Die Rote Liste gefährdeter Arten – Entstehung, Kriterien und
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Die Rote Liste gefährdeter Arten – Entstehung, Kriterien und
Wasner: Rote Liste Die Rote Liste gefährdeter Arten – Entstehung, Kriterien und Bedeutung Ulrich Wasner 1. Entstehung und Fortschreibung In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelte der internationale Naturschutzverband IUCN erstmals – zunächst auf globaler Ebene – die „Red Data Books“, um auf weltweit gefährdete Arten aufmerksam zu machen und eine Dokumentation der globalen Gefährdungstrends einzuleiten. In Deutschland erschien in der Folge noch im gleichen Jahrzehnt die erste Rote Liste der (alten) Bundesrepublik (BLAB et al. 1977), und schon zwei Jahre danach brachte in Nordrhein-Westfalen die damalige Landesanstalt für Ökologie (LÖLF NRW) die erste Rote Liste für unser Bundesland heraus (LÖLF 1979). Sieben Jahre danach konnte sie in 2. Fassung vorgelegt werden (LÖLF 1986). Erst 13 Jahre später konnte die „Rote Liste der gefährdeten Pflanzen und Tiere in Nordrhein-Westfalen“ nun in einer stark erweiterten 3. Fassung erscheinen (LÖBF/LAfAO 1999). Sie beruht auf den ehrenamtlich durchgeführten, intensiven Beobachtungen der Arten und ihrer Bestände durch viele floristisch und faunistisch aktive Experten des Landes, die dabei mit dem Herausgeber viele Jahre lang fruchtbar und eng zusammengearbeitet haben. 2. Charakter der Roten Listen als Experten-Gutachten Rote Listen haben grundsätzlich den Charakter unabhängiger Experten-Gutachten. Sie sind also keine „amtlichen Verlautbarungen“ einer Behörde oder Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie haben mithin auch keinen Verordnungscharakter einer staatlichen Stelle. Dass die Roten Listen noch manchmal von Teilen der Fachpresse und von manchen die Interessen ihrer Klientel vertretenden Verbänden und Politikern in ihrem grundsätzlichen Charakter verkannt werden, ändert hieran nichts. Nicht zuletzt deshalb aber haben sich die Aufgaben des Staates zur Wahrung der fachlichen Unabhängigkeit der Roten Liste auf folgende Funktionen zu konzentrieren: – – 54 Zusammenstellung und organisatorische Begleitung des Expertengremiums, wobei dem Gesichtspunkt der Kontinuität auf höchstem fachlichen Niveau entscheidende Bedeutung zukommt, Herausgabe des Gesamtgutachtens mit Übernahme der Kosten, – Organisation der Entwicklung objektiver und zwischen den Einzellisten vergleichbarer Kriterien und ihrer kompromisslosen Anwendung, – Schutz der Experten und Expertengremien vor Beeinflussungsversuchen, insbesondere die Abwehr von Partialinteressen, z.B. aus Naturschutzverbänden, Jagd oder Landwirtschaft, – Abwehr von amtlichen Einflussversuchen, z.B. einzelner Naturschutz- oder Jagdbehörden, – Organisation einer optimalen Fortschreibung des Gesamtgutachtens, u.a. durch finanzielle Ermöglichung fortlaufender Recherchen zur Aktualisierung von Trends. 