem früher h a n n o v e r ­
schen T eil der h e u tig e n Stadt B rem erhaven)
w u rd e 1827 B rem erh aven gegrü n d et. Ein S p öt­
ter schrieb dazu den grim m igen V ers:
„G eestem ü n d e ist im W erd en .
In hu nd ert Jahren ist B rem en V erden"
W ah r ist d ie s e P rop h ezeiu n g nicht gew o rd en .
D as V erd ien st dafür geb ü h rt e in e r se its dem
B ü rgerm eister Joh an n Sm idt, der sich um den
A bschluß h an sisch er H and els-S ch iffah rts- und
K o n su larverträge m it den n eu geg rü n d eten
am erik an isch en R ep u b lik en b em üh te. A n d erer­
s e its w aren h ier auch d ie zahlreich en M akler
und R eed er am W erk , d ie das A u sw a n d e re r ­
g esch äft b e tr ie b e n und für e in e reg elm ä ß ig e
Sch iffsverb in d u n g nach N ordam erik a sorgten .
Zu B egin n sch ien en d ie S c h w ie r ig k eiten fast
u n ü b erw in d lich groß zu sein .
Bis zum Ende d e s 18. Jhs. g a lten d ie B estim ­
m u n g en der so g e n a n n te n N a v ig a tio n sa k te , nach
d en en d ie N e u e W e lt nur ü b er England und
auf e n g lisch en Schiffen zu erreichen w ar. M it
dem a m erik an isch -en glisch en F ried en sv ertra g
v o n 1782 w u rd e d ie N a v ig a tio n sa k te k raftlos,
so daß nun auch n ich ten g lisch e Schiffe am H an­
d el m it groß en T e ile n A m erik as te ilh a b en k o n n ­
ten. D ie A u sw an d ererfah rt durfte dam it trotz­
dem nicht o ffiz ie ll b e g in n en . D ie A u sw a n d e ­
rung aus D eu tsch lan d w ar näm lich un erlaub t,
w e n n auch nicht unm öglich.
D as V erb o t erg in g im Jah re 1768 durch K aiser
J o se p h II. Dort, „w o der gem ein sch äd lich e U n­
fug so th a n e r W erb u n g en am h ä u fig sten g e tr ie ­
b en wird, v o rzü glich und nam entlich. . . f"ür
H am burg, Lübeck und Brem en, w u rd e e in G e­
se tz e rla ssen , w e lch es d ie B eförd eru n g v o n
A u sw an d erern verb o t und d ie U n tern eh m er mit
Leib- und T o d esstra fe b e d r o h te .
ln e in er Zeit, in d er d ie W e lt erzitterte, in der
a llero rts F reih eit, G leich h eit und B rüderlichkeit
v e rla n g t w u rden, k o n n te e in so lch es G esetz
zw ar g ü ltig b le ib en , s e in e E inh altu ng ließ sich
aber kaum m ehr durchsetzen . 1804 fü h lte sich
der S en at v o n B rem en stark g e n u g , um sich
e in d e u tig v om R e ich sg e setz d e s J ah res 1768 zu
d ista n zieren . D ie d a m a lig e P rok lam ation ist
h e u te noch e in e erq uickliche Lektüre. V o m G e­
se tz d e s K aisers J o s e f II. h eiß t e s in ihr, daß es
„ . . . e tw a s hartes, a n stö ß ig es, dem H e ilg e iste
nicht en tsp rech en d es hat, da e s fr e y e M en schen
hin d ern w ill, ihr w ah res oder verm ein d lich es
G lück w e n ig ste n s m ildern zu w o lle n . Es ist
barbarisch und dem m enschlich en G efü hl w id e r ­
sp rech en d es, um Leute, d ie in ihrem U n terlan d e
284
Abb. 4
Nacht an Bord
„Sehn Se, lie b e s W ühlhuberchen, s' ist doch k ee
Spaß, so ne S eereise; ich sage Se, w e e s G ott, w enn
das A m erika mich täuscht, nachher bin ich außer mir.
'W e stw ä rts zieh t die W eltgeschichte', sagt e großer
Dichter, ab b er e Land ohne König, ohne vornehm e
H erren, ohne H olm usik, ohne Hofth eater, ohne Hofjagd-ln ten dan z, ich sage Se, W ühlhuberchen, s' kann
sich nicht halten, s' m ags machen w ie's w ill. — Die
A m erikan er m üssen ihren König kriegen, m er muß
den unglücklichen Menschen zu ihrem Glück ve rh e i­
len — das ist je tz t unsre A u fg a b e . “
darbten oder gedrückt w u rd en und g e w iß nur
um d e sw illen , w e il s ie e n tw e d e r für sich und
die ih rig en ihr A u sk o m m en nicht fand en oder
un ter der F e sse l d e s D esp o tism u s schm achteten,
zu dem a llem a l harten Schritt, um ih ren H eerd,
ihr V aterlan d , F reunde und V e rw a n d te zu v e r ­
la sse n sich e n tsc h lo ssen und nun d ie w e ite
R eise hierh er gem ach t haben, nun o h n e w e ite ­
res zurücktreiben zu w o lle n . " Um sich g e g e n
A n sch u ld ig u n g en d e s R eich es abzusichern, b e ­
schloß m an led iglich , d ie Sache „nicht m it zu
v ie le n Eifer, nicht zu öffen tlich zu b etreiben".
D ie se s ein sch rän k en d en N a ch sa tzes h ä tte e s
nun a lle r d in g s kaum m ehr bedurft. D er nicht­
ö ffen tlich e Eifer w ar dam als schon 2 Jahr­
zeh n te lan g am W erk . 1782, in dem Jahr, in dem
d ie N a v ig a tio n sa k te auß er Kraft g e se tz t w u rd e,
fuhr d as e r s te brem isch e Schiff nach B altim ore.
Es w ar d ie „L avater“. A n d ere fo lg ten bald
nach, und je d e s nahm P a ssa g iere m it. G egen
Ende d e s 18. Jhs. e n th ie lte n d ie Brem ischen
Z eitu n g en reg elm ä ß ig d ie A n n o n ce n v o n 3 bis
8 Schiffen, d ie P lätze für A u sw a n d e re r anb oten .
D as R eich sa u sw a n d eru n g sv erb o t fiel erst 1815.
D ie h a lb le g a le A u sw an d eru n gsfah rt kam aber
schon vorh er zum E rliegen , w e il 1806 der preu­
ßisch-französische K rieg ausbrach.
Im V ergleich zu dem , w a s sich nach d er N ie d e r ­
la g e N a p o le o n s im A u sw a n d ererg esch ä ft tat,
v erb laß te a lle s b ish er d a g e w e se n e . A u f dem
W ien er K ongreß trat B rem ens B ürgerm eister
Sm idt als e in er der füh rend en M änner auf.
S e in e r a stlo se T ätig k eit fand dam als in te rn a tio ­
n ale A n erk en n u n g; zu H a u se e rn tete er d ie
Früchte se in e r A rbeit. 1817 w u rd e d ie A u sw a n ­
derungsschiffahrt w ie d e r aufgen om m en . In d ie ­
sem Jahr lie fe n drei brem isch e Schiffe m it Kurs
auf N ordam erik a aus. S p äter w u rd en e s m ehr.
V o n 1830 b is 1836 v e rließ en ann ähern d 700
Schiffe m it A u sw a n d erern d en Brem er H afen.
In der F o lg e ze it b is 1880 reg istrierte m an dort
e tw a 7500 Schiffe, und sie brachten m ehr als
1,6 M illio n en M en schen über d en O zean. 1857
w u rd e der N ord d eu tsch e L loyd als e rste d e u t­
sche G roß sch iffah rtsgesellsch aft gegrü n d et.
Um d ie M itte d e s 19. Jhs. e rleb te der H and el
in B rem en e in e Blüte, w ie m an s ie b is dahin
nicht für m öglich g e h a lten h ätte. V o n den G e ­
schäften, d ie m it d en A u sw an d erern g e tä tig t
w urden, b lie b e n jährlich m ehr a ls e in e M illion
Abb. 5
W ühlhuber: „H errgottssakrr — ist das auch an Fres­
sen; un a llw eil d en selben S p e isze tte l uf den e M ale­
fiz-Brem er Schiff: M ontag: E rbssuppe m it K artoffeln — "
H eulm aier: „Un A b en d s w arm es W a sse r."
W ühlhuber: „D ien stag. Sauerkohl m it K artoffeln — "
H eulm aier: „Un A b e n d s w arm es W asser."
W ühlhuber: „M ittwoch. W eiße Bohnensuppe m it
K artoffeln — "
H eulm aier: „Un A b en d s w arm es W asser."
W ühlhuber: „D onnerstag. Reis m it Pflaumen — "
H eulm aier: „Un Abends warm es Wasser."
W ühlhuber: „Freitag. E rbssuppe m it K artoffeln — "
H eulm aier: „Un A b en d s warm es Wasser."
W ühlhuber: „Sam stag. G raupensu ppe m it Pflaum en
und K a rtoffeln — "
H eulm aier: „Un A b e n d s w arm es W asser."
W ühlhuber: „Sonntag. Sa uern Kohl m it K artoffeln,
w ozu den P assagieren ein Stück Speck g ezeig t
w ird — "
H eulm aier: „Un A b e n d s w arm es W asser."
T aler in der Stadt. Jed er Bürger p ro fitierte d a­
v on ; d ie D u rchreisen den b e n ö tig te n so gu t w ie
a lle s und h atten zu m eist auch noch das G eld,
um gu t ein k a u fe n zu kön nen.
Für sich gen om m en w ar aber d ie A u sw a n d e re r ­
fahrt e ig e n tlich doch nur der a k tu e lle A nlaß,
aus dem sich d ie Q u e lle n zum W o h lsta n d Bre­
m en s öffn eten . W er näm lich in A m erik a über
freien Schiffsraum v e rfü g te , k on n te R oh stoffe
nach Europa b rin gen la sse n . N atu rgem äß h at­
ten d ie A u sw an d erersch iffe am Z iel ihrer Fahrt
seh r v ie l freie K apazität. D as in te r e ssa n te ste
am ga n zen U n tern eh m en w aren d esh alb d ie
Rückfrachten. D ie je n ig e n R eed ereien , w elch e
d ie m e isten Schiffe in der A u sw an d ererfah rt
e in g e s e tz t h atten , w aren schon v o r der H in reise
auf ih re K osten gek om m en . Für d en R ückw eg
k on n ten sie d esh alb d ie Frachtraten seh r g ü n ­
stig k a lk u lieren , und je d e and ere K onkurrenz
g e r ie t ih n en g e g en ü b e r ins H in tertreffen .
Z urückkehrende A u sw an d erersch iffe brachten
Tabak und B au m w olle, aber auch verp ack te
G üter, w ie K affee, Zucker, R eis, Tran o d er P e­
troleum in F ässern. Es lag nahe, in H afen n äh e
en tsp rech en d e V era rb eitu n g sin d u strien an zu ­
sie d e ln . So w u rd e B rem ens H in terland, d as b is­
her fast ausschließ lich in land w irtschaftlich er
N u tzu n g stand, sehr schn ell für V erk eh r und
W irtsch aft ersch lossen . In B rem en e n tw ic k e lte
sich bald der größ te m itteleu rop äisch e T ab ak ­
markt. D er dort a n sä ssig e H an d el h a tte auch
d ie b e d e u te n d ste n B au m w ollim p orte zu v e r ­
buchen.
Zu allem Überfluß s te llte sich schließlich noch
e in Erfolg ein , d en nur w e n ig e L eute v o r a u s­
g e a h n t h atten . W ir la sse n u n s darüber v o n
e in er Brem ischen Z eitu n g d es J ah res 1858 b e ­
richten. Es h eiß t dort: „ V ie le B edürfnisse,
w e lch e m an früher in A m erik a gar nicht
k an n te, h ab en sich in F olge der d eutsch en
E inw an deru ng schon je tz t dort ein geb ü rgert.
D ie D eu tsch en in A m erik a h ab en d ie se s Land
hauptsächlich zu ein em großen und e in trä g ­
lichen A b sa tz g e b ie t für un s gem acht; sie hab en
in erh öh tem M aß u n sere F abrik en und Schiffe
beschäftigt." A n and erer S te lle h eiß t e s dann
wörtlich: „W enn der A u sfu h rh an d el D eu tsch ­
lan d s nach d en U SA d ie e r s te S te lle einnim m t,
so h än gt d ie s w e se n tlich dam it zusam m en, daß
d ie B ev ö lk eru n g N ord am erik as zu e in em g r o ­
286
ßen A n th e il d eu tsch en U rsprungs is t. "
A n g esich ts d e s reich en S e g e n s, d en d ie A u s­
w an dererfah rt d en d eu tsch en H a fen stä d ten b e ­
scherte, k ö n n te m an d ie H au p tp erson en der
g an zen A k tio n b e in a h e v e r g e sse n ; w ir m ein en
d ie d eu tsch en A u sw an d erer selb st. A uch w en n
sie ziem lich v ie l G eld m itbrachten, g in g es
ih n en nicht seh r gut. M an d en k e nur an die
besch w erlich e A n reise, zunächst noch oh n e
E isenb ahn und im m er m it v ie l G epäck. Für
d ie Ü b ernachtu ng in H afen n äh e gab e s z a h l­
reich e k le in e G a sth ö fe und sp äter auch e ig e n s
g e b a u te A u sw an d ereru n terk ü n fte. M an hatte
W a r tez eiten in K auf zu n eh m en und durfte
erst am T ag vor dem A u sla u fe n d e s Schiffes
an Bord. M it der A u sg a b e der im Fahrpreis
inb egriffen en B ord verp flegu n g w u rd e auch erst
dann b eg o n n en . So sch m olzen d ie m itgefü h r­
ten k le in er e n V erm ö g en allm ählich dahin.
W ahrscheinlich h atte m an g u te G ründe, w en n
d ie Schiffsführung den K om fort, den ihr Fahr­
z eu g bot, erst im letz ten A u gen b lick sichtbar
m achte. Ein R eisender, der zum erste n M al
das Z w ischend eck erblickte, b erich tete seh r b e ­
w e g t v o n se in e n Eindrücken: „W äre T a u sen ­
den ein solch er A n blick v e rsta tte t g e w e se n ,
a ls s ie noch sch w an k ten — w ie v ie le , o w ie
unen dlich v ie le w ü rd en n ie in ihrem Leben
e in Schiff b etreten haben."
