Dossier Uranwaffen Zeit
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Dossier Uranwaffen Dossier Uranwaffen 1 Zeit-Fragen 2006 Zeit-Fragen 2006 Nr. 13, 27. März 2006, Seite 1 Bunkerbrechende Atombomben gegen den Iran von Stephen M. Osborn, USA* Die neueste Information, die ich von den Gefolgsleuten von Bush bekommen habe, ist, dass er die Erlaubnis zum Einsatz von nuklearen «bunker busters» [bunkerbrechende Bomben] in einem Präemptivschlag gegen den Iran verlangt und erhalten hat. Als Veteran von Atomwaffeneinsätzen (Operation Redwing, Bikini-Atoll, 1956) kann ich bestätigen, dass das absoluter Wahnsinn ist. «Bunker buster» ist ein niedlich klingender Name für einen atomaren Horror. Atombombenexplosionen in der Luft sind schrecklich genug, indem sie unglaubliche Zerstörungen durch die Hitze, die Druckwelle und die hohe Anfangsverstrahlung verursachen. Der Fallout von einer solchen Explosion in der Luft wird auf dem gesamten Erdball registriert. Eine Atombombenexplosion auf der Erdoberfläche oder darunter ist aber noch viel tödlicher und hat viel länger andauernde Auswirkungen. 1954 - Das Bikini-Atoll in die Stratosphäre geschleudert Die «Castle Bravo»-Explosion auf dem Bikini-Atoll im Jahr 1954 war eine 15 Megatonnen starke Explosion auf der Erdoberfläche. Sie riss einen Krater mit einem Durchmesser von mehr als einer Meile [Landmeile: 1609m; Seemeile: 1853m] und 400 Fuss Tiefe [etwa 122m] in das Atoll, löschte die Insel komplett aus und verdampfte über 13 Milliarden Kubikfuss [entspricht ca. 370000000m3] Korallen, Fels und Wasser, die in einer radioaktiven Wolke in die Stratosphäre geschleudert wurden. Der Fallout über dem windabgewandten Bereich des Atolls war zerstörerisch für die Menschen und die Ökologie dort. All dieses Material ist durch die Explosion extrem radioaktiv, und wenn es sich abkühlt, kondensiert es und fällt als Regen oder radioaktiver «Schnee», der alles vergiftet, was damit in Berührung kommt. Die Auswirkungen sind bis heute weltweit zu spüren. Erst «bunker busters», dann Atombombe nach Atombombe in das gleiche Loch Wenn die «bunker busters» von «dem Bush»1 im Iran - oder auch irgendwo sonst - abgeschossen werden, werden Hunderttausende von Tonnen Erde, Wasser und Fels verdampft, und diese radioaktive Suppe wird vom Wind verteilt und wird ganze Bevölkerungen töten und krank machen. Diejenigen, die sich unmittelbar auf der windabgewandten Seite befinden, werden schnell sterben, in Stunden oder Tagen. Bei denjenigen etwas weiter weg auf der windabgewandten Seite wird es etwas länger dauern. Das weltweite Auftreten von Krebs und Krankheiten wird markant ansteigen. Die Landstriche auf der windabgewandten Seite werden für Generationen vergiftet und unbrauchbar bleiben. Für den Fall, dass die Bunker tief eingegraben sind, haben die Konstrukteure der Bomben vorhergesagt, dass die «bunker buster» nicht tief genug in Dossier Uranwaffen 2 Zeit-Fragen 2006 den Boden eindringen können, um sie zu zerstören. Ich gehe davon aus, dass das zur Folge hätte, dass für den Angriff eine Atombombe nach der anderen in dasselbe Loch geworfen würde, um die Angriffstiefe zu erreichen. Man stelle sich die Intensität des radioaktiven Desasters vor, das dadurch über die Gegend gebracht würde. Es sind nicht mehr viele von uns übrig, die damals die Tests miterlebt haben, aber es gibt eine Reihe von Gruppen, die die Auswirkungen davon auf die Krebserkrankungen, die physischen und psychischen Geburtsdefekte sowie die Auswirkungen auf die Umwelt beobachten. Die Wirkungen der damaligen Tests dauern bis heute an. Ich bin im Besitz von E-Mails von Menschen aus den windabgewandten Gegenden und von Kindern von Menschen aus den windabgewandten Gegenden, die wiederum Kinder haben, die Geburtsschäden aufweisen, die sich nicht mit der Familiengeschichte begründen lassen, und die an Krebserkrankungen leiden, die für den Einfluss von atomarer Strahlung typisch sind. «Depleted Uranium» - Halbwertszeit von 4,5 Milliarden Jahren Derzeit sind wir mit dem Schreckgespenst von Depleted Uranium [DU] konfrontiert, das in Luftfiltern rund um die Welt auftaucht. Depleted Uranium ist ein Nebenprodukt der Atomindustrie. Es handelt sich um ein extrem dichtes Material mit geringer Radioaktivität. Die Halbwertszeit von DU beträgt 4,5 Milliarden Jahre. Arbeiter, die mit DU in Berührung kommen, müssen vollständige Schutzausrüstungen und Atemgeräte tragen. DU-Munition ist extrem hart und dicht. Sie durchdringt Panzerungen wie Papiertaschentücher, wobei sie verdampft und verbrennt und Staub und kleine Partikel als Splitter hinterlässt, die mit der Nahrung aufgenommen oder eingeatmet werden können. DU ist nicht das, was die Öffentlichkeit unter radioaktivem Material versteht. Es versendet lediglich Alpha- und Betastrahlung. Ein Stück Papier kann diese Strahlung aufhalten. Wenn es sich jedoch in der Lunge oder sonst irgendwo im Körper befindet, wo es mit lebendem Gewebe in Kontakt kommt, wird es dieses Gewebe für den Rest des Lebens der betreffenden Person und auch danach mit Strahlung niedriger Dosierung bombardieren. Diese Strahlung kann Krebserkrankungen, genetische Schäden und eventuell auch den Tod verursachen. Unabhängige Laboratorien, wie etwa das der John Hopkins University haben dazu Studien durchgeführt und Prognosen zur Gefährlichkeit veröffentlicht. Die Regierung sagt, wie sie dies schon bei «Agent Orange» getan hat: «Es ist nichts dran, ihr bildet euch das alles nur ein.» In der Zwischenzeit werden Generationen von Menschen weiter krank und werden sterben. Tschernobyl war keine Atomexplosion. Es handelte sich lediglich um ein sehr heisses und hartnäckiges Feuer mit atomarem Brennstoff. Tschernobyl und eine riesige Umgebung sind für geschätzte 300 bis 600 Jahre unbewohnbar. Der Fallout von Tschernobyl vergiftete Nahrungsmittel und Vieh in ganz Europa und Skandinavien für lange Zeit, und die Strahlung kann in der Erde und in lebenden Dingen immer noch nachgewiesen werden. Das Imperium usurpiert den Weltraum als Aufmarschgebiet für seine Kriege Ich und viele tausend andere haben seit vielen Jahren daran gearbeitet, die atomare Bedrohung zu beenden. Verträge wurden entworfen und ratifiziert. So gibt es etwa den Vertrag über die friedliche Nutzung des Weltraums, der garantiert, dass keine Nation den Weltraum als Basis für Kriegsführung verwendet. Dieser Vertrag wird jetzt von dem amerikanischen militärischen Establishment als naiv verhöhnt. Wir sind bereit, den Weltraum rund um den ganzen Erdball unter unsere Kontrolle zu bringen, um daraus ein Aufmarschgebiet für Angriffe auf jede «Bedrohung» der Hegemonie der Vereinigten Staaten zu machen. Ein anderes Beispiel ist der Atomwaffensperrvertrag, der verhindern sollte, dass Dossier Uranwaffen 3 Zeit-Fragen 2006 Atomwaffentechnologie sich auf der Welt verbreitet. «Der Bush» hat die Anwendung auf diejenigen eingeschränkt, die in seiner Wahrnehmung irgendwann einmal in der Zukunft eine Bedrohung für die amerikanische Vorherrschaft sein könnten. Unsere «Freunde» können bauen, was sie wollen. Wir helfen ihnen sogar dabei. Oder die Abrüstungsvereinbarung zwischen uns und der UdSSR. Das war ein Vertrag mit dem Ziel, Atomwaffen und Trägersysteme auf der Grundlage von Gegenseitigkeit zu zerstören, wobei Beobachter beider Länder die Zerstörung überwachen sollten. «Der Bush» und Putin haben beschlossen, das zu ändern, indem sie die Waffen einlagern, anstatt sie zu zerstören. Einlagern bedeutet Verfügbarkeit für Schwarzmarkthändler, die die schlecht bezahlten Wachen bestechen und die Waffen und das waffenfähige Material an sich bringen können, um es dem Meistbietenden zu verkaufen. Verträge bedeuten dieser Regierung natürlich nichts, wenn sie ihren Profiten oder ihrer Macht im Weg sind. Die Genfer Konvention über die Behandlung von Gefangenen wird ignoriert, die Internationalen Vereinbarungen gegen Folter werden ignoriert, die Grundsätze unserer eigenen Verfassung zum Schutz der Menschenrechte, die das Recht auf Privatsphäre und die Freiheit der Meinungsäusserung garantieren, werden von «dem Bush» und seinen Lakaien ausser Kraft gesetzt, die Charta der Vereinten Nationen wird ignoriert oder verhöhnt. Das Kyoto-Protokoll über die globale Erwärmung und andere Studien werden von dieser Administration ignoriert, weil sie deren kurzfristigen Profitinteressen im Weg stehen. All diese Verletzungen der Menschlichkeit werden jedoch von der Möglichkeit in den Schatten gestellt, dass wir Atomwaffen einsetzen. Die Auswirkungen davon werden so erschütternd sein wie die globale Erwärmung und die Umweltverschmutzung. Das kann ganz einfach verhindert werden, indem man sie nicht einsetzt, aber wir können uns in keiner Weise darauf verlassen, dass «der Bush» das tut, wenn wir ihn nicht stoppen, indem wir ihm den Gebrauch von Atomwaffen absolut verbieten. Noch besser wäre es, ihm zu verbieten, sogenannte «präemptive Kriege» gegen jeden zu führen, der anderer Meinung ist als er. Bitte lesen Sie sich in das Thema selbst ein, und bestehen Sie dann darauf, dass der Einsatz von Atomwaffen inakzeptabel ist, ganz gleich zu welchem Zweck. Als einer, der dem nuklearen Drachen begegnet ist und überlebt hat, kann ich nur sagen, dass «Ban the Bomb» nicht nur ein Slogan ist, es ist eine Notwendigkeit. 1 Anmerkung des Übersetzers: Im gesamten Artikel ist nicht von «Bush», sondern von «dem Bush» die Rede. Das ist keineswegs ein Druckfehler. Ich halte die im Amerikanischen nicht allgemein gebräuchliche, grammatikalische Verwendung des Artikels für eine Anspielung auf «den Führer» ... Hier sind einige Links für diejenigen, die sich vertiefter in das Thema einlesen wollen: Dies ist meine Seite auf der Atomic Veterans site. Sie enthält Schriften über meine nuklearen Erfahrungen. Erforschen Sie auch den Rest der Seite. www.aracnet.com/~pdxavets/osborn.htm Downwinders [Menschen aus den windabgewandten Gegenden] sind solche, die infolge unserer Atomtests hier oder im Pazifik radioaktiver Strahlung ausgesetzt waren. www.downwinders.org Es gibt eine Reihe von interessanten Seiten zum Thema Tschernobyl, aber diese beiden treffen wirklich ins Schwarze. http://library.thinkquest.org/3426/ beschäftigt sich mit den Zusammenhängen und den Auswirkungen von Tschernobyl auf die Welt. Die Kiddofspeed Seite ist die Seite einer mutigen Frau namens Elena, die mit ihrem Motorrad eine Reise durch Tschernobyl und seine Umgebung gemacht und fotografiert hat, was sie dort gesehen hat. www.kiddofspeed.com/chapter1.html Depleted Uranium wird auf vielen Seiten einschliesslich der folgenden behandelt: www.iacen- Dossier Uranwaffen 4 Zeit-Fragen 2006 ter.org/depleted/du.htm. Wenn man Depleted Uranium «googelt», kommt man auf ungefähr fünf Millionen Treffer. Davon sind viele Rechtfertigungen der Regierung, die sagen, DU sei harmlos oder so gut wie harmlos. www.cadu.org.uk www.cadu.org.uk ist die Seite des Committee Against Depleted Uranium und sehr lesenswert. www.ccnr.org/bertell_book.html www.ccnr.org/bertell_book.html ist eine Seite über DU und das Golfkriegssyndrom, die sich auch mit einigen Umweltproblemen beschäftigt, die bei der Herstellung von DU-Waffen für die Ökologie in der Umgebung der Fabriken entstehen. Quelle: GlobalResearch.ca *Stephen M. Osborn ist freischaffender Journalist und lebt auf der Insel Camano im Nordwestpazifik. Er ist ein «Atom-Veteran» (Operation Redwing, Bikini-Atoll, 1956), der sich immer sehr aktiv für atomare Abrüstung und den Weltfrieden eingesetzt und darüber publiziert hat. Er ist pensionierter Feuerwehrhauptmann, Segler, Schriftsteller, Dichter, Philosoph, Historiker und ehemaliger Kolumnist. Nr. 22, 29. Mai 2006, Seite 1, 2, 11, 12 Depleted Uranium: abgereichertes Uran Ein Verbrechen gegen Gott und die Menschheit von Doug Westerman 1979 sind Teile von abgereichertem Uran (DU = depleted uranium) aus einer Fabrik der National Lead Industries in der Nähe von Albany, New York, entwichen. Dort wurden DU-Waffen für das amerikanische Militär hergestellt. Diese Teilchen legten eine Strecke von 26 Meilen zurück und wurden in einem Laborfilter von Dr. Leonard Dietz, einem Atomphysiker, entdeckt. Die Entdeckung führte zur Schliessung der Fabrik im Jahre 1980, da aus ihr mehr als 386g DUStaub pro Monat in die Atmosphäre entwichen. Die Angelegenheit erforderte zudem eine Säuberung von kontaminierten Liegenschaften, die über 100 Millionen Dollar kostete. Stellen Sie sich nun ein weitaus schlimmeres Szenario vor: Terroristen gelangen in den Besitz von 450 Tonnen dieses todbringenden Staubs und verstreuen ihn über bewohnte Gebiete in den USA. Hunderte von Kindern klagen über Symptome. Viele erkranken an Krebs und Leu kämie, erleiden einen frühen und schmerzvollen Tod. Es wird über einen hohen Anstieg von schlimmen Missbildungen bei Neugeborenen berichtet. Onko logen sind überlastet. Fussballfelder, Sandkästen und Parks, herkömmliche Spielplätze für Kinder sind nicht mehr sicher. Die Menschen verlieren ihre grundlegendste Freiheit, die Möglichkeit hinauszugehen und gefahrlos zu atmen. Hört sich das schlimmer an als der 11. September? Willkommen im Irak und in Afghanistan. Dr. Jawat Al-Ali (55), Direktor des onkologischen Zentrums des grössten Krankenhauses in Basra, Irak, berichtete 2003 auf einer Konferenz in Japan: «In Basra sind zwei seltsame Phänomene aufgetreten, die ich noch nie zuvor Dossier Uranwaffen 5 Zeit-Fragen 2006 gesehen habe. Das erste ist Doppel- und Dreifachkrebs bei einem Patienten. Zum Beispiel Leukämie und Magenkrebs. Wir hatten einen Patienten mit zwei Krebsarten, einen im Magen und einen in den Nieren. Monate später entwickelte sich der erste Krebs in seiner anderen Niere – nun hatte er drei verschiedene Krebsarten. Das zweite Phänomen ist die Häufung von Krebsfällen in Familien. Wir haben bei uns 58 Familien, in denen mehr als eine Person von Krebs betroffen ist. Dr. Yasin, einer unserer Chirurgen, hat zwei Onkel, eine Schwester und einen Cousin, die krebskrank sind. Dr. Mazen, ein anderer Spezialist, hat sechs Familienmitglieder, die an Krebs leiden. Meine Frau hat neun Familienmitglieder, die Krebs haben.» «Kinder sind besonders anfällig für DU-Vergiftungen. Sie haben eine weitaus höhere Aufnahmerate, weil ihr Blut zur Knochenbildung und -ernährung gebraucht wird und sie viele Weichteile haben. Knochenkrebs und Leukämie waren bisher die Krankheiten, von denen sie am meisten betroffen waren, aber nun ist es auch Lymphkrebs, der sich überall im Körper ausbreiten kann und bisher selten im Alter unter zwölf auftrat, verbreitet.» «Vor dem Krieg hat man uns vorgeworfen, Propaganda für Saddam zu betreiben. Als ich anfing, darüber zu sprechen, gab es Leute, die mir vorwarfen, ich sei für Saddam. Manchmal habe ich Angst, überhaupt zu sprechen. Anhänger des Regimes haben mir meine Daten gestohlen, sie als ihr Eigentum bezeichnet und sie für ihre eigenen Vorhaben genutzt. Die Kuwaiter haben mir verboten, Kuwait zu betreten – man warf uns vor, Saddam-Anhänger zu sein.» Die Arroganz dieser Leute im Pentagon ist unfassbar John Hanchette, Professor für Journalistik an der St. Bonaventure University und einer der Gründungsherausgeber von «USA TODAY», berichtete dem DU-Forscher Leuren Moret folgendes. Er habe Artikel vorbereitet, die Neuigkeiten über die Auswirkungen von DU auf Soldaten im Golfkrieg und Bürger des Irak bekanntmachen. Jedesmal jedoch, wenn er soweit gewesen sei, sie zu veröffentlichen, habe er einen Telefonanruf vom Pentagon erhalten, in dem er darum gebeten wurde, den Artikel nicht zu drucken. Mittlerweile ist er als Herausgeber von «USA TODAY» ersetzt worden. Dr. Keith Baverstock, seit elf Jahren Hauptexperte für Strahlung und Gesundheit bei der Weltgesundheitsorganisation und Autor einer bisher unveröffentlichten Studie, bestätigte, dass sein Bericht «Über das Krebsrisiko für Zivilisten im Irak durch Einatmen von kontaminiertem Uranstaub» ebenfalls absichtlich unterdrückt wurde. Auf die Information, die von dem US-Verteidigungsministerium herausgegeben wurde, ist kein Verlass, wie man einigen Quellen selbst aus den Reihen des Militärs entnehmen konnte. 1997 berichtete Dr. Asaf Durakovic, damals Professor für Radiologie und Nuklearmedizin an der Georgetown University in Washington, von Experimenten anderer Wissenschafter, in welchen 84% der Hunde, die Uranstaub einatmen mussten, an Lungenkrebs starben. Er wurde folgendermassen zitiert: «Die Behörde für Veteranen in der US-Regierung forderte mich auf zu lügen, was die Risiken einer Aufnahme von DU in den menschlichen Körper betrifft.» Dossier Uranwaffen 6 Zeit-Fragen 2006 Damals war Dr. Durakovic Oberst der US-Armee. In der Zwischenzeit hat er das Militär verlassen und gründete das Uranium Medical Research Center [Medizinisches Forschungszentrum für Uran], eine von privaten Geldern finanzierte Organisation mit Hauptsitz in Kanada. Beim Gefreiten Stuart Grainger von der 23. Division, 34. Zug (Name und Truppenzugehörigkeit geändert), wurde Mehrfachkrebs diagnostiziert, nachdem er aus dem Irak zurückgekehrt war. Sieben andere Männer desselben Zuges haben ebenfalls bösartige Tumoren. Die «schmutzige» Bombe aus dem Pentagon Doug Rokke, der nach dem ersten Golf-Krieg im Auftrag der US-Armee eine Säuberungsaktion in Zusammenhang mit Depleted Uranium leitete, erklärt: «Depleted Uranium ist ein Verbrechen gegen Gott und die Menschheit». Rokkes eigene Mannschaft war zugrunde gerichtet, nachdem sie dem Feinstaub ausgesetzt war. Er hielt fest: «Als wir zum Golf aufbrachen, waren wir alle vollkommen gesund.» Nachdem sie in der Wüste Säuberungsaktionen durchgeführt hatten (fälschlicherweise ohne Schutzausrüstung), sind 30 Mitglieder seiner Mannschaft gestorben, und die meisten anderen, auch Rokke selbst, entwickelten ernsthafte Gesundheitsprobleme. Rokke leidet heute unter Erkrankungen der Atemwege, neurologischen Schädigungen, grauem Star und Nierenproblemen. «1991, nach dem Golfkrieg, haben wir das Verteidigungsministerium gewarnt. Die Arroganz dieser Leute ist unfassbar.» Nichtsdestotrotz besteht das Verteidigungsministerium noch immer darauf, dass eine solche Uran-Aufnahme «in den meisten Fällen nicht ausreicht, um bei den Truppen ernsthafte Krankheiten hervorzurufen». Warum aber erkrankten dann die Männer des Säuberungsteams fast alle schwer oder sogar tödlich? Radioaktive Partikel, die ein Zehntel eines Mikrometers (ein Millionstel Meter) gross sind, werden in der Luft verteilt Marion Falk, ein pensionierter Chemophysiker, der im Lawrence Livermore Lab 20 Jahre lang Atombomben gebaut hat, wurde gefragt, ob er glaube, dass Waffen mit DU ähnlich wirken wie ‹schmutzige Bomben›. «Genau das trifft auf diese Waffen zu. Die Beschreibung der ‹schmutzigen Bombe› passt in jeder Hinsicht.» Nach Falk werden mehr als 30% des abgereicherten Urans, das aus den Geschützrohren der US-Panzer abgefeuert wird, so zerkleinert, dass die Partikel beim Aufprall ein Zehntel eines Mikrometers (ein Millionstel Meter) oder noch kleiner sind. «Je grösser die Energie ist», erklärte Falk, desto mehr abgereichertes Uran werde in der Luft verteilt. Handelt es sich um grössere Raketen oder Bomben, werden fast 100% des Urans zu radioaktiven Staubteilchen von der Grösse eines Mikrometers oder noch weniger zerkleinert. Bomben mit Depleted Uranium sind die perfekte Waffe, um massenhaft Menschen umzubringen Auf die Frage, ob der Hauptzweck dieser Waffe darin bestehe, Material zu zerstören und Menschen zu töten, wurde Falk sehr deutlich: «Ich würde sagen, es ist die perfekte Waffe, um massenhaft Menschen umzubringen.» Dossier Uranwaffen 7 Zeit-Fragen 2006 Trifft eine Ladung DU-Munition oder eine Bombe mit DU auf ein hartes Ziel, wird der grösste Teil von deren kinetischer Energie in Hitze umgewandelt, die ausreicht, um das abgereicherte Uran zu entzünden. Zwischen 40% und 70% des abgereicherten Urans verwandeln sich in feinste Staubteilchen aus keramischem Uranoxid (vor allem Dioxid, obwohl auch andere Zusammensetzungen vorkommen). Über 60% dieser Partikel sind kleiner als 5 Mikrometer im Durchmesser, das heisst, sie sind ungefähr so gross wie die Aschepartikel im Zigarettenrauch und können daher eingeatmet werden. Auf Grund der chaotischen Verhältnisse im Irak hat die medizinische Infrastruktur grossen Schaden genommen. Deshalb wird nur ein kleiner Teil der durch DU verursachten Fälle von Krebs und Missbildungen bei Neugeborenen gemeldet. Grässlichste Missbildungen bei Neugeborenen sind heute alltäglich Die Ärzte im Süden des Irak vergleichen die Missbildungen bei Neugeborenen mit denjenigen, die als Folge der Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki im Zweiten Weltkrieg auftraten. Sie haben zahlreiche Photographien von Kindern, die ohne Gehirn auf die Welt kamen, solche, deren innere Organe aussen lagen, Babys ohne Geschlechtsorgane, ohne Rückgrat – die Liste der Missbildungen liesse sich endlos fortsetzen. Bevor die DU-Waffen im grossen Stil eingesetzt wurden, waren solche Geburtsschäden im Irak ausserordentlich selten. Heute sind sie alltäglich. Im ganzen Irak fragen die Mütter nicht mehr: «Doktor, ist es ein Junge oder ein Mädchen?», sondern sie fragen: «Doktor, ist es normal?» Die Photos sind grauenvoll, sie können auf der folgenden Website angeschaut werden: www.xs4all.nl/~stgvisie/VISIE/extremedeformities.html Ross B. Kirkarimi, ein Sprecher des Arms Control Research Centre stellte fest: «Den höchsten Preis müssen die ungeborenen Kinder der Region zahlen: die Unversehrtheit ihrer DNS.» Bevor sie im September 2004 an Leukämie starb, schrieb Nuha Al Radi, eine bekannte irakische Künstlerin und Autorin der «Bagdader Tagebücher»: «Jeder scheint an Krebs zu sterben. Jeden Tag hört man von einem neuen Bekannten oder dem Freund eines Freundes, der stirbt. Wie viele andere sterben noch in den Hospitälern, die man nicht kennt? Offenbar leiden über 30% der Iraker an Krebs und sehr viele Kinder an Leukämie. Das abgereicherte Uran, das die amerikanischen Bombardemente im Land hinterlassen haben, hat den Irak zu einem krebsverseuchten Land gemacht. Noch Hunderte von Jahren werden die Wirkungen des Urans im Irak und in den umliegenden Regionen Schaden anrichten.» Diesen Auszug ihres Tagebuchs schrieb die Autorin 1993 nach dem ersten GolfKrieg (im Zuge dessen etwa 300 Tonnen abgereichertes Uran, hauptsächlich in Wüstengebieten, niedergingen), aber noch vor der Operation «Iraqi Freedom» (im Zuge derer geschätzte 1700 Tonnen eingesetzt wurden, davon viel grössere Mengen in der Nähe grösserer Siedlungsgebiete). Also ist es heute fünf- bis sechsmal schlimmer als damals, als sie diesen Tagebucheintrag schrieb. Über eine Million Pfund Uranstaub im Irak verteilt Dossier Uranwaffen 8 Zeit-Fragen 2006 Die Schätzungen über den Prozentsatz des DU, der zu feinem Uranoxidstaub «aerosoliert» [zu Schwebeteilchen] wurde, belaufen sich auf 30 bis 40%. Das macht über eine Million Pfund Staub, der im Irak verteilt wurde. Als Sonderberater bei der WHO, bei den Vereinten Nationen und dem irakischen Gesundheitsministerium hat Dr. Ahmad Hardan die Wirkungen von DU im Irak zwischen 1991 und 2000 dokumentiert: «Die amerikanischen Streitkräfte haben zugegeben, 1991 über 300 Tonnen DU-Waffen eingesetzt zu haben. Die tatsächliche Zahl liegt eher bei 800 Tonnen. Das hat eine Gesundheitskrise zur Folge gehabt, die etwa eine Drittelmillion Menschen betroffen hat. Und als ob das nicht gereicht hätte, fuhren die USA fort und brachten bei der kürzlichen Invasion allein in Bagdad noch einmal 200 Tonnen zum Einsatz. Über andere Gebiete im Irak weiss ich noch nicht Bescheid. Es wird mich Jahre in Anspruch nehmen, um das zu dokumentieren. In Basra haben wir zwei Jahre gebraucht, bis wir den endgültigen Beweis vorlegen konnten, was DU anrichtet. Aber jetzt wissen wir Bescheid, und die Resultate sind beängstigend.» Zu den weitaus zerstörerischsten Wirkungen führt es bei ungeborenen Kindern. Man kann den Anblick dieser Hunderte von konservierten Föten nicht ertragen, die «kaum noch menschlich aussehen. Der Irak sieht heute Babys mit furchtbar verkürzten Gliedmassen, mit ihren Eingeweiden ausserhalb ihres Körpers, mit riesigen vorgewölbten Tumoren, wo die Augen sein sollten, solche mit nur einem einzigen Auge wie ein Zyklop oder ohne Augen, oder ohne Glieder und sogar ohne Köpfe. Einige dieser Missbildungen sind gänzlich unbekannt. Man kennt sie nur aus den Fachbüchern über Babys, die in der Nähe der Atombombentestgelände im Pazifik geboren wurden». USA verhindern den wissenschaftlichen Austausch Dr. Hardan stellt ausserdem fest: «Ich habe für eine Delegation aus dem japanischen Hiroshima Hospital eine Reise organisiert. Sie sollten zu einem Erfahrungsaustausch über radiologische Krankheiten, die wir mit der Zeit noch zu erwarten haben, herkommen. Die Delegation liess mich wissen, dass die Amerikaner Einwände erhoben und sie daher beschlossen hätten, nicht zu reisen. Ähnlich erging es einem berühmten deutschen Krebsspezialisten, der zugesagt hatte zu kommen – worauf man ihm mitteilte, dass man ihm die Erlaubnis, in den Irak einzureisen, verweigert.» Afghanistan nicht vergessen Nicht genug, dass wir die Menschen im Irak und in Afghanistan vergiften, in einer konzertierten Aktion verhindern wir auch noch, dass Fachleute aus anderen Ländern helfen könnten. Das US-Militär «will nicht, dass der Rest der Welt erfährt, was wir getan haben». Eine solche schnelle Entwicklung von Krebserkrankungen wurde von Spitalärzten berichtet, die nach dem Nato-Bombardement Jugoslawiens mit DU in den Jahren 1998/99 Zivilisten behandelten [Anmerkung «Zeit-Fragen»: Ähnliche Missbildungen wurden damals aus Jugoslawien bei landwirtschaftlichen Nutztieren berichtet] und auch nach der US-Militärinvasion des Irak im Jahr 1991, bei der zum erstenmal abgereichertes Uran verwendet wurde. Medizinexperten berichten, dass dieses Phänomen der multiplen bösartigen Tumoren, die unabhängig voneinander entstehen, bisher unbekannt war, und dass es ein neues Syndrom darstellt, das mit der Wirkung des aufgenommenen DU im Körper innern zusammenhängt. Dossier Uranwaffen 9 Zeit-Fragen 2006 Genau 467 US-Soldaten wurden im dreiwöchigen Golf-Krieg von 1990/91 verwundet. Von den 580000 Soldaten, die im ersten Golf-Krieg Dienst taten, sind heute 11000 tot, und bis zum Jahr 2000 waren 325000 dauerhaft invalid. Diese unglaubliche Zahl invalider Veteranen bedeutet, dass 56% der Soldaten, die im ersten Golf-Krieg dienten, 10 Jahre später medizinische Probleme haben. Tokio-Tribunal – an den Prinzipien des Internationalen Strafrechts und des Internationalen Völkerrechts orientiert – verurteilt Bush als Kriegsverbrecher Obwohl die amerikanischen Mainstream-Medien nichts davon berichteten, hat kürzlich ein Tokio-Tribunal, das sich an den Prinzipien des Internationalen Strafrechts und des Internationalen Völkerrechts orientiert, Präsident George W. Bush der Kriegsverbrechen für schuldig befunden. Am 14. Mai 2004 berichtet Nao Shimoyachi in «The Japan Times», Präsident Bush sei «des Angriffs auf Zivilisten mit wahllos wirkenden und anderen Waffen» schuldig gesprochen worden. Das Tribunal «veröffentlichte ausserdem Empfehlungen zur Ächtung von DU-Munition und anderen Waffen, die Menschen wahllos verletzen». Obwohl es sich um ein «Bürgergericht» ohne rechtliche Befugnis handelte, war es den Teilnehmern sehr ernst mit ihrer Feststellung, dass das Völkerrecht verletzt wurde und eine Verurteilung wegen Kriegsverbrechen gerechtfertigt ist. Nicht nur die an den aktuellen Kämpfen beteiligten Truppen berichten über Krankheitssymptome. Vier Soldaten einer New Yorker Nationalgardeeinheit, die im Irak Dienst tun, gehören zu einer Gruppe von Soldaten derselben Kompanie, der 442. Militärpolizeikompanie, die angeben, dass sie ständig mit körperlichen Leiden zu kämpfen haben, die letzten Sommer in der irakischen Stadt Samawah anfingen. «Ich wurde im Juni sofort krank», sagte Sergeant Ray Ramos, ein Polizist, der in Brooklyn wohnt. «Meine Gesundheit wurde immer schlechter; ich hatte jeden Tag Kopfweh, ständige Taubheit in den Händen und Ausschläge am Bauch.» Uran Medical Research Centre: Strahlung der Luft-, Boden- und Wasserproben um das mehrere hundert- bis mehrtausend-fache über der Norm: Dr. Asaf Durakovic, Begründer des UMRC (Uran Medical Research Centre) und Experte für Nuklearmedizin, untersuchte und testete neun Soldaten dieser Kompanie. Er sagt, dass sie «mit allergrösster Wahrscheinlichkeit» radioaktiven Staub explodierter, mit DU hergestellter amerikanischer Granaten eingeatmet hätten. In Labortests entdeckte man in Urinproben von vier Soldaten Spuren zweier künstlich hergestellter Formen von Uran. Wenn das stimmt, dann sind diese Männer, Sergeant Hector Vega, Sergeant Ray Ramos, Sergeant Agustin Matos und Korporal Anthony Yonnone – die ersten bestätigten Fälle, die im jetzigen Irak-Krieg abgereichertes Uran eingeatmet haben. Die 442. Kompanie besteht hauptsächlich aus New Yorker Polizisten, Feuerwehrleuten und Strafvollzugsbeamten. Sie hat ihre Basis in Orangeburg in Rockland County. Ostern 2003 wurden sie in den Irak geschickt. Dort bewachten sie Konvois, leiteten Gefängnisse und bildeten irakische Polizisten aus. Die gesamte Kompanie soll bis Ende dieses Monats nach Hause zurückkehren. «Das sind verblüffende Ergebnisse; besonders, weil diese Soldaten zur Militärpolizei gehören und nicht der Hitze der Schlacht ausgesetzt waren», erklärte Dr. Asaf Duracovic, der die GIs untersuchte und die Tests durchführte. Dossier Uranwaffen 10 Zeit-Fragen 2006 Bei sieben von den acht Soldaten einer US-geführten Gruppe der Koalitionstruppen, deren Babys ohne Augen zur Welt kamen, steht fest, dass sie direkt dem DU-Staub ausgesetzt waren. Bei einer viel grösseren Gruppe (250 Soldaten), die dem DU während des ersten Golf-Kriegs ausgesetzt waren, wurden 67% der Kinder, die nach dem Krieg gezeugt wurden, mit Missbildungen geboren. Das Forschungsteam von Dr. Durakovic am UMRC führte im Oktober 2003 auch eine dreiwöchige Forschungsreise in den Irak durch. Das Team nahm in zehn Städten, darunter Bagdad, Basra und Najaf, 100 Proben von verschiedenen Substanzen wie Boden, Urin von Zivilisten und Gewebe von Leichen irakischer Soldaten. Durakovic sagte, die ersten Tests zeigten, dass die Strahlung der Luft-, Boden- und Wasserproben die normalen Werte um das mehrere hundertbis mehrtausend-fache überstiegen. «Diese hohe Strahlenbelastung erklärt sich daraus, dass in diesem Jahr sehr viel mehr DU verwendet wurde als (im ersten Golf-Krieg) 1991», sagte Durakovic gegenüber «The Japan Times». «Sie behindern unsere Bemühungen, den Zusammenhang zwischen DU und diesen Krankheiten zu beweisen,» sagte Durakovic. «Sie wollen nicht zugeben, dass sie Kriegsverbrechen begangen haben», indem sie Waffen einsetzen, die wahllos töten und die durch das Völkerrecht verboten sind. (Anmerkung zu Dr. Durakovic: Zuerst wurde er ermahnt, seine Arbeit zu beenden, dann wurde er von seinem Posten entlassen, dann wurde sein Haus durchwühlt. Er hat auch berichtet, dass er Todesdrohungen erhalten hat. Offensichtlich ist das US-Verteidigungsministerium sehr darauf erpicht, Informanten im Zusammenhang mit DU auszuschalten; siehe Kasten.) Dr. Asaf Durakovic arbeitete in England, Kanada und den USA während über 30 Jahren auf dem Gebiet der Strahlenbiologie. Seine Arbeit fand den Beifall der Defense Nuclear Agency, des Forschungszentrums der US-Armee. Oberst Durakovic arbeitete 19 Jahre als Militärarzt für das Verteidigungsministerium. Er arbeitete als Chef der Nuklearmedizin am Wilmington Vet-Center des US-Department of Veterans affairs in Wilmington, Del., als er damit begann, die Gesundheit der Veteranen des ersten Golf-Krieges zu untersuchen. Nachdem immer wieder Proben abhanden gekommen waren, wurde er 1997 entlassen mit der Begründung, man brauche keine Vollzeitstelle für einen Nuklearmediziner. Diagnostische Unterscheidung zwischen natürlichem Uran und DU mittels TIMS In der Ausgabe vom August 2002 von Military Medicine [der Zeitschrift der Organisation der Ärzte und des medizinischen Personals in den amerikanischen Streitkräften, AMSUS] veröffentlichten Dr. Durakovic und seine wissenschaftlichen Mitarbeiter am UMRC, Patricia Horan und Leonard Dietz, eine bislang einzigartige Studie. Die Studie gilt als die erste, welche die Auswirkungen inhalierten DUs unter Golf-Kriegs-Veteranen thematisiert; dabei wurde die hochsensible Technik der Thermionen-Massenspektrometrie (thermal ionization mass Dossier Uranwaffen 11 Zeit-Fragen 2006 spectrometry TIMS) angewandt. Diese Technik erlaubt es, sehr präzise zwischen natürlichem Uran und DU zu unterscheiden. Die Studie untersuchte britische, kanadische und amerikanische Kriegsveteranen, die alle an den typischen Beschwerden des Golf-Kriegs-Syndroms litten. 9 Jahre nach dem Krieg wurde bei 14 von 27 Veteranen DU im Urin festgestellt. DU wurde ausserdem in der Lunge und in den Knochen eines verstorbenen Veteranen gefunden. Dass die Regierung selbst keine Studie zu inhaliertem DU durchgeführt hat, «kommt einer extremen Verletzung der Sorgfaltspflicht gleich», stellte Dietz in einem Interview fest. Kleine Partikelgrösse und kristalline Struktur Japanische Forscher begannen im Sommer 2003 die Auswirkungen von DU im Süd irak zu untersuchen. Ihr Geigerzähler lieferte häufig Messwerte, die so hoch waren, dass sie ausserhalb der Messskala lagen. Während ihres Besuches behandelte das lokale Krankenhaus bis zu 600 Kinder pro Tag, von denen viele an Symptomen einer inneren Vergiftung durch Strahlung litten. 600 Kinder pro Tag? Wie viele dieser Kinder werden Krebs bekommen und einen frühen schmerzhaften Tod erleiden? «In den Körper aufgenommene DU-Partikel können das 1000-fache der Schäden einer Röntgenstrahlung hervorufen», erklärte Mary Olson, eine Spezialistin für Atommüll und Biologin am Nuclear Information and Resource Service, Washington D.C. Es sind die Besonderheit der kleinen Partikelgrösse sowie die kristalline Struktur des DU-Staubs, die sein Vorhandensein in der Umwelt zu einer solch extremen Gefahr machen. Diese Eigenschaften unterscheiden ihn vom natürlichen Uranstaub, der allgegenwärtig ist und dem wir alle tagtäglich ausgesetzt sind. Natürlicher Uranstaub erreicht selten diese kleine Partikelgrösse, und das ist der Punkt, an dem der Vergleich von DU-Partikeln mit den viel grösseren natürlich vorkommenden Partikeln irreführend ist. Das US-Militär und seine Verfechter zitieren regelmässig eine Studie der Rand Corporation, die sich auf natürliches Uran, das von Minenarbeitern eingeatmet wurde, bezieht. Dazu ist anzumerken: Partikel, die kleiner als 10 Mikrometer sind, können die innersten Verästelungen des Lungengewebes erreichen, wo sie sich permanent einnisten. Ist diese Substanz ausserdem relativ unlöslich wie der keramische DU-Oxidstaub, der durch Verbrennen von DU erzeugt wird, wird sie für Jahrzehnte bleiben, wo sie ist, und im Laufe der Zeit nur sehr langsam vom Blutstrom und der Lymphflüssigkeit abgetragen. Studien haben 9 Jahre nach dem Konflikt DU im Urin von Golf-Kriegs-Veteranen nachgewiesen, was auf die Permanenz des keramischen DU-Oxidstaubs in den Lungen hinweist. Deshalb sind die Effekte ganz anders gelagert als beim natürlichen Uranstaub, dessen grobkörnige Partikel nach 24 Stunden nahezu vollständig vom Körper ausgeschieden werden. Über 10 Billionen Dosen zu 0,34 Milligramm schweben im Irak und in Afghanistan Das Militär ist sich der schädlichen Auswirkungen des DU auf das menschliche Erbgut bewusst. Eine Studie von 2001 über die Wirkungen von DU auf die DNS von Dr. Alexandra C. Miller für das Armed Forces Radiobiology Research Institu- Dossier Uranwaffen 12 Zeit-Fragen 2006 te in Bethesda im Bundesstaat Maryland zeigt, dass die chemische Instabilität von DU einemillionmal mehr genetische Schäden verursacht, als die Auswirkung seiner radioaktiven Strahlung allein hätte erwarten lassen. Studien haben gezeigt, dass inhalierte Partikel derselben chemischen Zusammensetzung in Nanometergrösse [Milliardstel Meter] weit giftiger sind als Partikel in Mikrometergrösse. Der britische Toxikopathologe Vyvyan Howard hat dargelegt, dass die grössere Giftigkeit des Nano-Partikels in seiner Kleinheit begründet ist. Beispielsweise zeigten Mäuse, die in einer Studie der Universität von Rochester virusgrossen Partikeln aus Teflon (0,13 Mikrometer) ausgesetzt waren, keine Krankheitserscheinungen. Wurden die Mäuse dagegen für nur 15 Minuten Teflon in Nanopartikelgrösse ausgesetzt, starben alle Mäuse innerhalb von 4 Stunden. «Die Aufnahme von abgereichertem Uran kann durch die Haut, durch Inhalieren und durch die Nahrungsaufnahme geschehen», schreibt Lauren Moret, eine weitere DU-Forscherin. «Nanopartikel haben eine hohe Mobilität und können leicht in den Körper eindringen. Die Inhalation von Nanopartikel aus DU ist die gefährlichste Form der Belastung, weil die Partikel die Lungen-Blut-Schranke überwinden und direkt ins Blut gelangen.» Sie erläutert: «Durch die Nase eingeatmet können Nanopartikel durch den Riechkolben [der Teil des Gehirns, der im Kontakt mit der Riechschleimhaut der oberen Nasenhöhle die Geruchssignale aufnimmt und weiterleitet] über die Blut-Hirn-Schranke direkt in das Gehirn gelangen und sich dort überall ausbreiten.» «Bei vielen Golf-Kriegs-Soldaten, die dem abgereicherten Uran ausgesetzt waren, sind Hirntumore, Hirnschäden und gestörte Hirnfunktionen festgestellt worden. Uran kann die Mitochondrien beeinträchtigen, welche die Energie für die Nervenzellen und für die Übertragung der Nervensignale über die Synapsen im Gehirn liefern.» Auf Grund der Datenerhebung über die Rate der Auflösung und die Ausscheidung von Stoffen ist es möglich, die Menge an DU abzuschätzen, die ursprünglich durch die betroffenen Veteranen eingeatmet wurde. Für die Handvoll Veteranen, bei denen dies untersucht wurde, beträgt diese Menge durchschnittlich 0,34 Milligramm. In Kenntnis der spezifischen Aktivität (Strahlungsrate) von DU kann man mit Bestimmtheit sagen, dass die Gesamtstrahlung (Alpha-, Betaund Gammastrahlung) des DU und seiner radioaktiven Zerfallsprodukte in den Körpern der Veteranen zu ungefähr 26 Strahlungsereignissen pro Sekunde oder 800 Millionen Ereignissen pro Jahr führt. Bei 0,34 Milligramm pro Dosis ergibt das über 10 Billionen solcher Dosen, die im Irak und in Afghanistan herumschweben. Über wie viele zusätzliche Tote reden wir? Nach dem ersten Golf-Krieg lieferte die britische Atomenergiebehörde Schätzungen über die potentiellen Auswirkungen der DU-Verseuchung, die der Krieg hinterlassen hatte. Sie berechnete, dass «diese zu 500000 poten tiellen Toten führen könnte». Dies, betonte die Behörde, war eine «theoretische Zahl», die auf «ein signifikantes Problem» hinwies. Dossier Uranwaffen 13 Zeit-Fragen 2006 Die Berechnung der Atomenergiebehörde war in einer vertraulichen Mitteilung an die privatisierte Munitionsfirma Royal Ordnance vom 30. April 1991 enthalten. Die hohe Zahl an potentiellen Toten wurde vom britischen Verteidigungsminister Lord Gilbert als «sehr unrealistisch» abgetan. «Da viele Geschosse in der Wüste, viele Meilen vom nächstgelegenen Dorf entfernt abgeschossen wurden, ist es sehr unwahrscheinlich, dass die lokale Bevölkerung einer signifikanten Menge an lungengängigen Oxiden ausgesetzt wurde», meinte er. Diese Bemerkungen wurden vor den jüngsten Invasionen in Afghanistan und im Irak gemacht, bei denen DU-Munition in weit grösserem Ausmass und in der Nähe vieler der am dichtesten besiedelten Gegenden eingesetzt wurde. Wenn die Menge an DU-Einheiten, die im ersten Golf-Krieg eingesetzt wurde, ausreichen würde, um 500000 potentielle Tote zu verursachen (wäre sie in der Nähe bewohnter Gegenden eingesetzt worden), welche Folgen hat dann die fast sechsfache Menge an DU, eingesetzt in der Nähe der grossen Dörfer und Städte im Zuge der Operation «Iraqi Freedom»? Rechnet man die Schätzung der britischen Atomenergiebehörde mit dieser Menge hoch, ergeben sich potentielle 3 Millionen zusätzlicher Toter durch das Einatmen von DU-Staub im Irak allein, ohne Afghanistan. Das entspricht ungefähr 11% der Gesamtbevölkerung des Irak von 27 Millionen Menschen. Dan Bishop, Doktor der Chemie für IDUST, meint, dass diese Schätzung zu gering sei, wenn man die lange Lebensdauer des DU-Staubs berücksichtigt. In Afghanistan ist die Konzentration in manchen Gebieten grösser als im Irak. Das Uranium Medical Research Centre (UMRC) ist eine unabhängige gemeinnützige Organisation, die 1997 mit dem Ziel gegründet wurde, wissenschaftliche und speziell medizinische Forschungen über die Wirkungen von Uran, transuranen Elementen und Radionukliden durch Uranzerfall und Kernspaltung zu betreiben. Die Organisation finanziert sich durch Spenden und durch Stiftungen von Hinterbliebenen, deren Angehörige nach Kriegseinsätzen an Strahlenschäden erkrankten und verstarben. www.umrc.net Das Siechtum der Veteranen Was kann eine sonst gesunde Person erwarten, wenn sie den tödlichen Staub eingeatmet hat? Hauptmann Terry Riordon war ein Mitglied der kanadischen Streitkräfte, die im ersten Golf-Krieg Dienst leisteten. Er starb im April 1999 im Alter von 45 Jahren. Terry verliess Kanada als ein kerngesunder Mann, der Skilangläufer war und an Marathonläufen teilnahm. Kaum zwei Monate nach seiner Rückkehr konnte er kaum noch gehen. Er kehrte im Februar 1991 nach Kanada zurück – mit dokumentiertem Verlust der Bewegungskontrolle, chronischer Müdigkeit, Atembeschwerden, Brustschmerzen, Schlafproblemen, Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, Hodenschmerzen, Körperschmerzen, schmerzenden Knochen, Durchfall und Depression. Nach seinem Tod wurde die Verseuchung seiner Lungen und seiner Knochen mit abgereichertem Uran festgestellt. Über acht Jahre litt er an unzähligen Erkrankungen und kämpfte mit der Militärbürokratie und dem System, um eine angemessene Diagnose und Behandlung zu erhalten. Riordon hatte bestimmt, seinen Körper nach seinem Tod dem Uran Medical Research Center (UMRC) zu hinterlassen. Durch dieses Vermächtnis konnte das UMRC schlüssige Beweise Dossier Uranwaffen 14 Zeit-Fragen 2006 erlangen, dass die Inhalation der feinen Partikel an abgereichertem Uran seine Gesundheit vollständig zerstört hatten. Wie viele Terry Riordans gibt es unter den Truppenangehörigen, die dem Staub ausgesetzt waren, ganz zu schweigen von den irakischen und afghanischen Zivilisten? Das Einatmen des Staubs wird nicht auf einen Schlag eine grosse Anzahl irakischer und afghanischer Zivilisten töten, was auch bei Hauptmann Riordan nicht geschah. Vielmehr werden wir unermesslich vielen Menschen begegnen, die chronisch und schwer krank sind und deren Lebenserwartung drastisch verkürzt ist, viele von ihnen werden an mehrfachem Krebs leiden. Melissa Sterry, eine andere kranke Veteranin, diente während des Winters 1991/1992 für 6 Monate auf einer Versorgungsbasis in Kuwait. Teil ihrer Aufgabe in der Kampfausrüstungskompanie «A» der Nationalgarde war es, Panzer und gepanzerte Fahrzeuge zu reinigen, die während des Krieges eingesetzt waren, damit sie wieder eingelagert werden konnten. Sie sagte, dass sie die gepanzerten Fahrzeuge ausfegte, sie von Staub, Sand und Müll säuberte und manchmal angefordert wurde, bei der Bergung verseuchter Teile zu helfen. In einem Telefoninterview erzählte sie, dass sie, nachdem sie sich über abgereichertes Uran sachkundig gemacht hatte, beschloss, nicht an den militärischen Untersuchungstests teilzunehmen, weil sie deren Ergebnissen nicht trauen konnte. Alarmierend ist, dass Melissa in Kuwait und nicht im Irak stationiert war. Die Säuberung der Panzer von DU-Staub genügte, um sie krank zu machen. US-UK-Kriegsallianz: Kriegsverbrecher Im Jahre 2003 entsandte der «Christian Science Monitor» Reporter in den Irak, um die Langzeitwirkungen von abgereichertem Uran zu untersuchen. Der Journalist Scott Peterson sah in einem Vorort von Bagdad Kinder auf einem ausgebrannten Panzer in der Nähe eines Gemüsesstands spielen. Es handelte sich um einen Panzer, der durch panzerbrechende, mit abgereichertem Uran ummantelte Granaten, zerstört worden war. Ausgestattet mit Schutzmaske und Schutzkleidung richtete er seinen Geigerzähler auf den Panzer. Er registrierte das 1000-fache der normalen radioaktiven Hintergrundstrahlung. Wenn sich die Truppen auf einer Mission der Barmherzigkeit befänden, um die Demokratie in den Irak zu bringen, hätte dann nicht das Fernhalten der Kinder von solchen Gefahren oberste Priorität? Das Kriegsvölkerrecht verbietet den Einsatz von Waffen, die tödliche und andere unmenschliche Auswirkungen über das Kampfgebiet hinaus haben. Auch Waffen, die über den Krieg hinaus aktiv bleiben und späteren Schaden anrichten können, sind verboten. Es ist keine Überraschung, dass das japanische Gericht Präsident Bush der Verübung von Kriegsverbrechen für schuldig befand. Dr. Alim Yacoub von der Universität von Basra führte im Gebiet von Basra, einer Gegend, die während des ersten Golf-Krieges mit DU bombardiert worden war, eine epidemiologische Studie über das Auftreten bösartiger Tumore bei Kindern unter 15 Jahren durch. Seine Gruppe stellte für den Zeitraum von 1990 bis 1999 einen Anstieg der Erkrankungen um 242% fest. Das war vor der letzten Invasion. In Kosovo wurden von zahlreichen internationalen Experten vergleichbare Zunahmen an Krebs und Geburtsschäden festgestellt, obwohl die Menge einge- Dossier Uranwaffen 15 Zeit-Fragen 2006 setzter DU-Waffen nur einen Bruchteil derjenigen ausmachte, die im Irak eingesetzt wurde. [Anmerkung «Zeit-Fragen»: Und Serbien?] Hiroshima 1945 Der finstere Ablauf nach der Bombe Die Zahl der Atombombenopfer (hibakusha) wird sich nie genau ermitteln lassen, schon weil viele Menschen an den Spätfolgen der Strahlung starben, deren Wirkung erst langsam deutlich wurde. Verschiedene Zahlen sind veröffentlicht worden. Die Stadt Hiroshima nennt in einem Bericht an die Vereinten Nationen 140000 (± 10000), die bis Dezember 1945 gestorben waren.1 Die entsprechende Zahl für Nagasaki ist 70000 bis 80000. Die Zahl der von den Spätfolgen Betroffenen liegt wesentlich höher, bis zu 350000 in Hiroshima und 270000 in Nagasaki.2 Das menschliche Leid war beabsichtigt. Vorschläge, die Bombe auf rein militärische Anlagen oder unbewohntes Gebiet abzuwerfen, um ihre Wirkung zu demonstrieren, wurden verworfen. Nach Kriegsende inhibierten die Besatzungsbehörden jede Kommunikation zwischen den Überlebenden der bombardierten Städte, insbesondere den Erfahrungsaustausch zwischen den wenigen funktionstüchtigen Kliniken. Medizinische Unterlagen, Blut- und Gewebeproben wurden beschlagnahmt, und die japanische Verwaltung wurde gezwungen, vom Internationalen Roten Kreuz angebotene medizinische Hilfe abzulehnen.3 1 The Outline of Atomic Bomb Damage in Hiro shima. Hiroshima: Hiroshima Peace Memorial Museum, 1994; Eisei Ishikawa und David L. Swain, 1981. Hiroshima and Nagasaki: The Physical, Medical and Social Effects of the Atomic Bombings. New York: Basic Books. 2 Akiba Tadatoshi, 1983. Atomic bomb. Kodansha Encyclopedia of Japan. Tokyo: Kodansha. Bd. 1, 107-111. 3 Shibata Shingo, 1995. The atomic victims as human guinea pigs. Peace Studies Newsletter (Hiroshima), 20-23. Ergebnisse von Feldstudien in Afghanistan Überprüfbare Statistiken für den Irak werden noch für einige Zeit kaum zur Verfügung stehen, doch ausgedehnte Feldstudien in Afghanistan weisen auf eine riesige Katastrophe im Bereich der Volksgesundheit hin. Im Mai 2002 entsandte das Uranium Medical Research Center UMRC ein Forschungsteam, um in Afghanistan ortsansässige Bewohner und landesintern vertriebene Menschen zu interviewen und zu befragen. Das UMRC-Team begann seine Arbeit, indem es zunächst einige hundert Menschen identifizierte, die an Krankheiten oder medizinischen Zustandsbildern litten, die jene klinischen Symptome widerspiegeln, welche als charakteristisch für eine radioaktive Bestrahlung gelten. Um zu untersuchen, ob diese Symptome die Folge einer Strahlenkrankheit sind, wurden Urinproben und Proben des Erdbodens gesammelt, die in ein unabhängiges Forschungslabor in England gebracht wurden. Das UMRC-Forschungsteam fand afghanische Zivilisten mit akuten Symptomen einer radioaktiven Vergiftung, die einhergingen mit chronischen Symptomen einer inneren Urankontamination, einschliesslich Missbildungen bei Neugebore- Dossier Uranwaffen 16 Zeit-Fragen 2006 nen. Bürger vor Ort berichteten von grossen, dichten Staub- und Rauchwolken, die von Einschlagstellen aufstiegen, einem beissenden Geruch, gefolgt von einem Brennen in den Nasenhöhlen, im Hals und den oberen Atemwegen. Menschen an allen Orten zeigten identische Symptomprofile und -verläufe. Die Opfer schilderten Symptome wie Schmerzen in der oberen Halswirbelsäule, in den oberen Schulterpartien, in der Schädelbasis, Schmerzen im unteren Rücken, an den Nieren, Gelenk- und Muskelschwäche, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Gedächtnisprobleme und Desorientierung. Zwei weitere Forschungsgruppen wurden nach Afghanistan entsandt. Die erste traf im Juni 2002 ein und konzentrierte sich auf die Region um Jalalabad. Die zweite folgte vier Monate später und erweiterte die Studie um die Hauptstadt Kabul mit ihren annähernd 3,5 Millionen Einwohnern. Die Stadt selbst enthielt die höchste registrierte Anzahl an unbeweglichen Zielen, die während der Operation «Enduring Freedom» beschossen wurden. Für die Ziele der Studie wurde die Umgebung von drei der hauptsächlichen Trümmerfelder untersucht. Man hatte vorausgesagt, dass man in den Urin- und Bodenproben, die man während der Untersuchung genommen hatte, Spuren von abgereichertem oder angereichertem Uran finden werde. Das Team war nicht auf den Schock seiner Ergebnisse vorbereitet. In Jalalabad wie auch in Kabul zeigten sie, dass das DU das hohe Ausmass an Krankheit verursachte. Tests mit einer Anzahl Menschen aus Jalalabad zeigten Konzentrationen, die 400% bis 2000% über denen lagen, die in normalen Populationen vorkommen – Mengen, die nie zuvor in Untersuchungen an Zivilisten gemessen worden waren. Die Menschen in Kabul, die den amerikanisch-britischen Präzisionsbombardements unmittelbar ausgesetzt waren, zeigten extreme Anzeichen einer Verseuchung, wie sie bei einer Uranbelastung typisch sind. Dazu gehören Schmerzen in den Gelenken, Rücken- und Nierenschmerzen, Muskelschwäche, Gedächtnisprobleme, Verwirrung und Desorientierung. Die von den Bombenangriffen Betroffenen berichten grippeähnliche Symptome wie eine blutende, laufende Nase und eine blutende Mundschleimhaut. Wie viele dieser Menschen werden einen qualvollen und frühen Tod durch Krebs erleiden? Sogar das Forschungsteam selbst klagte über ähnliche Symptome während seines Aufenthaltes. Die meisten dieser Symptome dauerten Tage bis Monate an. Im August 2002 brachte das UMRC seine vorläufige Analyse der Ergebnisse aus Nangarhar zum Abschluss. Ohne Ausnahme wurde jede Person, die eine Urinprobe abgegeben hatte, positiv auf Urankontamination getestet. Die spezifischen Ergebnisse wiesen einen erstaunlich hohen Verseuchungsgrad auf. Die Konzentrationen waren 100- bis 400mal grösser als jene der Golf-Kriegsveteranen, die 1999 getestet worden waren. Ein Forscher berichtete: «Wir nahmen sowohl Bodenproben als auch biologische Proben und fanden erhebliche Radioaktivität in den Urinproben. Die starke Konzentration überraschte uns und überstieg unsere schlimmsten Vorstellungen.» Herbst 2002: 30 Prozent der interviewten Afghanen sind strahlenkrank Im Herbst 2002 kehrte das UMRC-Team nochmals nach Afghanistan zurück, um eine breiter angelegte Untersuchung durchzuführen. Diese ergab eine mögli- Dossier Uranwaffen 17 Zeit-Fragen 2006 cherweise noch grössere Belastung als anfänglich angenommen. Ungefähr 30% der Interviewten in den betroffenen Gegenden zeigten Symptome der Strahlenkrankheit. Auch Neugeborene gehörten zu den Symptomträgern, und die Dorfältesten berichteten, dass über 25% der Kinder unerklärlich krank seien. Wie weit verbreitet und umfangreich ist die Strahlenbelastung? Ein Zitat aus dem UMRC-Forschungsbericht: «Das UMRC-Team war schockiert über das Ausmass der Auswirkungen auf die Volksgesundheit, die mit den Bombenangriffen übereinstimmten. An jeder untersuchten Bombeneinschlagstelle waren die Menschen ohne Ausnahme krank. Ein signifikanter Anteil der Zivilbevölkerung zeigt Symptome, die bei der inneren Kontamination mit Uran auftreten.» Anders als im Irak zeigten die UMRC-Laboruntersuchungen in Afghanistan hohe Konzentrationen nicht abgereicherten Urans – viel höher als bei den Opfern des abgereicherten Urans im Irak. Afghanistan wurde als Testfeld für eine neue Generation bunkerbrechender Bomben («bunker buster» bombs) benutzt, die hohe Konzentrationen von anderen Uranlegierungen enthalten. «Ein signifikanter Anteil der Zivilbevölkerung»? Es scheint, dass wir auf der Jagd nach einer Handvoll Terroristen in Afghanistan eine ungeheure Anzahl unschuldiger Zivilisten, darunter unverhältnismässig viele Kinder, vergiftet haben. Das Militär hat im Urin einiger Soldaten abgereichertes Uran gefunden, behauptet aber, das sei in den meisten Fällen zu wenig, um sie ernsthaft krankmachen zu können. Kritiker haben genauere, teurere Testverfahren gefordert. Italien Laut der Mitteilung einer Einrichtung zur Beobachtung der Gesundheit beim italienischen Militär (www.osservatoriomilitare.it; Osservatorio permanente e centro studi per il personale delle forze armate e di polizia) vom Oktober 2004 sind bis dahin insgesamt 109 italienische Soldaten an der Belastung durch abgereichertes Uran gestorben. Ein Sprecher der Organisation, Domenico Leggiero, konstatiert: ´Die Zahl von 109 Todesf‰llen ¸bertrifft die Gesamtzahl der Todesf‰lle als Folge von Verkehrsunf‰llen. Jeder, der die Signifikanz solcher Daten negiert, tut dies mala fide, das heisst wider besseres Wissen. Tatsache ist, dass unsere Soldaten da draussen sterben, weil es keinen ad‰quaten Schutz gegen das abgereicherte Uran gibt.ª Mitglieder des Osservatorio haben eine Dringlichkeitsanhörung gefordert, «um sich mit effektiven Präventions- und Schutzmass nahmen zu befassen, die geeignet sind, die Todesfälle bei unseren Soldaten zu verringern.» Es wurden nur 3000 italienische Soldaten in den Irak gesandt, und sie blieben dort jeweils nur für eine kurze Zeit. Die Anzahl von 109 repräsentiert 3,6% Prozent der Gesamtheit. Wird derselbe Prozentsatz an irakischen Bürgern einer vergleichbaren Belastung ausgesetzt, entspräche das der Zahl von 936000. Da die Iraker dauernd in derselben verseuchten Umgebung leben, wird der Anteil an Opfern höher sein. Das Pentagon und seine Desinformationsmaschine: Sie lügen und verunglimpfen, was das Zeug hält. Das Pentagon und andere Abteilungen des Verteidigungsministerium haben die Dossier Uranwaffen 18 Zeit-Fragen 2006 Fähigkeit des UMRC, seine Studien zu veröffentlichen, mittels einer immer schärferen Desinformationskampagne gegen das UMRC in der Presse massiv gestört. Mit Hilfe seiner Kontrolle über wissenschaftliche Forschungsgelder hat das Pentagon alles unternommen, um die wissenschaftlichen Ergebnisse des UMRC anzufechten und den Ruf der wissenschaftlichen Mitarbeiter, Ärzte und Labors des UMRC zu zerstören. Das UMRC ist die erste unabhängige Forschungsorganisation, die abgereichertes Uran in den Körpern amerikanischer, britischer und kanadischer Golf-Krieg-I-Veteranen nachgewiesen hat und die in der Folge der Operation «Iraqi Freedom» in Wasser, Boden und Luft des Irak sowie in zur Verfügung gestellten biologischen Proben von irakischen Zivilisten abgereichertes Uran nachgewiesen hat. Doch das erste, was bei einer Internetsuche zutage tritt, sind jene angeblichen «Studien», die immer wieder zeigen, dass abgereichertes Uran harmlos ist. Die Strategie zielt darauf, die Geschichte als Debatte zwischen Regierung und unabhängigen Experten aufzuziehen und das Interesse der Öffentlichkeit auf die Polarisierung der Standpunkte zu lenken anstatt auf die Berichte über die wissenschaftliche und medizinische Wahrheit. Die Dinge werden systematisch verworren und falsch dargestellt sowohl durch die Regierungs-, durch Aufsichts- und UN-Institutionen (Weltgesundheitsorganisation WHO, United Nations Environment Programm UNEP, Internationale Atomkontrollbehörde IAEA, das amerikanische Center for Desease Control CDC, Departement of Energy DOE usw.) als auch durch den militärischen Sektor (das Militär und die Vertreter von Rüstungsentwicklung und Waffenproduktion). Dr. Yuko Fujita, ein Assistenzprofessor an der Universität Keio in Japan, der von Mai bis Juni 2003 die Auswirkungen der Radioaktivität im Irak untersuchte, stellt fest: «Ich bezweifle, dass der Irak Daten konstruiert hat, weil man de facto viele Kinder in den Krankenhäusern trifft, die an Leukämie leiden.» Er fuhr fort: «Als Folge des Krieges wird die Situation im Irak in 5 bis 10 Jahren unerträglich sein.» Das Tokioter Bürger-Tribunal vom 14. März 2004, das – ohne bindende rechtliche Autorität – Präsident Bush verurteilte, gab folgende zusammenfassende Stellungnahme bezüglich der DU-Waffen ab: 1. Ihr Einsatz hat nicht abgrenzbare Auswirkungen 2. Ihr Einsatz steht in keinem Verhältnis zu den militärischen Zielen 3. Ihr Einsatz wirkt sich in umfassender, lang dauernder und schwerwiegender Art und Weise negativ auf die Umwelt aus 4. Ihr Einsatz verursacht unnötige Verletzungen und unnötiges Leid. Vor einigen Jahren zog Präsident Bush die Unterschrift der USA zum Statut des Internationalen Strafgerichtshofs zurück, der mittlerweile von allen anderen westlichen Demokratien ratifiziert worden ist. Das Weisse Haus versucht gegenwärtig, US-Führungspersonal von einer Strafverfolgung für Kriegsverbrechen generell auszunehmen. Es hat ausserdem ausdrückliche Immunität für amerikanische Staatsbürger vor der Verfolgung durch den Internationalen Strafgerichtshof gefordert. Schlussfolgerungen Würde es Terroristen gelingen, in den Vereinigten Staaten etwas zu verbreiten, Dossier Uranwaffen 19 Zeit-Fragen 2006 das Hunderttausende von Krebsfällen und Geburtsschäden über viele Jahre mit sich bringen würde, hätten sie sich eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht, das die Angriffe des 11. September in Ausmass und Schwere bei weitem übertreffen würde. Wenn auch ohne Vorsatz, so haben wir mit unseren Militärkampagnen im Irak und in Afghanistan doch genau das getan. Wenn die physische Umgebung so unsicher und ungesund ist, dass man nicht mehr atmen kann, ohne krank zu werden, dann haben die äusseren Erscheinungsformen der Demokratie wenig Bedeutung. Unter Saddam konnte die irakische Bevölkerung wenigstens gesund bleiben und normale Kinder zeugen. Wenige Amerikaner sind sich bewusst, dass wir mit der Beseitigung von Saddam etwas viel Schlimmeres an seiner Stelle zurückgelassen haben. Quelle: www.globalresearch.ca vom 3.5.2006 (Übersetzung Zeit-Fragen) DU in Italien rc. Am 17. November 2004 beauftragte der italienische Senat eine parlamentarische Untersuchungskommission damit, die Todesfälle und schweren Krankheiten des italienischen Militärpersonals, das an internationalen Friedensmissionen teilgenommen hatte, zu untersuchen, ebenso wie die Aufbewahrungsbedingungen und den allfälligen Gebrauch von abgereichertem Uran DU bei militärischen Übungen in Italien. Der Bericht wurde kürzlich, Anfang März 2006, von der Untersuchungskommission verabschiedet und dem Präsidenten des Senats zur Verfügung gestellt. Der Bericht (123 Seiten) ist unter www.senato.it/leg/14/BGT/Schede/Commissioni/0-00081.htm zu finden. Vom 1. August 1994 bis heute wurden bei italienischen Armeeangehörigen, die an Militärmissionen in Ex-Jugoslawien teilgenommen hatten, 23 Todesfälle infolge Tumorerkrankungen bekannt, 20 davon bei Armeeangehörigen und 3 bei den «carabinieri». Diese Zahlen sind im Dossier dokumentiert, das der italienische Verteidigungsminister der parlamentarischen Untersuchungskommission des Senats zum abgereicherten Uran zur Verfügung gestellt hat. Das Dossier zeigt zudem auf, dass im gleichen Zeitraum 124 Fälle von Tumorerkrankungen registriert wurden, davon 100 bei Armeeangehörigen, 8 bei den «carabinieri», 14 bei der Luftwaffe und 2 bei der Marine. Die am häufigsten registrierte Krankheit ist das Schilddrüsenkarzinom –19 Fälle –, an zweiter Stelle das Hodgkinlymphom – 18 Fälle. • Nr. 23, 6. Juni 2006, Seite 12, 2 Leserbriefe Depleted Uranium (DU) in der Schweiz Auf dem Ochsenboden in Studen, in der Nähe von Einsiedeln, führt OerlikonContraves regelmässig Schiessversuche durch. Heute mit Munition, die sich vor dem Ziel in 162 Wolfram-Subprojektile zerlegt, eine moderne Art Streumuniti- Dossier Uranwaffen 20 Zeit-Fragen 2006 on, die sich unter anderem sehr gut eignet zur massenhaften Tötung von Bodentruppen. Heute ist Oerlikon-Contraves im Besitz des grössten deutschen Rüstungskonzerns, von Rheinmetall. Rheinmetall ist eine Waffenschmiede, die seinerzeit massgeblich den Krieg Adolf Hitlers möglich machte und während des Zweiten Weltkriegs sehr viele Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beschäftigte. Ende der sechziger Jahre testete die Firma Oerlikon Contraves auf dem Ochsenboden auch Uran-Munition. Vor fünf Jahren trat Thierry Lauffenburger von der staatlichen Schweizerischen Unfallversicherungsgesellschaft (SUVA) Befürchtungen entgegen, diese Schiessversuche könnten Spätfolgen für Mensch und Tier gehabt haben. Bei den eingesetzten äusserst geringen Dosen seien Spätschäden unwahrscheinlich. Eine Gefährdung von Personal und Bevölkerung könne ausgeschlossen werden. Vor dieser Stellungsnahme waren Meldungen erschienen, wonach der damalige Leiter der Schiessanlage von Oerlikon Contraves an Leukämie erkrankt sei. Peter Haag vom Bundesamt für Gesundheit relativierte, noch vor fünf Jahren, Berichte über ein Kuhsterben auf dem Ochsenboden im Jahre 1975, das in einen Zusammenhang mit dem Einsatz von gefährlicher Munition gebracht wurde. Die Ursache für den Tod von fünf Rindern sei gemäss einer Untersuchung die Verwendung von Trocken- oder Silofutter gewesen, das zuviel Alpenkreuzkraut enthalte. Die dadurch bewirkte tödliche Leberzirrhose bei den Rindern sei auch andernorts aufgetreten. H. Frei, Zürich «Depleted Uranium» Mit Depleted Uranium kann eine kriegführende Macht über das offizielle Kriegsende hinaus eine Nation paralysieren. Das ist offensichtlich gewollt! Imperialisten brauchen die okkupierte Bevölkerung nicht, sondern deren Bodenschätze. P. A. Nr. 25, 20. Juni 2006, Seite 1, 2 «Tödlicher Staub» Die Katastrophe des «stillen Sterbens» von Frieder Wagner, Köln Am 15. Februar 2003, als in London die grosse Antikriegsdemo stattfand, hat Londons Oberbürgermeister Ken Livingstone, den die Bürger gern den «roten Ken» nennen, eine eindeutige Warnung ausgesprochen. Er sagte damals: «Ein Überfall auf den Irak, ein illegaler Krieg, wird Sicherheit und Frieden weltweit gefährden.» Er hat recht behalten. Und Eduardo Galeano, der grosse uruguayische Schriftsteller und Journalist warnte noch früher: «Der Terror von Kriegen wird immer wieder zu einem Krieg des Terrors führen.» Auch das sehen wir heute überall und besonders im Irak bestätigt. Täglich hören und sehen wir in den Nachrichten neue Horrormeldungen über Tote und Verwundete. Experten gehen davon aus, dass es, seitdem George W. Bush am 1. Mai 2003 den Sieg über den Irak verkündet hat, im Irak Dossier Uranwaffen 21 Zeit-Fragen 2006 auf beiden Seiten etwa 50 000 Tote durch Gewalt gegeben hat. Was solche Berichte verschweigen und was man nie in den Nachrichten sieht und hört, sind die Toten, die ich «die Toten des stillen Sterbens» nenne. Denn was vielen nicht bekannt ist, ist die Tatsache, dass die USA und ihre Alliierten den Irak mit sogenannten Uran-Waffen angegriffen haben. An den Folgen dieses Einsatzes mit Uran-Munition sterben seitdem täglich Menschen, und es sind inzwischen weltweit viele Zehntausende. Das heisst, die Alliierten haben im Irak mit diesen Uran-Geschossen eine Waffe eingesetzt, die sich mehr und mehr als eine Massenvernichtungswaffe herausstellt. Wenn Uran-Geschosse ihr Ziel treffen, verbrennt das in den Geschossen verwendete abgereicherte Uran zu winzigsten Uranoxid-Partikelchen. Und die verseuchen im Irak und überall dort, wo diese Waffen eingesetzt wurden, den Boden, die Luft und das Wasser. Eingeatmet kann dieses Uranoxid – das ist wissenschaftlich unstrittig – Krebs und Leukämien auslösen. Das Immunsystem bricht wie bei Aids zusammen. Nieren und Leber werden geschädigt. Diese Uranoxid-Partikelchen wandern aber auch mit dem Blut ins Gehirn und zu den Eizellen, und es kommt bei den Betroffenen zu Chromosomen-Brüchen. Das heisst, die Kinder dieser Menschen sind oft missgebildet und deren Kinder und Kindeskinder auch. Bilder des Schreckens in irakischen Spitälern Ich habe in den Kinderkrankenhäusern von Bagdad und Basra Bilder des Schreckens gesehen, die mich heute noch in meinen Träumen verfolgen: gerade geborene Babys, ohne Augen, ohne Nase, ohne Kopf, ohne Arme und Beine. Babys, deren Organe in einem Sack ausserhalb des Körpers angewachsen waren. Alle diese Babys starben nach wenigen Stunden oder Tagen. Aus dem Irak haben wir Bodenproben, Wasserproben, Urinproben von Erkrankten, aber auch Staubproben und Gewebeproben mitgebracht. Diese Proben waren zum Teil so hoch radioaktiv kontaminiert, dass der Wissenschafter Dr. Axel Gerdes, der diese Proben in Frankfurt am Main im Minerologischen Institut der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität mit einem hochempfindlichen Massenspektrometer analysiert hat, diese Proben zum Teil erst um das 1000fache verdünnen musste, um sie mit seinem hochempfindlichen Gerät überhaupt messen zu können. Bei all diesen Proben haben die Analysen ergeben, dass neben dem leicht radioaktiven Uran 238 auch das aggressive Uran 236 enthalten war. Dieses Uran kommt in der Natur nicht vor, es entsteht in Atomkraftwerken in den Wiederaufbereitungsanlagen. Uran 236 ist ein höchst gefährliches Isotop, und ein US-Wissenschafter sagte mir sarkastisch: Wenn die USA noch zwei solche Kriege mit Uran-Geschossen führen, wie die Irak-Kriege, dann sind sie fast all ihren Atommüll losgeworden. Missgeburten um das 20-fache gestiegen Auf einem Schlachtfeld in der Nähe von Basra, bei Abu Khassib, haben wir Panzerwracks aus dem letzten Golf-Krieg gefunden, da haben wir an den Einschusslöchern, die die Uran-Geschosse hinterlassen haben, eine Radioaktivität gemessen, die war über das 30 000-fache höher als die normale Umweltstrahlung in der Bundesrepublik. Auf diesen Panzern spielten Kinder, und in diesen Panzern versuchten irakische Männer und Väter sogenanntes Edel- oder Buntmetall auszubauen, um es zu verkaufen und so an etwas Geld zu kommen. Wir Dossier Uranwaffen 22 Zeit-Fragen 2006 haben diese Menschen eindringlich gewarnt, und ein 60jähriger Mann hat uns geantwortet: «Ich bin Dichter und Schriftsteller, ich bin Doktor der Philosophie, ich habe schon alles verkauft, um meine Familie zu ernähren, jetzt muss ich hier in den Panzern diese Arbeit machen, damit meine Kinder nicht verhungern. Hört zu, was ich zu sagen habe: Der Irak hat sein Öl und seinen Reichtum immer gegen seine eigenen Kinder eingesetzt. Seht mich an, ich bin 60 Jahre, und was bin ich? Nichts – ich habe Angst! Nichts hier ist mehr sicher, und ich habe nur einen Wunsch: Die neue Regierung und die Alliierten sollten sich Gedanken machen um unser Volk, das jetzt am Boden liegt. Wir Iraker haben nie gute und sichere Zeiten erlebt, wir haben immer nur gelitten. Unser Land ist so reich an Öl, aber dieser Reichtum ist für uns zu einem Fluch geworden.» Und tatsächlich: am Mutter-Kind-Krankenhaus in Basra sind allein die Missgeburten seit 1991 um das 20-fache gestiegen. Krebsrate steigt auch in Ex-Jugoslawien Bei meinen Dreharbeiten in Kosovo und in Belgrad sagte mir Dr. Radomir Kovacevic vom «Institut für Arbeitsmedizin und Strahlenschutz» in Belgrad, dass ihre neuesten Untersuchungen ergeben haben, dass die Emission gefährlicher Chemikalien im Grossraum Belgrad fast völlig zurückgegangen ist, weil die serbische Industrie in den letzten 10 Jahren durch den Krieg und durch Sanktionen fast völlig zusammengebrochen ist. Sie beobachten aber seit Tschernobyl, jetzt nach dem Einsatz der Uran-Munition durch die Nato im Kosovo-Krieg 1999 und Bosnien 1995, einen Anstieg der radioaktiven Belastung durch das Uran 238 in den eingesetzten Uran-Waffen. So sind in den letzten 5 Jahren auch dort die bösartigen Krebserkrankungen bei den Problemgruppen Kinder und alte Menschen um 9 Prozent drastisch angestiegen. Aber die Prognosen der serbischen Wissenschafter gehen davon aus, dass sich diese Zahl in den kommenden 10 Jahren auf mindestens 20 Prozent erhöhen wird. Frau Dr. Jenan Hassan vom Kinderkrankenhaus in Basra hat mir mitgeteilt, dass nach der schweren Bombardierung durch mit Uran verstärkten, Bunker-brechenden Bomben auf Saddams Paläste in Bagdad jetzt auch dort die Leukämieerkrankungen von Kindern stark zugenommen haben. An ihrem eigenen Krankenhaus sterben von den an Leukämie erkrankten Kindern heute immer noch 80%, weil Medikamente für eine Chemotherapie fehlen. An ihrem Krankenhaus spielen sich seit dem Einsatz dieser Waffen immer wieder furchtbare Tragödien ab. So hat zum Beispiel ein Soldat, der an der grossen Panzerschlacht um Basra teilgenommen hat, nach dem Krieg von seiner Frau zwei Kinder bekommen, beide waren schwer missgebildet. Der Mann hat deshalb seine Frau verstossen und eine andere Frau geheiratet. Als auch sie ihm ein Kind schenkte, war es genauso schwer missgebildet. Da erkannte der ehemalige Soldat, dass er der Verursacher der Missbildungen seiner Kinder sein musste, und hat sich erschossen. Stürme verteilen Uranoxid-Partikel über riesige Distanzen Ich möchte hier noch auf etwas hinweisen, was bisher nie publiziert worden ist: Ein mir bekannter Arzt, Dr. Michael Kreuscher, ist von irakischen Ärzten darüber informiert worden, dass es in der nordirakischen, kurdischen Stadt Arbil seit 2003 zu einem ungewöhnlichen Anstieg von Leukämiefällen bei Kindern und Kleinkindern gekommen ist, und zwar von einer Art, die sonst nur bei alten Menschen vorkommt. Ich habe ihm dann meinen Film über die Folgen der Dossier Uranwaffen 23 Zeit-Fragen 2006 Uran-Munition gezeigt, und er hat mir gesagt, dass in Arbil und Umgebung nie Uran-Geschosse zum Einsatz gekommen sind. Wir vereinbarten deshalb, dass er von seinem nächsten Besuch in Arbil sowohl Bodenproben, aber auch Urinproben der erkrankten Kinder, den Staub aus dem Luftfilter seines Autos, das er dort gefahren hat und Organproben von geschlachteten Kühen aus Arbil mitbringen sollte. Im Herbst letzten Jahres konnte er alle diese Proben tatsächlich mitbringen. Sie wurden wieder von Dr. Axel Gerdes vom Minerologischen Institut der JohannWolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main massenspektrometrisch untersucht. Das Ergebnis hat uns alle entsetzt: Sämtliche Proben hatten hohe Konzentrationen von Uran 238 mit einem ungewöhnlich hohen Anteil von Uran 236. Verschiedene Proben, zum Beispiel der Staub aus dem Luftfilter des Autos, das der Arzt dort gefahren hat, waren sogar um das 3000-fache höher kontaminiert als unsere höchsten Werte von den Schlachtfeldern von Basra. Wie konnte das sein, wenn doch dort nie ein UranGeschoss zum Einsatz gekommen war? Die Erklärung war relativ einfach, und Dr. Kreuscher hat sie von einem Meterologen vor Ort bekommen: Es gibt im Irak häufig heftige Stürme, die sogar Orkanstärke erreichen können, die sogenannten «desert storms», die von Basra kommend über Bagdad hinweg nach Norden ziehen. Vor den hohen Gebirgen zur Türkei werden sie gebremst, verlieren ihre Kraft und verwirbeln in der Region über Arbil. Alles was diese Stürme mitgebracht haben, fällt dann nach und nach im weiten Umkreis von Arbil zu Boden, auch die Uranoxid-Partikelchen, die die Stürme von den ausgetrockneten, staubigen und kontaminierten Böden Basras und Bagdads mitgebracht haben. [Distanz Basra–Arbil: mehr als 500 km, Anm. der Red.] Uranoxid-Staubteilchen sind winzig und lungengängig Man kann heute mittels eines sogenannten Isotopen-Fingerprints feststellen, woher dieses Uran 238 und 236 kommt. Man kann nachweisen, ob es aus dem Reaktor von Tschernobyl stammt, aus der Munition der Uran-Geschosse der Amerikaner und Briten im Irak oder aus einer anderen Gegend. Um die Aussage treffen zu können – stammt das, was in Arbil gemessen wurde, tatsächlich aus der Munition aus abgereichertem Uran im Süden des Irak –, haben Dr. Kreuscher und Dr. Gerdes die vorgefundenen Isotopenprints der erkrankten Kinder in Arbil mit denen der Proben aus Basra und dazu denen der Isotopentprints aus dem Urin der Golf-Kriegsveteranen aus dem Südirak verglichen. Und siehe da: Diese Isotopenprints waren alle identisch mit den Uran-Isotopenprints im Urin der an Leukämie erkrankten Kinder in Arbil! Viele Wissenschafter, die die Uranbelastung verharmlosen, argumentieren immer wieder damit, dass das natürlich vorkommende Uran ja noch sehr viel höher strahlt als das, was wir jetzt als abgereicherten Uranstaub in der Umwelt messen. Der wesentliche Fakt aber für die krankmachende Wirkung des abgereicherten Urans ist der Feinststaub, der entsteht, wenn Geschosse ihr Ziel treffen und zu winzigsten Uranoxid-Staubteilchen verbrennen, die lungengängig sind, und zwar so winzig und lungengängig, dass sie bis in die Lungenbläschen aufgenommen werden und dann in den Körper gelangen, wo sie ihre krankmachende Wirkung entfalten. Dossier Uranwaffen 24 Zeit-Fragen 2006 Dr. Michael Kreuscher wollte beweisen, dass dieses Uran tatsächlich auch in den Körper eintritt und dort verbleibt. Er hat darum von zwei Rindern, die ausschliesslich im Raum Arbil gross geworden sind, mehrere Gewebeproben mitgebracht und diese bei Dr. Axel Gerdes auf Isotope von abgereichertem Uran untersuchen lassen. Und siehe da, gerade die Primärorgane Lunge, Lymphknoten, Herz, Leber und Knochenmark waren hochgradig belastet. Somit haben diese beiden Wissenschafter erstmalig den Beweis erbracht, dass abgereichertes Uran in winzigsten Kleinstpartikeln in den Körper aufgenommen wird und dann zu todbringenden Krankheiten führen kann – und das in einer Region, in der gar keine Uran-Munition zum Einsatz gekommen war. Regressforderungen von den Betroffenen in Milliardenhöhe In diesem Zusammenhang sagte mir Prof. Dr. Asaf Durakovic, der Gründer des unabhängigen «Uranium Medical Research Center» in Kanada, der viele GolfKriegsveteranen untersucht und behandelt hat, in einem Interview: «Sie fragen mich, was jetzt mit der Zivilbevölkerung im Irak passiert? Glauben Sie, irgend jemand kümmert sich um die Bevölkerung im Irak, wenn schon niemanden das Schicksal der eigenen Soldaten interessiert! Man müsste im Irak zur Dekontamination Milliarden von Dollars investieren! Basra zu säubern, würde 200 Milliarden Dollar pro Jahr kosten! Und nur um die Brücken über den Euphrat in Bagdad zu dekontaminieren, benötigt man Milliarden. Und was zum Beispiel für die Erkrankungen der Veteranen der USA, Kanadas und Grossbritanniens gilt, muss man jetzt um das 1000-fache erhöhen, was die irakische Bevölkerung betrifft. Und es wurde von diesen Regierungen alles nur Erdenkliche unternommen, diese Informationen zu unterdrücken. Diese Regierungen leugnen bis heute einen Zusammenhang zwischen der Uran-Munition und den Krebserkrankungen ihrer Soldaten. Der Grund ist die Angst vor Regressforderungen der Betroffenen in Milliardenhöhe.» Was ist zu tun? Es müssen dringendst weitere Forschungen unternommen werden, es muss vor allen Dingen in den Anrainerstaaten Iran, Syrien, Saudi-Arabien Gleiches untersucht werden, um festzustellen, ob diese Süd-Nord-Winde, vielleicht als Südwest- oder Südostwinde vom Irak ausgehend, den tödlichen Staub auch in diese Länder getragen haben und damit die Bevölkerung dort auch verseucht würde. Einsatz von Uran-Munition ist ein Kriegsverbrechen! Und es sollte alles getan werden, diese schrecklichen Uran-Geschosse und diejenigen, die sie anwenden, zu ächten. Denn der Einsatz dieser Waffe ist ein Kriegsverbrechen. Sie ist radioaktiv und hochgiftig. Und Giftwaffen sind nach dem Kriegsrecht seit Jahrzehnten verboten. Wenn der Einsatz der Uran-Munition aber ein Kriegsverbrechen ist, dann gehören ihre Anwender vor ein Kriegsverbrecher-Tribunal wie in Den Haag. Vielleicht sollten wir uns an den Müttern von der Plaza de Mayo in Buenos Aires ein Beispiel nehmen: Seit 1977 treffen sich diese Mütter mit den weissen Kopftüchern jeden Donnerstag auf der Plaza de Mayo und drehen dort ihre Runden, um auf die Verbrechen der Militärdiktatur aufmerksam zu machen, auf den Mord an 30 000 «Verschwundenen». Diese Mütter haben inwischen gesiegt. Dossier Uranwaffen 25 Zeit-Fragen 2006 Der jetzige argentinische Präsident Hector Kirchner hat die Amnestiegesetze zugunsten der Militärs aufgehoben: Sie können nun alle für ihre Verbrechen vor Gericht gestellt werden. Vielleicht sollten wir uns, überall auf der Welt, Orte suchen, wo wir uns wöchentlich zu einer Mahnwache gegen den Krieg und jede atomare Bedrohung treffen. Wir drehen, wie diese Mütter, zur Mahnung gemeinsam ein paar Runden, wir informieren uns gegenseitig und tauschen Erfahrungen aus. Denn wir dürfen eines nicht vergessen: die bedrohlichen Reste dieser Uran-Geschosse bedrohen und verseuchen die Erde unserer Kinder überall dort, wo sie zum Einsatz kamen und wo dieser Todesstaub hingetragen wird für 4,5 Milliarden Jahre … Filmrezension: Der Arzt und die ver strahlten Kinder von Basra « … es sollte alles getan werden, diese schrecklichen Uran-Geschosse und diejenigen, die sie anwenden, zu ächten.» Frieder Wagner wb. Die Beiträge über das Leiden und Sterben der Menschen in den Ländern, in denen die mit Uran-Munition geführten Kriege der letzten Jahre stattfanden und stattfinden, zeigen, dass jeder Irrtum ausgeschlossen ist: Die humanitäre Katastrophe grössten Ausmasses ist real, sie findet täglich statt, und sie breitet sich immer weiter aus. Und die Tatsachen sind so schrecklich, dass ein erster Impuls in uns, die Dinge «kaum zu glauben» oder sie «unfassbar» zu finden, nicht selten ist. Wir sollten unseren Blick und unser Herz jedoch nicht von den Menschen in den betroffenen Gebieten abwenden. Wir sollten fühlen können: Es sind Menschen wie du und ich. Es sind unsere Kinder. Wir sind nicht ohnmächtig! Überall, in Deutschland, Österreich und in der Schweiz, in Italien und Frankreich, in Japan, in den Vereinigten Staaten – überall finden sich aufrechte, aktive Menschen, die den Missständen entgegentreten. Es bestehen bereits viele Initiativen und Gruppen von Menschen, die sich gegen den Krieg als solchen und gegen den Einsatz von Atomwaffen und von Uranmunition empören, direkte Hilfe leisten und rufen: «So nicht!» Dass wir diese Menschen, dass wir «uns» und die Berichte des stattfindenden Elends nicht oder nicht wirklich wahrnehmen, hat sicher einen Grund in der Tatsache, dass die heutigen Massenmedien kaum – und wenn, dann nicht in der gebotenen Form und Dringlichkeit –, sich dieser Probleme annehmen. Doch auch in den Redaktionen arbeiten Menschen, die sich vom menschengemachten Elend berühren lassen und die versuchen, einen Beitrag zu plazieren. Manchmal gelingt es, dann jedoch wird nicht selten «von höchster Stelle» im letzten Moment ein Beitrag ohne Erklärung zurückgezogen. Die Erfahrungen von Professor Durakovic sind ein Beispiel für diese Art von Unterdrückung: Je direkter das System der Macht betroffen ist, desto häufiger hat die Wahrheit keinen öffentlichen Platz mehr! Ein zweiter Grund, warum wir «uns» und die Schilderungen des Leids nicht hö- Dossier Uranwaffen 26 Zeit-Fragen 2006 ren, ist jedoch auch – so muss es der Verfasser dieser Zeilen jedenfalls für sich feststellen –, dass wir uns gegenseitig im Trott des Alltags nicht aufmerksam genug zuhören und uns berühren lassen. Der Filmemacher Frieder Wagner hat 2004 zusammen mit Valentin Thurn einen Dokumentarfilm über die betroffenen Menschen im Irak, in Afghanistan und auf dem Balkan gedreht, der uns sehr informativ und gefühlvoll an die Thematik heranführt. Sein Film «Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra» dokumentiert eine Reise des deutschen Arztes und Epidemiologen Prof. Dr. Siegwart-Horst Günther mit Forschern des von Prof. Durakovic geleiteten Uranium Medical Research Centres in den Irak und auf den Balkan. Wir begegnen den Müttern und ihren leukämiekranken Kindern auf den Kinderstationen in Bagdad und Basra und in Serbien. Und wir müssen zur Kenntnis nehmen, wie die Politik, auch die bundesdeutsche Politik, trotz des unübersehbaren menschlichen Elends eine Politik des Totschweigens praktiziert. Der 45minütige Film erschien im April 2004 auf dem deutschen Fernsehsender WDR3 und ist bereits für sich ein Dokument der Zeitgeschichte, das in jeder guten Medienbibliothek einer Stadt oder einer Schule seinen Platz haben sollte. Dieser Film kann uns aber auch in der Gegenwart dazu dienen, uns zu sammeln und uns zu erheben. Eine Einladung zu einem Filmvortrag, ein Abend unter Freunden, ein «runder Tisch», … Seien wir uns immer darüber im klaren: Solange die Bevölkerung eines Landes sich nicht in einen Krieg hineinreden lässt und es nicht zulässt, dass mit ihren Steuergeldern und ihren Soldaten anderen Völkern Unrecht zugefügt wird, solange hat der Frieden eine Chance. • Der Film von Frieder Wagner «Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra» ist für einen Preis von 30 Euro erhältlich bei: Ochoa-Wagner-Produktion, Frieder Wagner, Severinstrasse 54A, DE-50678 Köln, Tel. und Fax: +49 221 316970, E-Mail: ochowa-film(at)t-online.de Dossier Uranwaffen 27 Zeit-Fragen 2006 Nr. 30, 24. Juli 2006, Seite 2 Medizinische Folgen von Kriegen für die Bevölkerung: Der Golf-Krieg 1991 von Prof. und Dr. h.c. mult., Dr. med. habil. Siegwart-Horst Günther, MD., Dsc., PhD., Präsident Gelbes Kreuz International u. Vizepräsident Albert Schweitzer World Academy of Medicine, Warsaw/Poland zf. Der folgende Vortrag wurde am 29. Januar 2003 kurz vor Ausbruch des zweiten Irak-Krieges in Schwerin gehalten. Seit über 40 Jahren – mit meiner ersten Berufung in ein arabisches Land, im Jahre 1956 nach Kairo – habe ich sehr intensive Beziehungen zum Mittleren Osten. Seit dieser Zeit bestehen auch meine Kontakte zum Irak; die ersten Vorlesungen an der Universität Bagdad hielt ich noch in der Amtszeit König Feisals, später auch unter General Kassem, den ich auch noch persönlich kennenlernte. Als Präsident des Gelben Kreuzes International bin ich jetzt schon über viele Jahre in Spannungsgebieten tätig und sehe dabei die grosse Not und das Sterben von Menschen, vor allem von Kindern. In der Golfregion, im Irak, werden in letzter Zeit wieder sehr viele UN-Diskussionen geführt, aber Hunger und Sterben gehen weiter: Der Übermensch scheint sich dabei immer weiter zum Untermenschen zu entwickeln. Die Kriegsfolgen für die Bevölkerung im Irak kann ich seit 1990 verfolgen. Die Armutsquote des früher reichen Öl-Staats Irak liegt jetzt durch die Auswirkungen des letzten Golf-Krieges bei über 70% der Bevölkerung. Bei meinen Aufenthalten in Bagdad sah ich immer wieder in den Morgen- und Abendstunden abgemagerte, verschmutze Kinder mit Säcken in den Abfallhaufen der Strassen nach Essbarem suchen. In den Nachtstunden kamen dann teilweise sehr kranke Hunde vom Dickicht des Tigris her, die sich unter lautem Gebell auch noch aus den Müllhaufen ernähren wollten, und am Morgen waren dann wieder die ausgehungerten Kinder mit den Säcken da. Durch Verzweiflung und Hunger ist die Selbstmordrate unter Kindern und alten Menschen hoch. Die arme Bevölkerung ist ausschliesslich auf staatliche Lebensmittelrationen angewiesen, die immer wieder gekürzt wurden; sie reichen im allgemeinen für etwa zwei Wochen. Eiweissreiche Nahrung oder Gemüse ist nur auf dem freien Markt erhältlich; die Preise für viele Produkte sind inzwischen um das Tausendfache angestiegen: Zurzeit kosten 1 kg Fleisch oder Fisch 1800 ID (irakische Dinar), 1 kg weisse Bohnen 800 ID, 1 Ei 75 ID. Das Durchschnittseinkommen der irakischen Familien liegt augenblicklich bei 2000 bis 3000 ID im Monat. Nach Angaben von Unicef sind im Irak 860 000 Kinder unter 5 Jahren unterernährt (2003), das ist seit 1991 ein Anstieg um 72%. In dieser Altersgruppe starben im März 1994 11’480 Kinder, zurzeit liegt diese Todesrate bei etwa 5000 bis 6000 monatlich. Unter Kindern breiten sich immer weiter Infektionskrankheiten aus: In den letzten Jahren sind dies besonders Kinderlähmung, Tuberkulose, Hepatitis, Teta- Dossier Uranwaffen 28 Zeit-Fragen 2006 nus, Keuchhusten und Diphtherie. Selbst Masern haben eine hohe Todesrate. Nach dem Golf-Krieg war auch die Zahl der psychisch kranken Kinder sprunghaft angestiegen: Schon bei leichtem Gewitter verkrochen sie sich, in Erinnerung an die Bombardierungen, schrien ängstlich, verkrampften sich und zitterten am ganzen Körper. In diesem Zusammenhang hatte ich in den ärmsten Bezirken von Bagdad erschreckende, zutiefst erschütternde Feststellungen gemacht: Ich sah psychisch gestörte Kinder, die infolge fehlender Medikamente bei Gewitter zur Ruhigstellung mit einem Strick am Bein wie Hunde an der Hauswand festgebunden waren. Das Geburtsgewicht von Babys der völlig unterernährten Mütter liegt vielfach unter 2,5 kg. Bis zum Jahre 1991 traten auf 1000 Lebendgeburten 25 Totgeburten auf, jetzt sind es 150. Allein in der Provinz Najef waren durch Kriegsschock 7000 Fehlgeburten aufgetreten. In den letzten Jahren werden immer mehr illegale Aborte eingeleitet, die vielfach durch Sepsis zum Tode der mehrfachen Mütter führen. Antibiotika sind im Irak auch heute noch allergrösste Mangelware. Im Irak sind auch jetzt noch, 12 Jahre nach Kriegsende, Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung völlig unzureichend. In Bagdad werden monatlich 10,5 Millionen m3 Abwässer ohne Behandlung in den Tigris geleitet. Im Landesinneren wird von der Masse der Bevölkerung das tägliche Trinkwasser den Flüssen entnommen. Wasser- und Stromsperren werden auch in Bagdad vorgenommen. Stagnierungen der Abwässer führen zu schmutzig-stinkenden Teichen, in denen zur Abkühlung im Sommer bei über 40 °C Kleinkinder spielen. Es treten immer wieder Cholera-Fälle auf. Besonders im Süden des Irak werden immer mehr Kinder mit Leukämie, aplastischer Anämie, Krebsbildungen und angeborenen Missbildungen registriert, für die noch Mutter Teresa eine Sammelstelle eingerichtet hatte, in der auch jetzt noch indische Krankenschwestern arbeiten. Diese Krankheitsbilder werden uranhaltiger Munition zugeschrieben, die von der alliierten Armee im Golfkrieg eingesetzt wurde. Etwa 300 Tonnen dieser Munition sollen im Irak, in Kuweit und Saudi-Arabien verstreut herumliegen. Auf Grund des langen Abbauprozesses der Radioaktivität und Toxizität werden Abfälle der Uranindustrie, vorwiegend abgereichertes Uran oder DU (Depleted Uranium) des Isotops 238, für einen sehr langen Zeitabschnitt in gesicherten Deponien gelagert. Zur Reduzierung des hierzu erforderlichen hohen Kostenaufwands wird dieses DU daher gern, zum grössten Teil auch kostenfrei, an Interessenten abgegeben. DU besitzt Charakteristika, welche vor allem für die Rüstungsindustrie sehr attraktiv sind: 1. Es ist praktisch der schwerste Stoff, der natürlich vorkommt. 2. Die nach einer deutschen Technologie entwickelten DU-Geschosse haben eine hohe Durchschlagskraft und sind besser als alles andere zum Brechen von Stahlpanzerungen geeignet. 3. Es ist zudem ein brennbares Material. Beim Durchschlagen einer Panzerung entzündet es sich und setzt bei der Verbrennung hochtoxische und radioaktive Stoffe frei. Die deutsche Technologie der DU-Geschosse wurde von den alliierten Truppen im Golfkrieg 1991 grossflächig erstmalig angewandt, mit verheerenden Wirkungen und Folgen. Dossier Uranwaffen 29 Zeit-Fragen 2006 Wenige Wochen nach Kriegsende fand ich im April und Mai 1991 auf einem Kampfgebiet des Irak Geschossummantelungen und Geschosse in Form und Grösse einer Zigarre. Die Geschosse waren ungewöhnlich schwer und hatten eine bleiähnliche Farbe. Später sah ich im Süden des Landes, ausserhalb von Basra in der Nähe der Grenze zu Kuweit, Kinder mit derartigen Projektilen spielen. Ein Kind aus dieser Gruppe war an Leukämie erkrankt und daran gestorben. Dieser Vorfall machte mich als Arzt misstrauisch; ich liess die Projektile von der irakischen Polizei einsammeln. Seit Ende 1991 diagnostizierte ich im Irak eine bisher unbekannte Krankheit, die auf Funktionsstörungen der Nieren und Leber zurückzuführen war. In einem Artikel hatte ich am 28. Oktober 1991 unter der Überschrift «Wurden irakische Kinder Opfer von ABC-Kampfstoffen?» darüber berichtet. 1991 entging ich in Jordanien nur knapp einem Mordanschlag und wurde im Dezember 1993 bei einem zweiten Anschlag in Deutschland schwer verletzt. Die Untersuchung eines dieser ungewöhnlichen Geschosse brachte mich in Deutschland in grösste Schwierigkeiten: Es war hochtoxisch und zeigte eine hohe Radioaktivität; auch die Geschossummantelungen waren radioaktiv. Das Projektil wurde mit den Geschoss ummantelungen von einem grossen Aufgebot deutscher Polizei in Schutzkleidung beschlagnahmt, unter grössten Sicherheitsvorkehrungen abtransportiert und in einer gesicherten Deponie gelagert. Ich wurde später wegen «Freisetzung ionisierender Strahlung» inhaftiert und bei den Verhören misshandelt. Der damalige deutsche Verteidigungsminister hatte die DU-Geschosse als völlig ungefährlich bezeichnet und beabsichtigte, ein derartiges Geschoss im deutschen Parlament zu zeigen. Als er aus der Presse von meiner Verhaftung erfahren hatte, nahm er davon Abstand. In den letzten fünf Jahren konnte ich im Irak umfangreiche Untersuchungen durchführen. Nach diesen Ergebnissen führt der Kontakt mit der von mir aufgefundenen DU-Munition vor allem bei Kindern: 1. Zu einem Zusammenbruch des Immunsystems mit deutlich ansteigenden Infektionskrankheiten. 2. Zu ausgedehnten Herpes- oder Zoster-Bildungen. Nach meiner Meinung hat niedrige Radioaktivität auch einen Einfluss auf Virusinfektionen der Tiere, wie BSE, Maul- und Klauenseuche. Vielleicht aber auch auf bakterielle Infektionen, wie Tuberkulose, die in verschiedenen Regionen Deutschlands zunimmt. 3. Zu Aids-ähnlichen Erscheinungen. 4. Durch Funktionsstörungen von Nieren und Leber zu einem bisher unbekannten Krankheitsbild, das inzwischen als Morbus Günther bezeichnet wird. 5. Zu Leukämie oder anderen bösartigen Neubildungen sowie aplastischer Anämie. 6. Zu genetisch bedingten Missbildungen, die auch bei Tieren auftreten. 7.Zu Aborten oder Frühgeburten bei Schwangeren. Meine Untersuchungsergebnisse weisen Ähnlichkeit mit Symptomen auf, wie sie in letzter Zeit in dem sogenannten «Golfkriegs-Syndrom» bei alliierten Soldaten und deren Kindern beschrieben werden. Die genetischen Missbildungen amerikanischer, britischer und irakischer Kinder gleichen sich. Uran ist, wie alle Schwermetalle, Blei oder Cadmium, hochtoxisch. Der menschliche Körper sollte damit nicht in Berührung kommen. Schätzungen der britischen Atomenergiebehörde zufolge sollen etwa 40 Ton- Dossier Uranwaffen 30 Zeit-Fragen 2006 nen dieser Munition im Grenzgebiet zu Kuweit herumliegen; andere Experten gehen allerdings von 300 Tonnen aus. Wegen zu grosser Gesundheitsgefährdung für ihre Mitarbeiter wurde von einer britischen Firma der Auftrag zur Entfernung dieser Uranmunition abgelehnt. Da in diesen Wüstengebieten auch Regenzeiten auftreten, gelangt die Toxizität ins Grundwasser und schliess lich auch in die Nahrungskette. Es ist eine langfristige Gefahrenquelle für die dort lebenden 500’000 Menschen, die sich nach neueren Untersuchungen wohl auch schon auswirkt. Aus den Kampfgebieten des Kuwait wurde von Beduinen berichtet, dass in der kuweitisch-saudischen Wüste Hunderte von Kamelen, Schafen und Vögeln lägen, die von amerikanischen Truppen zu Schiessübungen benutzt worden seien. Untersuchungen eines amerikanischen Veterinärmediziners und Experten für Infektionskrankheiten hätten jedoch ergeben, dass diese Tiere weder Schussverletzungen zeigen noch an Seuchen verendet sind. Einige dieser toten Tiere seien von Insekten übersät gewesen, die ebenfalls abgestorben waren. Es muss also eine andere Ursache diesem Tiersterben zugrunde liegen. Nach Forderungen von Saudi-Arabien mussten sämtliche durch Uranmunition zerstörten Fahrzeuge und Kriegsgeräte von der US-Armee eingesammelt und in die USA abtransportiert werden; sie waren zuvor in der Wüste eingegraben worden. Nach US-Angaben werden für das «Golfkriegs-Syndrom» Milzbrand- und Botulismus impfungen, Malariaprophylaxe, Benzene zur Entlausung, Pyridostigminbromid gegen das Nervengas Soman, Insektenschutzmittel DEET oder Permetrin sowie aber auch die von ihnen verwendete DU-Munition verantwortlich gemacht. Giftgase wurden im Zweiten Golf-Krieg nicht eingesetzt. Auf die Gefahren der DU-Geschosse deutscher Technologie wurden die alliierten Truppen erst neun Tage nach Kriegsende aufmerksam gemacht. Von Golfkriegsveteranen aus den USA und GB wird über Krankheitserscheinungen berichtet, die anscheinend auf den Kontakt mit DU-Munition zurückzuführen sind. Es wird unter anderem über Schädigungen verschiedener Organe, Zahn- und Haarausfall oder Krebsbildungen berichtet. Schwangeren Militärangehörigen seien missgebildete Kinder geboren worden. Ein US-Unteroffizier gibt hierzu an, dass viele Golfkriegsveteranen jetzt befürchten, als «Versuchskaninchen» in einem Strahlenexperiment benutzt worden zu sein. Nach Angaben des Präsidenten der US-Golfkriegsveteranen sind vom sogenannten «Golfkriegs-Syndrom» 50 000 bis 80 000 US-Armeeangehörige betroffen, bisher mussten 39’000 von ihnen aus dem aktiven Militärdienst entlassen werden, 2400 bis 5000 seien bisher verstorben. In GB litten etwa 4000 Golfkriegsveteranen am «Golfkriegs-Syndrom», davon seien bisher etwa 160 gestorben. Missgebildet geborene Kinder wurden im britischen Unterhaus vorgestellt. Dabei gaben diese Golfkriegsveteranen auch ihre Kriegsauszeichnungen zurück. Aber auch Australier, Franzosen und Kanadier seien vom «GolfkriegsSyndrom» betroffen. Auch in Kuwait stiegen diese Krankheitsmerkmale immer weiter an. Im Irak werden 250’000 Männer, Frauen und Kinder mit derartigen Symptomen angegeben, die Mortalität sei hoch. Im März 1994 wurde in den USA darüber berichtet, dass bei 251 Familien von Golfkriegsveteranen im Staat Mississippi 67% der Kinder missgebildet geboren wurden – ohne Augen, Ohren, Finger, Arme und Beine – oder an schweren Blutkrankheiten leiden oder Atmungsprobleme haben. Inzwischen hat sich auch der Präsident der US-Golfkriegsveteranen meinen Vermutungen angeschlossen, dass diese Erkrankungen Parallelen zu den Vor- Dossier Uranwaffen 31 Zeit-Fragen 2006 gängen nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl im Jahre 1986 aufweisen. Ähnliche Vorgänge haben sich aber auch in Mitteleuropa abgespielt. In diesem Zusammenhang erinnere ich an den Absturz des US-Kampfflugzeugs A 10 über Remscheid im Jahre 1988 und den Absturz des israelischen, aus den USA kommenden EL-AL-Transportflugzeuges über Amsterdam 1992. Beide Flugzeuge sollen radioaktives Material an Bord gehabt haben. In der Folgezeit traten in diesen Gebieten vermehrt Hauterkrankungen, Durchfall, Nierenversagen, Leukämie bei Kindern und Missbildungen bei Neugeborenen auf. Im November 1996 wurde darüber berichtet, dass in Ex-Jugoslawien etwa 1000 Kinder an einem Syndrom unbekannter Ursache litten: Kopf-, Unterbauch- und Muskelschmerzen, Atemnot und Schwindel. Über 600 Kinder wurden in Krankenhäuser eingewiesen. Im Dezember 1997 und Januar 1998 wurde in bosnischen Medien darüber berichtet, dass es in einigen Gebieten des früheren Jugoslawien zu einem dramatischen Ansteigen von Leukämie, Krebsbildungen und missgebildeten Neugeborenen gekommen sei. Eine seltsame Massenerkrankung habe auch Kühe erfasst: Die Milchproduktion sinke vielfach rapide und versiege teilweise ganz. Der Blutanteil in der Milch sei oft so hoch, dass sie für den menschlichen Genuss nicht mehr zu gebrauchen sei. In einigen Fällen seien auch bei Kühen Missgeburten registriert worden: ohne Haut an den Füssen, ohne Klauen oder Zunge, genetische Veränderungen, die auch bei anderen Säugetierarten beobachtet worden seien. In Bosnien zeigten sich zudem auch Veränderungen bei der Vegetation: Es gäbe sehr wenig Früchte, die keine missgebildeten Formen zeigten. Nach Untersuchungen des Nuklearforschungsinstituts in Vinca habe die radioaktive Strahlung nach den Nato-Bombardierungen mit Uranmunition gefährlich zugenommen. Im Januar 2001 wird auf den Titelseiten serbischer Zeitungen darüber berichtet, dass Kühe und Frösche mit 2 Köpfen, Ziegen mit 8 Beinen geboren werden. Die Urankatastrophe träfe nicht nur die Bevölkerung, heisst es dort. Auch deutsche Zeitungen haben darüber berichtet. Zu den Gefahren niedriger Radioaktivität auch die Ansichten einiger international bekannter Wissenschafter: Der kanadische Wissenschafter Abram Petkau publizierte schon 1972 über den nach ihm benannten Effekt, wonach kleinste chronische Strahlendosen 100- bis 1000mal gefährlicher sein können, als es die internationalen Strahlenschutzkommissionen bis auf den heutigen Tag annehmen. Der US-Amerikaner W. Gofman, der an der Entwicklung der Atombombe beteiligt war, sagte unter anderem: «Es gibt keine Entschuldigung dafür, dass ich, Gofman, nicht früher Alarm über die Aktivitäten niedriger, ionisierender Strahlung schlug.» «Ich denke, dass mindestens einige 100 Wissenschafter, die sich mit den biomedizinischen Aspekten der Atomenergie beschäftigten, ich, Gofman, eingeschlossen, Kandidaten für ein Nürnberg-ähnliches Gericht sind, da sie mit ihrer grossen Nachlässigkeit und Unverantwortlichkeit Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben.» «Jetzt, da wir die Gefahren niedriger Strahlung kennen, ist das Verbrechen nicht mehr ein Experiment, das wir machten, sondern Mord.» Nach den Untersuchungen des US-Amerikaners Ernest J. Sternglas aus dem Jahre 1974 erzeugt niedrige Radioaktivität nicht nur Erbschäden, Krebs und Leukämie, sie vergrössert auch die grosse Zahl gesundheitlicher Risiken überhaupt. Sie scheint selbst gewisse Umweltschäden wie das Waldsterben extrem nachteilig zu beeinflussen. Epidemiologische Studien weisen sogar mit hoher statistischer Sicherheit auf negative Wirkungen hin: auf abnehmende Intelligenz, zunehmende Kriminalität und die Immunschwäche Aids. Dossier Uranwaffen 32 Zeit-Fragen 2006 Der US-Amerikaner Peter Duesberg, einer der anerkanntesten Molekularbiologen und Entdecker der Retroviren, zu denen auch HIV (Human Immundeficiency Virus) gehört, das nach offiziell herrschender Meinung Verursacher von Aids ist, sagte 1988 auf einem Kongress für Aids-Forscher: «HIV kann nicht die alleinige Ursache für Aids sein.» Er löste damit einen Tumult aus, aber auch Nachdenklichkeit. Jetzt noch einige Punkte, die besonders wichtig sind: Nach US-Geheimberichten hatte Deutschland im Zweiten Weltkrieg die Anwendung von Radioaktivität vorgesehen. Es sollten dadurch Gebiete unbewohnbar gemacht werden, Truppenansammlungen, Flugplätze und Bahnverbindungen bekämpft werden. Durch Tote in der Zivilbevölkerung der Städte sollte Panik erzeugt werden. Bereits im Sommer 1943 hatte Deutschland die Wolfram-Importe aus Portugal eingestellt. Rüstungsminister Albert Speer hatte angeordnet, dafür Uran zu verwenden. Durch Urangeschosse sollten die immer weiter vordringenden sowjetischen Panzer aufgehalten werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete auch die sowjetische Industrie an der Herstellung von Urangeschossen. Anfang der sechziger Jahre versuchte die deutsche Militärspionage mit allen Mitteln, eine neuartige Panzergranate zu erhalten, die von den Sowjets an die syrische Armee geliefert worden war. Nach US-Berichten wurde auch die DU-Munition in Deutschland entwickelt. In Weekly World News vom 7. Februar 1995 heisst es in der Schlagzeile: «German Company rocks world by selling nuclear-tipped bullets!» Wie vor kurzem im deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtet wurde, räumte die deutsche Rüstungsfirma Rheinmetall ein, sie habe Anfang der siebziger Jahre DU-Munition entwickelt und erprobt. Ein Göttinger Professor berichtete sogar, Rheinmetall habe ihm angeboten, Testabschüsse mit verschiedenen Projektilen zu beobachten, die von der Firma aus abgereichertem Uran angefertigt worden waren. Auch der deutsche Rüstungskonzern MBB testete 17 Jahre lang DU-Munition. Bei meinem Vortrag in Washington DC am 16. November 1997, zu dem ich eingeladen war, wurde ich darauf hingewiesen, dass General Schwarzkopf, der Oberkommandierende der Alliierten im zweiten Golf-Krieg, über die Nebenwirkungen der DU-Munition deutscher Technologie keine Kenntnis hatte. Die alliierten Soldaten erhielten erst neun Tage nach Kriegsende über die DU-Munition Kenntnis, da aus Versehen mit dieser Munition auch eine Reihe eigener Panzer abgeschossen worden war. Nach jetzt vorliegenden Informationen wurde in den USA die DU-Munition im Freilandversuch getestet, indem Stahlplatten mit DU-Munition beschossen wurden. DU-Munition wurde auch über dem Meer getestet. Alle diese Vorgänge wurden gefilmt und fotographiert. Es wäre daher verständlich, dass man bei diesen Versuchen die schwerwiegenden Nebenwirkungen der DU-Geschosse nicht kannte. Als Arzt und Wissenschafter rufe ich auch in diesem Vortrag – es ist jetzt der 106., den ich auf Einladung in 18 Staaten gehalten habe – dazu auf, die Anwendung der DU-Munition international, über die jetzt schon über 20 Staaten verfügen, zu verbieten. Mein Aufruf gilt besonders auch für die in letzter Zeit entwickelten Laser-Waffen, die bei Anwendung zu irreparabler Erblindung führen. In Grossbritannien gibt es inzwischen Bestrebungen, die DU-Munition aus ihren Depots zu entfernen. Hiermit wurde natürlich zunächst eine deutsche Firma beauftragt. Diese Arbeit ist allerdings ausserordentlich schwierig. Dossier Uranwaffen 33 Zeit-Fragen 2006 Es ist sehr hilfreich, dass der Papst, die Kirchen, Staaten wie Deutschland und Frankreich, einem dritten Golf-Krieg mit den furchtbaren Leiden für die Menschen jetzt energisch entgegentreten. • Spendenkonto: Gelbes Kreuz International (Prof. Siegwart-Horst Günther) Konto-Nr.: 368 063 202 Postbank Hamburg BLZ: 200 100 20 Nr. 30, 24. Juli 2006, Seite 2 Abgereichertes Uran – auch in Libanon? von Paul Khalifeh Diplomatischer Aufruhr in Libanon, wo die Affäre um das abgereicherte Uran, das von Israel verwendet worden sei, an Bedeutung gewinnt. Beirut hat noch keine Beweise vorgelegt, aber es sieht vor, die Entschädigungszahlungen, die es von Israel fordert, nach oben zu korrigieren. Dem Schneeballeffekt gleich, gewinnt die Affäre um das abgereicherte Uran in Libanon an Bedeutung. Regierungschef Rafik Hariri und Parlamentspräsident Nabih Berri hatten angekündigt, Kommissionen zu bilden, um die Informationen, gemäss derer die israelische Armee diese Art von Munition in verschiedenen Etappen ihres 20jährigen militärischen Engagements in Libanon gebraucht haben soll, zu untersuchen. Die Affäre ist durch die Presse ans Tageslicht gebracht worden. Doch die Fakten gehen zurück auf die Nacht vom 3. auf den 4. Mai 2000. Drei Wochen vor dem israelischen Rückzug wurden zwei Kämpfer der Hizbollah, die in die ehemalige besetzte Zone eingedrungen waren, getötet. Ihre völlig zerfetzten Körper lagen auf einer kleinen Strasse, 7 km westlich von Hasbaya. Die Überreste von zwei Raketen erklären, weshalb die Leichen so grausam verstümmelt waren. Die Pressekorrespondenten vor Ort entdeckten unter anderem die Reste einer Rakete mit der englischen Aufschrift: Radioactive Material. Die UNIFIL (United Nations Interim Force in Lebanon) weigert sich immer noch, den Gebrauch dieses Typs Waffen durch Israel zu bestätigen: «Ich kann weder bestätigen noch dementieren», erklärt der Sprecher der UNIFIL, Timor Goksel. Aber ein Abgeordneter der Knesset, Issam Makhoul, hat zu einer dringlichen Zusammenkunft der parlamentarischen Kommission für äussere Angelegenheiten und Sicherheit aufgerufen, um über die Verwendung von Bomben mit abgereichertem Uran durch die israelische Armee in der Konfrontation mit den Palästinensern der neuen Intifada und im Krieg in Libanon zu befinden. Zeugenaussagen und Untersuchungen Der israelische Abgeordnete behauptet, im Besitz eines Berichtes zu sein, der von der internationalen Organisation International Action Center verfasst worden ist. Dieser Bericht, der auf Zeugenaussagen und Untersuchungen vor Ort basiert, bringt handfeste Beweise für den Gebrauch von Bomben mit abgereichertem Uran durch die israelische Armee, die gegen zivile und militärische Dossier Uranwaffen 34 Zeit-Fragen 2006 Ziele in den palästinensischen Gebieten und in Libanon angewendet wurden. In Beirut war Parlamentspräsident Nabih Berri der erste, der darüber mit dem Abgesandten von Kofi Annan in Libanon sprach. Er forderte die Einrichtung einer internationalen Untersuchung und stützte sich auf Informationen, die von einem israelischen Abgeordnenten geliefert wurden. «Wir sind überzeugt, dass Libanon ein Experimentierfeld für Urangranaten war», sagte er. Einige Stunden später war es Regierungschef Rafik Hariri, der die Bildung einer Untersuchungskommission ankündigte. Anwalt Michel Tueni, Mitglied des Komitees, welches mit der Untersuchung von durch israelische Aggressionen verursachten Schäden in Libanon beauftragt ist, verbirgt seine Befürchtungen nicht. «Wir sind um das Wohl der Bevölkerung besorgt», erklärte er. «Wenn sich diese Fakten bewahrheiten, könnte das den Anstieg von Krebsfällen in der Bevölkerung des Südlibanon erklären.» Die Angelegenheit hat schnell den gesamten Staatsapparat beschäftigt: «Ich warte auf das Startsignal, um unsere erhöhten Forderungen nach finanzieller Entschädigung, die wir an Israel stellen, zu überprüfen», bestätigte der Anwalt. Libanon nimmt diese Angelegenheit sehr ernst und hat bereits weitreichende Nachforschungen unternommen. Beweise, die die Anschuldigungen stützen, können voraussichtlich in den nächsten Tagen vorgelegt werden. Während man auf diese Ergebnisse wartet, beginnt in der Bevölkerung Panikstimmung aufzukommen, da sie befürchtet, während Jahren radioaktiver Strahlung ausgesetzt worden zu sein, ohne es zu wissen. • Quelle: Radio France International, 18.7.06 (Übersetzung Zeit-Fragen) Nr. 30, 24. Juli 2006, Seite 2 Setzt Israel bereits illegale Massenvernichtungswaffen ein? Hilferuf der Ärzte im Gaza-Streifen Dr. Juma Al Saqqa, Sprecher des Spitals Al Shifa in der Stadt Gaza, bestätigte, was das palästinensische Gesundheitsministerium in einem Anfang der Woche veröffentlichten Bericht bereits bekanntgegeben hatte, nämlich, dass Israel im Gaza-Streifen toxische Waffen verwende. Der Arzt äusserte sich am Donnerstag dahingehend, dass im Gaza-Streifen seit Beginn der letzten israelischen Angriffe (28. Juni) 85 Palästinenser getötet, darunter 34 Kinder unter 13 Jahren, und 300 verwundet worden seien. Dr. Al Saqqa berichtete dem Radiosender «Voice of Palestine», die israelische Armee habe während der letzten Angriffe im Gaza-Streifen neue, unkonventionelle Waffen gegen die Palästinenser eingesetzt. Er sagte: «Sie zielen mit neuartigen Waffen auf die Palästinenser, mit Waffen, deren Folgen wir bisher bei den jahrelangen israelischen Bombardierungen noch nie beobachtet haben.» … sie lösen innere Verbrennungen vierten Grades aus Er fuhr fort: «Das Spital liegt zentral, deshalb sehen wir fast alle Arten von Dossier Uranwaffen 35 Zeit-Fragen 2006 Verletzungen und Todesfällen nach israelischen Angriffen. Bei diesen Angriffen dringen Splitter in den Körper des Opfers ein, zersplittern dort in noch kleinere Teile und lösen dabei innere Verbrennungen vierten Grades aus, von denen Knochen, Gewebe und Haut betroffen sind.» Der Arzt fügte hinzu: «Das Gewebe stirbt ab, es ist nicht zu retten, so dass wir gezwungen sind, Arme und Beine zu amputieren. Die in den Körper eingedrungenen Splitter sind auf Röntgenaufnahmen nicht sichtbar. Wenn sie in den Körper eindringen schlagen sie Funken, wie beim Verbrennungsvorgang einer Feuerwaffe, es scheint aber keine chemische, sondern viel eher eine radioaktive Reaktion zu sein.» Er bestätigte, dass es Dutzende verletzter Arme und Beine gegeben habe. Die meisten seien von innen her verbrannt und so verstümmelt, dass sie nicht mehr zu retten seien. Gestern, war einer der blutigsten Tage der derzeitigen Angriffe. Die israelischen Streitkräfte töteten 25 Palästinenser. Dr. Al Saqqa sagte: «Von Tag zu Tag wird es schlimmer. Gestern töteten die israelischen Streitkräfte 25 Palästinenser und verletzten Dutzende, unter ihnen viele Kinder.» Israel bombardierte Untersuchungslabors Dr. Al Saqqa berichtete, dass die Israeli das Labor, in dem diese Fälle hätten untersucht werden können, vollkommen zerstört hätten. «Wir haben keine Möglichkeit mehr, diese uns abnormal erscheinenden Phänomene zu analysieren.» Er richtete einen Aufruf an die internationale Gemeinschaft, die von der israelischen Armee verwendeten Waffen zu untersuchen, und fügte hinzu, bis jetzt habe sich noch kein ausländisches medizinisches Institut für die Verwendung dieser neuartigen Waffen und deren Auswirkungen auf den menschlichen Körper interessiert. Er sagte: «Wir trafen Journalisten, die kamen, um Fotos zu machen, was jedoch die medizinische Gemeinschaft betrifft, hat sich bis jetzt noch niemand gerührt.» Quelle: Palestine News Network (unabhängige Presseagentur) Bisan Hisham, 13.7.2006. www.pnn.ps/english (Übersetzung Zeit-Fragen) Art. 35 Grundregeln 2. Es ist verboten, Waffen, Geschosse und Material sowie Methoden der Kriegführung zu verwenden, die geeignet sind, überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden zu verursachen. Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte Nr. 31, 31. Juli 2006, Seite 6 FAE-Granaten gegen libanesische Zivilbevölkerung WMR (Wayne Madsen Report) erfuhr aus Quellen des US-Militärgeheimdienstes von den unten gezeigten, in Libanon verwendeten Artilleriegranaten, einem Dossier Uranwaffen 36 Zeit-Fragen 2006 Typ von sogenannten Mehrzweckwaffen. Obwohl das Geschoss als Fuel-AirBomb [dt.: thermobarische Bomben] angepriesen wird, um damit gegnerische Minenfelder zur Explosion zu bringen, kann die Granate auch mit verschiedenen anderen Substanzen geladen werden. Eingefüllt werden können weisser Phosphor, Kampfgas oder Explosivstoffe für thermobarische Bomben. Für thermobarische Bomben wird eine ähnliche Zündeinheit verwendet, wie man sie an der Spitze der abgebildeten israelischen Granate sieht. Solche Fuel-AirBomben verursachen einen unglaublichen Feuerball, der allen Sauerstoff aus den Häusern, Tunnels, Bunkern und den Lungen der Menschen heraussaugt und verbrennt. Es entsteht dabei schlagartig ein Vakuum, welches das Lungengewebe zerstört. Dass Israel solche «Vakuum»-Waffen anwendet, wurde aus Libanon berichtet. Die unten abgebildete Artilleriegranate mit ihrer Zündeinheit (FMU-Penetrator) kann auch dazu dienen, chemische Waffen (Kampfgas) zu zünden, eine Anwendung, von der aus Südlibanon auch berichtet wird. Ausserdem kann sie weissen Phosphor entzünden, eine Substanz, die brennt und die Haut im wahrsten Sinne schmelzen lässt. In Falludjah oder anderswo im Irak hat das amerikanische Militär weissen Phosphor gegen die Zivilbevölkerung angewendet, was grotesk entstellte Körper hinterliess. Die grauenhaft verstümmelten Leichen sollen im Sinne der psychologischen Kriegsführung bewirken, dass die Zivilbevölkerung vor Entsetzen verzweifelt und ein Gebiet räumt. Das Photo aus Sidon, das ein verbranntes und schrecklich entstelltes junges libanesisches Kind zeigt, ist ein Indiz für die Verwendung von weissem Phosphor durch die Israeli. Ähnliche Bilder aus Falludjah wurden dem Verfasser dieses Berichtes von Reportern der italienischen Fernsehgesellschaft RAI gezeigt. Da der israelische Soldat im Bild die Granate ohne körperliche Anstrengung herumträgt, interpretieren Experten des Geheimdienstes der US-Army so, dass die gezeigte Granate mit Kampfgas und nicht mit schweren Explosivstoffen gefüllt ist. Quelle: www.waynemadsenreport.com vom 22./23.7.06 Dossier Uranwaffen 37 Zeit-Fragen 2006 Nr. 31, 31. Juli 2006, Seite 7 Die israelische Luftwaffe bereitet sich vor, DU-Bomben zu werfen Die USA liefern GBU-28-Bomben Die Administration Bush, welche die Regierung Israel in ihrem Kolonialkrieg gegen Libanon vorbehaltlos unterstützt, liefert grosse Mengen an ultramodernen Waffen. In diesen Tagen werden Laser-gesteuerte Bunker-Buster-Bomben des Typ’s GBU-28 geliefert. Sie enthalten einen Wirkungsteil aus abgereichertem Uran, dessen kanzerogene und verheerende Wirkungen auf die Gesundheit und das menschliche Erbgut bekannt sind. Die Bomben werden vermutlich aus dem Depot Camp Darby in Italien geliefert, und der Besuch von Condoleezza Rice in Rom hat vermutlich nur das Ziel der israelischen Armee Zeit zu verschaffen, die Offensive fortzusetzen und den langsamen nuklearen Tod abzuwerfen. Am vergangenen 23. Juli besuchte die US-Aussenministerin Israel. Sie autorisierte Israel nicht nur, mit der Bombardierung des Libanon fortzufahren, sondern sie sogar zu intensivieren. Dies nicht nur mit Worten. Die «New York Times» hat am 22. Juli enthüllt, dass die Bush-Administration in der Woche zuvor und auf Wunsch der israelischen Regierung eine grosse Ladung satelliten- bzw. lasergelenkter Bomben nach Israel geschickt hat. Dies bestätigen Quellen innerhalb der US-Administration, die anonym bleiben wollen. Diese Nachschublieferung macht verständlich, dass «Israel im Libanon noch eine lange Pendenzenliste zu erledigen hat». In einer Pressekonferenz, über die die «Jerusalem Post» am 21. Juli berichtete, liess ein israelischer Bomberpilot verlauten, dass die F-16-Bomber des 1. Geschwaders, die in weniger als 10 Minuten Beirut erreichten, 23 Tonnen Bomben auf einen Vorort abgeworfen haben. Es sei vermutet worden, dass sich dort die Führer der Hisbollah in einem Keller-Bunker verbergen. Doch ausser «Kollateralschäden» für die Einwohner dieses Quartiers sei nichts erreicht worden. Aber jetzt kommen neue Bomben, made in USA, und zwar in einem «package» mit anderen Waffen, deren Verkauf an Israel Washington im letzten Jahr freigegeben hat. Darunter befinden sich auch GBU-28-Bomben: Eine Maxibombe mit Laserlenkung von etwa 2,3 Tonnen Gewicht. In den Ausfuhrdokumenten ist sie beschrieben als «eine Spezialwaffe, geschaffen, um tief unter der Erde gelegene, eingebunkerte Kommandoeinrichtungen zu zerstören». Das Dokument präzisiert, dass «die israelische Luftwaffe die GBU-28 mit den F-15 Bombern einsetzen werden» (welche wie die F-16 von den USA geliefert worden sind). David Siegel, der Sprecher der israelischen Botschaft in Washington, sagte: «Wir brauchen diese Präzisionsmunition, um die militärischen Kapazitäten der Hizbollah zu neutralisieren und dabei zivile Schäden möglichst klein zu halten». Die GBU-28 seien deshalb «humanitäre Bomben». In der Lieferung aus den USA sind «mindestens 100 GBU-28» enthalten. […] Die Superbombe kommt via Italien In der US-Logistikbasis Camp Derby in Italien sind die Bomben für die US-Geschwader gelagert, die im Mittelmeer, Nordafrika und im Mittleren Osten zum Einsatz kommen. Diese Logistikbasis liegt zwischen dem Hafen von Livorno und Dossier Uranwaffen 38 Zeit-Fragen 2006 dem Flughafen von Pisa. Von dort aus wurden schon der grösste Teil der Bomben und Flugkörper ausgeliefert, die in beiden Kriegen gegen den Irak und gegen Jugoslawien eingesetzt worden sind. Da die Administration Bush in der letzten Woche beschlossen hat, diese Waffen im «beschleunigten Verfahren» per Schiff oder Frachtflugzeug oder beides gemeinsam zu liefern, ist es nur logisch, dass Camp Darby der Ausgangspunkt ist. Ein weiterer Hinweis stützt diese Hypothese. Gemäss Global Security (einer Organisation in den Vereinigten Staaten, deren Informationen sich bis jetzt als zuverlässig erwiesen haben), ist die 31. US-Munitionsstaffel, die ab Camp Darby operiert, «verantwortlich für das wichtigste konventionelle Munitionslager der Luftwaffe der Vereinigten Staaten in Europa. Dieser ‹Nachschubverband› bewirtschaftet 21 000 Tonnen Bomben in Italien und zwei Depots in Israel». Es besteht damit ein organischer Zusammenhang zwischen der italienischen Nachschubbasis Camp Darby und den zwei Depots in Israel, in welchen die US-Bomben gelagert sind. Es ist darum anzunehmen, dass die abgeworfenen Bomben und jene, noch zerstörerischen, die auf Libanon abgeworfen werden, via Camp Darby aus Italien kommen. Ausserdem wird auf das italienische Gesetz Nr. 94 vom 17. Mai 2005 verwiesen, welches die Zusammenarbeit zwischen den Verteidigungsministerien bzw. den Armeen von Italien und Israel regelt, insbesondere den «Import, Export und Transit von Militärmaterial». Bush: «Krieg in Libanon ist Schritt zum Frieden» Dies alles muss man sich vor Augen halten, wenn Condoleezza Rice im Palazzo Madama (Sitz der italienischen Regierung) das Wort ergreifen wird, um die Position der US-Regierung zu erklären. Gemäss der Washington Post vom 21. Juli sagte sie: «Präsident Bush hält den Krieg im Mittleren Osten für einen Schritt zum Frieden.» Der Präsident sei «gegen einen sofortigen Waffenstillstand, denn es gäbe zur Zeit eine Gelegenheit, die Hizbollah zu verjagen, die man ausnützen müsse, selbst wenn man dadurch mit anderen schweren Konsequenzen konfrontiert werde». Der Präsident «leide mit, wenn Leben ausgelöscht werde, er sei aber überzeugt, dass der Moment gekommen sei, Klarheit zu schaffen.» Friedenstruppe soll radioaktive Bombenkrater bewachen Das einzige, was wirklich schon klar ist, ist dass Israel seit längerem den Krieg gegen Libanon geplant hat, und zwar in enger Koordination mit Washington. Auch wurde ein Casus belli geschaffen, indem zwei israelische Soldaten entführt wurden und zwar nicht etwa auf israelischem Territorium, sondern auf libanesischem. Dies gab den Anlass, den Libanon in Blut und Feuer zu tauchen und um den Krieg gegen Syrien und Iran vorzubereiten. Die Konferenz in Rom, bei der die Gegenseite (Hizbollah und Syrien) nicht vertreten sein wird, wird einzig dazu dienen, der israelischen Luftwaffe noch etwas Zeit zu verschaffen, um ihr Zerstörungswerk zu vervollständigen, damit dann die «internationale Friedenstruppe» die offenen Krater der GBU-28 bewachen kann. Autor: Manlio Dinucci Quelle: www.planetenonviolence.org Aus dem Französischen übersetzt von Zeit-Fragen Originalquelle: www.ilmanifesto.it/Quotidiano-archivio/23-Luglio-2006 Dossier Uranwaffen 39 Zeit-Fragen 2006 Nato-Bombe mit abgereichertem Uran provoziert Krebs und angeborene Missbildungen Bunkerbrechende Bomben GBU-28 Die Bombe GBU-28 wurde 1991 entwickelt während des ersten Irak-Krieges. Während der ersten Woche nach Beginn der Bombardements verlangte die Luftwaffe der Vereinigten Staaten von der Kriegsindustrie eine lasergelenkte Bombe zu entwickeln, die im Stande ist, in die Erde einzudringen, um so Bunker der Kommandozentralen zu zerstören. Lokheed hat gewonnen, indem sie die Bombe in einer Rekordzeit gebaut haben: die am 1. Februar begonnene Arbeit lieferte ihre ersten Exemplare am 16. Februar. In den ersten Tests ist die GBU-28 in mehr als 30 Meter Tiefe gedrungen und durch 6 Meter dicke Betonwände ge schlagen, bevor sie explodiert ist. Aber der Krieg von 1991 neigte sich dem Ende zu: dennoch wurden zwei Exemplare dieser Bomben von F-111-Flugzeugen über dem Irak abgeworfen. Wie es Luftaufnahmen zeigen, explodierte die GBU-28 6 Sekunden nachdem sie mit Präzision in einen unterirdischen Schutzraum eingedrungen war. Nach dieser Feuertaufe unter realen Kriegsbedingungen wurde die GBU-28 modifiziert und mehrere Male getestete, um die Wirkungskraft zu verbessern. Die technische Beschreibung sagt, dass sie 4 Meter lang ist, einen Durchmesser von 36 cm hat und mehr als 2 Tonnen wiegt. Der Kopf der Geschossspitze enthält einen hochwirksamen Sprengstoff (Tritonal). Der Pilot des Flugzeuges, einer F-15 oder F-111, beleuchtet ein Ziel mit einem Laserstrahl und die aus 10 km Distanz einmal abgeworfene Bombe bewegt sich automatisch in Richtung des erleuchteten Punktes. Da die Benutzung einer Waffe unter tatsächlichen Kriegsbedingungen für die Konstrukteure mehr taugt als irgendein Test, wird die Benutzung der GBU-28 durch die israelische Luftwaffe in Libanon für Lokheed von grossem Wert sein. Sie wird es auch für den Pentagon sein, der momentan ein Programm für die Realisierung von schlagkräftigen Atomsprengköpfen entwickelt, um in «präventiven» Attacken Bunker der Kommandozentralen zu zerstören und so den Feind sofort ausser Gefecht zu setzen. Quelle: www.planetenonviolence.org Aus dem Französischen übersetzt von Zeit-Fragen Originalquelle: www.ilmanifesto.it/Quotidiano-archivio/23-Luglio-2006 Belgischer Offizier: Uranbomben sind extrem gefährlich von Maurice-Eugène André, ABC-Schutzoffizier aD (Belgian Air Force)* Man weiss, dass die Natur die Erde mit Uranerzen (U-235 und U-238) versehen hat. Über die Bodenschichten, die zwischen uns und diesen Erzen liegen, erhalten wir einen Teil unserer natürlichen Radioaktivität an Gammastrahlen. Aber seit der Forschung für die Atombombe, die in Hiroshima explodierte, gelang es Atomforschern, die radioaktiven Atome aus den Uranerzen herauszutrennen, um daraus Uranmetall zu erhalten. Das darin enthaltene Isotop Uran 238 ist ein chemisches und röntgenologisches Gift mit einer radioaktiven Halbwertszeit von 4,5 Milliarden Jahren. Dossier Uranwaffen 40 Zeit-Fragen 2006 Dieses Metall, das ohne weiteres Panzer durchbohrt, ist sehr schwer (mehr als 18 kg pro Liter) und wird zurzeit als Spitze in Bomben und Granaten als kinetisches Steuer eingebaut. Aber metallisches Uran, das an sich schon ein zweifelhaftes chemisches und radiologisches Gift ist, hat eine «Achillesferse»: Es verbrennt leicht beim Einschlag, und 90% davon reduzieren sich zu extrem kleinen radioaktiven Partikeln (nanometrische Partikel von einigen Milliardstel Metern), die durch alle Gasmasken der Welt dringen können. Dieses wiederholte Abbrennen von Uran wird mit den meteorologischen Strömungen weiterverbreitet, verseucht die Atmosphäre und dringt über die Atmung in die Organismen ein. Also findet sich fast das ganze Uran, dessen sich die Artilleristen und Flieger bedienen, quasi als Gesamtheit in Form von «radioaktivem in der Biosphäre unsichtbarem Metallgas» wieder, das die Truppen und die Zivilbevölkerung einatmen. Bereits jetzt sind mehr als 500 000 amerikanische Soldaten vom Uran verseucht und krank. Diese Verseuchung schwächt unsere DNA, unsere natürlichen Abwehrkräfte und steigert die Krebsrate. Viele Länder statten sich mit Urangranaten aus, da diese die «feindlichen» Panzer mit Leichtigkeit durchbohren. Wo aber sind unsere Feinde wirklich? Wer von unseren Führern denkt tatsächlich daran, dass ihre Wähler zuallererst atmen müssen, um zu leben? • Kontakt: Maurice-Eugéne André, Tel: +32 4 374 24 62 *ABC-Schutzoffizier: Experte für den Schutz vor atomaren, biologischen und chemischen Waffen. Nr. 32, 7. August 2006, Seite 1, 2 DU-Munition muss von unserem Globus verbannt werden! von Dr. Doug Rokke, ehemaligem Direktor des U.S. Army Depleted Uranium Project Die Vereinigten Staaten haben Israel für den Einsatz gegen Ziele in Libanon mindestens 100 GBU-28-Bunker-Brecher-Bomben geliefert, deren Sprengköpfe abgereichertes Uran enthalten. Das wird zu zusätzlicher radioaktiver Verseuchung und chemischer Vergiftung führen, die im ganzen Nahen Osten schädigende Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt haben werden. Auch israelische Panzerschützen verwenden, wie Fotorafien beweisen, Panzergranaten mit abgereichertem Uran. Heute setzen Militärangehörige der Vereinigten Staaten, Grossbritanniens und nun auch Israels illegale Uranmunition ein – Amerikas und Englands eigene «schmutzige Bomben». Gleichzeitig leugnen die Beamten der US-Armee, des US-Energieministeriums, des Verteidigungsministeriums der USA und des britischen Verteidigungsministeriums noch immer, dass die Produktion, die Tests und/oder der Einsatz von Uranmunition irgendwelche schädigenden Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt haben, weil sie damit vermeiden wollen, für die absichtliche und illegale Verbreitung von giftigem radioaktivem Material – Dossier Uranwaffen 41 Zeit-Fragen 2006 depleted uranium, abgereichertem Uran – zur Verantwortung gezogen zu werden. Die Verwendung von Uranwaffen ist absolut inakzeptabel und ein Verbrechen gegen die Menschheit. Infolgedessen müssen die Bürger der Welt und alle Regierungen die Beendigung des Einsatzes von Uranwaffen erzwingen. Ich muss die Forderung erheben, dass Israel jetzt allen Opfern von abgereichertem Uran in Libanon ärztliche Betreuung zukommen lässt und die gesamte Verseuchung mit abgereichertem Uran gründlich säubert. Vertreter der Vereinigten Staaten und Grossbritanniens haben sich in arroganter Weise geweigert, ihren eigenen Bestimmungen, Anweisungen und Richtlinien nachzukommen, die von den Beamten des amerikanischen Aussen- und Verteidigungsministeriums verlangen, allen ausgesetzten Personen prompte und effektive medizinische Versorgung zur Verfügung zu stellen. Referenz: Medical Management of Unusual Depleted Uranium Casualties, Verteidigungsministerium, Pentagon, 10/14/93, Medical Management of Army personnel Exposed to Depleted Uranium (DU) Headquarters, U.S. Army Medical Command 29 April 2004, und Abschnitt 2–5 des U.S. Army Regulation 700-48. Israelische Beamte müssen das heute nicht tun. Sie weigern sich auch, die ausgebrachte radioaktive Verseuchung zu beseitigen, wie die Armee Verordnung 700-48 zur «Handhabung von DU-verseuchter Ausrüstung oder radioaktiver Stoffe»1 und das Fachbulletin TB 9-1300-278 der US-Armee mit den «Richtlinien für die sichere Reaktion auf Unfälle beim Handhaben, Lagern und Transport von Panzermunition der Armee oder Rüstung, die DU enthält» es fordern. Insbesondere die Paragraphen 2–4 der US-Armee-Verordnung (United States Army Regulation) AR 700-48 vom 16. September 2002 verlangt: 1 «Militärpersonal identifiziert, trennt, isoliert, sichert und kennzeichnet die gesamte radioaktiv verseuchte Ausrüstung [RCE radiologically contaminated equipment].» 2 «Verfahrensweisen, um die Verbreitung von Radioaktivität zu minimieren, werden schnellstmöglich umgesetzt.» 3 «Radioaktive Materialien und Abfälle werden nicht vor Ort beseitigt, weder durch Beerdigen, Versenken, Verbrennen, Vernichten oder Zurücklassen» und 4 «Alles Material, zu dem auch erbeutetes Material oder im Gefecht mit DU kontaminierte Ausrüstung gehört, wird überwacht, zusammengepackt, zurückgeführt, dekontaminiert und freigegeben. IAW Technical Bulletin 9-1300-278, DA PAM 700-48.» (Anmerkung: Grenzwerte für maximale Belastung sind im Anhang F aufgeführt). Der frühere und gegenwärtige Einsatz von Uranwaffen, die Freisetzung radioaktiver Komponenten in zerstörter Ausrüstung des amerikanischen und ausländischen Militärs und die Freisetzung radioaktiven Materials aus industriellen, medizinischen und Forschungseinrichtungen haben zu inakzeptablen Belastungen geführt. Daher muss die Dekontaminierung durchgeführt werden, so wie sie die US-Armee-Verordnung 700-48 verlangt, und sie sollte auch alles radioaktive Material umfassen, das in militärischen Operationen freigesetzt wurde. Die schädigenden Auswirkungen der Verseuchung durch Uranwaffen bleiben nicht auf die Kampfgebiete beschränkt, sondern zeigen sich auch in Einrichtungen und Örtlichkeiten, wo Uranwaffen hergestellt oder getestet werden: Dazu zählen die zu Puerto Rico gehörige Insel Vieques; die Städte Colonie im Staat Dossier Uranwaffen 42 Zeit-Fragen 2006 New York und Concord in Massachusetts; die Jefferson Proving Grounds (Testgelände der US-Armee) in Indiana und das Armee-Trainings- und Testgelände Schofield Barracks auf Hawaii. Die Beamten des US-Verteidigungsministeriums müssen daher jedem einzelnen, der durch die Herstellung, das Testen und/oder die Anwendung von Uranmunition betroffen ist, ärztliche Betreuung zukommen lassen. Auch die gründliche Sanierung der Umwelt muss ohne weiteren Aufschub vollständig durchgeführt werden. Ich bin erstaunt, dass 15 Jahre nachdem ich aufgefordert worden war, die Säuberungsaktion in Zusammenhang mit der ursprünglichen DU-Schweinerei des ersten Golf-Krieges durchzuführen und mehr als 10 Jahre nachdem ich das Depleted Uranium Project beendete Beamte des US-Verteidigungsministeriums und andere noch immer versuchen, den Einsatz von Uranmunition zu rechtfertigen, während sie gleichzeitig zwingende Auflagen ignorieren. Ich bin bestürzt, dass Beamte und Vertreter des Verteidigungsministeriums und des Energieministeriums damit fortfahren, mit persönlichen Attacken diejenigen von uns zum Schweigen bringen oder diskreditieren zu wollen, die verlangen, dass in Erfüllung der US-Armee-Verordnung 700-48 allen DU-Opfern ärztliche Hilfe zuteil und die Umweltsanierung durchgeführt werden muss. Aber jenseits der missachteten Verpflichtungen ist die vorsätzliche Verbreitung von Tonnen massiv radioaktiven und chemisch giftigen Abfalls in Form von Uranmunition illegal3 und hält ganz einfach der Prüfung des gesunden Menschenverstandes nicht stand – und sie ist gemäss dem US-Department für Homeland Security DHS eine «schmutzige Bombe». Das DHS hat am 3. Januar 2006 Richtlinien für die Reaktion auf «schmutzige Bomben» für Zwischenfälle innerhalb der USA herausgegeben,4 ignoriert aber den Einsatz von Uranwaffen durch das Verteidigungsministerium und die Bestimmungen des Verteidigungsministeriums. Diese Richtlinien erklären ausdrücklich: «Charakteristika von Zwischenfällen mit RDD5 und IND: Ein radiologischer Zwischenfall wird definiert als ein Ereignis oder als Reihe von Ereignissen, die absichtlich oder versehentlich zur Freisetzung oder zur potentiellen Freisetzung radioaktiven Materials in die Umgebung führen, dessen Menge ausreicht, um die Erwägung von Schutzmass nahmen zu rechtfertigen. Der Einsatz eines RDD oder eines IND ist ein Akt des Terrors, der einen radiologischen Zwischenfall hervorruft.» Der Einsatz von Uranmunition ist dementsprechend ein „Akt des Terrors“, so wie ihn das Department of Homeland Security definiert. Und endlich kann auch das weitere Befolgen des berüchtigten Memorandums von Los Alamos vom März 1991, mit dem der fortgesetzte Einsatz von Uranmunition sichergestellt werden sollte, nicht gerechtfertigt werden. Der Präsident der Vereinigten Staaten, George W. Bush, der Premierminister von Grossbritannien, Tony Blair, und der israelische Premierminister, Ehud Olmert, müssen schliesslich die Verantwortung für den vorsätzlichen Einsatz illegaler Uranmunition – ihre eigenen «schmutzigen Bomben» – eingestehen und übernehmen, aus dem sich schädigende Einflüsse auf Gesundheit und Umwelt ergeben. Präsident Bush, Premierminister Blair und Premierminister Olmert sollten anordnen: 1 Ärztliche Betreuung für alle Opfer 2 Gründliche Sanierung der Umwelt 3 Sofortiges Einstellen der Vergeltungsmass nahmen gegen all diejenigen Dossier Uranwaffen 43 Zeit-Fragen 2006 von uns, die das Einhalten der Vorschriften zu ärztlicher Betreuung und Umweltsanierung verlangen 4 Die Beendigung des (laut Uno-Befund) schon erfolgten illegalen Einsatzes von DU-Munition. Quelle: www.uruknet.info vom 24.7.2006 (Übersetzung Zeit-Fragen) 1 Army Regulation AR 700-48: «Management of Equipment Contaminated With Depleted Uranium or Radioactive Commodities». (Headquarters, Department of The Army, Washington D.C., September 2002) 2 US-Army Technical Bulletin TB 9-1300-278: «Guidelines For Safe Response To Handling, Storage, and Transportation Accidents involving Army Tank Munitions Or Armor Which Contain Depleted Uranium» (Headquarters, Department Of The Army, Washington DC, Juli 1996) 3 www.traprockpaece.org/karen_parker_du_illegality.pdf 4 www.access.gpo.gov/su_docs/aces/fr-cont.html 5 RDD: Radiological Dispersal Device [etwa: Sprengsatz zur Verbreitung von Radioaktivität] 6 IND: Improvised Nuclear Devices, improvisierter Atomsprengsatz Unter den nachfolgenden Quellenangaben finden Sie Kopien der vorliegenden Bestimmungen und Anweisungen und andere einschlägige offizielle Dokumente: traprockpeace.org/twomemos.htmltraprockpeace.org/twomemos.html traprockpeace.org/rokke_du_3_ques.html traprockpeace.org/du_dtic_wakayama_Aug2002.html traprockpeace.org/karen_parker_du_illegality.pdf www.access.gpo.gov/su_docs/aces/fr-cont.html cryptome.org/dhs010306.txt Doug Rokke, Professor für Umweltwissenschaft und -technik diente über 35Jahre in der US-Armee. Zu Beginn des ersten Golf-Krieges 1991 beauftragte man ihn, Soldaten auf den Umgang mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen vorzubereiten. Nach der Operation «Desert Storm» sandte man ihn mit einem Team in den Irak, um die von der US-Armee hinterlassenen Strahlenruinen zu entsorgen. Trotz Atemmasken und Schutzkleidung erkrankten die Mitarbeiter seines Teams – zuvor alle bei bester Gesundheit – innerhalb einer Woche an Ausschlägen und Atembeschwerden, es folgten Nierenprobleme, nach ein paar Monaten traten die ersten Krebserkrankungen auf, nach zwei, drei Jahren starben die ersten. Bis 2001 waren 20 seiner Kameraden tot. Auch Doug Rokke selbst leidet an verschiedenen Symptomen wie Atembeschwerden und Nierenproblemen und anderen. Im Laufe seiner wissenschaftlichen Tätigkeit über Depleted Uranium für die US-Armee kam er zum Schluss und engagiert sich seither dafür, dass Uranmunition für alle Ewigkeit von unserem Planeten verbannt werden muss und jedermann – nicht nur den US-Veteranen, den Briten, Kanadiern, Deutschen oder Franzosen, sondern auch den Menschen im Irak, auf Okinawa, in Schottland, Indiana, Maryland, Afghanistan, Kosovo und nun auch in Libanon – ärztliche Hilfe zuteil werden muss. Dossier Uranwaffen 44 Zeit-Fragen 2006 Nr. 32, 7. August 2006, Seite 4 Uranmunition aus den USA UN-Berater wirft Israels Armee Einsatz international geächteter Waffen vor von Jürgen Cain Külbel, Deutschland Angesichts des Massakers, das Israels Bomber im südlibanesischen Kana verübten, flehte der kriegserprobte Haudegen General Michel Aoun, Chef der Freien Patriotischen Bewegung Libanons, in Richtung von US-Aussenministerin Condoleezza Rice: «Ich weiss, sie ist nicht verheiratet und keine Mutter. Aber soll sie deswegen keine mütterlichen Gefühle haben? Wenn, dann soll sie die zeigen.» Der Oppositionsführer im Beiruter Parlament wusste offenbar nicht, dass die Regierung von George W. Bush dem Staat Israel über 100Stück GBU-28 (sogenannte Präzisionsbomben) geliefert hat. Diese sind mit Munition bestückt, die abgereichertes Uran (Depleted Uranium – DU) enthält. «Wir wussten von der Lieferung. Jetzt schauen wir auf die Zerstörungen in Libanon, die deutet auf DU hin», hatte Dr. Doug Rokke, Experte für die Waffenart, vor der Presse in Washington erklärt. Rokke, Berater des US-Repräsentantenhauses und der Uno, beschuldigte Israel, die tödliche und international geächtete Munition gegen die Libanesen einzusetzen: «Wir erhielten tatsächlich die Fotografie, wie DU-Sprengköpfe von einem israelischen Panzerkanonier geladen werden. Die Fotos wurden merkwürdigerweise nach ihrer Veröffentlichung von zahlreichen Nachrichten-Webseiten gelöscht.» DU-Munition ist hochgradig giftig und radioaktiv. Sie bildet nach dem Aufprall Stäube und Aerosole, die durch Aufnahme in die Lunge zu Knochenschäden, Krebs, Leukämie und in nächster Generation zu Kindesmissbildungen führen können. Rokke betonte, dass «alle Libanesen, alle Frauen und Kinder, alle Israeli, die vollständige Region» unter den Folgen leiden werden, weil die «Verschmutzung für Ewigkeiten in der Atmosphäre verbleibt». Israel scheut offenbar auch vor dem Einsatz anderer geächteter Waffen nicht zurück. Am 26.Juli meldete der libanesische Daily Star, Israels Militär habe bei einem Angriff auf das südlibanesische Blida Streubomben eingesetzt. Der Direktor des Nabatiyeh National Hospitals sprach auch vom Einsatz von «Vakuumbomben, welche die Luft aus dem Körper ziehen, die Atmung stoppen und so zum Herzstillstand führen». Bei Angriffen auf Al-Orqoub, Hasbayya, Ramta, Zaaourta, Amfit und weitere Orte nahe der israelischen Grenze wurden zusätzlich auch Bomben mit weissem Phosphor abgeworfen. Darauf hatte Dr. Mo’ness Kalakesh, Direktor des Marjeyoun National Hospital bereits am 21.Juli hingewiesen und über «abnormale Fälle» berichtet, nämlich «sonderbare Verbrennungen, die die Haut verkleben und fast unmöglich zu behandeln sind». Dr. Bashir Sham, Arzt am Southern Medical Center in Sidon und Mitglied der French Association of Cardiovascular Surgeons, erklärte am 19.Juli vor der Presse, Leichen, die nach Luftschlägen aus der Gegend von Doueir und Rmayleih eingeliefert wurden, sahen «sehr abnormal» aus: «Man könnte denken, sie seien verbrannt. Die Farbe ihrer Haut war schwarz wie ein Schuh. Sie waren aufgeblasen und stanken schrecklich. Dabei war die Haut weder verbrannt noch verkohlt. Die Haare und manchmal Bart oder Schnurrbart blieben intakt. Es gab keine Spuren von Blut- Dossier Uranwaffen 45 Zeit-Fragen 2006 verlust oder subkutanen Blutungen.» Sham hob hervor, dass «nur chemische Substanzen zu einem sofortigen Tod ohne Blutungen führen. Ich habe den Eindruck, dass ein giftiger Stoff über die Haut in die Körper gelangte», die Funktionen des Nervensystems ausser Kraft gesetzt, das Blut verklumpt habe, «worauf der Tod mit fast hundertprozentiger Sicherheit» folgte. Sham hatte mumienartige Leichen untersucht, die nach einem Raketenangriff auf einen Minibus nahe Rmayleih in sein Krankenhaus eingeliefert worden waren. «Die Rakete hat wahrscheinlich ein chemisches Präparat freigesetzt, das den Tod der zwölf Zivilisten verursacht hat», glaubt der Arzt. Ali Mansour, Shams Chef, klagte, er konnte «mindestens zwölf Stunden nach der Untersuchung der Leichen nicht richtig atmen». Er habe Javier Solana, Aussenminister der EU und UN-Generalsekretär Kofi Annan über die Vorfälle in Kenntnis gesetzt. Quelle: Junge Welt vom 1.8.2006 DU-Munition verseucht unseren Planeten für 4,5 Milliarden Jahre Sie heissen «Hellfire», «Smart Bombs», «Advanced Penetrators» oder «Bunker Busters». Allen gemeinsam ist, sie bestehen aus abgereichertem Uran (DU). Depleted Uranium ist das, was übrigbleibt, wenn man dem Natururan das spaltbare Isotop U-235 für die Herstellung von Kernbrennstoff oder Nuklearwaffen entzogen hat. U-235 macht aber nur etwa 5% des Gesamturangehaltes aus, so dass Depleted Uranium fast vollständig aus dem Isotop U-238 besteht. Zwischen Depleted Uranium und natürlichem Uran gibt es keine chemischen und toxikologischen Unterschiede, lediglich die Radioaktivität ist um etwa 40% geringer. Depleted Uranium ist ein Abfallprodukt der Atomwirtschaft, für das es keine nennenswerte Weiternutzung gibt. Weltweit liegen über 1,1Millionen Tonnen Depleted Uranium auf Halde, jährlich kommen mindestens 46 000Tonnen dazu. Spitzenreiter der DU-Produktion sind die Vereinigten Staaten und Russland, mit weitem Abstand gefolgt von Grossbritannien und China. Ein dankbarer Abnehmer für Depleted Uranium ist das Militär geworden, denn Depleted Uranium besitzt für die Herstellung von Geschossen besondere Vorteile gegenüber herkömmlichen Materialien. Mit einem spezifischen Gewicht von 19Kilogramm pro Liter ist Depleted Uranium 70% schwerer als Blei, fast so schwer wie Gold oder Wolfram, aber eben unvergleichlich billiger als diese. Die schweren Geschosse durchschlagen besser als jedes andere Material Panzerungen von Fahrzeugen und Gebäuden. Darüber hinaus ist Depleted Uranium «pyrophor», das heisst, es verbrennt bei mechanischer Einwirkung und erhöht dadurch die zerstörende Wirkung der Munition. In Kriegen der vergangenen 14Jahre (Irak, Kuwait, Bosnien, Kosovo, Serbien, Montenegro, Afghanistan) wurden etwa 1,4Millionen DU-Geschosse entsprechend einer Masse von 400 000Kilogramm Depleted Uranium verschossen. Neben den Vereinigten Staaten besitzen oder entwickeln Frankreich, Grossbritannien, Israel, Pakistan, Russland, Saudi-Arabien, Thailand und die Türkei DUMunition. Die Umweltschutz-Organisation der Vereinten Nationen (UNEP) schildert den typischen Angriff eines A10-Bombers auf ein Ziel am Boden als «einen Dossier Uranwaffen 46 Zeit-Fragen 2006 Feuerstoss von etwa 2Sekunden, bei dem etwa 200Projektile in gerader Linie in einem Abstand von 1–3Metern eine Fläche von etwa 500Quadratmetern bedecken». Von diesen 200Geschossen treffen jedoch kaum mehr als 10 ihr Ziel, der Rest verschwindet im Boden. Die UNEP geht von 30 000 in Kosovo verschossenen Depleted-Uranium-Projektilen aus. Die von UNEP im November 2000 entsandte Suchexpedition der «Balkan Task Force» fand davon aber nur sieben komplette und ein halbes Projektil wieder. Und genau hier beginnt das Problem: Bislang hat man sich toxikologisch und ökologisch lediglich um das Depleted Uranium der wenigen Treffer-Geschosse gekümmert, die beim Aufprall zu Uranoxid-Staub verbrennen, der die Atemluft belastet oder Gegenstände kontaminiert. Das Schicksal des Depleted Uranium aus der weitaus grösseren Anzahl der Geschosse, die – ohne ein Ziel zu treffen – in den Boden gelangen, ist weitgehend unbekannt. Neben seiner Gefährlichkeit als Radionuklid ist Uran ein toxisches Schwermetall, das sich bevorzugt in Knochen anreichert und verschiedenste Krankheiten, angefangen von Funktionsstörungen der Nieren, der Lunge und der Leber bis hin zu Krebs und Erbgutveränderungen auslösen kann. Uranbelastungen werden insbesondere in Verbindung mit dem sogenannten «Golfkriegssyndrom» bei Soldaten gebracht, die in diesen Gebieten im Einsatz waren, ein Umstand, der Depleted Uranium in Veteranenkreisen den Namen «Metal of Dishonor» eingebracht hat. Wissenschafter/innen des Institutes für Pflanzenernährung und Bodenkunde der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig untersuchen seit 5Jahren in umfangreichen und aufwendigen Versuchen Faktoren, die für die Auflösung von Uran und seinen Oxiden im Boden verantwortlich sind. Die in den Böden eingestellten Urankonzentrationen entsprachen den Belastungen eines «Standardbeschusses» mit DU-Munition. Die Ergebnisse zeigen, dass in den Boden als Uranoxid eingebrachtes Uran durch physikochemische und biologische Vorgänge gelöst und für Pflanzen aufnehmbar wird. Nach 3Jahren Verbleib im Boden waren bis zu 40% des zugeführten Urans in mobile Verbindungen übergegangen. Solche mobilen Uranverbindungen können entweder von Pflanzen aufgenommen oder in Böden und Gewässer verlagert werden. Die von den Pflanzen aufgenommenen Uranmengen hingen in den Versuchen der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft direkt von den Urankonzentrationen im Boden ab. Bezogen auf den Gesamturangehalt des Bodens gingen 0,4–0,6% oder bezogen auf den verfügbaren Anteil an Uran 5–6% aus dem Boden in oberirdische Teile von Pflanzen über. Die Urankonzentrationen der Pflanzen lagen schon in den geringsten Belastungsstufen um bis zu tausendmal höher als in den Kontrollen. Die Wissenschafter/innen der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft fanden aber auch, dass die Mobilisierung des Urans mit abnehmender Fruchtbarkeit des Bodens (niedrigere pH-Werte, geringere Gehalte an mineralischen Pflanzennährstoffen, vor allem Phosphor) zunimmt. Wenig fruchtbare Böden sind aber gerade typisch für Krisengebiete, und die Bevölkerung ist dort auf Selbstversorgung vom eigenen Boden angewiesen. Beides sind Aspekte, welche die Tragik der Auswirkungen von Depleted Uranium-Munition erheblich erhöhen, eben ein «Metal of Dishonor». Quelle: Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (www.fal.de) vom 30.6.2005 Dossier Uranwaffen 47 Zeit-Fragen 2006 Nr. 32, 7. August 2006, Seite 5, 6 «Humanitärer Einsatz» mit Urangeschossen von Wolfgang Hingst Der folgende Text ist ein Auszug aus dem 2003 erschienenen Buch von Wolfgang Hingst «Paradies oder Weltuntergang. Wir haben die Wahl. Soziale, ökonomische Überlebensmodelle gegen das Versagen von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik.» Frieden ist nicht nur das Gegenteil von Krieg, nicht nur der Zeitraum zwischen zwei Kriegen. Frieden ist dann, wenn wir recht handeln und wenn zwischen allen Menschen und allen Völkern Gerechtigkeit herrscht. Indianischer Spruch Friedensforscher haben festgestellt, dass es seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges weltweit an die 200militärisch ausgetragene Konflikte mit schätzungsweise 40Millionen Toten gab. Sie sprechen von einer Eskalation. Kriege sind nicht nur Quellen unsäglichen Leides von Menschen, sie sind auch Geldvernichtungsmaschinen, welche die dringend notwendigen Investitionen in die Zukunft – vor allem die Ökologisierung – verhindern und die Entwicklung zurückwerfen. Das Säbelrasseln der USA am Golf und die Nato-Ost-Erweiterung heizen die Rüstungsindustrie an. Analysten prophezeien Aktien von Waffenherstellern kräftige Kursgewinne. «Der Krieg ist der Vater aller Gewinne» (Korinek, 2001; detaillierte Literaturangaben befinden sich im Literaturverzeichnis des Buches), aber der Todfeind von Mensch und Umwelt. Die Vernichtung des Gegners mit hochbrisanten Giften hat schon im Ersten Weltkrieg begonnen: mit dem Einsatz von Senfgas in den Kämpfen bei der belgischen Stadt Ypern in der Nähe von Gent am 22.April 1915. Senfgas, auch Gelbkreuz, Lost oder Yperit genannt, ist eine braune, ölige, stechend riechende Substanz, ein gefährliches Haut- und Atemgift. Das Teufelszeug war eine Erfindung des Chemikers Carl Duisberg – des Begründers der IG-Farben – und des Berliner Chemieprofessors und späteren Nobelpreisträgers Fritz Haber. Aus 5000 heimlich an die Front geschafften Stahlzylindern wurden 180 Tonnen Dichloräthylsulfid in Richtung der französischen Schützengräben geblasen. Die gelblich-grüne Wolke verätzte 15’000 Soldaten grauenhaft. 5000 starben sofort. Fakten und Zahlen belegen, dass die Bedrohung aus dem eigenen Aggressionspotential kommt: Schon im Jahr 2000 betrug der Anteil der USA und ihrer Verbündeten an den weltweiten Rüstungsausgaben 72%. Der Rest kam auf alle anderen Blöcke, einschliesslich Russland und China. (Gärtner, Pucher, 2000, S.18) Im Jahr 2000 gaben die USA 294,7, Europa 181,6, die GUS 8,8Milliarden Dollar für Rüstung aus. (Fischermann, Jungclaussen, 2002) Nach dem 11.September haben die USA ihre Militärausgaben noch weiter erhöht. US-Präsident Bush bemüht sich seither, die Ausgaben für seinen Ölkrieg (Deckname «Krieg gegen den Terror») auch anderen Staaten aufzubürden und durch die Uno sanktionieren zu lassen. Ohne eine umfassende Friedenspolitik, ohne die volle Anerkennung geltenden Dossier Uranwaffen 48 Zeit-Fragen 2006 Rechts, kann es keine ökologische Politik geben. In einer kriegsbereiten und hass erfüllten Atmosphäre findet letztlich jeder Fortschritt sein Ende. Die Kriege auf dem Balkan wurden von Nato und EU – Orwell lässt grüssen – als «humanitärer Einsatz» bezeichnet. Die Wahrheit ist, dass sie Angriffskriege waren, die geltendes Recht mit Füssen traten. Nach Angaben des jugoslawischen Aussenministeriums wurden allein im Krieg gegen Serbien 2500Zivilpersonen getötet, fast ein Drittel davon Kinder. Bombardiert wurden nicht nur militärische Einrichtungen, Fabriken, Strassen und Brücken. Auch Schulen, Spitäler, Flüchtlingskonvois, öffentliche Verkehrsmittel, Kirchen, Klöster, Kulturdenkmäler, ja sogar Friedhöfe waren Angriffsziele. 50'000 Serbenhäuser wurden verbrannt, 360'000 Serben, Montenegriner und Mitglieder nichtalbanischer ethnischer Gruppen vertrieben. Das Ausmass der Zerstörung in Ex-Jugos lawien ist auch an der Umwelt ablesbar. Der Qualm aus den zerstörten Raffinerien, Chemie- und Düngemittelfabriken verteilte giftige, zum Teil krebserregende Substanzen über weite Entfernungen. Aus der Atmosphäre wanderten die Gifte – auch grenzüberschreitend – in den Boden, in die Nahrungskette, ins Wasser. Und es kam auch zu radioaktiver Verseuchung durch die Verwendung von Urankerngeschossen mit enormer Durchschlagskraft – ähnlich wie im Irak. In Serbien, in Kosovo und im Irak hat die Nato Hunderte Tonnen Uranmunition eingesetzt. Zunächst leugnete das Oberkommando des Atlantischen Bündnisses den Einsatz in Kosovo. Schliesslich musste Nato-Generalsekretär George Robertson unter Druck zugeben, dass 31'000 Urangeschosse mit einem Gewicht von 9,3 Tonnen abgefeuert wurden. Gleichzeitig versicherte ein Sprecher, es bestehe «keine Gefahr für Umwelt und Gesundheit». (Reuters, 23.3.2000) Im Dezember 2000 gaben die Amerikaner dann auch noch zu, dass zwischen 1994 und 95 in Bosnien 10'800 solcher Uranprojektile abgefeuert wurden. Als später gehäuft Krebs – vor allem Leukämie – bei in Bosnien und in Kosovo eingesetzten Soldaten aus Italien, Belgien, Frankreich und Spanien auftrat, beharrten die Nato-Militärs darauf, dass kein Zusammenhang zu den Erkrankungen bestehe. Dabei ist die Gefährlichkeit unschwer nachzuweisen. Aus Deutschland meldete sich Anfang 2001 der erste leukämiekranke Bundeswehrangehörige, der in Kosovo gedient hatte. (Daniel, Gruber et. al., 2001, S. 185ff.) Im April 2002 berichtete der staatliche TV-Sender RAI über mindestens sieben Missgeburten in italienischen Familien. Die Väter der armen Kreaturen waren bei Einsätzen in Kosovo und Somalia stationiert. Die Kinder litten an Missbildungen des Gehirns und der Knochen. Das Uran ist ein sogenannter Alpha-Emitter, der eine sehr kurze Reichweite hat und deshalb anscheinend nicht so gefährlich ist. Aber, wenn eine Granate explodiert, werden Temperaturen von mehr als 1500 Grad erreicht. Es entstehen sehr giftige und sehr gefährliche Stäube aus Urandioxid und Spuren von Plutoniumoxid, die Luftschwebeteilchen bilden. Diese Aerosole können über viele Kilometer verbreitet werden. Dazu erklärt das Institut für Bodenkunde der Universität Hamburg: «Diese Partikel können direkt eingeatmet werden oder durch Wunden in den Körper gelangen und dort ihre schädigende Wirkung entfalten. Sie werden auch auf dem Boden abgelagert und gelangen so in den Nahrungskreislauf. Plutonium gilt als der toxischste Stoff überhaupt. Als Oxide setzen sie sich zum Beispiel in der Lunge fest und wirken dort hochgradig kanzerogen. Beide Metalle sind radioaktiv. Hauptsächlich entsteht Alpha-Strahlung, die ihre hohe Energie vollständig auf kurze Distanz abgibt und daher nicht von ausserhalb, dafür aber um so schädlicher innerhalb des Körpers wirkt. Weiterhin werden beim Zerfall Dossier Uranwaffen 49 Zeit-Fragen 2006 Gamma- und Neutronenstrahlen freigesetzt. Die biologischen Halbwertszeiten liegen bei 200Jahren.» (Universität Hamburg, 27.2.2001) Der Kern der Uranmunition besteht aus sogenanntem abgereichertem Uran, depleted uranium (DU) oder Uran-238. Es entsteht auf zwei Wegen: Natürliches Uran enthält nur 0,7% des Isotops235, das allein als spaltbares Material in Brennstäben zum Einsatz kommt. Der Rest ist Abfall: U-238. Sind die Brennstäbe ausgebrannt, wandern sie in zivile Wiederaufbereitungsanlagen. Sie enthalten Plutonium, einen der gefährlichsten bekannten Stoffe überhaupt. In den Wiederaufbereitungsanlagen wird es zwar für die Plutoniumbrennstäbe (MOX) herausgelöst. Der Rest, Uran-238, das abgereicherte Uran, bleibt aber mit Plutonium verseucht. Eine Grafik des Entstehungsablaufs von DU brachte Der Spiegel (4/2001) zugleich mit einer herben Kritik an Rudolf Scharping. Der mittlerweile geschasste «Minister für Selbstverteidigung» hatte sich über die Sorgen seiner Soldaten über die Risiken der Uranmunition lustig gemacht, indem er erklärte, die Strahlungsgefahr sei zu vernachlässigen und nicht grösser als bei Badewasser aus dem Kurort Gastein. Er habe sich damit «purer Verharmlosung» des «heimtückischen Giftzeuges», des «tödlichen Waffengiftes» schuldig gemacht. Spätestens 1991, nach dem Einsatz von Uranmunition im Irak, wussten die Militärs um die Gefährlichkeit der Urangeschosse. Nach einem Bericht der «Londoner Times» war die britische Regierung bereits damals vor den Risiken gewarnt worden – von der eigenen Atomenergiebehörde. Nach den irakischen Gesundheitsbehörden wurden zumindest dreimal mehr Kinder mit vererbten Missbildungen geboren als vor dem Krieg. Bei den unter 15jährigen im Süden des Landes sind zwischen 1990 und 1997 die Leukämieerkrankungen um 60% gestiegen, bösartige Tumore – besonders Gehirntumore haben sich in dieser Altersstufe im gleichen Zeitraum sogar um 120% vermehrt. (Correggia, 1999) Von den insgesamt 967'000 Soldaten der Allianz – übrigens zur Hälfte Schwarze und Latinos – , die im Irak zum Einsatz gelangten, haben allein 90’000 durch das «Golfkriegssyndrom» nachweisbar zum Teil schwere gesundheitliche Schäden davongetragen. Und es gab Todesfälle. (Clark, 1997) Täglich gelangten durch brennende Ölquellen 750'000 Tonnen krebserregender Russ und andere giftige Chemikaliendämpfe in die Atmosphäre. Die Rauchwolken, so warnten Wissenschafter, seien ärger als die Strahlenwolken von Tschernobyl. Aber ohne Skrupel und ohne Gnade für die Zivilbevölkerung bereitet die US-Administration einen neuen Irak-Krieg vor. Scott Ritter, ehemals Chef der UN-Waffeninspekteure im Irak und gleichzeitig Captain des militärischen Geheimdienstes der USA, wurde angesichts des Kriegszieles von George W. Bush, Saddam Hussein zu beseitigen – egal wie die Waffeninspektionen ausgehen, vom Saulus zum Paulus. Die Iraker würden, so Scott Ritter, niemals einem Inspektionsregime Vertrauen schenken, das sich bereits als anfällig für Infiltration und Manipulation durch dem Irak feindlich gesinnte Geheimdienste erwiesen hat. Dies ungeachtet aller Zusicherungen durch den Uno-Generalsekretär. In einem Interview mit der Zeitschrift Konkret sagte Scott Ritter: «Weil Bush weniger an der Entwaffnung des Iraks als am Sturz von Saddam Hussein interessiert ist, hat er in Wahrheit keine Kooperation angeboten. Er wollte der Vollversammlung seine politischen Ziele diktieren. Damit riskiert er die Zerstörung der Vereinten Nationen, die über ein halbes Jahrhundert die internationale Zusammenarbeit garantiert haben. Dies ist ein historisch entscheidender, ein sehr gefährlicher Augenblick […]. Die USA haben das Wissen der UN-Waffeninspektoren über die geheimen Strukturen des Iraks missbraucht, Dossier Uranwaffen 50 Zeit-Fragen 2006 um den Widerstand gegen Saddam Hussein zu schüren und einen Putsch zu inszenieren. Aber der Sicherheitsrat hat den Sturz Saddam Husseins oder die Destabilisierung des Iraks nie autorisiert […]. Washington provozierte mit besonders aggressiven Inspektionen einen Konflikt, für den der Irak dann zur Strafe bombardiert wurde […].Bis heute habe ich keinen überzeugenden Beweis dafür gesehen, dass der Irak nach dem Abzug der Inspektoren den Bau biologischer, chemischer und nuklearer Waffen wiederaufgenommen hat […]. Krieg ist eine zu ernste Angelegenheit, um ihn auf der Grundlage von Spekulationen zu beginnen.» (von Dohnanyi, 2002) US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der steif und fest behauptet, der Irak habe seine Waffenfabriken in den Untergrund verlegt, wirft Scott Ritter vor, er verbreite «dummes Geschwätz» und «belüge die Öffentlichkeit». Bodenradar und Satelliten der USA würden das alles entdeckt haben, hätte es existiert. Rumsfeld handle «verantwortungslos» und müsse zurücktreten. So konstruiert die US-Regierung Kriegsgründe: Es wird Unerfüllbares gefordert, um den «gerechten Krieg» führen zu können. Aber es wird niemals einen gerechten Krieg geben! Die verseuchten Territorien im Irak und in Kosovo werden wohl bis zum Ende der Menschheitsgeschichte verseucht bleiben. Man müsste die oberste Bodenschicht bis zu einer Tiefe von 30 Zentimeter abtragen. Theoretisch wäre das möglich, aber die Kosten wären gigantisch. Am 30.Juli 2000 fand in London eine internationale Konferenz zu diesem Problem statt, während der eine Reihe von westlichen Wissenschaftern offen Stellung nahmen: Aus ihrer Sicht ist die Verursachung zahlreicher Krebserkrankungen und Geburtsfehler durch abgereichertes Uran ganz offensichtlich. Sami AlAradji vom irakischen Umweltverband sagte, in Jugoslawien würde man erst in einigen Jahren das volle Ausmass des radioaktiven Kriegs zu spüren bekommen. Es bedürfe einer weltweiten Kampagne zur Ächtung dieses Waffentyps. Das bedeutendste Tribunal gegen die für den Jugoslawien-Krieg verantwortlichen Politiker fand am 31.Juli 1999 in New York mit 700Teilnehmern statt. Der ehemalige US-Justizminister Ramsey Clark hat dazu eine Anklageschrift verfasst, in der Clinton, Albright, Cohen und mehrere US- bzw. Nato-Generäle wegen ihres Anteils am Krieg gegen Jugoslawien als Angeklagte namentlich genannt werden. (Clark, 1999) Auch amerikanische Experten haben die extreme Gefährlichkeit des Uranmunition-Krieges immer wieder bestätigt. «Wir wissen, dass abgereichertes Uranium hochgiftig ist und Krankheiten verursachen kann», sagte der Mikrobiologe Howard Urnovitz vor dem Beratenden Komitee des Büros des Präsidenten der USA über die Krankheiten der Golfkriegsveteranen (O’Kane, 1998). Und am 16.August 1993 erklärte Colonel Robert G.Claypool vom US-Army Surgeon General’s Office, zur Gefährlichkeit des abgereicherten Urans: «Die zu erwartenden physiologischen Folgen bei der Einwirkung abgereicherten Urans sind ein gesteigertes Krebsrisiko (Lunge oder Knochen) und Nierenschädigungen.» (O’Kane, 1998) Auch die Ärzte gegen den Atomkrieg führen auf Grund von Forschungen im Nachkriegs-Irak rasant angestiegene Knochen- und Nierenerkrankungen, Leukämie und Missbildungen bei Neugeborenen auf den Einsatz von Uranmunition zurück. Arjun Makihani, Präsident des amerikanischen Institutes für Energie Dossier Uranwaffen 51 Zeit-Fragen 2006 und Umweltforschung, sagt über die Uranaerosole: «Sind diese Teilchen einmal freigesetzt, können sie sofort eingeatmet werden, das Grundwasser verseuchen und in die Nahrungskette eindringen und so die Umwelt über Tausende Quadratkilometer radioaktiv verpesten. Diese Art von Strahlung kann – so wie auch chemische Giftstoffe – besonders durch die Leichtigkeit, mit der das Uranium über die Plazenta in den Fötus gelangt, genetische Veränderungen hervorrufen. Laut dem Verteidigungsministerium der USA sind mindestens 40 Tonnen abgereichertes Uranium auf die Schlachtfelder des Südirak abgefeuert worden.» (O’Kane, 1998) Professor Selma al-Taha, die führende Genforscherin des Irak, sieht Uranmunition zumindest als Hauptursache des Horrorszenarios in ihrem Land. Das erste Mal habe sie den Anstieg der Missgeburten um 1993 bemerkt: «Ende des Jahres war ich sicher, dass etwas anders war. Wir haben keine Kenntnis von der tatsächlichen Tragweite des Problems, denn das meiste geschieht im Süden, und die Menschen haben heutzutage kein Geld, um in die Hauptstadt zu fahren. Aber es war klar, dass wir es mit komplizierten vererbten Missbildungen zu tun hatten […]. Wir glauben, dass der wahrscheinlichste Grund dafür Strahlung ist, weil die Strahlung die grössten Auswirkungen auf sich rasch verändernde Organismen wie Föten oder wachsende Kinder hat. Auch sind die strahlenempfindlichsten Organe gleich nach den Nieren die Fortpflanzungsorgane – die Hoden und die Eierstöcke.» (O’Kane, 1998) Abdul Abbas Firas, Oberarzt des Kinderkrankenhauses von Basra, einer Region, in der 300 Tonnen DU-Munition eingesetzt wurden, klagt über eine Fülle von Krebsarten schon bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen. Es komme vermehrt zu Missbildungen von Föten, bei Totgeburten zu einem Anstieg auf das Siebenfache gegenüber vor dem Krieg. Die Unicef gibt an, dass von 1000 Neugeborenen derzeit 131 sterben. Der Grund sei die radioaktive Verseuchung. In der Weltöffentlichkeit wird das himmelschreiende Unrecht totgeschwiegen: «Der Irak versucht seit Jahren, die internationale Öffentlichkeit über die Folgen der DU-Munition zu informieren, was jedoch als Propaganda abqualifiziert wird. Eine Untersuchung durch die Weltgesundheitsorganisation WHO scheiterte bisher am Einspruch der USA.» (Leukefeld, 2002) Der Preis für die Entsorgung radioaktiven Materials in der Golfregion wäre enorm. Wenn sie überhaupt machbar wäre, würde sie «Milliarden Dollar» kosten, so Leonard Dietz, Atomwissenschafter und Verfasser eines Berichtes für das amerikanische Energieministerium. Der deutsche Arzt Siegwart-Horst Günther, Präsident des Gelben Kreuzes International und Professor für Infektionskrankheiten und Epidemiologie an der Universität Bagdad, hat über die furchtbaren Folgen des Einsatzes dieser Urangeschosse 1996 eine schockierende Abhandlung geschrieben. Als er in Deutschland Beweismaterial – unter anderem auch Uranmunition – präsentierte, wurde er wegen Verstosses gegen das Atomsperrgesetz zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, später eingesperrt. Sein Telefon wurde abgehört, seine Post abgefangen. Knut Krusewitz, Umwelt- und Friedensforscher an der TU Berlin, hat der Nato zu Recht vorgeworfen, in Jugoslawien einen «stummen Giftgaskrieg» zu führen. Unfasslich, dass Mike Repacholi von der Weltgesundheitsorganisation WHO im Mai 2001 «Entwarnung» gab: Die in Kosovo eingesetzte Uranmunition sei kein Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung. Gegen solche Leute hilft nur eine Sam- Dossier Uranwaffen 52 Zeit-Fragen 2006 melklage, die 1800 Soldaten kürzlich eingebracht haben. Es handelt sich um jenen Michael Repacholi, der 1995 in einer Studie an Labormäusen zeigte, dass unter elektromagnetischen Feldern, wie sie beim Mobilfunk auftreten, doppelt so viele Tiere an Krebs erkranken wie ohne Bestrahlung – dann aber keine Konsequenzen zog. Eine Wiederholung der Studie steht bis heute aus. (Hingst, 2001a, S.111) Derzeit leitet Repacholi die Arbeitsgruppe für elektromagnetische Felder der Weltgesundheitsorganisation WHO und ist nach Hans-Joachim Ehlers, Herausgeber der deutschen Zeitschrift raum&zeit, ein «Mann, der die Öffentlichkeit im Namen der WHO munter betrügt». (Ehlers, 2000, S.4) Ehlers traut der WHO generell nicht über den Weg, weil an ihrer Spitze «die grössten Pharmakonzerne der Welt vereint sind […], und sie haben weltweit nur eines im Sinn: Profit». Andrea Oellerich wies in einem Aufsatz unter dem Titel «WHO betrügt seit Jahren die Öffentlichkeit» nach, dass sich die WHO blind auf die Aussagen der Internationalen Strahlenschutzkommission stütze und die Ergebnisse von 13 Studien «völlig auf den Kopf stellte». (Oellerich, 2000, S. 37f.) Angesichts der unbeschreiblichen Vorgänge rund um den Einsatz der Uranmunition ist man fassungslos, dass etwa die Fraktions chefin der Österreichischen Volkspartei im Europaparlament, Ursula Stenzel, die Gefahren des Einsatzes von Uranmunition leugnet. Sie plapperte nach, was der Vorstand des Instituts für Krebsforschung an der Universität Wien, Rolf Schulte-Hermann, in einem Interview erklärte: «Die Reichweite dieser Alpha-Strahler ist so gering, dass man sie mit einem Blatt Papier abschirmen kann.» (Buchacher, 2001, S.102) Frau Stenzel hätte ein paar Zeilen weiter lesen sollen. Da wäre ihr sicher aufgefallen, dass Schulte-Hermann davon sprach, dass man durch Einatmen von Uranstaub durchaus Lungenkrebs bekommen kann. Das wird wohl damit zusammenhängen, dass führende Parteikollegen, allen voran Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, glühende Befürworter des Beitritts Österreichs zur Nato sind, obwohl sie damit gegen das in der Verfassung verankerte Neutralitätsgebot ihres Landes verstossen. Vielleicht hat Frau Stenzel auch an die Abstimmungen im EU-Parlament gedacht, in denen sie mit ihrem Fraktionskollegen regelmässig für die weitere Förderung der Atomenergie in Europa und gegen die Durchsetzung der erneuerbaren Energieformen stimmt. Wie die Einstellung solcher Leute zur radiochemischen Kriegführung sich mit ihrem christlichen Glauben verträgt, der in der Volkspartei einmal heimisch gewesen sein soll? Vielleicht hilft ihnen eine Aussage von Doug Rokke weiter, Physiker und Experte der US-Armee für biologische und chemische Kampfstoffe. Er untersuchte US-Panzer und Fahrzeuge, die irrtümlich mit Uranmunition beschossen wurden. Sein Resümee: «Verseucht waren auch die Überlebenden […]. Es gab keine Sicherheitsvorkehrungen, trotz der Verhaltensregeln, die für jeden der sich einem Wrack näherte, Atemgeräte und Schutzkleidung vorschrieben […]. Für viele der Erkrankten fehlte es an der richtigen medizinischen Hilfe […]. Wenn solch ein Geschoss trifft, lösen sich bis zu 70% seiner Masse zu hochtoxischem Staub auf, der eingeatmet werden und über Mund oder Wunden in den Körper gelangen kann, wo die Strahlung tödlich wirken kann.» (Simons, 2001) Die ganze Geschichte ist aber noch teuflischer. Von der Hundertschaft, die im Irak unter der Leitung von Doug Rokke direkt zur Entsorgung der Friedhöfe für Strahlenmüll eingesetzt war, erkrankte die Mehrzahl binnen einer Woche Dossier Uranwaffen 53 Zeit-Fragen 2006 schwer – trotz Atemgerät und Schutzkleidung. Zunächst zeigten sich Ausschläge und Atembeschwerden. Auch Rokke selbst bescheinigt sein Arzt «Lungenprobleme, verursacht durch Einatmen von Uranstaub». (Simons, 2001) Später folgten Nierenprobleme. Knapp ein Jahr später gab es die erste Krebserkrankung. Nach zwei bis drei Jahren starben die ersten. Heute sind 20von ihnen tot, unter ihnen John Pike, ein angesehener Spezialist für Verteidigungsfragen und Mitglied der Federation of American Scientists. Rokke berichtet, dass es schon lange vor dem Golf-Krieg Warnungen vor dem Einsatz von Uranmunition gegeben hat. Auch Nato-Offiziere aus Deutschland waren an den Strahlenschutzübungen ab 1994 beteiligt. Mehrere tausend IrakVeteranen sind von Uranerkrankungen betroffen. Sie stellen Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe. Die Behörden anerkannten aber nur 63Fälle. Das Pentagon unterdrückt und verschleppt bis heute die medizinischen Untersuchungen, leugnet den Zusammenhang zwischen dem Einsatz der Urangeschosse und den Erkrankungen. Die Indizien sind aber «überwältigend». Doug Rokke: «Wir haben mutwillig und wissentlich ganze Landstriche verseucht: Das ist ein Verbrechen gegen Gott und die Menschheit.» (Simons, 2001) Rokke arbeitet gegenwärtig als Professor für Umweltwissenschaften an der Jacksonville State University in Jacksonville, Alabama. Er hat aufgezeigt, was wirklich los ist: Wenn es, wie im Irak, um Erdölinteressen der USA geht, wenn es, wie in Jugoslawien, um strategische Optionen der Nato geht, scheut Washington auch vor den Mitteln eines radiochemischen Krieges nicht zurück. Den Krebstod von Zivilisten und eigenen Leuten inbegriffen. All inclusive à la Pentagon. Doug Rokke setzt sich für die Entschädigung von amerikanischen Golfkriegsveteranen ein. In dem vom 20. bis 23.März 2000 vor dem Baltimore County Court durchgeführten Verfahren von Plowshares against Depleted Uranium (Pflugscharen statt Waffen ist eine Friedensbewegung) protestierten er und andere Beteiligte gegen den fortgesetzten Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran und gegen die anhaltend hartnäckige Miss achtung von Gesundheit und Umwelt durch Vertreter des US-Verteidigungsministeriums. Die Weigerung des Gerichts, Beweismittel zu DU-Folgewirkungen zuzulassen, ist für die Betroffenen ein weiterer Beweis dafür, dass US-Regierungsvertreter aus politischen und wirtschaftlichen Gründen verhindern wollen, die für Gesundheit und Umwelt verderblichen Folgen anzuerkennen. Doug Rokke fordert eindringlich, dass der Einsatz von Urangeschossen verboten werden muss, dass alle Personen, die durch Einatmung, Nahrungsaufnahme oder Wundvergiftung betroffen sind, medizinische Versorgung zu erhalten haben und dass alle Geschosssplitter mit abgereichertem Uran, alle verseuchten Geräte sowie oxidverseuchte Böden ordnungsgemäss entsorgt werden müssen. Auch die deutsche Friedensbewegung fordert ein Verbot der Uranmunition und bezeichnet ihren Einsatz als Verstoss gegen internationales Recht und als «Verbrechen gegen die Menschlichkeit». Wenn Slobodan Milosevic – ausgeliefert für ein Kopfgeld von 3 Milliarden Mark – vor dem Haager-Kriegsverbrechertribunal steht, warum dann nicht auch jene Politiker und Militärs, die für den Einsatz der Uranmunition in Serbien verantwortlich sind? Und in Afghanistan! Der Journalist Robert James Parsons hat aufgedeckt, dass sich kritische Experten durch die Fixierung auf panzerbrechende Dossier Uranwaffen 54 Zeit-Fragen 2006 DU-Granaten auf einen Nebenschauplatz manövrieren liessen. Im AfghanistanKrieg seien Lenkbomben zum Einsatz gekommen, die bis zu anderthalb Tonnen abgereichertes Uran enthalten, zum Beispiel der «Bunker Buster» GBU-28 der Firma Raytheon. (Parsons, 2002) Der DU-Mantel eines solchen Raketensprengkopfes verbrennt zu 100%. Die dabei entstehenden Staubpartikel sind nur 1,5 Mikrometer gross – also durchaus lungengängig. Quelle: Hingst, Wolfgang. Paradies oder Weltuntergang. Wir haben die Wahl. Soziale, ökonomische Überlebensmodelle gegen das Versagen von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Verlag Zeit-Fragen. Zürich 2003. ISBN 3-909 234-00-3. Monitor: «Die Gefährlichkeit der Uran-Munition ist umfassend dokumentiert. Nur der grüne deutsche Aussenminister Joschka Fischer will dies offenbar nicht wahrhaben. Auf Anfrage schrieb er noch vor zwei Wochen: ‹Dem Auswärtigen Amt ist bekannt, dass solche Munition im Kosovo-Konflikt zum Einsatz kommen kann […] (Es) ist jedoch davon auszugehen, dass Gefährdungen der von Ihnen beschriebenen Art für Mensch und Umwelt nicht auftreten.›» Quelle: Monitor Nr. 449, 22. April 1999 Alte und neue Massenvernichtungswaffen Sehen wir uns – abgesehen von einem möglichen Atomwaffeneinsatz – einmal an, welche konventionellen Waffentypen für die Verwendung im Irak vorgesehen sind. In Afghanistan haben die Vereinigten Staaten mit neuen, exotischen konventionellen Massenvernichtungswaffen experimentiert, die auch gegen irakische Zivilisten eingesetzt werden sollen – mit radioaktiven Uranwaffen, Benzinbomben, Streubomben und verheerenden Flächenbombardierungen, bei denen B-52-Kampfflugzeuge ihre Bomben 12 000Meter über der Erde abwerfen. Aus: Helen Caldicott, «Atomgefahr USA, Die nukleare Aufrüstung der Supermacht», New York 2002 (Originalausgabe), München 2003 (aktualisierte, erweiterte deutsche Ausgabe), ISBN 3-7205-2385-3, S.10 Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit setzt Israel mit Uran verstärkte Panzer und uranhaltige Munition gegen die Palästinenser im Westjordanland und im Gaza-Streifen ein. Aus: Helen Caldicott, «Atomgefahr USA, Die nukleare Aufrüstung der Supermacht», New York 2002 (Originalausgabe), München 2003 (aktualisierte, erweiterte deutsche Ausgabe), ISBN 3-7205-2385-3, S.265f. Die Gebiete im Golf, die nun mit Uran verseucht sind, werden bis in alle Ewigkeit radioaktiv bleiben, und ihre Bewohner werden für immer mit dem Risiko von Erbkrankheiten und Krebserkrankungen leben müssen. Die kleinen, nicht löslichen Urandioxid-Staubteilchen werden von der ansässigen Bevölkerung – Dossier Uranwaffen 55 Zeit-Fragen 2006 seien es nun Soldaten, erwachsene Zivilisten oder Kinder – in die Lunge eingeatmet. Und das radioaktive Wasser wird die Nahrungsmittel verseuchen. ... Der frühere finnische Umweltminister Pekka Haavisto, der Vorsitzende des Depleted Uranium Assessment Teams des Umweltprogramms der Vereinten Nationen in Kosovo, sagte nach einer Inspektion der Kriegsschauplätze in Kosovo: «Wir stellten mitten in Dörfern, wo Kinder spielten, Strahlung fest. Wir waren überrascht, dass dies noch eineinhalb Jahre später [nach dem Krieg] der Fall war.» Aus: Helen Caldicott, «Atomgefahr USA, Die nukleare Aufrüstung der Supermacht», New York 2002 (Originalausgabe), München 2003 (aktualisierte, erweiterte deutsche Ausgabe), ISBN 3-7205-2385-3, S.268 Bevölkerungsreduktion heute durch DU? «Im Jahre 1972 ernannte Präsident Nixon den Stiftungsrat, John D. RockefellerIII., zum Vorsitzenden einer präsidialen Kommission ‹Bevölkerung und die amerikanische Zukunft›. Es war der gleiche Rockefeller, der 1952 das […] ‹Population Council› ins Leben gerufen und öffentlich ein ‹Nullwachstum für die Bevölkerung› verlangt hatte. Rockefellers Kommission ‹Bevölkerung und die amerikanische Zukunft› schaffte die Grundlage für Henry Kissingers National Security Study Memorandum200 (NSSM200). Ein Memorandum zur nationalen Sicherheit vom April 1974, welches das Bevölkerungswachstum in den strategisch wichtigen, rohstoffreichen Entwicklungsländern als Angelegenheit von höchster Priorität für die US-Staatssicherheit bezeichnete. […] 1974 reichte Kissinger das NSSM-200-Memorandum bei Präsident Nixon ein und nannte das Bevölkerungswachstum in wichtigen, rohstoffreichen Entwicklungsländern eine «Bedrohung der Staatssicherheit» Amerikas. Seit dieser Zeit ist die Kontrolle der Wirtschaftswachstumsrate und des Bevölkerungswachstums in den wichtigen Entwicklungsländern zur Angelegenheit erster Priorität der amerikanischen Staatssicherheit geworden. […] Mit Kissingers NSSM 200 musste die amtliche Politik Washingtons den schnell wachsenden Entwicklungsländern Beschränkungen auferlegen, politische Richtlinien, die das Bevölkerungswachstum erheblich beschneiden würden.» Aus: F.William Engdahl, Die Saat der Zerstörung. Geopolitik mit genetisch veränderten Nahrungsmitteln, Zeit-Fragen Nr.34 vom 6.9.2004 Nr. 33, 15. August 2006, Seite 5 Israelische Armee setzt neue, unbekannte Waffen ein Makabres Experiment mit «Directed Energy»-Waffen sowie chemischen/biologischen Wirkstoffen Dossier Uranwaffen 56 Zeit-Fragen 2006 von Prof. Dr. Paola Manduca, Genua Inzwischen liegen unzählige Berichte aus Hospitälern, von Augenzeugen, Waffenexperten und Journalisten vor, die stark darauf hinweisen, dass in der momentanen Offensive der israelischen Streitkräfte gegen Libanon und Gaza «neue Waffen» eingesetzt werden. Neue und seltsame Symptome bei den Verwundeten und Toten werden berichtet: Körper mit abgestorbenem Gewebe, aber ohne sichtbare Wunden; «eingeschrumpfte»Leichen; Zivilpersonen mit schweren Schäden an den unteren Gliedmassen, die Amputationen erforderlich machen; wobei nach der Amputation die Nekrose [Absterben des Gewebes] trotzdem unaufhaltsam fortschreitet und schliesslich zum Tode führt; Beschreibungen von ausgedehnten inneren Verletzungen ohne sichtbare Zeichen von Splittern, geschwärzte Leichen, die aber nicht verbrannt sind, und andere Leichen, die schwere Wunden aufweisen, die aber nicht bluten. Viele dieser Beschreibungen legen die Vermutung nahe, dass zu den verwendeten neuen Waffen auch «Directed Energy»-Weapons (DEW) (Waffen mit gerichteter Energie) gehören sowie chemische und/oder biologische Wirkstoffe und dass es sich um eine makabre Art von Experiment für die zukünftige Kriegsführung handelt, bei der es keinerlei Achtung vor irgend etwas gibt: Nicht vor den völkerrechtlichen Regeln (von den Genfer Konventionen angefangen bis hin zu den Verträgen über biologische und chemische Waffen), nicht vor Flüchtlingen, Hospitälern und dem Roten Kreuz, von den gewöhnlichen Menschen und deren Zukunft gar nicht zu reden, vor deren Kindern, vor der Umwelt, die durch die Verteilung von Depleted Uranium und durch die giftigen Substanzen, die entweichen, wenn Öl- und Chemiedepots bombardiert werden, verseucht wird. In diesem Augenblick haben das libanesische und das palästinensische Volk viele unaufschiebbare und drängende Probleme; trotzdem glauben viele Leute, dass diese Ereignisse nicht vorbeigehen dürfen, ohne dass die Welt davon erfährt. Deshalb sind viele Appelle an Wissenschafter und andere Experten ergangen mit dem Ziel, diese Vorgänge erforschen zu lassen. In Reaktion auf diese Appelle haben wir ein Team gebildet, das die Zeugenaussagen, die Bilder und wenn möglich anderes Beweismaterial untersuchen soll, das die Delegationen und NGOs aus den betroffenen Gebieten bringen können. Wir möchten den Gesundheitseinrichtungen in Libanon und in Palästina unsere Hilfe anbieten. Sie bitten unentwegt um Hilfe und um Überprüfung und Beobachtung von ausserhalb, und wir untersuchen alles erhältliche Material, um Hypothesen zu formulieren, die dann verifiziert oder falsifiziert werden können. Wir fordern die aktive Beteiligung unserer (italienischen) wissenschaftlichen Einrichtungen, und in Beantwortung einer Bitte des medizinischen Personals in der Konfliktregion fordern wir, dass die Uno ein unabhängiges internationales Untersuchungskomitee errichtet, dem es ermöglicht wird, die Konfliktzone zu betreten und direkt vor Ort Material und Zeugenaussagen zu sammeln sowie Nachforschungen zu betreiben und zu den verschiedenen Behauptungen, dass diese Art von Massenvernichtungswaffen von den israelischen Streitkräften in Libanon eingesetzt werden, Beweise einzuholen. Wir verlangen, dass solche Forschungsteams umgehend eingesetzt werden und dass sofort die Methoden des Vorgehens definiert und angewendet werden, damit zukünftige Nachfor- Dossier Uranwaffen 57 Zeit-Fragen 2006 schungen durchgeführt werden können. Grosse Sorge bereitet die Frage, wie man Proben aus den verschiedenen Kampfgebieten sammeln und aufbewahren kann, so dass wichtige Informationen über die verschiedenen Wirkungsweisen dieser Waffen erhalten werden können. Wir fordern, dass ein internationales Komitee zu allen Informationsquellen Zugang haben soll, dass es umfassend arbeiten kann, während es die massgeblichen Untersuchungsmethoden beachtet, zu denen auch die doppelte Überprüfung von Erkenntnissen in unabhängigen Laboratorien gehört. Dieses internationale Komitee soll den kompetenten zuständigen Behörden berichten, wozu auch die Menschenrechtstribunale und der Internationale Gerichtshof gehören, falls das nötig sein sollte. Als Mitmenschen und Wissenschafter bieten wir unsere Zeit und unser Fachwissen an, um zu einem Verständnis der vorliegenden Fakten zu gelangen. Wir tun das im Glauben daran, dass Gerechtigkeit, Gleichheit und Frieden unter den Menschen nur durch die Beachtung der Regeln erreicht werden kann, die die Völkergemeinschaft bis heute definiert hat. Zu diesen gehört auch das Verhalten der beteiligten Parteien in einem bewaffneten Konflikt. Wir verlangen, dass die Achtung vor diesen Regeln auch in dem jetzt stattfindenden Konflikt durchgesetzt wird. Wir laden alle Wissenschafter ein, zu dieser Bemühung beizutragen, indem sie ihre spezifischen Kompetenzen einbringen. Wir suchen insbesondere die Zusammenarbeit mit Toxikologen, Pharmakologen, anatomischen Pathologen, Chemikern und zu Ärzten mit Expertenwissen über Traumata und Verbrennungen. Quelle: www.globalresearch.ca vom 7.8.2006 (Übersetzung Zeit-Fragen) Sie können an diese Arbeitsgruppe gelangen unter der E-Mail-Adresse nuovearmi(at)gmail.com. Paola Manduca ist Genetikprofessorin an der Universität Genua, Italien. Dossier Uranwaffen 58 Zeit-Fragen 2006 Nr. 33, 15. August 2006, Seite 5, 6, 7 Es droht ein weltweiter atomarer Holocaust Interview mit Leuren Moret, Geowissenschafterin zf. Leuren Moret ist eine Geowissenschafterin, die nahezu rund um die Uhr daran arbeitet, Bürger, Medien, Mitglieder von Parlamenten und Kongressen und andere Verantwortliche über Radioaktivität und deren Auswirkungen aufzuklären. Sie wurde zu einer aufklärenden Kritikerin im Jahr 1991, als sie noch am Livermore Nuclear Weapons Lab tätig war und Zeugin von arglistigem Betrug im Zusammenhang mit dem Yucca Mountain Project wurde. Gegenwärtig arbeitet sie als unabhängige Wissenschafterin im Rahmen der Bürgerbewegung und als Spezialistin für Radioaktivität für Gemeinden in der ganzen Welt. Sie erstellte Beiträge für die UN-Untersuchungskommission, die sich mit der Untersuchung von abgereichertem Uran befasste. Vor dem Internationalen Tribunal zu Kriegsverbrechen in Afghanistan in Japan 2003 machte sie eine umfangreiche Aussage zum Einsatz von Uranwaffen und deren Auswirkungen. Ebenso referierte sie 2003 an der World Depleted Uranium Weapons Conference in Hamburg. Iconoclast: Was sind die neuesten Entwicklungen, die Belastung der amerikanischen Streitkräfte durch Depleted Uranium zu verringern? Leuren Moret: Eine junge Veteranin namens Melissa Sterry aus dem Bundesstaat Connecticut hat eine Gesetzesvorlage in ihrem Bundesstaat eingebracht, die unabhängige Test untersuchungen für Kriegsveteranen aus Afghanistan und aus dem Golf-Krieg bis zurück ins Jahr 2001 fordert. Sie sagte, dass sie diese Initiative unternommen hat, weil sie krank ist, ihre Freunde tot sind und sie diese Lage auf ihren Einsatz im Krieg von 2003 zurückführt. Ich habe diese Initiative weiterverfolgt und bin mit Melissa Sterry im Kontakt. Im Mai 2005 hat sie zweimal in einer Anhörung bei den Vereinten Nationen eine Aussage gemacht. Ich fragte sie: «Warum sollen wir diese Initiative nicht in ganz Amerika in allen Bundesstaaten in die Gesetzgebung einbringen, weil sie doch die Öffentlichkeit informiert und die lokalen Medien über sie berichten?» Die Vereinigten Staaten haben ihre Verantwortlichkeit auf internationaler und nationaler Ebene abgeblockt. Es existiert eine totale Verschleierung genauso wie bei Agent Orange, den Atomveteranen und MKULTRA – den Gedankenkontrollexperimenten der CIA. Grösste Tragödie der Menschheitsgeschichte Hier geht es wieder um ähnliche Vorgänge, aber das Problem ist viel, viel schlimmer, weil die genetische Zukunft all jener, die verseucht sind, betroffen ist. Riesige Regionen in der Welt wie auch die Atmosphäre sind mit abgereichertem Uran verseucht. Sie haben soviel davon eingesetzt. Die Menge der radioaktiven Atome, die in die Atmosphäre freigesetzt wurden, ist nach Berechnungen eines japanischen Professors mit 400’000 Nagasaki-Bomben vergleichbar. Und das ist eine untere Schätzung. Ich war in Lousiania in diesem April 2005. Ich war eingeladen, an der University of New Orleans während dreier Tage zu sprechen. Einer der Veteranen lud Dossier Uranwaffen 59 Zeit-Fragen 2006 mich ein, an ihrer Kundgebung und Demonstration vom 19. April durch die Stadt von New Orleans teilzunehmen. Er hat die Connecticut-Gesetzesinitiative geradewegs in die Gesetzgebung seines Bundesstaates eingebracht und fand zwei Abgeordnete, die sie unterstützten. Er sagte ihnen: «Nehmt die Vorlage ohne den Namen ‹Connecticut› und schreibt einfach ‹Louisiana› hinein.» Sie glauben es nicht, die Vorlage wurde mit 101 zu 0 im Louisiana House angenommen. Ich möchte, dass Sie darüber schreiben, weil wir diese DU-Testing-Vorlage auch in Texas haben wollen. Nevada wird sie ebenfalls vorlegen. Der Kongressabgeordnete Jim McDermott wird sie in die Legislative des Staates Washington einbringen. Wir wollen den Gouverneur von Montana ebenfalls dazubringen, weil er der erste Gouverneur war, der die Rückkehr der Nationalgarde forderte. Ich denke, dass die Hälfte von ihnen zurück sind. Er sagte: «Ich brauche sie hier im Staat.» Das Problem des abgereicherten Urans ist wirklich, wirklich, wirklich, wirklich so schrecklich. Ich glaube nicht, dass es eine grössere Tragödie in der Geschichte der Menschheit gibt als die, die sie gemacht haben. Globale radioaktive Verseuchung Existiert durch das abgereicherte Uran, das dort in Übersee in den Waffen eingesetzt wurde, über die Luftübertragung eine Gefahr für uns hierzulande? Die Atmosphäre ist global mit abgereichertem Uran verseucht. Es vermischt sich komplett innerhalb eines Jahres. Ich bin Expertin für atmosphärischen Staub. Ich bin Geowissenschafterin, Geologin, und das war mein Studien- und Forschungsschwerpunkt. Es ist wirklich ein faszinierendes Thema. Wir haben riesige Staubstürme, die Millionen Quadratkilometer umfassen und Millionen Tonnen von Staub und Sand jedes Jahr um die Welt transportieren. Es gibt mehrere Hauptzentren dieser Staubstürme: Eines ist die Wüste Gobi in China, wo die Chinesen in der Vergangenheit ihre Atomwaffentests in der Atmosphäre gemacht haben, so dass dort alles mit Radioaktivität verstrahlt ist und dass von dort die strahlenden Partikel nach Japan transportiert werden, und von dort geht der Sturm über den Pazifik hinüber und lädt in den USA und Nordamerika all den Sand und Staub ab. Der Staub enthält radioaktive Isotope, Russ, Pestizide, Chemikalien, Umweltschmutz – alles ist enthalten –, Pilze, Bakterien, Viren. Die Wüste Sahara ist ein weiteres riesiges Staubzentrum. Von dort geht der Staub über ganz Europa und über den Atlantik, die Karibischen Inseln und die ganze Ostküste hoch. Natürlich haben Sie den Staub in Texas mit den Hurrikans. Alle diese Verteilungen haben ihren Ursprung in der Sahara-Wüste. Die dritte Region ist im Westen der Vereinigten Staaten, wo das Testzentrum in Nevada liegt. Wir haben dort 1200 Atomwaffentests gemacht, so dass all die Radioaktivität, die schon da ist – was schlimm genug ist –, weltweit eine globale Krebsepidemie seit 1945 verursacht hat. Jene Verstrahlung war äquivalent zu 40 000 Nagasaki-Bomben. Heute reden wir über ein Zehnfaches mehr. Im April 2003 hat die WHO die Erwartung geäussert, dass ein Anstieg der globalen Krebsraten um 50% bis zum Jahr 2020 zu erwarten ist. Die Kindersterblichkeit steigt überall auf der Welt. Das ist ein Anzeichen für das Niveau der radioaktiven Verschmutzung. Nachdem die USA und die Sowjetunion den Vertrag über einen teilweisen Atomwaffenteststopp im Jahr 1963 unterzeichneten, fiel die Kindersterblichkeitsrate wieder, was normal war. Heute steigt die Rate wieder. Verursacher ist die globale Verschmutzung mit Radioaktiviät. Dossier Uranwaffen 60 Zeit-Fragen 2006 Krebs, Hirnschäden, Missbildungen … Einer unserer Korrespondenten schickte mir eine Fotoserie über den Al-AsadStaubsturm im Irak vom 28. April 2005. Das ist der Staub, von dem ich rede. Auf dem Bild sieht man eine gigantische Wand aus Sand. Ich habe 16 Bilder dieses Sturms. Sie sind veröffentlicht, zusammen mit Photos von irakischen Ärzten mit den Kindern von Menschen, die an Krebs und Leukämie erkrankt sind. So, was dachten Sie über diesen Sandsturm? Ich dachte, dass es sehr dramatisch ist. Der Sturm wirbelt die ganze Radioaktivität auf, aber das sind jetzt die grösseren Partikel. Das abgereicherte Uran verbrennt bei sehr hohen Temperaturen. Es ist ein pyroforisches Metall, was bedeutet, dass es brennt. Die Patronen und die Grosskalibergeschosse sind bereits erhitzt, wenn sie aus dem Abschussrohr herauskommen, weil sie sich bereits durch die Reibung im Lauf entzünden. Siebzig Prozent des abgereicherten Uranmetalls wird zu feinstem Metallstaub. Es handelt sich genau genommen um eine radioaktive Gaswaffe und ein Flächenverseuchungsmittel. Ich werde Ihnen per E-Mail den Hinweis auf ein 1943 verfasstes Memo an General Leslie Grove im Rahmen des Manhattan Project senden. Es ist der Entwurf für die Entwicklung von abgereichertem Uran. Sie haben damals die Atombomben abgeworfen, aber sie verwendeten nicht die Uranwaffen, weil sie sie für zu schrecklich hielten. Ich war in ganz Japan mit einem Kinderarzt aus Basra unterwegs, einem Krebsexperten. Diese armen Ärzte – ihre Familien sterben an Krebs. Er hat im Moment 10 Familienmitglieder mit Krebs in Behandlung, und das rührt nur vom ersten Irak-Krieg her. Sie haben viel, viel mehr im Jahr 2003 eingesetzt. Überall im ganzen Land. Was können die Soldaten erwarten, wenn sie heimkommen? Wenn sie in Bradley-Kampffahrzeugen waren, kommen sie mit Dickdarmkrebs vom Sitzen auf den Munitionskisten nach Hause. Die jungen Frauen berichten schreckliche Probleme mit Endometriosis, einer Fehlfunktion der Gebärmutterschleimhaut. Und die Frauen bluten, bluten und bluten. Einige von ihnen haben Gebärmutterkrebs – 18 und 19 und 20 Jahre alt. Die Armee wird diese Krankheiten noch nicht einmal diagnostizieren. Sie schicken sie direkt wieder auf das Schlachtfeld zurück. Sie werden sie weder behandeln noch untersuchen. Eine Gruppe von 20 Soldaten drang 2003 von Kuwait bis Bagdad vor. Acht von den 20 Soldaten haben bösartige Erkrankungen. Hat die Belastung durch abgereichertes Uran Auswirkungen auf die psychische Verfassung, wenn sie nach Hause kommen? Abgereichertes Uran sind diese kleinsten Partikel, die bei sehr hohen Temparaturen entstehen. Darunter sind Uranoxide, die nicht löslich in Flüssigkeiten sind. Sie sind mindestens 100mal kleiner als ein weisses Blutkörperchen. Wenn die Soldaten einatmen, nehmen sie diese Partikel auf. Die Partikel gehen in die Nase und gelangen durch den Riech apparat ins Gehirn. Dort beeinträchtigen sie die kognitiven Fähigkeiten, die Gedankenprozesse. Das Kontrollzentrum für Gefühlsabläufe im Gehirn wird beschädigt. Vier Soldaten aus Fort Bragg kamen aus Afghanistan zurück; innerhalb von zwei Monaten hatten sie ihre Frauen ermordet. Das ist teilweise durch Hirnschäden bedingt, die durch radioaktive Par- Dossier Uranwaffen 61 Zeit-Fragen 2006 tikel entstehen. Da gab es eine Gruppe von Soldaten aus dem ersten Golf-Krieg, die mit DU in ihrer Ausrüstung, in ihrer Kleidung, in ihren Körpern, in ihren Samen zurückkamen, und sie hatten normale Babys, bevor sie in den Krieg zogen. Sie kamen zurück, und die Veterans Administration machte eine Untersuchung. Bei 67% von 251 Veteranen aus dem ersten Golf-Krieg hatten die Babys schwere Geburtsschäden. Sie hatten keine Gehirne, keine Arme oder Beine, Organe fehlten. Sie wurden ohne Augen geboren. Sie hatten schreckliche Blutkrankheiten. Es ist furchtbar. Wenn Sie das sehen möchten: «Life Magazine» hat ein FotoEssay gemacht, das immer noch im Internet ist. Es heisst «Die winzigen Opfer des Desert Storm» («The Tiny Victims of Desert Storm»). Das sollten Sie sich anschauen ñ oh mein Gott ñ, Babys, die nach dem Golf-Krieg geboren wurden und die mit ihren gesund geborenen Br¸dern und Schwestern spielen. Im Grunde genommen ist es wie Crack-Rauchen, nur dass sie radioaktives Crack rauchen. Es geht direkt in die Blutbahn. Es wird in den gesamten Kˆrper transportiert, in die Knochen, ins Knochenmark, ins Gehirn. Es geht in den Fˆtus. Es ist ein Kˆrpergift und ein radiologisches Gift. Es tötet alle lebenden Systeme Was ist mit den Leuten in den USA, die sich hier aufhalten? Sie sagen, dass DU vermischt und weltweit verteilt wird. Ja, es vermischt sich weltweit. Wir bekommen Passivrauch. Das ist der Passivraucheffekt. Man kennt das, wenn sich Menschen in einem Raum mit Rauchern aufhalten. Sie atmen diesen Passivrauch ein, und das tun wir auch. Wird dieser Passivrauch dichter, während wir hier sprechen? Ja, die Konzentration der DU-Partikel in der Atmosphäre steigt überall auf dem Globus an. Es gab Anzeichen, dass die USA […] den Iran zum Teufel bomben würden. Wir beobachten die Munitionsfabriken der US-Armee. Sie haben riesige Bestellungen für diese grossen Bunker-Buster-Bomben mit 5000 Pfund abgereichertem Uran im Sprengkopf. Dann ist die Prognose für Amerika nicht wirklich gut? Nein, sie ist echt schlecht. Und wenn das dann weitergeht? Es wird die gesamte Weltbevölkerung töten. Das macht es bereits, und es betrifft nicht nur die Menschen. Es betrifft alle lebenden Systeme. Die Pflanzen, die Tiere, die Bakterien. Es betrifft alles. Also, wenn die Dinge, die wir essen, DU enthalten, dann nehmen wir das in unser System auf, und damit verschmutzen wir die Ozeane, und das kann dann das gesamte Meeres leben betreffen. Ja, es ist in der Luft, im Wasser und im Boden. Die Halbwertszeit von DU, Uran 238, ist 4,5 Milliarden Jahre, das ist das Alter der Erde. Atmosphäre dauerhaft verseucht Mit dem Schaden, der bis zu diesem Zeitpunkt angerichtet wurde – gibt es ein Zurück? Können wir es nicht aufräumen? Es gibt keine Möglichkeit, es aufzuräumen. Diese winzigen Partikel schweben rund um die Erde. Immer noch schweben Plutonium und Uran von den Bombentests rund um die Erde. Diese Partikel sind so winzig, dass die Moleküle, die mit ihnen zusammenstossen, sie in der Luft fliegen lassen. Daher sind die einzi- Dossier Uranwaffen 62 Zeit-Fragen 2006 gen Wege für sie, um aus der Atmosphäre herauszukommen, Regen, Schnee, Nebel und Schadstoffwolken, die sie aus der Luft herausziehen und sie in der Umwelt absetzen. Die Oberfläche dieser Partikel wird durch die Feuchtigkeit in der Luft nass. Sie kommen herunter und landen auf Material und haften an ihm wie Klebstoff. Man kann diese Partikel von etwas, woran sie haften, niemals mehr wegbekommen. Haben Sie jemals einen Wassertropfen auf den Objektträger eines Mikroskops getan und danach einen anderen Tropfen darauf gelegt? Können sie diese Tropfen wieder voneinander trennen? Nein. Okay, dasselbe geschieht mit radioaktiven Partikeln. Wenn sie einmal aus der Atmosphäre entfernt werden, haften sie an jeder Oberfläche, auf der sie landen. Auf irgendeine Weise werden sie aus dem Kreislauf in der Atmosphäre entfernt. Man kann sie nicht abwaschen. Wenn es länger regnet oder wenn sie in einem Bach sind, wissen Sie, wenn sie an einem Felsen oder an Steinen in einem Bach haften, werden sie nicht weggewaschen. Sie haben nicht gewusst, dass es so schlimm ist, nicht wahr? Nein. Ich wusste, dass es schlimm ist, aber ich dachte, es wäre ziemlich isoliert. Nein. Was jetzt drüben im Irak ist, ist in ungefähr fünf Tagen hier drüben. Ich weiss nicht, ob Sie Tschernobyl verfolgt haben. Diese grosse radioaktive Blase ging rund um die Welt, aber das hier ist Staub. Es wird zu einem Teil des atmosphärischen Staubs. Wie der Staubsturm, den Sie auf diesem Photo sahen, kommt es überallhin. Ist es in den oberen oder in den unteren Schichten der Atmosphäre? Es ist im unteren Orbitalraum. Als ihre Verwendung zu Ende ging, wurde die Raumkapsel Mir zurück auf die Erde gebracht. Es gab auf der Mir einen kleinen Zwischenraum, der Elektronen auf der Aussenseite des Raumschiffs abschirmte und es vor der radioaktiven Strahlung der Sonne schützte, weil die Elektronik sehr anfällig auf radioaktive Strahlung ist. Man analysierte die Oberfläche dieses Weltraumnetzes und fand Uran und Uranzerfalls produkte, von denen sie sagten, sie kämen von atmosphärischen Atombombentests oder von verbrannten Raumfahrzeugen mit nuklearem Material oder Atomreaktoren an Bord. Uran kann ebenso von Supernovas kommen, aber sie dachten, dass die wahrscheinlichsten Quellen die atmosphärischen Atombombentests und das nukleare Material sind, das wir in den Weltraum geschickt haben. DU-Einsätze seit 1973 Also im Grunde genommen sagen Sie, dass wir einen Atomkrieg führen. Jawohl, genau das ist es. Wir haben seit 1991 vier Atomkriege geführt. Jawohl, das sind Atomkriege. DU ist eine Atomwaffe. Was muss vom Standpunkt eines Wissenschafters aus geschehen, um das zu korrigieren? Nun, wir müssen dessen Nutzung stoppen. Wir haben eine internationale Bewegung aufgebaut, um die Nutzung, die Herstellung, die Lagerung, den Verkauf und den Einsatz von DU-Waffen zu stoppen. Enthält die Munition, die wir an andere Länder verkaufen, abgereichertes Uran? Das ist so. Im Jahr 1968 tauchte das erste DU-Waffensystem, für das wir ein Patent fanden, im US-Patentamt auf. Es war für die Navy bestimmt. Es war eine Dossier Uranwaffen 63 Zeit-Fragen 2006 Art Gatling-Geschütz-Waffensystem, das man auf Schiffe montierte. Es feuert schnell etwa 2500 Kugeln pro Minute ab. Heute sind es mehr als 3000. Sie haben das Design verbessert. Im Jahr 1973 gaben wir dann DU-Waffensysteme an die Israeli weiter und überwachten deren Verwendung. Sie setzten sie im YomKippur-Krieg ein und löschten die Araber in fünf Tagen vollständig aus. Danach war die Sache angelaufen. Das war die erste konkrete Vorführung dieses neuen Waffensystems auf dem Schlachtfeld. Hughes Aircraft entwickelte das Vollsystem für die Navy. Das ist das Gatling-Geschütz-System. Sie verwenden es noch immer. Es wurde im Jahr 1974 produziert und getestet. Innerhalb von sechs Monaten hat die US-Regierung das DU-Waffensystem an 12 juristische Personen verkauft, einschliesslich vieler Zweige des US-Militärs und anderer Länder. Wir haben DU-Waffensysteme an – wir wissen es nicht ganz exakt – an etwa 12 bis 17 Länder verkauft. Die gute Nachricht ist, dass ein derartig effektives Waffensystem normalerweise mittlerweile an 80, 100 oder 120 Länder verkauft worden wäre. Aber wegen der radiologischen, biologischen und Umwelt-Risiken hatten die Länder nicht nur Angst, es zu kaufen, sondern jene, die es kauften, haben auch Angst, es zu verwenden. Die einzigen Länder, von denen wir wissen, dass sie DU verwendet haben, sind Grossbritannien, die USA und Israel. Die Vereinten Nationen haben im Jahr 1996 eine Resolution verabschiedet, dass DU-Waffen Massenvernichtungswaffen sind und gemäss Völkerecht und allen internationalen Abkommen illegal sind. Deutsche schicken «Euro-Brüder» ins Verderben Im Jahr 2001 verabschiedete das Europäische Parlament eine Resolution über DU. Die Nato-Streitkräfte gingen 1998 und 1999 nach Jugoslawien und flogen 39 000 Bombeneinsätze und bombten Jugoslawien in radioaktive Trümmer. Deutschland und die USA verdienten am meisten Geld an der Zerstörung Jugoslawiens, und sie sorgten dafür, dass die Friedenstruppen aus jenen Ländern wie Italien und Portugal, die nichts über die DU-Waffen wussten, in die am meisten verseuchten Regionen Jugoslawiens geschickt wurden. Die Deutschen und die Amerikaner sandten ihre eigenen Truppen nicht in diese Gebiete. Sie waren in den am wenigsten kontaminierten Gebieten. Diese armen Soldaten aus den anderen Ländern kamen zurück und starben innerhalb weniger Tage, Wochen oder Monate. Die Eltern in Portugal und Italien sind wütend. Sie wandten sich ans Parlament und an die Medien. Es gab eine gewaltige Medienflut mit Artikeln über DU. Wegen der Nato-Invasion in Jugoslawien war die Katze aus dem Sack. Die Katze war aus dem Sack, aber japanische Truppen wurden nach Somawa geschickt. Es handelt sich um Selbstverteidigungskräfte. Somawa war das am meisten verseuchte Gebiet, wo die schwersten Kämpfe im Irak stattfanden. Wir können damit rechnen, dass diese Soldaten krank, wirklich krank sind. Ganze Länder unbewohnbar Was ist mit dem Irak? Was wurde bis jetzt getan? Er ist unbewohnbar. Das gesamte Land, Jugoslawien, Irak und Afghanistan sind vollkommen unbewohnbar. Aber dort leben Menschen, heisst das, dass sie dort leben und zu Schaden kommen werden? Nun, sie können anhand der Geburtsdefekte und der Krankheiten sehen, dass das ziemlich schwerwiegend ist. Die Anzahl an Geburtsdefekten und an Krank- Dossier Uranwaffen 64 Zeit-Fragen 2006 heiten wird jedes Jahr steigen, weil das Gesamtausmass an Verseuchung alles Lebendigen ansteigen wird, da sie diese Luft einatmen und Wasser trinken und Nahrung aus verseuchter Erde essen. Es ist ein langsames Todesurteil. Dasselbe gilt für Jugoslawien und Afghanistan. Abgereichertes Uran ist eine sehr, sehr, sehr effektive biologische Waffe. Das ist der ursprüngliche Zweck für seinen Einsatz. Marion Falk (ein pensionierter Chemophysiker, der im Lawrence Livermore Labor mehr als 20 Jahre Nuklearbomben baute), der Wissenschafter vom Manhattan Project, mit dem ich arbeite, lehrte mich ziemlich alles über Strahlung und Teilchen und abgereichertes Uran. Er sagte, dass der Zweck von durch das Militär eingesetzten Waffen nicht nur darin besteht, feindliche Soldaten zu verletzen und zu töten, sondern die Absicht ist, die Zivilbevölkerung zu töten, zu verkrüppeln und mit Krankheiten zu überziehen, weil das die Produktivität eines Landes verringert, und dann werden ziemlich rasch die Ressourcen dazu gebraucht werden, die kranken Menschen zu pflegen. Es wird immer weniger gesunde Arbeiter geben. Natürlich wird der Schaden an zukünftige Generationen der betroffenen Person, des betroffenen Tiers oder der betroffenen Pflanze weitergegeben, wenn man eine Mutation in der DNA verursacht. Die DNA repariert sich nicht von selbst. Erbgut für immer geschädigt Dann sind die Mutationen vermutlich zerstörerisch und nicht konstruktiv. Die Mutationen erzeugen diese Geburts defekte. Das sind keine evolutionären Krankheiten? Nein, sie sind nicht evolutionär. Sie werden an alle zukünftigen Generationen weitervererbt und weitergegeben. Es ist, wie wenn Sie rotes Haar haben und alle ihrer nachfolgenden Generationen haben das Erbgut. Wenn ich dann wegen der Strahlung die Voraussetzung für eine Herzerkrankung hätte, dann würde die Generation nach mir dasselbe Problem haben? Nun, wenn sie die Zelle oder Teile der Zelle oder die Funktionsfähigkeit von Zellen schädigen, dann beschädigt das nicht notwendigerweise die DNA. Es gibt zwei Arten von Schäden: Beim einen sind die Zellen des lebenden Organismus betroffen, und das muss nicht weitergegeben werden. Aber wenn sie die DNA einer Eizelle oder einer Samenzelle beschädigen, dann wird das an alle zukünftigen Generationen weitergegeben. Die Jungs, die vom Krieg zurückkehren, haben dann Sperma, das ... … geschädigt ist, ja. Sie haben auch abgereichertes Uran in ihrem Samen. Wenn sie mit ihren Partnerinnen intim sind, dann verseuchen sie diese innerlich mit abgereichertem Uran. Die Frauen werden selber krank. Sie haben abgereichertes Uran in ihrem Körper. Es gibt da etwas, das man «Burning»-Syndrom nennt. Es ist vollkommen schrecklich. Sie können darüber in einem Artikel von David Rose in der Dezember-Ausgabe von Vanitiy Fair lesen. Er ist im Internet. Eine Bekannte von mir ist Witwe eines kanadischen Golfkriegsveterans. David Rose interviewte sie, und sie klagte über den Samen, der ihr ein Brennen verursache. Sie sagte: «Ich hatte die ganze Zeit 20 mit gefrorenen Erbsen gefüllte Kondome in meinem Gefrierschrank. Nachdem wir intim waren, führte ich eines in meine Scheide ein, und nur so konnte ich die Schmerzen von dem brennenden Samen ertragen». Und es geht auch durch Kondome hindurch! Menschenskinder! Ja, sie müssten die Highschool-Klassen sehen, wenn ich über den brennenden Samen und die Verseuchung von innen berichte. Die Münder der Mädchen wer- Dossier Uranwaffen 65 Zeit-Fragen 2006 den zu kleinen Os, und die Jungs geraten in Panik, weil sie so eine Art haben, wie: «Ich werde nie krank!» (Lachen). Der Titel des Artikels ist «Selbstvernichtungswaffen» (Weapons of Self-Destruction). Atombombentests und die Folgen Wieviel abgereichertes Uran braucht es, um alles bekannte Leben auf diesem Planeten auszurotten? Die Menge an freigesetzter Strahlung wird sicher sehr, sehr tiefgreifende weltweite Auswirkungen haben, und wir sehen bereits, dass die Kindersterblichkeit weltweit ansteigt. Der Fötus ist am meisten anfällig für Strahlenschäden, weil sich all seine Zellen rasch teilen, die Gliedmassen und der Körper entwickeln sich. Wenn sie damit anfangen, giftige Chemikalien und Strahlen hinzuzugeben, dann schädigt das wirklich den natürlichen Ablauf der fötalen Entwicklung. Der Grund dafür, dass wir den Senat davon überzeugen konnten, dass er den Atomteststopp-Vertrag (das Verbot oberirdischer Atomversuche) 1963 unterzeichnete, lag im Anstieg der Kindersterblichkeit. Über eine ziemlich lange Zeit war sie wegen der besseren vorgeburtlichen Pflege und der Aufklärung der Mütter jedes Jahr um zwei oder drei Prozent gefallen und gesunken. Die Kindersterblichkeit begann nach den Bombenabwürfen auf Hiroschima und Nagasaki wieder anzusteigen, besonders in den 50er Jahren, als die grossen Atombombentests begannen. 1963 war es ziemlich klar, dass die Atombombentests weltweit reale Auswirkungen auf das ungeborene Leben hatten. Sie unterzeichneten den Atomteststopp-Vertrag. Russland und die USA beendeten oberirdische Tests, und die Kindersterblichkeit ging wieder herunter. Sie steigt jetzt wieder an. Das liegt an der weltweiten radioaktiven Verschmutzung, und wie lange es braucht, alles Leben zu vernichten, weiss niemand, aber abgereichertes Uran ist eine sehr, sehr wirkungsvolle biologische Waffe. Der militärische Einsatz von Waffen geschieht aus zwei Gründen. Einer ist die Vernichtung der feindlichen Soldaten, und der andere, ebenso wichtige, ist die Vernichtung der feindlichen Zivilbevölkerung, indem man Krankheiten und Leiden hervorruft. Schleichende Krankheiten haben eine Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit und die Wirtschaft eines Landes. Es waren Tschernobyl und andere atomare Katastrophen, die tatsächlich zum Zusammenbruch der ehemaligen Sowjet union führten, weil die ehemalige Sowjet union durch die freigesetzte Strahlung sehr, sehr krank ist. Sie waren viel nachlässiger, als wir es waren. Ich habe eine Erhebung der Weltgesundheitsorganisation über den Gesundheitszustand weltweit, welche im Journal of the American Medical Association im letzten Juni veröffentlicht wurde. Die Auswirkungen der atmosphärischen Tests sind sehr, sehr offensichtlich, wenn man die Pro zentzahlen der Bevölkerung in jedem Land anschaut, welches für eine bestimmte Art von Geisteskrankheit untersucht wurde. Zum Beispiel sind es in Japan 8,8%. In Nigeria sind es sehr wenige: 4,7%. Sie haben in Nigeria fast keine Strahlung. In der Ukraine, wo sich der Unfall von Tschernobyl ereignete, sind es 20,4%. In Spanien sind es 9,2%, in Italien 8,2%. Es sind ziemlich wenige, weil Italien keine Atomkraftwerke hat. Frankreich ist zu 75% von Atomstrom abhängig, dort liegt die Rate für die Geisteskrankheit in der Bevölkerung bei 18,4%. In Mexiko sind es 12,2%, und in den USA sind es 26,3 % – die höchste Rate an Geisteskrankheiten in der Welt. Und George Bush und seine Geschwister waren alle schon in der Gebärmutter dem atomaren Niederschlag aus den Atomtests in den Vereinigten Staaten ausgesetzt. Er hatte eine Schwester, die an Leukämie starb, als sie ungefähr 3 Jahre alt war. Ich arbeitete mit einer Gruppe zusammen, die sich Radiation and Dossier Uranwaffen 66 Zeit-Fragen 2006 Public Health Project [Arbeitsgruppe für Strahlung und Öffentliche Gesundheit] nennt. Ihre Website ist www.radiation.org. Wir alle sind Strahlenfachleute, bekannte Wissenschafter und unabhängige Wissenschafter. Wir haben die Zähne von 6000 Babys rund um Atomkraftwerke gesammelt und die Strahlung in ihnen untersucht, und eine von unseren Mitgliedern ist die Nachbarin derjenigen Frau, die mit allen Bush-Kindern gearbeitet hat, einschliesslich Präsident Bush, weil sie schwere Lernbehinderungen hatten. Woher wissen wir, dass die Bush-Kinder Strahlung ausgesetzt waren? Durch ihr Geburtsjahr. Dem Jahr, in dem ihre Mutter mit ihnen schwanger war. Sie müssen nachschauen, wieviel Atombombentest-Material in die Atmosphäre freigesetzt wurde, und es gibt eine direkte Korrelation zwischen der Verschlechterung der Ergebnisse im SAT für alle Teenager in den USA und der Menge an Strahlung, die in dem Jahr, in dem ihre Mutter mit ihnen schwanger war, in die Atmos phäre freigesetzt wurde. Das sind verzögerte Auswirkungen, wenn man Strahlung in der Gebärmutter ausgesetzt ist. Sie lebten also in Connecticut und spürten die Folgen der Strahlung in Nevada immer noch? Vor 2 Jahren gab die US-Regierung zu, dass jede einzelne Person, die zwischen 1957 und 1963 in den Vereinigten Staaten gelebt hatte, Strahlen ausgesetzt war. Während dieser Jahre waren also jede schwangere Frau und ihr noch ungeborenes Kind Strahlen ausgesetzt. Kein Genozid, sondern ein «Omnizid» Über was für eine Art an Strahlendosis sprechen wir? Wir sprechen über Niedrigdosisstrahlung, und die hauptsächliche Aufnahme geschieht durch das Trinken von Wasser und von Milchprodukten. Es tötete auch die jungen Fische im Atlantik. Strontium 90 ist ein durch Menschen geschaffenes Isotop, das von den Atombomben und Atomreaktoren stammt. Man bestimmte in Norwegen den Grad an Strontium 90 in der Milch von den 50er bis in die 70er Jahre, und man bestimmte auch die Abnahme der Fische, die im selben Zeitraum gefangen wurden, und mit der Zunahme von Strontium 90 in der Milch in Norwegen nahmen die Fischfangzahlen ab. Im Jahre 1963, als die USA fast jeden Tag eine Atombombe testeten (sie führten in einem Jahr 250 Atomtests durch, weil der Vertrag unterzeichnet werden würde), nahmen die Fischfangzahlen um 50% ab. Im Pazifik nahmen sie um 60% ab, weil die Russen, die Chinesen, die Franzosen und die USA Tests im Pazifik durchführten. Das bedeutet, dass wir diese verseuchten Fische heute immer noch essen. Hat sich der genetische Code geändert? Die Ozeane nehmen alles auf, was von der Atmosphäre über ihnen abregnet, auf sie schneit oder als Nebel herunterkommt. Es läuft in die Ozeane. Das grosse Froschsterben, das weltweit stattfindet, hat sicher mit der Strahlung im Regenwasser zu tun. Es ist ein weltweiter atomarer Holocaust. Es betrifft alles Lebende. Deshalb nennen sie es «Omnizid», was bedeutet, dass es alles Lebende tötet – die Pflanzen, die Tiere, die Bakterien. Alles. DU im Pentagon? Denken Sie, wir sollten den Wetterbericht über die derzeitigen Sandsturmverhältnisse im Irak ansehen, so dass wir uns 4 Tage im voraus gegen die Strahlung wappnen können? Dossier Uranwaffen 67 Zeit-Fragen 2006 Ich sage Ihnen, was ich am 11. September tat. Ich rief alle Ärzte aus dem Radiation und Public Health Project an und sagte: «Geht aus der Stadt weg und kommt erst nachdem es 3mal geregnet hat wieder zurück.» Eine lebte 12 Meilen in Windrichtung vom Pentagon entfernt. Sie ging mit ihrem Geigerzähler auf ihren Balkon. Ich sagte: «Nimm den Geigerzähler aus deiner Tasche.» Wir hatten gerade eine Pressekonferenz in San Francisco abgehalten, und ich wusste, dass sie ihn in ihrer Tasche hatte. Nun, die Strahlenbelastung war 8- bis 10mal höher als der Hintergrund. Wir riefen die EPA, HAZMAT, FBI an und sagten: «Veranlassen Sie, dass alle Notfallhilfskräfte angemessene Schutzkleidung erhalten. Sie müssen geschützt werden.» Zwei Tage nach dem 11. September rief mich der Strahlenfachmann der EPA zurück und sagte: «Tja, der Schutt aus dem Aufprall im Pentagon war radioaktiv, und wir glauben, dass es abgereichertes Uran ist. Aber wir sind nicht besorgt darüber. Es ist nur schädlich, wenn man es einatmet.» Er sagte: «Aber wir sind in Sorge wegen des Lötbleis im Flugzeug.» Nun, wissen Sie, was in Tomahawk-Raketen ist? Sie haben Gefechtsköpfe aus abgereichertem Uran. Der radioaktive Schutt aus dem Aufprall, der mit abgereichertem Uran verseucht war, ist Beleg für einen Gefechtskopf aus abgereichertem Uran. Störung der Zellfunktionen An das habe ich nicht gedacht, aber zurück zu meiner anfänglichen Frage. Sollte uns der Wetterkanal über toxische Sandstürme im Irak berichten? Aber wie können die Menschen davonkommen? Die Sandstürme habe die Grösse von einer Millionen Quadratmeilen. Sie sind gross, und sie kommen geradewegs über den Atlantik, das Karibische Meer, die Küste von Texas und die Ostküste hoch. Es gibt Menschen, die den Staat jedesmal verlassen, wenn ein Hurrikan kommt. Es ist im Essen, im Trinkwasser, in den Milchprodukten, und dann ist das Problem von Uran 238 (woraus abgereichertes Uran zu 99,39% besteht), dass es in über 20 Schritten in weitere radioaktive Isotope zerfällt. Deshalb nennen wir es «Trojanisches Pferd». Es ist die Waffe, die immer weiter abgibt. Sie tötet immer weiter. Es ist, wie wenn man radioaktives Crack rauchen würde. Es geht direkt in deine Nase. Es geht durch den Riechkolben hindurch in dein Gehirn. Es ist ein systemisches Gift. Es geht überall hin. Diese Teilchen, die sich bei sehr hohen Temperaturen – 5’000 bis 10’000 °C – bilden, sind Nanopartikel. Sie sind ein Zehntel Mikron gross oder kleiner. Ein Zehntel eines Mikron heisst hundertmal kleiner als ein weisses Blutkörperchen. Sie werden in die Lipide (Körperfette) aufgenommen und vermutlich ins Cholesterin und gehen direkt durch die Zellmembranen der Zelle. Sie bringen den Ablauf in der Zelle durcheinander. Sie bringen den Informationsaustausch zwischen den Zellen durcheinander, weil die Zellen miteinander sprechen und koordinieren, was sie tun. Die Funktion des Gehirns wird durcheinandergebracht. Die Folgen im Irak Wissen Sie, wie der Irak vor dem ersten Golf-Krieg war? Der Irak vor dem Golf-Krieg von 1991 war das am besten entwickelte Land im gesamten Mittleren Osten. Sie hatten genaueste Daten über die Gesundheitsprobleme und die Krankheitsraten, weshalb die USA alle Büros des Gesundheitsministeriums bombardierten. Wir zerstörten all diese Unterlagen, damit die Gesundheitsdaten vor dem Golf-Krieg nicht wiederhergestellt werden konnten, um den Anstieg dieser Krankheiten zu zeigen. Das wäre für die USA im Sinne von Entschädigungen für Kriegsverbrechen von Belang. Während dieser schrecklichen Uno-Sanktionen konnten sie (die Iraker) nie all jene Medikamente Dossier Uranwaffen 68 Zeit-Fragen 2006 erhalten, die es für die Behandlung von Leukämie brauchen würde. Sie (die Uno) sagte jeweils: «Dieser Teil der Leukämiebehandlung ist eine Komponente von Waffen, ihr könnt das nicht haben.» Sie gaben den Menschen nie die gesamten nötigen Medikamente für die Behandlung, die sie gebraucht hätten, um die Leukämie loszuwerden. Die Kinder verhungerten, und das verhüllte die Auswirkungen von abgereichertem Uran. Sie litten an Unterernährung. Sie hatten die gesundeste Bevölkerung im Mittleren Osten (vor dem ersten Golf-Krieg). Sprechen wir über die Kinder im Irak. Nach dem Golf-Krieg kam in den Spitälern in Basra vielleicht ein Baby pro Woche mit Geburtsdefekten zur Welt. Jetzt sind es 10 bis 12 pro Tag. Der Grad an Uran in der Bevölkerung nimmt jedes Jahr zu. Jeden Tag essen und trinken die Menschen, während die gesamte Umgebung verseucht ist. Es ist das, was man erwarten würde. Es gibt mehr Babys, die mit Geburtsdefekten geboren werden, und die Geburtsdefekte werden immer schwerwiegender. Eine irakische Ärztin sagte mir, dass jetzt Babys geboren werden, die seien ein Klumpen Fleisch. Sie sagte, dass sie keine Köpfe oder Beine oder Arme hätten. Es sei nur ein Klumpen Fleisch. Das passierte auch den Menschen, die man nicht von den Inseln im Pazifik wegbrachte, als die Atomtests durchgeführt wurden. Im Grunde benutzten die Regierungen sie als Versuchskaninchen. Dann sind alle Länder, die mit Nuklearwaffen ausgestattet sind, dieser Greueltaten schuldig? Sie machten es alle. Frankreich, Russland, China und die USA. Und ich bin nicht sicher, ob Grossbritannien Atomtests durchführte. Sie waren wirklich leise. Die Folgen in den USA Wo sind die Orte mit der meisten Strahlung in den USA? In den USA wäre das in einem Umkreis von 100 Meilen von Atomkraftwerken. Wir haben 110 Atomkraftwerke in den USA. Wir haben die meisten von allen Ländern in der Welt, und 103 sind in Betrieb. Fast die gesamte Ostküste. Was wir machten, war folgendes: Wir holten uns Regierungsdaten vom Center for Disease Control über Brustkrebstote zwischen 1985 und 1989. Zwei Drittel aller Brustkrebstodesfälle traten in den USA zwischen 1985 und 1989 irgendwo innerhalb von 100 Meilen um ein Atomkraftwerk auf. Es ist auch um Atomwaffenlabors. Das wären Los Alamos in New Mexico, das Idaho Nuclear Engineering Labor in Idaho und Hanford im Gliedstaat Washington, woher sie das Plutonium für all die Bomben erhalten. Sie haben das gesamte Einzugsgebiet des Columbia River verseucht und fast den gesamten Gliedstaat Washington. Es gelangt ins Wasser und in die Pflanzen und in die Vegetation. Wenn sie Muscheln oder Krabben oder ähnliches essen, sogar einige Arten von Fisch, die den Schlamm am Untergrund der Flüsse abgrasen, haben sie einen höheren Grad an Strahlung in ihrem Gewebe. Es hängt von jeder Person ab, und wie gesund sie ist, aber ein Mann aus dem Gliedstaat Washington verstarb plötzlich. Er war Ende 40. Man führte eine Autopsie durch und er war voll radioaktivem Zink. Sie sagten: «Woher in aller Welt hat er das? Es kommt nur aus Atombomben und Atomreaktoren.» Sie untersuchten, was er gegessen hatte, und stellten fest, dass er gerne Austern gegessen hatte. Sie fanden heraus, wo er die Austern gekauft hatte, und sie fanden die Austernbänke. Sie lagen 200 Meilen vor der Küste des Staates Wash ington. Die Strahlung war von der Küste ins Meer fortgetragen worden. Sie ging über diese Austernbank hinweg, und die Austern verschlangen es. Dossier Uranwaffen 69 Zeit-Fragen 2006 Die medizinischen Folgen Was sind die Symptome einer Vergiftung mit abgereichertem Uran? Die Soldaten auf dem Schlachtfeld berichteten über einen metallischen Geschmack in ihrem Mund. Das ist der Geschmack von Uranmetall. Dann berichteten die Soldaten auf dem Schlachtfeld innert 24 bis 48 Stunden, dass sie sich schlecht fühlten. Sie bekamen Muskelschmerzen und verloren an Kraft. Einige kamen inkontinent zurück [das heisst, sie konnten ihren Urin nicht mehr halten; Anm. des Übersetzers]. In andern Worten, in Windeln für Erwachsene. Eine Frau berichtete, dass sie in der ersten Nacht zu Hause mit ihrem Mann intim werden wollte, aber sie hatte überhaupt kein Gefühl. Sie konnte von ihrer Taille abwärts nichts mehr spüren. Diese Teilchen zerstören das neuromuskuläre System, die Nerven, es geht überall hin. Und es gibt keine Behandlung dagegen. Diese Teilchen sind sehr, sehr unlöslich, so dass sie sich nicht in den Körperflüssigkeiten auflösen und aus dem Körper ausgeschieden werden können. Sie strahlen immer weiter. Selbst wenn Uran zerfällt, geht es in andere Isotope über. Es ist ein Teilchen, das einfach dasitzt und Kugeln abschiesst, bis man stirbt. Ein anderes Problem ist, dass die Zähne der Soldaten zerbröckeln. Die Zähne fallen aus. Das Uran ersetzt Kalzium in der Kalziumphosphatstruktur der Zähne. Einige haben sich über epileptische Anfälle beklagt, zerebrale Lähmungen. Krankheiten, von denen gesagt wird, dass Soldaten der Luftwaffe und der Armee sie häufig haben, sind die Parkinsonsche Krankheit, die Lou-GehrigKrankheit und der Morbus Hodgkin. Die Mitochondrien in den Zellen und den Nerven nehmen Schaden. Die Mitochondrien erzeugen die gesamte Energie für den Körper. Wenn man die Mitochondrien schädigt, dann ist ein weiteres Symptom das Chronic Fatigue Synrom (chronisches Müdigkeitssyndrom). Es wird nicht mehr genug Energie erzeugt, damit der Körper normal funktionieren kann. Ich fand eine Studie im Newsletter für die Angestellten des SanDia-Atomwaffenlabors im September 2003. Sie führen dort Studien über mitochondriale Dysfunktion in bezug auf die Lou-Gehrig-Krankheit, den Morbus Hodgkin und die Parkinsonsche Krankheit für Veteranen durch. Seit es ein Atomwaffenlabor ist, sind sie sich des Gesundheitsschadens vollkommen bewusst. Sagen Sie uns etwas über Tests, um abgereichertes Uran im Körper festzustellen. verseucht sind. Es heisst nur, dass Sie vielleicht oder vielleicht auch nicht verseucht sind, aber dass sich nicht genug in Ihrem Blut gelöst hat, um durch die Nieren zu fliessen und mit dem Urin ausgeschieden zu werden. Keiner, der geht, kann eine Verseuchung verhindern. Keiner, keiner, keiner. Jeder, der in den Mittleren Osten und nach Afghanistan geht, wird verseucht. Die Sache mit dem abgereichertem Uran betrifft jedes Leben auf diesem Planeten. Was sonst hat solche Auswirkungen? Sie haben das Erbgut für den gesamten Planeten mit diesem abgereicherten Uran für immer verändert. Die Leute vom Pentagon sagen: «Sie übertreiben, oder Sie verwenden das Wort Uran, um den Leuten Angst zu machen.» Es ist mir egal, ob mir die Menschen glauben oder nicht. Alles, was ich sagen kann, ist, dass mit der Zeit das, was ich sage, in Wirklichkeit eine Unterschätzung der Langzeitfolgen sein wird. Quelle: lonestaricon.com/2005/PDFs/19iconoclast.pdf; 30. Mai 2005. Die unabhängige Wochenzeitung Iconoclast in Texas, USA, legte in ihrer Ausgabe vom 11. Mai 2005 den Schwerpunkt auf Uranwaffen und deren verheerende Auswirkungen für die Zivilbevölkerung und die Soldaten. Das Interview wurde von den Redakteuren W. Leon Smith und Nathan Diebenow durchgeführt. (Übersetzung Zeit-Fragen) Dossier Uranwaffen 70 Zeit-Fragen 2006 Nr. 34, 21. August 2006, Seite 14 Pro memoria: Depleted-Uranium-Krieg in Bosnien und in Kosovo zf. In ihrem Buch «Atomgefahr USA. Die nukleare Aufrüstung der Supermacht» zeigt die Atomwaffenexpertin Helen Caldicott* die globale Bedrohung auf, die von der heutigen atomaren Hochrüstung ausgeht. Sie weist dabei auch deutlich auf den Einsatz von Depleted Uranium (DU) hin. Entgegen dem inoffiziellen Stillschweigeabkommen in bezug auf die globale Verseuchung mit DU, lässt Caldicott dieses Thema nicht aus. Im Gegenteil, während Politiker in der EU den Einsatz von Soldaten in das DU-verseuchte Südlibanon fordern, ohne auf die Gefahren hinzuweisen, rollte die promovierte Ärztin die grausamen gesundheitlichen Folgen des Kriegseinsatzes in Irak und Kosovo auf und macht deutlich, dass schon damals entgegen besseren Wissens von den Verantwortlichen gehandelt wurde! Im folgenden gibt «Zeit-Fragen» einen kurzen Auszug aus ihrem 400seitigen Buch wieder. In jüngster Zeit wurden in Bosnien und Kosovo zwei weitere «radioaktive» Kriege hauptsächlich von den Vereinigten Staaten und ihren Nato-Verbündeten geführt. Während ich diese Zeilen schreibe, wächst die internationale Unruhe, da Soldaten sowie Angehörige der Friedenstruppen, die in Kosovo stationiert waren, vermehrt Krebs erkrankungen entwickeln, auch Leukämie. Bei der Operation Allied Force – dem 78-Tage-Krieg im Kosovo im Jahr 1999 – wurden ungefähr 31 000 Schuss uranhaltiger Munition abgefeuert. 1994 und 1995 verschoss man in Bosnien über 10 800 Urangeschosse, vorwiegend um die Stadt Sarajevo, wo amerikanische A-10-Warthog-Bomber mit 30-Millimeter-Gattling-Bordkanonen uranhaltige Munition hinausjagten. Anfänglich zögerte die Nato, ihren Mitgliedsstaaten genaue Informationen über den Einsatz von Uranmunition in Kosovo oder Bosnien zu geben. Und das, obwohl die Nato im Juli 1999 Länder mit Streitkräften und Hilfstruppen auf dem Balkan gewarnt hatte, dass die Verwendung von Uranwaffen eine «mögliche toxische Gefahr» mit sich bringen könne, und ihnen riet, Vorsichtsmassnahmen zu treffen. (Der Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen kritisierte, dass die Nato keine genaueren Angaben darüber gemacht hatte, wo diese Munition verwendet worden war.) Im Dezember 2000 begann die Besorgnis über die Uranwaffen in den Nato-Ländern durchzusickern, als Italien eine Untersuchung der 30 kranken Soldaten ankündigte, die 1994 und 1995 in Bosnien und 1999 im Kosovo gedient hatten. 12 von ihnen haben Krebs, 5 bis 7 sind bereits an Leukämie gestorben. Zwischen 30 000 und 40 000 Soldaten waren auf dem Balkan im Einsatz, der damalige italienische Verteidigungsminister Sergio Mattarella sagte dazu: «Ich muss meiner Bitterkeit Ausdruck verleihen, dass die zuständigen internationalen Organisationen mit ihrer Antwort auf unsere Bitte um Informationen, die für die bosnische Bevölkerung sowie die Militärangehörigen von grosser Bedeu- Dossier Uranwaffen 71 Zeit-Fragen 2006 tung ist, bis jetzt gewartet haben.» Spanien beabsichtigt, alle 32’000 Soldaten untersuchen zu lassen, die seit 1992 auf dem Balkan stationiert waren. Aus dem spanischen Kontingent wurden zwei amtliche Fälle von Leukämie gemeldet. Abgesehen von den tödlichen Fällen von Leukämie zeigt eine unbekannte Anzahl von Soldaten, die als Angehörige der Friedenstruppen auf dem Balkan waren, Symptome wie Haarausfall und chronische Müdigkeit, die denen des Golfkriegssyndroms ähneln. Andere Länder, die sich um die künftige Gesundheit ihrer Männer sorgen, sind Kosovo, Dänemark, Frankreich, Belgien, Portugal und die Niederlande. Irland, Lettland und Rumänien werden ihre Soldaten ebenfalls untersuchen lassen. 5 belgische Soldaten sind an Krebs erkrankt ebenso wie zwei portugiesische, zwei finnische und zwei holländische Soldaten. Portugal wird Wissenschafter entsenden und die Strahlung in den betroffenen Gebieten messen. Russland wollte ein Team schicken, um die Gebiete zu prüfen, in denen russische Soldaten als Friedenswächter eingesetzt sind, und noch vor dem 20. Januar 2002 das gesamte Militärpersonal untersuchen lassen. Portugal und Italien warfen der Nato Geheimniskrämerei vor. Im November 2002 bestätigte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) das Vorhandensein von abgereichertem Uran an Orten, die von der Nato bombardiert worden waren. Dort liess sich ein 100-facher Anstieg der Urankonzentration im Grundwasser feststellen. Die Sterblichkeitsrate in diesen Gebieten hat sich verdoppelt, zumeist auf Grund von Krebs sowie Leukämieerkrankungen bei Kindern. Quelle: Helen Caldicott. Atomgefahr USA. Die nukleare Aufrüstung der Supermacht. 2003, ISBN 3-7205-2385-3. [Anm. der Red.: Das Buch von H. Caldicott erschien in der deutschen Ausgabe 2003. Die Krebs- und Leukämiezahlen sind seither wahrscheinlich massiv angestiegen.] *Die Atomwaffenspezialistin und promovierte Ärztin Helen Caldicott wurde für ihr Engagement gegen die atomare Rüstung bereits für den Friedensnobelpreis nominiert. Die weltweit renommierte Aktivistin der internationalen AntiAtom-Bewegung leitet das von ihr gegründete Nuclear Policy Research Institute in Los Angeles. Helen Caldicott hat mehrere Bücher verfasst und kämpft in den Vereinigten Staaten und in ihrer ursprünglichen Heimat Australien gegen die Aufrüstung. Sie ist Mutter von drei Kindern. Nr. 34, 21. August 2006, Seite 15, Leserbrief Für ewige Zeiten unbewohnbar In beinahe jedem Krieg sucht die angreifende Partei das «Feindesland» zu zerstören und für lange Zeit unbewohnbar zu machen. War der Krieg und die Unterdrückungssituation vorbei, kamen die Menschen in ihr Land zurück – oder es kamen neue Siedler. Sie bauten wieder ihre Häuser, Strassen und Wege, ihre Wasser- und Kraftwerke; die Kriegsbauten und Panzersperren zerfielen oder wurden überwuchert, die Bombenkrater wurden zu Tei- Dossier Uranwaffen 72 Zeit-Fragen 2006 chen oder aufgefüllt, das Land wurde wieder bewohnbar. Bisher fand ich jedoch in keiner Zeitung einen Beitrag, der ausdrücklich auf den enormen qualitativen Unterschied hinwies zwischen früheren und heutigen Kriegsfolgen. Die heute verwendeten chemischen Kampfstoffe (man denke an den «Agent Orange»), und vor allem die nuklearen Bomben und Geschosse machen das betroffene Land, in menschlichen Dimensionen gerechnet, für ewige Zeiten unbewohnbar, sie zerstören das menschliche und tierische Erbgut für ewige Zeiten. Und die radioaktiven Partikel werden durch Wind und Wasser allmählich über die ganze Erde verteilt. Kann irgendein normal empfindender Mensch die Denkweise der heutigen Kriegsherren verstehen? Edith Christoffel-Hubacher, Zürich Nr. 35, 28. August 2006, Seite 11 DU-Waffen und deutsche Soldaten in Libanon Offener Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages Sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter Sie tragen als Mitglied des Bundestags die Verantwortung für den Einsatz deutscher Soldaten in Libanon. Wenn Sie dem zustimmen, tun Sie das nicht in unserem Namen. Denn: Der Irak 1991, Bosnien, Kosovo, Afghanistan, der Irak und jetzt auch Libanon – in all diesen Kriegen wurden Uranwaffen eingesetzt. Tausende Tonnen von Waffen, die zu einer nie wieder rückgängig zu machenden Verstrahlung und Vergiftung der gesamten Umwelt, der Luft, des Wassers und der Erde führen. Die Menschen, die dort leben, atmen die feinstverteilten Uranoxide ein, die lungengängig sind, nehmen sie mit dem kontaminierten Wasser, den verseuchten Pflanzen und Tieren in ihren Körper auf. Damit haben sie die strahlenden und giftigen Partikel in sich, und die häufen sich an. Die Menschen werden krank, sie sterben an Leukämie und anderen Krebsarten, sie bekommen missgebildete Kinder. Die Soldaten, die dort im Einsatz sind, atmen genauso die verseuchte Luft, trinken das kontaminierte Wasser. Die Menschen der benachbarten Länder sind ebenso betroffen, zum Beispiel die israelische Bevölkerung. Über kurz oder lang ist die gesamte Menschheit betroffen, weil der Feinstaub sich über Sandstürme und atmosphärische Winde über den gesamten Globus verteilt. Jetzt befinden sich Hunderttausende Flüchtlinge auf der Rückkehr in ihre Heimat. Wer informiert diese Menschen, die dem Bombentod entkommen sind, dass sie jetzt ein anderer Tod – eine Verstrahlung und Vergiftung ungeahnten Ausmasses – erwartet? Wer schützt sie, wer macht dieses menschenverachten- Dossier Uranwaffen 73 Zeit-Fragen 2006 de Unrecht wieder gut? Wer informiert die UN-Soldaten darüber, was sie dort erwartet? Wer schützt sie? Wer schützt ihre Familien zu Hause, wenn sie verseucht zurückkommen? Wer schützt die Menschheit und unseren Globus? Wir fordern Sie auf, alles zu unternehmen, dass: 1. unsere Bevölkerung über den Einsatz und die Folgen von Uranwaffen in den Kriegsgebieten aufgeklärt wird; 2. es deutschen Unternehmen verboten wird, an der Herstellung solcher Waffen beteiligt zu sein; 3. diese Uranwaffen nie wieder zum Einsatz kommen; 4. in den Ländern, in denen diese Waffen zum Einsatz kamen, die Menschen informiert, geschützt und medizinisch versorgt werden. Warum hat Deutschland nicht der Resolution des Rats der Menschenrechte der Vereinten Nationen «zur ernsten Lage der Menschenrechte in Libanon» vom 11. August zugestimmt? Diese verurteilt die massive Gewalt gegen die Zivilbevölkerung und beschliesst eine sofortige Überprüfung der verwendeten Waffentypen und Feststellung des Ausmasses und der tödlichen Folgen der Angriffe auf das menschliche Leben und den Lebensraum bis zum 1. September. Wir wollen nicht zuschauen, wie die Menschen anderer Länder systematisch mit Krieg überzogen werden, ihre Lebensgrundlagen vernichtet und sie auf Dauer geschwächt werden, so dass sie im globalen Kampf um Macht und Ressourcen keine Rolle mehr spielen werden. Für jeden Menschen gelten die universellen Menschenrechte, für jedes Volk das Völkerrecht. Setzen Sie sich bitte persönlich dafür ein! Dr. med. Elke und Walter Möller-Nehring mit Kindern Hannah (7), Sarah (6) und Christoph (4) Informationen zu DU-Waffen: www.uraniumweaponsconference.de/pdf/hintergrund.pdf Resolution A/HCR/S-2/1 des Menschenrechtsrates:www.ohchr.org/english/bodies/hrcouncil/specialsession/2/index.htm Nr. 37, 11. November 2006, Seite 4 Und der Irak liegt in Europa von Wolfgang Hingst, Wien Die von mir vor vier Jahren geschriebenen Ausführungen über die Gefahren der Uran-Munition (siehe auch Zeit-Fragen Nr. 32 vom 7. August) bedürfen einer sehr aktuellen Ergänzung. Es zeigt sich nämlich, durch Messdaten belegt, dass – wir wissen es doch seit Tschernobyl genau – grosse Teile der Welt verseucht werden, wenn in einem lokalen Teil des Globus radioaktives Material in die Atmosphäre gelangt. Es ist eben nicht so, dass im Fall der Uran-Munition die strahlenden Gifte in unmittelbarer Umgebung liegenbleiben (was schlimm genug ist), wie die Militärs und von ihnen gekaufte Dossier Uranwaffen 74 Zeit-Fragen 2006 Politiker behaupten. Sie werden, wie ich schon damals geschrieben habe, durch Luftschwebeteilchen, sogenannte Aerosole, «über viele Kilometer verbreitet». Diese damals, gelinde gesagt, skeptisch aufgenommene Aussage ist soeben in erschreckender Weise bestätigt worden. Eine Studie der britischen Wissenschafter Chris Busby und Saoirse Morgan zeigt, dass abgereichertes Uran aus dem zweiten Golf-Krieg in der Atmosphäre und in Luftfiltern in Grossbritannien nachgewiesen wurde. Die Luftpartikel hatten in sieben bis neun Tagen eine Reise von etwa 4000 Kilometern zurückgelegt!1 Bei einer der fünf Messstationen des Luftüberwachungssystems Atomic Weapons Establishment (AWE) in Aldermaston, Berkshire, waren die Werte so hoch, dass sie eine offizielle Benachrichtigung der britischen Umweltbehörde erforderten. Über die extreme Gefährlichkeit dieser Partikel muss ich mich hier nicht mehr verbreiten. Sie ist von allen ernstzunehmenden Fachleuten längst erkannt und bewiesen. Ebenso, dass der Einsatz dieser Waffen massiv gegen die internationalen Konventionen und sogar gegen das US-Kriegsrecht verstossen, weil die USA das Haager und das Genfer Abkommen sowie das Genfer Protokoll 1925 unterzeichneten. DU-Waffen erfüllen in mehreren Punkten die nach US-Gesetz definierten Kriterien von Massenvernichtungswaffen! In den Berichten aus Grossbritannien fehlt, dass Uran-Munition in grossem Stil auch in den Balkan-Kriegen eingesetzt wurde: eine noch viel nähere Quelle für Europa als der Irak. Von dort kommt der radioaktive Dreck vor allem durch Sand- und Staubstürme, deren Niederschlag wir manchmal als gelben Film auf unseren Autos und Fensterscheiben bewundern können. Vom Balkan her genügen einfach entsprechende Luftströmungen. Es ist hoch an der Zeit, dass sich die Europäer gegen den verbrecherischen Einsatz von UranMunition wehren und eine weltweite Ächtung durchsetzen – auch im eigenen Interesse und für zukünftige Generationen ohne Zahl.• 1 Chris Busby, Saoirse Morgan: «Führte der Einsatz von Uranwaffen im zweiten Golf-Krieg zu Verseuchungen in Europa? Nachweise, die auf Messungen des Atomic Weapons Establishment (AWE) in Aldermaston, Berkshire, Grossbritannien, beruhen.» Siehe NEXUS 5/2006, Seite 14, mit weiterführenden Quellenangaben. Unsere Pflicht, die Ansätze für eine friedliche Zukunft wahrzunehmen msb. Stellen Sie sich vor, Sie machen Urlaub in Ex-Jugoslawien. Sie kehren zurück, und einige Monate später treten merkwürdige gesundheitliche Probleme bei Ihnen oder Ihren Familienmitgliedern auf. Stellen Sie sich vor, Sie verlieben sich in einen Kosovaren, einen Bosnier, Kroaten, Montenegriner, Serben usw. Sie bekommen mit diesem Partner ein Kind oder mehrere. Ein oder mehrere Kinder weisen unerklärliche Missbildungen auf oder erkranken ebenso wie ihr Partner an Leukämie bzw. Mehrfachkrebs. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Sohn, der als Soldat in Kosovo, in Afghanistan oder in Libanon eingesetzt war bzw. wird. Ihr Sohn wird einige Zeit später, wie eben beschrieben, krank bzw. heiratet und bekommt kranke bzw. missgebildete Kinder – Ihre Enkel.Das sind erschreckende Vorstellungen. Sie sind Realität. Wolfgang Hingst zeigt in «Paradies oder Weltuntergang» (S. 341–350) genau diese Problematik auf in dem Kapitel «Humanitärer Einsatz» mit Urangeschossen (siehe auch Zeit-Fragen Nr. 33 vom 15. August). Es geht um DU-Munition (DU = Depleted Uranium). Die Schäden und Folgen des Einsatzes sind bereits unumkehrbar: – verstrahlte, unbewohnbare Regionen in den Kriegsgebieten; – verstrahlte Menschen in diesen Gebieten mit medizinischen Folgen wie erhöhte Krebsraten, Mehrfachkrebs, genetische Defekte und dementsprechend Missbildungen bzw. Totgeburten; – Verteilung des Uranstaubs über die ganze Welt. Dossier Uranwaffen 75 Zeit-Fragen 2006 Hingst verfasste seine Erläuterungen klar, verständlich und auf zahlreiche Experten gestützt 2002 bereits mit Blick auf den bevorstehenden Irak-Krieg. Es wäre zu wünschen, man hätte sein Buch bereits damals gelesen, denn heute im Sommer 2006 steht die Welt noch näher am Abgrund. Die Folgen dieser Verbrechen gegen die Menschlichkeit bzw. an der Menschheit treffen die Menschen in den betroffenen Gebieten jetzt, morgen, in zehn Jahren und für die nächsten Millionen Jahre. Diese Folgen treffen uns alle. Die Lektüre öffnet einem die Augen, auch wenn die besoldeten Lügner in Wissenschaft, Politik und Medien versuchen, die schreckliche Wahrheit abzuleugnen. Über dieses für die aktuelle Situation wegweisende Kapitel hinaus ist «Paradies oder Weltuntergang» ein Wegweiser, wie wir brennende und existentielle Fragen der Gegenwart bzw. Zukunft erfolgreich angehen können. Hingst, ein glänzender Analytiker mit ungeheurem Wissensstand, zeigt eben nicht nur die katastrophale Situation auf, in welcher wir uns befinden. Er legt auch überzeugend dar, wie wir nicht nur retten, was zu retten ist, sondern wie unsere Welt praktisch zum Besseren zu verändern ist. An dieser Stelle nur ein kleines Blitzlicht. Von aktueller Bedeutung ist zum Beispiel das Kapitel «Friedenspolitik» (S. 383–390). Hingst weist zum Beispiel auf die Friedensbewegung in Israel hin: «Im Dorf Neve Schalom/Waht al-Salam leben gleich viele jüdische und palästinensische Familien friedlich miteinander. Die Kinder gehen in eine gemeinsame Schule und lernen beide Sprachen. Denn für die Friedensarbeit ist es ganz wichtig, dass sich die Menschen beider Seiten persönlich kennen, dass sie einander zuhören lernen, ihre Verschiedenheiten und Gemeinsamkeiten erfahren.» (S. 387) Ebenso erwähnt Hingst die israelische Friedensbewegung und die israelischen Kriegsdienstverweigerer. Der Verfasser dieser Zeilen ist überzeugt, dass es unsere Pflicht ist, die Ansätze für eine friedliche Zukunft wahrzunehmen und zu unterstützen. Wir sind es den Menschen schuldig, dass wir über ihr Schicksal und die Verbrechen nicht schweigen. Denn dadurch können wir helfen, dass die Hoffnung erhalten bleibt. Wir müssen handeln. In diesem Sinne gilt auch: Lesen Sie dieses Buch, verbreiten Sie es und diskutieren Sie darüber. Dr. Wolfgang Hingst. Paradies oder Weltuntergang. Wir haben die Wahl. Verlag Zeit-Fragen, Zürich 2003, 460 Seiten ISBN 3-909234-00-0, CHF 29.–/Euro 20.– Dossier Uranwaffen 76 Zeit-Fragen 2006 Nr. 37, 11. November 2006, Seite 5 – 8 Atomwaffeneinsatz in Afghanistan und seine Vertuschung Interview mit Dr. Asaf Durakovic über abgereichertes Uran (Depleted Uranium) Wir vom Traprock Peace Center freuen uns sehr, Dr. Asaf Durakovic interviewen zu können, der in Kanada am Uranium Medical Research Center 1 arbeitet. Dies ist ein grosses Privileg, denn wir wissen, wie bemerkenswert Ihre Arbeit auf diesem Gebiet ist, obwohl sie leider sowenig finanzielle Unterstützung erfährt. So haben Sie die Konsequenzen einer Urankontamination nach dem Einsatz zahlreicher Waffen entdeckt. Können Sie uns etwas über Ihre Arbeit mit afghanischen Zivilisten berichten? Meines Wissens haben Sie deren Uranspiegel gemessen. Dr. Asaf Durakovic: Unser Team besuchte Afghanistan zweimal, das erste Mal im Sommer 2002, ein zweites Mal 2003. Wir nahmen nahezu 30 Urinproben von afghanischen Zivilisten und beinahe die gleiche Anzahl an Boden- und Wasserproben. Diese Proben wurden in einem renommierten Labor in England analysiert, und zu unserer grossen Überraschung fanden wir keinen Beweis für abgereichertes Uran (DU, Depleted Uranium) in Afghanistan. Wir freuten uns für die afghanische Bevölkerung, denn wir dachten, die Bombardierungen im Rahmen von «Enduring Freedom» seien mit konventionellen Waffen geführt worden, die nur die Höhlen und Terroristennester zerstören würden. Auf der einen Seite waren wir daher erleichtert, dass Afghanistan dieses Leid vielleicht erspart bleiben würde, auf der anderen Seite waren wir sehr überrascht, denn nach unseren Informationen waren in Afghanistan DU-Waffen eingesetzt worden. Aber die zweite grosse Überraschung für uns war die Entdeckung, dass die Konzentration an Uran-Isotopen in der afghanischen Bevölkerung, im Boden und im Wasser ausserordentlich viel höher war als die Normalwerte. Wir untersuchten dies genauer und analysierten die Urankontamination der Biosphäre in allen Einzelheiten. Dabei fanden wir heraus, dass in Afghanistan nicht, wie wir angenommen hatten, DU-Waffen eingesetzt worden waren, sondern Waffen mit nicht abgereichertem Uran, die hundert- und tausendmal mehr Uranisotope in der Atmosphäre und in der Troposhäre hinterlassen als es der normalen Hintergrundstrahlung entsprechen würde. Wir stellten fest, dass die Menschen in unmittelbarer Umgebung der Bombeneinschläge, insbesondere von bunkerbrechenden und höhlenbrechenden Bomben, die der Inhalation von Uranstaub ausgesetzt waren – wir wissen inzwischen, dass es Uranstaub war – eine wesentlich höhere Urankonzentration im Urin aufweisen. Ein Beispiel liefert einfache Statistik. Die normale Konzentration an Uranisotopen im Urin, und zwar die Gesamtheit all dieser Isotope, würde rund 10 ng (ng = Nanogramm, Milliardstel Gramm) pro Liter Urin nicht übersteigen. Wir unternahmen Kontrolluntersuchungen bei der britischen Bevölkerung, bei nicht von Bomben betroffenen afghanischen Menschen, bei Veteranen aus dem Golf-Krieg und bei normalen amerikanischen und kanadischen Kontrollgruppen und verglichen diese mit der afghanischen Bevölkerung, die in der Umgebung der Bombeneinschläge lebte. Wir stellten fest, dass die durchschnittliche Konzentration an Uranisotopen in dieser Bevölkerung aus der Umgebung der Bombardements bei rund 350 bis 400 ng/l lag. Beachten Sie, dass die normale Konzentration und der normale Spiegel bei 10 ng/l liegen. Wir sprechen also von 30- bis 40fach höheren Werten im Urin als sie normalerweise anzutreffen sind. Nun fanden wir aber innerhalb der von uns untersuchten Bevölkerung, die dem durch Waffen erzeugten Uranstaub ausgesetzt war, Unterschiede. In einem Fall von Bombardements von Kabul beispielsweise lag die durchschnittliche Konzentration an Uran bei der von uns untersuchten Gruppe bei rund 99,5 ng/l, ein Wert, der Dossier Uranwaffen 77 Zeit-Fragen 2006 immer noch 10fach höherliegt als normal; aber bei einem Jungen innerhalb dieser spezifischen Untersuchungsgruppe massen wir einen Wert von 2031,6 ng/l. Wir wollten wissen, was da geschehen war. Handelte es sich womöglich um eine statistische Anomalie? War es vielleicht ein seltsames Missgeschick im Labor oder irgend etwas Unerklärliches? Wir nahmen uns also die Geschichte dieses zwölf Jahre alten Jungen vor. Er war während der Frühstückszeit im Haus seiner Familie, als die Bombe ihr Dorf traf. 27 Familienmitglieder wurden sofort getötet, der Junge überlebte. Voller Panik versuchte er, die Mitglieder seiner Familie aus den Trümmern des zusammengebrochenen Hauses zu retten. Alle waren tot. Wir waren schockiert, als wir die Ergebnisse dieses Jungens mit Namen Hussein anschauten. Wir dachten, hier läge ein Irrtum in der Methodik oder in der Analyse vor. Die Probe wurde wiederholt untersucht, und immer ergaben sich über 2000 ng/l. In der Geschichte der Urankontamination bei Menschen hatte es noch nie einen derartigen Fall gegeben. Es ist das erste Mal in der Geschichte der inneren aktinoiden2 Kontamination, dass derartige Werte als Folge einer Belastung durch Einatmen unmittelbar nach dem Einschlag einer Waffe festegestellt wurden. Wenn uns dieser Fall irgend etwas zeigt, dann zeigt er uns die schrecklichen Folgen einer inneren Verseuchung mit Uranisotopen. Wir haben es dabei mit vier Uranisotopen zu tun: Uran 235, das in einem höheren Anteil vorliegt als in abgereichertem Uran, Uran 238, das überwiegend natürliches Uran ist, Uran 234 und – zu unserer absoluten Überraschung – Spuren von Uran 236, das in der Natur nicht vorkommt. Es handelt sich also nicht um natürliches Uran, wie manche Befürworter der Bombardements in Afghanistan behaupten. Es ist schlicht nicht abgereichertes oder unabgereichertes Uran, wahrscheinlich eine Mischung aus sogenannt jungfräulichem Uran und dem Abfall des Anreicherungsprozesses in Atomreaktoren. Ein weiterer Punkt unbedingten Interesses für jeden, der sich in irgendeiner Form über die Umweltkatastrophe in Afghanistan Sorgen macht, ist die Anzahl der verwendeten Waffen. Laut Dai Williams wurden rund 6000 Waffen eingesetzt. Ungefähr ein Drittel davon waren Uranwaffen, besonders Schwerkraftbomben (ballistische Bomben), bunkerbrechende Bomben und so weiter. Einige dieser Waffen enthielten mehr Uran als die gesamte Menge, die im ersten Golf-Krieg zum Einsatz gebracht worden war. Das bedeutet, dass ganze Landstriche in den bombardierten Teilen Afghanistans bis weit in die Zukunft hinein für menschliche Besiedlung unbrauchbar sind. Die einfache Erklärung dafür ist, dass die Uranisotope nach ihrem Verdampfen auf Grund ihrer pyrophoren [selbstentzündlichen] Eigenschaft durch Hitzeeffekte mit kleinen Staubteilchen verbacken werden; dieser [Uran-] Staub, der sehr fein ist, setzt sich auf die Oberfläche des Erdbodens – und zwar nur wenige Zentimeter tief, wenn es nicht regnet. Bei Regen dringt er natürlich tiefer ein als nur ein paar Zentimeter. Dieser uranhaltige Staub wird durch die Winde, die in Gegenden wie Afghanistan häufig vorkommen, leicht aufgewirbelt und – entgegen den Mythen und Fiktionen, wonach die Wirkung der Uranisotope auf das Gebiet des Einschlags begrenzt bleibe – verhält sich wie Gas und kann Tausende von Kilometern zurücklegen. Im vergangenen Herbst wurde ich auf einer militärärztlichen Konferenz in Dohar, Kathar, gefragt, ob für Kathar zum Beispiel in Folge der im Irak eingesetzten Waffen ein Risiko der Kontamination bestünde. Ich sagte, natürlich. Können Sie die Bevölkerung von Kathar am Atmen hindern? Wenn sie atmen, könnten sie auch Uranisotope einatmen. Denn es gibt keine Barriere. Sie sind im feinen Staub der Atmosphäre enthalten. Deswegen werden diese Isotope und diese Waffen mesosphärische Toxine genannt. Sie befinden sich in der Troposphäre und der unteren Atmosphäre, und mit Sicherheit durchdringen sie den menschlichen Lebensraum. Bei jedem, der ihnen ausgesetzt ist und der sie dadurch, vorwiegend über die Atemwege, aufnimmt, nisten sie sich in den inneren Körperorganen ein und greifen das Immunsystem, die Atemwege, die Lymphknoten und schliesslich Nieren und Knochen, die Zielorgane der Uran- und Transuranelemente, an. Wie geht es dem Jungen Hussein? Haben Sie seit dem Test etwas über seinen Gesundheitszustand erfahren? Dossier Uranwaffen 78 Zeit-Fragen 2006 Die Entwicklung des Jungen wurde von den Mitgliedern unseres Teams, die in Afghanistan waren, nur über brieflichen Kontakt weiterverfolgt, da wir ein Programm zur Unterbringung afghanischer Waisen im ländlichen Teil des Staates New York haben. Wir halten Kontakt zu den Familien der Kinder, die wir in unserer Obhut haben. Er ist schwer krank, der Junge ist schwer krank. In den letzten Monaten haben wir nicht viel von ihm gehört, aber wir würden ihn sehr gerne zur klinischen Untersuchung an zwei europäische Universitäten bringen, wo wir in der nächsten Zeit unser klinisches Programm beginnen. Vielen Dank. Meines Wissens erklärt die Regierung nicht, wo Uran im Balkan eingesetzt wurde, wo Uran in Afghanistan eingesetzt wurde, und sie weigert sich nach den Bombardierungen von 2003 im Irak, irgendwelche Messungen durchzuführen oder irgendwie zu erklären, wo das Uran ist, und sie leugnet auch die Notwendigkeit irgendwelcher Aufräumoder Entsorgungsmassnahmen. Meine Befürchtung ist, dass solche Reinigungen in der Tat unmöglich sind, da diese Staubpartikel weit und breit verteilt werden, und dass wir die Verseuchung wirklich in Hinblick darauf messen und einschätzen müssen, solche Gebiete allenfalls zu evakuieren. Ist das auch Ihre Ansicht? Bis auf eine Ausnahme ist das auch meine Ansicht. Eine Urankontamination des Bodens kann gefasst werden, aber dies ist eine äusserst teure Prozedur. Wie Sie wissen, kann Uran durch Chelation an bestimmte chemische Stoffe gebunden werden. Es existiert sogar eine Chelat-Therapie für Menschen, bei der durch Injektion entsprechender chemischer Agenzien das Uran in einer frühen Phase nach der Aussetzung gebunden wird. Über diese Behandlung einer inneren Verseuchung durch verschiedene Radioisotope habe ich einen langen Artikel geschrieben. Es ist möglich, Uran aus den Böden aufzunehmen, indem man bindende Agenzien einsetzt, und damit vielleicht auch den Ausstoss in die Biosphäre zu reduzieren. Aber Sie erwähnten am Anfang, dass die Regierungen kein Interesse daran haben, die Stellen bekanntzugeben, an denen die Waffen zum Einsatz kamen. Wir brauchen keine Regierung, die uns irgend etwas bekanntgibt. Wir haben wissenschaftliche Neugierde und Methodik zur Verfügung. Von daher kann uns die Zusammenarbeit oder Nicht-Zusammenarbeit irgendeiner Regierung auf dieser Welt völlig egal sein. Wir sind nur der Menschlichkeit und dem menschlichen Leben verpflichtet, sonst nichts. Ich denke, die Vereinigten Staaten sollten eigentlich voll und ganz an meiner Seite stehen und mich unterstützen um der stolzen Prinzipien von Demokratie, Redefreiheit und allem, was dem Wohl der Menschheit dient, willen. Indem ich den Standpunkt vertrete, dass wir keine Politiker brauchen, die uns helfen, unterstütze ich im Grunde genommen die Ansichten eines grossen Landes wie die Vereinigten Staaten von Amerika, denn wir sind alle daran interessiert, die Lebensumstände der Menschen auf unserem kleinen Planeten Erde zu verbessern. Ich weiss, dass Sie mit einigen Untersuchungen zur Urankontamination bei Golf-Kriegsveteranen begonnen haben, und ich glaube, dass Doug Rokke Ihnen wohl geholfen hat, einige Proben von Veteranen zu Ihren Untersuchungseinrichtungen zu bringen, als Sie an der Verwaltungsbehörde für Veteranen gearbeitet haben. Ich habe es sehr bedauert, als ich erfuhr, dass jemand mit höherem Dienstrang diese Proben zerstören oder wegwerfen liess. Was für eine Tragödie für diese Veteranen, keine Informationen über ihren eigenen Gesundheitszustand erhalten zu können. Wir haben bereits erwähnt, dass Sie Urinproben nehmen. Uns wurde kürzlich von der US-Regierung mitgeteilt, dass Veteranen getestet werden. Aber wenn ich richtig verstanden habe, will man dazu keine Urinproben nehmen. Können Sie uns etwas über die Praxis der US-amerikanischen Tests berichten und sagen, was wirklich getan werden müsste? Das Testverfahren der Vereinigten Staaten grenzte ans Abscheuliche. Wie Sie vorhin erwähnten, habe ich als erster bei amerikanischen Golf-Kriegsveteranen Urankontaminationen festgestellt. Ich war Chef der nuklearmedizinischen Abteilung des Veteranenkrankenhauses in Wilmington, Delaware, als ich im August 1991 einen Anruf von der Ventnor-Klinik in New Jer- Dossier Uranwaffen 79 Zeit-Fragen 2006 sey erhielt. Deren Ärzte wollten meine Ansicht zu Veteranen, die sehr krank aus dem Persischen Golf zurückgekehrt waren, wissen. Sie konnten keine Ursachen für deren vielfältige unspezifische Symptome finden. Da sie schon von meiner früheren Arbeit gehört hatten, nahmen sie zu mir Kontakt auf. Gerne bot ich diesen Veteranen meine Klinik an, denn ich war ja von der US-Regierung angestellt, um US-Veteranen zu helfen. Die 27 Patienten wurden also in meine Klinik überwiesen. Auf Grund der Informationen von Dr. Doug Rokke, der als Gesundheitsphysiker in einem Messteam in Saudi-Arabien, in Kuwait und im Südirak die Bestrahlung bestimmt hatte, setzte ich die Symptomatik sofort mit den Dosimeter-Daten von Doug Rokke in Verbindung und erstellte die vorläufige Diagnose einer inneren Kontamination mit Uranisotopen. Als ich diese provisorische Diagnose erstellt hatte, erhielt ich zahlreiche Anrufe von verschiedenen Ebenen der US Regierung, in denen ich ersucht wurde, meine Arbeit einzustellen. Einige Anrufe kamen aus dem Büro des Gesundheitsministers, einige aus den höheren Ebenen des Departementes für Veteranenangelegenheiten (Veterans Administration VA), einige sogar von Kollegen aus dem Verteidigungsministerium, die früher mit mir in Kursen die medizinischen Effekte von Atomwaffen gelehrt hatten. Sie wissen ja, dass ich einen Rang in der Armee der Vereinigten Staaten habe, ich habe 17 Jahre in der Armee verbracht, ja ich habe den Rang eines Obersts. Ich war viele Jahre im aktiven Dienst. Dann wurde ich der Reserve überstellt. Ich bin auch selber ein GolfKriegsveteran, denn während des Golf-Krieges war ich als Kommandant der medizinischen Abteilung der 531. Armee, einem Teil des 92. Feldlazaretts in Baltimore, eingesetzt. Ich war zu dieser Zeit also ein ranghoher Offizier der Armee der Vereinigten Staaten, war Veteran und war der Kopf einer nuklearmedizinischen Klinik in einem Krankenhaus der Bundesregierung und empfand es als meine heilige Pflicht, diesen unglücklichen Soldaten die besten Fachkenntnisse zu bieten. Sie kamen in meine Klinik. Ich habe sie untersucht und fand einige von ihnen sehr krank. Einige von ihnen unterzogen sich wiederholt Nierenoperationen. Zwei von ihnen starben einige Jahre nach der DU-Exposition an Lungenkrebs. Ich nahm Urinproben und schickte sie an das radiochemische Labor der Armee in Aberdeen, Maryland. Die Proben kamen dort nie an, obwohl ich sie per Einschreiben verschickt hatte. Ungefähr einen Monat später, nachdem ich von den Veteranen mehrfach gefragt worden war, was mit ihren Proben geschehen sei und welche Resultate sich ergeben hätten, nahm ich mit Aberdeen Kontakt auf. Sie erklärten mir, sie hätten meine Proben niemals erhalten. Ich begann eine Untersuchung zum mysteriösen Verschwinden meiner Proben. Ich fühlte mich beinahe wie in einem Kriminalroman von Agatha Christie, als ich versuchte herauszufinden, was mit den Proben geschehen war. Schliesslich wurden sie entdeckt, aber mit der Erklärung, dass alle Proben analysiert und negativ wären. Ich sagte: «Na schön, negativ oder positiv, es ist immer noch wissenschaftliches Informationsmaterial Ich würde gerne die Resultate sehen.» «Die Resultate gingen verloren. Wahrscheinlich wurden sie irgendwo falsch abgelegt.» «Also gut, dann starten Sie eine Untersuchung, um herauszufinden, was mit ihnen geschehen ist.» Dann kam eine andere Theorie, laut der ich die Proben persönlich nach Aberdeen gebracht und sie auf dem Weg verloren hätte. Es gab etwa sieben bis acht verschiedene Theorien, was mit den Proben geschehen wäre. Keine einzige war irgendwie glaubhaft, denn die Proben waren schlichtweg auf mysteriöse Weise verschwunden. Und ich hatte sie persönlich im VA-Krankenhaus in Wilmington abgenommen. Zu der Zeit führten wir auch eine Uranregistratur im VA-Veteranen-Krankenhaus, die, kurz nachdem ich die Untersuchung darüber begonnen hatte, was mit den Proben geschehen war, wieder geschlossen wurde. Der Direktor des Krankenhauses und der Personalleiter rieten mir, mit dieser unsinnigen Arbeit aufzuhören. Sie bedachten meine Arbeit sogar mit unanständigen Ausdrücken, die ich in einem öffentlichen Forum nicht wiederholen kann. Dossier Uranwaffen 80 Zeit-Fragen 2006 Sie benutzten Gossensprache, wenn es um den Wert meiner Arbeit in der Uranforschung ging. Jedenfalls war ich durch den Personalleiter gewarnt, dass mein Name auf der schwarzen Liste des Krankenhausdirektors stünde und ich als einer der ersten entlassen würde. Ich habe keine Zeugen für ihre Stellungnahme, sie wurde im Krankenhausflur abgegeben. Und tatsächlich wurde ich 1997 getreu dieser Voraussage unter dem Vorwand des Personalabbaus entlassen. Jedenfalls war ich der einzige Spezialist für Nuklearmedizin im Staat Delaware, der in einer Einrichtung der öffentlichen Hand arbeitete, und wenn es um Personalabbau gegangen wäre, warum besetzten sie dann meinen Arbeitsplatz einen Monat später wieder als Vollzeitstelle mit einem anderen Arzt? Wir sprechen also von einer offensichtlichen Hexenjagd, die durch meine Arbeit ausgelöst wurde, die ich in Pflichterfüllung gegenüber der Regierung der Vereinigten Staaten tat. In dieser Zeit schrieb ich einen Brief an Präsident Clinton, um seine Aufmerksamkeit auf diese Verschwörung gegen die Veteranen der Vereinigten Staaten zu lenken, denn – so schrieb ich in meinem Brief – mysteriös verschwindende Proben, Vergeltungsmassnahmen gegen mich, die Blockierung meines Computerzugangs, physische Übergriffe und Beschimpfungen, denen ich durch die Krankenhausverwaltung und die Personalleitung ausgesetzt war, sind regelrechte Taktiken der Nazi-Deutschen und stimmen nicht mit dem überein, was wir in einer freien Gesellschaft wie den Vereinigten Staaten von Amerika gewohnt sind. Ich mag die Vereinigten Staaten, es ist immer noch das beste Land der Welt. Aber unglücklicherweise gilt dies nicht für alle Politiker, die Wissenschaftern vorschreiben, wie diese ihre ethischen Grundsätze im Leben und in wissenschaftlichen Untersuchungen umsetzen sollen. Könnten wir uns ein wenig den britischen Soldaten zuwenden? Haben Sie auch Proben von ihnen untersucht? Erfüllt deren Regierung ihre Aufgaben besser? Die britischen Soldaten waren ein Teil meiner Patientenschaft … [Unterbruch und kurzes Gespräch im Hintergrund, dann kommt die Interviewerin auf die vorher aufgeworfene Frage nach dem Testen der US-Veteranen zurück.] Unsere Regierung sagt, dass sie die Veteranen des neuen Golf-Krieges auf Urankontamination hin testen wird. Werden sie Urinproben nehmen, die in einem Zeitraum von 24 Stunden entnommen werden, oder werden sie ein anderes Verfahren anwenden? Bevor ich Ihre Frage beantworte, möchte ich fragen, wer in den Vereinigten Staaten diese Proben analysieren wird und welche Institution sie untersuchen wird. Um ein reines Gewissen zu haben, möchte ich vorausschicken, dass angesichts der Tatsache, dass die Verwaltungsbehörde für Veteranenangelegenheiten in der Vergangenheit versucht hat, die Wahrheit über die Kontamination von Veteranen zu vertuschen, kein Veteran ihr auch nur ein einziges Wort glauben wird. Es gab mehrere Teams der Veteranenbehörde, die an der Gruppe der Golf-Kriegsveteranen Untersuchungen durchführten; es waren unzureichende Untersuchungen, die die grundlegenden Bedingungen einer wissenschaftlichen Untersuchung nicht wirklich erfüllten. Ich will meine Bemerkung rechtfertigen, ohne die Namen irgendeiner der Institutionen zu erwähnen, die diese Untersuchungen durchgeführt haben und die von der Regierung der Vereinigten Staaten grosszügig unterstützt wurden. Sie waren wissenschaftlich unzureichend, mit Resultaten, die man einem anständigen wissenschaftlichen Forum wirklich nicht präsentieren kann. Wie komme ich also zu der Aussage? Ganz einfach auf Grund der Tatsache, dass sie sich bei der Analyse des Urans im Urin von Veteranen aus dem Persischen Golf nicht damit beschäftigten oder nicht fähig waren, das Verhältnis der Uranisotope zu analysieren. Aber der einzige Faktor, der entscheidet, welche Art von Uran verwendet wurde, ist das Verhältnis zwischen Uran 235 und Uran 238. Warum wandten das Verteidigungsministerium und das Ministerium für Veteranenangelegenheiten eine minderwertige Methodik an? Offensichtlich weil jemand kein Interesse daran hatte, die Wahrheit zu erkennen. Denn meine Institution, die in erster Linie aus Freiwilligen zusammengesetzt ist, war in der Lage, ins Land zu gelangen, Proben von kranken Veteranen und kranken Zivilisten zu erhalten und in der ganzen Welt Labors anzuwerben, Dossier Uranwaffen 81 Zeit-Fragen 2006 um dies für uns zu tun. Die Vereinigten Staaten haben so viele Einrichtungen zur Verfügung, die jedem anderen Land der Welt überlegen sind; aber es wurde nicht eine einzige Studie durchgeführt, die die Verschwendung von Steuergeldern gerechtfertigt hätte, Steuergelder, die für die Arbeitskosten und Ausgaben von Teams mit vielen Mitarbeitern verbraucht wurden, Teams, die unbrauchbare Studien durchführten, welche dann an Konferenzen im ganzen Land präsentiert wurden, die aber die Probleme der US-Veteranen wirklich nicht erhellen. Wenn wir schon auf diesem Gebiet sind, muss ich auch etwas zu den kanadischen Studien sagen. Das kanadische Verteidigungsministerium, das eng mit dem Aussenministerium der Vereinigten Staaten zusammenarbeitet, produzierte die gleiche Karikatur wissenschaftlicher Wahrheit. Das kanadische Aussenministerium rekrutierte Leute, stellte sie an oder liess sie für sich arbeiten und gab rund eine halbe Million Dollar für eine Studie an 200 kanadischen Veteranen aus; diese Studie war wertlos. Sie analysierten Uran in Menschenhaaren. Ich stelle denen die Frage, ob sie Uran mit Arsen verwechselt haben, denn Arsen hinterlässt vielleicht Spuren in Menschenhaaren, aber nicht Uran. Sie verwandten also Menschenhaare. Warum benutzen sie nicht, was weiss ich, Hemden von Menschen. Die würden auf Grund der Schweissabsonderung wahrscheinlich sogar mehr Uran enthalten als Menschenhaare. So sprechen wir also über eine weitere Travestie in Kanada, da auch von Wissenschaftern, die mit dem kanadischen Aussenministerium verbundenen waren, minderwertige Studien kamen. Nun, Sie haben mich auch zu den britischen Veteranen befragt. Entgegen unserem anfänglichen Eindruck änderte Grossbritannien seine Ansicht über Uran und führte eine anständige und ehrliche Neubewertung seiner anfänglichen Herangehensweise an das Uranproblem seiner Veteranen durch. Die Royal Society räumt inzwischen ein, dass Uran ein Problem ist, das nicht vernachlässigt werden darf. Einige wichtige britische Wissenschafter, die wirklich sehr anerkannt sind und nach ethischen Grundsätzen arbeiten, äussern in der wissenschaftlichen Literatur, dass Uran, selbst wenn es im Urin nicht nachweisbar ist, eine beträchtliche Gefährdung im Inneren des menschlichen Körpers darstellen kann. Würden wir also die Vereinigten Staaten, Kanada und Grossbritannien auf einer Glaubwürdigkeitsskala bezüglich abgereichertem Uran und Urankontamination vergleichen, wären, meine ich, die britischen Kreise von allen drei Ländern, die ich erwähnte, der Wahrheit am nahsten. Noch eine technische Frage zu den Tests. Kann man eine Blutprobe zum Testen einer Urankontamination verwenden, oder muss eine 24-Stunden-Urin-Probe möglichst rasch nach der Bestrahlung genommen werden? Jede Substanz aus dem Körperinneren kann hinsichtlich der Auswirkung einer inneren Kontamination mit Radionukleiden analysiert werden. Ich kann aber nicht ergründen, warum man Blut als Methode der Wahl für die Untersuchung einer Urankontamination wählen sollte. Ich bin Experte für den Bereich innerer Kontamination nicht nur durch Uran, sondern durch alle 440 Isotope, die bei einer Atomexplosion freigesetzt werden. Ich begann meine Laufbahn mit radioaktivem Strontium, im Zusammenhang mit Atomwaffenversuchen und der Bombardierung japanischer Städte. Und ich setzte meine Arbeit mit vielen verschiedenen Radioisotopen fort. Meine ersten Arbeiten zu Uran, Plutonium und Transuranelementen wurden 1972 und 1973 veröffentlicht. Wir sprechen also von einer langen Laufbahn im Bereich von Klinik und Forschung auf diesem Gebiet. Auf Grund meiner experimentellen und klinischen Beschäftigung mit Urankontaminationen kann ich mit Sicherheit sagen, dass Blut nicht das optimale Medium ist, um die Auswirkungen von Uran zu analysieren. Kann Blut verwendet werden? Natürlich kann es zur Analyse von Uranteilchen in den Makrophagen verwendet werden, zur Analyse genetischer Veränderungen in den Zellkernen und im Zytoplasma, aber das sind alles indirekte Methoden. Der offensichtlich direkteste Zugang geht über die Stoffwechselbahnen der Uranisotope: Inhalation, Dossier Uranwaffen 82 Zeit-Fragen 2006 Nahrungsaufnahme, Ausscheidung. Die Ausscheidung geschieht offensichtlich hauptsächlich durch die Nieren, die Einlagerung erfolgt hauptsächlich in den Lymphknoten, im Bronchialbaum und den Knochen. Wenn jemand die Verwendung von Blut als wissenschaftliche Methodik rechtfertigen will, würde ich sagen, er ist auf der falschen Spur. Ich bin nicht überzeugt, dass das unser Unwissen über Uran sehr erhellen wird. Ich würde einfach mit der Methodik fortfahren, die ich im Uranium Medical Research Center verwende, indem ich den Urin analysiere, denn dieser ist der wichtigste Indikator für das Ausmass einer Urankontamination. Und wenn wir die Möglichkeit haben, die Proben eines unglücklichen Opfers des Urans oder einer anderen damit verbundenen Krankheit zu analysieren, würden wir die inneren Organe analysieren, einschliesslich der Lunge, den Aortenlymphknoten, einschliesslich der Nieren, der Knochen, der Leber und der Organe, durch die Urin zirkuliert. Danke sehr. Könnten wir jetzt noch auf die irakischen Zivilisten zu sprechen kommen? Soweit ich weiss, haben Sie ein Programm, das im Juni 2003 beginnen wird; ich hoffe, die Menschen werden Ihre Untersuchungen verfolgen, von denen Sie auf Ihrer Webseite www.umrc.net, was für Uranium Medical Research Center steht, berichten und über die natürlich auch andere Artikel zu diesem Thema bei www.traprockpeace.org. gelesen werden können. Ich würde gerne wissen, was für Erwartungen Sie an diese Arbeit haben, mit welcher Art der Finanzierung Sie rechnen können und welche Hindernisse Sie zu überwinden haben werden, um die Kontamination irakischer Zivilisten festzustellen? Tatsächlich planen wir, unser Team im Laufe der nächsten zwei Wochen in den Irak zu schicken. Und wir würden gerne Proben in der Umgebung von Bagdad sammeln, wo die meisten schweren Bombardements stattgefunden haben, in Umm Qasr und in Basra. Hauptsächlich an diesen Orten kamen Waffen zum Einsatz, von denen wir glauben, dass es sich um Uranwaffen handelt, ähnlich denjenigen, die in Afghanistan eingesetzt wurden. Wir finanzieren unsere Arbeit zum grössten Teil durch unsere persönlichen Mittel. Mit Ausnahme einer japanischen Spende in den letzten 8 bis 10 Monaten, erhalten wir keine Zuschüsse, denn niemand zeigt irgendein Bedürfnis, uns zu fördern. Wir haben in Japan nie irgend jemanden gebeten, uns bei der Finanzierung unseres Projektes zu helfen. Sie haben das von sich aus getan. Ich verstehe bis heute nicht, wie sie mit unserer Webseite in Verbindung kamen und warum sie so erpicht waren, uns zu helfen. Wir haben nie wirklich eine grosse Geldbeschaffungskampagne gestartet, denn ich als Institutsdirektor habe absolut kein Talent im Geldbeschaffen. Ich bin die schlimmste Person in den finanziellen Bereichen des menschlichen Lebens. Ich bin ein guter Wissenschafter, ich bin ein guter Mediziner, aber sehr schlecht in Öffentlichkeitsarbeit und Geldbeschaffung. Wir hoffen, dass sich das ändert, da wir für unsere anstehende Arbeit im Irak gerne einige Spenden erhalten würden, da wir sonst nicht in der Lage sind, unsere Arbeit fortzusetzen. Unsere afghanischen Proben haben 90% unserer Finanzmittel in Anspruch genommen, denn die Untersuchungen sind sehr teuer. Ich weiss, dass die Kosten für solche Untersuchungen bei 1000 bis 1500 Dollar für den ganzen Arbeitsvorgang liegen. Die Menschen sollten ihre Urinproben so unmittelbar wie möglich erfassen. Soweit ich weiss, sind Uranoxide nicht wasserlöslich, so dass der wasserlösliche Anteil bald ausgeschieden wird und der nicht wasserlösliche Anteil sich, wie Sie bereits erwähnt haben, in den Knochen und in den Nieren ablagert. Ich hoffe, dass weitere und bessere Reporter davon hören werden, und wir fragen uns jetzt, ob diese auch ausgesetzt waren. Wie kann man eine Probe lagern, bis man sie zu Ihrem Labor schicken kann, um sie untersuchen zu lassen? Urinproben werden in Plastikbehältern aufgenommen, die man in der Regel von den Institutionen erhält, die diese Proben analysieren. Ist kein Zugang zu einem Analyseinstitut möglich, erfüllt jeder Urinbehälter, der mehrfach mit besonders sauberem destilliertem Wasser ausgespült und ordentlich versiegelt wurde, diesen Zweck. Wir bevorzugen die Verwendung einer 24-Stunden-Urin-Probe, und in unserer weiteren Arbeit werden wir die Dossier Uranwaffen 83 Zeit-Fragen 2006 Nierenfunktion mit der benutzten Urinprobe in Beziehung setzen. Wie lange sie gelagert werden kann? Das ist leicht zu beantworten. Für immer, denn die Halbwertzeit von Uran 238 liegt bei 4,5 Milliarden Jahren, und die Sonne wird wahrscheinlich in einigen Milliarden Jahren nicht mehr an ihrem Platz sein, die Erde wird lange vor diesem Zeitpunkt untergegangen sein. Was immer geschieht – Uran wird als kosmischer Staub im Universum verteilt sein und wird noch lange nach uns existieren. Vom Standpunkt der menschlichen Vergänglichkeit gibt es also keine zeitliche Begrenzung für die Lagerung von Behältern mit uranhaltigem Urin. Vielleicht könnten wir noch einmal kurz zusammenfassen. Ich möchte gerne noch wissen, ob Sie irgendeinen Ihrer Kollegen erwähnen können, dessen Arbeit Sie sehr schätzen. Ich weiss, dass nur wenige diese wichtige Forschungsarbeit leisten. An welchen anderen Wissenschafter oder an welche Organisationen können wir uns wenden, um nach Ihrer Aussage eine Zusammenarbeit und Mitwirkung zu verlassen? Gibt es da welche? Es gibt eine stille wissenschaftliche Gemeinschaft, die meine Arbeit mit Eifer und Interesse beobachtet. Von Zeit zu Zeit bieten sie ihre wohlwollenden Ansichten an. Aber viele dieser Leute, die eine Vollzeitstelle, normalerweise bei der Regierung, innehaben, würden uns aus Angst, ihre Arbeit zu verlieren, nicht offenkundig zu Hilfe kommen. Denn die meisten Leute, die in der Vergangenheit mit uns zusammengearbeitet haben, haben ihre Arbeit verloren oder wurden schikaniert. Unsere Untersuchungen an britischen, kanadischen und amerikanischen Veteranen wurde von der Memorial University of New Fundland in St. Johns begleitet. Eine Wissenschafterin, die unsere Studien analysierte, eine hervorragende Dame, Pat Horan, wurde von der Memorial Universität von Neufundland entlassen. Die Theorie der Universität war, sie habe gekündigt. Aber ihre Kündigung war wirklich nichts anderes als eine Entlassung, denn sie wurde auf eine ähnliche Weise wie ich und andere Leute, die in die Uranuntersuchungen eingebunden waren, schikaniert. Nachdem sie also nach 18 Jahren brillanter Karriere ihre Arbeit verloren hatte, wandten wir uns an einige britische Wissenschafter, die gegenwärtig unsere Untersuchungen durchführen. Sollten sie Pech haben und entlassen werden oder die Zusammenarbeit mit uns beenden, haben wir noch andere Karten auf der Hinterhand. Wir haben einige Labors in Europa und im Fernen Osten, die in der Lage wären, mit uns zusammenzuarbeiten. Selbst wenn also jeder entlassen würde, der aus einem der Länder stammt, die zur [Besetzungs-]Koalition im Irak und in Afghanistan gehören, hätten wir immer noch einige Quellen, die nicht versiegen würden. Sie haben die Regierungspolitik, die persönlichen Schikanen, den Ärger, der Ihnen bereitet wurde, die grossen Enttäuschungen reflektiert; wenn Sie nun in die Zukunft schauen und sich der schwierigen Aufgabe zuwenden, die Sie sich vorgenommen haben – gab es auch Begebenheiten, in denen Sie menschlich schöne Seiten erlebt haben? Zu viele, um sie alle zu erwähnen. Es war nie meine Absicht, die Regierung für einen geplanten Angriff auf meine Arbeit zu brandmarken, denn ich hatte gute Treffen mit meinen Kollegen aus dem Verteidigungsministerium, heimliche Telefonate aus der Veteranenbehörde, aufmunternde Anrufe aus verschiedenen Teilen des Landes, denn die Amerikaner sind im Grunde anständige Menschen, und sie können nicht allzu lange zum Narren gehalten werden. Was auch immer die politischen Ziele welcher Regierung auch immer sein mögen – die amerikanischen Bürger und die amerikanische Bevölkerung werden viele Regierungswechsel überleben, und meiner Meinung nach ist es wie im OK Choral. Es ist, als stünde man auf einer einsamen Strasse und tauscht die Meinungen mit der anderen Seite aus. Und dieser OK Choral ist die westliche Ehrlichkeit in den Vereinigten Staaten, die sich bis auf den heutigen Tag durchgesetzt hat. Ich habe absolutes Vertrauen in die Güte der Amerikaner in allen gesellschaftlichen Ebenen, dass sie schliesslich erkennen werden, dass es im eigenen Interesse des amerikanischen Volkes liegt, die Interessen seiner Veteranen zu schützen. Und von dort aus können wir das ausweiten auf alle unglücklichen Menschen auf dieser Welt, die zwar keine amerikanischen Veteranen sind, aber Men- Dossier Uranwaffen 84 Zeit-Fragen 2006 schen wie wir alle. Noch eine letzte Frage: Ich würde gerne wissen, ob Sie Proben von amerikanischen Zivilisten untersucht haben. Sie haben alle gesellschaftlichen Schichten erwähnt. In der Nachbarschaft der Versuchsgebiete in Aberdeen oder in Vieques (Puerto Rico) oder in Indiana leben viele Menschen. Haben Sie jemals amerikanische Zivilisten untersucht? Wir sind von einigen amerikanischen Zivilisten angesprochen worden, die in unserem Programm untersucht werden wollten, und wir würden diese Untersuchungen auch sehr gerne machen. Bis jetzt haben wir noch nicht viele durchgeführt, hauptsächlich auf Grund der Tatsache, dass ein Test so teuer ist. Abgesehen davon, dass das UMRC keinen finanziellen Vorteil aus der Durchführung solcher Tests zieht, gehen alle Spenden in die Analysen durch die Labors. Die meisten Leute, die sich wegen einer Kontamination Sorgen machen, sind Leute, die mit einem knappen Budget leben. Manchmal können sie es sich nicht leisten, die Untersuchung zu bezahlen, und obwohl wir gerne jedem helfen würden, kann es sich das UMCR auch nicht leisten, weil wir keine Spenden haben. Ganz herzlichen Dank. Sie haben uns mit Ihrem tiefen Verständnis dieses Problems einen ausserordentlichen Einblick ermöglicht, und wir danken Ihnen für Ihre Hoffnung hinsichtlich unserer Zukunft.• Quelle: Traprock Peace Center, Interview vom 19.5.2003, traprockpeace.org/durakovic19may03.mp3 (Übersetzung Zeit-Fragen) 1 Das Uranium Medical Research Centre UMRC (Medizinisches Forschungszentrum zu Uran) ist eine unabhängige gemeinnützige Organisation, die 1997 mit dem Ziel gegründet wurde, wissenschaftliche und speziell medizinische Forschungen über die Wirkungen von Uran, transuranen Elementen und Radionukliden durch Uranzerfall und Kernspaltung zu betreiben. Die Organisation finanziert sich durch Spenden und durch Stiftungen von Hinterbliebenen, deren Angehörige nach Kriegseinsätzen an Strahlenschäden erkrankten und verstarben. www.umrc.net.2 Aktinoide: Gruppenbezeichnung chemischer Elemente des Periodensystems. Alle Aktionoide sind radioaktiv. Professor Asaf Durakovic MD, Ph. D, ist Direktor der medizinischen Forschung am Uranium Medical Research Center UMRC, Professor für Radiologie und Nuklearmedizin. Er arbeitete in England, Kanada und den USA während über 30 Jahren auf dem Gebiet der Strahlenbiologie und gilt als Experte auf allen Gebieten seines Fachbereiches. Zu seinen Erfahrungen gehören unter anderem Untersuchungen von Kernkraftunfällen in den USA, Kanada, Europa und Asien. Seine Arbeit fand auch die Anerkennung der Defense Nuclear Agency, des Forschungszentrums der US-Armee. Oberst Durakovic wurde seit 1988 vom Pentagon als Experte beigezogen. Unter anderem diente er als Leiter der medizinischen Teams der USA beim amerikanisch-sowjetischen Joint Nuclear Verification Experiment (gemeinsames Atom-Verifizierungsexperiment, Experimente im Zusammenhang mit der Begrenzung von Atomtests) in Zentralasien. Als Chef der Abteilung für Nuklearmedizin, welche das US-Department of Veterans Affairs am Wilmington VetCenter in Wilmington, Delaware, unterhält, wurde er mit der Untersuchung von US-Veteranen beauftragt, die am Golf-Kriegsyndrom litten. Sie waren in Saudi-Arabien stationiert gewesen und hatten mit Panzern zu tun, die durch «friendly fire», das heisst durch Beschuss mit panzerbrechender DU-Munition der eigenen Truppen zerstört worden waren. Als er bei der Hälfte von ihnen DU und bei einigen sogar Plutonium im Körper feststellte, legte man ihm nahe, in andere Richtungen zu forschen. Er liess sich nicht beirren, musste aber feststellen, dass Krankenakten und Labortests verschwanden. 1997 setzte das Pentagon ihn ab. Gemeinsam mit Gleichgesinnten setzte er die Untersuchungen auf eigene Kosten fort und gründete das Uranium Medical Research Center UMRC. Trotz Schikanen und Drohungen setzt er sich konsequent gegen die Vertuschung der verheerenden Auswirkungen von DU-Waffen ein. Dossier Uranwaffen 85 Zeit-Fragen 2006 Medizinische Symptome durch abgereichertes Uran (DU) «Bestätigte Gesundheitsschäden durch persönliche Erfahrung, durch Ärzte, durch persönliche Berichte von Menschen mit bekannter DU-Exposition: • Atemwegserkrankungen • Neurologische Abnormalitäten • Nierensteine, chronische Nierenschmerzen • Hautausschläge • Verminderung der Sehschärfe, Nachtblindheit • Schleimhautprobleme im Mund • Lymphome (Lymphknotenkrebs) • Verschiedenste Formen von Haut- und Organkrebs • Neuro-psychologische Erkrankungen Uran im Spermium • Sexuelle Störungen • Neugeborenenmissbildungen» Quelle: Doug Rokke Ph.D, «Immediate action required on depleted uranium» 16.6.2005 «Jede nachfolgende Generation ist in Gefahr» Im Mai 2003 berichtete die BBC: «Eine kleine Stichprobe von afghanischen Zivilisten zeigt ‹erstaunlich› hohe Uranwerte in ihrem Urin, sagt ein unabhängiger Wissenschafter. […] Der Wissenschafter ist Asaf Durakovic vom Uranium Medical Research Center (UMRC) mit Sitz in Kanada. Dr. Durakovic, ein ehemaliger Berater der US-Armee, der nun Professor für Medizin ist, sagte im Jahr 2000, dass er ‹signifikante› DU-Werte bei zwei Dritteln von 17 Golf-Kriegsveteranen fand, die er getestet hatte. Im Mai 2002 sandte er ein Team nach Afghanistan, um dort Zivilisten zu befragen und zu untersuchen. Das UMRC sagt: ‹Eine unabhängige Kontrolle der Waffentypen und der Abschusssysteme zeigt, dass radioaktive, toxische Uranlegierungen und urangehärtete Sprengköpfe von den Koalitionstruppen verwendet wurden. […] Ohne eine Ausnahme wurde jede Person, die eine Urinprobe abgab, positiv auf körperinnere Urankontamination getestet. Die Resultate waren schockierend: Die Spender wiesen Konzentrationen von toxischen und radioaktiven Uranisotopen auf, die zwischen 100 und 400mal höher waren als bei den Golf-Kriegsveteranen, die 1999 getestet worden waren. Falls die Entdeckungen des UMRC in Nangarhar in anderen Gemeinden quer durch Afghanistan bestätigt werden, steht das Land vor einer schlimmen Katastrophe der Volksgesundheit […]. Jede nachfolgende Generation ist in Gefahr.›» Der BBC-Bericht fährt fort: «Ein zweiter UMRC-Besuch in Afghanistan im September 2002 fand ‹ein potentiell viel grösseres Gebiet und eine breitere Bevölkerung, die kontaminiert sind›. Es wurden 25 weitere Urinproben gesammelt, die ähnliche Ergebnisse zeigten wie jene der früheren Gruppe. Dr. Durakovic sagte, dass er von den Resultaten, die er gefunden hat, ‹geschockt› war. Diese sollten bald in verschiedenen wissenschaftlichen Journalen veröffentlicht werden. Er sagte BBC News Online: ‹In Afghanistan gab es keine brennenden Ölfelder, keine Pestizide, niemand war geimpft worden – alles Erklärungen, die zum Zustand der Golf-Kriegsveteranen vorgetragen wurden. Aber die Menschen hatten exakt dieselben Symptome. Ich sage bestimmt nicht, dass Afghanistan ein riesiges Experiment mit neuen Uranwaffen war. Aber benutzen Sie Ihren Verstand.›» Quelle: Gabriele Zamparini, «September 11, Afghanistan and ‹the survival of civilization›», www.globalresearch.ca, 8.9.2006 Dossier Uranwaffen 86 Zeit-Fragen 2006 Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra Der Filmemacher Frieder Wagner hat 2004 zusammen mit Valentin Thurn einen Dokumentarfilm über die betroffenen Menschen im Irak, in Afghanistan und auf dem Balkan gedreht, der uns sehr informativ und gefühlvoll an die Problematik der Uranwaffen heranführt. Wir begegnen den Müttern und ihren leukämiekranken Kindern auf den Kinderstationen in Bagdad, Basra und auf dem Balkan. Sein Film «Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra» dokumentiert eine Reise des deutschen Arztes und Epidemiologen Prof. Dr. Siegwart-Horst Günther mit Forschern des von Prof. Durakovic geleiteten Uranium Medical Research Centre in den Irak und auf den Balkan. Die DVD kann bezogen werden bei:ochowa-film(at)t-online.de Nr. 37, 11. November 2006, Seite 7 Abgereichertes Uran ist eine Massenvernichtungswaffe von Leuren Moret, USA* Mein Grossvater, US Army Col. Edwin Joseph McAllister, wurde 1895 in Battle Creek geboren. Er weiss nicht, dass sein erstes Enkelkind eine internationale Expertin für abgereichertes Uran ist. Ich habe in zwei amerikanischen Laboratorien für Nuklearwaffen gearbeitet und wurde 1991 im Livermore Laboratorium zum Whistleblower [Hinweisgeber aus Gewissensgründen – jemand, der in einem Akt der Zivilcourage unlautere Machenschaften von Regierungen, Verwaltungen oder Unternehmen an die Öffentlichkeit bringt, um diese Missstände zu unterbinden. Anm. der Red.]. Abgereichertes Uran ist ein sehr, sehr, sehr schreckliches Zeug: Waffen mit abgereichertem Uran erfüllen die Definition von Massenvernichtungswaffen in zwei von drei Kategorien nach dem amerikanischen Bundesgesetzbuch, Titel 50, Kapitel 40, Absatz 2302. DU-Waffen (Waffen mit abgereichertem Uran) verletzen alle internationalen Verträge und Übereinkommen, die Haager und Genfer Kriegskonventionen, das Genfer Protokoll von 1925 über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege, amerikanische Gesetze und amerikanisches Militärrecht. Seit 1991 haben die USA radioaktive Atome in die globale Atmosphäre freigesetzt, die mindestens 400’000 Bomben von Nagasaki entsprechen. Das ist das Zehnfache der Menge, die während atomarer Tests, die 40’000 Bomben von Hiroshima entsprachen, freigesetzt wurde. Die USA haben die globale Atmosphäre für immer mit radioaktiver Verschmutzung, die eine Halbwertzeit von 2,5 Milliarden Jahren hat, kontaminiert. In Jugoslawien, Afghanistan und zweimal im Irak haben die USA seit 1991 illegal vier Atomkriege geführt – sie bezeichneten nämlich DU-Waffen als «konventionelle» Waffen, obwohl diese in Wirklichkeit Nuklearwaffen sind. DU-Waffen auf dem Schlachtfeld haben auf lebende Systeme dreierlei Auswirkungen, denn sie enthalten schwermetallisches «chemisches» Gift, «radioaktives» Gift und wirken als «Feinstaub» auf Grund des äusserst winzigen Ausmasses der Partikel, die 0,1 Mikrometer und kleiner sind. Der Plan zur Entwicklung der DU-Waffen geht zurück auf ein Memo von 1943 aus dem Manhattan Project an General L. Groves, das die Entwicklung radioaktiver Materialien als Dossier Uranwaffen 87 Zeit-Fragen 2006 Giftgaswaffen empfiehlt – schmutzige Bomben, schmutzige Raketen und schmutzige Geschosse. DU-Waffen sind durch ihre kinetische Energie sehr wirkungsvolle Durchstosskörper, aber noch mehr sind sie wirksame Biowaffen, weil Uran eine starke chemische Affinität zu Phosphatstrukturen hat, wie sie in der DNA konzentriert sind. Abgereichertes Uran ist das Trojanische Pferd des Nuklearkrieges – es strahlt immer weiter, und es tötet immer weiter. Es gibt keine Möglichkeit, es zu entsorgen, und keine Möglichkeit, die Strahlung zu stoppen, denn es fährt damit fort, in über zwanzig Schritten in andere radioaktive Isotope zu zerfallen. Terry Jemison vom amerikanischen Ministerium für Veteranen stellte im August 2004 fest, dass zum damaligen Zeitpunkt über 518’000 Golfkriegsveteranen (über einen Beobachtungszeitraum von 14 Jahren) Invalide waren und dass im selben Zeitraum 7039 auf dem Schlachtfeld verwundet wurden. Über 500’000 amerikanische Veteranen sind obdachlos. Gemäss einigen Untersuchungen über Soldaten, die vor dem Krieg normale Babys hatten, kamen 67% der Babys, die nach dem Kriegseinsatz geboren wurden, mit schweren Geburtsfehlern – wie fehlenden Gehirnen, Augen, Organen, Beinen und Armen oder Blutkrankheiten – auf die Welt. Aus dem Südirak berichten Wissenschafter von einer fünffach erhöhten Gammastrahlung in der Luft, was die körperliche Belastung der Bewohner durch radioaktive Strahlung täglich erhöht. In Tat und Wahrheit sind der Irak, Jugoslawien und Afghanistan unbewohnbar. Krebs beginnt mit einem Alphateilchen unter den entsprechenden Bedingungen. Ein Gramm abgereichertes Uran hat die Grösse eines Punktes in diesem Satz und setzt in der Sekunde 12’000 Alphateilchen frei. Bevor mein Grossvater starb, sagte er mir, dass seine Generation auf diesem Planeten einen schrecklichen Schlamassel angerichtet habe. Ich frage mich, was er nun zu mir sagen würde, wenn ich ihm erklären würde, er solle sich «Beyond Treason» (www.beyondtreason.com) ansehen, eine neue Dokumentation über die Geschichte des Verrats der US-Regierung an unseren eigenen Truppen: Atomveteranen, MK-Ultra (illegales Forschungsprogramm der CIA zur Gehirnkontrolle), Agent Orange und abgereichertes Uran. Nach Vietnam sagte Henry Kissinger: «Soldaten sind nur dumme, stumpfe Tiere, die man als Pfand in der Aussenpolitik benutzen sollte …» (aus Kapitel 5 der «Final Days» von Woodward und Bernstein). • Quelle: Common Dreams vom 23.8.2006 *Leuren Moret ist internationale Spezialistin für Radioaktivität mit einem B.S.-Diplom in Geologie an der Universität Davis in Kalifornien und einem Mastergrad in Nahost-Studien an der BerkeleyUniversität in Kalifornien. Sie machte weiterführende Arbeiten in Geowissenschaften in UC-Davis, und sie ist Umweltbeauftragte der Stadt Berkeley in Kalifornien. Dossier Uranwaffen 88 Zeit-Fragen 2006 Uranwaffen für Israel Britische Medien berichteten, dass US-Transportflugzeuge, die Munition aus abgereichertem Uran geladen hatten, auf dem Prestwick-Flughafen in der Nähe von Glasgow gelandet waren, um nachzutanken, bevor sie die Waffen an die israelischen Streitkräfte auslieferten. Am 21. Juli berichtete Indymedia UK, dass David Silverman am 14. Juli nahe der libanesischen Grenze Fotos gemacht hat, die zeigen, wie israelische Soldaten abgereicherte Uran-Granaten in Panzer versorgten. Das libanesische Umweltministerium teilt diese Besorgnisse. In einem Anfang Juli erschienenen Bericht über die Auswirkungen des Konfliktes auf die Umwelt sagte das Ministerium: «Von verschiedenen Quellen wurde berichtet, dass Israel Geschütze benutzt hat, die abgereichertes Uran enthalten. Die Auswirkungen dieser Waffen, wie dies auch im Irak geschehen ist, sind langfristig und beeinflussen die menschliche Erbsubstanz über Generationen.» Quelle: Environment News Service. www.ensnewswire.com/ens/aug2006/2006-08-22-01.asp Bombenkrater in Südlibanon enthalten unbekanntes radioaktives Material Mohammed Ali Qobeissi, ein Mitglied des Nationalen Rates für wissenschaftliche Forschung (National Council for Scientific Research), sagte am 20. August, dass ein Bombenkrater, durch die Israeli verursacht in Khiam, «eine grosse Menge nicht identifiziertes radioaktives Material enthalte». Qobeissi hat zusammen mit Ibrahim Rashidi von der Wissenschaftlichen Fakultät der Libanesischen Universität den Krater mit einem Geiger-Müller-Zählrohr und einem Suchgerät für radioaktives Material untersucht. Der Krater ist 3 Meter tief und hat einen Durchmesser von 10 Metern; er liegt im Quartier Jlahiyyeh in Khiam. «Ein Team des Rates wird die Proben des Kraters untersuchen, um herauszufinden, welches radioaktive Material sie enthalten», erzählt Qobeissi dem «Daily Star». Er fügte hinzu, dass die israelischen Waffen, die eingesetzt wurden in Khiam und in den Nachbarregionen Südlibanons, «wahrscheinlich eine grosse Menge Uran enthalten». Quelle: www.uruknet.info vom 21.8.2006 Dossier Uranwaffen 89 Zeit-Fragen 2006 Nr. 37, 11. November 2006, Seite 9 – 11 Der Tod, made in Amerika Das ist mit «ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit» gemeint von Mohammed Daud Miraki, MA, MA, PhD, USA* Ich frage mich, ob Ihr Empfinden immer noch betäubt ist. Ich habe die folgende Fotografie während des letzten Tages meiner Reise aufgenommen. Es ist eine von dreien. Die Situation Afghanistan ist zu einer Katastrophe geworden, die mit Worten nicht zu beschreiben ist, so dass ich mich entschlossen habe, diese Katastrophe mit Fotos von missgebildeten Neugeborenen zu illustrieren. Bei vielen Anlässen habe ich darauf hingewiesen, dass wir finanzielle Unterstützung brauchen, um ein Forschungsinstitut zu errichten, das mit Überwachungsstationen vernetzt ist. Leider hat die Mehrheit von Ihnen mein Anliegen einfach vom Tisch gewischt. Ich frage mich, ob diese Fotos Ihre Menschlichkeit, die von Ihrem komfortablen Leben und Ihren materiellen Bedürfnissen verschüttet worden ist, wiedererwecken können. Nochmals, es liegt an Ihnen zu tun, was Sie für menschlich halten – das sollte nicht allzu schwierig sein. Die Unterstützung für ein Forschungsinstitut ist ein sehr kleiner Preis, den Sie zahlen müssen, nachdem all Ihre Steuergelder diese Katastrophe angerichtet haben. Ob Sie es mögen, zugestehen oder zurückweisen, es enthebt Sie nicht Ihrer indirekten Komplizenschaft an diesen Kriegsverbrechen. Wenn jeder, der diese Internet-Seite besucht, das Geld, das er in einem Monat für Cola und dergleichen ausgibt, spendet, sollten wir die finanziellen Mittel zusammenbringen, um eine Forschungseinrichtung aufbauen zu können. Ach, ein paar kleine Details zur Situation in Afghanistan: Uranmunition In der Folge der grossen Menge an Uranmunition, die von den US-Streitkräften bei ihren ersten Bombenangriffen und auch im weiteren Verlauf eingesetzt wurden, treten überall in Afghanistan Missbildungen bei Neugeborenen in grosser Zahl auf. Die Raten verschiedener Krebsarten sind signifikant gestiegen. Leukämie und Speiseröhrenkrebs sind sehr unter Kindern verbreitet. Den Angaben von Ärzten aus den Geburts- und Kinderkliniken in Kabul zufolge ist die Rate der verschiedenen Missbildungen bei Neugeborenen seit der US-Invasion um ein Mehrfaches gestiegen. Das Ausmass des Vorkommens nicht natürlicher Uran-Isotope wurde vom Uranium Medical Research Center (www. umrc.net) belegt, nachdem ihre Forscher Felduntersuchungen in Afghanistan durchgeführt und Urin- und Bodenproben gesammelt hatten. Sie fanden heraus, dass die gefundenen Uranmengen bei Menschen, die in der Nähe von von Bomben getroffenen Gebieten lebten, bis zu 200fach höher waren. Da das in den Waffen benutzte Uran eine Halbwertszeit von 4,5 Milliarden Jahren hat, haben die US-Streitkräfte sichergestellt, dass Generationen von Afghanen an Krebs und Missbildungen leiden werden. Dies ist ganz sicher nicht Entwicklung. Tatsächlich ist es das grösste Verbrechen, das bisher in der Geschichte der Menschheit begangen wurde. Wiederaufbau Es gab bis anhin viel Gerede über Sanierung und Wiederaufbau, doch man versteht die Sache nur, wenn man der Rhetorik und den grossen Geldmengen, die für die sogenannte «Reconstruction» ausgegeben wurden, die Realität gegenüberstellt. Von all den grossen Vorhaben zum Wiederaufbau haben die Vereinigten Staaten und das von ihnen installierte Regime lediglich die Lastwagen-Fernstrasse zwischen Kabul und Kandahar feierlich eingeweiht. Dieser Meilenstein der Entwicklung, mit dem die Vereinigten Staaten prahlen, Dossier Uranwaffen 90 Zeit-Fragen 2006 wurde zu 40 Prozent noch während der Taliban-Regierung erstellt. Während die Fernstrasse bereits eingeweiht wurde, braucht es immer noch grössere Anstrengungen, damit sie intakt bleibt. Die Einweihung der Fernstrasse war ein politischer Marketingtrick, der die Kritiker davon überzeugen sollte, dass der Wiederaufbau reibungslos vorankommt. Das ist bei weitem nicht der Fall. Als ich von Pakistan aus in Afghanistan einreiste, war das Fehlen der Entwicklung offenkundig. Während der vergangenen drei Jahre waren Bauarbeiten im Gang, um die Strasse von Torkham, dem Grenzpunkt zwischen Pakistan und Afghanistan, und der Stadt Jalalabad im Osten Afghanistans fertigzustellen. Leider waren die beauftragten pakistanischen Unternehmen mehr mit ihren Teepausen beschäftigt als mit dem Wiederaufbau. Ich brachte diese Angelegenheit bei den Behörden in Kabul zur Sprache, ohne Erfolg. Nachdem ich Jalalabad erreicht hatte, war ich erneut überrascht, die Strassen der Stadt mit grossen Schlaglöchern und viele Strassen ungepflastert zu sehen, so dass enorme Mengen an Staub in alle Richtungen verweht wurden. Der Grund für diese Arbeitsmängel in Jalalabad sind, wie fast überall in Afghanistan, korrupte Beamte, die mehr mit Geld als mit dem Wohlergehen ihrer Bevölkerung beschäftigt sind. Vor einer Bürgermeisterwahl in einer Gemeinde oder einer Stadt hat der Kandidat 40’000 Dollar Bestechungsgelder zu zahlen, während er mehr als 400’000 Dollar einnehmen wird, wenn er das staatliche Land an den Meistbietenden verkauft. Das Ausmass an Korruption ist nicht auf die Provinzen beschränkt, sondern auch die Beamten der Zentralregierung in Kabul sind gleichermassen in die massive Korruption und Ineffizienz verstrickt, wie ich kurz ausführen möchte. Da die Hauptstrasse nach Kabul nach wie vor im Bau ist, mussten wir den Gebirgspass mit dem Namen Lataband wählen, ein sehr steiniges Gebirgsterrain mit grossen Felsbrocken und Schlaglöchern über weite Strecken. Als wir Kabul erreichten, hörte ich auf, mich über den Latabandpass, schliesslich ein Gebirgspass, zu beklagen. In der Hauptstadt Kabul fehlte es bis auf wenige Ausnahmen an gepflasterten oder geteerten Strassen. Die Regierung in Kabul hat nichts Substantielles zuwege gebracht, sei es im Bereich Infrastruktur, Wohnungsbau, Abwasserentsorgung oder Trinkwasser. Dies sind die Grundelemente des Überlebens einer jeden Stadt. Es gibt mehrere Gründe für das Fehlen des Fortschritts. Einige dieser Gründe sind strukturell begründet, während andere mit den bürokratischen Hürden und mit der Korruption zusammenhängen. Die strukturellen Mängel haben ihren Grund in dem Ansatz eines «freien Marktes», der Afghanistan übergestülpt wurde. Es sind zwei Aspekte des freien Marktes, die den Wiederaufbau der Basisinfrastruktur in Kabul verhindern. Ein Aspekt ist die Vorstellung, dass Gelder nur mit der Aussicht auf Gewinn investiert werden dürfen. Der zweite Aspekt ist, dass die Basisentwicklung über Verträge dem Privatsektor überlassen werden solle. Beide Aspekte haben den Wiederaufbau der Infrastruktur verhindert. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte die afghanische Regierung um Darlehen von der amerikanischen Regierung angefragt, um grundlegende Strassenprojekte in Kabul unternehmen zu können. Die US-Regierung und die Banken lehnten das Darlehen mit der Begründung ab, dass das Bauen von Strassen in Kabul keine profitable Investition sei. Die afghanische Regierung hatte damals argumentiert, dass für den Erfolg eines jeglichen profitablen Unternehmens die Basisinfrastruktur zunächst gebaut werden müsste. Das hatte zur Folge, dass nur sehr kleine Summen für den Wiederaufbau der Basisinfrastruktur zur Verfügung standen. An dieser Stelle ist anzumerken, dass ein Teil der Schuld die internationale Wiederaufbauhilfe betrifft, da sie in der Form vergeben wird, dass ein Teil der Regierung in Kabul zur Verfügung gestellt wird, während der Rest an die zahllosen Nichtregierungsorganisationen (NGO) geht. Da das erste Problem, insbesondere das Problem der nur profitorientierten Investitionen, das Ausbleiben des Strassenbaus zur Folge hatte, wurden Anstrengungen zur Lösung des Dossier Uranwaffen 91 Zeit-Fragen 2006 Problems unternommen, indem Aufträge für den Bau von Strassen an private Firmen vergeben wurden. So würde also die Vergabe von kompletten Strassenbauprojekten an den privaten Sektor Einnahmen für die Unternehmen bedeuten, mit denen die mangelnde Profitabilität des Strassenbaus als solchem – mit dem Ausbleiben von Darlehen wie oben angedeutet – kompensiert werden könnte. Dies schuf jedoch ein weiteres Problem. Wenn der Vertrag für den Bau einer Strasse erst einmal vergeben ist, geht die Vertragsfirma zu Verschleppungstaktiken im Zusammenhang mit Machbarkeitsstudien und anderen Themen über, um den Gewinn zu vergrössern. Diese Verzögerungstaktik dient nicht dem Wohl der Bevölkerung, und die Strassen bleiben ungebaut. Zum Beispiel wurde der Bau der Strasse vom Flughafen Kabul zum Präsidentenpalast vor 3 Jahren vergeben, aber sie ist noch immer nicht gebaut. Diese Praxis der Vergabe von Projekten steigert die Arbeitslosigkeit. Hätte die Regierung andere Massnahmen ergriffen, zum Beispiel das Anstellen lokaler Arbeiter und den Einsatz von Maschinen, hätte die chronische Arbeitslosigkeit reduziert werden können – und die Menschen hätten etwas zu essen auf dem Tisch. Kürzlich erklärte Karzai, dass die Strasse in der Dasht-e-Barchi-Gegend repariert und erstellt worden sei. Die benötigten Mittel betrugen 10 Millionen Dollar. Das ist ein Skandal. Mit 10 Millionen Dollar hätte man alle Strassen der Hauptstadt Kabul reparieren können, wenn die Aufgabe vom Ministerium für öffentliche Angelegenheiten übernommen worden wäre. Der Unsinn des «freien Marktes» Um die US-Regierung zu befriedigen, hat das Regime in Kabul die Anerkennung des «freien Marktes» befürwortet, als würde darin das Allheilmittel für die nationale Wirtschaft liegen. Im Gegensatz dazu wurde das Prinzip des «freien Marktes» bereits in der Vergangenheit, in den 30er Jahren, ausprobiert. Das Ergebnis war ein fruchtloser Konsumismus von importierten Gütern, die sonst lokal produziert worden wären. Darüber hinaus hatte der Konsum von Luxusgütern eine höhere Priorität als das Investieren in die produktiven Bereiche der Wirtschaft. Eine Handvoll Geschäftsleute und Investoren wurden reich, während der Rest des Landes arm und mittellos blieb. Heute im Post-Taliban-Afghanistan ist der Konsum von Fernsehgeräten und Satellitenschüsseln wichtiger als die Sorge um sauberes Wasser und ein angemessenes Schulwesen. Alles in allem, nachdem der Kapitalismus die Kultur der Korruption und der Unterhaltung einführte, wurden andere Notwendigkeiten zweitrangig. In der Zwischenzeit gilt: Leute mit Geld importieren diese Güter, sacken ihre Profite ein und gehen. Das Bestreben des installierten Regimes, Zölle zu erheben, trägt zur Fortführung der Unterentwicklung bei. Die Korruption spielt eine bedeutende Rolle bei der Fortführung des Imports im Gegensatz zu Investitionen in eine produktive Infrastruktur. Zum Beispiel wurden während der vergangenen 2 bis 3 Jahre über 100’000 Tonnen Zement importiert, während die Pläne für den Bau von 4 Zementfabriken Staub ansetzen. Der offizielle Grund ist, dass das Land noch kein Bergbaugesetz habe. Allein in diesem Jahr werden 380’000 Tonnen Zement importiert. Die Frage bleibt, wie lange es braucht, um ein Bergbaugesetz zu formulieren. Bislang sind es 3 Jahre. Die Profitraten der Händler sind in die Höhe geschnellt, während die Aussichten für eine Langzeitentwicklung mit jedem Sack importierten Zements schwinden. Amerikanische Verbrechen und organisierte Verbrechen Mit dem Zusammenbruch der Taliban wuchs ein sehr profitabler und sehr schmutziger Wirtschaftsbereich in neue Höhen. Das Organisierte Verbrechen ist eine Ausweitung dessen, was die Warlords und ihre Armeen von Banditen waren. Nachdem die Warlords und andere Funktionäre der Nordallianz öffentliche Stellen besetzten, sind ihre ehemaligen Fussoldaten mit neuen Waffen und Toyota Trucks, Landcruisern, bewaffnet und haben nur ein Ziel – Menschen mit verschiedenen Hintergründen für grosse Summen Geld zu entführen. Wenn das Geld beschafft ist, dann behalten die Regierungsbeamten, welche diese Dossier Uranwaffen 92 Zeit-Fragen 2006 Banditen auch anführen, 80% für sich und 20% für ihre Männer. Der italienische Mitarbeiter einer Hilfsorganisation, der in Kabul am hellichten Tage entführt worden war, war ein Opfer dieser organisierten Banditen. Nach seiner Freilassung behauptete die Regierung, dass sie die Freilassung des Mitarbeiters durch Verhandlungen sichergestellt habe. Aber die Wahrheit ist eine andere: Die Entführer erhielten 5 Millionen Dollar. Die armen Seelen, die sich solche Lösegelder nicht leisten können, enden mit dem Tod. Andere Gruppen von Kriminellen entführen Kinder sowohl wegen des Geldes als auch wegen ihrer Organe. Das ist eine Epidemie, gegen die die Menschen Mitte der 90er Jahre die Unterstützung der Taliban erbaten; doch es hat den Anschein, dass es nicht länger ein Thema für die US-Besetzungstruppen und ihre Marionetten ist; wenn wir am Ende doch von Verbrechen sprechen, was könnte noch verbrecherischer sein als der Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen die Zivilbevölkerung? Die US-Streitkräfte haben Uranwaffen gegen die Menschen in Afghanistan eingesetzt und begehen weiterhin Verbrechen, die diejenigen der organisierten Kriminellen in den Schatten stellen. Im folgenden einige Beispiele der Brutalität der US-Streitkräfte in Afghanistan. Vergewaltigung und Mord durch die US-Streitkräfte Im Kabuler Bezirk Bagrami griffen die US-Streitkräfte eine kleine Enklave von Nomaden an. Die US-Streitkräfte flogen über diese Enklave und sahen Nomadenfrauen in der Nähe ihrer Zelte. Sie landeten ihre Hubschrauber und entführten diese Frauen mit vorgehaltener Pistole. Danach flogen die US-Soldaten mit diesen Frauen an einen Ort, wo diese Frauen durch mehrere Täter vergewaltigt wurden. Nachdem die Frauen vergewaltigt worden und dabei gestorben waren, flogen die Soldaten sie dahin zurück, wo sie entführt worden waren. Diesmal landete der Helikopter aber nicht, statt dessen wurden die Frauen aus dem Helikopter geworfen. Das ist kein Einzelfall für die US-Streitkräfte, ähnliche Verbrechen wurden in Vietnam verübt. Die amerikanischen Kräfte waren zu feige, um zu landen, da sie wussten, dass sie aus Rache erschossen würden. Ein anderer Zwischenfall ereignete sich, als ein US-Hubschrauber einen alten Schäfer erspähte, der seine Tiere weidete. Der Schäfer war 70 Jahre alt, aber das schien den USStreitkräften nicht von Bedeutung zu sein. Der Hubschrauber landete, und man vergewaltigte den alten Mann. Seine Angehörigen erzählten mir, dass sie auf der einen Seite wütend über das Verbrechen seien, das von diesen Bestien begangen wurde, auf der anderen Seite fänden sie es sonderbar, «was für ein scheussliches Volk die Amerikaner sind». Bei einem weiteren Zwischenfall fuhr ein Lastwagenchauffeur nördlich von Kabul und passierte die US-Basis in Bagram, als ihn eine US-Patrouille stoppte. Auf dem Beifahrersitz des Lkw sass ein junger Mann. Der junge Mann wollte Lastwagenfahren lernen, aber tragischerweise sahen ihn die Amerikaner und forderten ihn auf, auszusteigen. Der junge Mann stieg aus, und die Soldaten brachten ihn weg vom Wagen und vergewaltigten ihn. Bei seiner Rückkehr zum Lkw schrie der Junge und war aufgebracht. Später am selben Tag beging er Selbstmord. Dies ist ein weiteres Geschenk der US-Demokratie. Auf der amerikanischen Militärbasis Bagram im Norden von Kabul wurden 15 Übersetzer während ihrer Arbeit für die US-Kräfte durch mehrere Täter von denselben Kräften, für die sie arbeiteten, vergewaltigt. Obgleich ich kein Wohlwollen für diejenigen hege, die für die US-Kräfte arbeiten, so sollte dennoch niemand einer solch extremen Grausamkeit ausgesetzt sein. Einer der Übersetzer sagte: «Um die 25 oder 30 amerikanische Soldaten betraten den Raum, in dem wir schliefen, und begannen, uns zu vergewaltigen. Ich war bei Bewusstsein, bis der dritte Soldat mich vergewaltigte, und dann verlor ich das Bewusstsein.» (Hamid, Übersetzer für die US-Kräfte, Juni 2005). In der Provinz Badakhshan nahmen US-Soldaten vierzig Frauen und zogen ihnen für den Oralverkehr die Zähne. Ein Mitglied des Parlaments, der ein getreuer Anhänger von Karzai ist, sagte: «Der Fall dieser Frauen, die in so einer verächtlichen Art behandelt worden Dossier Uranwaffen 93 Zeit-Fragen 2006 waren, war daran, an die Öffentlichkeit zu kommen, aber die US-Funktionäre verhinderten dies.» (Parlamentsmitglied, ich kann seinen Namen nicht preisgeben). Bei einem anderen Ereignis durchsuchten die US-Streitkräfte Häuser zwischen Jalalabad und Kabul. Als sie ein Haus betraten und versuchten, es zu durchsuchen, stiessen sie auf die Frau des Hauses; da sie sehr schön war, entschlossen sich die Soldaten, sie mit auf die US-Basis zu nehmen. Der Ehemann war nicht zu Hause. Als er von Peshawar zurückkehrte, ging er seine Frau holen. Er sagte zu seiner Frau: «Für mich bist du jetzt wie meine Mutter und meine Schwester, ich kann dich nicht mehr berühren, aber sag mit, ob sie deine Würde verletzt haben?» «Sie vergewaltigten mich. Bei den ersten drei Männern war ich bei Bewusstsein, dann verlor ich das Bewusstsein.» (Den Namen des Ehemannes kann ich nicht preisgeben. Er trat danach den Taliban bei, und ich kann ihm keine Schuld geben). Ein junger Mann beging im Gebiet von Laic-e-Mariam in KairKhana Selbstmord, nachdem Amerikaner einer NGO seine Schwester vergewaltigt hatten. Das sind einige der wenigen Beispiele der vielen Verbrechen, die von den US-Streitkräften in Afghanistan begangen wurden, aber leider nennen es die feigen Beamten der Marionettenregierung Wiederaufbau. Um das Ganze noch schlimmer zu machen, erhielten die zwei amerikanischen Soldaten, die zwei Häftlinge in der Bagram-Flugbasis ermordeten, nur 2 und 3 Monate Haft für ein Verbrechen, das von amerikanischen Untersuchungsärzten als Mord bezeichnet worden war. Die zwei Häftlinge wurden auf ihre Füsse geschlagen, während sie von der Decke hingen, bis ihre Füsse «zerstäubten». Der Begriff «zerstäuben» wurde von dem Untersuchungsarzt benutzt, um das Ausmass der tödlichen Verletzung und die unmenschliche Art des Mordes auszudrücken. Als eines der Opfer nach Wasser verlangte, goss der Soldat Wasser über sein Gesicht. Danach starb der arme Mann. Das ist amerikanischer Wiederaufbau für Afghanistan. Leben für die einfachen Leute Es gibt für die Afghanen wirklich keine Hoffnung. Die Milliarden Dollar an Entwicklungshilfe nutzen den einfachen Afghanen nichts. Elende Armut ist an der Tagesordnung. Witwen und Waisen streunen auf der Strasse, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die NGOs und ausländischen Berater geniessen das Leben in vollen Zügen. Sie werden mit Hunderttausenden Dollars bezahlt, haben Luxusautos und -häuser, während die einfachen Afghanen durch Obdachlosigkeit, Hunger und Krankheiten sterben. Angesichts der Londoner Geberkonferenz, die, was das Vermächtnis des sogenannten Wiederaufbaus in Afghanistan betrifft, auf nichts hinauslief, macht es Sinn, einige Punkte darzustellen. Es ist eine Tragödie von immensem Ausmass, dass niemand es auch nur wagt, die Greuel anzusprechen, die Leben mit zwangsläufigem Tod genannt werden, an jeder Ecke eine Folge der grossen Menge an Uranmunition, die von den amerikanischen Kräften und ihren Verbündeten eingesetzt werden. Unsere sogenannten afghanischen Stellvertreter, die sich selbst verkauft haben, sind überglücklich, auf den fahrenden Zug aufzuspringen und ihren Dank auszudrücken für das Andenken, das auf unser Volk abgeworfen wird, wenn in Wirklichkeit seine ganze Existenz durch den massiven Gebrauch von Massenvernichtungswaffen in Frage gestellt wird. Lassen Sie den Fortschritt des Bonner Abkommens den Kindern von Tora Bora und Shah-e-Kot, die an Blutkrebs und Speiseröhrenkrebs leiden, berichten, oder der grossen Anzahl plötzlicher Fehlgeburten, die in diesen Gegenden Frauen und Tieren widerfahren. Ein weiteres Erbe ist die Korruption durch Bestechung und reine Beraubung durch die Beamten des Marionettenregimes, die darauf aus sind, Geld zu machen. Leider nehmen sie keine afghanische Währung an, sondern verlangen Dollars. Gemäss einer afghanischen Kommission liegt die Menge an Bestechungsgeldern, die in Afghanistan bezahlt werden, zwischen 20 Afghani und 15’000’000 Dollar. In einem Land, wo einem erfahrenen Mediziner 40 Dollar im Monat bezahlt werden, zeigen die Millionen Dollars, die als Bestechungs- Dossier Uranwaffen 94 Zeit-Fragen 2006 gelder bezahlt werden, das Ausmass an Profit, das einzelne und Gesellschaften erwarten dürfen. Elende Armut ist überall, und Hoffnung auf eine Erholung finden sich nirgends. Die gespendeten Milliarden an Dollars gingen in die Taschen der NGOs und mächtiger Regierungsbeamter, während die Armen arm bleiben. Ein weiteres Problem ist die Amerikanisierung des Systems, und zwar, dass Fachleute mit Jahrzehnten an Erfahrung im grossen Stil unter dem Vorwand gefeuert werden, die Spitäler und Büros effizient zu machen. Die Wahrheit ist, dass die USA den Kapitalismus in Afghanistan einführen und den Markt öffnen wollen, wenn es in Wirklichkeit nichts zu essen und kein Geld gibt, um die Gesundheitsversorgung zu zahlen. Der Mangel an Ärzten und an Fachkräften im Gesundheitswesen wird übergangen zugunsten dieses Mülls, den man «freien Markt» nennt. Es gibt keine privaten Firmen, die diese Fachkräfte mit Jahrzehnten an Erfahrung einstellen können. Es wäre nett, wenn andere Möglichkeiten existieren würden, aber es gibt keine. Heutzutage gibt es in Afghanistan einige wenige sehr Reiche, und der Rest ist extrem arm dank der Vereinigten Staaten von Amerika. Der afghanische Widerstand und die Verluste der USA Die afghanischen Widerstandskämpfer bestehen vollständig aus Pashtunen. Der Osten, Südosten, Süden, Südwesten, Westen und Teile des Zentralgebiets von Afghanistan sind am unberechenbarsten. Die US-Kräfte haben dort viele Soldaten verloren. In der Tat waren viele einfache Afghanen über die Verluste der USA verwundert und begannen einen Mythos zu glauben, dass die in Afghanistan getöteten Soldaten Waisenhäusern in den USA entstammten, da ihr Tod von niemandem bemerkt würde. Für die Afghanen macht es keinen Sinn, wenn so viele Soldaten ihr Leben verlieren und es dennoch keine Entrüstung von seiten ihrer Familien gibt. So begannen einfache Afghanen mit diesem Mythos, weil dies die einzige vernünftige Erklärung war, die sie finden konnten. Bevor ich nach Afghanistan ging, behaupteten verschiedene Quellen, dass amerikanische Tote tiefgekühlt auf ihren Schiffen in der arabischen See und den US-Basen im Nahen Osten aufbewahrt würden. Als ich nach Afghanistan ging, erzählten mir viele Menschen im afghanischen Verteidigungsministerium ähnliche Geschichten, dass die amerikanischen Toten in tiefgekühlten Containern auf den Schiffen und den US-Basen im Nahen Osten gelagert würden. Ein Übersetzer, der für die amerikanischen Kräfte arbeitete, erzählte mir sogar, dass er zwei Tiefkühlcontainer voll mit toten amerikanischen Soldaten gesehen habe. Die folgenden zwei Vorfälle geben uns einen Schimmer von den Verlusten der USA und den Lügen über die Verluste. Um den 12. Juni 2005 rammte ein afghanischer Widerstandskämpfer ein mit explosiven Materialien gefülltes Fahrzeug in einem US-Militärkonvoi in Kandahar. Das Ergebnis waren schwere Verluste für das US-Militär. Anfangs berichteten die Medien von 5 toten amerikanischen Soldaten, später dann wurden diese Zahlen durch nur 4 Verwundete ersetzt. Jedoch war die Wahrheit gänzlich anders. Ein Augenzeuge, Haji Habib, berichtete uns über eine vollkommen andere Zahl der Verluste: «Ein Suizid-Attentäter schleuderte sein Fahrzeug in den US-Konvoi. Das Fahrzeug muss voller starker Explosivstoffe gewesen sein, weil die Explosion wirklich laut und betäubend war. Nachdem sich Staub und Rauch gelegt hatten, zählte ich die verkohlten Körper. Es waren 39 verkohlte Körper. Das amerikanische Aufräumteam kam mit Kränen und ergriff die zerstörten gepanzerten Fahrzeuge und die Leichen, bevor irgend jemand Fotos machen konnte.» (Haji Habib, 14. Juni 2005 – meine erste Reise). Bei einem weiteren Vorfall um den 22. Mai 2005 verloren die US-Kräfte 75 Soldaten sowie 3 Panzer und 3 gepanzerte Fahrzeuge in der Provinz Helmand in Südwest-Afghanistan. Dies ereignete sich, als die US-Einheit in die Provinz ging und einen ehemaligen Mudschaheddin-Kommandeur verhaftete. Der Augenzeuge, ein Übersetzer, der die Leichen am Flughafen von Kandahar sah und zählte, nachdem sie aus Helmand transportiert worden Dossier Uranwaffen 95 Zeit-Fragen 2006 waren, beschreibt den Ablauf wie folgt: «Die Amerikaner gingen nach Helmand, um einen ehemaligen Kommandeur zu verhaften. Als sie ihn verhafteten, versperrten seine Dorfbewohner und ehemalige Mudschaheddin-Kämpfer den US-Kräften den Rückzug. Die USKräfte feuerten auf die Männer, die ihnen im Weg standen, und töteten 6 von ihnen. Da der Rest der Kämpfer bereits Position eingenommen hatte, wurden die Amerikaner mit RPG-7-Granatwerfern und schwerem Maschinengewehrfeuer beschossen. Im Feuergefecht starben sowohl der verhaftete Kommandeur als auch 75 amerikanische Soldaten, 3 ihrer Panzer und 3 gepanzerte Fahrzeuge wurden zerstört. Als die amerikanische Verstärkung eintraf, waren alle Mudschaheddin-Kämpfer lange weg. Statt dessen bombardierten die US-Helikopter zivile Gebiete.» (Abdul Ali, Augenzeuge des Kampfes). Ende Februar wurde in der Provinz Uruzgan ein amerikanischer Konvoi überfallen; 29 amerikanische Soldaten wurden getötet, offiziell wurden nur 4 angegeben. Dies sind nur einige wenige der vielen nicht berichteten Verluste an US-Soldaten in Afghanistan. Schlussbemerkung Für diejenigen von Ihnen, die damit argumentieren, dass wir von bin Ladin angegriffen worden seien und dass die Taliban sich geweigert hätten, ihn auszuliefern, obgleich wir uns weigerten, seine Verstrickung nachzuweisen, folgt hier ein Stück Information von Vizepräsident Cheney [www.whitehouse.gov/news/releases/2006/03/20060329-2.html] Frage: Ich möchte deutlich sein, weil ich Sie das sagen gehört habe, und ich habe den Präsidenten das sagen gehört, aber ich möchte, dass Sie es für meine Zuhörer sagen, und zwar, dass das Weisse Haus nie behauptet habe, dass Saddam direkt in den 11. September involviert gewesen sei, richtig? Der Vizepräsident: Das ist richtig. Wir hatten schon früh einen Bericht von einem anderen Geheimdienst, der behauptete, dass der führende Entführer, Mohammed Atta, sich mit irakischen Geheimdienstleuten in Prag, Tschechien, getroffen habe. Und diese Berichterstattung – der Grad an Vertrauen in ihn nahm mal zu und mal ab und so weiter – wurde zu diesem Zeitpunkt ziemlich niedergeschmettert, dass das Treffen jemals stattgefunden habe. So lieferten wir das Argument, dass auf irgendeine Art Usama bin Ladin [sic!] direkt in den 11. September involviert sei. Der Beweis war nie verfügbar. Aber – das ist eine eigene Behauptung zu der Frage, ob es eine Art Beziehung zwischen der irakischen Regierung, dem irakischen Geheimdienst und al-Kaida gab oder nicht. So bombardierten die USA Afghanistan und töteten Zehntausende von Menschen und verwandelten das Land auf einen leisen Verdacht hin in eine Uranhölle? Offensichtlich, und deshalb konnten sie nie ein Spürchen Beweis für seine Mittäterschaft bei den Angriffen liefern. Bemerkung von ACDN Vier Länder haben DU-Waffen hergestellt: die USA, Grossbritannien, Russland und Frankreich. Ihre Armeen setzten sie ein. Sie verkauften sie auch an viele andere Länder. Es macht nichts, Tod bringt Geld. Wir schrieben an Präsident Chirac während des letzten Angriffs der US-Koalition gegen den Irak und baten ihn dringend, alles ihm Mögliche zu tun, um den Einsatz von DU-Waffen zu brandmarken und zu stoppen. Schauen Sie sich unseren Brief an Präsident Chirac vom 6. April 2003 an. Er beantwortete diesen Brief nicht. Aber Präsident Chirac ist ein grosser Humanist. Lesen Sie unseren offenen Brief und die Rede von Jacques Chirac, dem Präsidenten der Französischen Republik, vom 19. Januar. Wir laden alle vernünftigen Menschen dazu ein, die Petition für ein umfassendes und globales Verbot von DU-Waffen zu unterschreiben. Quelle: www.rense.com vom 29.4.2006 (Übersetzung Zeit-Fragen) Dossier Uranwaffen 96 Zeit-Fragen 2006 *Professor Mohammed Daud Miraki lebte bis zu seinem fünfzehnten Lebensjahr in Afghanistan (Kabul und Kandahar). Im Jahr 1982 flüchtete die Familie über Pakistan nach Deutschland. Im Jahr 1984 ging die Familie in die Vereinigten Staaten. Daud Miraki hat Studienabschlüsse in Politischer Wissenschaft und in Studien des Nahen Ostens. Im Jahr 2000 promovierte er an der Universität von Illinois in Politikwissenschaften (Public Policy Analysis). Sein Studium war getragen von dem Wunsch, zur Verbesserung der Lage Afghanistans beizutragen. In den Jahren 1993 bis 1995 leitete er in Pakistan ein Nothilfswerk für afghanische Flüchtlinge. Er unterrichtete mehrere Jahre an der Chicago State University Management und Politik. Nach der US-Invasion in Afghanistan widmete sich Daud Miraki der Datenerfassung der schweren Schäden, die das abgereicherte wie das nicht abgereicherte Uran (DU/NDU) in Afghanistan angerichtet haben und anrichten. Nach seinem letzten Aufenthalt in Afghanistan in diesem Jahr plant er einen Bildband, um die Verwüstung seines Landes und den «stillen Genozid» seiner Bewohner zu dokumentieren. Nr. 37, 11. November 2006, Seite 13 SPD und Linkspartei: Untersuchung wegen DU und U-Boot-Lieferung Der Bundestagsabgeordnete Norman Paech (Die Linke) verlangt Aufklärung darüber, ob Israel in Südlibanon uranhaltige Munition abgefeuert hat. «Depleated uranium» steht unter Verdacht, Krebs auszulösen. Norman Paech fordert eine Untersuchung von Vorwürfen, Israel hat in Südlibanon Munition eingesetzt, die sogenanntes abgereichertes Uran enthält. Angesichts des in Libanon geäusserten Verdachts müsse «eine neutrale Institution wie die Uno nicht nur den Einsatz von Streumunition, sondern auch den Einsatz von ‹depleatet uranium› untersuchen», sagte Paech gegenüber der netzeitung. Im Golf-Krieg habe Munition aus dem besonders harten, aber gefährlichen Material Gesundheitsschäden bei Soldaten verursacht. Menschenrechtler und Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hatten bereits eine Untersuchung des Einsatzes von Streumunition verlangt. Munitionshersteller ummanteln ihre Projektile mit dem Abfallprodukt aus der Uran-Aufbereitung, damit sie selbst schwere Panzerungen durchschlagen können. Wie Friedens- und Menschenrechtsorganisationen beklagten, setzte die Nato im Frühjahr 1999 Munition mit abgereichertem Uran (depleted uranium) auch massenhaft in Jugoslawien ein. Friedensbewegung, Ärzteorganisationen und Wissenschafter wiesen immer wieder darauf hin und machten auf die gesundheitsschädigenden Wirkungen dieser Waffen aufmerksam. Ähnliche Vorwürfe wurden auch in Jugoslawien laut, mehrere dort eingesetzte Soldaten waren an Leukämie gestorben. Ministerin Wieczorek-Zeul handelte sich mit ihrer Forderung herbe Kritik des Zentralrats der Juden ein. Unterdessen beklagte selbst die Uno, Israel habe die umstrittene Streumunition abgeworfen, deren Überreste auch nach langer Zeit noch explodieren können. Paech sprach sich auch für einen generellen Stopp von Waffenlieferungen an die Parteien des jüngsten Nahostkonfliktes aus. Es könne nicht sein, dass Israel «U-Boote erhalten soll, die atomtauglich sind», zugleich jedoch Waffenlieferungen an die libanesische Seite verhindert werden sollen. Diese Strategie sei «ungleichgewichtig» und «untauglich», den Friedensprozess voranzubringen. Um die Balance der Kräfte in der Region zu stabilisieren, müssen israelische Truppen schnellstens vollständig aus Südlibanon abziehen. Die libanesische Armee müsse weiterhin schnellstens die Hizbollah-Miliz integrieren.• Dossier Uranwaffen 97 Zeit-Fragen 2006 Quelle: www.netzeitung.de/deutschland/436470.html vom 31.8.06 Nr. 38, 18. November 2006, Seite ? Auch Desinformation kann Israels Kriegsverbrechen nicht vertuschen von Prof. Dr. Paola Manduca, Lehrstuhl für Genetik, Universität Genua, Italien zf. Am 14. August versuchte das deutsche Politmagazin «Report Mainz» die Vorwürfe des libanesischen Arztes Professor Bachir Cham zu widerlegen, der nach Untersuchung zahlreicher Leichen erklärt hatte, die Israeli würden irgendeine toxische Substanz verwenden, die vielleicht über die Haut in den Körper eindringt. Cham äusserte den Verdacht, das israelische Militär setze verbotene Chemiewaffen ein. Die Leichen waren völlig schwarz, die Körper um die Hälfte eingeschrumpft, Haut und Haare aber völlig intakt. «Report Mainz» gab an, einen Gerichtsmediziner mit einer Analyse von Gewebeproben der Leichen beauftragt zu haben. Seinen Untersuchungen zufolge handelt es sich bei der rätselhaften schwarzen Färbung der von ihm untersuchten Hautteile um «aufliegende Russpartikel». Die Frage, warum die Haare und die Haut der Toten unversehrt waren und warum ihr Körpervolumen um die Hälfte ohne jede Blutungen schrumpfte, wurde in der Sendung nicht beantwortet. Bis jetzt gibt es unzählige Berichte aus Krankenhäusern, von Augenzeugen, Waffenexperten und Journalisten, die klar belegen, dass die israelischen Streitkräfte «neue Waffen» in Libanon einsetzten. Unbekannte und ungewöhnliche Symptome wurden bei den Toten und Verwundeten angetroffen: Leichen mit abgestorbenem Gewebe ohne entsprechende Verwundungen; «eingeschrumpfte» Körper; Zivilisten mit schweren Schäden der Gliedmassen, die amputiert werden mussten, woraufhin es trotzdem zu unaufhaltsamer Nekrose und Tod kam; grosse innere Verletzungen ohne erkennbare äussere Verletzungen, geschwärzte Körper ohne die geringsten Zeichen von Verbrennungen und schwere Wunden, ohne dass die geringste Blutung auftrat. Viele dieser Beschreibungen legen die Möglichkeit nahe, dass es sich bei diesen neuen Waffen um Waffen mit sogenannter «gerichteter Energie» handelt, des weiteren um chemische oder biologische Stoffe, die in einer Art makabrem Experiment für künftige Einsätze in Kriegen getestet wurden. Nichts wurde daher respektiert: Internationale Konventionen wurden missachtet (die Genfer Konvention gegen den Einsatz biologischer und chemischer Waffen), auf Flüchtlinge, Krankenhäuser und das Rote Kreuz wurde keinerlei Rücksicht genommen, ganz zu schweigen von den Menschen, ihrer Zukunft, ihren Kindern, der Umwelt, die durch abgereichertes Uran in den israelischen Bomben und Geschossen und durch andere giftige Substanzen dauerhaft vergiftet wurden, nachdem man Öldepots und Chemiefabriken bombardierte. Derzeit hat die Bevölkerung des Gazasteifens und Libanons jede Menge dringende und existenzielle Probleme. Dennoch dürfen diese Hinweise auf den Einsatz «neuer Waffen» nicht in Vergessenheit geraten. Es wurden zahlreiche Aufrufe an Wissenschafter und Experten gerichtet, den Hinweisen nachzugehen. Als Reaktion auf diese Aufrufe haben wir ein Team zusammengestellt, welches Zeugenaussagen, Bildberichte und möglichst alles empirische Material sammeln wird, was NGOs und Delegationen zusammengetragen haben. Wir bieten den Gesundheitsbehörden in Libanon und Palästina unsere Hilfe an, da sie inständig um diese gebeten haben auf der Suche nach unabhängien Untersuchungen. Wir werden alles verfügbare Material sichten, um Hypothesen zu erstellen oder zu verwerfen. Wir bitten um die aktive Teilnahme unserer (italienischen) wissenschaftlichen Institutionen Dossier Uranwaffen 98 Zeit-Fragen 2006 und – nach Aufforderung durch das medizinische Personal der betroffenen Gebiete –, fordern wir von der Uno, dass sie ein unabhängiges internationales Komitee zur Untersuchung der Vorgänge einsetzt. Die Mitglieder dieses Komitees müssen das Recht zur Untersuchung aller Einrichtungen der Konfliktparteien haben, müssen beliebiges Material einsehen und mitnehmen dürfen, um dem Verdacht des Einsatzes neuer Waffen duch das israelische Militär nachzugehen. Wir fordern, dass solche Untersuchungsteams ohne Verzug eingerichtet werden. Wir verlangen, dass dieses internationale Komitee Zugang zu allen relevanten Informationen erhält und Zutritt zu allen Laboren. Als Menschen und Wissenschafter bieten wir unsere Zeit und unsere Sachkenntnis an, um die Vorgänge aufzuklären, in dem Glauben, dass eine Perspektive für Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Frieden unter den Menschen nur auf der Grundlage des Respekts vor den Regeln der internationalen Gemeinschaft entwickelt werden kann. Wir erwarten, dass der Respekt vor diesen Regeln auch für diesen Krieg gilt. Wir laden Wissenschafter ein, sich mit ihren speziellen Kenntnissen und Fähigkeiten in diesem Sinne einzubringen. Im besonderen suchen wir die Zusammenarbeit mit toxikologischen, pharmazeutischen, anatomisch-pathologischen Experten sowie Ärzten, die Erfahrungen mit Traumen, Verbrennungen und Verletzungen durch chemische Substanzen haben. Wir sind erreichbar unter der Mail-Anschrift [email protected] Nr. 38, 18. November 2006, Seite 8 Vorbildliche Solidarität mit den Opfern von Tschernobyl Zu einer eindrücklichen Publikation und Kunstausstellung von Urs Knoblauch, Kulturpublizist, Fruthwilen TG Es ist eine grosse Freude, wenn sich Künstler mit ihren Werken gegen Unrecht und für das Wohl der Menschen in aller Welt einsetzen. Besonders nötig haben diese Solidarität die geschädigten und kranken Kinder und Familien in Tschernobyl, 20 Jahre nach dem entsetzlichen Atomreaktorunfall. Sie alle sind immer noch weitgehend im Stich gelassen von der dringend nötigen medizinischen, materiellen und menschlichen Hilfe. Internationale Kongresse und Berichte in den Medien haben zu Recht die Aufmerksamkeit auf diese von Macht- und Finanzinteressen, Lügen und Beschwichtigungsmanöver überschattete Katastrophe gerichtet. Tatsache ist, dass unzählige Menschen tödliche Strahlenschäden und heimtückische Krankheiten mit Langzeitwirkungen erlitten haben sowie ganze Landstriche auf Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte verseucht und für die lebensnotwendige Landwirtschaft unbrauchbar wurde. Die wenigen Gelder werden nicht in die dringend nötige Krankheitsfürsorge und den Aufbau von Spitälern, Schulen und Infrastruktur gelenkt, sondern für propagandistische Zwecke und sinnlose Projekte missbraucht, immense Summen werden jedoch in das Atomreaktorgeschäft investiert. Jedermann weiss heute, dass neben den Gefahren der Atomreaktoren wie in Tschernobyl, auch die Problematik mit den sog. Abfällen und «Endlagerung» ungelöst ist und diese radioaktiven Substanzen zusätzlich noch als uranabgereicherte Munition verbrecherisch für die Kriegsindustrie benutzt und auch finanziell ausgebeutet werden. Dieses nukleare Desaster beinhaltet ein unvorstellbares Verbrechen an der Menschheit und kann nur in internationaler Kooperation endgültig beendet werden. In vorbildlicher Weise finden sich in aller Welt Menschen und Gruppen die dieses Ziel verfolgen und auch den betroffenen Opfern Hilfe zukommen lassen. Dossier Uranwaffen 99 Zeit-Fragen 2006 Bilder und Initiativen gegen den Atomwahnsinn Zusammen mit sozial engagierte Mediziner und Wissenschaftler haben sich auch einige Kunstmaler und über 120 Gruppen in Italien zusammengefunden und sofort die Hilfe für Tschernobyl aufgebaut. So setzt sich die italienische Initiative «Legambiente Solidarietà» mit ambulanter mobiler medizinischer Hilfe, mit nicht kontaminierter Nahrung, Früchtelieferungen und Vitaminen vor Ort für die kranken Kinder und Erwachsenen in Tschernobyl ein. Am 26. April wird auch eine Manifestation «20 Jahre nach Tschernobyl» in Italien stattfinden. Auch die Organisation «Help» beteiligt sich an den Hilfsaktionen. Mit der Ausstellung und dem Katalog «The paintings that enjoy our confidence», der in drei Sprachen (Russisch, Italienisch und Englisch) abgefasst wird Einblick in diese Arbeit gegeben. Zusammen mit «Legambiente» setzte sich der Künstler Paolo Cimoni, 1945 in der Toskana geboren, als Maler mit dem Elend der Betroffenen auseinander und malte eindrückliche Bilder. Er besuchte mehrfach die betroffene Republik Belarus. Diese eindrückliche Solidarität von Cimoni führte zur Verbindung mit seinen russischen Malerkollegen. In den Werken wird der anteilnehmende und mitleidende Geist des «guten Samariters» spürbar. Cimoni stellt die zerstörten Häuser und das Elend der dortigen Minenarbeiter dar. So zeigen die Werke von Mikhail A. Savickij, (1922) aus der Republik Belarus, realistisch und teilweise mit religiöser Symbolik eindrucksvoll diese mitmenschliche Anteilnahme. Auch Viktor S. Smatov (1936), Maler und Kunstkritiker aus der Republik Belarus gestaltet einfühlsame Bilder mit fotografischer Exaktheit, die Armut und das trostlose Leben der Menschen in der ausgestorbene, zerstörten ländlichen Umgebung von Tschernobyl. Der Maler stellt die einzelnen Menschen mit unerschütterlichem Würdegefühl und Hoffnung dar. Die Bilder tragen beim Betrachter zur Entwicklung von Mitgefühl und Anteilnahme bei. Auch die 1933 geborene bekannte Künstlerin Ninel I. Scastnaja (1933) aus der Republik Belarus zeigt mit einer eindrücklichen Symbolik den Schmerz und die Hoffnung der gepeinigten Menschen. Victor K. Barabancev, 1947 in Gomel geboren zeigt Darstellungen des Bauernlebens, religiös inspirierte Themen und eine aktualisierte «Madonna von Tschernobyl», wobei Mutter und Kind mit Atomschutzmasken abgebildet wurden. Diese Thematik wird auch in eindrücklichen, modern und figurativen Bildern von Vladimir V. Kozuch (1953) aufgegriffen. Alle diese Werke führen uns eine kaum zu ermessende Tragödie vor Augen und erinnern uns an die Verpflichtung, menschliches Leid zu lindern und neues Leid zu verhindern. Ebenso kann diese beispielhafte Künstlersolidarität auch als Anregung für wertvolle und nachhaltige Hilfsprojekte in Schulen und Gemeinden nutzbar gemacht werden. Auskünfte über «Legambiente» sind unter www.legambienteonline.it möglich. Dossier Uranwaffen 100 Zeit-Fragen 2006 20 Jahre Leben mit Tschernobyl Schlussresolution des internationalen Kongresses Erfahrungen und Lehren für die Zukunft Der internationale Kongress «20 Jahre Leben mit Tschernobyl – Erfahrungen und Lehren für die Zukunft» vom 14. bis 17. September 2006 in Feldkirch, Vorarlberg, erbrachte wesentliche Informationen zusätzlich zu den bisherigen offiziellen Darstellungen über Spätfolgen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl im April 1986. Dieser Kongress wurde im österreichischen Bundesland Vorarlberg veranstaltet, von dem zahlreiche Aktivitäten für eine nachhaltige Energienutzung ausgehen. Naturwissenschafter, Mediziner, Strahlenschutzfachleute und Vertreter von Hilfsorganisationen aus acht Ländern präsentierten in 44 Beiträgen die in den letzten zwanzig Jahren gewonnenen Forschungsergebnisse und Erfahrungen, die in vielen Fällen den verharmlosenden Verlautbarungen nationaler und internationaler Gremien widersprechen. Auch nach zwanzig Jahren sind für 82% der Menschen in Weissrussland, das am stärksten von der Katastrophe betroffen ist, die Folgen von Tschernobyl ein das tägliche Leben dominierendes Thema. Hierzu gehören fortdauernde Belastungen der Landwirtschaft und lokaler Industrien mit anhaltendem Strahlenpegel und aufwendigen Sicherungs- und Sanierungsmassnahmen. Nach dem Unglück sind sämtliche Krebsarten und andere Gesundheitsstörungen wie Hypothyreose, angeborene Fehlbildungen, Geburtenrückgang und in diesen Altersgruppen auftretende chronische Krankheiten gehäuft zu beobachten. Mit weiteren Anstiegen ist zu rechnen. Entgegen den Verlautbarungen der Strahlen- und Katastrophenschutzgremien sind nach den vorliegenden Tschernobyl-Daten nicht nur Kinder und junge Erwachsene, sondern auch ältere Menschen durch ein zunehmendes Schilddrüsenkrebsrisiko gefährdet. Im Gegensatz zu offiziellen Stellungnahmen zeigten mehrere Beiträge, dass auch in ganz Europa gesundheitliche Schäden durch die Tschernobyl-Katastrophe nachweisbar sind. Zum Beispiel konnte ein Zusammenhang zwischen dem Down-Syndrom und radioaktiver Belastung festgestellt werden, womit auch für zukünftige Generationen zu rechnen ist, da die radioaktiven Stoffe noch langfristig wirken werden. In Weissrussland mussten die zulässigen Grenzwerte für den Radionuklidgehalt von Lebensmitteln, wie z. B. Milch und Kartoffeln, abgesenkt werden, da der kumulative Effekt für Strahlenbelastung beim Menschen bisher nicht berücksichtigt worden war. Bei vielen Tierarten konnten strahlenbedingte Schädigungen des Genoms und der Fruchtbarkeit festgestellt werden. Viele Beiträge auf dem Kongress zeigten, dass die offiziellen Angaben der IAEA und WHO in keiner Weise den tatsächlichen Zahlen der Opfer entsprechen und das Leid von unzähligen Menschen verharmlosen. Die bisherigen Forschungsergebnisse zur Wirkung auf die Bevölkerung, die die Strahlenkatastrophe ertragen musste, reichen noch nicht aus. Es besteht die dringende Notwendigkeit, durch international intensivierte Forschung zu einem sicheren Gesamtbild aller zu erwartenden Risiken der Kernenergienutzung zu kommen. Diese neuen auf dem Kongress vorgestellten Informationen machen deutlich, dass die Atomkraft nach wie vor eine reale, unerträgliche Bedrohung darstellt und zunehmend durch erneuerbare Energien ersetzt werden muss. Tschernobyl lehrt uns, dass Zukunft nicht in der Atomkraft, sondern in der meteorologischen, biogenen und technologischen Nutzung der Sonnenenergie liegt. Feldkirch, den 17.9.2006 Dossier Uranwaffen 101 Zeit-Fragen 2006 Nr. 39, 25. November 2006, Seite ? Bezeichnung «waffenfähig» ist falsch Wie die USA die Welt in den Krieg gegen Iran lügen will IAEA, International Atomic Energy Agency, Wagramerstr. 5, P.O. Box 100, A-1400 Wien, Austria, 12. September 2006 An Herrn Peter Hoekstra, Präsident US-Repräsentantenhaus, Ständiger Sonderausschuss für Geheimdienste, H-405 The Capitol, Washinton, D.C. Sehr geehrter Herr Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass der Staff-Report (Bericht für die Mitglieder) des Unterausschusses für Geheimdienstpolitk des Ständigen Sonderausschusses für Geheimdienste des Repräsentantenhauses vom 23. August 2006 mit dem Titel «Den Iran als strategische Gefahr erkennen: Eine Herausforderung für die Geheimdienste der Vereinigten Staaten» einige fehlerhafte, irreführende und unbelegte Informationen enthält. Die Bildunterschrift unter dem Foto des Geländes von Natanz auf Seite 9 des Berichtes erklärt, dass «der Iran gegenwärtig unter Verwendung einer Zentrifugen-Kaskade von 164-Maschinen Uran zu waffenfähigem Uran anreichert». Diesbezüglich nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass die Informationen über die Urananreicherung, die an der Pilot-Brennstoff-Anreicherungsanlage in Natanz durchgeführt wird, zu der auch die Anreicherung auf 3,6 Prozent gehört, die der Iran erreicht hat, dem Gouverneursrat der IAEA im April 2006 vom Generaldirektor zur Verfügung gestellt worden waren (siehe GOV/2006/27, Absatz 31). Die Beschreibung dieses Grades der Anreicherung als «waffenfähig» ist falsch, da der Begriff «waffenfähig» gemeinhin verwendet wird, wenn von Uran die Rede ist, das bis zur Grössenordnung von 90 Prozent oder mehr des Isotops Uran-235 angereichert wurde. Sowohl der Bericht des Generaldirektors vom April 2006 als auch alle seine weiteren Berichte über die Implementierung der Sicherheitsmassnahmen im Iran sind auf der Website der IAEA unter www.iaea.org/NewsCenter/FocusIaeaIran veröffentlicht. Der erste Aufzählungspunkt auf Seite 10 besagt, dass «der Iran das kurzlebige radioaktive Element Polonium 210 (Po-210) heimlich produziert hatte, eine Substanz mit zwei bekannten Verwendungszwecken; als Neutronenquelle für eine Atomwaffe und als Batterien für Satelliten.» Die Verwendung des Ausdruckes «heimlich produziert» ist irreführend, denn die Safeguard-Abkommen des Atomwaffensperrvertrags, die der Iran mit der IAEA abgeschlossen hat, schreiben dem Iran nicht vor, der IAEA die Herstellung von Po-210 zu melden. (Publiziert im IAEA Dokument INFCIRC/214.) (Was die Produktion von Po-210 betrifft, sehen Sie bitte den Bericht, den der Generaldirektor dem Gouverneursrat im November 2004 vorlegte.[GOV/2004/83, paragraph 80]) Darüber hinaus nimmt das Sekretariat der IAEO schwer Anstoss an der falschen und irreführenden Behauptung im ganzen 2. Abschnitt der Seite 13 des Staff-Reports, wonach der Generaldirektor der IAEA entschieden habe, Herrn Charlier, einen höheren Sicherheitsinspektor der IAEA, «abzuziehen», weil «er angeblich Bedenken aufgebracht hat, dass der Iran in Bezug auf sein Nuklearprogramm Irreführung betreibe, woraus er schloss, dass das Ziel des iranischen Nuklearprogrammes die Herstellung von Waffen ist». Darüber hinaus enthält der Bericht die unerhörte und unlautere Andeutung, ein solcher Abzug könnte erfolgt sein, weil «er einen unausgesprochenen IAEO-Grundsatz, der es IAEA-Beamten verbietet, die ganze Wahrheit über das iranische Nukleraprogramm zu berichten, nicht eingehalten hat». Was das betrifft, lassen Sie sich gesagt sein, dass alle Safeguards-Vereinbarungen, die Dossier Uranwaffen 102 Zeit-Fragen 2006 zwischen einem Staat und der IAEA in Zusammenhang mit dem Vertrag über die NichtWeiterverbreitung von Nuklearwaffen abgeschlossen werden, von der IAEA verlangen, dass sie die Billigung des Staates, dem IAEA-Inspektoren zugeteilt werden sollen, sicherstellt, bevor solche Inspektoren zur Inspektion in diesen Staat entsandt werden (INFICIRC/ 153 [Corr.], Paragraphen 9 und 85). Gemäss solchen Vereinbarungen hat jeder Staat das Recht, die Zuteilung irgendeines Inspektors für die Kontrolle der Schutzmassnamen abzulehnen, und er kann jederzeit verlangen, dass die Zuteilung eines Inspektors für seinen Staat zurückgezogen wird (http:77www.iaea.org/Publications/Documents/Infcircs). Entsprechend stützte sich der Antrag des Iran an den Generalsekretär, Herrn Charliers Nominierung, die ihn zur Durchführung von Safeguard-Inspektionen im Iran berechtigt hätte, zurückzuziehen, auf Paragraph (a)(i) des Artikel 9 und auf Paragraph (d) des Artikel 85 von Irans Sageguards-Vereinbarungen. Ich möchte an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass der Iran die Zuteilung von mehr als 200 Safeguards-Inspektoren akzeptiert hat, eine Zahl, die derjenigen entspricht, die von der Mehrheit der Nicht-Atomstaaten akzeptiert worden ist, die in Übereinstimmung mit dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) SageguardsAbkommen abgeschlossen haben. Schliesslich ist auch bedauerlich, dass der Staff-Report die Ansichten des Uno-Sicherheitsrates nicht berücksichtigt hat, wie sie in der Resolution 1996 (32006) zum Ausdruck kommen, die, unter anderem, «den Generaldirektor der IAEA und sein Sekretariat lobt und unterstützt für die ständigen professionellen und objektiven Bemühungen, alle ungelösten Angelegenheiten im Iran im Rahmen der Organisation zu lösen.» Obwohl es bedauerlich ist, dass die Autoren des Staff-Reports sich nicht mit dem Sekretariat der IAEA beraten haben, um die Richtigkeit der oben erwähnten Informationen zu prüfen, ist das IAEA-Sekretariat bereit, Ihrem Ausschuss bei der Korrektur der fehlerhaften und irreführenden Informationen, die der Bericht enthält, behilflich zu sein. Mit freundlichen Grüssen Vilmos Cserveny, Direktor Abteilung für Aussenbeziehungen und Policy-Koordination Kopie: Ständige Vertretung der Vereinigten Staaten von Amerika bei der IAEA zf. Das Dokument beweist eindeutig den Umgang der USA mit der Wahrheit und erinnert an die Lügen, die als Rechtfertigung für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf den Irak herhalten mussten. Wer sich fragt, warum die Lügen so sehr denjenigen ähneln, die beim Irak-Krieg verbreitet wurden, muss feststellen, dass die gleichen Personen daran beteiligt sind. So hat ein früherer CIA-Mitarbeiter und heutiger Mitarbeiter des US-amerikanischen Uno-Botschafters John Bolton namens Fredrick Fleitz diesen Bericht an den Unterausschuss verfasst. Der Bericht wurde vom ehemaligen Uno-Botschafter der USA und heutigem Chef der Geheimdienste, Negroponte, begutachtet und unterstützt. Dieser solle «helfen, das Verständnis der amerikanischen Öffentlichkeit für den Iran als Bedrohung zu erhöhen.» (so Hoekstra) Deutlicher kann es nicht mehr gesagt werden. Die Welt soll in den nächsten Krieg hineingelogen werden.• Quelle: www.globalsecurity.org/wmd/library/report/2006/iaea_hpsci-iran_12sep06.htm (Übersetzung Zeit-Fragen) Dossier Uranwaffen 103 Zeit-Fragen 2006 Nr. 39, 25. November 2006, Seite 8 Urangeschosse – das Trojanische Pferd des Nuklearkrieges Ein Brief an das deutsche Verteidigungsministerium Sehr geehrte Herren Obwohl von den meisten Medien schamhaft verschwiegen, liess es sich nicht vermeiden, dass immer mehr Einzelheiten über die Folgen des Einsatzes von abgereicherter UranMunition (depleted Uranium) durch die kriegsführenden Mächte in Jugoslawien sowie in Afghanistan und im Irak bekannt wurden. Über die Folgen für die in diesen Ländern betroffene Zivilbevölkerung gibt es inzwischen erschreckende Erkenntnisse, von denen nicht zuletzt auch manche Kriegsveteranen dieser Kriegsschauplätze nicht verschont bleiben. Durch gezielte Urin-Untersuchungen von besonders in der Nähe von Explosionen dieser Geschosse Überlebenden wurden extrem hohe Uran-Werte im Körper festgestellt, was wiederum die Ursache für Krebserkrankungen und darüber hinaus stark angestiegene Missbildungen bei Neugeborenen war. Die Fotos der letztgenannten sind erschütternd! Da die Halbwertszeit des verwendeten Uran 238 angeblich bei 4,5 Milliarden Jahren liegt und da der extrem feine Uran-Staub bei der Explosion dieser panzerbrechenden Munition unkontrolliert durch den Wind über riesige Flächen verteilt wird, kann man den Einsatz solcher Waffen nur als eines der schlimmsten Verbrechen an der Menschheit bezeichnen! Bezeichnend hierfür ist die Aussage einer international anerkannten Expertin in den USA, die nach ausgiebigen Untersuchungen von US-Kriegsveteranen zu der Erkenntnis kam, dass abgereichertes Uran das Trojanische Pferd der Nuklearkriegs ist. «Es strahlt immer weiter, und es tötet immer weiter. Es gibt keine Möglichkeit, es zu entsorgen, und keine Möglichkeit, die Strahlung zu stoppen, denn es fährt damit fort, in über zwanzig Schritten in andere radioaktive Isotope zu zerfallen.» Gemäss Untersuchungen von US-Soldaten, die vor dem Kriegseinsatz normale Babys hatten, kamen 67% (!) der Babys, die nach dem Kriegseinsatz geboren wurden, mit schweren Geburtsfehlern, wie fehlenden Gehirnen, Augen, Organen, Beinen und Armen, oder mit Blutkrankheiten auf die Welt. Hier nun meine Frage an Sie als Verantwortliche für unsere ausserhalb von Deutschland eingesetzten Soldaten: Was wird unternommen, um sie vor dem Risiko zu schützen, Opfer dieser unsichtbaren und schleichenden Gefahr zu werden? Ihrer Antwort hierzu sehe ich mit grossem Interesse entgegen. Mit freundlichen Grüssen Friedemann Büttner, Hamburg Dossier Uranwaffen 104 Zeit-Fragen 2006 Nr. 40, 5. Oktober 2006, Sonderbeilage, Seite 10 – 12 Amerikas Massenvernichtungswaffen und der stille Genozid an den Afghanen von Mohammed Daud Miraki, MA, MA, Ph.D Als Bush junior sagte: «Wir werden sie ausräuchern», machte er sein Versprechen wahr, indem er das Leben für die Ungeborenen zu einer unerreichbaren und für die Lebenden zu einer nicht auszuhaltenden Realität machte und so das afghanische Volk und seine zukünftigen Generationen zu einem vorherbestimmten Tod verurteilte. «Nachdem die Amerikaner unser Dorf zerstört und viele von uns getötet haben, haben wir auch unsere Häuser verloren und nichts zu essen. Dennoch hätten wir diese Qualen ertragen und uns sogar damit abgefunden, wenn die Amerikaner uns nicht alle zum Tode verurteilt hätten. Als ich meinen entstellten Enkel sah, begriff ich, dass meine Hoffnungen für die Zukunft für immer verschwunden sind, anders als die Hoffnungslosigkeit unter der russischen Barbarei, obwohl ich damals meinen älteren Sohn Shafiqullah verlor. Dieses Mal aber weiss ich, dass wir Teil des unsichtbaren Genozids sind, den Amerika über uns gebracht hat, eines stillen Todes, von dem ich weiss, dass wir ihm nicht entkommen werden.» (Jooma Khan aus der Laghman-Provinz, März 2003) Diese Worte äusserte ein trauernder afghanischer Grossvater, angesichts des Auslöschens seiner eigenen und anderer Familien durch die Hand der Vereinigten Staaten von Amerika und ihrer Verbündeten. Ein anderer Afghane, der sein Ableben auch kommen sah, sagte: «Ich erkannte diesen langsamen, aber sicheren Tod, als ich Blut in meinem Urin sah und sich starke Schmerzen in meinen Nieren entwickelten zusammen mit Atembeschwerden, die ich nie vorher gehabt hatte. Viele meiner Familienmitglieder klagten über Verwirrtheit, und schwangere Frauen erlitten Fehlgeburten, während andere behinderte Babys gebaren.» (Akbar Khan aus der Provinz Paktika, Februar 2003) Der schweigende Tod schlägt zu: in den Familien und unter den Freunden Die Verewigung des immerwährenden Todes in Afghanistan findet mit dem Ablauf jedes einzelnen Tages ihre Fortsetzung. Jeden Tag beobachten die Menschen, wie der schweigende Tod in ihren Familien und unter ihren Freunden zuschlägt, ohne Hoffnung und voller Grauen schon die nächste Beerdigung vor ihrem inneren Auge sehend. Dieser wahllose Mord am afghanischen Volk geht weiter, während jene, deren Steuergelder die ungeheuerlichen Waffen bezahlten und diesen Völkermord bewirkten, so tun, als ob alles in Ordnung wäre. Die entsetzlichen Bilder der Sterbenden – deren Körper nicht ihrem Alter entsprechen, da sie so viel Uranstaub eingeatmet hatten, dass er die Morphologie ihrer Knochen beeinträchtigte – haften im Gedächtnis derer, die noch leben und angstvoll darauf warten, dass ihre Zeit des Unheils kommt. Die schwangeren Frauen haben Angst vor der Geburt ihrer Babys – entsetzt, eine Missbildung statt eines gesunden Kindes zu sehen. Das ist das Vermächtnis der «Befreiung» durch die USA, ein wahlloser Mord der Schwachen und der Unbewaffneten, die keine Mittel der Selbstverteidigung haben. In Wirklichkeit gibt es überhaupt keine Verteidigungsmassnahmen gegen derartige Massenvernichtungswaffen, da die tödlichen Uranoxid-Partikel – der Staub, der entsteht, wenn Uran durch den Aufprall auf ein Zielobjekt pulverisiert wird – im Boden und im Wasser bleiben und die Oberfläche der Vegetation für viele Generationen bedecken werden. Wenn eine US-Bombe oder eine ihrer Verbündeten in einem afghanischen Dorf oder einer afghanischen Stadt landete, wurden das Land und seine Menschen zu einem Teil des mörderischen Vermächtnisses des stillen Todes. Dieses Todesurteil unterscheidet sich Dossier Uranwaffen 105 Zeit-Fragen 2006 von allen anderen, weil mit einem Todesurteil dieser Art alle Menschen, ihr Land und zukünftige Generationen zu einem unausweichlichen Völkermord verdammt sind. Die Tragödie, die diesen Zustand so fürchterlich macht, ist die unabwendbare, unsichtbare Bedrohung, die wahlos auf jeden zielt. Darüber hinaus hat die Bedrohung sich im Wesenskern der Existenz eingenistet, sie hat das Wasser, das Land und seine Bewohner verseucht. Table 4: Combat use of known and suspected DU weapon systems with dense metal penetrator or shaped charge warhead technology Die Bombardierungen gehen weiter Das wahre Ausmass der Katastrophe wird mit der Zeit offenbar werden. In Anbetracht der ständigen Enthüllungen über Menge und Typen der in Afghanistan eingesetzten Waffen ist der schlimmste Zustand noch nicht erreicht. Amerikanische AC-130-Schlachtflugzeuge, A-10 [wie die AC-130 ebenfalls Erdkampfflugzeuge] und B52-Bomber [auch sie werden zur Erdkampfunterstützung und für Präzisionsbombardements eingesetzt] bombardieren tagtäglich afghanische Dörfer und Städte, immer, wenn eine US-Truppeneinheit auf Widerstand stösst. In der Folge geht nicht nur das ständige Sterben weiter, sondern jede Ladung abgereichertes Uran ist ein weiterer Nagel im kollektiven Sarg des afghanischen Volkes. Die riesige Menge der von US-Flugzeugen abgeworfenen Munition und Waffen führte 2002 zu einem rasanten Anstieg verschiedener Gesundheitsprobleme. Das Muster unterscheidet sich vom dem, das den Irakern nach dem ersten Golfkrieg widerfuhr; dort dauerte es Jahre, bis Geburtsfehler, Missbildungen und andere gesundheitliche Wirkungen auftraten. Das weist auf die grosse Menge der Uranwaffen hin, die in Afghanistan eingesetzt wurden, eine Tatsache, die weltweit schon viele Forscher aufgezeigt haben, etwa Dai Williams in England, Dr. Durakovic vom Medizinischen Uran-Forschungszentrum (UMRC) in Kanada und Dr. Marc Herald in den USA. Ausserdem haben verschiedene internationale Zeitungen und Medien, darunter «Le Monde Diplomatique», «The Guardian», [die englischsprachige pakistanische Tageszeitung ] «Frontier Post», BBC, CBC, «al-Jazzera» über die Waffentypen berichtet, die gegen afghanische Ziele – Dörfer, Städte und Höhlensysteme – eingesetzt wurden. Laut BBC (10. April 2002) wurden mehr als 6’600 JDAM Bomben [Joint Direct Attack Munition, lasergelenkte Bomben] über Afghanistan abgeworfen. Im Oktober 2002 berichtete der «Boston Globe» auch: «Im Gegensatz zu älteren Waffen findet die neue Generation ihren Weg dank Neuerungen wie Zielhöheneinstellung und Satellitensteuerung. Die JDAM-Bomben haben sich in Afghanistan schon bewährt. Bis Februar [2002] haben die Kommandeure 6’600 JDAMs abgeworfen – so viele, dass die Vorräte zur Neige gingen und die Produktion in einer Fabrik in Missouri erhöht werden musste.» Bis Oktober 2002, als sich die US-Invasion in Afghanistan erstmals jährte, fielen mehr als 10’000 Tonnen Bomben auf afghanischen Boden (Socialist Worker Online, 11. Oktober 2002). Man stelle sich das Blutbad und die Verseuchung vor, die diese Barbarei verursacht hat. Ein anderer Bericht von Kate Randall schätzte die Zahl der US-Bomben auf 12’000:«Seit die USA am 7. Oktober [2001] den Krieg gegen Afghanistan begonnen haben, wurden dort mehr als 12 000 US-Bomben abgeworfen. Laut Pentagon handelte es sich bei 60% dieser Bomben um solche, die mit Hilfe von Satelliten oder Lasertechnologie präzisionsgesteuert werden. Trotzdem sind viele dieser Bomben – von B-52- und anderen Bombern aus einigen tausend Metern Höhe abgeworfen – vom Kurs abgekommen und haben zivile Ziele getroffen.» (WSWS, 29.12.2001) Ein Jahr nach dem 11. September hat Matt Kelley von Associated Press in einem anderen Bericht die Munitionsstatistik der USA wie folgt dargestellt: «Flugzeuge der USA und der Koalitionstruppen haben mehr als 21’000 Flüge über Afghanistan durchgeführt und dabei mehr als 20’000 Projektile abgeworfen. Etwa 60% der Ge- Dossier Uranwaffen 106 Zeit-Fragen 2006 schosse waren präzisionsgelenkt, das ist der höchste Anteil aller bisherigen Kriege.» Ähnlich berichtete der «Guardian» am 10.4.2002: «Mehr als 22’000 Waffen – von Cruise Missiles bis hin zu schweren Benzin-Luft-Bomben – sind in den letzten sechs Monaten auf das Land abgeworfen worden […] US-Piloten warfen mehr als 6’600 satellitengesteuerte JDAM-Bomben […] Eine von vier Bomben und Raketen, die die USA über Afghanistan abgeworfen haben, dürfte ihr Ziel verfehlt haben.» Die neuen Generationen von Waffen gegen harte Ziele, deren Gefechtsköpfe aus dichtem Metall bestehen, haben zur schweren Verseuchung des Bodens, des Wassers und der Bevölkerung beigetragen. Die folgenden Waffensysteme wurden eingesetzt, um das ärmste Land der Welt, Afghanistan, zu bombardieren: Informationen aus Patenten zu vielen dieser Waffen deuten auf die Verwendung von dichten Metallen hin – abgereichertes Uran, nicht abgereichertes Uran oder Wolfram. Letzteres ist unwahrscheinlich, weil es mehr kostet und schwerer zu bearbeiten ist. Wolfram ist teurer als abgereichertes Uran, das es im Überfluss gibt. Die Uranindustrie der Welt hat über eine Million Tonnen an abgereichetem Uran, das sie beseitigen muss. Wolfram ist ausserdem schwer zu bearbeiten, weil es 1,75mal härter ist als Uran und einen viel höheren Schmelzpunkt hat (Uran: 1132°, Wolfram: 3422°). Ausserdem ist abgereichertes Uran auch ein wirksamer Brandsatz, weil es an der Luft heftig brennt. Als Brandbombe kann es die Munition in Panzern zur Explosion bringen oder unterirdische Lager von Waffen, Treibstoffen entzünden und chemische oder biologische Kampfstoffe zerstören. Die Eignung von Uran, ob abgereichert oder nicht, wird von den Ausführungen des UMRC weiter unterstrichen: Wie die Amerikaner selbst zugeben … «Wie das DOD [das US-Verteidigungsministerium] selber zugibt, ist das geeignetste Metall, das alle diese Anforderungen erfüllt, Uran und Legierungen von Uran. Als primäre Basis von Legierungen sind Titan und Wolfram für diesen Zweck ungeeignet. Uran (abgereichertes wie nicht abgereichertes) bietet einzigartige Struktureigenschaften, und seine chemischen Eigenschaften eignen sich am besten zur Zerstörung von tief in Bunkern verborgenen Zielen, für verschiedenartige Ziele von Area Denial Munition [die das Betreten von/ Sich-Aufhalten in einem Gebiet verunmöglichen soll] und zum Durchschlagen von Zielen, die mit einer Kombination aus Keramik und Metallen gepanzert [sic!] sind.» «Uran kann ‹selbstschärfend› hergestellt werden, so dass es beim Auftreffen auf ein Ziel seine Spitze behält, während Material vom Gefechtskopf abgetragen wird (Titan und Wolfram sind dazu nicht in der Lage). Die Materialstruktur von Uran kann mit Hilfe von metallurgischen und ‹Nano›-Technologien so umgeformt werden, dass eine bestimmte Auswahl ballistischer Eigenschaften erzielt wird, etwa kinetische, thermische, entzündende, Flüssigmetall- und Hochdruck/Temperatur- und Plasmaeffekte. Uran ist ein einfach zur Verfügung stehendes Metall, billig herzustellen und in den Lagern des US-Energieministeriums, des US-Verteidigungsministeriums und der Rüstungsfirmen im Überfluss vorhanden.» Aufgrund dieser vorteilhaften militärischen Eignungen und der niedrigen Kosten ist es logisch, Uran gegenüber Wolfram zu bevorzugen. Ist man sich dessen bewusst, können die folgenden Informationen weiteres Licht auf die Zusammensetzung dieser DU-basierten Waffen werfen. Angesichts der Überlegenheit von Uran über Wolfram sollte die Erläuterung der amerikanischen Patent-Tabelle (siehe rechte Seite) alle Zweifel hinsichtlich der tödlichen Zusammensetzung der Waffen, die Afghanistan zu einem unbewohnbaren Ödland gemacht haben, ausräumen. Die Tabelle wurde von Dai Williams zusammengestellt, sie kann auf der folgenden Webseite nachgesehen werden: www.eoslifework.co.uk/u23.htm#USpatreport Wie das folgende Zitat weiter aufzeigt, haben die USA seit 1997 ihre Munition durch den Einsatz von dichtem Metall verändert und aufgerüstet und deren Durchschlagskraft erhöht: Dossier Uranwaffen 107 Zeit-Fragen 2006 «Seit 1997 haben die USA ihre Geschosse und ihre lasergelenkten Bomben modifiziert und aufgerüstet. Prototypen dieser Bomben wurden 1999 in den Bergen von Kosovo getestet, in noch weit grösserem Umfang aber in Afghanistan erprobt. Zur Aufrüstung gehörte das Ersetzen des konventionellen Gefechtskopfs durch einen Gefechtskopf aus einem dichten Schwermetall. Berechnet man das Volumen und das Gewicht dieses geheimnisvollen Metalls, dann kommt man zu zwei möglichen Schlüssen: es handelt sich entweder um Wolfram oder um abgereichertes Uran». («Le Monde diplomatique», März 2002) «Die Sprengladung an DU der in Afghanistan eingesetzten gelenkten Bombensysteme kann bis zu eineinhalb metrische Tonnen wiegen (wie in Raytheon’s Bunker Buster – GBU-28)». («Le Monde» März 2002) Der Einsatz von Waffen der neuen Generation wurde auch durch das Uranium Medical Research Center (UMCR) bestätigt: «Unabhängige Untersuchungen und öffentlich verfügbare Dokumente der Waffenentwicklungsprogramme der Nato und der USA deuten an oder vermerken direkt, dass Waffenentwicklungsprogramme mit nichtspaltbarem (nicht thermonuklearem) Material (einschliesslich DU) nach wie vor im Gange sind. Die Quellen beinhalten: militärische Forschungslaboratorien und weitervergebene Forschungs- und Entwicklungsprogramme; das amerikanische Science Based Stockpile Stewardship Program; die Föderation der amerikanischen Wissenschafter; Berichte von Veteranen und die jährlichen Berichte und die Werbung von unabhängigen Waffenunternehmen. Gesundheitswarnhinweise des US-Militärs an das Personal der OEF (Operation Enduring Freedom) weisen auf das Vorhandensein von radioaktiven Kontaminationsstoffen hin und empfehlen den Truppen, Schutzmassnahmen zu ergreifen. Im Rahmen der OEF erhielten Planungseinheiten, Spezialeinheiten und Teams die nach den Bombardements die Stellen zu inspizieren hatten, Strahlenschutzanweisungen, Strahlendetektoren und Schutzausrüstung sowohl vor als auch seit dem Einmarsch in Afghanistan.» Und weiter heisst es: «Das US-DBHT-(Deeply Buried Hard Target – harte Ziele tief unter der Erde-)Projekt hatte die Entwicklung von Waffen zum Ziel, um biologische, atomare und chemische Waffenlager und Produktionsstätten in Schurkenstaaten zu zerstören; der US Strategic Military Plan und das US Nuclear Posture Review äussern die Absicht, in Afghanistan und anderen Staaten neue Klassen von Waffen einzusetzen. Dieses Programm war dafür bekannt, seine Waffenentwicklungen und Experimente zu beschleunigen, um für einen möglichen Eingriff im Irak bereit zu sein. Das Weisse Haus und das US-Verteidigungsministerium sprachen oft über die Entwicklung und den Einsatz von Kernspaltung, niedrigstrahlenden und nicht auf Kernspaltung basierenden seismischen bunker- und höhlenzerstörenden Bomben. Diese Waffen erfordern von der Konstruktion her Gehäuse mit schwerem Ballast und geringem Durchmesser, um tief in die Erde eindringen und verstärkte militärische Ziele durchdringen zu können, die robust genug sind, um Aufschläge mit grossen Geschwindigkeiten auszuhalten, bevor sie die Tiefe [im Zielobjekt] erreichen, wo sie detonieren sollen.» Tabelle: US-Patente für Bomben und Raketen mit direktem Verweis auf Uran US-Patent-Nr. Datum Titel und Auszüge aus den Patentbeschreibungen 4,638,73 7 28. Juni 1985 Flugkörper zur Zerschlagung der aktiven Panzerung 1 eines Ziels, wie dargelegt im Patentanspruch 3, der besagt, dass der primäre Gefechtskopf aus einem Schwermetall wie Wolframkarbid und Uranerz besteht […] […] bei diesen Subkaliber-Gefechtsköpfen handelt es sich vorzugsweise um Gefechtsköpfe mit kinetischer Energie, die Nadelgeschosse genannt werden und aus Schwermetall wie abgereicher- Dossier Uranwaffen 108 Zeit-Fragen 2006 tem Uran oder Wolframkarbid bestehen. 5,542,35 4 5,691,50 2 6,389,97 7 20. Juli 1995 5. Juni 1995 Projektile mit sich aufteilendem Gefechtskopf (segmenting warhead projectile) Der Gefechtskopf aus Patentanspruch 2, besagtes erstes und besagtes zweites Gehäuse bestehen unabhängig jedes aus einer Auswahl aus der Gruppe von Eisen, Stahl, Wolfram, Tantal, abgereichertem Uran und Legierungen davon […] Andere für das zerbrechliche erste Gehäuse brauchbare Metalle umfassen Wolfram, Tantal, abgereichertes Uran und Legierungen davon. Low velocity radial deployment with predetermined pattern (eine Vielzahl von Objekten wird hier strahlenförmig in einem vorherbestimmten Muster und mit niedriger Geschwindigkeit zum Einsatz gebracht) Die Erfindung kann in einer Abfangrakete zum Einsatz kommen, um den Bereich des potentiellen Einschlages mit einem Ziel zu vergrössern. Jedes die Letalität erhöhende Objekt (28) wird vorzugsweise aus dichtem Metall hergestellt. Obwohl jedes passende dichte Metall zum Einsatz kommen kann, werden gegenwärtig Metalle mit einer Dichte von mindestens 15 gm/cc bevorzugt, wie z. B. Tantal, Wolfram, Rhenium, Uran usw. Die grössere Dichte erlaubt eine grössere Masse in einem gegebenen Volumen oder dieselbe Masse in einem kleineren Volumen, womit die Aufschlagskraft eines die Letalität erhöhenden Objekts verstärkt wird. Ummantelte Fliegerbombe (shrouded aerial bomb) (BLU-109/B und Varianten) 11. Dez. Dies ist ein definitives Patent für das äussere Gehäuse der verbes1997 serten GUB-15, -24, -27, -31 und AGM-130C-Gefechtsköpfe. Die Hülle enthält den weiterentwickelten AUP-116-Eindringkörper. Dieses Patent kennzeichnet ausdrücklich Versionen mit Wolfram und abgereichertem Uran Patentansprüche: 1. […] […] 5. Die umhüllte Fliegerbombe, deren Patent im Patentanspruch 1 geltend gemacht wird, deren Eindringkörper aus abgereichertem Uran aufgebaut ist. Das UMRC macht den Unterschied dieser Waffen zu denjenigen des ersten Golf-Krieges deutlich: «Diese neue Generation von Waffen und die Ziele, für welche sie konstruiert sind, schreiben besondere Eigenschaften und Funktionen vor: Sie sind so konzipiert, dass sie ‹sich die Bahn selbst brechen können› und fähig sind, vielschichtige, extra verstärkte und abgehärtete Ziele zu durchschlagen. Sie müssen auch 14 bis 20 Fuss [4 bis 6 Meter] von massiv verstärktem Beton zerstören können. Im Gegensatz zu den im ersten Golf-Krieg eingesetzten Eindringkörpern aus DU, die Panzer bezwingen sollten, würden diese neuen Gefechtsköpfe in Verbindung mit hochexplosiver Ladung und/oder hohem Druck, Hohlladung und Zeitzündern benutzt.» Zusätzlich zu den Bomben und Raketen stützt sich die US-Luftwaffe stark auf die Schlachtflugzeuge AC-130, die mit dem 25-mm-GAU-12-Gattling-Geschütz (1800 Schuss Dossier Uranwaffen 109 Zeit-Fragen 2006 pro Minute) mit DU-Munition ausgestattet sind, was zur weiteren Verseuchung der Umwelt und zum Elend der armen Menschen in Afghanistan beiträgt. Zudem stützen sich US-Bodentruppen sehr auf den A-10-«Panzerkiller», der 30-mm-Patronen aus abgereichertem Uran gebraucht. Diese beiden Waffensysteme tragen täglich zum Elend der Menschen dort bei. Die Katastrophe wird viele zukünftige Generationen afghanischer Kinder, Frauen und Männer heimsuchen. Dr. Michael H. Repacholi von der Weltgesundheitsorganisation berichtete: «DU (abgereichertes Uran) wird von den Feuerwaffen in Form von kleinen Partikeln freigesetzt, die eingeatmet, über die Nahrung aufgenommen oder in der Umgebung bleiben können». Er fügte hinzu: «Kinder sind der Gefahr einer DU-Kontamination durch kontaminiertes Essen und Wasser weit stärker ausgesetzt als Erwachsene, wenn sie in einem Kriegsgebiet ihre normalen Aktivitäten wieder aufnehmen, da die typische Hand-zu-Mund-Aktivität im neugierigen Spiel zu einer hohen Aufnahme von DU aus dem verseuchten Boden führen könnte». (The Laissez Faire City Times, Vol 5, Nr. 44, 29.10.2001) Anlässlich eines Briefing des Verteidigungsdepartements sagte Dr. Ross Anthony von der Rand Corporation folgendes über DU: «Die Niere ist der anfälligste Teil.» (The Laissez Faire City Times, Vol 5, Nr. 44, 29.10.2001). Steve Fetter und Frank von Hippel schrieben im Bulletin of the Atomic Scientists (1999): «Die Strahlendosen für Soldaten mit integrierten Fragmenten von DU kann beschwerlich sein […] Die Erde, über die die Schadstoffwolke mit DU-Teilchen hinwegzieht, würde durch eine dünne Schicht von DU-Staub bedeckt. Ein Teil davon würde später durch den Wind und durch menschliche Aktivität aufgewirbelt […] Die Munition könnte zur Ablagerung einer Schicht von [DU-]Staub auf Getreide führen, das direkt von Menschen gegessen oder aber von Tieren gefressen werden könnte, die später von Menschen gegessen werden […] Grobe Schätzungen legen allerdings nahe, dass das Krebsrisiko auf Grund des Konsums verseuchter Produkte geringer wäre als auf Grund einer Aufnahme durch Einatmen.» Übersetzt heisst das: mehr Missbildungen, Krankheiten und Tote für die armen Afghanen. Wie ich auch in meinem früheren Bericht (www.rense.com/general35/perp.htm) dargelegt habe, dauerte es nach dem ersten Golf-Krieg durchschnittlich 5 Jahre, bis im Irak verschiedene Missbildungen auftraten, in Afghanistan hingegen begannen die Menschen bereits Wochen nach der ersten Bombardierung über verschiedene Krankheiten zu klagen. Das kann nur eines bedeuten: Das Ausmass der auf Uran basierenden Waffen, die in Afghanistan zum Einsatz kamen, ist weit grösser als dasjenige im Irak während des ersten Golf-Krieges. Diese Tatsache wird von den Nachrichten untermauert, dass in den ersten fünf Monaten des Bombardements 6’600 JDAM-Bomben [Joint Direct Attack Munition, lasergelenkte Bomben] auf Afghanistan abgeworfen wurden, die das Ausmass der UranVerseuchung viel höher machen als jenes im Irak während des ersten Golf-Krieges. Durch das Auftreten übermässiger Gesundheitsprobleme wuchsen unter den Wissenschaftern weltweit Wissbegier und Besorgnis bezüglich der Verwendung von abgereichertem Uran. Das erste wissenschaftliche Unternehmen, das aus zwei aufeinanderfolgenden Reisen nach Dschalalabad und Kabul bestand, wurde vom Medizinischen Forschungszentrum für Uran (Uranium Medical Research Center, UMRC) durchgeführt. Die vorläufigen Ergebnisse des UMRC-Untersuchungsteams waren: • Radiologische Messungen der Urankonzentration in Urinproben afghanischer Zivilisten zeigen einen ungewöhnlich hohen Grad von nicht abgereichertem Uran an. Radiologische Messungen bei afghanischen Zivilisten geben hohe Konzentrationen von Uran vom 4-fachen bis 20-fachen der normalen Bevölkerung an. Das entspricht einer Erhöhung von 400% bis 2000% im Vergleich zu den Kontrollstudien und Basisdaten der normalen Bevöl- Dossier Uranwaffen 110 Zeit-Fragen 2006 kerung hinsichtlich der Nanogram-Konzentrationen von Uran pro Liter Urin in einer 24stündigen Probe.» • «Die Verhältniszahlen der Isotope der Uranverseuchung, die bei afghanischen Zivilisten gemessen wurden, zeigen, dass es sich nicht um abgereichertes Uran (DU) handelt. Die Uran-Isotope, die im Urin afghanischer Zivilisten gefunden wurden, stammen von nicht abgereichertem Uran.» • «Das UMRC untersuchte die möglichen Ursprünge dieser Vergiftung. Die vorläufigen Ergebnisse der radiologischen Urin-Analysen werden bestätigt durch radiologische Messungen an Trümmern und Waffenfragmenten von Zielorten und Bombenkratern der OEF (Operation Enduring Freedom).» • «Das UMRC-Team, das die Feldstudie durchführte, traf mehrere hundert Zivilisten mit akuten Symptomen und solche, die über sich entwickelnde Symptome berichteten, chronische Symptome innerer Vergiftung durch Uran (eingeschlossen angeborene Probleme bei Neugeborenen). Von allen Personen wird berichtet, dass der Beginn der Symptome mit dem Zeitpunkt der Bombardierung übereinstimmt und dass diese vor der Bombardierung nicht aufgetreten waren.» • «Gemäss Standard-Praxis wird bei radiologischen Messungen von Urinproben irgendeiner Bevölkerungsgruppe das Isotopenhäufigkeitsverhältnis der drei natürlich auftretenden Uranisotope (U234, U235, U238) bestimmt. Diese Isotopen-Menge wird als ein Bruchteil des Urans gemessen, das in einer 24-Stunden-Urinprobe freigesetzt wird. Das Verhältnis der Uran-Isotope im Urin, der in Afghanistan gesammelt wurde, ist das unverwechselbare Erkennungsmerkmal des nicht abgereicherten Urans (NDU). Es entspricht nicht dem Verhältnis der Isotope von DU. Abgereichertes und nicht abgereichertes Uran sind beides Arten von Uran. Das UMRC berichtet über die isotopischen Kennzeichen des Urans, das im Urin afghanischer Zivilisten gefunden wurde.» (UMRC Preliminary Findings from Afghanistan & Operation Enduring Freedom, www.umrc.net/AfghanistanOEF.asp) Die Mitarbeiter des UMRC teilten das Folgende über nicht abgereichertes Uran (NDU) mit: «Tatsächlich handelt es sich bei NDU, wenn es ‹jungfräuliches Uran› ist, um reines, aus dem Bergwerk gefördertes Uran, in der Phase vor der Aufbereitung zu Brennstäben oder Waffen, und es ist bedeutend billiger pro Tonne als DU. Die Gasdiffusion und die Zentrifugenprozesse zur Urananreicherung erfordern so viel elektrische Energie, dass sie bestimmte Energieproduktionsquellen benötigen – einige angetriebene Reaktoren wurden nur gebaut, um den Anreicherungsprozess hochzufahren. Auch hinsichtlich Betrieb und Kapitalisierung sind es teure Technologien. Als Nebenprodukt des Anreicherungsprozesses ist DU daher definitionsgmäss pro Tonne sehr viel teurer, da es mittels der Anreicherungsphase hergestellt werden musste.» Nachdem Urinproben sowie Bodenproben von zerstörten Orten und von Gebieten um Kabul und Dschalalabad und anderen Regionen gesammelt worden waren, führte UMRC detaillierte wissenschaftliche Analysen dieser Proben durch und veröffentlichte seine Ergebnisse am 21.05.2003 unter www.umrc.net/AfghanistanOEF.asp: • Die neuesten Befunde des UMRC vom Mai 2003 enthüllen eine breitere Ausdehnung der Kontamination von Menschen und Umwelt der afghanischen Zivilbevölkerung und bestätigen die Ergebnisse vom November 2002 in Dschalalabad. • In der Gegend um Dschalalabad: Neue Referenzwerte, basierend auf kürzlich gesammelten Proben und Kontrollen haben die Ergebnisse von Dschalalabad nach oben korrigiert auf Uran-Werte, die dem 45-fachen der Normalwerte entsprechen. • Neue Studien mittels biologischer Untersuchungen haben im Gebiet von Spin Gar (Tora Bora) und in Kabul ein Ausmass innerer Vergiftung durch Uran ermittelt, das bis zum 200-fachen des Referenzwertes der nicht exponierten Bevölkerung entspricht. • Oberflächengewässer, Reisfelder und Auffangbecken, die an bombardierte Gebiete grenzen und um sie herum liegen, weisen hohe Werte von Uran auf, bis zum 27-fachen des Normalwertes. Dossier Uranwaffen 111 Zeit-Fragen 2006 • In einigen Urinproben hat das Labor niedrige, aber bis jetzt nicht beweiskräftige Messwerte von Uran 236 nachgewiesen; eine weitere Untersuchung läuft, um den metallurgischen Ursprung des Urans zu ermitteln, unter Beachtung von «handelsüblichem natürlichem Uran», das rezyklierte Brennstoffe aus Reaktoren beinhaltet. • Analysen von Bodenproben und Trümmern, die innerhalb der OEF-Bombenkrater und Zielorte gesammelt wurden, weisen im Vergleich zu den Normalwerten 3- bis 6-fache Uran-Werte auf. • Die Messwerte der Bodenoberflächen in der Umgebung der bombardierten Gebiete, die in Windrichtung von Ground zero liegen, sind im Vergleich zu den Referenzwerten um das beinahe 3-fache erhöht. • Feld- und Labordaten zeigen, dass Proben mit erhöhtem Urananteil, die Gesundheitsprobleme der Bevölkerung und der Zeitpunkt, in dem man den Waffen ausgesetzt war, räumlich und zeitlich damit übereinstimmen, wie die Waffen während der Operation Enduring Freedom zum Einsatz kamen. Als ich, den Funden der UMRC entsprechend, zwei Gruppen von Feldbeobachtern beauftragte, Ost- und Südost-Afghanistan sowie Kabul nach Auswirkungen von Uran auf die örtliche Bevölkerung zu durchkämmen, stiessen sie auf viele furchtbare Zustände. Sie fassten ausgedehnte Gebiete in ganz Afghanistan ins Auge, das Hauptmass an Kontamination findet sich in der hauptsächlich von Paschtunen dominierten Region im Osten, im Südosten, im Süden und im Südwesten Afghanistans. Mehr als 1000 Tonnen an nicht abgereichertem und an abgereichertem Uran (das meiste stammt aus A-10- und AC-130-GatlingGewehren) wurden von den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten gegen das wehrlose afghanische Volk eingesetzt. Das Zentrum der Kontamination ist Tora Bora, die Bagram-Front nördlich von Kabul, Shaikoot, Paktia, Mazar-i-Sharif und die Kundus-Front (so die Feldbeobachter). Von Feldbeobachtern erhobene Daten: Als Folge der Kontamination werden Babys mit körperlichen Missbildungen geboren, und die, die keine körperlichen Deformationen haben, sind geistig zurückgeblieben. Über solche Fälle wurde aus folgenden Orten berichtet: Paktia, Nangarhar, Bagram, aus Mazar-iSharif und aus Kundus. Wie schon in meinem letzten Bericht zu lesen war, berichtete das Beobachtungsteam nun wieder, dass während der Bombardierung von Tora Bora, Shaikoot und an der Bagram-Front eine grosse Anzahl von Flugabwehrgeschützen und Gewehren geschmolzen war. Während der Bombardierung von ToraBora, der Bagram-Front, von Kundus und Mazar-iSharif wurden viele Taliban-Soldaten gesehen, denen Blut aus Mund, Nase und Ohren quoll. Andere Taliban, die bereits in ihre Heimatdörfer zurückgekehrt waren, erbrachen dort Blut und hatten auch Blut im Stuhl. Viele von ihnen starben in der Folge. Im Zuge der Bombardierung des Dorfes Kuram, im Bezirk Surkhraod, Nangarhar, wurde das Dorf völlig zerstört, und viele Menschen starben ohne Anzeichen äusserer Verletzungen. Nach dem Bombardement von Khost haben Sanitäter von Hautverletzungen berichtet. Diejenigen, die an diesen Hautverletzungen litten, starben, nachdem sich ihr Zustand verschlechtert hatte. Im Bezirk Pachir Wa Agam nahe dem Tora-Bora-Zielgebiet, erkrankten Frauen tödlich. Einige Monate nach dem Bombardement wurde beobachtet, dass sich Frauen aus dieser Gegend wegen geringfügiger Dinge aufregten, dass sich diese Aufregung zur Raserei steigerte, die schliesslich zu einem tödlichen Kollaps führte. (Feldbeobachter des Afghan DU & Recovery Fund) Mein Team berichtete auch, dass viele Kinder ohne Gliedmassen, ohne Augen oder mit Tumoren, die aus Mund und Augen hervortreten, geboren werden. Die folgenden Zeugenaussagen und Fotos, aufgenommen im Irak, sollen hier verwendet werden, um die gleichen Zustände der afghanischen Opfer zu zeigen; sie sind Beweis für die schrecklichen Zustände, an denen Kinder in Afghanistan, ähnlich jenen im Irak, leiden. Dossier Uranwaffen 112 Zeit-Fragen 2006 Der Vater eines der Kinder in Paktia sagte über seinen Sohn: «Als ich meinen kleinen Jungen mit den ungeheuerlichen roten Tumoren sah, dachte ich bei mir: Warum fällt es den Amerikanern schwer zu verstehen, dass sie in unserem Land verhasst sind. Würde ich dies einem Kind einer amerikanischen Familie antun, hätte die Familie das Recht, mir meine Augen aus den Augenhöhlen zu reissen. Ich würde den Amerikanern gern sagen, dass sie ihr Luxusleben auf Kosten der Vernichtung unseres Volkes leben.» (Assadullah, Februar 2003) Der Vater eines der Opfer in Kundus, dessen Frau ein stark missgebildetes Kind zur Welt gebracht hatte, das kaum Ähnlichkeiten mit einem Kind aufwies, sagte unserem Untersuchungsteam in Kabul: «Meine Frau war schwanger, und wir freuten uns auf die Geburt unseres zweiten Kindes. Am Tag der Entbindung war es meiner Frau seltsam zumute, und sie sagte, es gehe ihr nicht gut und sie habe Schmerzen im Unterleib. Als das Baby zur Welt kam, war es kaum als menschliches Wesen zu erkennen. Es sah so aus, als ob jemand das Baby geschlagen und dann seinen Körper mit Mehl bedeckt hätte. Mein armes Kind sah aus, als ob es in einem Korb Mehl gewälzt worden wäre. Als meine Frau das Baby sah, erlitt sie einen Schock. Fünf Stunden später starb sie.» (Zar Ghoon, Dezember, 2002) Das nachfolgende Bild zeigt den Zustand, in dem das Baby von Zar Ghoon geboren wurde: Im Gespräch mit einem der Feldforscher verlor ein Mann aus Tora Bora die Beherrschung, schrie und fragte: «Was wollen die Amerikaner noch? Sie haben uns getötet, sie haben unsere Neugeborenen in schreckliche Missgebilde verwandelt, sie haben unser Ackerland zu Friedhöfen gemacht und unsere Häuser zerstört. Zu allem Überfluss fliegen ihre Flugzeuge über uns und lassen Kugeln auf uns regnen. Wir haben nichts zu verlieren, wir werden sie bekämpfen, so wie wir das vorherige Ungeheuer [die ehemalige Sowjetunion] bekämpft haben.» (Sa’yed Gharib, April 2003). Die meisten von den Menschen, die mehrere unterschiedliche Gesundheitsprobleme entwickelt haben, sind gestorben; andere leiden an Beschwerden wie Nierenkrankheit, Nierenversagen, Verwirrtheit, Immunschwäche und schmerzhaften Gelenken. Ich möchte diesen Bericht mit dem Zitat von einem der Opfer der US-Bombardierungen abschliessen: «Sagt den Amerikanern, dass wir keine Dummköpfe sind. Eure Worte und Taten sind Worte und Taten des Bösen. Wir haben keine Flugzeuge wie ihr, aber wir haben etwas, was ihr nicht habt – Grundsätze und Ethik. Wir werden amerikanischen Kindern nie etwas antun, das im Entferntesten dem gleicht, was die Amerikaner unseren Kindern und unseren Familien angetan haben. Vielleicht gewinnen sie einige Kämpfe, aber wir haben den grossen Kampf schon gewonnen, jenen um das moralische Recht.» (Nurullah Omar-Khail, März 2003) Mdmiraki(at)ameritech.netMdmiraki(at)ameritech.net (Übersetzung Zeit-Fragen) «Afghanistan after democracy: the untold story through photographic images» «Afghanistan nach dem Einmarsch der Demokratie: eine nicht erzählte Geschichte durch Fotografien» ist die Geschichte des Leidens des afghanischen Volkes. Dieses Buch entlarvt die Lügen der Bush-Regierung über das Post-Taliban-Afghanistan und die Katastrophe, die über Afghanistan durch die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Allierten gebracht wurde. Es entlarvt «Demokratie» als das Klingelwort des neokolonialen Abenteuers der USA. Die Behauptungen eines Wiederaufbaus in Afghanistan sind nichts als ein totaler Betrug. Es entlarvt das Versagen der US-Regierung auf allen Ebenen in Afghanistan. Schliesslich entlarvt es den Genozid, der von der US-Regierung durch den Einsatz von Uranwaffen begangen Dossier Uranwaffen 113 Zeit-Fragen 2006 wird, und die Auswirkungen dieser Massenvernichtungswaffen insbesondere der Missbildungen bei neugeborenen Kindern. (Bildband von Mohammed Daud Miraki) Professor Mohammed Daud Miraki lebte bis zu seinem fünfzehnten Lebensjahr in Afghanistan (Kabul und Kandahar). Im Jahr 1982 flüchtete die Familie über Pakistan nach Deutschland. Im Jahr 1984 ging die Familie in die Vereinigten Staaten. Daud Miraki hat Studienabschlüsse in Politischer Wissenschaft und in Studien des Nahen Ostens. Im Jahr 2000 promovierte er an der Universität von Illinois in Politikwissenschaften (Public Policy Analysis). Sein Studium war getragen von dem Wunsch, zur Verbesserung der Lage Afghanistans beizutragen. In den Jahren 1993 bis 1995 leitete er in Pakistan ein Nothilfswerk für afghanische Flüchtlinge. Er unterrichtete mehrere Jahre an der Chicago State University Management und Politik. Nach der US-Invasion in Afghanistan widmete sich Daud Miraki der Datenerfassung der schweren Schäden, die das abgereicherte wie das nicht abgereicherte Uran (DU/NDU) in Afghanistan angerichtet haben und anrichten. Nach seinem letzten Aufenthalt in Afghanistan in diesem Jahr plant er einen Bildband, um die Verwüstung seines Landes und den «stillen Genozid» seiner Bewohner zu dokumentieren. Nr. 41, 11. Oktober 2006, Sonderausgabe Uranwaffen, Seite 1 – 16 Separates Dokument Dossier Uranwaffen 114 Zeit-Fragen 2006 Nr. 42, 16. Oktober 2006, Seite 3 Israel wendet neuen Waffentyp im Gaza-Streifen an Untersuchungsbericht im italienischen Fernsehen Ein Untersuchungsbericht, der vor kurzem im italienischen Fernsehen ausgestrahlt wurde, lässt die Möglichkeit offen, dass Israel in den vergangenen Monaten im Gaza-Streifen mit einer neuen Waffe expe rimentierte, die besonders schwere physische Verletzungen verursacht, wie abgetrennte Gliedmassen und schwere Verbrennungen. Die Waffe ist ähnlich einer vom US-Militär entwickelten, die unter dem Namen DIME (Dense Inert Metal Explosive; [Sprengsatz mit dichtem, reaktionsträgem Metall]) bekannt ist. Sie verursacht einen gewaltigen und tödlichen Schlag – aber innerhalb eines verhältnismässig kleinen Radius. Der Bericht gründet sich sowohl auf Augenzeugenberichte von Medizinern im Gaza-Streifen als auch auf Tests, die in italienischen Labors ausgeführt wurden. Das Forschungsteam ist dasselbe, das vor einigen Monaten festgestellt hat, dass das US-Militär im Irak Phosphorbomben gegen die irakischen Aufständischen in Falludjah angewandt hat. Der israelische Luftwaffengeneralmajor (der Reserve) Yitzhak Ben-Israel, früherer Chef des Waffenentwicklungsprogramms der israelischen Armee (IDF), sagte zu italie nischen Reportern, dass «eine der Ideen [hinter der Waffe] die sei, nur die Gewünschten gezielt zu treffen, ohne in der Nähe stehende oder andere Personen zu treffen». Die Untersuchung folgte Berichten von Ärzten im Gaza-Streifen über unerklärliche schwere Verletzungen. Die Ärzte berichteten von einer ungewöhnlich grossen Zahl von Verwundeten, die die Beine verloren, die völlig verbrannte Körper und Verletzungen hatten, die nicht von Metallsplittern herrührten. Einige der Ärzte behaupteten auch, dass sie Teilchen aus Wunden entfernten, die mit keinem Röntgenapparat sichtbar gemacht werden können. Nach den Zeugenaussagen wurden die Verwundeten im Juni von Munition getroffen, die von Drohnen abgeschossen worden war. Dr. Habas al-Wahid, Chef der Notfallstation des Shuhada al-Aksa-Krankenhauses in Deirel-Balah sagte zu den Reportern, dass die Beine der Verletzten vom Körper getrennt waren, als ob eine Säge benützt worden wäre, die durch einen Knochen schneidet. Da gab es Zeichen von Hitze und Verbrennungen nahe den Stellen der Amputation, aber keine Zeichen, dass Metallisches die Trennung vom Körper verursacht habe. Dr. Juma Saka vom Shifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt sagte, Ärzte hätten kleine Eintrittswunden am Körper der Verletzten und Toten gefunden. Nach Dr. Saka wurde auf dem Körper der Opfer und in ihren inneren Organen ein Pulver gefunden. «Das Pulver war wie mikroskopisch feines Schrapnell, das wahrscheinlich die Verletzungen verursacht.» Das Untersuchungsteam meinte, es bestehe die Möglichkeit, dass die IDF eine Art Waffe anwende, die in ihrer Eigenschaft DIME ähneln würde, die für das US-Militär entwickelt wurde. Nach einer offiziellen Website des US-Luftwaffen-Laboratoriums ist es eine tödliche Waffe, um genau das Ziel zu zerstören, und wenig Kollateralschaden anzurichten. Nach dieser Website enthalten die Projektile eine Karbonfiberummantelung, die mit Wolframpulver und Sprengstoff gefüllt ist. Während der Explosion verbreiten sich Wolframteilchen – ein Metall, das sehr hohe Temperaturen hält – über einen Radius von vier Metern und verursachen den Tod. Nach der US-gestützten Website von Defense-Tech ist «das Ergebnis ein unglaublich zerstörender Schlag in einem kleinen Areal» und die «zerstörerische Kraft der Mischung verursacht weit grösseren Schaden als reine Explosivstoffe». Hinzugefügt wird noch, dass «die Wirkung des Mikro-Schrapnells eine ähnliche, aber viel grössere Wirkung habe als Dossier Uranwaffen 115 Zeit-Fragen 2006 ein Schock». Die Waffe ist vermutlich noch in der Testphase und noch nicht auf dem Schlachtfeld angewandt worden. Die italienischen Reporter sandten Proben des Pulvers, das in den Wunden der Verletzten im Gaza-Streifen gefunden wurde, an ein Labor der Universität Padua. Dr. Carmela Vaccaio sagte, dass sie in den untersuchten Proben eine «hohe Konzentration von Karbon fand und ungewöhnliches Material» wie Kupfer, Aluminium und Wolfram. Dr. Vaccaio sagt, das Ergebnis «könnte in Übereinstimmung mit der Hypothese sein», dass die in Frage kommende Waffe DIME ist. Was DIME betrifft – so sagte Ben-Israel den italienischen Reportern –, sei es eine Technik, die bei sehr kleinen Zielen angewandt werden kann. Der Bericht sagt auch, dass diese Waffe nicht vom Völkerrecht verurteilt wurde, da sie offiziell noch gar nicht getestet wurde. Man glaubt, dass diese Waffe schwer krebserregend ist, und dass sie die Umwelt schädigt. Die NGO der Ärzte für Menschenrechte hat an Verteidigungsminister Amir Peretz geschrieben und Erklärungen für die zuvor erwähnten Verletzungen bei Palästinensern gefordert. Amos Gilad, ein ranghoher Berater des Ministers, wird sich in nächster Zukunft mit der Gruppe treffen. Quelle: Meron-Rapport, Haaretz vom 11.10.06, www.indymedia.org/item.php?37945, Übersetzung von Ellen Rohlfs Nr. 43, 24. Oktober 2006, Seite 2 – 3 Ehrliche Atomkriegstreiberei von Professor Francis Boyle, USA zf. Der folgende Text ist ein Auszug aus dem 2002 erschienenen Buch des an der Universität von Illinois lehrenden Rechtsprofessors. Francis A. Boyle legt in diesem Buch ausführlich dar, dass der US-amerikanische «Krieg gegen den Terrorismus» auf lauter Lügen aufgebaut ist und die Atomkriegspläne der US-Regierung Pläne von Kriegsverbrechern sind. Seit den Ereignissen des 11. September ist das amerikanische Volk seitens seiner Regierung wahrscheinlich mit mehr Wahrheit bedient worden als je zuvor. In der Zeit nach dem Vietnam-Krieg, als das berüchtigte Phoenix-Mordprogramm schliesslich ans Tageslicht kam, war die öffentliche Empörung gross genug, um die Untersuchung durch das Church Committee und die anschliessende Ächtung von Morden im Ausland zu ermöglichen. Im Laufe des vergangenen Jahrzehnts und zunehmend unter der Administration von Bush jr. gelangt jedoch ganz offenes Gerede in Form von offiziellen Bemerkungen gewählter Amtspersonen über geplante Morde im Ausland, Bemühungen, die Führer anderer souveräner Staaten zu stürzen oder Invasionen einer nicht näher eingegrenzten Reihe von Nationen in die Tageszeitungen. Verteidigungsminister Ronald Rumsfeld kann zur Festnahme von Verdächtigen «tot oder lebendig» oder sogar «vorzugsweise tot» aufrufen – was ihn in die glückliche Lage versetzen würde, all die rechtlichen Schwierigkeiten zu vermei- Dossier Uranwaffen 116 Zeit-Fragen 2006 den, bin Ladin anhand von Beweisen eine Schuld nachzuweisen oder sogar mit der Möglichkeit einer Reihe von rechtlichen Unkorrektheiten oder strafbaren Handlungen auf der amerikanischen Seite konfrontiert zu werden, besonders seitens der CIA.1 Sogar die «International Herald Tribune» hat in ihrem Bemühen, die europäische Leserschaft von dem langjährigen Kampf der USA gegen al-Kaida zu überzeugen, offenbart, wie der vergleichsweise gemässigte Clinton drei hochgeheime Memoranden unterzeichnet hat, mit denen er die Tötung statt der Festnahme von bin Ladin genehmigt, anschliessend mehrere von alKaidas Leutnants der Liste hinzugefügt und schliesslich seine Zustimmung dazu gegeben hat, dass die privaten zivilen Flugzeuge, in denen sie flogen, abgeschossen werden.2 Daher dürfte es nicht überraschen, dass in diesem heftigen Überfall freimütiger Offenbarung von machiavellistischer Realpolitik die in der Vergangenheit verdeckten Absichten von Amerikas atomarer Abschreckungspolitik durch beinahe spontane Bemerkungen ans Tageslicht kamen wie in derjenigen des allgegenwärtigen stellvertretenden Verteidigungsministers Wolfowitz [vor seinem Wechsel an die Weltbank], die in der Ausgabe der «New York Times» vom 9. Januar 2002 abgedruckt war: «Wir sehen derzeit eine Veränderung unserer Haltung in der Abschreckung von einer fast ausschliesslichen Betonung der offensiven Atomstreitkräfte [Hervorhebung hinzugefügt] hin zu einer Streitmacht, die Verteidigung ebenso einschliesst wie Angriff und die konventionelle Schlagkraft ebenso beinhaltet wie atomare Schlagkraft und deren Grad an atomarer Schlagkraft deutlich reduziert wird», sagte der stellvertretende Verteidigungsminister Paul D. Wolfowitz. Nun, wenigstens war er insoweit ehrlich. Wolfowitz gab zu, dass die gegenwärtige Praxis der USA im Hinblick auf die sogenannte atomare «Abschreckung» in Tat und Wahrheit «ihren Schwerpunkt fast ausschliess lich im Bereich offensiver Atomstreitkräfte hat». Um es noch einmal zu wiederholen, weil dies Hervorhebung verdient: Der stellvertretende Verteidigungsminister der USA hat öffentlich zugegeben und eingeräumt, dass «fast» alle Atomstreitkräfte der USA in Wahrheit «offensiv» und nicht wirklich auf «Verteidigung» ausgerichtet sind. Auch diese Stellungnahme könnte vor den Internationalen Strafgerichtshof gebracht und die Vereinigten Staaten könnten wegen dieses Schuldeingeständnisses angeklagt werden, da Wolfowitz diese Äusserung in seiner Eigenschaft als offizieller Amtsinhaber getätigt hat. Natürlich hat die Friedensbewegung und der gut informierte Teil der amerikanischen Öffentlichkeit schon immer gewusst, dass es sich so verhält. Dennoch sollte es als ein unheilvolles Zeichen der Zeit gesehen werden, dass das Pentagon so unverfroren geworden ist, dass es die atomare Kriminalität der USA vor der ganzen Welt öffentlich zugibt. Die Prostitution der Nato In ihrem Bemühen, ihrer Kriegstreiberei den Anschein von Pseudo-Legitimität zu geben, hat sich die Bush-jr.-Administration auch an das Nato-Hauptquartier in Brüssel gewandt, um eine Resolution zur Unterstützung der Gewaltanwendung zu erreichen. Die Nato ging dazu über, Artikel 5 des Nato-Paktes anzuwenden.3 Der Zweck von Artikel 5 des NatoPaktes ist ausschliesslich, den Fall eines bewaffneten Angriffs durch einen oder mehrere Staaten gegen einen oder mehrere Mitgliedsstaaten der Nato zu regeln. Es ist und war nie dessen Zweck, auf einen terroristischen Angriff angewendet zu werden. Die Nato wurde ursprünglich organisiert als ein kollektives Selbstverteidigungsbündnis nach Artikel 51 der UN-Charta, in dem das Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung im Fall eines bewaffneten Angriffs eines Nationalstaates auf einen anderen Nationalstaat anerkannt ist. Die zugrundeliegende Annahme war, dass das Nato-Bündnis auf einen bewaffneten Angriff eines oder mehrerer Mitglieder des Warschauer Paktes, insbesondere der Sowjetunion, auf eines oder mehrere Mitglieder der Nato reagieren würde. Aber mit dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes und der Desintegration der Sowjetunion gab es keine Rechtfertigung und keinen Grund mehr für die fortdauernde Existenz Dossier Uranwaffen 117 Zeit-Fragen 2006 der Nato. Die Nato hatte ihre Existenzberechtigung verloren. In dem Bemühen, die Nato am Leben zu erhalten, versuchte Bush sr. dann, ihre eigentliche Natur zu verändern, um sie für zwei zusätzliche Zwecke einzusetzen: 1) zur Überwachung von Osteuropa und 2) für militärische Interventionen im Nahen Osten, um die Ölund Gasvorkommen zu sichern. Der Nato-Rat stimmte im wesentlichen der von Bush sr. initiierten Veränderung der Nato von einem rechtmässigen Bündnis zur Selbstverteidigung in einen illegalen offensiven interventionistischen Pakt zu.4 Das erinnert an den Ribbentrop-Molotow-Pakt, der der notwendige Vorbote von Hitlers Überfall auf Polen war und so zum Beginn des Zweiten Weltkrieges führte! Eine Generation später schuf Bush sr. die politischen Voraussetzungen für den illegalen Krieg der Nato von 1999 gegen Serbien um Kosovo unter der kriminellen Führung von Präsident Bill Clinton. Serbien hat zu keiner Zeit ein Mitgliedsland der Nato angegriffen – im Gegenteil. Die Nato-Allianz hat Serbien ohne Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates angegriffen.5 Aber darum ging es bei der «Überwachung» von Osteuropa nach der Einschätzung von Bush sr. und Clinton ja gerade. Ich habe meine Jurastudenten von 1991 bis 2001 immer gefragt: Bitte erklären Sie mir den wesentlichen Unterschied zwischen Clinton und Bush sr.? Das hauptsächliche rechtliche Problem in diesen Zusammenhang ist, dass der Nato-Pakt keinerlei Ermächtigung enthält, all dies zu tun, und tatsächlich von den Parlamenten der Mitgliedstaaten der Nato hätte erweitert werden müssen, um sowohl die Überwachung von Osteuropa als auch die Interventionskriege gegen den Nahen Osten zu rechtfertigen. Zudem hätte jeder derartige offensive Einsatz von Fall zu Fall die ausdrückliche Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates erfordert, wie Artikel 53 (1) der UN-Charta klar verlangt. Bush sr. und Clinton wollten ganz einfach ein nützliches Werkzeug für kollektive, offensive militärische Interventionen unter der dominierenden Kontrolle der Vereinigten Staaten, die eine dünne Tünche von Multilateralismus für die Zwecke der heimischen und internationalen Propaganda bieten würde, während man damit gleichzeitig die überwachende Zuständigkeit des UN-Sicherheitsrates im Zusammenhang mit den Anforderungen der UN-Charta vermeiden konnte. Dasselbe traf auf die Gefolgsleute von Bush jr. im Zusammenhang mit ihrer Prostitution der Nato nach dem 11. September 2001 zu. Unmittelbar nach dem 11. September folgte Bush jr. einfach dem Weg, den Bush sr. und Clinton ihm schon gebahnt hatten. Dass sich Bush jr. auf Artikel 5 des Nato-Statuts berufen hat, war ein kompletter Schwindel. Es ist eine historische Ironie, aber keine Überraschung, dass ausgerechnet die Vereinigten Staaten, die die Nato angeblich geschaffen haben, um Europa vor einem bewaffneten Angriff der Sowjetunion zu «schützen», schliesslich als erste dadurch begünstigt wurden, dass die Nato Artikel 5 angewandt hat. Wer die Musik bezahlt, bestimmt, was gespielt wird. Oder wie die Funktionäre von Clinton während ihres illegalen Angriffs auf Serbien wegen Kosovo freimütig zugegeben haben: Die USA sind die Nato! Dieses anscheinende Paradoxon kann gelöst werden, wenn man versteht, dass der wahre Grund, warum die Vereinigten Staaten die Nato geschaffen haben, von Anfang an war, die amerikanische Kontrolle und Dominanz über den europäischen Kontinent sicherzustellen.6 Das ist nach wie vor der eigentliche Zweck der Nato, auch wenn Europa darum kämpft, sein eigenes Militär für seine kollektive Selbstverteidigung zu schaffen. Der Kreuzzug von Bush jr. Heute lassen sich die Mitgliedstaaten der Nato bereitwillig für den heiligen Krieg von Bush jr. gegen den internationalen Terrorismus in Afghanistan, Somalia und anderen arabischen und muslimischen Ländern anwerben. Wir werden Zeugen eines erneuten mittelalterlichen Kreuzzuges der weissen, europäischen, christlichen Kolonialmächte gegen die 1,2 Milliarden Muslime der Welt, die in ungefähr 58 Staaten organisiert sind und von denen die meisten in der rassistischen europäischen Denkweise als Farbige angesehen wer- Dossier Uranwaffen 118 Zeit-Fragen 2006 den und die zufällig die rechtmässigen Eigentümer der massiven Öl- und Erdgasvorräte des Nahen Ostens, Zentralasiens und Südostasiens sind, die der Westen so verzweifelt ersehnt. Das ist es, was hier wirklich stattfindet. Und wenn Sie irgendwelche Zweifel haben, dann rufen Sie sich in Erinnerung, dass es Bush jr. selbst war, der seinen heiligen Krieg gegen den internationalen Terrorismus als «Kreuzzug» bezeichnet hat. Natürlich weiss die muslimische Welt alles über westliche Kreuzzüge und westliche Kreuzritter. Die Vorhersage zum «Kampf der Kulturen» von Samuel Huntington, der gleichzeitig mit mir in Harvard den Doktor gemacht hat, ist im Westen intensiv diskutiert worden,7 während die iranische Erwiderung, die zum «Dialog unter den Kulturen» aufgerufen hat, unbemerkt geblieben ist. Die muslimische Welt war kürzlich Zeuge einer weit verbreiteten Vernichtung muslimischer Völker durch die westlichen Kreuzritter und ihrer Surrogate in Bosnien, Tschetschenien, im Irak, in Palästina, Libanon und jetzt Afghanistan. Es scheint fast, als ob das Drehbuch für die neue Weltordnung von Bush sr./jr. aus Huntingtons «Kampf der Kulturen» entnommen wäre. Unheilvollerweise endet dieser schwerfällige Wälzer mit einem prognostizierten Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und China – und ruft damit die rücksichtslose Feindschaft aus den frühen Tagen der Bush-jr.-Administration gegenüber der Volksrepublik China wieder in Erinnerung. Der US-/UN-Botschafter des Todes Indem sie sich an die Nato gewandt hat, hat die Bush-jr.-Administration versucht, irgend eine Art von Zustimmung zu einem Krieg gegen Afghanistan zu bekommen, nachdem sie damit beim UN-Sicherheitsrat gescheitert war. Danach hat die Bush-jr.-Administration noch einmal versucht, vom Sicherheitsrat eine Vollmacht für den Krieg zu bekommen, aber alles, was sie erreicht hat, war eine Stellungnahme des Generalsekretärs, die rechtlich unbedeutend war. Daraufhin haben sie es noch ein drittes Mal versucht, irgendeine Art von Erlaubnis vom Sicherheitsrat zu bekommen, Gewalt anzuwenden. Dieses Mal erreichten sie eine härtere Stellungnahme, aber – und es ist notwendig, dies hervorzuheben, weil sich der Standpunkt der Uno der amerikanischen Öffentlichkeit nicht klar eingeprägt hat – sie haben immer noch keine Genehmigung des Sicherheitsrates bekommen, aus irgendeinem Grund militärische Gewalt anzuwenden, von einem umfassenden Krieg gegen Afghanistan, ein Mitgliedsland der Uno, ganz zu schweigen.8 Dann hat der neue US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, John Negroponte, dem UN-Sicherheitsrat einen Brief geschrieben, in dem er sich auf Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen berief.9 Einige von uns in der Friedensbewegung kennen Negroponte, der während des Contra-Terrorkrieges von Reagan und Bush gegen Nicaragua US-Botschafter in Honduras war und das Blut von etwa 35’000 nicaraguanischen Zivilisten an seinen Händen hat – ungefähr zehnmal mehr als die Zahl der Opfer der terroristischen Angriffe am 11. September 2001. Tatsächlich war aus diesem Grund der einzige Weg, wie Bush jr. ihn vom Senat bestätigen lassen konnte, Negropontes Namen unmittelbar nach den Angriffen vom 11. September durch den «Zustimmungs»prozess des Senats zu peitschen. Das stellt eine weitere machiavellistische Ausnutzung dieser fürchterlichen nationalen Tragödie durch George W. Bush dar. In einem Akt unfreiwilliger Anerkennung für Orwell wählte die Bush-jr.-Administration ausgerechnet Negroponte aus, um der ganzen Welt vor der Uno eine Vorlesung über Terrorismus zu halten – ein Thema, in dem er kraft eigener ausgedehnter persönlicher Erfahrung ein anerkannter Experte ist. «Selbstverteidigung» nach Art der Nazis taucht wieder auf Angesichts seiner Vorläufer kam der Brief von Negroponte an den Sicherheitsrat nicht überraschend. Darin stand im Wesentlichen, dass sich die Vereinigten Staaten das Recht vorbehalten, im Fall von Selbstverteidigung Gewalt gegen jeden Staat auszuüben, der die Bush-jr.-Administration zum Opfer machen will, um ihren heiligen Krieg gegen den Terrorismus so zu führen, wie es ihr passt. Kurz darauf fragte mich ein Reporter des San Fran- Dossier Uranwaffen 119 Zeit-Fragen 2006 cisco Chronicle, ob es einen Präzedenzfall für die alles hinwegfegende Position gebe, die Negroponte einnehme, dass die Vereinigten Staaten das Recht hätten, auf Grund ausschliesslich von ihnen selbst erklärter Selbstverteidigung mit 30 bis 60 Staaten Krieg anzufangen. Ich antwortete, dass es in der Tat einen sehr unglücklichen Präzedenzfall gebe, der in den Protokollen der Nürnberger Prozesse von 1946 festgehalten sei. Es war bemerkenswert, aber nicht überraschend, dass der Massenmörder Negroponte eine Argumentation benutzte, wie sie zur Verteidigung der Nazi-Kriegsverbrecher vor dem Nürnberger Tribunal im Hinblick auf die Nichtanwendbarkeit des Kellogg-Briand-Paktes von 1928 vorgebracht worden war. Der «Paris Peace Pakt» hatte den Krieg als Instrument nationaler Politik formell zurückgewiesen. Ein Artikel 1 sah vor: «Die hohen vertragsschliessenden Parteien erklären feierlich im Namen ihrer jeweiligen Völker, dass sie den Einsatz von Krieg zur Lösung internationaler Konflikte verurteilen, und weisen ihn als ein Instrument nationaler Politik in ihren gegenseitigen Beziehungen zurück.» Jedoch hat Deutschland damals bei der Unterzeichnung einen Vorbehalt des Inhalts gemacht, dass es sich das Recht vorbehielt, in einem ausschliess lich von ihm selbst erklärten Fall von Selbstverteidigung einen Krieg anzufangen. Also haben die Nazi-Kriegsverbrecher, als sie wegen ihrer Verbrechen gegen den Frieden auf der Grundlage des Kellogg-Briand-Paktes verfolgt wurden, im Wesentlichen damit argumentiert, dass der Zweite Weltkrieg ein von der Nazi-Regierung als solcher definierter Selbstverteidigungskrieg gewesen sei und dass das Nürnberger Tribunal nicht die Kompetenz habe, etwas anderes anzunehmen, weil Deutschland sich das Recht vorbehalten habe, den Selbstverteidigungsfall selbst zu definieren. Es versteht sich von selbst, dass das Tribunal dieses absurde Argument vollständig zurückgewiesen und später einige Nazi-Kriegsverbrecher unter anderem wegen der Verbrechen gegen den Frieden, die sie begangen hatten, zum Tode verurteilt hat.11 Sowohl die Vereinigten Staaten als auch Afghanistan sind Vertragspartner des Kellogg-Briand-Paktes. Artikel 6 (a) der Charta der Nürnberger Prozesse von 1945 definiert «Verbrechen gegen den Frieden» wie folgt: (a) Verbrechen gegen den Frieden: insbesondere Planung, Vorbereitung, Beginn und Durchführung eines Angriffskrieges oder eines Krieges in Verletzung internationaler Verträge, Vereinbarungen oder Zusicherungen oder Teilnahme an einem gemeinsamen Plan oder einer Verschwörung zur Durchführung eines der Vorstehenden … Der Krieg von Bush jr. gegen Afghanistan in Verletzung des Kellogg-Briand Paktes von 1928 und der Charta der Vereinten Nationen von 1945 stellt ein Verbrechen gegen den Frieden im Sinne der Nürnberger Prinzipien dar. Dies stellt ein weiteres krasses Beispiel dafür dar, warum genau das Pentagon und Bush jr. so vehement gegen die Einrichtung eines internationalen Strafgerichtshofes opponiert haben. Quelle: The Criminality of Nuclear Deterrence. Could the U.S. War on Terrorism go Nuclear? Francis A. Boyle, Atlanta, GA., 2002, ISBN 0-932863-33-7 1 See John K. Cooley, Unholy Wars (2d ed. 2000). 2 International Herald Tribune, Online Edition, Dec. 9, 2001. 3 Statement by the North Atlantic Council, Press Release (2001) 124 (12 Sept. 2001). 4 See Nato Press Communiqué S-1 (91) 86, Rome Declaration on Peace and Cooperation (8 Nov. 1991). 5 See Noam Chomsky, The New Military Humanism (1999); Noam Chomsky, Rogue States (2000). 6 See Noam Chomsky, What Uncle Sam Really Wants (1992). 7 See Samuel P. Huntington, The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order (1996). 8 U.N. Security Council Resolution 1373 (28 9.2001). 9 S/2001/946 (7 Oct. 2001), 40 I.L.M. 1281 (2001). Dossier Uranwaffen 120 Zeit-Fragen 2006 Nr. 43, 24. Oktober 2006, Seite 4 Atomhysterie Überzogene Reaktionen auf den Kernwaffentest Nordkoreas, gepaart mit klammheimlichen Kriegsvorbereitungen gegen den Iran von Jürgen Rose, Deutschland «Ich nenne die Atomwaffen Ungeziefervertilgungsmittel, bei denen der Mensch das Ungeziefer sein soll.» Gustav Heinemann, 1958 «Die Zerstörungskraft nuklearer Waffen kann weder in Raum noch Zeit eingegrenzt werden. Sie besitzen das Potential, jede Zivilisation und das gesamte Ökosystem des Planeten zu vernichten.» So lautete die zentrale Konklusion des Internationalen Gerichtshofes (IGH) in seinem Rechtsgutachten vom 8. Juli im Jahre 1996. Folgerichtig hatten daraufhin die Richter festgestellt, es sei grundsätzlich illegal, mit dem Einsatz von Atomwaffen zu drohen oder gar solche tatsächlich einzusetzen. Einstimmig leitete das Richtergremium hieraus die völkerrechtlich verbindliche Pflicht ab, weltweit sämtliche atomaren Waffenarsenale unter strikter internationaler Kontrolle vollständig abzurüsten. Doch blieb dieser epochale Richterspruch des IGH in den vergangenen zehn Jahren weithin unbeachtet. Nach wie vor werden Abertausende von Atomwaffen in Raketensilos, Bombengrüften und auf strategischen U-Booten einsatzbereit gehalten. Und anstatt wie vertraglich zugesichert abzurüsten, wird die Vernichtungskraft der Potentiale zum Massenmord durch fortlaufende Modernisierung immer weiter gesteigert. Besonders tun sich hierbei die USA hervor, wo intensiv an euphemistisch als «Mini-Nukes» bezeichneten Atomwaffen zur Bekämpfung gehärteter unterirdischer Ziele gearbeitet und damit die Schwelle zum Kernwaffeneinsatz immer niedriger gelegt wird. Aber auch die anderen vier im sogenannten Atomwaffensperrvertrag (Non-Proliferation Treaty, NPT) offiziell anerkannten Nuklearmächte Russland, China, Frankreich und Grossbritannien ignorieren souverän die völkerrechtlich verbindlich eingegangene Abrüstungspflicht, ganz zu schweigen von Israel, Indien und Pakistan, die dem NPT nie beigetreten sind und somit ausserhalb jeglicher internationaler Kontrolle ihre Nuklearprogramme betreiben. Angesichts des Ausmasses dieses habituellen Völkerrechtsbruchs müssen die hysterischen Ausbrüche und Reaktionen schon erstaunen, die der Umstand auslöst, dass sich zu den acht etablierten Atom-Schurken mit Stichtag 9. Oktober nun ein weiterer gesellt. Ungeachtet dessen forderte John Bolton, George W. Bushs fleischgewordene Rache an den Vereinten Nationen, umgehend eine Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates zu militärischen Strafaktionen gegen die «atomaren Amokläufer» in Pjöngjang. Ungeniert proklamierte der Gesandte desjenigen Staates, der im Jahre 2003 ein glasklares völkerrechtliches Verbrechen gegen den Irak verübt hat, das bis zum heutigen Tage andauert, der Nukleartest Nordkoreas «stelle eine der schwerwiegendsten Bedrohungen des internationalen Friedens und der Sicherheit dar, mit dem der Sicherheitsrat jemals konfrontiert war.» Zwar war solch bellizistischer Chuzpe derjenigen Nation, die mittlerweile auf Grund seriellen Völkerrechtsbruchs selbst die schwerwiegendste Gefahr für den Weltfrieden manifestiert, kein Erfolg vergönnt. Nichtsdestotrotz hat der Sicherheitsrat mit seiner Resolution 1718 vom 14. Oktober den Atomwaffentest verurteilt und zugleich ein drakonisches Sanktionsregime gegen die nordkoreanische Militärdiktatur verhängt. Nicht zu Unrecht monierte angesichts dessen Nordkoreas UN-Botschafter Pak Gil Yon, der Sicherheitsrat würde seinem Land gegenüber «doppelte Standards» anlegen, indem er die Drohpolitik der USA, Dossier Uranwaffen 121 Zeit-Fragen 2006 die immerhin die Androhung präemptiver Nuklearwaffenangriffe einschlösse, völlig ignoriere. Zugleich läuft der Sicherheitsrat Gefahr, dem US-Imperialismus einen wohlfeilen Legitimationsgrund für politische Abenteuer in ganz anderen Weltgegenden zu liefern. Denn der ans Pathologische grenzende Eifer, den das Oval Office gegen den als «stalinistisches Schurkenregime» apostrophierten Feind auf der koreanischen Halbinsel entfaltet, ist, wie John Bolton unverblümt zu Protokoll gab, auch anderen Möchtegern-Atommächten geschuldet. Wen er damit meint, liegt auf der Hand. Mögen in der wirklichen Welt die Demokratische Volksrepublik Nordkorea und die Islamische Republik Iran auch geographisch fernab von einander liegen, so befinden sich beide doch auf der politischen Landkarte von Crawford, Texas, in unmittelbarer Nachbarschaft – auf der «Achse des Bösen» nämlich. Und so könnte es keineswegs ein Zufall sein, dass getarnt von den Propagandaschwaden des Spektakels in New York klammheimlich ein Flottenverband der U.S. Navy, angeführt vom Flugzeugträger «Eisenhower», in See gestochen ist. Dessen Bestimmungsort: der Persische Golf. In der letzten Oktoberwoche, gerade rechtzeitig vor den für den 7. November terminierten US-Kongresswahlen, soll er zu der bereits vor Ort befindlichen Kampfgruppe mit dem Flugzeugträger «Enterprise» stossen. Besonders auffällig ist der Umstand, dass die «USS Eisenhower» von mehreren Kriegsschiffen begleitet wird, die über die Kapazität zum Minenlegen verfügen. Analysten in den USA schliessen daraus, dass die seit langem geplante militärische Auseinandersetzung mit dem Iran mit der Verminung iranischer Häfen beginnen könnte. Für den Fall, dass die iranische Regierung auf einen solchen, gegen die ökonomischen Lebensadern des Landes gerichteten Aggressionsakt mit militärischer Gegengewalt reagieren würde, wäre für die Kriegsplaner in der US-Administration der Auslöser für einen umfassenden Luft- und Seekrieg gegen den Iran gegeben. Und da die nuklearen Rüstungsambitionen des Iran nach US-amerikanischer Deutung zweifelsohne noch weitaus gefährlicher sind als diejenigen Nordkoreas – und die hat der UN-Sicherheitsrat soeben scharf sanktioniert –, liesse sich der Weltöffentlichkeit auch ein augenfälliger Legitimationsgrund für einen neuerlichen Golf-Krieg präsentieren. Der von der Europäischen Union ostentativ verkündete Abbruch der Atomverhandlungen sowie die Stationierung starker europäischer Flottenverbände im Rahmen der UN-Mission zur Kontrolle Libanons könnte ein Indiz dafür bilden, dass diesmal auch die «alten» Europäer mit an Bord wären. Der Welt scheint ein strahlend heisser Herbst bevorzustehen. Dipl. Päd. Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr. Er vertritt in diesem Beitrag seine persönlichen Auffassungen Dossier Uranwaffen 122 Zeit-Fragen 2006 Nr. 43, 24. Oktober 2006, Sonderbeilage Uranwaffen, Seite 9 – 16 Editorial zf. Die Idee, Uran für den Bau von Waffen einzusetzen, ist nicht neu. Bereits Hitlers Waffenkonstrukteure träumten davon, die Wirkung ihrer Panzerabwehrwaffen mit dem superdichten Uranmetall zu erhöhen. Auch forschten sie an der Entwicklung einer Atombombe. Es waren jedoch die USA, die am Ende des Zweiten Weltkrieges die Atombombe gegen die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki einsetzten – obwohl der Krieg bereits entschieden war, wie wir heute wissen –, und die damit die ethische Schranke durchbrachen, welche den Einsatz dieser Massenvernichtungswaffe bis dahin undenkbar machte. Inzwischen werden Panzergranaten, Geschosse aller Kaliber, Raketensprengköpfe, bunkerbrechende Bomben und sogenannte «mini nukes» mit Uran aufgerüstet und in allen Kriegen der USA und ihrer Verbündeten eingesetzt. Abgereichertes Uran – englisch «Depleted Uranium», DU, so der Name des verwendeten Materials – erweckt die Assoziation von schwach radioaktiv, harmlos, ungefährlich. DUWaffen sind Uranwaffen. Die Gefahren, die für Menschen und alles Lebendige von ihnen ausgehen, waren den Verantwortlichen von Anfang an bekannt. Sie sind durch zahllose Erkrankungen und menschliches Leid hinlänglich belegt und wissenschaftlich gut untersucht und dokumentiert. Die Geschädigten warten jedoch bis heute vergeblich auf Anerkennung und angemessene medizinische Behandlung. Die Anwendung von Uranwaffen ist laut Völkerrecht verboten und ein Kriegsverbrechen. Und die Anerkennung der Opfer käme dem Eingeständnis begangener Kriegsverbrechen gleich, verbunden mit Schadenersatzforderungen in gigantischer Höhe. Die Strategie der Vertuschung ist immer gleich: Zunächst setzen die Verantwortlichen alles daran, jeden Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Uranwaffen und auftretenden Krankheiten zu leugnen. Wo das nicht mehr geht, verweisen sie auf wissenschaftliche Untersuchungen, die angeblich notwendig seien, um den Zusammenhang zu beweisen. Sie kaufen Studien, die ihren Interessen dienen. Und Wissenschafter, die sich nicht kaufen lassen, werden erpresst und an Leib und Leben bedroht. Uranwaffen gefährden das Leben auf unserer Erde. Ihr Gebrauch ist ein Verstoss gegen das Völkerrecht und muss sofort gestoppt werden. In dieser und der nächste Woche folgenden Sonderbeilage von Zeit-Fragen werden die Vertuschungsstrategien der Verantwortlichen für den Einsatz dieser Massenvernichtungswaffen aufgedeckt. Dossier Uranwaffen 123 Zeit-Fragen 2006 Einsatz von Uranwaffen und Vertuschung der Folgen: ein Kriegsverbrechen Vortrag für die World Uranium Weapons Conference (1. Teil) von Dr. Piotr Bein, Kanada* Wir haben es mit unsichtbaren Feinden zu tun. Wir beschäftigen uns mit nie dagewesenen Gefahren. Afon Claerwen, November 2002 Einleitung Vom «Manhattan project» bis Hamburg Das Konzept der Kriegsführung mit giftigen radioaktiven Substanzen geht auf die Zeit des Zweiten Weltkrieges zurück, als Luftangriffe mit Aerosolen aus Uranoxid als realistische Gefahr betrachtet wurden. Das Militär erkannte das Potential von Uranrauch (Aerosol) zur Vergiftung von Gelände und als Instrument der Kriegsführung mit Giftgas, das Soldaten und Zivilisten tötet und dem Feind den Zugang zu betroffenem Gelände verunmöglicht. Das «Manhattan project» des amerikanischen Kriegsministeriums erwog die Entwicklung von Waffen aus Uran-Aerosolen, wie in einer Mitteilung an General Groves von 1943 dokumentiert ist (www.mindfully.org/Nucs/Groves-Memo-Manhattan30oct43.htm). Das Kriegsministerium wurde später in Verteidigungsministerium (Pentagon) umbenannt. Dem Pentagon waren die Gefahren bekannt, die von winzigen Uranpartikeln ausgehen, aber es hat dennoch Munition aus abgereichertem Uran (Depleted Uranium – DU) entwickelt, die nach den Kriegen im Persischen Golf und auf dem Balkan zu offenen Auseinandersetzungen Anlass gab. Führende Wissenschafter haben sich in zunehmender Zahl an die Seite der Opfer von DU-Waffen – ehemalige Soldaten und Zivilisten – gestellt und Druck auf die Regierungen ausgeübt, die diese Waffen entwickelt und eingesetzt oder deren Einsatz gutgeheissen haben. Es muss bereits seit dem Zweiten Weltkrieg Vertuschungsmanöver hinsichtlich der Auswirkungen des Urans gegeben haben, aber die Propaganda für das DU kam erst nach dem ersten massiven Einsatz von DU-Munition im Golf-Krieg von 1991 zutage. Mit diesem Krieg wurde ein seit 46 Jahren geltendes Tabu gegen den vorsätzlichen Einsatz oder die Freisetzung von Radioaktivität in Kampfhandlungen gebrochen, und es wurde ein militärischer und rechtlicher Präzedenzfall geschaffen, durch den der Kampfeinsatz von radioaktivem Material verharmlost wurde. Im Kosovo-DU-Skandal wurde 2000/2001 zur Verteidigung der nicht atomaren Uranwaffen ein regelrechter Informationskrieg geführt, in dem die Stimmen der Opfer von DU, von unabhängigen Forschern sowie von Aktivisten im Westen und in den früheren Ländern des Ostblocks eingeschüchtert wurden. Eine wachsende Zahl von besorgten Gruppen hat die Desinformation, die Täuschungen und die Politik rund um die Uranwaffen genau verfolgt. Dieses Material hat Eingang gefunden in Analysen der Propaganda, die an internationalen Konferenzen in Manchester im November 2000 (Bein) und ein Jahr später in Prag (Bein und Zori) sowie in einer Monographie der Universität von Belgrad von 2003 (Bein und Parker) vorgestellt wurden. In dieser Schrift wurde eine Verbindung hergestellt zwischen den Themen der Propaganda und der Rechtsfragen, weil die Illegalität der Uranwaffen nach wie vor der schwächste Punkt (tatsächlich ein unhaltbarer Punkt) für die Befürworter ist. UN-Resolutionen haben die DU-Waffen seit 1996 als «unvereinbar» mit bestehendem Völkerrecht und den Men- Dossier Uranwaffen 124 Zeit-Fragen 2006 schenrechten (d. h. als illegal) bezeichnet (UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1997/27 und Anhänge; E/CN.4/Sub.2/2002/38 und E/CN.4/Sub.2/2005/35). Die Vertuschungsmanöver werden sich rund um die Rechtsfragen verschärfen. Der englische Forscher Dai Williams hat das Wissen um die Uranwaffen über das DU hinaus erheblich vertieft. Besonders geformte Munition mit spezieller Ladung, explosive Ladungen, eine ganze Reihe von thermobarischen Bomben und eine neue Generation von Lenkwaffen gegen Panzerungen, die «dichte Metalle» nutzen, um ihre Fähigkeit zum Durchdringen von Panzerungen zu verdoppeln, stehen alle im Verdacht, Uran zu enthalten (www.eoslifework.co.uk/du2012.htm; www.eoslifework.co.uk/u231.htm; www.eoslifework.co.uk/u23.htm). Die Desinformation und die Vertuschungsmanöver bezüglich dieser Waffen folgen ähnlichen Mustern wie diejenigen, die bei panzerbrechenden Waffen aus DU angewendet wurden. Besonders geformte Munition mit spezieller Ladung wird für kleinere Boden-Boden- und Luft-Boden-Raketensysteme sehr schnell verbreitet. Eine Variante besonders geformter Ladungen wird in Cluster-Bomben zur Panzerabwehr verwendet. Das Uranium Medical Research Centre (UMRC) hat bei Einwohnern in der Umgebung von bombardierten Gebieten in Afghanistan eine starke Kontamination festgestellt (www.umrc.net/AfghanistanOEF.asp; Durakovic 2003). UMRC hat die erste Feldforschung vor Ort auf der Grundlage von Uranwaffen in Afghanistan geplant, die unabhängig von Williams durchgeführt wurde. Dessen Forschungen haben die Ergebnisse des UMRC bestätigt. Alle Proben wurden auf die Konzentration und das Verhältnis von Uran 234, 235, 236 und 238 untersucht. Die Analysen identifizierten nicht abgereichertes Uran ebenso wie Gesamtmengen von Uran im Urin der Probanden, die die Werte in der nicht betroffenen Bevölkerung signifikant überstiegen. Medienberichte und politische und rechtliche Kampagnen, einschliesslich der Arbeit der UN-Sub-Commission on the Promotion and Protection of Human Rights, haben sich besonders auf die DU-Waffen konzentriert. Die Isotopenzusammensetzung der militärischen Uranrückstände in Afghanistan ähnelt, ausser den Spuren von Uran 236, natürlichem Uran, das die meisten Labors nicht feststellen können und als natürliches Uran bezeichnen würden. Williams erklärte kürzlich gegenüber der Sub-Commission: «[Nicht abgereichertes Uran] bietet einen erheblichen Vorteil im Hinblick auf den Schutz vor Entdeckung während Untersuchungen im Bereich der Medizin und der Umwelt – ausser wenn es in exzessiver Isotopenhäufigkeit auftritt wie in den Proben der UMRC. Wenn nicht grösste Sorgfalt und fortschrittliche Labormethoden angewandt werden, kann nicht abgereichertes Uran als ‹erhöhte Hintergrundwerte› von natürlichem Uran abgetan werden (wie in den militärischen Umweltberichten der USA und Kanadas aus Afghanistan geschehen).» Welchen Einfluss hat das auf uns? Wenn die neuen Waffensysteme nicht abgereichertes Uran enthalten, können die Regierungen, die für deren Einsatz verantwortlich sind, leugnen, dass sie DU einsetzen. Williams schreibt: «In zahlreichen schriftlichen Antworten der britischen Regierung auf Anfragen von Parlamentsabgeordneten und in persönlicher Korrespondenz mit mir wird ausdrücklich geleugnet, dass in irgendwelchen Lenkwaffen DU eingesetzt wird. Sie haben es kürzlich abgelehnt, Fragen zu nicht abgereichertem Uran zu beantworten.» Die Möglichkeit, Uranwaffen ans Licht zu holen, die kein DU enthalten, hängt stark von der öffentlichen Meinung ab. Dieser Komplex wird weiterhin für Verwirrung sorgen. Unsere Bewegung muss unter Zuhilfenahme von wissenschaftlichen und rechtlichen Spezialkenntnissen ihre derzeitige Ausrichtung ändern. In jedem neuen Krieg wird äusserst giftiger Atommüll in einem neuen Gebiet, weit weg vom Herstellerland, mit Uranwaffen entsorgt, die ihre Befürworter «konventionell» nennen. Leider haben wir damit in einer Reihe von Kriegen, die nach den Versprechungen der USPolitiker in absehbarer Zeit nicht enden werden, reichlich Erfahrungen sammeln müssen. Ausserdem haben wir feststellen müssen, dass unsere Bewegung von unseren Gegnern Dossier Uranwaffen 125 Zeit-Fragen 2006 manipuliert wird, wodurch wir gespalten werden, anstatt uns auf die wichtigsten Ziele zu konzentrieren. Durch unsere Anzahl, unsere Klugheit und unsere Entschlossenheit werden wir diese Herausforderungen in Chancen verwandeln und werden die Uranwaffen wieder in das Innere der Erde zurückverbannen, von wo sie nie hätten hervorgekommen sein dürfen. Das Material und die Beweise, die ich für diesen Vortrag gesichtet habe, zeigen, dass die Bewegung gegen die Uranwaffen infiltriert und korrumpiert ist. Die Täuschung erfolgt gewöhnlich an den besonders spezialisierten Frontlinien, die die normalen Mitglieder nicht genau betrachten, weshalb sie die dort lauernden Gefahren nicht bemerken. Infolgedessen hat das Establishment viele unserer Kämpfer an den Rand gedrängt, wenn nicht gar eingeschüchtert, was diese weniger effektiv gemacht und das Erreichen unserer Ziele verzögert hat. Die Manipulationen schaffen oder vergrössern unsere Polarisation und schaffen Intrigen zwischen unseren Gruppen, was zu Misstrauen innerhalb der Bewegung führt und die Bemühungen ernsthafter Mitglieder untergräbt. Davey Garland hat geschrieben: «Diese Fragen sind für das Überleben unserer Bewegung und für ihre Entwicklung lebenswichtig.» (du-watch, 21. September 2003) Ich unterbreite hier einige der Fälle, in denen wir über genügend Hintergrundmaterial für eine Überprüfung verfügen. Ich stelle sie ohne Vorurteile und in gutem Glauben vor und vertraue darauf, dass sie unseren Leitern helfen werden und dass unsere Mitglieder davon in kluger Weise zum allgemeinen Nutzen Gebrauch machen werden. Hoffentlich wird dieser Vortrag für die Auseinandersetzung mit den Tätern hilfreich sein: Wiedergutmachung des in unseren eigenen Reihen und in der Öffentlichkeit angerichteten Schadens und Verhinderung zukünftiger Versuche des Gegners. Wir können etwas verändern, auch wenn wir die Produktion und den Einsatz der Waffen nicht kontrollieren können. Die verantwortlichen Behörden sind nach einer ganzen Reihe von internationalen Rechtsvorschriften auch über das Humanitäre Völkerrecht hinaus haftbar. Sie kontaminieren die Schlachtfelder mit militärischem Uran und gefährden die Gesundheit von Zivilisten und Soldaten. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den gesundheitlichen Schäden, die von DU und anderen radiologisch strahlenden Waffen hervorgerufen werden, die keine Kernspaltungs- oder Kernfusionsexplosionen verursachen (in diesem Vortrag allgemein als radiologische Waffen bezeichnet), sind unbestreitbar. Bereits ein kursorischer Überblick über das Humanitäre Völkerrecht führt zu dem Schluss, dass Uran waffen jeglicher Art so offensichtlich illegal sind, dass sich die Diskussion wirklich darauf konzentrieren sollte, diejenigen vor Gericht zu bringen, die sie eingesetzt haben, und sich um die Opfer dieser Waffen zu kümmern. Statt dessen hat es die internationale Gemeinschaft und die AntiUran-Bewegung immer noch mit den «Leugnungs- und Täuschungsmanövern» der Waffenproduzenten, der Waffenhändler und derjenigen zu tun, die die Waffen einsetzen. Die Kenntnis des Humanitären Völkerrechts im Hinblick auf Waffen und die Konsequenzen von Rechtsverstössen macht klar, warum die Verantwortlichen meinen, sie müssten vertuschen, dass sie bewusst und vorsätzlich illegale Waffen entwickelt und eingesetzt haben. Anstatt sich diesen Konsequenzen zu stellen, lügen, täuschen und desinformieren sie. Dieser Vortrag analysiert die Vertuschungsmanöver und zeigt die Methoden und die Taktik auf, mit denen sich die Bewegung darauf vorbereiten kann, effektive Gegenmassnahmen zu treffen. Teil 1 beschreibt die Anatomie der Täuschungsmanöver: Gruppendenken, Informationskrieg und Medienmanipulation. Teil 2 beschäftigt sich mit der Taktik und der Effektivität unserer Gegner. Teil 3 analysiert Fälle, die den Inhalt der Teile 1 und 2 im Kontext des Schwerpunktes dieser Konferenz illustrieren: Die Vertuschungs- und Täuschungsmanöver unserer Gegner gegenüber der Bewegung. Die Schlussfolgerungen und Empfehlungen in Teil 4 stammen von mir, und ich unterbreite sie nach Treu und Glauben, auch soweit sie von Inhalten von du-watch stammen. Sie sind in keiner Weise vollständig, aber sie sollen in die Diskussion und das Denken Eingang finden. Dossier Uranwaffen 126 Zeit-Fragen 2006 Teil 1 Anatomie der Täuschungsmanöver Gründe für Täuschungsmanöver Bein und Parker (2003) haben die Gesundheitsgefahren von Uran in nicht nuklearen Waffen und zivilen Anwendungen zusammengefasst: Radioaktivität und Giftigkeit. Die Gefahren sind ähnlich, unabhängig davon, welche Art von Uranmetall eingesetzt wird: abgereichert, nicht abgereichert oder vermischt mit anderen Metallen. In jenem Aufsatz wurden ausführlich Beispiele von Dokumenten von Regierungen, vom Militär und aus der Industrie vorgestellt, die beweisen, dass die Behörden, die für die Kontamination mit Uran verantwortlich sind, Kenntnis von den damit verbundenen Risiken hatten – dies ist der Hauptgrund, warum sie die Beweismittel unterdrücken. Die Gefahren, die mit der von Uran ausgehenden Strahlung verbunden sind, werden vertuscht und falsch dargestellt. Die zentrale technische Basis für die Täuschung sind obsolete Risikomodelle und daraus abgeleitete Grenzwerte für die zulässige Belastung. Die gesamte Strahlungsdosis innerhalb einer strahlenbelasteten Person über Jahre übersteigt die sicheren Grenzwerte erheblich. Die von der International Commission on Radiological Protection (ICRP) aufgestellten Grenzwerte stammen von empirisch unhaltbaren Annahmen, die mit der Geheimhaltung und den verzerrten Darstellungen der Auswirkungen der Bomben von Hiroshima und Nagasaki sowie mit der Entwicklung von Atomkraftwerken und Atombomben während des kalten Krieges zusammenhängen. Das Risikomodell der ICRP wurde aus Studien über Überlebende der Atombombenexplosionen entwickelt und ignoriert die Auswirkungen einer im Körperinnern eingelagerten Strahlungsquelle sowie die Krebsleiden, deren Entstehung Jahrzehnte dauert. Physiker und nicht Biologen haben das Modell zu einer Zeit entwickelt, als die Existenz der DNA noch nicht bekannt war, und dennoch gibt das Modell vor, Aussagen zu Zellschädigungen zu machen. Das ICRP-Modell verteilt die Dosierung auf eine grosse Menge von Gewebe, anstatt die biophysischen und biochemischen Schädigungsmechanismen auf der Ebene der einzelnen Zelle zu berücksichtigen. Eine Kritik des European Committee on Radiation Risk deckt auf, dass die ICRP-Modelle für das von im Körper eingelagerten Partikeln ausgehende Risiko die empirisch feststellbare Sterblichkeits- und Erkrankungsrate um den Faktor 100 bis 1000 unterschätzen (ECRR 2003). Ein Team des Uranium Medical Research Center (UMRC) hat nach einer Besichtigung von bombardierten Bunkeranlagen in Afghanistan berichtet: «Das Untersuchungsteam des UMRC war schockiert von der Breite der Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit, die mit der Bombardierung einhergingen. Ausnahmslos bei allen untersuchten bombardierten Orten sind die Menschen krank. Ein signifikanter Anteil der Zivilbevölkerung weist Symptome auf, die mit einer internen Kontamination mit Uran zusammenhängen.» Die Täter aller radiologischen Kriege und der illegalen Waffen sehen sich mit möglichen Schadensersatzansprüchen wegen Kriegsverbrechen, militärischen und zivilen Opfern, Kontamination der Umwelt und Aufräumkosten für die Schlachtfelder sowie sozialen Kosten aus anderen Bereichen des Uran-Waffenkreislaufs konfrontiert, einschiesslich der Entsorgung astronomischer Mengen abgelaufener Uranwaffen auf dem eigenen Staatsgebiet. Unter solchen Umständen muss mit Vertuschungs- und Täuschungsmanövern gerechnet werden. Der zweite Grund für die Vertuschungsmanöver ist langfristiger Natur. Die DU-Waffen gehören zu der diffusen Kategorie der wenig radiologisch strahlenden Atomwaffen, zu der auch die neuentwickelten wenig strahlenden Atombomben (d.h. die 4. Generation) ebenfalls gehören. Die Täuschungsmanöver könnten auch dazu benutzt werden, die öffentliche Akzeptanz für gegenwärtige Uran waffen gegen Bunker, für gegenwärtige kleine atomare Dossier Uranwaffen 127 Zeit-Fragen 2006 Sprengköpfe und zukünftige reine Kernfusionssprengköpfe zu erhöhen (Gsponer 2003). Alle diese Waffen kontaminieren mit Strahlung in niedriger Dosierung. Ein Szenario für ein zukünftiges Schlachtfeld mit Mikro-Nukes stellt sich als Einsatz von Strahlung niedriger Dosierung dar, vergleichbar derjenigen auf Schlachtfeldern, auf denen DU eingesetzt wurde (http://arxiv.org/abs/physics/0210071). Die Abschaffung der radiologischen Waffen, die Uran enthalten, würde das Problem der Gesundheits- und Umweltprobleme durch Kampfstoffe mit Strahlung in niedriger Dosierung nicht lösen. Gruppendenken Es ist wahrscheinlich, dass die Uranwaffen auf Grund von institutionellem Druck weiterhin erhalten bleiben, der, einmal in Gang gesetzt, um eine effektive DU-Munition zu verteidigen, sich in ein Ausmass gesteigert hat, von dem es kein Zurück mehr gibt. Die Ersetzung der Uranwaffen durch andere Waffen würde indirekt bedeuten, dass die Gefahren zugegeben würden, und umfangreiche Beweise belasten die Verantwortlichen, weil sie die potentiellen Gefahren von Anfang an kannten. In einem extremen Szenario könnten Kriegshetzer und Rassisten in hohen Positionen in den Uranwaffen ein effektives giftig-radioaktives terroristisches Werkzeug entdeckt haben. Damit können sie gegenwärtige und zukünftige Generationen des «Feindes» schädigen, ohne das öffentliche Stigma von Massenvernichtungswaffen zu riskieren, wenn auch einige «Kollateralschäden» an der eigenen Zivilbevölkerung und an den eigenen Truppen während der Wirkungsdauer der Waffen in Kauf genommen werden müss ten. Die Regierungen der USA und Grossbritanniens behaupten, dass sie DU-Munition verwenden, weil sie weniger kostet als Wolfram, Vorteile gegenüber feindlicher Panzerung bietet, die eigenen Verluste verringert und die Verwertung von Industrieabfällen ermöglicht. Diese Behauptungen sind unzutreffend. Die zusätzlichen Kosten für Wolfram sind vernachlässigbar, sowohl im Verhältnis zum militärischen Wert eines zerstörten Ziels als auch im Hinblick auf die Gesamtsumme der Militärausgaben. Diese Überlegungen sind sozial unverantwortlich, weil sie die Kosten für die Gesundheitsschäden und das Aufräumen in den Kriegsgebieten während der gesamten Wirkungsdauer der Uranwaffen ignorieren. Neuere Ankündigungen, es würde anstelle von Panzermunition aus DU solche aus Wolfram entwickelt, widerlegen die Behauptung. Die Waffensysteme aus DU sind nicht besser oder billiger als solche aus Alternativen. Für die militärischen Anwendungen des DU wird auch keine signifikante Menge industrieller Abfälle verwendet. Die eigenen Soldaten, die Opfer von «friendly fire» [Beschuss durch die eigenen Streitkräfte], leiden an akuter Vergiftung und Strahlenkrankheit statt an herkömmlichen Verwundungen, und langfristige Verluste sind erheblich. Eine Studie aus dem Jahr 2002 über Veteranen der USA aus dem Golf-Krieg weist eine Verlustrate in den Kämpfen von 0,1%, aber von 36% für die Zeit nach den Kampfhandlungen für fast 700 000 Soldaten nach, die im Krieg und kurz danach eingesetzt waren. Jedoch waren nach einem Eingeständnis des Militärs von 1998 nur ungefähr 436 000 Soldaten direkt in Gebieten eingesetzt, die mit DUStaub kontaminiert waren. Das lässt die Verlustrate für die Zeit nach den Kämpfen auf 58% hochschnellen! Uran ist eine von mehreren Ursachen für das Syndrom, also kann eine Verlustrate von etwa 10% dem DU zugeordnet werden. Offizielle Berichte im Westen ignorieren die Verluste in der Zivilbevölkerung auf Grund von Uranwaffen im Irak, auf dem Balkan und kürzlich in Afghanistan. Iraker und Serben waren ökonomischen Sanktionen unterworfen, als sie medizinische Versorgungsgüter, Treibstoff und Nahrungsmittel am dringendsten brauchten. Kranke Afghanen, deren Immunsystem durch die Urankontamination geschwächt war, starben an der Kälte und vor Hunger, ohne dass sie als Opfer der Uranwaffen gezählt wurden. Angesichts der Tatsache, dass den verantwortlichen Regierungen die Konsequenzen für die Zivilbevölkerung bekannt waren, ist es wahrscheinlich, dass die strenge Auferlegung von Sanktionen gegen die Republik Dossier Uranwaffen 128 Zeit-Fragen 2006 Serbien und den Irak dazu dienen sollte, die durch die Uranwaffen angerichteten Schäden zu vertuschen. Die Propaganda für das Uran hat zu einer ernsten Verfälschung wissenschaftlicher Berichte geführt, die mit Mitteln der Regierung aus dem Militärhaushalt gefördert und entsprechend kontrolliert wurden, auch von solchen internationaler Organisationen. Täuschende Propaganda taucht auch in Stellungnahmen von Regierungen, des Militärs und von der Waffen- und Atomindustrie auf. Es gibt Anlass zu grosser Sorge, dass Vertreter aus der Politik nicht in der Lage sind, Informationen aus alternativen Quellen zu beziehen und unkritisch manipulierten Informationen und gefälschten Daten Glauben schenken. Dies bedeutet einen grundlegenden Mangel in der Art, wie diese Länder mit militärischen Angelegenheiten und mit Waffen umgehen. Unzählige Journalisten, Forscher, Professoren und Menschen in verantwortlichen öffentlichen Positionen unterstützen Desinformationskampagnen und verletzen damit die Berufsethik, die sie zur Treue gegenüber dem Gemeinwohl verpflichtet. Willentlich oder nicht, wissentlich oder nicht, leisten sie Beihilfe zu den Verbrechen der Verbreitung von Lügen und Täuschungen über die fatalen Auswirkungen von Uran. Die Propaganda hat zu der absurden Situation geführt, dass die USA und Grossbritannien den Angriff auf den Irak damit gerechtfertigt haben, dass der Irak in der Zukunft die Möglichkeit haben könnte, Massenvernichtungswaffen zu entwickeln – aber selbst Uranwaffen gegen den Irak eingesetzt haben, die ohne Unterschied massenhaft Menschen töten. Williams geht davon aus, dass zivile und militärische Entscheidungsträger, die für Uran waffen verantwortlich sind, in einer sich selbst rechtfertigenden Logik gefangen sein könnten, die eine illusorische Moralität erzeugt, Konformität verlangt, Strategien mit hohem Risiko akzeptiert und Feinde und Andersdenkende dämonisiert. Einige westliche Regierungen scheinen diesem Gruppendenken in den Kriegen gegen «Saddam», «Milosevic» und jetzt in den «Krieg gegen den Terrorismus» zu folgen. Gruppendenken in autoritären Organisationen würde erklären, warum das Militär die mit den Uranwaffen verbundenen Gesundheitsrisiken heruntergespielt und regelrecht ignoriert hat und warum die Verantwortlichen es vorgezogen haben, ihre kriminellen Handlungsweisen zu vertuschen, anstatt die Uranwaffen abzuschaffen. Es gibt indirekte Beweise dafür, dass die Vertuschungsmanöver dazu dienen sollten, die Öffentlichkeit zu täuschen und der Haftung zu entgehen. In einem Geheimpapier der US Atomic Energy Commission aus dem Jahr 1947 ist diese verräterische Stellungnahme zu medizinischen Menschenversuchen enthalten: «Es ist wünschenswert, dass kein Dokument, das sich auf Menschenversuche bezieht und nachteilige Auswirkungen auf die öffentliche Meinung haben oder zu Gerichtsprozessen führen könnte, veröffentlicht wird. Dokumente, die sich mit derartigen Arbeitsgebieten beschäftigen, sollten als ‹geheim› eingestuft werden.» Nach dem grossangelegten Experiment zu Strahlung mit niedriger Dosierung mit DU-Geschossen im ersten Golf-Krieg hat eine Aktennotiz von Lt. Col. Ziehmann vom Los Alamos National Laboratory vom 1. März 1991 die zukünftige Militärpolitik im Hinblick auf die DUWaffen wie folgt beschrieben: «Es wird angenommen, dass DU-Geschosse gegen irakische Panzerungen sehr effektiv waren; das muss jedoch genau eingeschätzt werden. Es gab und gibt Besorgnisse hinsichtlich der Auswirkungen des DU auf die Umwelt. Daher werden DU-Geschosse, wenn nicht jemand ihre Effektivität auf dem Schlachtfeld nachweist, möglicherweise politisch unakzeptabel und verschwinden deshalb aus dem Arsenal. Wenn aber die DU-Geschosse ihren Wert in den kürzlichen Kämpfen unter Beweis gestellt haben, dann sollten wir ihre zukünftige Existenz mit Hilfe der Befürwortung durch den Geheimdienst und das Verteidigungsministerium sicherstellen (bis etwas Besseres entwickelt wird). Wenn diese Unterstützung nicht gewährt wird, ist es möglich, dass wir eine wichtige Kampffähigkeit verlieren. Ich denke, wir sollten diese wichtige Frage im Kopf behalten, Dossier Uranwaffen 129 Zeit-Fragen 2006 wenn wir Kriegsberichte schreiben.» Auch die Regierung von Grossbritannien war sich der Notwendigkeit von Vertuschungsmanövern bewusst. Am 2. März 1998 bezog sich der britische Minister der Streitkräfte, Lord Gilbert, auf einen Brief von P. G. E. Bartholomew, Business development manager der britischen Atomic Energy Authority vom 30. April 1991: «Ich habe versprochen, ein Papier über die Bedrohung infolge der Kontamination von Kuwait mit abgereichertem Uran zu verfassen, das in dem kürzlichen Krieg von den Streitkräften der USA und Grossbritanniens eingesetzt worden ist. [Das Papier] behandelt die Bedrohung und zeigt die Massnahmen auf, die unserer Ansicht nach zum Schutz der Gesundheit notwendig sind», steht im Brief von Bartholomew. «Die ganze Angelegenheit der Kontamination von Kuwait ist sehr gefühlsgeladen und muss daher behutsam angegangen werden. Die Regierung von Kuwait muss in einer nützlichen Weise informiert werden. […] (Die gute Nachricht ist, dass wir euch vor Saddam gerettet haben – die schlechte Nachricht ist …).» (www.ahram.org.eg/weekly/2001/525/in2.htm). Als bunkerbrechende Uranwaffen entwickelt wurden und in Gebrauch kamen, musste die Philosophie auf die neuen Anwendungen ausgedehnt werden. Logischerweise werden ähnliche Vertuschungsmanöver auch für zukünftige Waffen entwickelt werden, die Strahlung in niedriger Dosierung für viele kommende Generationen zurücklassen werden. Informationskrieg Informationskrieg ist eines der Instrumente der Macht neben Kampfhandlungen, Diplomatie und Wirtschaftssanktionen. PsyOps (Psychological Operations) gehören zu ihren hervorstechenden Werkzeugen. Informa tionskrieg ist verglichen mit Kampfhandlungen effektiv und kostengünstig und würde der Forderung nach «Unterstützung durch den Geheimdienst und das Verteidigungsministerium» entsprechen, von der in der Aktennotiz von Ziehmann die Rede ist. Das Militär nennt die Struktur und die Methoden der Informationsoperations im einzelnen wie folgt: Anwendung der Verhaltensforschung, der Massenmedien und hochentwickelter Technik (Joint Chiefs of Staff 1987; Headquarters Department of the Army 1996). Das Verteidigungsministerium der USA (Department of Defense, DoD) greift so andere Länder und Gruppen sowie ausländische Regierungen an. DoD-Aktionen «fördern und/oder leugnen ausgewählte Informationen und Hinweise gegenüber auswärtigen Zuhörerschaften, um deren Emotionen, Motive und ihre objektiven Überlegungen zu beeinflussen, und gegenüber Geheimdienstsystemen und Führern aller Ebenen». Das DoD-Management der auswärtigen Wahrnehmung «verbindet miteinander die Projektion von Wahrheit, die Sicherheit der Operation, Vertuschung und Täuschung und psychologische Operationen». Nach der Darstellung der Nato (Office of the Chairman of the Joint Chiefs of Staff 1996) zielen deren PsyOps «auf feindliche, befreundete und neutrale Zuhörerschaften, um Einstellungen und Verhalten zu beeinflussen, die Auswirkungen auf das Erreichen politischer und militärischer Ziele haben». Das Militär der Nato und der Länder, die Mitglied in der Nato werden wollen, verhält sich wie eine Kopie des Pentagons. Kritik kommt vor allem von Druck ausübenden Interessengruppen und von Regierungen ausserhalb des Bündnisses. Informationskrieg beinhaltet je nach Bedarf verschiedene Spezialaufgaben. Eine gemeinsame Kommandostelle der US Special Operations wird dann je nach Mission damit betraut, Teams von verschiedenen «Spezialisten» zusammenzustellen. Angriffe auf den Anti-DU-Aktivisten Dr. Doug Rokke, früheren Pentagon-Experten für DU, wurden wahrscheinlich von den US Special Operations im Rahmen einer breiteren Kampagne gegen die Wahrheit gesteuert. Der frühere Chef der Nuklearmedizin an der Veterans Affairs Medical Facility, Dr. Asaf Durakovic, wurde gezwungen, die USA zu verlassen, weil ihm gesagt wurde, sein Leben sei in Gefahr, wenn er seine Forschungen fortsetze. Nachdem Ray Bristow und Dr. Colin Purcel Lee, beide kranke Veteranen des ersten Golf-Krieges, Dossier Uranwaffen 130 Zeit-Fragen 2006 an einer Konferenz über die Auswirkungen von DU auf die Gesundheit in Bagdad teilgenommen hatten, hat ein hochrangiger britischer Minister sie als Verräter bezeichnet, und ihre Wohnungen wurden von der Militärpolizei nach Dokumenten durchsucht, die sich kritisch mit den offiziellen Tests an britischen Veteranen auf DU auseinandersetzten. Als die Presse ausführlich über die Misere der australischen Golf-Kriegs-Veteranen berichtete, wurden dem Initiator der Kampagne, Philip Steele, sämtliche Datensätze mit Bezug auf die Krankheit gestohlen. Die Militär- und Regierungsbehörden der Nato-Staaten haben routinemässig die Tatsache bestritten, dass es militärische Opfer von DU auf dem Balkan gegeben hat, und sie haben die Todesmeldungen gefälscht. Im März 2001 sind «unbekannte Kriminelle» in die Wohnung von Frau Riordon, Witwe eines kanadischen Veteranen des Golf-Krieges, eingebrochen, haben ihren Computer zerstört und medizinische Bescheinigungen über das Vorhandensein von Uran im Körper ihres Ehemannes gestohlen. Seit dem Aufkommen des Problems der Uranwaffen wendet die Propaganda simple, oft lächerliche Vorstellungen und Aussagen an, die auf zwei Regeln beruhen: a) durch Wiederholung wird eine Lüge zur Wahrheit, b) die Öffentlichkeit akzeptiert Lügen bereitwilliger, wenn sie himmelschreiend sind. Propaganda spielt mit Worten, die in PsyOps-Büros ausgebrütet worden sind. Die Worte, Sätze und Zusammenhänge werden dann von Autoritätspersonen wiedergegeben, was beweist, dass die Sprecher und ihre Kontrolleure entweder in krimineller Weise nachlässig sind oder vorsätzlich gegen das humanitäre Völkerrecht verstossen. Der frühere politische Chef der Nato, Javier Solana, bekräftigte im Januar 2001, als er eine Adhoc-«Untersuchung» leitete, mit der bewiesen werden sollte, dass das in Kosovo eingesetzte DU keine Gefahr sei: «Die Beweismittel deuten in die andere Richtung.» In einem Leserbrief an die »Washington Times» hiess es damals verwundert: «Fördert DU die Gesundheit?» Lord Robertson, angeblich ein gebildeter Mensch, verteidigte die «bewährte [DU-] Technologie, die von unabhängiger Seite getestet wurde […]. Wir können unter keinen Umständen auf Grund von Wahrnehmungen von Menschen oder auf Grund von Meinungen über das Wort ‹Uran› handeln.» Bein und Zori [2001] haben weitere täuschende Stellungnahmen, Bezeichnungen und Sätze zusammengestellt, die von PsyOps zu den DU-Waffen geprägt wurden. Hinter den Kulissen Public Affairs (PA) des Informationskrieges «stellt objektive Berichte ohne Absicht zur Propaganda zur Verfügung» und verbreitet die Informationen international. PA beinhaltet Presseerklärungen, Informationsveranstaltungen für die Medien und Stellungnahmen des Militärs, die «auf der Projektion von Wahrheiten und glaubwürdigen Botschaften beruhen [und dazu dienen,] gegnerische Propaganda und Desinformation gegen die Operationen der Truppen der USA und ihrer Alliierten [unglaubwürdig zu machen], was von entscheidender Bedeutung dafür ist, eine günstige öffentliche Meinung aufrechtzuerhalten». In der Psychologie versteht man unter «Projektion» den Vorgang, durch den die eigenen Einstellungen, Gedanken usw. einem anderen zugeschrieben werden. PA setzen Propaganda – weiss (Wahrheit), grau (mehrdeutig) und schwarz (Lüge) – oft durch Public Relations (PR) ein. Nato-Sprecher Jamie Shea hat den Krieg in Kosovo «gewonnen», indem er täglich Informationen im PR-Stil herausgab. Eine weitreichende Kontrolle der Informationsoperation über die Medien weltweit, mit deren Hilfe die Serben dämonisiert wurden, war vielleicht der «erfolgreichste» Aspekt jenes Krieges. Public-Affairs-Einheiten bereiten Informationen für Nachrichtenagenturen vor, die sie dann an die Medien weiterleiten. Unabhängige Journalisten haben keine Chance, in Mainstream-Medien zu publizieren, weil die Information Operations der Nato die Chefredakteure subtil kontrollieren. Die Strukturen der Medien scheinen von Kopf bis Fuss korrupt. Dossier Uranwaffen 131 Zeit-Fragen 2006 Nach den Worten des ehemaligen Generaldirektors von CBS News, Richard Salent, «ist unser Job nicht, den Menschen das zu geben, was sie wollen, sondern das, von dem wir entscheiden, dass sie das bekommen sollten». John Swinton, der frühere Stabschef der «New York Times», den seine Kollegen als den «Dekan seiner Profession» bezeichnet haben, gestand vor dem New York Press Club ein: «Ich werde wöchentlich dafür bezahlt, meine ehrliche Meinung aus der Zeitung herauszuhalten, mit der ich verbunden bin. Andere von Ihnen erhalten ähnliche Vergütungen für ähnliche Dinge, und jeder von Ihnen, der so töricht wäre, ehrliche Überzeugungen zu schreiben, müsste sich auf der Strasse nach einer anderen Arbeit umsehen.» Viele Autoren weisen darauf hin, dass die nordamerikanischen Medien, durch die Deregulierung auf eine Handvoll Konglomerate reduziert, das Denken der Öffentlichkeit formen. Die grössten Konglomerate wachsen auf Grund des andauernden Wettbewerbs ständig und haben ihre Grösse in den 1990er Jahren fast verdreifacht. Weil die Medienimperien sich konsolidieren, sind die Fernsehstationen, Zeitungen und Radiosender nicht mehr unabhängig. Nur eine Handvoll ist gross genug, um sich eigene Reporter leisten zu können. Der Rest ist im Hinblick auf die nationalen und internationalen Nachrichten von den Ketten abhängig. Beunruhigend ist auch, dass eine einzelne ethnische Gruppe die Eigentümer und die Belegschaften der nordamerikanischen Medien dominiert, was im Gegensatz zur Verteilung der ethnischen Gruppen in der Gesamtbevölkerung steht. Das Fernsehen, das Radio, die Zeitungen, die Zeitschriften, die Bücher und die Filme sprechen alle mit einer einzigen Stimme und verstärken einander. Die angesehensten und einflussreichsten Zeitungen in den USA, «New York Times», «Wall Street Journal» und «Washington Post» illustrieren die Fähigkeit der Beherrscher der Medien, die Presse als Instrument der Politik ohne Opposition einzusetzen. Diese Zeitungen bestimmen die Trends und die Leitlinien für fast alle anderen und produzieren die Nachrichten, die die anderen abschreiben. In einem Gemeinschaftsunternehmen mit der «New York Times» veröffentlicht die «Post» die «International Herald Tribune», die am weitesten verbreitete Tageszeitung der Welt in englischer Sprache. Die «Washington Post» hat einen direkten Draht für Nachrichten, die die Regierung betreffen. Bezugnahmen auf «Militärquellen», «hochrangige Beamte der Regierung» oder «Analysten des Pentagon» verweisen auf Beziehungen zwischen den Medien und dem Militär. Ein weiterer Hinweis darauf, dass eine Meldung in der internationalen Presse auf eine einzige Informationsquelle zurückgeht, sind Standardsätze, Identität von Einleitung und Schluss in allen Presseberichten, die in Übereinstimmung mit der Position des Pentagon stehen. Ein Artikel in der «Washington Post» vom 10. November 2002 hat Einblick in die Beziehungen zwischen den Medien und dem Pentagon gegeben: «Dieser Artikel ist in den vergangenen Tagen mit verschiedenen hochrangigen zivilen und militärischen Mitarbeitern des Verteidigungsministeriums besprochen worden.» Militärzensoren der PA haben den Artikel geprüft, und dann hat ihn die angeblich unabhängige Zeitung veröffentlicht. Die grösseren Nachrichten unternehmen produzieren Meinungsumfragen nach den Anforderungen der Regierung, die gewöhnlich auf die Pläne der Regierung, des Pentagon und der Wirtschaft Rücksicht nehmen. Die Vertreter der Medien geben sich für das her, was die Berater des Weissen Hauses selbst als eine Kampagne bezeichnet haben, dem amerikanischen Volk den Krieg «zu verkaufen», wie man während der Vorbereitungen für die Invasion im Irak in den Jahren 2002 und 2003 beobachten konnte. Die Kontrolle des Militärs über die Medien erstreckt sich bis auf die Schlachtfelder, wobei Lehren aus dem Vietnam-Krieg gezogen wurden, in dem die Berichterstattung über Massaker gegenüber Zivilisten und über US-Soldaten in Body bags zu Protesten gegen den Krieg beigetragen hat. Heutzutage wählt das «pool system» einige von Hunderten von Journalisten aus und begleitet sie zu Szenen, die man für die Öffentlichkeit für geeignet hält. Diese Berichterstattung wird dann an die Kollegen weitergegeben, so dass dieselbe Dossier Uranwaffen 132 Zeit-Fragen 2006 kontrollierte Story über jeden bedeutenderen Nachrichtenkanal erscheint. Diese Praxis des «embedding» (Einbetten) von Reportern in Operationen des zweiten Golf-Krieges zeigt, wie das Militär die journalistische Ethik kompromittiert. Die CBC-Serie «With Passionate Eye» hat in der Sendung vom 25. Mai 2003 mit dem Titel «War Spin» Beweise für die Täuschung der Medien durch «embedding» vorgelegt. Die Praxis des «embedding» würde keine objektive Berichterstattung vom Schauplatz des Geschehens über die Opfer akuter Kontakte mit Uranwaffen erlauben. Presseerklärungen des Pentagon würden alles Belastende, was unabhängige Reporter durchsickern lassen, schwärzen oder verdrehen. Sollten unabhängige Quellen dieser Zensur nicht gehorchen (wie es 1999 mit dem serbischen Fernsehen der Fall war), werden ihre Einrichtungen mit den präzisen Lenkwaffen der USA angegriffen, um den Anforderungen des Informationskrieges zu entsprechen. Einige Reporter sind in den jüngsten Kriegen auf diese Weise ums Leben gekommen. Der abschliessende 2. Teil dieses Vortrags folgt in einer der nächsten Ausgaben von Zeit-Fragen. *Vortrag für die World Uranium Weapons Confer ence vom 16. bis zum 19. Oktober 2003 in Hamburg Dossier Uranwaffen 133 Zeit-Fragen 2006 Depleted Uranium: Das Trojanische Pferd des Atomkriegs von Leuren Moret «Heize den Ofen für deinen Feind nicht so heiss, dass du selbst darin verbrennst.» William Shakespeare (1564–1616) Seit 1991 haben die Vereinigten Staaten vier Kriege vom Zaun gebrochen, in denen sie Waffen mit abgereichertem Uran (DU) verwendet haben. Sie waren alle illegal, und zwar gemäss sämtlichen völkerrechtlichen Verträgen, Konventionen und Vereinbarungen als auch gemäss US-amerikanischen Militärgesetzen. Der fortwährende Einsatz dieser illegalen radioaktiven Waffen, die schon riesige Gebiete mit ihrer Niedrigdosisstrahlung kontaminiert haben und die auch in Zukunft weitere Teile der Welt nach und nach verseuchen werden, ist in der Tat eine globale Angelegenheit und ein internationales Problem. Die dahinterliegenden Ziele treten zutage, wenn man die Regionen, die heute schon mit DU verseucht sind – von Ägypten, über den Nahen Osten und Zentralasien bis zur Nordhälfte Indiens – mit den geostrategischen Leitsätzen vergleicht, die Zbigniew Brzezinski 1997 in seinem Buch «The Grand Chessboard» dargelegt hat. Tatsache ist, dass die Vereinigten Staaten und ihre militärischen Partner vier Atomkriege angezettelt haben – «Atombomben unter dem Zaun durchschmuggeln» –, indem sie schmutzige Bomben und schmutzige Waffen in Ländern einsetzen, die sie kontrollieren wollen. DU-Aerosole werden permanent riesige Regionen verseuchen und langsam die genetische Zukunft der Bevölkerungen zerstören, die in diesen Regionen leben. Es sind Regionen, wo es Ressourcen gibt, die die USA kontrollieren müssen, um ihre Vorherrschaft zu etablieren und zu festigen. Als «Trojanisches Pferd» des Atomkrieges ist DU die Waffe, die niemals aufhört zu töten. Die Halbwertzeit von Uran 238 ist 4,5 Milliarden Jahre, das ist das Alter unserer Erde. Und während Uran 238 in radioaktive Tochterprodukte zerfällt – in vier Schritten, bevor es zu Blei wird –, entlässt es bei jedem Schritt immer mehr Strahlung. Es gibt keinen Weg, es abzustellen, und es gibt keine Möglichkeit, es zu beseitigen. Die Definition der US-amerikanischen Regierung, was Massenvernichtungswaffen sind, trifft genau auf DU zu. Nachdem es auf dem Schlachtfeld mikroskopische und submikroskopische unlösliche Uranoxidpartikel bildet, bleiben diese in der Luft schweben und reisen als radioaktiver Bestandteil des atmosphärischen Staubs um die Erde, wobei sie die Umwelt verseuchen und unterschiedslos alles töten, verstümmeln und in allen Lebewesen Krankheiten verursachen, dort wo Regen, Schnee und Feuchtigkeit sie aus der Atmosphäre schwemmen. Die weltweite radioaktive Verseuchung, die durch atmosphärische Tests hervorgerufen wurde, war 40’000mal so gross wie die Verseuchung durch die Hiroshima-Bomben, und sie belastet die Atmosphäre bis in die obersten Schichten bis heute immer noch. Die Menge der Verschmutzung mit Niedrigdosisstrahlung durch abgereichertes Uran aber, das seit 1991 in die Atmosphäre verteilt wurde, ist (im menschlichen Körper gespeichert) viel, viel grösser, als die durch den Fallout der atmosphärischen Test verursachten. Ein unabhängiger Bericht des European Committee on Radiation Risk (ECRR) von 2003 stellt, gestützt auf die Tschernobyl-Untersuchungen, fest, dass die Gefahren durch die Niedrigdosisstrahlung 100- bis 1000mal grösser sind, als die Schätzungen des International Committee for Radiation Protection annehmen; denn diese beruhen auf fehlerhaften Studien der amerikanischen Regierung über Atom- und Wasserstoffbomben. Indem sie auf die extremen tödlichen Wirkungen der Strahlung auf biologische Systeme bezug nimmt, stellt Dr. Rosalie Bertell, eine der 46 internationalen Strahlungsexperten und Autoren des ECRR-Berichts, fest: «Das Konzept der Auslöschung der menschlichen Spezies bedeutet ein relativ schnelles, Dossier Uranwaffen 134 Zeit-Fragen 2006 absichtlich herbeigeführtes Ende aller Geschichte, Kultur, Wissenschaft, biologischer Fortpflanzung und Erinnerung. Es ist die absolute und endgültige Zurückweisung des Geschenk des Lebens, eine Handlung, die zu ihrer Beschreibung ein neues Wort nötig macht: Omnizid (Vernichtung allen Lebens).» Das «Manhattan project» von 1943: eine Blaupause für Depleted Uranium In einem später für die Veröffentlichung freigegebenen geheimen Memo an General Leslie Groves vom 30. Oktober 1943 gaben drei am «Manhattan project» beteiligte Top-Physiker – Dr. James B. Conant, A. H. Compton und H. C. Urey – in ihrer Funktion als Mitglieder des Subkomitees des S-1-Exekutivkomitees ihre Empfehlungen zur «Militärischen Verwendung radioaktiven Materials als Waffe» ab: «Verwendet in einem Gaskrieg würde das Material, in mikroskopisch kleine Partikel zermahlen, zu Staub und Rauch werden. Verteilt würde es durch ein vom Boden oder von einem Fahrzeug aus abgefeuerten Geschoss oder auch durch Bomben aus der Luft. In dieser Form würde es von Menschen eingeatmet. Es braucht nur eine winzig kleine Menge des Materials, um einen Menschen umzubringen. […] Es gibt für diese Art der Verletzung keine bekannten Behandlungsmethoden. […] Es würde auch einen herkömmlichen Gasmaskenfilter durchdringen, und zwar in einer Menge, die gross genug ist, um extremen Schaden anzurichten.» «Südregion» des «eurasischen Schachbrettes» «Diese riesige Region, die von wechselnden Hassausbrüchen in Stücke gerissen wird und von miteinander rivalisierenden mächtigen Nachbarn umgeben ist, wird wahrscheinlich ein Hauptschlachtfeld werden, sowohl für Kriege zwischen Nationalstaaten als auch – was noch wahrscheinlicher ist – in Form von sich lange hinziehenden ethnischen und religiösen Gewaltausbrüchen. Ob Indien sie begrenzen kann oder ob es die Gelegenheit zu seinem Vorteil ergreift, Pakistan seinen Willen aufzuzwingen, wird die Reichweite dieses regionalen Konfliktes sehr beeinflussen. Die inneren Spannungen innerhalb der Türkei und in Iran werden wahrscheinlich nicht nur grösser werden, sondern werden auch die stabilisierende Rolle, die diese Staaten in dieser vulkanischen Region spielen könnten, einschränken. Solche Entwicklungen werden die Assimilation der zentralasiatischen Staaten an die internationale Gemeinschaft erschweren, während sie gleichzeitig die amerikanischdominierte Sicherheit der Region am Persischen Gold beeinträchtigen werden. Auf jeden Fall werden sowohl Amerika als auch die internationale Gemeinschaft hier mit einer Herausforderung konfrontiert werden, die die kürzliche Krise im früheren Jugoslawien in den Schatten stellen wird.» Zbigniew Brzezinski, Die einzige Weltmacht, ISBN-Nr. 3-596-14358-6, zitiert nach Leuren Moret Zur Verseuchung des Bodens: «Um auf diese Weise verwendet zu werden, würde man das radioaktive Material auf dem Boden verteilen, entweder aus der Luft oder vom Boden aus, und zwar in Gebieten, die vom Feind kontrolliert werden. Um das Terrain unbrauchbar zu machen für welche Partei auch immer, ausser unter Inkaufnahme der Belastung des Personals mit Strahlung […]. Gebiete, die so durch radioaktives Material verseucht sind, wären sehr gefährlich, bis der Dossier Uranwaffen 135 Zeit-Fragen 2006 natürliche langsame Zerfall des Materials stattfindet. […] Für durchschnittliches Gelände sind keine Entseuchungsmethoden bekannt. Es ist unmöglich, wirksame Schutzkleidung für das Personal zu entwickeln […]. Reservoirs und Brunnen würden verseucht und die Nahrungsmittel vergiftet, und das hätte eine ähnliche Wirkung wie die Inhalation des Staubs oder Rauchs.» Innere Strahlenbelastung: «[…] Teilchen, die kleiner sind als 1µ [Mikron], werden sehr wahrscheinlich in den Lungenbläschen (Alveolen) abgelagert und verbleiben dort für alle Zeit, wenn sie nicht in die Lymphgefässe oder ins Blut aufgenommen werden. Sie könnten auch mit verseuchtem Wasser oder Essen oder durch die Luft in den Magen-Darm-Trakt gelangen, könnten auch durch die Lungen oder den Magen-Darm-Trakt ins Blut gelangen und sich so im Körper verteilen.» Sowohl die Nebenprodukte der Kernspaltung als auch abgereicherter Uranabfall vom Atombombenprojekt sollten nach diesem Plan verwendet werden. Die leichte Entflammbarkeit des abgereicherten Urans, die es schon bei sehr niedrigen Temperaturen entzünden, zum Beispiel durch die Reibung in einem Gewehrlauf, machten es zu einer idealen radioaktiven Gaswaffe. Das war damals und ist heute so! Auch war es leicht verfügbar, denn es wurde viel mehr abgereichertes Uran produziert als andere Abfallprodukte der Kernspaltung. In Grossbritannien spielte man schon viel früher als 1991 mit dem Gedanken, im Irak Giftgas einzusetzen: «Ich bin sehr dafür, Giftgas gegen unzivilisierte Stämme einzusetzen. Die moralische Wirkung dürfte gut sein […] und das würde lebhaftes Entsetzen verbreiten.» (Kommentar Winston Churchills zum britischen Einsatz von Giftgas gegen den Irak nach dem Ersten Weltkrieg). Lenkwaffensysteme Zum ersten Mal gaben die USA Israel im Jahr 1973 Waffen mit DU, die sie unter US-Aufsicht im Sinai-Krieg gegen die Araber einsetzten. Seither haben die USA DU-Waffen getestet, hergestellt und an 29 Länder weiterverkauft. Ein internationales Tabu verhinderte ihren Gebrauch bis 1991, als die USA das Tabu brachen und sie zum erstenmal auf den irakischen und kuwaitischen Schlachtfeldern einsetzten. Das US-amerikanische Militär hat zugegeben, DU-Geschosse in Panzern und Flugzeugen verwendet zu haben, aber DU-Gefechtsköpfe in Raketen oder Bomben werden als geheim behandelt oder man nennt es «dichtes Metall» oder «mystery metal» (rätselhaftes Metall). Dai Williams, ein Forscher und Teilnehmer an der Weltkonferenz über DU-Waffen im Jahre 2003 berichtete dort, dass er 11 US-Patente für Lenkwaffensysteme fand, in denen die Termini «depleted uranium» oder «dense metal» vorkamen. Bei der angegebenen Dichte und den Dimensionen der Gefechtsköpfe kann es sich nur um abgereichertes Uran oder Wolfram gehandelt haben. Ausgedehntes Flächenbombardement, Rasterbombardierungen und der häufige Gebrauch von Flugkörpern und Munition mit DU gegen Gebäude in dicht bevölkerten Gegenden sind sowohl im Irak als auch in Jugoslawien und Afghanistan vorgekommen. Die Entdeckung, dass Bombenkrater in Jugoslawien 1999 radioaktiv waren und dass – ebenfalls 1999 – ein Blindgänger mit einem DU-Sprengkopf bestückt war, lässt vermuten, dass die Gesamtmenge des seit 1991 verwendeten DUs grob unterschätzt worden ist. Noch besorgniserregender ist die Tatsache, dass 100 Prozent des abgereicherten Urans in Bomben und Raketen beim Aufprall zerstäubt werden und sofort in die Atmosphäre entweichen. Die Menge hiervon kann in den grösseren Bomben bis zu 1,5 Tonnen betragen. Dossier Uranwaffen 136 Zeit-Fragen 2006 In Geschossen und Artilleriegranaten beträgt die zu Aerosol zerstäubte Menge 40 bis 70 Prozent, wobei noch Granatensplitter und nicht explodierte Geschosse in der Umgebung verbleiben und damit neue Quellen radioaktiven Staubs und weiterer Verseuchung des Grundwassers von zerfallenem abgereicherten Uran darstellen, lange nachdem die Schlacht vorbei ist, wie es 2003 in einem Bericht des UN-Umweltprogramms für Jugoslawien (UN Environmental Program on Yugoslavia) heisst. Wenn man bedenkt, dass die Vereinigten Staaten zugegeben haben, 34 Tonnen abgereichertes Uran in Geschossen und Artilleriegranaten in Jugoslawien verwendet zu haben, und wenn man sich der Tatsache erinnert, dass die Nato 1999 dort 35’000 Bombeneinsätze geflogen hat, dann ist die Menge des abgereicherten Urans, die Jugoslawien verseucht hat und über die Grenzen in die umgebenden Länder wehen kann, unvorstellbar gross. Wegen der mysteriösen Erkrankungen und den nach dem Krieg aufgetretenen Geburtsschäden bei den Golf-Kriegs-Veteranen und Zivilisten aus dem Südirak und wegen der strahlenbedingten Krankheiten bei den UN-Friedenstruppen, die in Jugoslawien gedient haben, ist die Sorge wegen der Strahlenwirkungen und des Schadens für die Umwelt gewachsen und hat internationale Empörung über diese Verwendung radioaktiver Waffen nach 1991 hervorgerufen. Bei einem Treffen der Mitglieder des Atomwaffensperrvertrags im Jahr 2003 wurde über das Bestreben der USA diskutiert, seinen Bestand an Nuklearwaffen beizubehalten. Der Bürgermeister von Hiroshima, Tadatoshi Akiba, stellte hierzu fest: «Es ist die Pflicht der übrigen Welt […], jetzt aufzustehen und all unseren Militärführern zu sagen, dass wir es ablehnen, von Atomwaffen bedroht oder beschützt zu werden. Wir weigern uns, in einer Welt zu leben, in der immer wieder neu Furcht und Hass produziert werden.» Illegal nach internationalem Recht Vier Gründe, warum der Einsatz von DU-Waffen gegen die UN-Menschenrechtskonvention verstösst – ein Legalitätstest für Waffen nach internationalem Recht: • Zeitliches Kriterium – Waffen dürfen nicht weiterwirken nach der Schlacht. • Umweltkriterium – Waffen dürfen nicht übermässig schädlich für die Umwelt sein. • Territoriales Kriterium – Die Wirkung der Waffen muss auf das Schlachtfeld begrenzt sein. • Humanitätskriterium – Waffen dürfen nicht auf unmenschliche Weise töten oder verwunden. Karen Parker, die Anwältin für internationale Menschenrechte, hat festgestellt, dass DUWaffen alle vier Kriterien für legale Waffen nach internationalem Recht verletzen und dass sie darüber hinaus illegal sind, weil sie chemische (Gift-)Waffen darstellen. Nach langen Bemühungen von Karen Parker entschied eine Unterkommission der UN-Menschenrechtskommission 1996, dass DU eine Massenvernichtungswaffe ist und nicht verwendet werden sollte: Resolution 1996/16 zur Einstellung der Verwendung von abgereichertem Uran – DU «Die militärische Verwendung von DU verletzt geltendes internationales Recht mindestens in folgenden Punkten: Es verstösst gegen das Prinzip, dass es kein unbegrenztes Recht gibt, Mittel und Methoden der Kriegsführung beliebig zu wählen (Art. 22 der Haager Konvention VI (HCIV); Art. 35 des Zusatzprotokolls zur Genfer Konvention (GP1); gegen das Verbot, unnötiges Leiden und Verletzungen zu verursachen (Art.23 § 1e HCIV; Art. 35 §2 GP1), das Verbot der nicht zwischen Zivilpersonen und Kombattanten unterscheidenden Kriegführung (Art. 51 §4c und 5b GP1) und das Verbot der Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen. Dossier Uranwaffen 137 Zeit-Fragen 2006 Der Einsatz und die Verwendung von DU verletzen die Prinzipien des internationalen Schutzes der Umwelt und der Menschenrechte. Sie widersprechen dem Recht auf Leben, wie durch die Resolution 1996/16 der UN-Menschenrechtskommission festgestellt. Vier nukleare Kriege «Militärs sind nur dumpfe, dumme Tiere, da, um in der Aussenpolitik als Bauern [Schachfiguren] benutzt zu werden.» Henry Kissinger Obwohl auf Schlachtfelder im Irak und in Kuwait beschränkt, war der Golf-Krieg von 1991 einer der toxischsten und für die Umwelt zerstörerischsten Kriege der Weltgeschichte. Brennende Öltanker, die Bombardierung von Öltankern und Ölquellen, wodurch sich Millionen von Litern Öl in den Persischen Golf und in die Wüste ergossen, und die Schäden von Panzern und schwerem Kriegsmaterial zerstörten das Ökosystem der Wüste. Die zeitlich und räumlich weitreichenden Folgen der Verteilung von mindestens 340 Tonnen DUWaffen wirkten sich auf die Umwelt der ganzen Welt aus. Rauch von den Ölfeuern wurde später in Ablagerungen in Südamerika, dem Himalaya und in Hawaii gefunden. Grosse, jährlich wiederkehrende Staubstürme, die in Nordafrika, dem Nahen Osten und Zentralasien entstehen, werden die radioaktive Verseuchung schnell um die ganze Welt verteilen. Die Korrosion der auf Schlachtfeldern verrottenden DU-Munition wird in Zukunft neue Quellen für radioaktive Strahlung liefern. In Windrichtung der radioaktiven Zerstörungen im Irak gelegen, leidet auch Israel unter dem häufigeren Auftreten von Brustkrebs, Leukämie und Diabetes bei Kindern. Strahlung respektiert keine Grenzen, keine sozialen Klassen und keine Religion Die Entbehrlichkeit des Begriffs «Achtung vor dem Leben», um die politischen Ziele der USA zu erreichen, wurde 1991 in den Beschreibungen von US-Soldaten im Irak bei den Kämpfen auf dem Boden und in der Luft entlang des «Highway des Todes» deutlich: «Die irakischen Soldaten, Knaben oder alten Männer, sie waren ein trauriger Anblick, ohne jeden Kampfeswillen. Ihre Führer hatten ihre Achillessehnen durchschnitten, damit sie nicht weglaufen konnten, und sie dort liegenlassen. Die Waffen, die sie hatten, waren in schlechtem Zustand, und es gab wenig Munition. Sie waren hungrig, froren und hatten Angst. Jeglicher Hass, den ich für irgendeinen Iraker fühlte, verschwand. Diese Leute hatten auf einem Schlachtfeld nichts zu suchen.» (Seymour Hersh, New Yorker, 22. Mai 2000) Die amerikanischen Piloten, die hilflose irakische Soldaten, die sich schon ergeben hatten, auf dem Rückzug mit DU-Waffen bombardierten und beschossen, riefen aus: «Wir haben ihn geröstet […], wir haben den Jackpot getroffen […], ein Truthahnschuss […], wir schiessen auf Fische im Aquarium […], das sind praktisch nur lahme Enten […]. Es gibt nichts Besseres. Es ist die grösste 4.-Juli-Show, die ihr je gesehen habt, und wenn man sieht, wie diese Panzer einfach platzen und noch anderes Zeug aus ihnen rausquillt … sie glühen einfach aus. Es ist wunderbar.» «Los Angeles Times» und «Washington Post», beide vom 27.2.1991) Fast 700’000 amerikanische Veteranen des Golf-Krieges kamen in die USA zurück aus einem Krieg, der nur ein paar Wochen dauerte. Heute sind mehr als 240’000 dieser Soldaten dauerhaft arbeitsunfähig, und 11’000 sind tot. Nach einer Studie der US-Regierung über Kinder von 251 Golf-Kriegs-Veteranen hatten 67 Prozent der Babys ernste Krankheiten oder Geburtsdefekte. Sie wurden ohne Augen oder ohne Ohren geboren, ihnen fehlten Organe, sie hatten zusammengewachsene Finger, Schilddrüsen- oder andere Fehlfunktionen. DU im Samen der Soldaten kontaminierte ihre Frauen von innen. Es gibt Berichte über schwere Geburtsdefekte bei Babys, die verseuchte Zivilisten im Irak, Jugoslawien und Afghanistan zur Welt brachten, und die Schwere und Häufigkeit der Defekte wächst mit der Zeit. Frauen in Jugoslawien, Afghanistan und im Irak fürchten sich jetzt davor, Ba- Dossier Uranwaffen 138 Zeit-Fragen 2006 bys zu bekommen, und wenn sie die Kinder gebären, fragen sie nicht, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist, sondern: «Ist es normal?» Soldaten, die während ihres Einsatzes in Bradley-Kampffahrzeugen auf Munitions kisten mit DU-Munition sassen, berichten nun, dass viele von ihnen an Rektalkarzinomen leiden. Erstmals in Jugoslawien und im Irak berichteten Ärzte über multiple in situ (mehrere unabhängig voneinander entstandene) Krebsarten bei einem Patienten und sogar über die Häufung von Krebserkrankungen in Familien, welche in stark verseuchten Gegenden leben. Dies war, wie sie berichten, um so befremdlicher, als Krebs in diesen Familien in früheren Generationen unbekannt war. Auch berichteten sie über sehr seltene und ungewöhnliche Krebsarten und Geburtsschäden, die im Vergleich zum Zeitraum vor 1991 ungewöhnlich stark zunahmen. Dies nicht nur in den vom Krieg heimgesuchten Ländern, sondern wegen der grenzüberschreitenden Verseuchung auch in benachbarten Ländern. Dr. Keith Baverstock, Chefberater der WHO für Strahlenschutz, warnte im November 2001 als Co-Autor eines Berichtes, dass die Langzeitschäden von DU die irakische Zivilbevölkerung gefährden würden und dass das trockene Klima die Belastung durch feine Staubpartikel, die aufgewirbelt und eingeatmet würden, noch während vieler Jahre erhöhen würde. Die WHO beugte sich dem Druck der IAEA und verweigerte die Erlaubnis, seinen Bericht zu veröffentlichen. Dr. Baverstock spielte den verbotenen Bericht im Februar 2004 den Medien zu. Pekka Haavisto, der Vorsitzende einer Abteilung des UN-Umweltprogramms (UNEP) in Genf, die nach einem Krieg die Umweltschäden beurteilt, teilt Dr. Baverstocks Befürchtungen wegen DU. Aber den UNEP-Experten wurde die Einreise in den Irak, wo sie die Umweltverschmutzung hätten bewerten können, verweigert. «Angstmacherei vor abgereichertem Uran» behauptet Präsident George W. Bush auf der offiziellen Internetseite des Weissen Hauses: «Während des Golf-Krieges verwendeten die Vereinigten Streitkräfte panzerbrechende Munition mit DU. DU ist dafür wegen seiner hohen Dichte ideal. In den letzten Jahren unternahm das irakische Regime beträchtliche Anstrengungen, um die falsche Behauptung zu verbreiten, dass die DU-Geschosse, welche von den Vereinigten Streitkräften verschossen wurden, im Irak Krebs und Geburtsschäden verursachen würden. Der Irak verbreitete schreckliche Bilder von Kindern mit Geburtsschäden und stellte eine Verbindung zwischen diesen Geburtsschäden und DU her. Diese Kampagne hat hauptsächlich zwei Propagandaziele: Uran ist ein Begriff, der beim Durchschnittsbürger angsterregende Vorstellungen erweckt, wodurch man die Lüge leichter verkaufen kann. Und der Irak zieht einen Vorteil daraus, dass er sich auf ein bestehendes Netzwerk von Atomkraftgegnern stützen kann, dessen Aktivisten bereits eine eigene Kampagne gegen DU begonnen haben. Aber die Wissenschaftler, die für die WHO, die UNEP und die EU arbeiten, fanden keine Gesundheitsschäden, die auf DU-Belastung zurückzuführen wären.» Amerikas Krieg in Afghanistan machte deutlich, dass dies nicht ein Krieg in der dritten Welt, sondern ein Krieg gegen die dritte Welt war. In Afghanistan, wo 2001 schätzungsweise 800 bis 1000 Tonnen DU eingesetzt wurden, verstehen sogar ungebildete Afghanen den Schaden, den diese Waffen an ihren Kindern und den zukünftigen Generationen angerichtet haben: «Nachdem die Amerikaner unsere Dörfer zerstört haben und viele von uns töteten, haben wir auch unser Zuhause verloren und haben nichts mehr zu essen. Jedoch hätten wir dieses ganze Elend ertragen und sogar akzeptiert, wenn die Amerikaner uns nicht alle zum Tod verurteilt hätten. Als ich meinen missgebildeten Enkel sah, begriff ich, dass all meine Hoffnungen für die Zukunft für immer vernichtet sind. Anders als durch die Barbarei der Russen und noch schlimmer als damals, als ich meinen ältesten Sohn Shafiqullah verlor. Diesmal jedoch sind wir, wie ich weiss, Teil eines unsichtbaren Genozids, der uns von den Dossier Uranwaffen 139 Zeit-Fragen 2006 Amerikanern gebracht wurde. Ein leiser Tod, dem wir gewiss nicht entrinnen können.» Jooma Khan aus der Provinz Laghman, im März 2003 Die britische Atomenergiebehörde (UKAEA) warnte 1990 in einem Bericht vor den möglichen katastrophalen Auswirkungen des Gebrauchs von DU-Waffen auf die Gesundheit und die Umwelt. Die Gesundheitsschäden waren seit langem bekannt. Das Gutachten zu Handen der Regierung warnte: «Falls 50 Tonnen DU-Staub in einer Region zurückbleiben, werden nach unserer Schätzung dadurch bis zum Ende des Jahrhunderts (2000) eine halbe Million zusätzlicher Krebsfälle auftreten.» Die Menge an DU-Waffen, welche 1991 eingesetzt wurden – das Pentagon gibt 325 Tonnen zu –, wird von anderen wissenschaftlichen Gremien auf bis zu 900 Tonnen geschätzt. Das führt als Folge allein des Golf-Krieges von 1991 zu einer berechneten Zahl von 9 000 000 Krebsfällen. Im Golf-Krieg von 2003 wurden schätzungsweise 2200 Tonnen verbraucht – das würde ungefähr 22 000 000 neue Krebsfälle verursachen. Insgesamt kommt man gemäss den Berechnungen der UKEA auf 25 250 000 Krebsfälle. Im Juli 1998 schätzte die CIA die Gesamtbevölkerung des Irak auf ungefähr 24 683 313 Personen. Ironischerweise wurde die Uno-Resolution 661, welche Sanktionen gegen den Irak verhängte, am Gedenktag zu Hiroshima, am 6. August 1990, ratifiziert. Die Parallelen «Krieg kann keinen wirklichen Konjunkturaufschwung bewirken, zumindest nicht direkt, da eine Vermehrung des Wohlstandes nie das Resultat der Zerstörung von Gütern sein kann.» Ludwig von Mises Die Parallelen zwischen dem Irak, