Ulrike Jureit – ”Zeigen heißt verschweigen“

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Ulrike Jureit – ”Zeigen heißt verschweigen“
Ulrike Jureit
»Zeigen heißt verschweigen«
Die Ausstellungen über die Verbrechen der Wehrmacht
I.
Mittelweg 36
1/2004
Am 28. März 2004 wird die zweite Ausstellung des Hamburger
Instituts für Sozialforschung über die »Verbrechen der Wehrmacht«
endgültig schließen und damit nach neun Jahren ein Projekt enden,
das die gesellschaftliche, politische und wissenschaftliche Diskussion
über die nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands nachhaltig
mitgeprägt hat. Als die erste Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944« am 5. März 1995 eröffnet wurde,
ahnte wohl niemand, daß sie in den nächsten Jahren eine lang anhaltende, hoch emotional und extrem kontrovers geführte Debatte über die
Beteiligung der Wehrmacht an Kriegsverbrechen auslösen würde.1
Retrospektiv überrascht diese Entwicklung weitaus weniger. Seit
dem Historikerstreit 1986 stand nicht nur die Frage nach der Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung im Mittelpunkt
geschichtswissenschaftlicher Debatten, sondern zunehmend auch die
Erforschung der für den Holocaust und andere Massenverbrechen verantwortlichen Tätergruppen. So nimmt die Täterforschung seither die
an Verbrechen beteiligten Akteure in den Blick und fragt im Unterschied zu strukturalistisch orientierten Studien nach individueller und
kollektiver Zustimmung, Mitwirkung und Verantwortung.2
1 Zur ersten Ausstellung vgl. unter anderem: Hamburger Institut für Sozialforschung
(Hrsg.), Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944, Ausstellungskatalog,
4. überarbeitete Auflage, Hamburg 1999; Hannes Heer; Klaus Naumann (Hrsg.), Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944, Hamburg 1995; Hamburger
Institut für Sozialforschung (Hrsg.), Krieg ist ein Gesellschaftszustand. Reden zur Eröffnung
der Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944«, Hamburg
1998; Hamburger Institut für Sozialforschung (Hrsg.), Besucher einer Ausstellung. Die
Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944« in Interview und
Gespräch, Hamburg 1998; Hamburger Institut für Sozialforschung (Hrsg.), Eine Ausstellung und ihre Folgen. Zur Rezeption der Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen der
Wehrmacht 1941 bis 1944«, Hamburg 1999.
2 Zur sogenannten Täterforschung hier nur einige wenige Beispiele: Gerhard Paul (Hrsg.),
Die Täter der Shoah. Fanatische Nationalsozialisten oder ganz normale Deutsche?,
Göttingen 2002; Wolf Kaiser (Hrsg.), Täter im Vernichtungskrieg. Der Überfall auf die
Sowjetunion und der Völkermord an den Juden, München/Berlin 2002; Michael Wildt,
Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg
2002; Ulrich Herbert (Hrsg.), Nationalsozialistische Vernichtungspolitik 1939-1945. Neue
Forschungen und Kontroversen, Frankfurt am Main 1998; Christopher R. Browning, Ganz
normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die »Endlösung« in Polen, Reinbek 1993.
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Ob »Goldhagen-Debatte« oder »Wehrmachtsausstellung« – Mitte
der neunziger Jahre war auch die deutsche Öffentlichkeit mit den
Tätern und ihren Motiven beschäftigt. Die erste Ausstellung nahm mit
der Wehrmacht eine Institution in den Blick, deren Beteiligung an
Kriegsverbrechen wissenschaftlich bekannt, deren Mitwirkung jedoch
öffentlich zuvor selten konkretisiert und kaum visualisiert worden war.
In Teilen der deutschen Gesellschaft herrschte noch die Vorstellung
einer »sauberen« Wehrmacht vor. Und dort, wo ihre Mitwirkung und
Verantwortung bekannt war, machten sich wohl die wenigsten ein dezidiertes Bild davon, was es hieß, wenn deutsche Soldaten gefangene Rotarmisten verhungern ließen, jüdische Männer, Frauen und Kinder erschossen und sowjetische Zivilisten als Partisanenverdächtige erhängten.3
Die Ausstellung »Vernichtungskrieg« löste von Anfang an sowohl
positive als auch negative Reaktionen aus. Sie räume – so lautete in den
ersten Monaten ein häufiges Urteil – mit der Legende von der »sauberen
Wehrmacht« auf und breche damit das gesellschaftliche Schweigen über
die Schuld deutscher Soldaten während des Zweiten Weltkrieges. Der
Bundestag und mehrere Landesparlamente nahmen die Ausstellung
zum Anlaß, um über Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg zu
debattieren. Lob und Anerkennung erfuhr die Präsentation von verschiedenen Seiten, Einwände und massive Proteste ließen nicht lange
auf sich warten. Neben rechtsextremen Aufmärschen, deren Teilnehmer
die »Ehre des deutschen Soldaten« beschmutzt sahen, entzündete sich
die Kritik unter anderem an der als zu pauschal und verallgemeinernd
empfundenen Verurteilung ehemaliger Wehrmachtsangehöriger. Nicht
alle Soldaten seien Verbrecher, viele auch Opfer des Krieges gewesen.
Auch die heftigen öffentlichen Auseinandersetzungen ließen die Besucherzahlen auf über 800 000 wachsen. Im Laufe der vier Jahre nahm
aber nicht nur die Kritik, sondern auch die Gewalt zu. Am 9. März
1999 explodierte in Saarbrücken ein Sprengsatz in der Ausstellung, zwei
Monate später verübten Autonome einen Anschlag auf das Haus eines
Ausstellungskritikers.
Im Herbst 1999 spitzte sich die Kontroverse erneut zu. Konkret
ging es um den Vorwurf, in der Ausstellung seien mehrere Fotos und
Bildlegenden falsch zugeordnet. Einige Aufnahmen – so kritisierte beispielsweise der Historiker Bogdan Musial – zeigten keine jüdischen
Pogromopfer, wie in der Ausstellung behauptet wurde, sondern Opfer
3 Aus der umfangreichen Literatur zu Wehrmachtsverbrechen hier beispielhaft: Gerd R.
Ueberschär; Wolfram Wette (Hrsg.), »Unternehmen Barbarossa«. Der deutsche Überfall auf
die Sowjetunion 1941. Berichte, Analysen, Dokumente, Paderborn 1984; Omer Bartov,
Hitlers Wehrmacht. Soldaten, Fanatismus und die Brutalisierung des Krieges, Reinbek 1995;
Rolf-Dieter Müller; Hans-Erich Volkmann (Hrsg.), Die Wehrmacht. Mythos und Realität,
München 1999; Wolfram Wette, Die Wehrmacht. Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden,
Frankfurt am Main 2002.
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des sowjetischen Geheimdienstes NKWD.4 Der nun auf die wissenschaftliche Ebene übergegangene Streit machte in Presse, Rundfunk
und Fernsehen Schlagzeilen und stellte die Glaubwürdigkeit der gesamten Ausstellung und auch die des Hamburger Instituts für Sozialforschung in Frage. Am 4. November 1999 stoppte daraufhin der Vorstand
des Instituts, Jan Philipp Reemtsma, die Präsentation der Ausstellung
und ließ Fotos und Texte durch eine Expertenkommission überprüfen.5
Das Gremium legte ein Jahr später seinen Bericht vor, in dem es feststellte, daß die Ausstellung zwar sachliche Fehler und Ungenauigkeiten,
aber keine Manipulationen oder Fälschungen im Sinne der leitenden
Fragestellungen enthalte. Allerdings argumentiere sie teilweise zu pauschal und verallgemeinernd, daher solle sie – so die Empfehlung – in
einer gründlich überarbeiteten, gegebenenfalls neu zu gestaltenden Form
weiter präsentiert werden.6 Das Hamburger Institut für Sozialforschung
entschied sich gegen eine Korrektur oder Überarbeitung und eröffnete
am 27. November 2001 in Berlin unter dem Titel »Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941–1944« eine neu konzipierte Ausstellung.7 Seither sind immer wieder zwei Fragen gestellt
worden: Warum keine überarbeitete, sondern eine neue Ausstellung? Ist
alles das, was in der zweiten Ausstellung nicht mehr zu sehen ist, in der
ersten falsch gewesen?
Kategorien wie »richtig« und »falsch« sind für die Beantwortung
dieser Fragen keineswegs nebensächlich, dennoch sind sie nicht sehr
ergiebig. Sinnvoller ist es, nach den Begründungen zu suchen, warum
bestimmte historische Inhalte auf die eine oder andere Art und Weise
gezeigt werden. Ob wissenschaftliche Monographie oder Quellenedition, ob historische Ausstellung oder künstlerisch gestaltetes Denkmal:
In jedem Fall muß entschieden werden, was gezeigt und vor allem, was
4 Vgl. Bogdan Musial, Bilder einer Ausstellung. Kritische Anmerkungen zur Wanderausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944«, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 47 (1999), Heft 4, S. 563 – 591; Krisztián Ungváry, Echte Bilder –
problematische Aussagen. Eine quantitative und qualitative Fotoanalyse der Ausstellung
»Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 10 (1999), S. 584 – 595; Dieter Schmidt-Neuhaus, Die TarnopolStellwand der Wanderausstellung »Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis
1944«. Eine Falluntersuchung zur Verwendung von Bildquellen, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 10 (1999), S. 596 – 603.
5 In die Kommission wurden Prof. Dr. Omer Bartov, Dr. Cornelia Brink, Prof. Dr.
Gerhard Hirschfeld, Prof. Dr. Friedrich P. Kahlenberg, Prof. Dr. Manfred Messerschmidt,
Prof. Dr. Reinhard Rürup, Dr. Christian Streit, Prof. Dr. Hans-Ulrich Thamer berufen.
Vgl. Bericht der Kommission zur Überprüfung der Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen
der Wehrmacht 1941 bis 1944«, Frankfurt am Main 2000.
6 Vgl. ebd., S. 76.
7 Zur zweiten Ausstellung vgl. Hamburger Institut für Sozialforschung (Hrsg.), Verbrechen
der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941–1944, Ausstellungskatalog, 2.
durchgesehene und ergänzte Auflage, Hamburg 2002.
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»Zeigen heißt verschweigen«
nicht gezeigt wird. Reinhart Koselleck hat mit seinen Studien zur Transformation der Toten-, Erinnerungs- und Mahnmale im 20. Jahrhundert
deutlich gemacht, daß es in der inneren Logik eines jeden Monuments
liegt, bestimmte Sachverhalte ein und andere auszuschließen. »Zeigen
heißt verschweigen« – lautet seine griffige Formel, mit der er die Tatsache, daß jede Visualisierung zugleich andere verdeckt, auf den Begriff
bringt.8 Nicht daß ausgewählt wird, sondern wie es getan wird, die Begründungen und Regeln der Auswahl sind entscheidend.
Dem Denkmal nicht unähnlich und doch in der Form der Sinnstiftung different, müssen sich auch historische Ausstellungen fragen
lassen, welche Ereignisse oder Phänomene durch sie aus dem unendlichen Angebot des Geschehenen herausgelöst und repräsentiert sind.
Bei der ersten Ausstellung »Vernichtungskrieg« entzündete sich die
Kritik nicht nur an der gewählten Formensprache und Argumentation,
sondern auch daran, was der Besucher nicht zu sehen bekam. Warum
blieben die von sowjetischer Seite begangenen Kriegsverbrechen unerwähnt? Kann man beispielsweise die verbrecherische Dimension des
Partisanenkrieges darstellen, ohne die wiederum völkerrechtswidrigen
Kriegshandlungen auf Partisanenseite zu dokumentieren?
Geht es – wie in diesem Fall – um die Aufarbeitung von Vergangenheiten, die für das gegenwärtige Selbstbild einer Gesellschaft relevant
und daher meistens strittig sind, wird das als fehlend Identifizierte gern
als Ausdruck des Verdrängens, des Verschweigens oder Manipulierens
gedeutet. Es wird eher selten über wissenschaftliche Begründungen
selektiver Repräsentationen geredet, häufiger über moralisch richtiges
oder falsches Erinnern gestritten. Sinnvoller kann danach gefragt werden, was gezeigt oder nicht gezeigt wird und wie die notwendig selektive Darstellung begründet ist. Eine solche Perspektive soll sich im
folgenden auf die Thesenbildungen und Argumentationen (II) in den
beiden Ausstellungen und auf ihre unterschiedliche Verwendung von
Fotografien (III) beziehen. Darüber hinaus gilt es der Frage nach den
Motiven und Mentalitäten der Täter (IV) nachzugehen sowie die geschichtspolitische Dimension der beiden Ausstellungsprojekte (V) in den
Blick zu nehmen.
II.
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Die Beteiligung der Wehrmacht an Kriegsverbrechen war auch vor
der Eröffnung der ersten Ausstellung 1995 in der seriösen Forschung nicht
strittig, sie gehörte durch anerkannte Studien wie denen von Manfred
Messerschmidt, Christian Streit, Rolf-Dieter Müller und vielen anderen
zum Forschungsstand.9 Insofern war die Behauptung der Ausstellungs8 Vgl. Reinhart Koselleck, Die Transformation der politischen Totenmale im 20. Jahrhun-
dert, in: Transit 22 (2002), S. 59 – 86, hier S. 69.
9 Hier kann nur beispielhaft verwiesen werden auf: Manfred Messerschmidt, Die Wehr-
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autoren, die Militärgeschichtsschreibung weigere »sich aber einzugestehen, daß die Wehrmacht an allen diesen Verbrechen aktiv und als Gesamtorganisation beteiligt war«,10 trotz bestehender Forschungsdefizite
anmaßend. Die erste Ausstellung vertrat allerdings nicht nur diese Grundaussage. Darüber hinaus argumentierte sie, die Mitwirkung der Wehrmacht am Holocaust und damit die Beteiligung der einfachen Soldaten
an den Judenerschießungen sei bisher verschwiegen worden. Die Autoren
nutzten den Begriff »Vernichtungsmentalität«, um dieses verbrecherische
Handeln zu beschreiben und zu erklären: Für die Mitwirkung am Holocaust sei »ein antisemitischer bzw. antislawischer Rassismus« verantwortlich gewesen, »der es erlaubte, den in den Befehlen verlangten Genozid
an den Juden wie die Dezimierung der slawischen Bevölkerung auch als
Kriegsziele plausibel zu machen«.11 Die letzten Reste zivilisatorischer
Hemmung und individueller Scham seien beseitigt worden, »produziert
wird eine die Ludendorffsche Kampfmoral weit übersteigende Vernichtungsmoral«.12 Die erste Ausstellung wählte mit Serbien, Weißrußland
und dem Weg der 6. Armee nach Stalingrad drei exemplarische Kriegsschauplätze, an denen sie ihre Argumentation entwickelte. Schwerpunkt
war kapitelübergreifend die Beteiligung von Wehrmachtseinheiten am
Judenmord, während andere Verbrechenskomplexe wie das Massensterben der sowjetischen Kriegsgefangenen oder die Hungerpolitik gegenüber
Teilen der sowjetischen Zivilbevölkerung in den Hintergrund traten.
Mit der Schwerpunktsetzung »Wehrmacht und Holocaust« konzentrierte sich die erste Ausstellung auf einen Themenbereich, der in
der breiten Öffentlichkeit ausgeblendet und in der Wissenschaft wenig
konkret geblieben war. Für die Vernichtung der Juden stand Auschwitz
und verantwortlich dafür war Himmlers Elitetruppe – so könnte man
die gängige Auffassung verkürzt zusammenfassen. Damit blieb der
Massenmord an den Erschießungsgruben im besetzten Osten ausgeklammert, was auch die Beteiligung von Wehrmachtssoldaten an diesen
macht im NS-Staat. Zeit der Indoktrination, Hamburg 1969; Christian Streit, Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941–1945, Stuttgart 1978;
Rolf-Dieter Müller, Hitlers Ostkrieg und die deutsche Siedlungspolitik. Die Zusammenarbeit
von Wehrmacht, Wirtschaft und SS, Frankfurt am Main 1991.
10 Ausstellungskatalog, a. a. O., S. 7.
11 Hannes Heer, Das Ende einer Ausstellung. Über den Freispruch der Täter, die angebliche Mitschuld der Juden und das Entfernen der Bilder, in: AK Erinnerungskultur in der
Marburger Geschichtswerkstatt (Hrsg.), Weiter erinnern? Neu erinnern? Überlegungen zur
Gegenwart und Zukunft des Umgangs mit der NS-Zeit, Münster 2003, S. 63 –128, Zitat
S. 91. Gekürzte Fassung in: ZfG 50 (2002), Heft 10, S. 869 – 898. Ein dritter Abdruck des
Beitrages unter dem Titel: Das Haupt der Medusa. Die Auseinandersetzung um die Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944«, in: Hannes Heer;
Walter Manoschek; Alexander Pollak; Ruth Wodak, Wie Geschichte gemacht wird. Zur Konstruktion von Erinnerungen an Wehrmacht und Zweiten Weltkrieg, Wien 2003, S. 245 – 268.
12 Heer; Naumann, Einleitung, a. a. O., S. 30.
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Verbrechen einschloß. Sowohl wissenschaftlich als auch gesellschaftspolitisch war es gerechtfertigt und notwendig, das Thema »Wehrmacht
und Holocaust« ins Zentrum einer Ausstellung zu stellen. Hier existierten nicht nur Forschungslücken, hier war ein wesentlicher Teil historischer Verantwortung bisher kaum zur Kenntnis genommen worden.
Die Entscheidung, insbesondere die Beteiligung der Wehrmacht
am Holocaust zu »zeigen« und damit andere Verbrechensdimensionen
im Sinne Kosellecks zu »verschweigen«, hatte erhebliche Folgen. In der
realistischen Annahme, einem erheblichen Maß an Abwehr und Verweigerung zu begegnen, stützten die Ausstellungsautoren ihr Narrativ ausschließlich auf Quellenauszüge, die das Wissen, die Zustimmung und die
Mitwirkung von Wehrmachtsangehörigen am Holocaust zeigten. Widersprüchliche, uneindeutige oder gar »entlastende« Aspekte blieben ausgespart. Die Ausstellung folgte damit einer zur Beweisführung reduzierten
Argumentation, die sich insbesondere in einer selektiven Quellenauswahl und Interpretation äußerte.
Zwei Beispiele: Der Oberbefehlshaber der 6. Armee, Walter von
Reichenau, hatte am 10. Oktober 1941 einen Befehl erlassen, der in der
Ausstellung als Auszug wiedergegeben wurde.13 Darin zeigt sich Reichenaus politische Zustimmung und dezidierte Unterstützung der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik, die er mit einer Anweisung
an die deutschen Soldaten verband, diesen Weltanschauungskrieg mitzutragen. Die in der Abschrift ausgesparten Passagen hätten das Verhalten der Truppe in den ersten Monaten des Vernichtungskrieges allerdings
widersprüchlicher gespiegelt. Reichenau erließ diesen Befehl nämlich vor
dem Hintergrund, daß seiner Meinung nach Soldaten immer noch nicht
die geforderte Härte zeigten, und er sich daher veranlaßt sah, sie erneut
anzuordnen. Eine vollständige Wiedergabe der Quelle wäre angemessen
gewesen, hätte allerdings dem in der Ausstellung konstruierten Bild einer
uneingeschränkt funktionierenden und skrupellos mordenden »Meute«
entgegengestanden.14 Auch die daraus gezogene Schlußfolgerung, Reichenaus Befehl sei keiner spontanen Eingebung geschuldet, sondern »die
Summe dessen, was seine 6. Armee seit dem 22. Juni 1941 praktiziert
hatte«, wäre nicht aufrechtzuerhalten gewesen.15
Das zweite Beispiel bezieht sich auf die Ereignisse in Tarnopol 1941.
Hier geht es nicht um ein gekürztes Quellenzitat, sondern um die Auslassung des historischen Gesamtkontextes. Daß die zum Pogrom in
Tarnopol gezeigten Fotos nicht jüdische Opfer zeigten, wie in der Ausstellung behauptet wurde, sondern nach Meinung von Kritikern Opfer
des sowjetischen Geheimdienstes NKWD, hatte angesichts der ohnehin
13 Vgl. Ausstellungskatalog, a. a. O., S. 80.
14 Vgl. Heer; Naumann, Einleitung, a. a. O., S. 31.
15 Ausstellungskatalog, a. a. O., S. 80.
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kaum mehr zu überbietenden Politisierung der Debatte besondere Brisanz, waren doch hier Verbrechen der sowjetischen Seite nur gestreift
worden, obwohl sie für das Verständnis dessen, was Anfang Juli 1941 in
Tarnopol geschah, unverzichtbar waren.16 Die eher ideologisch denn
wissenschaftlich geführte Debatte ist auch retrospektiv bemerkenswert,
kann es doch inzwischen als gesichert gelten, daß auf den Fotos sowohl
jüdische Pogromopfer als auch Opfer des NKWD zu sehen sind.17
Die beiden Beispiele sind keine Ausnahmen. Die erste Ausstellung
nutzte und präsentierte ihre Quellen ausgesprochen selektiv, was sich
wissenschaftlich und ausstellungsdidaktisch nicht hinreichend begründen läßt. Es fehlte die konsequente Bindung an ein wissenschaftliches
Regelwerk, das zwar keine Objektivität garantiert, aber doch Differenzierung und Kontextualisierung verlangt und ermöglicht. Fehlende
Korrektive innerhalb des Arbeitsprozesses verlagerten die Auseinandersetzungen in den öffentlichen Raum, was durch den politischen Schlagabtausch zu noch stärkeren Pauschalisierungen und Vereinfachungen
führte. Es fällt auf, wie wenig die Ausstellungsautoren darauf vertrauten, mit einer differenzierten Argumentation öffentlich bestehen
zu können. Die an sich legitime Fokussierung auf das Thema »Wehrmacht und Holocaust« geriet in eine Schieflage, weil nun die für den
Holocaust hauptverantwortlichen Institutionen wie SS, Sicherheitsdienst
und Polizei kaum mehr auftauchten. Wenn der ehemalige Leiter der
ersten Ausstellung noch heute resümiert, daß das Ergebnis des Krieges
»mehr als eine Million von der Wehrmacht oder doch mit ihrer Unterstützung ermordeter Juden« sei,18 dann spiegelt dies eine Wahrnehmung
wider, die unpräzise und verzerrend ist. Schließlich war kein anderer
Bereich so stark durch die »arbeitsteilige« Vernichtungspolitik von SS,
Polizei, Zivilverwaltung und Wehrmacht geprägt wie der Holocaust.
Die zweite Ausstellung ist von vielen Kommentatoren im Unterschied zur ersten als »kühl« und »sachlich« beschrieben, als ein »Imperium der Texte« und ein »Klinikum der Geschichte« bezeichnet worden.19
Leider haben sich wenige gefragt, warum gerade durch das veränderte
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16 Vgl. ebd., S. 68 f.
17 Vgl. Musial, Bilder einer Ausstellung, S. 563. Der Kommissionsbericht hat zu den
Tarnopol-Fotos bereits festgestellt, daß sie sowohl jüdische Pogromopfer als auch Opfer
des NKWD abbilden. Vgl. Kommissionsbericht, a. a. O., S. 44 f. Auf dieser Feststellung baut
auch Klaus Hesse auf: NKWD-Massaker, Wehrmachtsverbrechen oder Pogrommorde? Noch
einmal: die Fotos der »Tarnopol-Stellwand« aus der »Wehrmachtsausstellung«, in: Geschichte
in Wissenschaft und Unterricht 51 (2000), Heft 12, S. 712 – 726. Auf den Kommissionsbericht greift auch die weiterentwickelte Argumentation und Darstellung in der zweiten
Ausstellung zurück, vgl. Ausstellungskatalog, a. a. O., S. 100 –122.
18 Heer, Das Ende einer Ausstellung, a. a. O., S. 63.
19 Vgl. unter anderem Helmut Lethen, Der Text der Historiografie und der Wunsch nach
einer physikalischen Spur. Das Problem der Fotografie in den beiden Wehrmachtsausstellungen, in: Zeitgeschichte 29 (2002), S. 76 –85, Zitat S. 77.
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Konzept und durch das Hinzuziehen von Schriftdokumenten ein deutlicher Kontrapunkt gesetzt wurde. Zwar blieb die Grundaussage bestehen,
doch insgesamt wählte die zweite Ausstellung einen ganz anderen, nicht
einfach nur quantitativ erweiternden Zugriff, der eine andere inhaltliche
Argumentation und eine andere Art der Quelleninterpretation einschloß.
Entscheidend dafür war, daß notwendige Differenzierungen nicht
ohne Texte herzustellen sind. Die zweite Ausstellung dokumentiert daher zunächst vor dem Hintergrund des damals geltenden Kriegs- und
Völkerrechts die strukturellen Bedingungen des Krieges gegen die
Sowjetunion.20 Darüber hinaus zeigt sie, daß Hitler und das Oberkommando der Wehrmacht bereits im Frühjahr 1941 in vollem Bewußtsein
der verbrecherischen Folgen den verbürgten Schutz von Zivilisten und
Kriegsgefangenen aufhoben und damit die wesentlichen Voraussetzungen für einen beispiellosen Rassen- und Vernichtungskrieg schufen.
Wenn auch die Bedeutung dieser Erlasse kaum überschätzt werden kann,
waren sie für das, was während der deutschen Besatzung im Osten konkret geschah, nur ein, wenn auch sicherlich zentraler Faktor. Darüber
hinaus ist jedes einzelne Ereignis durch konkrete Handlungsbedingungen geprägt, von aktuellen Einflüssen bestimmt und durch Verhaltens- und Handlungsmuster der unterschiedlichen Akteure beeinflußt.
Die Ausstellung dokumentiert daher anschließend anhand von sechs
Bereichen die konkrete und nicht immer mit den Intentionen konforme Umsetzung dessen, was vorab geplant wurde. Am Beispiel verschiedener Kriegsschauplätze im Osten und in Südosteuropa zeigt sie
die teils durch Unterlassungen, teils durch aktives Handeln geprägte
Wehrmachtsbeteiligung am Völkermord an den sowjetischen Juden, sie
thematisiert das Massensterben der sowjetischen Kriegsgefangenen sowie die gezielte Ermordung der politischen Kommissare und der jüdischen Gefangenen. Sie dokumentiert darüber hinaus die Mitwirkung
der Wehrmacht beim Ernährungskrieg, also der wirtschaftlichen Ausplünderung der besetzten Gebiete und in der Konsequenz die Hungerpolitik gegenüber Teilen der sowjetischen Zivilbevölkerung, und verdeutlicht zudem die Rolle der Wehrmacht bei der Deportation von
Zwangsarbeitern. Gleichzeitig reflektiert sie die Beteiligung der Armeen
an den im Zuge des Partisanenkrieges verübten Verbrechen wie auch
deren Mitwirkung bei Repressalmaßnahmen und Geiselerschießungen.
Diese sechs Verbrechensbereiche repräsentieren die für den Vernichtungskrieg wesentlichen Handlungsfelder. Die Ausstellung differenziert
zwischen verschiedenen Formen der Wehrmachtsbeteiligung und dokumentiert damit ein ganzes Spektrum verbrecherischen Handelns. Sie
stellt dem Massenmord an den sowjetischen Juden damit zugleich fünf
20 Zur nachfolgenden Konzeption der zweiten Ausstellung vgl. die Einleitung des Ausstel-
lungskataloges, a. a. O., S. 9 –14.
10 »Zeigen heißt verschweigen«
weitere Dimensionen des Vernichtungskrieges zur Seite, was den Holocaust kontextualisiert, aber nicht relativiert.
Während sich die erste Präsentation eher einem bestimmten politischen Anliegen verpflichtet fühlte und Historisierung als Relativierung
mißverstand, orientiert sich die zweite Ausstellung stärker am wissenschaftlichen Diskurs. Diese veränderte Ausrichtung hat allerdings auch
ihren Preis: Einfache Antworten auf die Frage nach Verantwortung und
Schuld für die verübten Verbrechen erhält der Besucher nicht. Er muß
sich die Geschichte selbst aneignen und kann nicht auf dramatische
Inszenierungen hoffen, die das Grauen zwar zeigen, es aber zugleich
auch fernhalten. Wer sich auf diese Ausstellung einläßt, wer sich in das
umfangreiche Material einliest, der erfährt, daß Texte die emotionale
Zuspitzung keineswegs abfedern.21
III.
Die Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941
bis 1944« wurde in der breiten Öffentlichkeit überwiegend als Fotoausstellung wahrgenommen, ohne als solche konzipiert gewesen zu sein.
Die insgesamt 1433 Fotos waren nicht nach kunsthistorischen oder
ikonographischen Aspekten präsentiert worden, sondern sie sollten dem
Besucher »die Truppe im Feld beim Vollzug der befohlenen Verbrechen«
zeigen.22 Die Kommission zur Überprüfung der ersten Ausstellung hielt
entsprechend fest, daß die Provokation vor allem auf dem schockierenden Effekt ihrer Bilder beruhte.23 Zwar bestritten die Ausstellungsverantwortlichen im nachhinein, die Fotos als Beweise für die Beteiligung
von Wehrmachtssoldaten an Massenverbrechen genutzt zu haben,24 doch
läßt sich diese Gebrauchsweise auf verschiedenen Ebenen erkennen. So
wird in der Einleitung zum Katalog erklärt, daß sich die deutsche Militärgeschichtsschreibung weigere, einzugestehen, daß die Wehrmacht an
allen Verbrechen aktiv und als Gesamtorganisation beteiligt gewesen sei.
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Lethen, Der Text der Historiografie, a. a. O., S. 83.
Heer, Das Ende einer Ausstellung, a. a. O., S. 94.
Vgl. Kommissionsbericht, a. a. O., S. 16.
Nach eigenen Angaben praktizierten die Verantwortlichen folgenden Umgang mit Fotomaterial: »Fotos sollten unterschieden werden in solche, die über eine objektive Dimension
verfügten, d. h. die Ereignisse und Vorgänge dokumentierten und belegten, die auch anhand
der schriftlichen Quellen dargestellt waren und in solche, die die subjektive Befindlichkeit
der Akteure widerspiegelten, also Hinweise auf die Mentalität des deutschen Landsers gaben.«
Davon wurden illustrierende Fotos unterschieden, die Ereignisse wie den Holocaust zwar
erkennbar machten, ihn jedoch hinsichtlich Ort, Zeit und Personen nicht exakt abbildeten.
Diese an sich schon fragwürdige Kategorisierung schlug sich allerdings in der Ausstellung
ästhetisch nicht nieder. Auch während der kontroversen Fotodebatten spielten solche Unterscheidungen argumentativ kaum eine Rolle. Vgl. Hannes Heer; Bernd Greiner, Einleitung,
in: Hamburger Institut für Sozialforschung, Eine Ausstellung und ihre Folgen, a.a.O., S. 7–14,
hier insbesondere S. 11 f.
11 »Zeigen heißt verschweigen«
»Die Ausstellung«, so heißt es weiter, »will genau diesen Beweis führen.«25
Auch in der visuellen Rhetorik der Ausstellung schlug sich diese Intention nieder. Die Zusammenstellung von Einzelfotos zu unkommentierten Bildsequenzen beispielsweise zielte durch die künstlich erzeugte
Wiederholung von Bildmotiven, wie sie insbesondere in der Installation
des »Eisernen Kreuzes« zu sehen war, auf emotionale Evidenz. Die Reihung von Fotos mit Erschießungs- und Erhängungsszenen transportierte
bereits durch die Form der Präsentation die gewünschte Aussage. Der
Besucher sollte auch ohne kommentierende Texte vermittelt bekommen,
daß die Wehrmacht für Kriegsverbrechen verantwortlich gewesen sei,
völlig unabhängig davon, wen oder was die Aufnahmen im einzelnen
zeigten. Nicht die Rezeption, sondern »die Rhetorik der Ausstellung
machte die Fotos zu Indizien im Rahmen eines Tribunals, das die Verbrechen der Wehrmacht« beweisen wollte.26
Daß sich die Beweiskraft von Fotografien wie so oft als fragwürdig
erwies, überrascht nicht. Helmut Lethen ist zuzustimmen, wenn er betont, Fotografien seien zunächst nur eine Sammlung schwarzweißer
Rechtecke, die erst durch symbolischen Gebrauch lesbar gemacht würden.27 Mit einem Foto läßt sich vieles zeigen und daher zumeist nur
sehr wenig nachweisen, ein Foto ist an sich weder eindeutig noch
»falsch«. Aber gerade die Mehrdeutigkeit der Aufnahme macht es zu
einer interessanten Quelle, da es beispielsweise Informationen transportiert, die in schriftlichen Quellen nicht gespeichert werden können
oder die der Fotograf eher unbeabsichtigt überliefert. Fotos sind in
höherem Maße als beispielsweise schriftliche Quellen dazu geeignet,
Evidenzen und Eindeutigkeiten zu suggerieren, da unsere Sehgewohnheiten und Darstellungstraditionen von einem fotografischen Dokumentarismus geprägt sind. Der Betrachter fühlt sich als Augenzeuge
des fotografierten Geschehens und sieht sich damit in die Lage versetzt,
das Ereignis selbst am besten beurteilen zu können. Sollte man also
einer bildlichen Beweisführung gegenüber skeptisch bleiben, können
Fotografien neben anderen Quellengruppen selbstverständlich mit dazu beitragen, historische Ereignisse zu rekonstruieren. Ihr Aussagewert
ist im allgemeinen nicht höher, aber auch nicht niedriger als der von
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25 Ausstellungskatalog, a. a. O., S. 7. Diese Absichtserklärung wurde bis zur 1999 erschie-
nenen, vierten Auflage des Kataloges nicht geändert. Miriam Y. Arani geht dieser Thematik
in ihrem Aufsatz aus dem Weg, indem sie in bezug auf die Fotos von »Dokumenten physischer Gewaltanwendung gegen Zivilisten« spricht. Dies waren aber nicht Intention und
Thema der ersten Ausstellung. Vgl. Miriam Y. Arani, »Und an den Fotos entzündete sich
die Kritik«. Die »Wehrmachtsausstellung«, deren Kritiker und die Neukonzeption. Ein Beitrag aus fotohistorisch-quellenkritischer Sicht, in: Fotogeschichte 22 (2002), Heft 85/86,
S. 97–124, hier S. 97.
26 Lethen, Der Text der Historiografie, a. a. O., S. 77.
27 Vgl. ebd., S. 78.
12 »Zeigen heißt verschweigen«
Schriftgut, es sind weder »bessere« noch »schlechtere« Quellen: Fotografien funktionieren anders, sie müssen daher anders gelesen und interpretiert werden. Dazu hat es in den letzten Jahren mehrere differenzierte
und methodisch reflektierte Studien gegeben, die eine fotospezifische
Quellenkritik zu skizzieren versucht haben.28 Will man Fotos dazu
nutzen, die für Kriegsverbrechen Verantwortlichen zu personalisieren,
also die »Täter« zu zeigen, wie Hannes Heer es noch heute für die erste
Ausstellung beansprucht, dann ist danach zu fragen, was genau auf den
ausgestellten Bildern zu sehen war.29 Was wurde tatsächlich »gezeigt«
und was im Sinne Kosellecks zugleich »verschwiegen«?
Eine Analyse des Bildmaterials verdeutlicht, daß von den insgesamt 774 im Ausstellungskatalog abgedruckten Aufnahmen 60 Fotos
Porträts von Opfern der Massenerschießungen im jugoslawischen
Kragujevac zeigen und weitere 74 Aufnahmen aus anderen Kontexten
stammen (beispielsweise Buch- und Zeitschriftentitel aus der Nachkriegszeit, weitere Porträtaufnahmen).30 Auf keiner einzigen der verbleibenden 640 Aufnahmen wird ein Wehrmachtssoldat oder ein Angehöriger
verbündeter Truppen als Individuum identifiziert. Bei der Mehrzahl
der Fotos wird nicht angegeben, ob es sich bei den abgebildeten uniformierten Personen um Wehrmachtssoldaten oder um Angehörige von
Einsatzgruppen oder Polizeieinheiten handelt. Auch über die Form der
Tatbeteiligung geben die Fotos nur selten konkret Auskunft. Der Betrachter ist zwar schnell geneigt, die vor Erschossenen posierenden Sol-
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28 Vgl. beispielsweise den überzeugenden Beitrag von Wolf Buchmann, »Woher kommt das
Photo?« Zur Authentizität und Interpretation von historischen Photoaufnahmen in
Archiven, in: Der Archivar 52 (1999), S. 296 – 306; Entschließung der Konferenz »Das
Foto als historische Quelle«, in: Fotogeschichte 19 (1999), Heft 74, S. 68 – 70; Ute Wrocklage, Links stark beschnitten, in: Frankfurter Rundschau vom 17.11.1999. Bereits älteren
Datums: Diethart Kerbs, Ehrenkodex für den Umgang mit Fotografen-Nachlässen und historischen Bildnachlässen, in: Landeszentrale für Museumsbetreuung Baden-Württembergs
u. a., Rettet die Bilder. Fotografie im Museum, Stuttgart 1992; Sybil Milton, Argument oder
Illustration. Die Bedeutung von Fotodokumenten als Quelle, in: Fotogeschichte 8 (1988),
Heft 28, S. 61– 90; vgl. zur Situation in den Archiven auch den Kommissionsbericht, a. a. O.,
S. 19 ff.; Michael Sauer, Fotografie als historische Quelle, in: Geschichte in Wissenschaft und
Unterricht 53 (2002), Heft 10, S. 570 – 593.
29 Es geht hier nicht darum, die Argumentation von Krisztián Ungváry und seine Kritik
an der Verwendung der Fotos in der ersten Ausstellung zu wiederholen. Seine Prämisse, nur
Fotos mit deutschen Wehrmachtsangehörigen, die eindeutig als aktiv Mordende auf den
Bildern zu erkennen seien, sollten in der Ausstellung gezeigt werden, zeugt von einer
Unkenntnis nicht nur der historischen Bedingungen, sondern auch der archivalischen
Überlieferung. Die meisten der Kriegsverbrechen waren Kooperationsverbrechen, das heißt,
an ihnen waren immer mehrere Institutionen mit unterschiedlichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten beteiligt. Der Anteil von Wehrmachtsstellen war häufig struktureller oder
organisatorischer Art, was sich in der Regel nicht fotografisch, sondern schriftlich abbildete. Vgl. Ungváry, Echte Bilder, a. a. O., S. 584 ff.
30 Ich danke Harriet Scharnberg recht herzlich für ihre umfangreiche und kompetente Hilfe
bei der Auswertung des Fotomaterials.
13 »Zeigen heißt verschweigen«
daten auch für die Täter zu halten, eindeutig nachweisen läßt sich das
anhand von Fotografien aber nicht.
Zu den mehr als 300 Fotografien, die im »Eisernen Kreuz« zu sehen
waren, gab es nur bei wenigen Aufnahmen Angaben zu Ort, Zeitpunkt
und Umständen des abgebildeten Geschehens. Der Betrachter mußte
sich häufig mit Beschriftungen wie »Unbekannter Ort, UdSSR« zufriedengeben. Bis auf einige Opfer, die namentlich genannt sind, war
keine abgebildete Person identifiziert, auch im »Eisernen Kreuz« war
überwiegend nicht danach differenziert worden, ob es sich bei den Uniformierten um Angehörige der Wehrmacht handelte.31 Abgebildete Akteure wurden nicht als individuelle Täter präsentiert, und es erfolgte
auch keine »eindringliche Personalisierung« der Verbrechen.32 Die abgebildeten Akteure waren vielmehr anonyme Vertreter eines Kollektivs.
Der individuelle Bezug zum Geschehen und damit zu den Verbrechen
blieb meistens offen und damit den Assoziationen des Betrachters überlassen. Die Ausstellung selbst bildete den Assoziationsrahmen der fotografischen Rezeption. Der einzelne Soldat wurde als Angehöriger eines
für Kriegsverbrechen verantwortlichen Kollektivs gezeigt.
Eine solche Fotoauswertung ließe sich weiter fortführen. Am Ergebnis ändert das nichts: Mit der Absicht, auf der Grundlage des verwendeten Fotomaterials die »Truppe im Vollzug der befohlenen Verbrechen«
zeigen zu wollen, werden mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet.
Die erste Ausstellung zeigte weniger Soldaten als »Täter«, sondern sie
visualisierte eine Vielzahl von Kriegsverbrechen, an denen Wehrmachtsstellen und andere Institutionen beteiligt waren. Der Tatbeitrag der Wehrmacht schlug sich aber offensichtlich in vielen Fällen nicht fotografisch
nieder. Der Anspruch, Verbrechen der Wehrmacht fotografisch beweisen
zu wollen, hat dazu geführt, eine bereits in der seriösen Forschung anerkannte Tatsache in der breiten Öffentlichkeit wieder fragwürdig erscheinen
zu lassen, da die fotografischen Belege den angekündigten Beweis gar
nicht lieferten. Es besteht kein Zweifel daran, daß die Wehrmacht aktiv
und passiv, flächendeckend und systematisch, quer durch alle Hierarchieebenen und Waffengattungen umfassend an Kriegsverbrechen beteiligt
war, sie ließ sich dabei aber anscheinend nicht sehr oft fotografieren.33
Die zweite Ausstellung hat daraus zwei Konsequenzen gezogen:
Zum einen veränderte sie das Verhältnis von schriftlichen und fotogra31 Nur bei vier Fotos werden die abgebildeten Akteure als Wehrmachtsangehörige identi-
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fiziert. Vgl. Ausstellungskatalog, a. a. O., S. 184, 196, 215, 216.
32 Vgl. Heer, Das Ende einer Ausstellung, a. a.O., S. 100.
33 Oder es handelte sich eben um Handlungen, die nicht fotografiert werden konnten, wie
beispielsweise die Beteiligung an oder Forcierung von Entscheidungsprozessen, die zur
Ermordung von Juden durch Einsatzgruppen oder Verbänden der Höheren SS- und Polizeiführer führten.
14 »Zeigen heißt verschweigen«
fischen Quellen und trug damit nicht nur der Tatsache Rechnung, daß
sich die Beteiligung der Wehrmacht weniger bildlich, sondern eher
schriftlich niederschlug, sie brachte damit auch zum Ausdruck, daß
historisches Arbeiten auf heterogenen Quellenarten und auf der Kontrastierung dieser unterschiedlichen Materialien beruht.34 Die Texte
verdrängen nicht die Bilder, sondern sie ermöglichen ihre Interpretation (und umgekehrt). Fotos, zu denen nur ungenügende Informationen hinsichtlich Ort, Zeitpunkt und Ereignis zu ermitteln waren,
blieben im Zweifelsfall außen vor oder wurden entsprechend kommentiert, weil es angesichts des Glaubwürdigkeitsverlustes durch die
erste Ausstellung nicht vermittelbar gewesen wäre, wiederum zahlreiche
Bilder ohne eindeutigen Zusammenhang zu Wehrmachtsverbrechen zu
präsentieren. Dies bedeutet nicht, Fotos als historische Quellen abzuwerten, es korrigiert vielmehr die zuvor verfehlte Verwendung von Bildquellen. Zum zweiten verabschiedet sich die zweite Ausstellung von der
Absicht, die »Täter« zu enttarnen, sondern lenkt den Blick auf das Ereignis selbst und auf die daran beteiligten Personen, die sie als zur Handlungssituation gehörend versteht. Zur Rekonstruktion der Verbrechen
nutzt sie alle relevanten Materialien, der Stellenwert von fotografischen
Quellen unterscheidet sich dabei grundsätzlich nicht von dem schriftlicher Zeugnisse, ihre Bedeutung liegt in der Relevanz ihrer Aussagen
für das darzustellende Ereignis, nicht in ihrem schockierenden Effekt.
Die Ausstellung »Vernichtungskrieg« wurde von vielen Besuchern
und Kommentatoren aber auch deswegen als sehenswert und einzigartig empfunden, weil sie – so die Auffassung – durch die Verwendung
privater Kriegsfotografien eine andere Perspektive auf Krieg vermittele.
Der Blick des einfachen Soldaten auf Massenhinrichtungen, Erschießungen und Folterungen schien ein authentisches Bild von der Grausamkeit und Brutalität dieses Krieges zu zeichnen. Diese Fotos zeigten keinen »sauberen« Krieg, unabhängig von der Frage, ob es sich in jedem
Einzelfall um Kriegsverbrechen der Wehrmacht handelte.
Die private Kriegsfotografie gilt inzwischen als zentraler Quellenbestand für alltags-, erfahrungs- und mentalitätsgeschichtliche Forschun-
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34 Der Katalog zur zweiten Ausstellung umfaßt 565 Fotos. In der Ausstellung selbst sind
durch die zusätzlichen PC-Terminals mehr als 700 Fotos verwendet worden. Ein direkter
Vergleich zwischen der ersten und zweiten Ausstellung hinsichtlich der quantitativen Verwendung von Fotos kennzeichnet den korrigierten Gebrauch von historischem Fotomaterial, zugleich ist der Unterschied aber nicht so eklatant, wie einige Kritiker ihn gern
sehen möchten. Das verkennt auch Hannes Heer, Das Ende einer Ausstellung, a.a.O., S. 102.
Hier spielt auch die Wahrnehmung und Erinnerung an die erste Ausstellung eine entscheidende Rolle. Immer wieder wird behauptet, die erste Ausstellung habe mit Großfotos
gearbeitet. Die Fotos der ersten Ausstellung waren jedoch mehrheitlich klein. Daß die Aufnahmen in der Erinnerung immer größer werden, spiegelt wohl eher die emotionale Beteiligung der Besucher und Kommentatoren wider.
15 »Zeigen heißt verschweigen«
gen.35 Zum »Krieg des kleinen Mannes«, wie ihn Historiker zuvor beispielsweise durch die Auswertung von Feldpostbriefen beschrieben haben,
trat nun der fotografische Blick »von unten«. 80 Prozent der Fotografien in der Ausstellung »Vernichtungskrieg« sollen nach Angaben der
Ausstellungsverantwortlichen privater Herkunft gewesen sein, hingegen
seien nur 20 Prozent der Fotos von Propagandafotografen aufgenommen
worden.36 Die erste Ausstellung hat damit den von ihr als privat definierten Kriegsfotos einen zentralen Stellenwert eingeräumt, allerdings
ohne zu erläutern, nach welchen Kriterien zwischen privaten und offiziellen Aufnahmen unterschieden wurde.
Eine solche Kategorisierung ist bei genauerer Betrachtung alles
andere als eindeutig. Das Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit
ist in der Forschung bereits theoretisch problematisiert worden, und
auch zur konkreten Unterscheidung von privater Fotografie und Propagandaaufnahmen gibt es inzwischen einige überzeugende Überlegungen.37 So sinnvoll es zunächst zu sein scheint, die in Brieftaschen gefundenen Kriegsfotos als »privat« zu bezeichnen, so mißverständlich
ist die damit einhergehende Ordnungsvorstellung.38 Miriam Y. Arani
begründet beispielsweise ihre Kategorisierung in privat und propagandistisch mit der archivalischen Herkunft des Fotomaterials. Private
Schnappschüsse seien »hauptsächlich von den Archiven, Museen und
Gedenkstätten der damals besetzten Länder im Osten und Südosten
Europas gesammelt und überliefert« worden.39 Arani zufolge waren
mehr als die Hälfte der in der ersten Ausstellung gezeigten Bilder aus
öffentlichen Sammlungen der ehemals besetzten Länder und nur ein
Viertel aus ebensolchen in Deutschland und Österreich. In der zweiten
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35 Vgl. beispielhaft: Dieter Reifarth; Viktoria Schmidt-Linsenhoff, Die Kamera der Täter,
in: Heer; Naumann, Vernichtungskrieg, a. a. O., S. 475 – 503, Bernd Hüppauf, Der entleerte
Blick hinter der Kamera, in: ebd., S. 504 – 527.
36 Vgl. Petra Bopp, »Wo sind die Augenzeugen, wo ihre Fotos?«, in: Hamburger Institut für
Sozialforschung, Eine Ausstellung und ihre Folgen, a. a. O., S. 198 – 229, hier S. 198.
37 Vgl. zum Beispiel Winfried Ranke, Fotografische Kriegsberichterstattung im Zweiten
Weltkrieg. Wann wurde daraus Propaganda?, in: Fotogeschichte 12 (1992), Heft 43, S. 61–
75, hierzu auch überzeugend: Bernd Boll, Vom Album ins Archiv, Zur Überlieferung privater Fotografien aus dem Zweiten Weltkrieg, in: Anton Holzer (Hrsg.), Mit der Kamera
bewaffnet. Krieg und Fotografie, Marburg 2003, S. 167 – 178.
38 Helmut Lethen sieht die privaten Knipserfotos durch die zweite Ausstellung entwertet.
Die Brieftaschen würden zum »Müll der Geschichte« erklärt, dem der Zugang ins kulturelle Gedächtnis verwehrt sei. Die privaten Bilder entstammten aber keiner Unordnung,
sondern aus der Ordnung der privaten Erinnerungsspeicher. Vgl. Lethen, a. a. O., S. 84. Die
enorme Bedeutung dieser Erinnerungsfotos für den Zusammenhang von Familienerinnerung und Kriegsverbrechen ist unzweifelhaft und kaum zu überschätzen. Aus welcher
Ordnung diese Fotos allerdings stammen, scheint ungeklärter denn je zu sein. Sie pauschal
als privat anzusehen ist auch deswegen fragwürdig, da ihnen damit häufig eine im Unterschied zur Propagandafotografie unverfälschte Sicht der Ereignisse zugeschrieben wird.
39 Arani, Wehrmachtsausstellung, a. a. O., S. 99.
16 »Zeigen heißt verschweigen«
Ausstellung habe sich dieses Verhältnis jedoch verändert, wodurch nun
»die visuelle Repräsentation des Vernichtungskrieges verengt wird auf
fotografische Selbstdarstellungen der nationalsozialistischen Funktionseliten«, während fotografische Quellen, »welche die Gewaltausübung
der Wehrmacht gegen Zivilisten auf seiten der Kriegsgegner dokumentieren, fast gänzlich aus der Bilderwelt der neuen Ausstellung verschwinden«. Die zweite Ausstellung transportiere somit »suggestives Bildmaterial zugunsten der Täter«.40
Wer die zweite Ausstellung unter einen solchen Verdacht stellt,
sollte sich seiner Beurteilungskriterien sicher sein. Aranis Fotoanalyse
kann in dieser Hinsicht nicht überzeugen. Mit ihrer willkürlichen
Zählung 41 klassifiziert sie die in den beiden Ausstellungen verwendeten
Fotos allein anhand ihrer Archivherkunft. Für die Annahme, die Fotografien aus ost- und südosteuropäischen Archiven seien privater Herkunft, liefert Arani keine stichhaltigen Gründe. Die anhand von schriftlichem Quellenmaterial rekonstruierbaren Überlieferungswege zeigen
vielmehr, daß sich die Unterscheidung in private und offizielle Kriegsfotografie keineswegs an der Archivüberlieferung festmachen läßt, weil
Aufnahmen der Propagandafotografen in großen Mengen nicht nur in
private Fotoalben gelangten, sondern auch in die so berühmten Brieftaschen der einfachen Soldaten.42 Wenn diese dann bei der Gefangen-
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40 Ebd., S. 118.
41 Vgl. ebd., S. 119. Hannes Heer sieht darin in Anlehnung an Arani die bildliche Reha-
bilitierung deutscher Offiziere, vgl. Heer, Das Ende einer Ausstellung, a. a. O., S. 106.
Aranis Zählung beruht auf der 2. Auflage des Kataloges. Obwohl ihr selbst die Diskrepanz
zwischen den mehr als 700 im Katalog abgebildeten Fotos und das nur etwa die Hälfte
umfassende Bildquellenverzeichnis auffällt (dies verweist mit Seitenzahlen nur darauf, wo
Fotos des jeweiligen Archivs abgedruckt sind), zieht sie daraus keine Konsequenzen für
ihre Auswertung. Obgleich es sich im Bildquellenverzeichnis nur um 323 Angaben handelt, geht Arani von 335 aus, die sie unverständlicherweise auch noch zu Nachweisen für
einzelne Abbildungen deklariert. Daher sind ihre Auswertungsergebnisse –- 52 Prozent
stammten aus Sammlungen der ehemals besetzten Ländern, 26 Prozent aus deutschen und
österreichischen Sammlungen, 9 Prozent aus den USA und Israel, 7 Prozent aus kommer–
ziellen deutschen Bildarchiven und 5 Prozent aus privatem Besitz – ohne Aussagewert. Daß
sich daran die überwiegende Nutzung privater Fotos ausdrückt, überzeugt angesichts der
wissenschaftlich unseriösen Fotoauswertung und der gewählten Argumentation nicht. Vielmehr muß man feststellen, daß bei mehr als 50 Prozent der benutzten Fotos eine eindeutige
Zuordnung überhaupt nicht möglich ist, da es zu ihnen schlicht keinerlei Informationen
gibt. Für die zweite Ausstellung geht Arani hingegen von der Gesamtzahl der im Katalog
abgebildeten Fotos aus und suggeriert eine Vergleichsbasis zur ersten Ausstellung, die gar
nicht existiert. Inwiefern es sich hier allein um handwerkliche Fehler handelt, muß offenbleiben. Die von ihr als propagandistisch definierten Fotos machen zunächst angeblich 50
Prozent des Fotobestandes der zweiten Ausstellung aus, im weiteren Argumentationsverlauf
werden bei Arani daraus schon »hauptsächlich« Propagandabilder. Vgl. Arani, Wehrmachtsausstellung, a.a.O., S. 114.
42 Die Propagandafotografen kamen den Wünschen und Bestellungen der Soldaten gar
nicht nach. So heißt es bei der PK 612 am 26.4.1940: »Zu einer untragbaren Belastung
17 »Zeigen heißt verschweigen«
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nahme durch sowjetische Stellen sichergestellt oder aber verstorbenen
Soldaten abgenommen wurden, macht sie das nicht zu »privaten« Aufnahmen.43
Darüber hinaus haben Soldaten nicht nur die Erlaubnis, sondern
geradezu den Auftrag gehabt, ihre Aufnahmen zum Beispiel für ein
bebildertes Kriegstagebuch zur Verfügung zu stellen sowie die Bilderwünsche ihrer Kameraden, die durch die Propagandafotografen bei
weitem nicht bedient werden konnten, zu erfüllen.44 Auftragsfotografie
und Aufnahmen ohne öffentlichen Verwertungszweck erweisen sich als
äußerst problematische Klassifizierungen, entscheidend ist doch eher
die sich anscheinend stets ändernde Gebrauchsweise. Man kommt also
nicht umhin, jedes einzelne Foto quellenkritisch zu prüfen, egal aus
welchem Archiv es stammt.
Eine solche Trennung von privater und offizieller Fotografie weicht
zudem der Frage aus, wie Propaganda funktioniert. Anders gefragt: Was
macht ein schwarzweißes Rechteck zum Propagandafoto? Winfried
Ranke hat zu dieser Frage bereits 1992 überzeugend argumentiert, daß
»aus der vorwiegend nach Grundsätzen und Routinen journalistischer
Vielfalt betriebenen fotografischen Kriegsberichterstattung erst durch die
Bearbeitung des gelieferten Rohmaterials Propaganda wurde«.45 Alle Verwirkt sich das Anfordern von Bildabzügen seitens der Truppe aus.« Und am 22.12.1940 ist
im Kriegstagebuch notiert: »Tatsache aber ist, daß die Truppe unsere Berichter leichter und
eher an bestimmten Aktionen teilnehmen läßt, wenn man mit Bildabzügen winkt.« Zit. n.
Bernd Boll, Das Adlerauge des Soldaten. Zur Fotopraxis deutscher Amateure im Zweiten
Weltkrieg, in: Fotogeschichte 22 (2002), Heft 85/86, S. 75 – 87, Zitat S. 81.
43 In der ersten Ausstellung befand sich beispielsweise ein Foto zu einem der Kriegsgefangenenlager in Minsk aus dem Sommer 1941. Vgl. Ausstellungskatalog, a. a. O., S. 129,
Foto 5. Laut Bildnachweis stammt es aus dem Museum des Großen Vaterländischen Krieges
in Minsk, wäre also nach Aranis Logik eine private Aufnahme. Die Nachrecherchen zur
ersten Ausstellung ergaben hingegen, daß das Foto nicht aus dem Museum in Minsk, sondern aus Krasnogorsk kam und dort eindeutig als PK-Fotografie ausgewiesen wird. Hingegen sind von den 43 aus dem DÖW in Wien stammenden Fotos, die nach Aranis Kategorisierung als PK-Aufnahmen zu werten wären, 27 Fotos überhaupt nicht zuzuordnen, 15
Bilder stammen aus Brieftaschen von Soldaten oder könnten durch andere Informationen
als private Fotos gelten, hingegen ist nur ein Foto eindeutig eine PK-Aufnahme. Für Arani
aber sind alle 43 Aufnahmen offizielle Kriegsfotos, da sie aus einem westlichen Archiv
stammen.
44 Vgl. Boll, Das Adlerauge des Soldaten, a. a. O., S. 80.
45 Vgl. Ranke, Fotografische Kriegsberichterstattung, a.a.O., S. 72 f. Wenig überzeugend
argumentiert weiterhin Petra Bopp, Fremde im Visier. Private Fotografien von Wehrmachtssoldaten, in: Holzer, Mit der Kamera bewaffnet, a. a. O., S. 97 – 117. Mit der Selektivität der Bildinhalte und der Perspektiv- und Ausschnittswahl der Propagandabilder
argumentiert auch: Arani, Wehrmachtsausstellung, a. a. O., S. 114 ff. Bei ihr werden die PKFotografen sogar zu »Tätern«. Vgl. ebd., S. 117 f. Eine eher schlichte Unterscheidung von
privat und propagandistisch auch bei: Kathrin Hoffmann- Curtius, Trophäen und Amulette. Die Fotografien von Wehrmachts- und SS-Verbrechen in den Brieftaschen der
Soldaten, in: Fotogeschichte 20 (2000), Heft 78, S. 63 – 76.
18 »Zeigen heißt verschweigen«
suche, beispielsweise an der Motivauswahl, an der gewählten Perspektive,
der politischen Gesinnung des Fotografen oder an dem offiziellen Auftrag selbst die propagandistische Wirkung eines Bildes festzumachen,
überzeugen nicht.46 Die Bildreporter der Propagandakompanien waren
zwar angehalten, sich an der offiziellen Propagandalinie zu orientieren,
sie arbeiteten aber auch nach den Regeln des professionellen Bildjournalismus und lieferten das Ausgangsmaterial für die nationalsozialistische
Propaganda.47 Vor allem die Ausdeutbarkeit von Bildern durch Kontextualisierung und Beschriftung ermöglicht ihren manipulierenden
Gebrauch. Diese Arbeit leistete aber nicht der Fotograf, denn er beschriftete das Foto nicht, zumindest nicht so, wie es später durch das
Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda an die Agenturen
gegeben wurde.48 Angesichts »ausgewählter, beschnittener und von fremder
Hand betexteter Fotografien Rückschlüsse auf Intention und Bewußtsein des Fotografen zu schließen«,49 reproduziert die Propagandafigur
des »Soldaten mit der Kamera«, der linientreu und unbeirrt für die
nationalsozialistische Sache in den Krieg zog. Ein Bildreporter lieferte
jedoch möglichst vielfältiges und zumeist noch recht flexibel nutzbares
Fotomaterial, das später eine Geschichte bebilderte, die der Fotograf
nicht nur nicht erzählte, sondern die er oft gar nicht kannte.
Aranis Kritik, die zweite Ausstellung greife überwiegend auf Propagandafotografie zurück und reproduziere dadurch eine idealisierende
und Verbrechen kaschierende Perspektive, spiegelt nicht nur eine unreflektierte Unterscheidung von privaten und propagandistischen Aufnahmen wider, sie verweist auch auf grundsätzliche Probleme fotozentrierter Forschungen.50 So klassifiziert Arani beispielsweise die in der
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46 Es ist Winfried Ranke zuzustimmen, wenn er herausstellt, daß »die Antriebe und Inhalte
solcher Präformation außerhalb des Zusammenhangs von Herstellung, Verwertung und Betrachtung von Fotografien zu suchen« sind. Ranke, Fotografische Kriegsberichterstattung,
a. a. O., S. 67.
47 Zu den Propagandakompanien vgl. zum Beispiel Hasso von Wedel, Die Propagandatruppen der deutschen Wehrmacht, Neckargemünd 1962; Ortwin Buchbender, Das tönende
Erz: Deutsche Propaganda gegen die Rote Armee im Zweiten Weltkrieg, Stuttgart 1978;
Daniel Uziel, Wehrmacht Propaganda Troops and the Jews, in: Yad Vashem Studies XXIX
(2001), S. 27– 63.
48 Vgl. Bernd Boll, Die Propaganda-Kompanien der Wehrmacht 1938 –1945, in: Christian
Stadelmann; Regina Wonisch (Hrsg.), Brutale Neugier. Walter Henisch, Kriegsfotograf und
Bildreporter, Wien 2003, S. 37 – 46; ebenso Ranke, Fotografische Kriegsberichterstattung,
a. a. O., S. 71 ff.
49 Ranke, Fotografische Kriegsberichterstattung, a.a.O., S. 64. Daher ist es irreführend,
wenn bei Bildbeschriftungen der PK-Fotograf genannt und daran die Beschriftung wie ein
Zitat angefügt wird. So z.B. bei Arani, Wehrmachtsausstellung, a. a. O., S. 104.
50 Arani hat sich nicht die Mühe gemacht, die zweite Ausstellung vollständig zur Kenntnis
zu nehmen. Dann hätte sie beispielsweise gemerkt, daß sich eine PC-Station speziell mit
den Panćevo-Fotos von Gerhard Gronefeld fotoanalytisch auseinandersetzt, weitere Detailuntersuchungen gibt es auch zu Fotografien der Kriegsgefangenenlager in der Lüneburger
19 »Zeigen heißt verschweigen«
Ausstellung gezeigten Fotoserien von Johannes Hähle zu Babij Jar und
Lubny wie selbstverständlich als Propagandaaufnahmen und will noch
an letzteren den ideologischen Blick Hähles auf die jüdische Bevölkerung
von Lubny nachgewiesen sehen. Sie erwähnt oder weiß anscheinend nicht,
daß Hähle diese Aufnahmen in Berlin gar nicht abgegeben hat. Es handelt sich also um private Aufnahmen eines PK-Fotografen. Im Falle der
Farbdias zu Babij Jar läßt sich sogar zeigen, wie Johannes Hähle versucht hat, die bereits ermordeten Juden anhand ihrer zurückgelassenen
Kleidung als individuelle Opfer zu »rekonstruieren«. Eine solche Bildsprache pauschal als propagandistisch zu charakterisieren, wird der
Komplexität des Problems keineswegs gerecht.
IV.
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Die Gründe für die Beteiligung von Wehrmachtssoldaten an Kriegsverbrechen wurden in der Ausstellung selbst nicht explizit erörtert, aber
in den Begleitpublikationen und öffentlichen Debatten verwiesen die
Ausstellungsautoren auf eine »Vernichtungsmentalität« als angenommene Ursache für das verbrecherische Handeln: Der »durchschnittliche
Landser« 51 habe sich bereits 1941 »nicht mehr von der Mentalität der
Himmlertruppe« unterschieden, die verbrecherischen Befehle hätten »die
letzten Reste zivilisatorischer Hemmung und individueller Scham« beseitigt. Auch die Dynamik des Vernichtungskrieges habe zur Produktion
einer solchen Mentalität beigetragen. Insbesondere der Partisanenkrieg
sei einer triebgesteuerten Politik gefolgt, die dem Soldaten erlaubt habe,
nun »alle die Kriege zu führen, die er schon immer führen wollte – gegen
die Frauen, gegen die Juden, gegen Kinder und Greise, gegen die eigene
Angst und das eigene Gewissen«.52 Wehrmachtsführung und »Truppe«
Heide, zu Aufnahmen von Erhängungen in Minsk im Oktober 1941 und zu den Farbdias
von Johannes Hähle in Kiew. Besonders aufschlußreich sind darüber hinaus Aranis Falschaussagen. So behauptet sie, die zur Deportation aus Charkow und zu Topola gezeigten Fotoserien seien unkommentiert geblieben, was schlicht nicht stimmt. Weiterhin behauptet sie,
die zweite Ausstellung würde im Unterschied zur ersten die Aufnahmen der Propagandafotografen nicht als solche kennzeichnen. Bis auf eine Ausnahme (vgl. Ausstellungskatalog, a.a.O.,
S. 451) sind alle eindeutig als PK-Aufnahmen identifizierbaren Bilder der zweiten Ausstellung
als solche ausgewiesen, hingegen trifft dies nur für 11 Prozent der Bilder in der ersten Ausstellung zu, obgleich wesentlich mehr Signaturen auf eine propagandistische Herkunft verweisen
(Bundesarchivbestand 101). Aranis Befund hätte also genau umgekehrt ausfallen müssen.
Arani behauptet auch, die PK-Bildbeschriftungen (man sollte vielleicht eher von Beschriften
des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda sprechen) würden in der zweiten Ausstellung nicht kritisch kommentiert, so daß ihre Aussagen ungebrochen übernommen
würden. In der gesamten zweiten Ausstellung gibt es überhaupt nur fünf derartige Beschriftungen (Ebd., S. 394/95 und S. 499). Sie sind alle als eindeutiges Zitat gekennzeichnet. Vgl.
Arani, Wehrmachtsausstellung, a. a. O., S. 114 ff.
51 Hannes Heer, Killing Fields. Die Wehrmacht und der Holocaust, in: Heer; Naumann,
Vernichtungskrieg, a. a. O., S. 57 – 77, Zitat S. 63.
52 Heer; Naumann, Einleitung, in: Dies., Vernichtungskrieg, a. a. O., S. 30 f.
20 »Zeigen heißt verschweigen«
habe eine Mentalität vereint, deren »Mordlust und Sadismus, Gefühlskälte und sexuelle Perversionen« man nicht befehlen konnte, sondern
die ein großer Teil der Truppe bereits mitbrachte.53
Die Ausstellungsautoren wiesen zwar Einwände, ein solcher Ansatz
erkläre alle Wehrmachtssoldaten pauschal zu Verbrechern, als polemisch und politisch motiviert zurück, allerdings führten diese Auseinandersetzungen nicht dazu, den alltagssprachlich benutzten Mentalitätsbegriff theoretisch einzuführen.54 Wer mentale Muster als zentral
herausstellt, sollte über die theoretischen Probleme und über die Reichweite der Begrifflichkeiten nachgedacht haben.55 Mit ihrem populären
Gebrauch des Mentalitätsbegriffs stehen die Ausstellungsautoren nicht
allein: Mentalität wird häufig dann bemüht, wenn es um Meinungen,
Einstellungen, Stimmungen oder Dispositionen geht, wenn man aber
nicht genau sagen kann oder möchte, als wie flüchtig oder anhaltend,
bewußt oder unbewußt, handlungsleitend oder einstellungsprägend,
peripher oder dominant solche Phänomene einzuschätzen sind. Mentalität ist dann eine »blackbox, in die ein unbestimmter Rest von Kausal-
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53 Heer, Killing Fields, a. a. O., S. 64.
54 Wissenschaftsgeschichtlich mit der Annales-Schule verknüpft, thematisiert Mentalitäts-
geschichte seither mit ihren teils eher psychoanalytischen, teils eher lebensweltlich-sozialgeschichtlichen Varianten die sogenannte »dritte Ebene«. Gruppenspezifische Verhaltensweisen, Weltsichten, Vorstellungen und Emotionen gehören zu den zentralen Themen der
Mentalitätsforschung. Es geht um kollektive Denkmuster und Bewußtseinsformen. Einige
wollen Mentalitätsgeschichte zudem als Erklärungsansatz für den Zusammenhang von Denksystemen und sozialem Handeln verstanden wissen. Zum wissenschaftlichen Mentalitätsdiskurs vgl.: Volker Sellin, Mentalitäten in der Sozialgeschichte, in: Wolfgang Schieder;
Volker Sellin (Hrsg.), Sozialgeschichte in Deutschland III, Göttingen 1987; Frantisek Graus
(Hrsg.), Mentalitäten im Mittelalter. Methodische und inhaltliche Probleme, Sigmaringen
1987; Ulrich Raulff (Hrsg.), Mentalitäten-Geschichte. Zur historischen Rekonstruktion geistiger
Prozesse, Berlin 1987; Peter Schöttler, Mentalitäten, Ideologien, Diskurse. Zur sozialgeschichtlichen Thematisierung der »dritten Ebene«, in: Alf Lüdtke (Hrsg.), Alltagsgeschichte.
Zur Rekonstruktion historischer Erfahrungen und Lebensweisen, Frankfurt am Main 1989,
S. 85 – 136; Peter Dinzelbacher (Hrsg.), Europäische Mentalitätsgeschichte. Hauptthemen in
Einzeldarstellungen, Stuttgart 1993; Frank-Michael Kuhlemann, Mentalitätsgeschichte. Theoretische und methodische Überlegungen am Beispiel der Religion im 19. und 20. Jahrhundert, in: Hans-Ulrich Wehler; Wolfgang Hardtwig (Hrsg.), Kulturgeschichte Heute, Göttingen
1996, S. 182 – 211; Ute Daniel, Kompendium Kulturgeschichte, Frankfurt am Main 2001.
55 Das Problem des Mentalitätsbegriffs ist seine Vagheit. Da werden Mentalitäten, die Verhaltensweisen erklären sollen, aus ebensolchen rekonstruiert, oder das Verhältnis zwischen
individueller Eigenständigkeit und überindividuell wirkenden Mustern bleibt völlig unberücksichtigt. Abweichendes Verhalten ist damit kaum zu erklären. Mentalität als analytische
Kategorie zu formulieren, setzt zunächst die Unterscheidung von Charakter-, Mentalitätsund Handlungsstruktur voraus, wobei Mentalitäten Verhalten und Handeln von Individuen
und Gruppen zu strukturieren scheinen, sie aber nicht determinieren. Mentalitäten werden
als verinnerlichte kollektive Denkmuster aufgefaßt, die sich nicht zwangsläufig und unmittelbar auf individuelle Handlungen auswirken, sie aber beeinflussen können. Vgl. Ingrid
Gilcher-Holthey, Plädoyer für eine dynamische Mentalitätsgeschichte, in: Geschichte und
Gesellschaft 24 (1998), Heft 3, S. 478 ff.
21 »Zeigen heißt verschweigen«
faktoren verbannt ist«.56 Als undefinierter Sammelbegriff zur Beschreibung eines behaupteten oder angenommenen Verhaltenspotentials kann
er selbst zur Erklärung dienen, allerdings mit gravierenden Folgen: Die
(zumeist nationalistisch) definierten Kollektive erscheinen als Subjekte
mit eigener Anatomie und Psyche. Damit ist man von der Volkskörperrhetorik nicht sehr weit entfernt.
Von den theoretischen Problemen des wissenschaftlichen Mentalitätsdiskurses zeigten sich die Autoren der ersten Ausstellung unberührt.
Obgleich sie den empirischen Nachweis, wie kollektive Denkmuster
vom einzelnen Soldaten angeeignet, variiert oder verworfen wurden,
gar nicht systematisch verfolgten, stand die Diagnose fest: 57 Die Wehrmachtsangehörigen haben aufgrund einer »Vernichtungsmentalität« gemordet, geschossen und gefoltert. Sie waren Täter, weil dieses Verhalten
ihrer Mentalität entsprach. Sinnkonstruktionen und Deutungsmuster,
die im einzelnen zu untersuchen gewesen wären, wurden zu Eigenschaften einer Gruppe und ihrer Mitglieder erklärt. Doch damit nicht genug:
Nicht allein individuelles Handeln erschien so durch kollektive Muster
determiniert, die behauptete mentale Struktur definierte ein Täterkollektiv. Die abgebildeten Personen sind keine individuellen Täter, sie werden
vielmehr als Vertreter eines mental definierten Täterkollektivs verstanden, bei dem kaum mehr zwischen Mitwissenden, Zuschauern und Tatbeteiligten unterschieden wird. Wer gemordet, wer zugeschaut oder von
den Verbrechen gewußt hat, ist zweitrangig, daher können auch unbeschriftete Fotos unabhängig von dem, was sie abbilden, als Belege für
Verbrechen von Wehrmachtsangehörigen benutzt werden.
56 Gilcher-Holthey, Plädoyer für eine dynamische Mentalitätsgeschichte, a. a.O., S. 476 –
497, Zitat S. 487.
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57 Für die SS, Polizei und Waffen-SS vgl. den überzeugenden Band von Jürgen Matthäus;
Konrad Kwiet; Jürgen Förster; Richard Breitmann, Ausbildungsziel Judenmord? »Weltanschauliche Erziehung« von SS, Polizei und Waffen-SS im Rahmen der »Endlösung«, Frankfurt am Main 2003. Dem Problem der individuellen Aneignung und dem komplizierten
Verhältnis von Denken und Handeln gegenüber zu oberflächlich: Hannes Heer, »Stets zu
erschießen sind Frauen, die in der Roten Armee dienen«. Geständnisse deutscher Kriegsgefangener
über ihren Einsatz in der Ostfront, Hamburg 1995; ders., Disposition und Situation. Überlegungen zur Mentalität des deutschen Landsers im Rassenkrieg, in: Ders., Tote Zonen, Hamburg 1999, S. 97 – 119; ders., »Am Anfang haben wir es aus Überzeugung, später dann aus
Pflicht getan«. Kollektive und individuelle Formen der Legitimation, in: ebd., S. 120 –153.
Besonders problematisch bei den Beiträgen von Heer sind die »wahllos zusammengestellten
Auszüge aus Tagebüchern deutscher Wehrmachtsangehöriger«, so wörtlich in: Disposition
und Situation, a. a. O., S. 100. Walter Manoschek versteht auch in seinem neuen Aufsatz
Feldpostbriefe weiterhin als »authentisch«, obgleich die Authentizitätsprobleme der Feldpost hinreichend erforscht sind. Vgl. Walter Manoschek, Der Holocaust in Feldpostbriefen
von Wehrmachtsangehörigen, in: Heer, Wie Geschichte gemacht wird, a. a. O., S. 35 – 58. Zu
Feldpostbriefen als Sinnkonstruktionen überzeugend: Klaus Latzel, Deutsche Soldaten –
nationalsozialistischer Krieg? Kriegserlebnis – Kriegserfahrung 1939 –1945, Paderborn 1998.
22 »Zeigen heißt verschweigen«
Die zweite Ausstellung folgt auch in dieser Hinsicht einer anderen
Argumentation. Sie greift auf handlungstheoretische Konzepte zurück,
indem sie individuelle Entscheidungsmöglichkeiten, Handlungsspielräume und Verhaltensvarianten von Soldaten und Offizieren aufzeigt.
Anhand von konkreten Beispielen steckt die zweite Ausstellung ein
breites Verhaltensspektrum im Umgang mit verbrecherischen Befehlen
ab.58 Dabei geht es keineswegs nur um Widerstand und Verweigerung.
Die verschiedenen Verhaltenstypen reichen vom Handeln ohne Befehl,
vom lustvollen und über das geforderte Maß hinausgehenden Morden,
vom passiven Zulassen und vom indifferenten Zuschauen, sie zeigen auch
den zweifelnden, aber schließlich doch »gehorsamen« Soldaten sowie
denjenigen, der im Rahmen von Befehl- und Gehorsamsstruktur nach
Möglichkeiten sucht, sich den Befehlen zu entziehen oder den Opfern
zu helfen. Es sind nicht nur eindeutig »gute« oder »verbrecherische«
Akteure zu sehen, sondern diese Aufspaltung löst sich zuweilen auf in
Geschichten voller Widersprüche und Uneindeutigkeiten.59
In der Erinnerung vieler Wehrmachtsangehöriger verkürzt sich das
Zusammenspiel von Auftrag, Handlungsaufforderung, Zielvorgabe und
Definitionsmacht auf die Formel »Befehl ist Befehl«. Jenseits ihrer
legitimatorischen Funktion verkennt diese Deutung, daß es dem militärischen Denken immanent ist, einen Befehl als Ermächtigung zum
Handeln zu verstehen. Damit ist in der Regel keine bis ins letzte Detail
ausgearbeitete Anweisung verbunden, wie das vorgegebene Ziel zu erreichen sei. Der Befehlsempfänger hat vielmehr die Aufgabe, den Auftrag mit der jeweiligen Handlungssituation in Einklang zu bringen,
den Befehl zu »übersetzen« und die Realisierung zu organisieren.
Durch die damit verbundene Sinnzuschreibung konkretisiert sich, wie
der Befehl vor Ort umgesetzt wird. Ob als bewußte Entscheidung oder
spontane Reaktion – der Befehlsempfänger richtet sein Verhalten danach aus, wie er den Auftrag verstanden hat. Gleichwohl sind Handlungsspielräume aber auch nicht beliebig offen. Militärische Funktion,
hierarchische Organisation, sozialer Gruppendruck, kulturelle Verhaltensmuster und Traditionen, kollektive und individuelle Wahrnehmungsfilter – dies sind nur einige Faktoren, die das Handeln von Soldaten
beeinflussen. Befehlssituationen sind somit zwar vorstrukturiert, determiniert sind sie aber nicht.
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58 Vgl. Ausstellungskatalog, a. a. O., S. 579 –627. Dazu auch: Peter Bieri, Das Handwerk der
Freiheit. Über die Entdeckung des eigenen Willens, München 2001; Jan Philipp Reemtsma,
Über den Begriff »Handlungsspielräume«, in: Mittelweg 36, 11 (2002), S. 5 – 23; Alf Lüdtke,
»Fehlgreifen in der Wahl der Mittel«. Optionen im Alltag militärischen Handelns, in:
Mittelweg 36, 12 (2003), S. 61– 75.
59 Zur Spaltung vgl. Thomas Kühne, Die Victimisierungsfalle. Wehrmachtsverbrechen, Geschichtswissenschaft und symbolische Ordnung des Militärs, in: Michael Th. Greven; Oliver
von Wrochem (Hrsg.), Der Krieg der Nachkriegszeit. Der Zweite Weltkrieg in Politik und
Gesellschaft der Bundesrepublik, Opladen 2000, S. 183 –196.
23 »Zeigen heißt verschweigen«
Die zweite Ausstellung sucht nicht nach den Ursprüngen verbrecherischen Handelns, sondern fragt nach seinen strukturellen und
situativen Bedingungen, die sie als Gelegenheiten versteht, die unterschiedlich genutzt wurden. Dabei geht es auch um die grundsätzliche
Frage, inwiefern von einer Freiheit des Handelns überhaupt auszugehen
ist, welches Verhalten zu welchem Zeitpunkt und in welcher Situation
als angemessen, zumutbar oder verbrecherisch gelten kann oder muß.60
Die dokumentierten Verhaltenstypen verdeutlichen, daß die Freiheit
des Handelns stets eine Herausforderung, manchmal jedoch auch eine
Zumutung darstellt.
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V.
Über die Gründe, weshalb über die erste Ausstellung emotional
aufgeladen und zudem extrem kontrovers debattiert wurde, ist vielfach
nachgedacht und spekuliert worden. War es allein die Provokation, »Soldaten als Mörder« zu präsentieren, oder war es die polemische Rhetorik, die einen erheblichen Teil der Kriegsgeneration und oft auch deren
Kinder und Enkel gegen die Ausstellung mobilisierte, oder eher der
anklagende Gestus, mit dem über zentrale, möglicherweise auch traumatische Lebenserfahrungen ehemaliger Soldaten geurteilt zu werden
schien. Die Ausstellung hat provoziert, sie hat Befürworter und Gegner
emotionalisiert, sie hat auch irritiert und fasziniert, aber allein das
kann eine solche gesellschaftliche Reaktion nicht hinreichend erklären.
Vermutlich sind die Gründe auch nicht nur in der Ausstellung selbst,
sondern im vergangenheitspolitischen Kontext der 90er Jahre zu suchen.
Die erste Ausstellung hat mit dem Thema »Wehrmacht und Holocaust« generationenübergreifend offensichtlich ins Schwarze getroffen,
sie hat Bewußtseins- und Kommunikationslatenzen aktiviert und damit
diffuse Ängste und Aggressionen, unverarbeitete Erinnerungen und
bisher kontrollierte oder unbewußte Phantasien aufgerufen. Denn die
Ausstellung zeigte, was alle bereits geahnt, viele gewußt haben: Der Krieg
der deutschen Wehrmacht war verbrecherisch, und niemand konnte sich
davon fernhalten, daher hat ihn auch niemand unbeschadet überstanden. Das Bild des deutschen Soldaten als Opfer des Krieges war und ist
ebenso falsch wie das des skrupellosen Mörders. Die Frage nach der Beteiligung jedes einzelnen an diesem verbrecherischen Krieg ist nicht nur
deswegen so beunruhigend, weil sie sich auf Menschen bezieht, die wir
alle kennen, zu denen wir tiefe emotionale Beziehungen haben oder
hatten, die uns nach ihren Werten und Normen erzogen oder beeinflußt
haben, sondern auch, weil es Menschen sind, die ohne diesen Krieg
mehrheitlich völlig unauffällig geblieben wären. Die unterschiedlichen
Verletzungen und Deformationen, die dieser Vernichtungskrieg bewirkte,
60 Vgl. Reemtsma, Über den Begriff »Handlungsspielräume«, a. a. O., S. 9.
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weisen über die damaligen Akteure hinaus, nicht nur bei Opfern und
Tätern, sondern bei allen Beteiligten.
Es ist das Verdienst der ersten Ausstellung, eine öffentliche Auseinandersetzung ausgelöst zu haben, die kein wissenschaftliches Projekt
bis dahin ausgelöst hatte. Ihre öffentlichkeitswirksame Präsentation, nicht
zuletzt auch durch die bei ständigem Ortswechsel erzeugte regionale Verankerung der Debatte, verwischte die ansonsten starre Grenze zwischen
öffentlichem und familiärem Erinnern. Die Besucher hatten das Gefühl,
daß das, was in der Ausstellung zu sehen war, etwas mit ihnen zu tun
hatte, unabhängig davon, ob sie der Ausstellung positiv oder negativ
gegenüberstanden. Der Ausstellungsbesuch war für viele mit der Erfahrung verbunden, die schlimmsten Ahnungen und Phantasien bestätigt zu
finden.
Die erste Ausstellung schuf ein öffentliches Forum für diese psychischen Dynamiken, und trotz der erheblichen Defizite hätte dies nicht
zu einem Moratorium führen müssen. Schwerwiegender war der Umgang
mit berechtigter und unberechtigter Kritik. Die eher politisch ausgerichtete Argumentation der Ausstellung prägte auch von vornherein
die Debatte über sie, und die Reaktionen des Instituts verstärkten diese
Entwicklung noch. Das Maß der Politisierung war atemberaubend. Befürworter und Gegner wurden nach politischen Lagern kategorisiert, nicht
das Argument, sondern die »richtige« oder eben »falsche« Gesinnung
zählte. Wer die Ausstellung kritisierte, mußte fürchten, als Revisionist zu
gelten und damit unter Ideologieverdacht zu stehen. Die Autoren fühlten
sich von Feinden umzingelt, da gehörten Verschwörungstheorien zum
alltäglichen Geschäft. Daß eine solche Neuauflage ideologiegeleiteter Geschichtsdebatten Mitte der 90er Jahre möglich war, ist erklärungsbedürftig.
Die erste Ausstellung ist auch in der retrospektiven Wahrnehmung
ihres ehemaligen Leiters ein spätes Projekt der Generation von 1968.
Der damaligen systemorientierten Auseinandersetzung mit dem deutschen Faschismus sollte fast 30 Jahre später die direkte und persönliche
Konfrontation der Kriegsgeneration mit ihrer Beteiligung an den verübten Verbrechen folgen. Nun allerdings diktierten die ins Alter gekommenen Studenten die Regeln des Konfliktes. Die Debatte war über
weite Strecken eine Gesinnungsdebatte, die von vielen als Triumph
»linker« Überzeugungen gefeiert wurde. Obgleich viele kritische Einwände tatsächlich ausschließlich politisch motiviert und auch verleumderische Anschuldigungen nicht selten waren, deuteten die Ausstellungsverantwortlichen jeglichen Einwand als Angriff auf ihre antifaschistische
Grundüberzeugung. Mit einem Wahrnehmungsmuster, das die Welt allein
in Freund und Feind teilt, ließ sich auch wissenschaftliche Kritik als
politische Agitation oder »konzertierte Aktion« 61 abtun.
61 Vgl. Heer, Das Ende einer Ausstellung, a. a. O., S. 68.
25 »Zeigen heißt verschweigen«
Trotz der Erfolge erwies sich dieser Weg letztlich als Sackgasse. Das
Moratorium und die Schließung der ersten Ausstellung kennzeichnen
auch das Scheitern einer Geschichtspolitik, die ihr wissenschaftliches
Fundament verloren hatte. Eine Korrektur oder Überarbeitung der ersten
Ausstellung hätte dieser Erkenntnis nicht gerecht werden können. Zu
einer Neukonzeption gab es daher keine Alternative.
Seit November 2001 ist die zweite Ausstellung in insgesamt 13 Städten
zu sehen gewesen. Mehr als 400 000 Besucher haben sie gesehen. Bereits
bei ihrer Eröffnung war vielfach von »Konsensgeschichte« die Rede.
Die zweite »Wehrmachtsausstellung« – so Michael Jeismann in der FAZ –
markiere keinen »Schlußstrich, keine Ästhetisierung der Geschichte im
strikten Sinne, sondern die gelungene Metamorphose einer Vergangenheitswahrnehmung, die nun selbst historisch wird«.62 Viele wollen sie zudem als Ausdruck einer veränderten Erinnerungs- und Geschichtskultur
verstanden wissen. »Nicht mehr Dramatisierung und Emotionalisierung,
sondern eine verstärkte Historisierung bestimmt die gewandelte Geschichtspolitik in bezug auf die nationalsozialistische Vergangenheit, es
geht nicht länger um eine Generalanklage und das Austragen eines Generationenkonfliktes, wenn die Deutung und Aneignung der Erinnerung an die NS -Zeit im öffentlichen Diskurs verhandelt werden.« 63
Diesem eher positiven Verständnis von Konsens setzten andere entgegen, man habe konservativer Kritik Rechnung getragen und zudem wohl
auch auf die Gefühle der ehemaligen Soldaten Rücksicht genommen.
Die zweite Ausstellung stehe somit im Kontext einer ganzen Reihe von
Projekten und Forschungen, die in das Verschweigen und Verleugnen
vergangener Jahre zurückfielen.64 Diesen Kommentaren steht wiederum
die Auffassung gegenüber, die zweite Ausstellung bestätige nicht nur die
Grundaussage von der Beteiligung der Wehrmacht am Vernichtungskrieg, sondern zeichne durch die Fülle des Materials und der differenzierten Argumentation ein eher noch düsteres Bild als ihre Vorgängerin.
Mit der zweiten Ausstellung ist für die einen also ein überfälliger
Paradigmenwechsel verbunden, für die anderen hingegen ist sie Ausdruck eines gesellschaftspolitischen Normalisierungs- und Relativierungs-
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62 Vgl. Michael Jeismann, Das Ende der Wiedergänger, in: FAZ vom 29.11.2001; ausführ-
licher: Ders., Einführung in die neue Weltbrutalität. Zweimal »Verbrechen der Wehrmacht«:
Von der alten zur neuen Bundesrepublik, in: Sabrow, Zeitgeschichte als Streitgeschichte,
a. a. O., S. 229 – 262; ders., Auf Wiedersehen Gestern. Die deutsche Vergangenheit und die Politik
von morgen, Stuttgart 2001.
63 Hans-Ulrich Thamer, Vom Tabubruch zur Historisierung? Die Auseinandersetzung um
die »Wehrmachtsausstellung«, in: Sabrow, Zeitgeschichte als Streitgeschichte, a. a. O., S. 171–
186, Zitat S. 183.
64 Vgl. beispielsweise: Bernd Boll, Paradigmenwechsel in der Erinnerungskultur? Die Relativierung der NS-Verbrechen in der aktuellen Debatte, in: AK Erinnerungskultur, Weiter
erinnern?, S. 13 – 41; ebenso: Heer, Das Ende einer Ausstellung, a. a. O., S. 106 ff.
26 »Zeigen heißt verschweigen«
diskurses. Von vielen wird dafür ein »Generationenwechsel« verantwortlich gemacht, was auf den ersten Blick auch nachvollziehbar erscheint,
schließlich sind nun die meisten Ausstellungsmitarbeiter mit Geburtsjahrgängen zwischen 1960 und 1970 deutlich jünger als die »68er«.
Sicherlich spielt die altersspezifische Sozialisation im Hinblick auf Geschichtsbilder und Interpretationen eine gewichtige Rolle, allerdings verdeckt das inzwischen inflationär gebrauchte Generationenargument in
diesem Falle mehr als es erklärt. Der entscheidende Unterschied zwischen
erster und zweiter Ausstellung liegt in einem grundsätzlich anderen Wissenschafts- und Geschichtsverständnis, das über altersspezifische Deutungsmuster weit hinausgeht.
By the end of march 2004 the second exhibition »Verbrechen der Wehrmacht« comes
to its final closure. After nine years a project will be finished that left a sustainable
impact on the social, political and scientific debate of the nationalsocialist past. The
article puts the background concepts of both exhibitions into focus and clarifies the
different justifications and their different usage of visual sources.
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Summary
27 »Zeigen heißt verschweigen«