3. Der Inhalt der Roten Liste NRW im Abriss Der neue Sammelband enthält auf 640 Druckseiten 20 Einzellisten (zum Vergleich: die zweite Fassung von 1986 umfasste insgesamt 13 Listen auf 240 Druckseiten). Neben der neu konzipierten Roten Liste der Biotope und der neuen Liste der Pflanzengesellschaften enthält sie nun insgesamt fünf botani- NUA-Seminarbericht Band 7 Wo liegt der Hase im Pfeffer? sche und 13 zoologische Einzellisten, davon sechs in erster Fassung. Die Zunahme des Umfangs der neuen Roten Liste NRW erklärt sich vor allem dadurch, dass sie nun fast ausschließlich GesamtArtenlisten der behandelten Pflanzen- und Tiergruppen enthält. Dieser „Checklist-Charakter“ ist eminent wichtig für die praktische Arbeit im Artenschutz, vor allem bei dem Bemühen um eine möglichst korrekte Fortschreibung der Einzellisten. Daher wurde diese erhebliche Vermehrung des Umfangs in Kauf genommen. Auch Erweiterungen um taxonomisch schwierige Artengruppen und die Aufnahme ganz neuer Taxa haben zum Anwachsen des Umfangs beigetragen: So wurden in die Rote Liste der Farn- und Blütenpflanzen die sehr artenreichen Gattungen Habichtskraut (Hieracium) und Brombeere (Rubus) sowie Löwenzahn (Taraxacum) einbezogen. Die Rote Liste der Großpilze ist dabei mit jetzt über 2.500 berücksichtigten Arten sogar auf mehr als das doppelte angewachsen. Die Rote Liste der Schmetterlinge (etwa 1.000 Arten) wurde erstmals um vier ausgewählte Gruppen der „Kleinschmetterlinge“ ergänzt. Die sechs neu hinzugekommenen Roten Listen behandeln die Flechten, Armleuchteralgen, Webspinnen, Großkrebse, Laufkäfer und Stechimmen (letztere vorerst nur für Westfalen). 4. Die Regionalisierung der Roten Listen Die Regionalisierung von Roten Listen ist, wenn sie nicht zu weit getrieben wird (z.B. auf Kreisebene), ein erstrebenswertes Ziel, weil dadurch differenzierte Gefährdungssituationen adäquat abgebildet werden können. Zwar ermöglichte die Datenlage nach Qualität oder Menge die Durchführung einer Regionalisierung noch nicht in allen Fällen, aber in der vorgelegten Neufassung der Roten Liste NRW liegen nun doch wesentlich mehr Einzellisten regionalisiert nach den sechs Großlandschaften Nordrhein-Westfalens vor als in der 2. Fassung. Neu ist dies für die Listen der Moose, Armleuchteralgen, Vögel (Übernahme aus GRO & WOG 1997), Fische (mit spezieller Erweiterung auf acht Regionen), Libellen, Heuschrecken und Köcherfliegen. Bei den Säugetieren und den neu hinzugekommenen Laufkäfern erlaubte die Datenlage immerhin eine Differenzierung in NUA-Seminarbericht Band 7 Rheinland und Westfalen. Die folgende Übersicht zeigt den jetzt erreichten Stand der Regionalisierung in Nordrhein-Westfalen (Tab. 1). Tab. 1: Regionalisierung der einzelnen Roten Listen Nordrhein-Westfalens in der 3. Fassung: 1 = Gliederung nach den sechs Großlandschaften (Karte 1:500.000, Kartentasche). 2 = dito, aber mit „Ballungsraum Rhein-Ruhr“ als eigenständiger Großlandschaft (aus den übrigen Großlandschaften herausgeschnitten, entsprechend Karte 2 der RL NRW, 1999). 3 = sechs Großlandschaften wie unter 1, aber „Ballungsraum Ruhrgebiet“ zusätzlich ausgewiesen (jedoch nicht herausgeschnitten). 5. Gefährdungskategorien, Kriterien und Definitionen Die Gefährdungskategorien und -kriterien einer Roten Liste, die ja als Gutachten stets bewertenden Charakter hat, bilden das verborgene Herzstück ihrer fachlichen Aussagekraft. Sie müssen deshalb mit besonderer Sorgfalt entwickelt werden. Hierzu müssen zunächst tragfähige Regeln entwickelt werden, also gewissermaßen „Kriterien für die Kriterien“ der Gefährdungseinstufung. Rote Liste-Kriterien sollten im Idealfall folgenden Anforderungen gleichzeitig genügen: – möglichst gute Vergleichbarkeit mit bereits existierenden, publizierten Roten Listen der Länder und des Bundes, – möglichst große Präzision (Treffsicherheit) in der Einstufung, – möglichst gute Reproduzierbarkeit der Einstufungen, 55 Wasner: Rote Liste Tab. 2: Vergleich der Gefährdungskategorien der Roten Listen des Bundes (1984 und 1994) mit der neuen Roten Liste NRW (1999): „N“ wird als Zusatzkriterium zu den Kategorien R, 1, 2, 3 und * vergeben. Eine Gefährdung ausdrückende Kategorien sind grün markiert. – möglichst gute Vergleichbarkeit der Einstufungen zwischen verschiedenen Tier- und Pflanzengruppen (höhere Taxa, meist auf Klassen- oder Ordnungsniveau). Um den oben genannten Anforderungen für die neue Rote Liste NRW gerecht zu werden, wurden die bisherigen Kategorien und Kriterien der Gefährdung der Arten in Anlehnung an die Rote Liste der Bundesrepublik Deutschland (vgl. SCHNITTLER et al. 1994) für Nordrhein-Westfalen vorsichtig überarbeitet, vor allem mit dem Ziel, die Vergleichbarkeit der Gefährdungseinschätzung zwischen den verschiedenen Listen unterschiedlicher Taxa zu erhöhen. Zahlreiche Erläuterungen in den Einzellisten machen sie für den Benutzer zudem besser nachvollziehbar als in den früheren Fassungen. Die Gefährdungskategorie „R“ („durch extreme Seltenheit gefährdet“) wurde neu in die Rote Liste aufgenommen. Gleichfalls neu ist die Zusatzkennung „N“, die auf Naturschutzmaßnahmen für die betreffende Art hinweist. Eine Gegenüberstellung der Gefährdungskategorien der früheren Roten Liste der (alten) Bundesrepublik Deutschland (BLAB et al. 1984), der neuen Roten Liste des Bundes (BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ 1996) und des modifizierten Kriterienkatalogs der neuen Roten Liste NRW in der 3. Fassung (LÖBF/LAfAO 1999) macht die Unterschiede deutlich (Tab. 2), die außer in einer Präzisierung der Benennung vor 56 allem darin liegen, dass die Kategorie „G“ der Bundesliste nicht übernommen, das Zusatzkriterium „N“ hinzugefügt und die häufig missverstandene alte Kategorie 4 („potentiell gefährdet“) entfernt wurde. Die angewandten Gefährdungskriterien sind im Interesse der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit (im Sinne der oben erwähnten, möglichst großen Reproduzierbarkeit und Vergleichbarkeit) in sich relativ stark differenziert. Um den Überblick zu erleichtern, werden sie hier als „Erläuterung in Stichworten“ in gedrängter Form zusammengefasst (Tab. 3). Weitergehende Informationen zu diesem Regelwerk enthält WASNER & WOLFF-STRAUB (1999). Die Weiterentwicklung und Verbesserung der Definitionen von Gefährdungskriterien ist eine notwendige Aufgabe einer jeden Roten Liste. Es ist jedoch zugleich eine Gratwanderung zwischen Modernisierung und Wahrung der Kontinuität, da die Vergleichbarkeit mit den älteren Roten Listen unbedingt erhalten bleiben muss – liegt doch eine ihrer wesentlichsten Funktionen in der zuverlässigen langfristigen Trendanalyse. Größere „Schnitte“ verbieten sich daher. Deshalb wurde die Vereinheitlichung der neuen Kriterien und ihre Anpassung an die Verhältnisse von Nordrhein-Westfalen – unter Beteiligung einiger interessierter Experten – in einer Arten- NUA-Seminarbericht Band 7 Wo liegt der Hase im Pfeffer? schutz-Arbeitsgruppe der LÖBF durchgeführt. Dennoch weichen die Roten Listen einiger Gruppen (Vögel, Amphibien & Reptilien, Laufkäfer, Spinnen) leicht vom neuen „LÖBF-Standard“ ab – zum Teil zur Erhaltung der historischen Kontinuität, zum Teil, weil es sich für NRW um neu aufgenommene Listen mit eigenen Kriterienstandards handelt. Trotz dieser Einschränkungen bilden die überarbeiteten Kriterien nun für die meisten Artengruppen eine einheitliche Beurteilungsbasis, die nicht nur die derzeitigen Bestandsgrößen, sondern auch – wie in den früheren Roten Listen von NRW – den Artenrückgang stärker mit einbezieht. Das Resultat der konsequenten Anwendung der überarbeiteten Kriterien (mit den oben erwähnten Einschränkungen) durch die beteiligten Experten der einzelnen Gruppen ist eine in sich hinsichtlich der Gefährdung der Arten recht gut vergleichbare Gesamtübersicht der Situation in NRW. Dies wird am Beispiel der in dem Werk behandelten zoologischen Taxa in Tabelle 4 zusammenfassend illustriert. Die Tabelle zeigt unter anderem, dass der Anteil der in Nordrhein-Westfalen bereits ausgestorbenen Arten (Kat. 0) bei den Stechimmen Westfalens am höchsten ist, dicht gefolgt von den Vögeln. Bei den Kriechtieren und wiederum den Vögeln findet man die meisten „durch extreme Seltenheit gefährdeten“ Arten (Kat. R), bei Fischen, Lurchen und Libellen die meisten „vom Aussterben bedrohten“ Arten (Kat. 1). Bei Kriechtieren und Heuschrecken stößt man auf die größte Zahl „stark gefährdeter“ Arten (Kat. 2), bei Schnecken und Fischen dagegen auf die meisten Arten der Kategorie „gefährdet“ (Kat. 3). Die meisten gefährdeten Arten insgesamt (ohne die ausgestorbenen der Kategorie 0) weisen die Kriechtiere und Muscheln auf. Wie sich die sehr differenzierte Gefährdungssituation bei einzelnen Tiergruppen in der neuen Roten Liste darstellt, kann hier nur angedeutet werden. In jeder Gruppe gibt es stets einige besonders empfindliche Arten, die wie „die Spitze des Eisbergs“ die Gefährdung der hinter ihnen stehenden Arten des Taxons anzeigen. Die folgende Tabelle 5 illustriert diesen Sachverhalt beispielhaft anhand einer kleinen Auswahl meist besser bekannter Arten. NUA-Seminarbericht Band 7 6. Die Bedeutung Roter Listen für den Artenschutz Wenn die Roten Listen ihren Charakter als unabhängige Gutachten der besten faunistischen und floristischen Experten weiterhin bewahren und nicht durch Versuche der Beeinflussung von Ämtern oder Verbänden aufs Spiel setzen, können sie dem Artenschutz – zum Beispiel vor Gericht – als wertvolle, objektive Argumentationsbasis nützlich sein. Außerdem stellen sie sehr gute Werkzeuge zur Analyse des naturschutzfachlichen Wertes von Flächen durch die Naturschutzbehörden dar. Sie ergänzen als Expertisen aus der Perspektive der gefährdeten Artengruppen insofern sinnvoll die flächenspezifischen Gutachten etwa bei der Planung von Schutzgebieten. Schließlich sind die Roten Listen, was nicht unterschätzt werden sollte, auch ein wichtiges Element in der öffentlichen und politischen Diskussion um die Erhaltung intakter Lebensgemeinschaften. Gesetzlich ist der Schutz heimischer Pflanzen- und Tierarten in unmittelbar geltenden Teilen des Bundesnaturschutzgesetzes (Abschnitt V: Artenschutz), im Landschaftsgesetz NW (Abschnitt VIII: Artenschutz) und darüber hinaus in mehreren internationalen Übereinkommen geregelt. In NordrheinWestfalen hat die LÖBF überdies entsprechend der gesetzlichen Vorgabe des Landschaftsgesetzes nach § 63 LG NW ein Artenschutzprogramm entwickelt (WASNER 1997). Fische unterliegen außer den genannten Rechtsvorschriften zusätzlich dem Fischereirecht, jagdbare Tierarten dem Bundes- und Landesjagdrecht. Hieraus können manchmal fachliche Auffassungsunterschiede bezüglich der Gefährdungseinschätzung jagdbarer Arten zwischen Vertretern der Jagd und tierökologisch orientierten Artenschutzfachleuten entstehen, die unter Umständen – etwa bei dem Versuch der Einflussnahme nichtwissenschaftlicher Interessen – sogar den Charakter der Roten Listen als unabhängig wertende Expertengutachten gefährden können. Andererseits darf aber auch die Einstufung einer jagdbaren Art auf artenschutzfachlicher Grundlage als „gefährdet“ vom ehrenamtlichen oder amtlichen Naturschutz nicht undifferenziert verwendet werden. Wie schwierig dann im Einzelfall eine korrekte Gefährdungseinstufung auf Landesebene sein kann, 57 Wasner: Rote Liste Tab. 3: Die Gefährdungskriterien in Stichworten. 58 NUA-Seminarbericht Band 7 Wo liegt der Hase im Pfeffer? NUA-Seminarbericht Band 7 59 Wasner: Rote Liste Tab. 4: Vergleichende Gefährdungsübersicht der behandelten Tiergruppen. sei am aktuellen Beispiel des Feldhasen konkret erläutert: Die folgende Einschätzung wurde vom Artenschutz-Dezernat der LÖBF und dem Dezernat für Jagdkunde und Wildschadensverhütung (FJS) gemeinsam formuliert und in der Einleitung zur neuen Roten Liste NRW abgedruckt. Sie wird auch von den unabhängigen Autoren der „Roten Liste Säugetiere“ mitgetragen: „Die erstmalige Einstufung des Feldhasen in Kategorie 3 („gefährdet“) der Roten Liste entspricht ihrem Charakter als längerfristige Bestandseinschätzung 60 und vorsorgende Handlungsempfehlung. Sie wird von den Autoren mit dem partiellen Streckenrückgang begründet, der im Übergang von der Kölner Bucht zum Niederrhein, d.h. vor allem im nördlichen Regierungsbezirk Köln und im Süden des Regierungsbezirks Düsseldorf, eingetreten ist, und stellt in soweit die konsequente Anwendung der erläuterten Kriterien für die Kategorie 3 der Roten Listen dar. Dem Trend, der zu dieser Einstufung führte, stehen andererseits Befunde aus ausgewiesenen Monitoringgebieten gegenüber, nach denen dort der – nur indirekt ermittelbare – Frühjahrsbesatz des Feld- NUA-Seminarbericht Band 7 Wo liegt der Hase im Pfeffer? Tab. 5: Einige Beispiele für Gefährdungseinstufungen verschiedener Tiergruppen. Die Signatur (N) weist auf Arten hin, deren Gefährdungseinstufung von Naturschutzmaßnahmen abhängt. hasen nicht nachhaltig abgenommen hat und die absolute Streckenhöhe noch in der Größenordnung derjenigen der 80er Jahre liegt. Auch ist zu berücksichtigen, dass im Industrieland NordrheinWestfalen nach wie vor ein Drittel der Feldhasenstrecke des gesamten Bundesgebiets erzielt wird. Diese Ambivalenz der Befunde macht den vorsorglichen Charakter der Aufnahme des Feldhasen in die Rote Liste der gefährdeten Säugetiere des Landes deutlich. Aus dem generellen Charakter der Roten Listen als bewertende Fachgutachten folgt auch, dass aus ihnen keine „naturschutzpolitische Automatik“ – etwa im Sinne eines Bejagungsverzichts – abgeleitet werden soll und darf.“ Der Artenschutz hat den schier unlösbaren gesetzlichen Auftrag, die „in ihrem Bestand gefährdeten Arten“ darzustellen und zu bewerten (§ 63, Abs. 1 Landschaftsgesetz NRW). Er hat mit der neuen Roten Liste zwar quasi ein „frisch geschärftes Instrument“ erhalten, aber man sollte doch bedenken, dass viele Gruppen der heimischen Fauna, die keine „Lobby“ haben, noch gar nicht angemessen NUA-Seminarbericht Band 7 beachtet oder gar bearbeitet wurden. Dies gilt vor allem für die „schweigende Mehrheit“ der unscheinbaren, kleineren Vertreter unserer Flora und Fauna: So bilden etwa die neu in die Rote Liste aufgenommenen Stechimmen (vorerst nur Westfalen) mit ihren 520 Arten und die gleichfalls neu hinzugekommenen Laufkäfer mit ihren über 380 Arten jeweils nur etwa 5% unserer Hautflügler- bzw. Käferarten. Von denen sind aber mit Sicherheit sehr viele – vom amtlichen Artenschutz bisher gar nicht registriert, geschweige denn effektiv geschützt – in ihrem Bestand gefährdet. Hier besteht also nach wie vor ein erhebliches Vollzugsdefizit, und es muss noch sehr viel getan werden, bevor es für viele heimische Arten zu spät ist. Anschrift des Verfassers Dr. Ulrich Wasner Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten NRW Leibnizstraße 10 45659 Recklinghausen 61 Wasner: Rote Liste Literatur BLAB, J., E. NOWAK, H. SUKOPP & W. TRAUTMANN (Hrsg.) (1977): Rote Liste der gefährdeten Tiere und Pflanzen in der Bundesrepublik Deutschland. Greven: Kilda-Verlag. Naturschutz aktuell 1, 67 S. BLAB, J., E. NOWAK, W. TRAUTMANN & H. SUKOPP (Hrsg.) (1984): Rote Liste der gefährdeten Tiere und Pflanzen in der Bundesrepublik Deutschland. 4. Aufl. Greven: Kilda-Verlag. BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ (Hrsg.) (1996): Rote Liste gefährdeter Pflanzen Deutschlands. Schr.R. f. Vegetationskunde H. 28. GRO (GESELLSCHAFT RHEINISCHER ORNITHOLOGEN) & WOG (WESTFÄLISCHE ORNITHOLOGEN-GESELLSCHAFT) (1997): Rote Liste der gefährdeten Vogelarten Nordrhein-Westfalens. Charardrius 33, 69–116. LANDESANSTALT FÜR ÖKOLOGIE, BODENORDNUNG UND FORSTEN/LANDESAMT FÜR AGRARORDNUNG NORDRHEINWESTFALEN (Hrsg.) (1999): Rote Liste der gefährdeten Pflanzen und Tiere in Nordrhein-Westfalen, 3. Fassg. LÖBF-Schr.R. 17, 644 S. LANDESANSTALT FÜR ÖKOLOGIE, LANDSCHAFTSENTWICKLUNG UND FORSTPLANUNG NORDRHEIN-WESTFALEN (Hrsg.) (1979): Rote Liste der in Nordrhein-Westfalen gefährdeten Pflanzen und Tiere. Schr.R. der LÖLF NW 4, 106 S. LANDESANSTALT FÜR ÖKOLOGIE, LANDSCHAFTSENTWICKLUNG UND FORSTPLANUNG NORDRHEIN-WESTFALEN (Hrsg.) (1986): Rote Liste der in Nordrhein-Westfalen gefährdeten Pflanzen und Tiere, 2. Fassg. Schr.R. der LÖLF NW 4, 240 S. SCHNITTLER, M., G. LUDWIG, P. PRETSCHER & P. BOYE (1994): Konzeption der Roten Listen der in Deutschland gefährdeten Tier- und Pflanzenarten. Unter Berücksichtigung der neuen internationalen Kategorien. Natur und Landschaft 69 (10), 451–459. WASNER, U. (1997): Das Artenschutzprogramm Nordrhein-Westfalen nach § 63 Landschaftsgesetz NW. LÖBFJahresbericht 1996 (Recklinghausen), 33–38. WASNER, U. & R. WOLFF-STRAUB (1999): Einleitung. In: LÖBF/LAfAO NRW (Hrsg.): Rote Liste der gefährdeten Pflanzen und Tiere in Nordrhein-Westfalen. 3. Fassg. LÖBF-Schr.R. 17, 7–28. 62 NUA-Seminarbericht Band 7