W er G eld g e n u g hatte, k on n te sich allerd in gs
d ie Z w isch en d eck sp a ssa g e ersparen . A n Bord
gab e s e in e g e w is s e so z ia le R angordnung.
O benan stan d en d ie K ajü t-P assagiere. In ihren
r e ser v ie r te n A u fen th altsräu m en h atte m an nur
w e n ig e B etten a u fg e ste llt. D ie W ä n d e w aren
g e tä fe lt. V o n gu tem W ille n z e u g te so n st auch
noch das b e sc h e id e n e In ven tar, das aus e in ig e n
H ockern, e in em Spieltisch ch en , e in em Plüsch­
so fa und v ie lle ic h t so g a r aus ein em v erstim m ­
ten K lavier bestan d . D er K ajü tgast k on n te sich
T isch w ein und an d ere L uxu sartik el se lb st
kaufen. S e in e B ord verp flegu n g w ar so n st die
gleich e, w ie sie auch d ie a n d eren P a ssa g iere
e rh ielten . Dafür z a h lte er aber das z w e i- bis
dreifache der Z w isch en d eck sp assage. In ein em
g e w is s e n Sinn w u rd e er dam it G ast d e s K a­
p itän s, w e il d ie se r d ie K a jü tp assage m e isten s
als s e in e P rivatein n ah m e verb uchen durfte.
Ein w e n ig b illig e r und seh r v ie l w e n ig e r
kom fortab el w aren d ie 2. K la sse K ajüten. So
n a n n te m an gew ö h n lich den Raum, d er unter
287
der A u fen th a lt in d en schm alen K orridoren
d e s Z w ischend ecks w u rd e leb en sgefäh rlich .
T ische und S tü h le w aren nicht vorh an d en .
Frischluft gab e s nur b e i gu tem W etter; sie
w u rd e dann durch d ie L uk en häu ser z u g e ­
führt, w e lch e ü b er d en N ie d e rg ä n g en errich­
tet w aren . Im a llg e m ein en reichte auch d ie se
Lüftung n iem a ls aus. Ein R eisen d er berichtete,
aus den L uk en häu sern s e i stän d ig e in „enorm
w id erlich er Duft" h e r v o rg e q u o lle n . Er se i e in e
M ischung aus d en A u sd ü n stu n g en v ie le r M en ­
schen und dem G eruch der Ladung g e w e s e n .
Abb. 6
„D avon ste h t a b er nix im C ontrakt, daß m er Tag un
Nacht in dem dunkle Loch W asser schöppe m uß.“
"Ja, sehn Se, W ühlhuberchen, de Pum pe is v o ll
Dreck — " . A h w as, Pum pe, un nix z' fresse dazu —
H errgott, is das al Leb'n au i so 'n em M alefiz-Schiff!"
— . Ach K o tt, ich w o llte , ich w äre w id d e r h eem e —
d er Mensch is doch manchmal recht dumm — " —
"H alte Se's M aul — s'is m er doch v ie l lieber, ich
m uß e Pumpe a b g ebe un Tag un Nacht bis am Nabbel im W a sse r steh e, w enn ich nur k e Kerch und ke
H ofchaisen m ehr se h . “
der Pop v o r d en e ig e n tlich en K ajüten lag;
g e le g en tlic h k o n n ten auch T e ile d e s D eck s­
h a u se s d azu gen om m en w erd en . H ier brachte
m an b e s s e r g e s te llte Z w isch en d eck sp assagiere
unter, v o r allem w e n n s ie sich ü b er d ie allzu
schlech te U n terbringun g b e k la g t h atten , und
erh ob dafür ein A u fgeld , das zu den N e b e n ­
ein n ah m en d es E xp ed ien ten g erech n et w urd e.
D er K ajü t-P assagier der 2. K la sse lag nicht
g e ra d e in d irek ter T uchfühlung m it and eren
und fand v ie lle ic h t auch e in ig e M öb elstücke
zum S itzen vor. W e ite r e V o r te ile w u rd en
ihm nicht gew ährt.
D ie M a sse der A u sw a n d erer fuhr im Z w isch en ­
deck. In der R e g el w ar d ie s e in großer durch­
g e h e n d e r Raum, den m an durch H o lzv ersch lä g e
u n ter teilt hatte. W ie R e g a le z o g e n sich d ie
z w eistö c k ig au fg eb a u ten W ohn - und Schlaf­
g e le g e n h e ite n für je w e ils 4 — 6 P erson en e n t­
la n g der B ordw än de hin. G leich artige B retter­
g e s te lle k o n n ten auch m ittschiffs errichtet sein;
da e s h ier aber kaum jem an d auf d ie D auer
au sh ielt, b en ü tzte m an sie am lie b ste n zum
S tap eln d e s G epäcks. V on d en P assagieren
h a tte niem and e in e A h nu ng, w ie m an d er­
artige Stückgüter s e e fe s t zurren so lle , und
das seem ä n n isch e P erson al b etrat d as Z w i­
schend eck nicht gern e. Sob ald sch w ere S e e
aufkam , fiel d esh a lb a lle s du rcheinander und
288
Ein P roblem für sich w ar d ie B ordverp flegun g.
Ein S egler, der nach A m erik a fuhr, h a tte nach
V orschrift V erp flegu n g für 1 3 — 16 W ochen
m itzuführen. D ie durchschnittliche R e ise ze it
b etrug aber nur 6 — 9 W ochen. D ie P roviantR e se rv e w ar a ls V o r so r g e für e tw a ig e U n fälle
auf S e e gedacht. N ach e in er n orm alen Ü b er­
fahrt m uß te dem nach ann ähern d d ie H älfte
d e s m itgefü h rten P rovian ts übrig b leib en ; d ie
Schiffsführung h a tte aber kaum irgen d w elch e
M öglich k eiten zur K on servieru n g. M an h ob die
B e stä n d e trotzdem b is zur n äch sten R e ise auf,
w a s zur F o lg e hatte, daß d en k ü n ftig en R ei­
se n d en h a lb v er d o r b e n e L eb en sm ittel a n g eb oten w u rd en . W en n e tw a s gar nicht m ehr
gen ieß b a r w ar, w u rd e e s zw ar vern ichtet; d ie
en tsp rech en d e M en g e fe h lte dann aber im
B estand und m ußte an d en R ationen e in g e ­
spart w erd en .
Ein D u rch sch n ittssp eisezettel
fo lg t aus:
sah
etw a
w ie
Sonntags: Salzfleisch, M ehlpudding und getrocknete
Pflaumen.
M ontags: gesalzen er S p e c k
, Erbsen und Kartoffeln.
D ienstags: Salzfleisch, Reis und Pflaumen.
M ittwochs: Salzfleisch, Kartoffeln und Bohnensuppe.
Freitags: H ering, G erste und Pflaumen.
Sonnabends: gesalzen er S p e c k
, Erbsensuppe und
Kartoffeln.
M orgens gab es täglich Kaffee und abends Tee. Brot
und Butter w urde einm al in der W oche ausgegeben.
Am schlim m sten stan d e s m it der Q u alität
d es T rin k w assers. O ft w u rd en u n g e e ig n e te
F ässer dafür benü tzt. D en vorau ssich tlich en
Bedarf deckte m an ein fach au s d e n F lü ssen .
W e n n m an m erk te, daß d ie s e V orräte u n g e ­
nießb ar g e w o rd en w aren , befan d m an sich
län gst auf h oh er S ee. Q u ä len d er W a ss e r ­
m an gel und
In fek tio n sk ra n k h eiten
w aren
häufig d ie n atu rgem äß e F olge.
S elb stv erstä n d lich erk ran k ten seh r v ie le P as­
sa g ie r e auf d ie se n Schiffen. Schiffsärzte gab
e s nicht. L ediglich an Bord der S egler, d ie
nach A u stra lien g in g en , fuhr ein so g e n a n n te r
H e ilg e h ilfe m it. W er auf der A m erik afah rt
krank w u rd e, lie ß sich v o m S teuerm an n k u ­
rieren. M itu nter h a tte d ie se r sogar e in e n Kurs
für e rste H ilfe a b so lv iert. Im m er stan d ihm
e in e M ed iz in k iste zur V erfü gu n g. Z um eist
h ie lt er sich aber an d ie b ew äh rten S e e m a n n s­
rezep te, v o n d en en e in e s w ie fo lg t lau tet:
„W ird e e n e r krank, dat ist S eem an ier, so
ku rieren w ir ihn flugs m it T h e e w a ter un
G rütze, w e ter krigt he nischt to fr ete n . "*
Zur M ed iz in k iste g e h ö r te ein H andbuch, in
dem der Steu erm an n v o n F all zu F all nach­
sch la g en so llte . W as aber w irklich im K rank­
h e itsfa ll gesch ah , erzä h lte e in S teuerm an n
u n ter w e g s und ein R eisen d er n o tie rte das
R ezept für d ie N ach w elt: „W i m ok en d enn die
M ed izin k iste apen un d e O g en dicht un sän:
G ott se g n e d en Griff! — und w at w i denn to
faten k reeg en , hulp ok m e ist h e e l good . G e­
fährliche S ak en w e e m da nich in . "**
r eg te 1867 e in A u sw an d erersch iff der ham burgisch en R eed erei Slom an, auf dem m ehr als
20 % der A u sw a n d erer w äh ren d der Überfahrt
u m gek om m en w aren.
M it d en m an n ig fa ltig en G efah ren, d ie m an
auf e in er d erartigen S e e r e ise v ie lle ic h t b e ­
ste h e n m ußte, h ä tten sich d ie m e isten A u s­
w an d erer a b g efu n d en . A ls gan z unerträglich
w u rd e d a g e g e n d ie p sych isch e B elastu n g em p ­
funden, d er d ie M en schen im Zw ischendeck
a u sg e se tz t w aren . N ach V orschrift h ätten jed em
Abb. 7 A n ku n f t der Z w isch en d eck sp a ssa g ie re
N e w Y ork. Nach ein er S k iz z e vo n P eter K räm er
A u sw a n d erer se in Schlafplatz und außerdem
e in e nicht näh er b e stim m te A u fen th altsfläch e
v o n 12 Q uadratfuß zu g esta n d en . J e nach B e­
leg u n g d es Z w ischend ecks w u rd e aber d ie se r
M in destraum bedarf häu fig unterschritten. A u f
e n g ste m Raum sp errte m an e in e zu sam m en ­
g e w ü r fe lte M a sse M ensch zusam m en; an om ale
V e r h a lte n sw e is e n w aren b ei d ieser Sachlage
g erad ezu un verm eid lich.
in
A ls F o lg e der e in se itig e n Ernährung litten
seh r v ie le A u sw a n d erer an Skorbut. E in ge­
sch lep p tes U n g ez iefe r m achte den A u fen th a lt
in d en ü b erfü llten R äum en stän d ig zur Q ual
und an steck en d e K ran kh eiten b r e ite ten sich
o ftm als aus. A m m e isten fürchtete m an C h o­
lera, T yp h u s und d ie Blattern. D ie L eute
sch ein en aber dam als robust und ziem lich
u n a n fä llig g e w e s e n zu se in . W ährend der
fü n fziger Jah re w e ist d ie S ta tistik e in e T o d e s­
rate v o n 1 — 3 % aus. G roß es A u fse h e n er­
* Anm. d. Red.: Auf See ist das der Brauch: wenn
einer krank wird, heilen wir ihn mit T eew asser und
Grütze; außerdem wird er von der V erpflegung ab­
gesetzt.
** Anm. d. Red.: W ir machen dann die M edizinkiste
auf und die A ugen zu und sagen: Gott segn e den
Griff! — w as wir dann zu fassen bekom m en, half
auch m eistens recht gut. Gefährliche M edikam ente
gab es in so einer Kiste nie.
W äh ren d der ersten T a g e auf S e e v ertrieb
m an sich d ie Z eit v ie lle ic h t noch m it S p ielen
und G espräch. D ie R eise d a u erte aber v ie le
W ochen. E in zeln e P a ssa g ie re v e rsa n k e n in
A p a th ie und w o llte n ihre schm ale K oje nicht
m ehr v e r la sse n ; an d ere w u rd en u n gew öh n lich
a g g r e s siv und v e r b r e ite te n Furcht und Schrekk en um sich. Zank und Streit brach aus nich­
tiger U rsache aus. B esch w erd en üb er d ie un­
sin n ig ste n D in ge w aren an der T a g e so r d ­
nung. Leute, d ie im bü rgerlichen Leben v ie l
auf sich g e h a lten hatten, b eg a n n en auf ein m al
zu ste h le n .
289
D er K apitän h ätte d ie A u fgab e geh ab t, als
Schlichter und Richter au fzu treten ; w en n er
sich aber zu d iesem Z w eck den Z w isch en d eck s­
p a ssa g ieren näh erte, sah er sich dem g e b a ll­
ten M ißtrauen e in er üb erreizten M a sse k o n ­
frontiert. Es ist ein v ie lle ic h t gar nicht u n g e ­
w öh n lich er F all bek an n t g ew o rd en , in dem
der K apitän au s solchem A nlaß K etten von
Bord zu Bord sp an n en ließ . A n sch ließ en d ließ
er v erk ü n d en , daß jed er P assa g ier ersch ossen
w erd e, der d ie se M ark ieru ng zu üb erschreiten
w a g e . S elb stv erstä n d lich w u rd e im m er w ied er
der V ersuch unternom m en, e in e A rt S e lb st­
v e rw a ltu n g un ter d en P a ssa g ieren d e s Z w i­
schend ecks ein zu fü h ren . V ie l lie ß sich dadurch
a lle r d in g s nicht erreichen. Leuten, d ie in der
M a sse u n v ern ü n ftig reagieren , ist m it V e r ­
nunft schlecht b eizu kom m en. D er Sch riftsteller
Friedrich G erstäcker, der 1837 m it ein em A u s­
w an derersch iff nach A m erik a reiste, charakte­
risierte d ie v o n ihm b eob ach teten Z uständ e
m it dem Satz: „Ein v e rn ü n ftig e r M ensch auf
festem Land hat gar k e in e Id ee d avon , w as
für to lle s Z eug se lb st d ie ru h igsten und g e ­
se tz te ste n L eute oft an Bord e in e s Schiffes
angeben."
Es w äre h e u te n a h elieg e n d , d en R eed ereien
e in e n V orw u rf daraus zu m achen, daß sie die
un erträglich ersch ein en d en V e rh ä ltn isse nicht
abän derten. W ahrscheinlich gab e s aber gar
k e in e M öglich k eit dazu. So la n g e d ie Z eit der
„w ood en sh ip s and iron Sailers" dau erte, w ur­
d en den P a ssa g ieren d ie gleich en L eb en sb e­
d in g u n g en und d ie näm lich en V e rp fleg u n g s­
sä tz e g e b o te n , w ie sie d as seem ä n n isch e Per­
son al v o n A lte rs h e r für a n g e m e sse n hielt.
Im U n tersch ied zum P a ssa g ier w aren d ie S e e ­
le u te an das B ordleb en g e w ö h n t, s ie w aren
b esch äftigt, w e il sie nach b estim m ten R egeln
w äh ren d der g a n zen R eise harte A rbeit zu
le iste n hatten, und außerdem u n terw arfen sie
sich se lb stv e r stä n d lic h der M arin ed iszip lin ,
d ie der P a ssa g ier gar nicht kannte. D ie V e r ­
h ä ltn isse än d erten sich v o n se lb st, als im
P a ssa g ierv erk eh r das Z eita lter der H och seeDam pfschiffahrt anbrach.
D er R eeder, der in der 2. H älfte d e s 19. Jahr­
h u nd erts den A u ftrag zum Bau d es A u sw a n ­
dererschiffs „ T h eo n e“ gab, h atte schon e tw a s
früher e in e w e itg e h e n d e V erb esse ru n g der an
Bord g e b o te n e n L eb en sb ed in g u n g en im Sinn.
D ie Schiffe, d ie m an bis dah in in der A u s ­
w an dererfah rt e in se tzte , w aren zu m eist Fracht­
seg ler, d ie je w e ils e in e b e h e lfsm ä ß ig e Ein­
richtung für d ie P erson en b eförd eru n g e rh ie l­
ten . D ie „Theone" so llte nun e in e Bark w er­
den, bei deren Entw urf m an v o n A n fan g an
den sp e z ie lle n E rford ernissen der P assagier­
fahrt R echnung trug. Eben au s d iesem Grund
in te r e ssie r te n w ir u n s so seh r für d ie In n en ­
einrichtung. Bei a lle r U n b eq u em lich k eit m üßte
s ie eig en tlich d en op tim alen Zustand e rk en ­
n en la sse n , der in der Z eit der S egelsch iffe
m öglich w ar, oder für m öglich g e h a lte n w urde.
K. -H. M arquardt
Abb 1—6 aus den „Fliegenden Blättern* 1845 ff.
Abb. 7 aus der „Illustrierten Welt" ca. 1902
290
Auswandererschiff Bark „Theone“ 1864
Der Rumpf
Bei der B eschreibu ng e in e s Schiffsrum pfes
m uß m an sich daran g e w ö h n en , ein g e w is s e s
Schem a e in zu h al ten. Es läß t sich dan n e in e r ­
s e its nicht gan z v e rm e id en , daß b estim m te
A u ssa g e n in a u fe in a n d er fo lg en d e n B a u a n lei­
tu n g en w ie d e rh o lt w erd en , w äh ren d m an d a ­
durch a n d ererseits auch e in ig e zu sätzlich e V
ergleichsm
öglichkeiten
erh ält.
Z uerst le g t der Schiffbauer den K iel. D ann
fo lg e n S tev en . S p an ten , D eck sb alk en und d ie
B ep lan k u n g m it allem w a s so n st noch daran
ist. Spricht m an vom K iel (1), so m ein t m an
b e i g röß eren Schiffen e in e R eih e v o n K ant­
h ölzern , d ie durch Laschungen zu sa m m e n g e ­
fü gt w urden. D as h in tere E nde (2) ist d ie
H ielu n g; das v o r d e re Stüde (3) h eiß t K innback.
A ls H olz fan d en hierfü r b e so n d e rs Eiche und
R otbuche V erw en d u n g . D er R otbuche gab m an
d en V orzu g, w e il s ie b e i G ru ndberührungen
nicht so leicht sp litterte. L aschungen durften
nicht in der N ä h e der S te lle n v o rg en o m m en
w erd en , an d e n e n M a sten zu e r ste lle n w aren .
D ie v e rsch ie d e n e n A b m essu n g en d e s K iels
w u rd en in V e rh ä ltn isse n fe stg e le g t, für d ie
s e in e L änge je w e ils das B ezu gsm aß war. Bei
326
Abb. 1 Schnittseite des vom V erfasser restau rierten
O rigin al-H albm odells aus dem M orgenstern-M u­
seum , B rem erhaven
k le in e r e n Schiffen b erech n ete m an d ie H öhe
d e s K iels in Z oll m it
1/4od er 1/5 se in e r Länge
in Fuß. Ein B eisp iel: D er K iel se i 50 Fuß lan g
g e w e s e n ; s e in e H ö h e b etrug dan n 1/5 d ieser
L änge in Z oll = 10 Z oll. Bei größ eren Schif­
fen ä n d erte sich das V erh ä ltn is. D ie H öh e b e ­
trug in Z oll 1/7 b is 1/8 d e ssen , w a s der K iel in
Fuß la n g w ar. D er K iel so llte 5/7 se in e r H öh e
b reit sein .
U b er dem K iel (1) lie g t das K ielsch w ein (4)
oder Saath olz. Es hat d ie g leic h e B reite w ie
der K iel, ist aber e tw a s höh er. In das K iel­
sch w ein , das kam m artig a u sg esch n itten ist,
w erd en d ie Flurstücke (5) o d er L ieger, d. h.
die u n teren T e ile der Sp an ten e in g e la ss e n .
K ielsch w ein , F lurstücke und K iel sind m itein ­
and er verb o lzt. A uch der V o r d e r ste v e n (6) b e ­
steh t aus m eh reren Stücken, d ie so w o h l m it­
ein a n d er als auch m it dem K iel v e rb o lz t sind.
D en ob ersten , v o rsp rin g en d en T eil (7) nenn t
m an Scheg. D ie H a u p tteile, d ie sich nach un ten
daran ansch ließen, sin d d er V o r ste v e n (6) und
der B in n en stev e n (8). Schließ lich gab e s noch
b is w e ile n d en so g e n a n n te n U n terlauf, ein
K rum m holz, w e lch es d as v o r d e re Ende d e s
K iels m it dem u n teren A n fan g d e s S te v e n s
v erb and. Bei d iesem Schiff ist aber k e in U n ter­
la u f vorhand en .
D er H in ter ste v en od er A c h te rstev e n b esteh t
aus dem H aupt- od er m ittleren S te v e n (9),
dem äuß eren o d er lo s e n S te v e n (10) und dem
In n e rstev e n (11). W ährend d e s ersten D rittels
d e s 19. Jh. h in g er noch, e b e n so w ie der V o r ­
ste v e n , ein w e n ig über, und zw ar g ew öh n lich
1/4 b is 1/5 d es V o r ste v e n fa lls; sp äter ste llte
m an ihn in e in en rechten W in k el zum K iel.
D ie d ia g o n a le n V erb in d u n gsstü ck e (12) z w i­
schen S te v e n und K iel n en n t m an R eitknie.
S o w o h l d ie S te v e n a ls auch der K iel hab en
an b eid en L ä n g sseiten e in e S p on u n g (13); das
ist e in e dem P la n k en v erla u f an gep aß te, durch­
la u fen d e K erbe, d ie an ih ren Rändern auf
P lan kend icke a u sg ea r b e itet ist. A m K iel nim m t
sie d ie u n terste P lan ke und an d en S te v e n die
P lan k en en d en auf. Zur A bdich tun g fü g te man
zw isch en P lan ken und Sp onu ng te er g etr ä n k ­
te s W erg. In d en T afeln , d ie zu d ie se m B ei­
trag geh ören , w u rd e d ie S p on u n g je w e ils
durch e in e strich -pun ktierte L inie an g eg eb en .
D ie H ölzer, w e lc h e d ie Form d e s Schiffsrum pfs
bestim m en , sin d d ie Sp anten. Ihre L ieger (5)
od er Flurstücke sitz en auf dem K iel. W e g e n
ihrer R undung b e zeich n ete m an s ie auch als
Bauchstücke; w o s ie d ie V -Form der E ndspan­
ten b ek am en (14), h ie ß e n s ie P iekstücke. D ie
T e ile der Spanten, d ie sich o b en daran an­
sch ließ en (15), sin d die Sitzer; dan n fo lg e n die
A u fla n g er (16) und d ie o b e r en A u fla n g er (17).
Ä lte r e K riegsschiffe h atten auß erdem auch
noch d ie so g e n a n n te n v erk eh rte n A u flan ger.
Ihre S-Bucht b estim m te d ie Form, in w elch er
d ie B ordw and an ihrem ob eren Ende e in e Ein­
schnürung erh ielt. D en h in tersten Spant oder
d ie je n ig e n der achteren Spanten, d ie nicht
m ehr bis zum K iel h erunterreichten und d ie
in fo lg e der Schiffsrundung auch nicht m ehr im
rechten W in k el zum K iel ste h e n (18), h eiß en
R andsom hölzer. Z w ischen d en S p an ten ließ
m an e in e n A b stan d v o n 6 bis 10 Z oll; zur K on­
se r v ie ru n g d e s H o lz e s w u rd e er gew öh n lich
m it Salz a u sg efü llt.
In d en B ereich der Sp an ten g e h ö r en auch
d ie K anthölzer, d ie in w a agerech ten , p a ra llel
zum K iel v e rla u fe n d en E benen v e r le g t und an
den S te v e n b e fe stig t sin d (19); s ie verb in d en
d ie S p an ten m it dem V or- od er A ch tersteven .
L iegen d ie se H ö lzer im V o r ste v en b e re ich (6—
8), so nen n t m an s ie Bande; un ter dem H eckb alk en , im A chterschiff (20), b ezeich n et m an
s ie als W orp en od er T ransom h ölzer.
D er Q u e rfe stig k e it d ie n e n d ie D eck sb alk en
(21). S ie sin d leicht nach ob en gekrüm m t, d a ­
m it das W a sser b e sse r v o n der D eck sw ölb u n g
ab lau fen kann. D ie se A ufbucht b etru g b ei K auf­
fahrteischiffen so v ie le Z oll w ie 1/4 der B a lk en ­
lä n g e in Fuß groß war. G ew öh n lich sin d 1'
(Zoll) = 12" (Fuß). D ie Aufbucht m acht dann
1/48 der B alk en län ge aus. D ie D eck sb alk en
ruhen au f den B a lk w eg ern (22), d as sin d T e ile
der In n en b ep lan k u n g, d ie direk t un ter dem
Abb. 2 T heone-M odell aus dem M orgenstern-M u­
seum ; Sch n ittseite vorn
Abb. 3 T heone-M odell aus dem M orgenstern-M u­
seum ; S ch n ittseite achtern m it H eckdetails
Abb. 4 T heone-M odell aus dem Focke-M useum,
Bremen; Nachbau von B attry Back; Sch n ittseite vorn
B alken lie g e n . D ie Z w ischenräum e v o n B alken
zu B alk en sin d je w e ils m it e in em H o rizo n ta l­
k n ie (23) a u sg efü llt. A b g e s e h e n d a v o n hab en
d ie D eck sb alk en d e s u n teren D ecks auch noch
V ertik a l-K n iestü ck e (24), d ie auf d er W e g e ­
rung lie g e n ; d ie se K niestücke ruhen auf v e r ­
stärk ten In n en p lan k en , a lso au f B e sta n d teilen
der W e g er u n g , d ie m an S e tz w eg e r (25) nenn t.
D am it der u m b au te Raum b e ss e r g e n u tz t w e r ­
den kann, brachte m an u n ter d en O berd ecks­
b a lk en k e in e V e rtik a lk n ie m ehr an; sta tt d e s ­
se n w u rd en aber d ie B a lk w e g e r erh eb lich v e r ­
stärkt. Z w ischen d en D eck sb alk en sin d in die
H o rizo n ta lk n ie zusätzliche, schw ächere B alken
e in g e fü g t (26), d ie zur A u sste ifu n g d e s Bau­
körpers d ien en . D ie se Q u erh ölzer h e iß e n auch
W ech sel. H orizo n ta lk n iestü ck e g ib t e s übri­
g e n s auch an den längssch iffs g e le g e n e n Lu­
k en b a lk e n (27), w e n n sie zw isch en den D eck s­
b a lk en lie g e n .
G anz u n ten im Schiff b efin d en sich noch
sch w ere K lötzer (28), d ie zur A u fn ah m e der
M asten d ien en ; m an n en n t s ie M astspur.
In d en Bereich d es B alk en w erk s g e h ö r en noch
d ie B änder od er B an d h ölzer (29). D as sind
schw ere, au f der W e g er u n g lie g e n d e B alken,
w e lch e d ie F e stig k e it z w isch en d en S te v e n und
d en S p an ten erh öhen.
D ie H eck stü tzen (30) g e b e n dem ü b er d en
A c h te rstev e n h era u sra g en d en H eck Form und
F estig k eit. S ie ste h e n auf dem H eckb alk en .
U n ter d en D eck sb alk en ste h e n m ittschiffs die
R au m stützen (31). S ie sin d über dem K ie l­
sch w ein (4) in e in er P lan k e g e la g e r t und w e r ­
d en an d en D eck sb alk en m ittels B an d eisen
b e fe stig t. D ie B an d eisen g e h e n v o n u n ten nach
o b e n durch a lle D ecks, so daß d ie R au m stützen
d e s je w e ilig e n d arü b erlieg en d en D ecks an
ih n en b e fe stig t w erd en k ön n en . D ie Stü tzen
in der 2. K la sse K ajüte (32) sin d ged rech selt.
B ei der B eschreibu ng der B ep lan k u n g u n ter­
sch eid et m an zw isch en d en P lan k en der A u ß e n ­
hau t (33) und der In n en b ep lan k u n g (34), die
auch W e g er u n g o d er G arn ierung g en a n n t wird.
A u ßerd em gib t e s noch d ie D eck sb ep lan k u n g
(35), d ie ü b rig en s auf d en D eck sb alk en a n g e ­
bracht w ird und nicht e tw a auf den Spanten,
oder w ie d ie s e in F ach abhan dlun gen häufig
ge n a n n t w erd en , au f d en Inhölzern.
D en T e ile n der A u ß en b ep la n k u n g gab m an
v e rsch ie d e n e B ezeichn un gen ; sie so lle n hier
kurz erw äh n t w erd en : D ie K ie lg ä n g e (33a)
sin d d ie ersten 2 b is 3 P lan k en am K iel; m an
hat sie häu fig g e g en ü b e r den a n d eren ein
w e n ig verstärk t, w e il s ie un ter U m ständen
b e so n d e rs h arten B eansp ru ch un gen a u sg esetz t
se in k ön n en . D ie K im m gän ge (33b) sind d ie
P lan k en in d er R undung, in der sich L ieger
(5) und S itzer (15) v e r e in ig e n . A uch s ie w u r­
d en seh r oft e tw a s stärk er g e h a lten . A n Skand in a v ie n fa h re m k a n n te m an noch d ie E is­
gä n g e, d ie au s e in er zu n eh m en d en V erstä r­
ku ng der P lan k en v o n der Kimm b is zur W a s­
se r lin ie b estan d en ; s ie k o n n te n auch a ls z w e ite
P lankenschicht angebracht w erd en .
B ergh ölzer sin d P lan ken m it größerer Dicke,
d ie ü b er d as N iv e a u der so n stig e n A u ß e n ­
b ep la n k u n g h in au s ste h e n . S ie v erstä rk en die
R u m p ffestigk eit in Längsrichtung und so lle n
d ie B eplank ung vor Scham filungen, das sind
R eib u n gssch äd en zw isch en z w e i Schiffen, oder
zw isch en Schiff und Kai, bzw . D alben, schützen.
D er Schandeckel (36) v erb in d e t d ie A u ß e n ­
b ep la n k u n g m it der In n en b ep lan k u n g und
sch ließ t d en Z w ischenraum , der zw isch en b e i­
d e n lie g t, auf der H ö h e d e s O berdecks ab.
D ie Sch an zk leid p lan k en b ild en e in e g e sc h lo s­
se n e R eling, d ie gew ö h n lich b is zur B rusthöhe
e in e s erw a ch sen en M an n es reicht. A b g e sc h lo s­
se n w erd en s i e nach ob en durch d as Schanz­
k le id (37), e in er dem Schandeckel v e rg le ic h ­
b aren P lanke.
Zur W eg eru n g g eh ö ren d ie B ilg w eg e r (34a),
d ie un m ittelb ar n e b e n dem K ielsch w ein lie ­
gen; dann fo lg e n d ie B o d en w eg eru n g (34b),
d ie K im m w egeru n g (34c), d ie R au m w egerun g
(34d); nach o b e n sc h ließ en sich d ie S e tz w eg e r
(25) und d ie B a lk w eg er (22) an. U ber dem
D eck sb alk en lie g t der W a sser g a n g (38), dann
fo lg t d ie S e tz w eg e r u n g (25), d ie Z w isch en ­
d ec k sw eg e ru n g (34e) und d ie B a lk w eg er (22).
A n O berdeck g ib t e s w ie d e r e in en W a sserg a n g (38) und dann te ilw e is e auch e in e Schanz­
k le id w e g e r u n g (34f).
V o n den B e sta n d teilen der D eck sb ep lan k u n g
sch ließ t sich an d en W a sser g a n g d as L eibholz
an (39), au f d as dan n d ie D eck sp lan k en (40)
fo lg en . Eine V erstärk u n g der M ittelp lan k en
n en n t m an Fisch od er F issun g.
A m Bug ist b e so n d e rs das Scheg (7) m it s e i­
n en R a n k en o m a m en ten (41) und G a lio n sre g e ln
(42) b em erk en sw ert. Z w ischen d en O rn am en­
te n und der o b ersten R e g elin g (42a), dem
Drücker, sitz t d ie N a m en sp la n k e. D er Drücker
läu ft b is un ter den K ran en balken (43). U n ter
der u n teren R e g elin g sitzt das K lü sh olz (44),
das e b e n fa lls m it Schnitzw erk v e rz ie r t ist. D ie
„Theone" hat e in e charakteristische Form d es
H ecks; e s ist rund g eb a u t und w ird v om Fach­
m ann „ W eserh eck ” genann t. B ei d iesem Schiff
ist das H eck m it großen R a n k en o m a m en ten
geschm ückt, in ihrer M itte la sse n sie ein O val
offen, in w elch em der Schiffsnam e „Theone"
u n d darun ter der H eim ath afen „Bremen" steh t
(s. T afel V).
Abb. 5 Theone-M odeII d es V erfassers aus dem V er­
kehrsm useum : Sch n ittseite vorn: Bug m it Spriet,
A n k erw in d e und K e tten k a sten
E igen artig sie h t d ie R udereinrichtung der
„T h eon e“ au s; s ie w u rd e aber in ähnlicher
Form und A n ord n u n g schon im v o r h e r g e h e n ­
den Jahrhu nd ert b isw e ile n benü tzt. D er Schaft
d e s R uders ist m it E isen b ä n d ern schw en kb ar
am A c h te rstev e n b e fe stig t und führt durch das
H eck hindurch b is über das Poopdeck. D ort hat
er e in e ku rze P inne, d ie a u sn a h m sw e ise e in ­
m al nach ach tem gerich tet ist. B e w e g t w u rd e
d ie P in n e m ittels z w e ie r T aljen , d ie aus ein em
e in zig e n Tau g e b ild e t sind; e s läu ft ü b er die
R o lle d e s Ruderbocks, der durch das S te u e r ­
rad in U m drehung v e r s e tz t wird. U ber P inne
und Ruderbock ste h t das Steu er- und R uder­
hau s. D ie W e lle d e s R uderbocks führt durch
d ie V ord erw an d d ie se s H a u ses und en d et im
Steuerrad. Um das Steu errad h e rum lie g t e in e
G räting.
(wird fortgesetzt)
K. H. M arquardt
Auswandererschiff Bark „Theone“ 1864*
T eil IV
Bei der B eschreibung der Einrichtung d es
Schiffsrum pfes h a lte n w ir u n s w ie d e r an die
b ish er ig e R e ih e n fo lg e und b eg in n en tie f unten
im Schiff.
Der Laderaum (Tafel III und IV)
H ier un ten , w o d ie m itgefü h rte Ladung g e ­
stau t w ird, gibt e s nicht v ie l zu seh en . D ie
M asten ste h e n in ihrer Spur; zw isch en Fockund G roßm ast erh eb t sich ein großer, z y lin ­
drischer W a sserta n k (45), der bis ins Z w isch en ­
deck reicht. Fast d ie gleich en D im en sio n en hat
ein H olzversch lag im V orschiff (46), der K ette n ­
k asten , der zur A n k erein rich tu n g geh ört. Durch
3 Luken kann m an nach o b en in s Z w isch en ­
deck g e la n g en . M an en tert d ab ei üb er S te ig ­
leitern , d ie dadurch g e b ild e t w erd en , daß man
E isen stä b e in d ie je w e ilig e n R au m stützen e in ­
setzte.
D as Zw ischendeck (Tafel IV u. V )
H ier gib t e s kaum e tw a s a n d eres als K ojen —
144 Stück an der Zahl (vgl. A bb. 8). S ie w urden
m ittels E isen sta n g en an den Bord- und an d en
D eck sb alk en au fgeh än gt. U n terbrochen w ird
der Raum nur durch d ie 3 M asten , durch den
au fragen d en T rin k w a sserta n k und durch den
K etten k asten . In fo lg e der za h lreich en Raum ­
stü tzen w irkt d as Z w ischend eck trotzdem ü b er­
sichtlich; v ie le v o n ih n en sin d durch e in g e ­
sch ob en e E isen stä b e w ie d e r als S te ig le iter n
a u sg eb ild et. N u r in den Luken befinden sich
n orm ale N ie d e rg ä n g e, über d ie m an nach oben
g e la n g e n kann. Im Z w ischend ecksbereich der
„Theone" sin d schließ lich noch z w e i L angh olz­
lu k en angebracht, w ie sie nicht au f jedem
S e g le r vo rh a n d en w aren . S ie sin d m ittschiffs
in d ie b eid en S e iten der B ordw and e in g e la ss e n
und e ig n e te n sich auch für das V e rla d en von
B aum w oll- oder T ab ak b allen , w en n d ies z. B.
aus ein em Kahn o d er v o n ein em Prahm aus
g e sc h e h e n so llte.
* Anm. d. Red.: Um die Übersicht zu erleichtern,
w ollen wir hier die Fundstellen für d ie einzelnen
Pläne und Ubersichtszeichnungen des Theone-M o­
d ells noch einm al angeben. Mit der V eröffentlichung
der Beitragsfolge wurde in Me. 3/67 begonnen. Die
Pläne verteilen sich w ie folgt:
Tafel I
Linienriß und Seitenriß Me. 4/67, S. 154/155
Tafel II Spantriß Me. 5/67, S. 194— 195
Tafel III Rum pf-Seitenansicht und Längsschnitt
Me. 8/67, S. 330
Tafel IV Rumpfquerschnitte Me. 9/67, S. 379
Tafel V
Decksaufsichten (Poop, Back, Hauptdeck,
Zwischendeck) Me. 7/67, S. 286—287
Tafel VI Takelriß für steh en d es Gut (folgt)
Tafel VII G esam ttakelriß für stehendes, laufendes
Gut und Besegelung Me. 3/67, S. 110— 111
Tafel VIII Belegplan (folgt)
Lichtpausen der O riginalzeichnungen im M odellm aß­
stab 1:50 können gegen V oreinsendung von DM
37, - + Porto im Auftrag des V erfassers durch G.
Förster, 4811 H illegossen b. B ielefeld, H eeperstr. 231,
bezogen werden.
376
Abb. 4
Abb. 1 Gut 100 Jahre ä lter als d ie " T h eon e" ist
d ieses R uderblatt eines S egelschilis, das 1961 in der
N ähe der nordfriesischen Insel S y lt au fgelunden
w urde. Es befindet sich g egen w ärtig im V orgarten
ein es D ien stgebäudes der Hafen m eisterei Hörnum.
B em erk en sw ert sin d d ie große Länge des Bauteils
und die ku rze, nach achtern gerich tete eisern e Ru­
d erpinn e, an w elcher die S teu erlein en über 2 Schäkel
angreifen.
Photos: gos
An d iesem O rig in a lb esta n dteil ein es S egelschilis des
18. Jh. kann man handw erkliche E inzelheiten e rk en ­
nen, die in der D okum entation d er Epoche n orm aler
W eise nicht d a rg e stellt w erden . S p ezie lles In teresse
verd ien en z. B. die V erbin du ngen der ein zeln en
H ölzer, in sb eso n d ere auch ihre V erdü belu n g (A bb. 3)
und die authentische Form d er Beschläge, die in
d iesem Fall nachweislich b en ü tzt wurden. V e ra llg e­
m ein ern de Schlußlolgerungen dürfen aus dem ein ­
m aligen Befund allerdin gs nicht gezogen w erden ;
tro tzd em versu ch te unser Zeichner M. M üller in A bb.
5 anzugeben, w ie er sich die W irk u n g sw e ise dieser
R udereinrichtung v o rste llt. V ergleicht man seine
S k izze m it d er in H eft 8/67 w ied e rg eg eb en en Schnitt­
zeichnung d es Theone-R um pfes, so kann man f e s t­
stellen , daß d ie se s Schilf von form alen K lein ig k ei­
ten abgeseh en — ein e p rin zip iell gleichartige R uder­
einrichtung hatte.
Abb. 2
Abb. 3
377
Abb. 6 H albdeck, O berlicht und N iedergan g zur
1. Kl. K a jü te am T heone-M odell aus dem FockeM useum , Bremen.
D as O berdeck (Tafel IV u. V)
U nter der Back en d et das B ugspriet (47). In
d er R e ih e n fo lg e v o n vorn nach achtern kom m t
dann der P all-P fahl m it dem Bratsp ill (48). A ls
m od ern es Schiff d e s 19. Jh. hat d ie „Theone"
selb stv erstä n d lich nicht m ehr das se it Jahr­
h u nd erten b e n ü tzte ein fach e B ratspill, d e ssen
lie g e n d e r W ind en baum m ittels ein steck barer
S p illsp a k en g ed reh t w urde; hier gib t e s schon
ein so g e n a n n te s Pum pspill (Abb. 9), d as aber
nicht e tw a d ie Pum pen betreib t, son d ern e in e
pu m penäh nliche A r b e itsw e is e hat. ln d ie b e i­
den äu ß eren Z ahnrädern d es S p ills g reifen
Z ah n eisen ein , d ie an e in em A g g r eg a t v o n
P u m p en sch w en geln h än gen und v o n ihm auf
und n ied er b e w e g t w erd en . W ährend der w ip ­
p en d en B e w e g u n g der P u m p en sch w en gel b e ­
w irkt je d e r e in z e ln e H ub ein en k le in en V or­
la u f d es S p ills. D as m ittlere Zahnrad dient
d en P allen.
B eid erseits d e s P um pspills befinden sich Kam­
m ern, d ie so g e n a n n te S egelm ach ers- und Zim ­
m erm ann slast. A n der Rückfront d ie se r Lasten
füh ren N ie d e r g ä n g e zur Back. D as offen e O ber­
deck w ird v o n d en L uk en häu sern und dem
D eck sh aus e in gen om m en . A u ßerd em ste h e n
dort noch W a sser fä sser und d as H ühnerhock
m it o b en a u f g e ste llte n Pützen (Abb. 10). Am
S chan zk leid zie h t sich b e id e r se its d ie N a g e l­
ban k en tla n g (Tafel VIII); darunter befinden
sich 3 groß e h ö lzern e K lam pen zum B e le g en
v on H alsen und Schoten. In d er H öh e d es
Abb. 7 H eckpartie m it Ruderhaus, R udereinrichtung
und N iedergan g in die 1. Kl. K ajü te am TheoneM odell aus dem V erkehrsm useum
Abb. 8 Deckshaus m it K om büse, Fockmast, Z w i­
schendecks-K ojen und großem T rin kw asserbeh älter
Photos: Abb. 6— 8: K. H. Marquardt
Abb. 9 P um pspill (Pos. 48 d er Schnittzeichnung aus
H eit 8/67). Das G erät hat nichts m it den W a s se r
pum pen zu tun; es gehört zur A nkereinrichtung
Abb. 10 Hühnerhock m it a u lg esetzten Pützen, von
achtern gesehen
Abb. 11
Steuerhaus, Seitenansicht
Abb. 13
Abb. 12
S tockanker
Langboot
H üh nerh ock s ste h e n auf b eid en S eiten d ie
N ie d e r g ä n g e zum A n bordk om m en. V or dem
G roßm ast ste h e n e in e B etin g und d ie Pum pen,
deren R ohre b is zum K iel herunterführen.
D as Poopdeck reicht bis v o r d en G roßm ast.
Da d ie V ord erw an d der 2. K lasse K ajüte un­
m ittelb ar h in ter dem G roßm ast errichtet w urde,
b ild e te sich beim M ast e in k le in er überdachter
Raum. In d ie Ü berdachung sin d Ö ffnun gen
für d ie N ie d e r g ä n g e zum H albdeck (Poopdeck)
e in gesch n itten .
In der 2. K la sse K ajü te befinden sich 44 K ojen.
D er K om fort, der den U n terschied zum Z w i­
schendeck ausm acht, kom m t hauptsächlich im
erh öh ten Fahrpreis zum A usdruck; an Bord
w ird er durch e in O berlicht, k le in e Frischluft­
löch er in der B ordw and und v o r allem auch
durch d ie g ed rech selten R au m stützen (32) sy m ­
b olisiert.
Im A chterschiff b efinden sich S alon und Ka­
bin en für d ie P a ssa g iere der 1. K lasse und für
d ie Schiffsführung. D er Salon hat e in O berlicht.
Der N ie d e rg a n g , über w elch en m an d ie e x c lu ­
siv e n G em ächer erreichte, ist überdacht.
D as H albdeck (Tafel III, IV u. V)
A u ßer d en erw ä h n ten O berlich ten und dem
R uderhaus (Abb. 11) g ib t e s h ier noch achtern
ste h e n d e P oller und ü b er Bord ragen d e Braßbäum e. In der H eckrundung ist das Schanzkleid
nach in n en b is zur h alb en H ö h e g ep la n k t. N ach
vorn zu w ird das H alb deck durch e in e S ä u len ­
r elin g a b g esch lo ssen . V or dem B esan m ast sind
au ß en b ord s e is e r n e D a v its angebracht; auf
Steuerbord führen sie d ie K ap itän sgig und auf
Backbord e in e tw a s größ eres B oot (Tafel III).
S te ig t m an über d ie v o rd eren N ie d e r g ä n g e h in ­
un ter auf das H auptdeck (O berdeck), so führt
der nächste W eg zum D eck sh aus (Tafel V)
oder, w ie e s in der V e rm e ssu n g heißt, zum
V o lk slo g is.
D as D eck sh aus (T afel V)
D as V o lk s lo g is w ar der U n terbringun gsraum
der B esatzung. D ie V e rh ä ltn isse sch ein en hier
e tw a s m en sch en w ü rd iger g e w e s e n zu sein .
D ie Zahl v o n 16 K ojen le g t den Schluß nah e,
daß d ie B esatzu n g aus 32 M ann b estan d . Da
aber d ie M aate ihre K ojen kaum m it jem and
anderem g e te ilt h ab en w erd en , dü rfte e in e
k le in er e Z ahl richtiger sein . D ie „C utty S ark “,
d ie e in größ eres Schiff war, h a tte e in e G e­
sa m tb esa tzu n g v o n 35 M ann. G eh t m an d avon
aus, daß e tw a 4 M aate, der B ootsm an n, der
Segelm acher, der Z im m erm ann und der Koch
ihre Stam m k ojen b esaß en , so b le ib e n noch
12 S e e le u te je W ache übrig. Bei 2 S te u e r le u te n
und dem K apitän käm en w ir dam it auf e in e
B esatzu n g v o n 31 M ann. In der M itte des
R aum es w ar d ie „Back“ an den g ed rech selten
R aum stützen b efestig t.
„Back“ ist nicht nur d ie seem ä n n isch e B ezeich­
nung für d as Deck d e s Vorschiffs, das ü b rigen s
auch nicht im m er erh öht se in muß. In ein em
v ie l gebräuchlicheren Sin n d es W o r tes m ein t
m an dam it ein en Tisch. A u ßerd em h eiß t auch
d ie groß e S chü ssel so, in der das Ess e n für
d ie T ischgem einsch aft, sprich: Backschaft, g e ­
h olt w ir d , „back" d a g e g e n b e d e u te t s o v ie l w ie
rückw ärts, w äh ren d z. B. back im Z usam m en­
h a n g m it e in em S e g e l — w ie: e in S e g e l schlägt
back — sa g e n w ill, daß der W in d v o n der
falsch en S e ite h in ein b läst. D ie se n k le in e n Ex­
kurs über W o r tb e d e u tu n g en w o lle n w ir m it
der F eststellu n g b een d en , daß m it g leic h la u ­
ten d en W örtern der Seem an n ssp rach e ganz
v e rsch ie d e n e D in g e und Sach verh alte g em ein t
se in k ön n en ; nur aus dem Z usam m enhang
h erau s w e rd en s ie richtig verstan d en .
D en v ord eren T e il d es D eck sh au ses nim m t die
K om büse ein. H ier e n tsta n d e n d ie F ein ­
schm eck er-Sp ezialitäten, d ie w ir im Z usam ­
m enhan g m it der E in h e itssp e ise liste der Bord­
v erp fleg u n g schon e rw ä h n ten (Me. 8/67). O ben
auf dem Dach d es D eck sh a u ses sind d ie L ang­
b o o te (G roßboote) (Abb. 12) b e fe stig t.
D ie Back
E ine R elin g sichert d ie Back nach außen; nach
h in ten b le ib t sie offen . D er P allpfahl ste h t über
d as Backdeck vor; b e id e r se its v o n ihm sind
P oller angebracht. V o n h ier aus ragen auch die
K ran eb alk en ü b er d ie Bord h in au s. D ie K ran e­
b a lk en d ie n e n zum V o rh eiß en der A n ker. D ie ­
se n V organ g w o llen w ir noch in k n app en D ar­
leg u n g e n e in w e n ig ansch aulich er m achen: der
A n k er (Abb. 13) se i durch Ü b e r se g eln oder
m ittels e in e s B oots schon au s dem G rund g e ­
brochen w orden; d ie K ette w u rd e s o w e it e in ­
g e h o lt, daß der A n k er sichtbar ist; er hängt
je tz t über W a sser in der K lüse; m an sa g t
dann, daß er „auf und n ie d e r steht". D ie V o r ­
richtung, d ie nun in A k tio n treten soll, heißt
K att-T alje. S ie b e ste h t aus e in er Leine, w elch e
üb er d ie S ch eiben im K ran eb alk en zum Kattblock führt un d m it ihm zu sam m en e in e n m ehr­
fach ü b er se tzte n F lasch en zu g b ildet. D er K att­
block hat an sein em u n teren Ende e in en H a­
ken. M it ihm w ird der A n k er in der Röring,
a lso in dem R ing d es A n k ers, in w elch em die
K ette b e fe stig t ist, gep ack t und u n ter den
K ran eb alk en g e zo g e n , — sprich vo rg eh eiß t.
M it ein er and eren T alje w ird er dann noch in
e in e w aagerech te Lage gebracht und so an der
Bord g ela sch t (d. h. festgem acht), daß er im
B edarfsfall sofort w ie d e r g esch lip p t (d. h. g e ­
löst) w erd en kann.
D am it w ä re d ie Einrichtung d es Schiffs so w e it
b eschrieb en , daß d ie E in zelh eiten der Z eich­
nu ng m it d en zu treffen d en Fachausdrücken der
S eem an n ssp rach e ben an n t und in ihrer F unk­
tio n v ersta n d e n w erd en kön nen. N achzutragen
b le ib e n noch e in ig e A n g a b e n über d ie Farb­
g eb u n g und üb er Form und A u sse h e n v o n B e­
sc h la g te ile n , d ie sich am äu ß eren Schiff b e ­
finden.
D ie R ü sten m it d en Juffern und ihren P üttings
h ab en noch e in e g e w is s e Ä h n lich k eit m it den
en tsp rech en d en E inrichtungen d e s 18. Jh. S ie
sin d aber erh eb lich schm äler g e w o rd en und
ste h e n nicht m ehr e in ze ln son d ern dop pelt.
D ie G attchen für H alsen und Schooten haben
e ise r n e B esch läge. D as D eck sh aus w u rd e häufig
m it Z in k p latten v e r k le id e t und w eiß gestrichen.
Auch d ie B oote w aren w eiß. D er Rum pf der
„Theone" war u n terhalb der W a sse r lin ie m it
K up ferplatten b e leg t; das H olz oberhalb der
CWL w ar schw arz gestrich en . Das Schanz­
k le id der P oop w u rd e in w eiß, d ie Schandeckel
in ock er g eh a lten . D ie O rn am en te w aren v e r ­
g o ld e t.
K. H. Marquardt
(wird fortgesetzt)
Auswandererschiff Bark
„Theone“ 1864
v
T eil
D ie T a k e la g e (Tafel VI)
D ie G ru n d b estan d teile der T a k e la g e e in e s
S egelsch iffs: M ast, T auw erk und S e g e l sin d
zw ar im m er gleich, d ie A rt der A u fste llu n g
h än gt aber seh r w e itg e h e n d vom Typ, vom
V erw en d u n g szw eck d e s Schiffes und v ie le n
and eren V o r a u sse tzu n g e n ab. W er e in e T a­
k e la g e b esch reib en w ill, m uß außerdem Zeit
und Ort ken n en , in w elch en das Schiff erbaut
w urde. Es ist e in e S elb stv erstä n d lich k eit, daß
d ie T a k e la g e ein er K ogge d es 13. Jh. m it der
ein er F regatte d es 17. Jh. nicht id entisch se in
kann, und d ie se w eich t w ie d e r in zahlreich en
E in zelh eiten v o n der ein er Bark aus der M itte
d e s 19. Jh. ab. W e n ig er bek an n t scheint e s
zu sein , daß e in e Bark v o n 1857 and ers g e ­
ta k e lt w erd en muß, als e in e v o n 1865. V o n
da an b is 1900 m üß ten dann ü b rigen s noch
m in d e ste n s 2 e in sch n eid en d e Ä n d eru n gen der
T a k e la g e verm erk t w erden.
D as Schiff v o n 1857 führt noch groß e M ars­
se g e l; bis 1865 w aren s ie schon fast üb erall
durch g e te ilt e M a rsseg el ersetzt w ord en . D ie
B ram segel te ilte m an erst Ende der sie b z ig e r
Jahre, und bald darauf w u rd en fast üb erall
S tah lm asten v e rw e n d et, w a s w ied eru m g e ­
w iss e Ä n d eru n gen der Form, der A n ord nu ng
und der Z u sam m en setzu n g zur F olge hatte.
A b geän d ert w u rd e auch d ie S te llu n g der
M asten . Stand der Fockm ast zu B egin n d es
17. Jh. noch m it ein er N e ig u n g nach vorn auf
dem V o r ste v en , so w ar er schon im 18. Jh.
senk recht g e w o rd en und m an errichtete ihn
ü b er dem vord eren Ende d e s K iels. M itte des
19. Jh. ist er v om S te v e n ca. 1/7 der K ie llä n g e
entfern t und hat, w ie auch d ie and eren M asten ,
e in e N e ig u n g v o n etw a 4° nach achtern.
D ie R u ndhölzer (Tafel VI)
D as B u gsp riet führt an e in em Schiff v o n 1860
nicht m ehr so ste il au s dem V orschiff, w ie d ie s
Abb. 1 Deckshaus m it L angboot an dem M odell aus
dem Focke-M useum, Bremen
noch e in Jahrhu nd ert vorh er der F all war. Um
1750 ste h t das B ugspriet noch in ein em W in ­
k e l v o n 30°; in der Zeit, in der d ie „Theone"
g eb a u t w urde, sin d e s nur noch 17 bis 18°.
D as S p riet se lb st w u rd e kürzer; an se in e r
S te lle w u rd e aber der K lüverbaum größer
au sg eb ild et. A m E selshau pt, der F ührung d es
K lü verbau m s, ist der Stam pfstock kardanisch,
a lso nach a lle n R ichtungen b ew eg lich , a u fg e ­
hän gt (Abb. 3). Durch d en Stam pfstock erh ält
der ziem lich dünn g e h a lte n e K lüverbaum se in e
A b sta g u n g . Er w ird auf d ie se W e is e erst in
d ie Lage v e rsetz t, das V orgesch irr zu tragen,
d as bek an n tlich seh r stark en B eansp ru ch un gen
a u sg e se tz t ist.
D as S p riet w ird folg en d erm a ß en ab gestagt:
S eitw ä rts g r eifen K etten an. N ach u n ten führt
der W a sser sta g (Abb. 4), der au s e in ze ln oder
p a a r w e ise
a n g e o r d n e te n
K etten
b e ste h e n
kann. A n d en S tagfü h ru n gsp u n k ten d e s K lü­
verb au m s greifen e b e n fa lls K etten an. S ie
füh ren zum u n teren Ende d es Stam pfstocks;
w e ite r e K etten füh ren v o n dort aus nach
b e id e n S e iten d es R um pfes.
D ie V o r sta g e en d en nicht am K lüverbaum . S ie
g e h e n durch F ührun gen ü b er d en Stam pfstock
zum Rumpf. D er K lüverbaum , der früher d ie
g a n z e Last der V o rm a sta b sta g u n g trug, w ird
dadurch in e in em beträchtlichen M aß en tla ste t.
D ie se itlic h e n S ta g e (Backstage) d e s K lü ver­
bau m s sind k e in e K etten son d ern T auw erk.
Ihre A n sa tzp u n k te sin d aber d ie gleich en w ie
d ie der V o r sta g e und der S tam p fstockketten.
S ie g e h e n über den W hisk er-B aum , e in en
e iser n e n Sp reizbaum am K ran eb alk en , zur
Bord. D am it der K lüverbaum b e g a n g e n w e r ­
d en kann, sin d an ihm F ußpferde angebracht.
U n ter d iesem A usdruck v e r ste h t der S eem ann
g irlan d en förm ig a u fg e h ä n g te T aue, auf d ie er
sich b e i der A rb eit m it den Füßen ste lle n
kann.
D ie M asten
D ie v o llg e ta k e lte n M asten e in er Bark se tze n
sich w ie fo lg t zusam m en: D er U n term ast ist
noch geb au t, d. h. aus m ehreren Stücken zu ­
sa m m e n g e se tzt und durch e is e r n e Bänder zu ­
sam m en geh alten . N ach o b en w ird er fo rtg e­
se tzt durch d ie M a rssten g e und d ie Bram­
ste n g e .
Abb. 3
E selshaupt m it Stam pfstock
A m U nterm ast (Abb. 5) befin d et sich das Rack­
b an d für d ie Unterrah, d ie b ei d iesem Schiff
nicht m ehr g efiert wird. Am o b eren T eil sind
d ie M astbacken, w e lch e d ie S alin g tragen und
der M ars, der auf der S a lin g ruht. O berh alb
d e s M arses w u rd en A u sfü tteru n g en für die
W an ten und S ta g e angebracht. D er M asttop,
a lso der T eil d e s M astes, der über den M ars
herau ssteh t, ist v ier k a n tig ab g ea rb eitet. O b en ­
auf sitzt das E selshau pt, w e lch es nun nicht
m ehr aus H olz so n d ern schon aus E isen b e ­
steh t. A m E selsh au p t sitzt d ie R ack-H alterung
für d ie e b e n fa lls nicht m ehr zu fieren d e U ntermarsrah.
Abb. 5 U n term asttop m it
Unterm arsrah-Q uerschnitl
M ars,
U nterrah-
und
Abb. 2 K lein es Boot m it D a vits an dem vom V er­
fa ss e r nachgebauten M odell im Verkehrsmuseum
Berlin
aufk lap pb aren E isen b esch lag ab, der den Fuß
der B ram stege aufnim m t. Im S te n g e to p b efin ­
d et sich w ie d e r e in E selsh au p t (E in zelteil­
zeich n u n gen s. T afel VI).
Photos:
Abb. 1 u. 2 K.-H. Marquardt
Abb. 8 aus den "Fliegenden Blättern“ 1846
Abb. 4
W a sserstag-B efe s tigung am S teven
D ie M a rssten g e ist an ihrem un teren Ende
als V ierk an t zu gesch n itten . In ihrem Fuß hat
s ie e in e Ö ffnung für das Schloßholz, w elch es
rutschen verh in d ert. O berh alb d es
vierkantigen F u ß es ist e in schräger Schlitz
tten, in w elch em d ie Sch eib e für das
gsch
ein
Stenge-W
indreep sitzt. Eine ähn liche Einrichtunggibtes auch im ob eren T eil der S ten ge,
d ie senk recht la u fe n d e Scheibe für
elch
w
in
Abb. 6 M arssten ge-T op
schnitt und Saling
m it
O berm arsrah-Q uer-
das O berm ars-F all e in g e la ss e n ist (Abb. 6).
Knapp darunter befin d et sich ein e ise r n e s
Band für Stag- und S te n g e w a n ten . D ie S alin g
hat h ier k e in e U n terstü tzu n g durch M ast­
backen; s ie ist nur ein gep aß t. A u f der S alin g
lie g e n Latten für d ie Pardunenführung. Ihr
vord erer T eil schließ t m it e in em am Scharnier
D as U n ter teil der B ram sten ge g leich t dem der
M arssten ge. Im z w e ite n D rittel ihrer H ö h e ist
d ie Sch eib e für d ie Bramrah e in g ea r b e ite t.
D er darüber lie g e n d e k le in e A b sa tz d ien t zur
A u fn ah m e der S ta g e und Pardune. Knapp
unter dem S te n g e to p ist e in e Scheibe für d ie
R oyal-R ah angebracht. D er M ast, bzw . S te n g e ­
top v e rjü n g t sich dann und trägt o b e n den
F laggen k n op f. D er B esan m ast führt nur e in e
S ten ge, d ie B e sa n sten g e (Abb. 7). A m U n ter­
m ast befin d et sich d as L ager für den BaumLüm m el. M it d iesem Fachausdruck b ezeich n et
m an den b e w e g lic h e n B olzen am Ende e in e s
B aum es, durch w elch en der Baum am M ast
schw en kb ar au fg eh ä n g t wird. Im übrigen
gleich t d ie S te n g e u n gefäh r der B ram sten ge;
nur gib t e s an ihr k e in e Scheiben für d ie Rahfalle, son d ern nur e in e für das G affel-Topse g e l-F a ll.
D ie R ahen sin d R undhölzer, w elch e sich nach
b e id e n S e iten v erjü n g en ; s ie d ien en der Be­
fe stig u n g un d B e w e g u n g der S e g e l. D ie A b ­
m e ssu n g e n der R ah en ste h e n in e in em b e ­
stim m ten V e rh ä ltn is zur Schiffsbreite. So hat
d ie G roßrah e in e Länge, d ie e tw a 2 1/4 der
Schiffsbreite entspricht. D ie Fockrah ist 3
Schiffsb reiten lang. D ie G röße der Schiffs­
b reite w ird in d ie se n F ällen z u m eist auf den
Sp an ten g e m e sse n . D ie U nterm arsrah hat e in e
L änge v o n e tw a 7/8 der U nterrah (Großrah oder
Fockrah, dem M ast en tsp rech en d). D ie O berm arsrah hat 3/4 der L änge ihrer U nterrah, d ie
Bramrah 7/12 der U nterrah und d ie R oyal-R ah
1/2 der U nterrah. D ie m ittlere D icke der Rahen
entspricht bei U n terrah en 1/46 der R ah län ge.
Bei der M arsrah 1/48 ihrer L änge und bei Brambzw . R oyalrah en 1/58 ihrer Länge.
J e d e Rah ist entsp rech en d ihrer G röße mit
ein er A n zah l v o n E isenb ändern v e rseh en . Sie
Abb. 7
B esantop m it Gaffel und Mars
füh ren zum T e il A u g e n für das an d ie Rah
zu b rin gen d e T auw erk. A b g e se h e n v o n der
ob e r sten Rah, sin d in d ie Enden der Rah (Rahnock) Scheiben für d ie Schoten der S e g e l e in ­
g e se tz t. A n der o b eren V ord erk an te der Rahen
z ie h t sich der Jackstag en tlan g. D er Jackstag
ist d ie B efestigu n gsvorrich tu n g, m it w elch er
das S e g e l an der Rah a n g e sc h la g e n w ird;
er e rsetz t das ä ltere V erfah ren, nach w elch em
d as S e g e l direk t an der Rah b e fe stig t war.
Um d ie R ahen am M ast bzw . an den S ten g en
a u fh än gen zu kön n en , b enü tzt m an d ie Racks.
A n der T h e o n e gib t e s d a v o n 3 v e rsch ied en e
A u sfü h ru n gsform en (E in zeld arstellu n g ist in
T afel V I n eb en der S eiten a n sich t je w e ils g e ­
so n d ert h e r a u sg e z e ic h n e t):
1. D as Bügelrack w ird für d ie A u fh än gu n g
der Fock- und G roßrah benü tzt. Ein B ügel, der
in e in em B olzen sch w en k b ar g e la g e r t ist,
greift an d ie Rah. Der B olzen se lb st g e h t zum
R acklager und ist auch dort b e w e g lic h a n g e ­
bracht. M itte ls d ie se r V orrichtung ist a lso e in e
h o r izo n ta le und v e r tik a le D reh un g der Rah
m öglich. Zur A b stü tzu n g h än gt d ie Rah noch
an e in er K ette.
2. Am H ängerack ist d ie U nterm arsrah b e ­
festig t. H ier hän gt am E selsh au p t e in dreh­
barer L agerb olzen ; d ie Rah hat auf ihrer O ber­
s e ite 2 A u g en , durch w e lch e d ie se r L ager­
b o lzen g esteck t wird. A uch h ier ist e in e z w e i­
fache D reh un g m öglich. A b g estü tz t w ird d ie
Rah durch e in e E isen stan ge, d ie zum M ars
führt.
3. M it dem T onnenrack sind a lle üb rigen Rahen
am M ast a n gesch lagen . D ie se B e festig u n g s­
vorrichtung erm öglicht das H eiß en und F ieren
der Rahen, läßt sich aber nur se itw ä rts
drehen. A n der Rah ist e in H olzfu tter b e ­
fe stig t, d as in der M itte e in e halb ru nde A u s­
nehm u ng trägt. M it der A u sn eh m u n g paßt die
Rah an d ie S ten ge. Eine in ein em Scharnier
a u fg e h ä n g te halb ru nde S ch elle um faßt dann
d ie S te n g e von der and eren S e ite h er und
w ird durch e in en B olzen versch lo ssen .
Schließlich w äre noch d ie B e fe stig u n g sw e ise
der G affel zu erläutern . D ie G affel g reift m it
e in er K lau e an d en M ast, w äh ren d e in P erlen ­
Abb. 8 Die dem nächst tolgen den K apitel über die
Besegelung d er Bark sin d vielleich t nicht ganz ein ­
fach zu lesen. Fehler können sogar dem Fachmann
unterlaufen. Ein Zeichner d er " Fliegenden Blätter"
hat 1846 d a rg estellt, w as in einem solchen Fall v o r­
aussichtlich passieren würde.
band den d ab ei freib leib en d en T eil der M ast­
rundung um schließt.
D ie Rahen, w e lch e in ihren N ocken Schotfüh­
rungen tragen, h ab en an der U n ter se ite ihres
m ittleren B and es e in en e ig e n a r tig geform ten
M etallb lock ; e s ist d ie s der Schotblock. N ur
d ie U n term arsrahen fahren z w e i E inzelblöcke
seitw ärts, w e il b ei ih n en in der M itte die
e is e r n e A b stü tzu n g im W e g e w äre.
(wird fortgesetzt)
K.-H. M arquardt
Auswandererschiff Bark „Theone“ 1864
T eil V (Schluß)
D as ste h e n d e Gut
Segel
U n ter dem Begriff „ S teh en d es G u t“ v e rste h t
m an a lle s T auw erk, w e lch es an b e id e n Enden
fe stg e s e tz t ist. D as ste h e n d e Gut d e s B ug­
sp rie ts w u rd e schon in anderem Z usam m en­
han g erläutert. Im fo lg en d e n w ird d esh a lb v o r ­
nehm lich v o n dem der M asten d ie R ede sein .
Zum ste h e n d e n G ut der M asten g e h ö r en d ie
S tage, W a n ten und Pardune. D ie S ta g e stü tzen
d en M ast nach v o r n e ab, d. h. sie neh m en d ie
K räfte auf, d ie — b e z o g en auf d ie R u m pflängs­
achse — am M ast v o n v o rne a n greifen . In der
R e ih e n fo lg e v o n u n ten nach ob en h eiß en die
S ta g e beim Fockm ast: (1) V orstag, (2) V o r­
s te n g e sta g , (3) K lü verstag, (4) J a g er- oder
A u ß e n k lü v er sta g , (5) V o rb ra m sten g esta g und
(6) V o rto p sta g . D ie h ier g e n a n n ten P osition en
3, 4 und 5 b ezeich n et m an auch als K lü ver­
leiter, J a g e r le ite r und F lie g er le iter . D ie Stage
d es G roß m astes h e iß e n in der R e ih e n fo lg e v o n
u n ten nach oben: (1) G roßstag, (2) G ro ß sten g e­
stag, (3) G roßbram stag und (4) G roßtopstag.
D em en tsp rech en d u n tersch eid et m an am Besanm ast zw isch en (1) B esan stag, (2) B e sa n sten g esta g und (3) B esan top stag.
A lle s G ut, das in d en v o r h e rg e h e n d en A b ­
sä tzen noch nicht b esch rieb en w u rd e, d ien t
prim är zur H and habu ng und B e w e g u n g der
S e g e l. W ir w erd en un s d esh alb zunächst m it
der B e se g elu n g d e s Schiffes zu b e fa ssen haben.
W ir u n tersch eid en zw isch en Sch ratsegeln und
R ah segeln .
S ch ratsegel ist e in Sam m elbegriff für a lle
S e g e l, d ie län gssch iff gefa h ren w erd en . Zu
ih n en g eh ö ren e in e r se its d ie S ta g se g e l und
a n d ererseits d ie G a ffelse g el. In der R eih en ­
fo lg e v o n v o r n nach achtern h e iß e n sie: (1)
F lieger, (2) J a g e r o d er A u ß en k lü ver, (3) Bin­
n en k lü v er, (4) V o r ste n g e sta g s e g e l, (5) G roß­
ste n g e sta g s e g e l, (6) G roß b ram stagsegel, (7)
G ro ß ro y a lsta g seg e l, (8) B e sa n sta g se g el, (9)
B e sa n ste n g e sta g se g e l, (10) B esan top s ta g se g e l,
(11) B esan- oder G a ffelseg el, (12) G affeltop ­
se g e l. D ie S eg el, die h ier m it d en P osition en
1— 10 b ezeich n et sind, w erd en am S tag m ittels
so g e n a n n te r L egel o d er L ögel b e fe stig t, die
auch S tagreiter h eiß en k ön n en . N och v o r 100
J ahren w aren d ie s ein fach e D rahtb ügel, d ie
b rillen artig g e b o g e n w u rd en . D er B ügel se lb st
lag über dem Stag. D ie b eid en A u g en w u rd en
an das S e g e l gen äh t. D ie un ter den P o sitio n en
11 und 12 g e n a n n ten S e g e l w u rd en m e isten s
m ittels M astbän dern am M ast b e fe stig t. M a st­
bän der o d er M a strin g e sin d h ölzern e R inge,
d ie aus ged äm p ften Latten g e b o g e n wurden.
G ew öh n lich w ar ihr D urchm esser d o p p elt so
groß w ie der d e s M astes, w odurch erreicht
w erd en so llte , daß sie beim H eiß en d e s S e g e ls
nicht klem m en .
R a h seg el sin d a lle S e g e l, d ie querschiffs g e ­
fahren und an e in em R undholz b e fe stig t w e r ­
den. In der R e ih e n fo lg e v o n un ten nach oben
und v o n v o r n e nach ach tern h eiß en sie : (1)
Fock, (2) V or-U n term arssegel, (3) V or-O berm a r sse g el, (4) V or-B ram segel, (5) V or-R oyalse g e l, (6) G roß segel, (7) G roß -U nterm arssegel,
(8) G roß -O b erm arssegel, (9) G roß-B ram segel,
(10) G roß -R oyalsegel.
K räfte d ie quer zur R u m pflängsach se am M ast
a n greifen , w erd en durch d ie H o fd ta u e oder
H aup ttau e aufgenom m en. D ie se sin d bei g rö ß e­
ren Schiffen je w e ils durch W e b le in e n zu sam ­
m en gefaß t und b ild en das W ant. Zur rück­
w ä rtig en A b stü tzu n g d e s M a stes d ien en die
Pardune.
Da e s sich beim ste h e n d en G ut um T au e h a n ­
d elt, d ie an ihren b eid en Enden fe stg e se tz t
sind, b e n ö tig t m an zu d iesem F estsetz e n e in e
A n zah l v o n V orrichtu ngen, d ie zu m eist nach
dem Prinzip d es F lasch en zu ges k on stru iert sind.
M an n en n t s ie T aljen o d er T ak el und u n ter­
sch eid et dann noch ein m al nach dem V e r w e n ­
du n gszw eck . U n ter dem V o r ste n g e sta g b efin ­
d et sich der F isch takel oder B u rton ; an Fockund G roßm ast gibt e s d ie S w ifter. D er Fisch­
ta k el w ird zur Einbringung d e s A n k ers und
and erer schw erer Lasten benützt. A ls Sw ifter
k ön n en e in e r se its A r b e itsta lje n und an d erer­
se its auch lo s e Pardune b ezeich n et w erd en , s o ­
fern d ie se das sc h n elle S te ifse tz e n e in e s in
se in e n W a n te n lo s e g e w o rd en en M a stes er­
m öglich en so llen . W ie beim M ast, so gib t e s
auch an d en R ahen ste h e n d e s Gut; e s sin d d ies
e in e r se its d ie T opn anten und a n d ererseits die
Fußpferde. A m B esan m ast g eh ö rt der Pick­
stan d er dazu, der v o n der G affel zum E se ls­
haupt fährt; außerdem der B esan top stan d er
zw isch en Baum und G affel. Schließlich rechnet
m an auch d ie S ch en k el der G affelgeren zum
ste h e n d en G ut am B esanm ast.
J e d e s S e g e l b e ste h t aus zu sam m en gen äh ten
Bahnen, v o n den en e in e e in z e ln e am V orb ild
e tw a 80 cm b reit se in kann. A u f der V ord er­
se ite , dort w o d ie G ord in gs laufen, s o w ie an
and eren S te lle n , d ie b e so n d e rs stark dem V e r ­
schleiß a u sg e se tz t sind, b ekom m t das S e g e l
V erd o p p elu n g en ; dazu g e h ö r en auch d ie S te l­
len d es S e g e ls, d ie am M ars o d er an d er S alin g
scheuern kön n en . A n den Sch ratsegeln w erd en
außerdem d ie Ecken und d ie Punkte, in denen
sich im W in k el zu e in a n d er ste h e n d e Bahnen
treffen v erd op p elt.
A lle S e g e l sind m it e in em Tau, dem s o g e ­
n an nten Liek, um näht; e s g ib t dem S e g e l H alt
u nd nim m t auch d as an ihrem Rand zu b e fe sti­
g e n d e T au w erk auf. A b g e s e h e n d a v o n sind
am B efestigu n gsran d d es S e g e ls e in e R eih e umstep p ter Löcher angebracht, d ie zur B efestigu n g
d es S e g e l, z. B. am Jackstag, am L egel oder
am M astband d ien en . G leichartig um n ähte
Löcher sin d fern er dort zu finden, w o d ie S e g e l
R effbändsel en th alten . Schließlich w u rd en an
d en Ecken der S e g e l noch K auschen ein g en ä h t;
das sind e is e r n e R inge, d ie zum E inh ängen von
B löcken oder v o n T auw erk dienen.
D as la u fen d e Gut
Zum la u fe n d e n G ut der S ta g se g e l (1— 4) g e ­
hört das F all (1); e s d ien t zum H eiß en d e s
S e g e ls und b e ste h t gew ö h n lich aus e in er T alje,
d ie am o b eren Z ipfel, dem H eiß d es S ta g seg e ls,
e in g eh ä n g t ist. D er N ie d e rh o le r (2) übt die
F unk tion aus, d ie der d e s F alls e n tg e g e n g e ­
se tzt ist. Der H als (3) ist e in Tau, w elch es
am vord eren , un teren Ende d es S ta g s e g e ls b e ­
fe stig t ist und d ie se s v o n u n ten her festh ält.
D ie Schoten (4) sin d T aljen , d ie am un teren,
hin teren Ende d e s S e g e ls a n g reifen und e s am
W ind h alten . D er S eem an n un tersch eid et hier
zw isch en e in em Luv- (W etterschot) und Leeschot. G ew öh n lich ist d ie L eeschot (Lee = dem
W ind a b g e w a n d te Seite) ste ifg e se tz t, w äh rend
d ie L uvschot lo se über dem S tag lieg t; man
spricht dann v o n e in er „fliegen d en S ch o t“. D ie
Ecke d es S e g e ls, an der d ie Schoten a n g r e i­
fen, heißt S choth om .
Zum la u fen d en Gut der R a h se g el g eh ö ren z u ­
nächst ein m al d ie T aue, d ie beim B ergen des
S e g e ls (1 — 3) benü tzt w erd en . A u f der V o r ­
d e r se ite der R ah segel sin d d ie G ord in gs (1)
Abb. 1 Brassenlührung
Dreierblock
ü ber
R elingsblöcke
und
angebracht; s ie führen vom U n terliek , a lso von
d em E infaßtau d e s S e g e ls, das se in e untere
K ante b ild et, ü b er Blöcke an der Rah zu Blökk en am M ast, und v o n dort zu d en B e le g ­
ste lle n an Deck. G ord in gs, d ie nicht v om U n ter­
liek , son d ern v o n d en S e ite n lie k s w egfü h ren ,
h e iß e n N ock gord in gs (2). Zur gleich en F unk­
tio n sg ru p p e zä h len auch d ie G eita u e (3). S ie
lie g e n auf der R ü ck seite d es S e g e ls und füh­
ren d iagon al vom Schothorn bis zur M itte der
Rah.
Eine w e ite r e G ruppe w ird beim R effen der
S e g e l in A k tio n g e se tz t; s ie b e ste h t bei den
U n ter se g eln und O b erm arssegeln e in e r se its
aus der R efftalje, d ie v o n d en seitlich en S e g e llie k e n zur Rahnock führt, a n d ererseits aus den
R effbän dsein im S eg el.
D ie nun fo lg e n d e F u n k tion sgru p p e d ien t zur
F ixieru n g d e s an der Rah m it e in er R eih lein e
b e fe stig te n S e g e ls v o n un ten ; sie b e ste h t aus
Schot und H als. D ie H a lsen sind E inzeltaue
v o n nicht unbeträchtlicher Dicke; sie führen
vom Schothorn der U n ter se g el aus nach vorn.
Im G eg e n sa tz dazu ist d ie Schot als T a lje a u s­
geb ild et; s ie greift am Schothorn an und geh t
v o n h ier aus nach achtern. D ie Schoten der
o b eren R a h seg el b e ste h e n z u m eist aus K etten,
d ie ü b er Scheiben in und u n ter der Rah laufen
und dann auf T a ljen g e s te llt sind.
D ie F ierb ark eit der O berm ars-, Bram- und
R oyalrah en w ird durch d ie F alle bew irkt.
U n ter- und U n term arsrahen sind fest a u fg e ­
h än gt und h a b en d esh alb k e in e F alle. Das
F all ist d reiteilig . Es b e ste h t aus e in er K ette
(1), d ie an der Rah e in g esch ä k e lt ist und über
e in e Scheibe im M ast läuft. Am and eren Ende
der K ette befin d et sich e in Block. Ferner gehört
zum Fall e in dickeres Tau (2), das m ittels e in es
H ak en s in e in e n R ing an Deck greift; v o n hier
au s führt e s aufw ärts, w ird durch den K etten ­
block g e le ite t und erh ält auf der abw ärts
la u fen d en S e ite e in e T alje (3), d ie das F ieren
und H eiß en der Rah erleichtert. D ie unter den
P o sitio n en (2) und (3) gen a n n ten B esta n d teile
d e s F alls lau fen je w e ils e n tg e g e n g e se tz t zu
e in er der Bordw ände; w en n a lso das Tau (2)
auf Steuerbord b e fe stig t ist, findet d ie T alje
(3) an Backbord ihren Platz. D ie G esa m tv er ­
lä u fe la sse n sich w ie folgt b eschreib en : D ie
T alje der V oroberm arsrah fährt an Backbord,
d ie der V orbram rah an Steuerbord; V orroyalrah: Backbord; G roßoberm arsrah: Steuerbord;
Großbram rah: Backbord und G roßroyalrah:
S teuerbord. Durch d ie w e c h se lse itig e V e r ­
se tzu n g der T aljen so ll e in e g leich m äß ige V e r ­
te ilu n g der A rb eitsp lä tze erreicht w erd en ,
w a s zur F o lg e hat, daß m ehrere R ahen g leic h ­
z e itig g e se tz t w erd en kön nen.
D ie O berm arsrahen hab en außer den F allen
noch N ied erh o ler; sie sin d an der N ock der
U nterm arsrah b e fe stig t und lau fen über Blöcke
an der O berm arsrah bis in d ie N ä h e d es
M a stes und v o n dort an Deck. W ill m an d ie
Rah m it dem S e g e l an den W ind bringen,
b e n ö tig t m an d ie B rassen. S ie g r eifen b eid er­
se its an d ie R ahnock und sin d für g ew öh n lich
z w e ite ilig . D ie T e ile heißen: Braß-Schenkel
und Braß-Talje. N u r d ie R oyalrah en h ab en
ein fach e B rassen. D ie B rassen der drei u n teren
R ahen führen direk t h eru n ter zur Bordw and,
w äh ren d d ie der o b eren an den nächst fo l­
g e n d e n M ast geführt w erden.
D ie B e sa n seg e l se h e n e tw a s and ers aus als
d ie Stag- und R ah segel. D essen u n geachtet
sind d ie G ru nd fu nk tion en der am B esan v o r ­
han d en en S e g e lta u e p rin zip iell gleichartig;
Abb. 2 A ltern a tivvo rsch la g für die A nbringung der
B elegstellen am Fockmast: Die B elegbänke w erden
zu beiden S eilen des M astes errichtet; die dort ur­
sprünglich vo rgeseh en en W asserfässer kom m en da­
für an die S eiten des L ukenhauses
Zum B elegp lan (T afel VIII):
Der hier abgebildete Belegplan gibt in Zahlen die
Stellen an, an denen das laufende Gut festzusetzen
ist. Die hier zusätzlich gezeichneten N agelbänke auf
der Back, am Fock- und am Großmast, werden zum
sachgemäßen B elegen des Tauwerks benötigt. Sie
sollten beim Bau des M odells berücksichtigt w erden.
In der R eihenfolge der Ziffern lauten die Bezeich­
nungen des Tauwerks w ie folgt:
1. F lieger-N iederholer
2. A ußenklüver-N iederhoier
3. B innenklüver-N iederholer
4. V orsten gestagsegel-N ied erh oler
5. Fockhals
6. F lieger-Schot
7. A ußenklüver-Schot
8. Binnenklüver-Schot
9. V orstengestagsegel-Schot
10. Fock-Gordings
11. Fock-Refftalje
12. Fock-Geitau
13. Vor-Untermars-Gordings
14. Vor-Untermars-Geitau
15. Vor-Oberm ars-Gordings
16. Vor-Oberm ars-Refftalje
17. Vor-Oberm ars-Geitau
18. Vor-Bram-Schot
19. Vor-O berm ars-Niederholer
20. Vor-Bram-Gordings
21. Vor-Bram-Geitau
22. Vor-Royal-Schot
23. Vor-Royal-Gordings
24. Vor-Royal-G eitau
25. Flieger-Fall
26. Außenklüver-Fall
27. B in n en k lü v er-F all
28. V orstengestagsegel-Fall
29. Vor-Obermars-Fall
30. Vor-Bram-Fall
31. V or-Royal-Fall
32. Vor-Untermars-Schot
33. Fock-Brasse
34. Vor-Untermars-Brasse
35. Vor-Oberm ars-Brasse
36. Fock-Schot
37. V or-M arsstenge-W indreep
38. V or-Bram stenge-W indreep
39. G roß-Stengestagsegel-N iederholer
40. G roß-Bram stagsegel-Niederholer
41. G roß-R oyalsegel-N iederholer
42. G roß-Stengestagsegel-Sch ot
43. G roß-Bram stagsegel-Schot
44. G roß-Royalstagsegel-Schot
45. G roßsegel-Gordings
46. Großsegel-Refftalje
47. G roßsegel-G eitau
48. Groß-Untermars-Gordings
49. Groß-Untermars-Geitau
50. Groß-Obermars-Gordings
51. Groß-Obermars-Refftalje
52. Groß-Obermars-Geitau
53. G roß-Stengestagsegel-Fall
54. Groß-Bram-Schot
55. Groß-Obermars-Niederholer
56. Groß-Bram-Gordings
57. Groß-Bram-Geitau
58. Groß-Bram stagsegel-Fall
59. Groß-Royal-Schot
60. G roß-Royal-Gordings
61. G roß-Royal-Geitau
62. G roß-Royalstagsegel-Fall
63. G roßsegel-H als
64. Groß-Obermars-Fall
65. Groß-Bram-Fall
66. Groß-Royal-Fall
67. Groß-Untermars-Schot
68. G roß-M arsstenge-W indreep
69. Groß-Bram stenge-W indreep
70. B esan-Stagsegel-N iederholer
71. B esan-Stengestagsegel-N iederholer
72. B esan-T opstagsegel-N iederholer
73. Vor-Bram-Brasse
74. Vor-Royal-Brasse
75. G roßsegel-Schot
76. Besan-Stagsegel-Schot
77. B esan-Stengestagsegel-Schot
78. Besan-Topstagsegel-Schot
79. Groß-Bram-Brasse
80. Groß-Royal-Brasse
81. B esan-Stagsegel-Fall
82. B esan-Stengestagsegel-F all
83. Besan-T opstagsegel-Fall
84. Besan-T opsegel-Fall
85. B esan-T opsegel-A usholer
86. Besan-Topsegel-Einholer
87. Besantop-A usholer
88. Besantop-Einholer
89. Besan-Gordings
90. Besan-Schothorn-Ausholer
91. Besan-Schothorn-Einholer
92. Besanstenge-W indreep
93. G affelklau-Fall
94. Bullentalje
95. G roßsegel-Brasse
96. Groß-Untermars-Brasse
97. Groß-Obermars-Brasse
98. Flaggleinen
99. G affelger
100. Baumschot
X. freie B elegstellen
je d e n fa lls la sse n sich d ie T aue d e s B esanm a stes e b e n fa lls nach dem b ish er ig en Schem a
erk lären . D as B e sa n s e g e l ist m it ein er R eih­
le in e an der G affel b e fe stig t. Zum S e g e lse tz e n
d ien t das Pikfall, w elch es vom B esan durch
e in e Sch eib e in der G affel zum E selsh au p t und
dann abw ärts führt. A n der gleich en S te lle ist
auch se in G egenstück, der E inholer b efestig t.
A m u n teren äuß eren Ende sitzt e in e r se its der
A u sh oler, der ü b er e in e Scheibe im Baum läuft
und a n d ererseits der Einholer. G eb orgen wird,
das B e sa n se g e l m it 3 b e id e r se its v erla u fen d en
Go rdings. Zum F esth a lten der G affel am W ind
d ie n e n d ie G affelgeere. U n ten am Baum h ält die
Schot das S e g e l an d en W ind. In H öh e der
Schot greifen auß erdem d ie nach v o m s e it­
w ärts fü h ren d en B u llen taljen ; sie so lle n das
H in- und H ersch lagen d es B aum es b e i S e e ­
g a n g verh in dern .
Am B e sa n to p se g el gib t e s e in Fall, d as durch
d ie M a rssten g e gefü h rt ist, fern er e in en A u s ­
h oler n e b st E inh oler am h in teren , unteren
Ende und e in e n H als am vord eren , unteren
Ende. M it e in er R e ih lein e w ird e s außerdem
te ilw e is e an der S te n g e b efestig t.
A ls zu sätzlich e L einen m üß ten je tz t noch die
F la g g le in en und d ie S te n g e w in d re e p s erw äh n t
w erd en . D ie z u letzt g e n a n n ten treten aber nur
b ei B edarf in A k tion . D as S te n g e w in d re e p
d ien t zum F ieren und H eiß en der S ten ge, d ie
bek an n tlich m it e in em S chloß holz auf der
S alin g sitzt und e in e r se its in der S a lin g so w ie
a n d ererseits im E selsh au p t e in e F ührung hat.
B ei der Ü b erh olu n g der T a k e la g e kan n e s z. B.
n o tw en d ig w erd en , daß e in e S te n g e gefiert
und a u sg ew ec h selt w erd en muß. A ußerdem
w u rd en d ie S te n g e n oft bei H a fen lie g e z e ite n
gefiert. Zur A n b rin gu n g d es S te n g e w in d re e p s
gib t e s auf je d e r S e ite d es E selsh a u p tes ein en
R in gb olzen und im S ten gefu ß e in e Scheibe. Das
R eep w ird dann an e in em der R in gb olzen b e ­
festig t. Sein fr e ie s Ende steck t m an durch die
in der S te n g e angebrachte Scheibe und führt e s
w e ite r durch e in en Block, der im z w eite n Ring
am E selshau pt hängt. A n dem nach u n ten an
dem Block h era u sh ä n g en d en Ende d es R eeps
kan n nun e in e m eh rsch eib ige T a lje angreifen,
m ittels w elch er d ie sch w eren M a stste n g e n auf
u nd n iedergebrach t w erd en .
D ie B e le g ste lle n
Zum B e le g en der T a k e la g e b edarf e s noch
e in ig e r H in w e ise. W ie e in g a n g s schon er ­
w ähnt w urde, e x is tie r t v o n dem b esch rie­
b en en Schiff nichts als ein H alb m od ell, das
se lb stv erstä n d lich n iem a ls g e ta k e lt war. D ie
in der B au an leitu n g b esch rieb en e T a k e la g e ist
v om V e rfa sse r nach W ah rsch ein lich k eitsgru n d ­
sä tz en rek onstruiert, w o b ei an d ere z e itg e ­
n ö ssisch e Schiffe ähn lichen T yp s als V o r ­
b ild d ien ten . L e eseg e lsp ier e n w u rd en nicht
berücksichtigt, da s ie nicht je d e s Schiff führte.
D em en tsp rech en d sin d am O rigin al-H alb m o­
d e ll auch d ie B e le g ste lle n nur te ilw e is e und
m ehr oder m inder pauschal a n g e g e b e n . Ent­
la n g der B ordw and gib t e s zw ar T akelb än k e,
und am G roßm ast b efin d et sich auch ein s o g e ­
nan n ter T opgarten; dam it sind aber d ie B eleg-
Abb. 3 Die Reisenden nehmen bei der Ausschiffung
in Staaten-Island ihr Gepäck in Empfang.
"H err Jeses, der scheene Slip, den m er de Lowise
beim Abschiede zum A n den ken gesch en kt hat, ist
w e es K ott hin — A lle s is zerw eecht. Das dä rfte m er
nich noch e Mal passiren, son st w ärde, w e e s Kott.
der Kapitän verk la g t — "
„W as nutzt je tz t d es G esch w ätz?" — m it all' Ihrem
G eflenn leim e se ke K iste z'sam m e. — Da habe se
tione — je lz' is m er um se i bische Eigenthum gebracht . a b er keen er vun d ie zw eeh u n dert deutsche
Färschte g ieb t Ihne e K reizer d e r v o r. " —
„Sehn se m ei ku ter W ü h lh u ber — s' Eigenthum is
doch w as w e rth — Sie ham im m er von Vernichtung
des Eigent hums gesprochen — je tz' is e s vern ich te t. "
Abb. 4
A u f frem der Erde athm en sie nun freier,
Im kühlen Schatten m üde hingestreckt,
Indeß oft aus den S aiten ihrer Le y e r
Der Zephir sp ie le n d a lte Klänge weckt.
Und w o llt Ihr w issen , w arum d ie A scelen
Der Freiheit nicht Ein V aterlan d verein t,
So fragt, warum ein st Israels Propheten
An Babels Strand und Salem s Schult gew ein t!
ste lle n , d ie ein g e ta k e lte s M od ell h ab en muß,
ke in e s w e g s v o llz ä h lig . A u f a lle F älle w ird man
e in e B e le g b e tin g h in zu zu fü gen haben, d ie auf
der Back steh t; an ihr w erd en d ie N ie d e rh o le r
der S ta g se g e l b e leg t. A u ßerd em m ü ssen auf
der Back, und zw ar m öglich st w e it h in ten , s o ­
w ie auf b eid en S e iten d o p p e lte R eihen v o n je
z w e i R in gb olzen angebracht w erd en , dam it
dort d ie S ta g seg e lsc h o ten b e fe stig t und e n t­
lang geführt w erd en kön n en . A n d en vord eren
R in gb olzen w erd en d ie fe sten Enden der
Schot (steh en d er Part) b e fe stig t; nachdem sie
durch d en Schotblock g e le ite t w urden, wird
d ie h o le n d e Part durch e in e n Fußblock, der in
d ie z w e ite R in g b o lzen reih e e in g eh ä n g t ist, g e ­
führt und auf den erste n B eleq n ä g eln an O ber­
deck b e leg t. F ast je d e s Tau, das v o n oben
herabführt und b e le g t w erd en so ll, läu ft zuerst
durch e in e n Fußblock; e s b e d e u te t näm lich
e in e w e se n tlich e Erleichterung der se e m ä n n i­
schen A rbeit, w e n n m an e in Tau, das b e le g t
w erd en soll, v o n un ten nach o b en zie h e n kann.
D ie M asten , an den en e s k e in e n T opgarten
gibt, h ab en d o p p e lte E isenb änder, in den en
e in e r se its B e le g n ä g e l steck en und a n d ererseits
R in ge für d ie Fußblöcke angebracht sind.
Für d ie T auführung der v o n ob en nach un ten
g e le ite te n T aue sin d in den M arsen e in e
g a n ze R eih e v o n Löchern angebracht; an den
H ofd tau en sin d K lotchen anzub rin gen , von
d e n e n je w e ils 2 oder 3 T aue zu d en B e le g ­
s te lle n führen. W e ite r e E in zelh eiten sin d dem
B e le g p la n und dem V erzeich n is der B e le g ­
ste lle n zu entn eh m en . K. H. M arquardt
L iteraturverzeich nis
Für e in Schlußw ort d e s V e rfa sse rs. . .
hin bekannten H albm odells nicht gedient. Der M o­
dellbauer interessiert sich für das ganze Schiff, und
es ist bei einem M odellbauplan schon sehr v iel er­
reicht, w enn w en igsten s die Einzelheiten der Rumpf­
konstruktion über jed en Z w eifel erhaben sind. W o
der Fachmann A lternativvorschläge, z. B. zu Ta­
k elage-E inzelheiten machen kann, w ollen wir ihm
b ei späterer G elegenheit das W ort geben.
Wir sollten nun die am Beitragsende geb oten e Ge­
legen h eit dazu benützen, uns von den W itzblatt­
figuren der Fliegenden Blätter zu verabschieden, die
wir in einem zeitgeschichtlichen Exkurs (Me. 7/67,
S. 280 — 290) k ennengelernt haben. S ie gehören in s­
gesam t zu der repräsentativen Gruppe der Protest­
auswanderer, die ihre w agem utige Reise im Z eit­
alter der Romantik mit biblischen und sozialkri­
tischen M otiven verständlich zu machen suchten. Der
vorm arxistische Revolutionär Barnabas W ühlhuber
sieht sich nach der Ankunft in der neuen W elt mit
dem bürgerlichen Spekulanten Casimir H eulm aier im
Elend vereint (Abb. 3). V on der w ehm ütigen Dich­
tung „Die A usw anderer“ des G eorg Scherer können
wir nur die letzte Strophe zitieren (Abb. 4), w eil
die übrigen sogar für den Zeitgeschmack fast zu
schön waren. Das poetische K unstwerk, das in den
Fliegenden Blättern von 1847 veröffentlicht wurde,
steht unter dem M otto von F. Freiligrath: „O sprecht,
warum zogt ihr von dannen? “ —
Red.
reicht es im vorliegen d en Jahrgang nicht mehr. In
den 10 M onaten, die seit Beginn der Theone-Beitragsfolge vergangen sind, bekam die Redaktion viel
Lob und auch ein w en ig Tadel zu hören. An das Ohr
d es V erfassers drang dies alles nur als ferner Lärm,
denn er lebt seit mehr als einem Jahr in A ustralien.
Er ist ein A usw anderer des 20. Jahrhunderts und
seine A rbeit über d ie Ausw andererfahrt des 19. Jahr­
hunderts war se in e letzte in Deutschland. Zuschrif­
ten zum Theone-Beitrag erhielt die Redaktion auch
von durchaus kom petenten Persönlichkeiten, deren
M einung wir den Lesern nicht vorenthalten w ollen;
wir hoffen darauf bei passender G elegen h eit zurück­
kommen zu können. Zunächst nur so viel:
Es ist an sich schon ein problem atisches Unterfan­
gen, wenn jemand ein gan zes M odell beschreibt, w o
doch jeder Fachmann weiß, daß als Vorbild nur ein
halbes existiert. W as am Vorbild gem essen w er­
den kann, muß an den selbständig erarbeiteten Zu­
taten nach Ermessen festgelegt werden, und jeder,
der von seinem Erm essensspielraum Gebrauch macht,
ist auf irgend ein e W eise angreifbar. Eine Bauan­
leitung, w ie wir sie seit Heft 3/67 veröffentlicht
haben, ist erstlich für den Gebrauch fortgeschrittener
Am ateure bestimmt. Ihnen wäre mit der w issen ­
schaftlichen Beschreibung ein es dem Fachmann oh n e­
Otto H över, V on der G aliot zum Fünfmaster,
Bremen 1934
Harold A. Underhill, M asting and Rigging,
G lasgow 1946
Harold A. Underhill, Deep — W ater — Sail
G lasgow 1952
Rolf Engelsing, Bremen als A usw andererhafen
1683— 1880, Bremen 1961
F. L. Middendorf, Bemastung und Takelung der
Schiffe, Berlin 1903
Bark „Theone”
D ie Rum pfform d er Bark " T heone" v o n 1864
ist v o n e in em noch v o rh a n d en en z e itg e n ö ss i­
schen H alb m od ell b ekan nt. Der V e rfa sse r u n se ­
rer B e itr a g sfo lg e K arlheinz M arquardt hat vor
Jahren e in e K op ie für e in B erliner M useum
h e r g este llt; der v o r lie g e n d e Spantriß s o w ie der
in M e. 4/67, S. 154 — 155 abgedruckte S eiten und Linienriß k ön n en so m it für au th en tisch an­
g e se h e n w erd en . R ek on stru iert w u rd e le d ig ­
lich d ie B e se g elu n g . M it dem Abdruck der Bau­
a n leitu n g b e g in n e n w ir im näch sten H eft (s. a.
M e. 3/67, S. 110— 111). Im v e rg a n g e n e n Jahr
b esch ä ftig te sich der V erfa sse r in te n siv mit
d en P rob lem en der A u sw an d ererfah rt im 19.
Jh. U ber s e in e E rg eb n isse w ird er in e in em
e ig e n e n E xkurs berichten. G eg en w ä rtig treibt
K arlheinz M arquardt v e rg leic h e n d e Stu dien .
Er ist u. a. zu d iesem Zw eck nach A u stralien
a u sg ew a n d ert.
Red.
Auswandererschiff Bark „Theone“ 1864
Auswandererschiff Bark „Theone” 1864
Im A bdruck v o n R issen groß er S egelsch iffsmodelle bem üh en w ir uns, nach M öglich k eit
im er das v o lle Form at der Z eitsch rift auszunutzen ln g e stü c k e lter W ied er g a b e und bei
starker V e r k l e i n e r u n g w ürden sie Ihren
informativ en W er t w e i t g e h e n d e in b ü ß e n ,
Zum B eitrag „A u sw an dererbark T h e o n e " v o n
1863/64“ hat K arlheinz M arquardt m ehrere
groß form atige B ild tafeln gezeich n et, d ie w ir
nur dann in au sreich en d er G röße rep rod uzieren
kön nen, w en n w ir sie auf M ittelb lätter ste lle n .
J e d e s H eft hat aber nur e in M itte lb la tt,
Leser, d ie sich für das M o d e ll in teressieren ,
so llte n d ie v o ra b g ed ru ckten Illu stration en ab
Juni 1967 zur H and haben. D er k om p lette
T akelriß ste h t in M e. 3/67, S. 110/111. D as v o r ­
lie g e n d e H eft 4/67 en th ält d en Linien- und
Seiten riß , ln M e, 3/87 folgt der Spa n triß ,
M it dem Abdruck d e s B eitrags und se in
restlich en B ild tafeln b e g in n en wir In Me . 6/67.
W ir b itten um V erstä n d n is für d ie se notwend ig e M aßnahm e, auf deren Durchführung w
ir
nur zum N achteil der sp ez iell In teressiert
Schiffsm od ellbau er verzich ten können,
B a r k
" T h e o n e "
T afel VII (w ied erh olt au s M e. 3/67, S. 110)
T afel V I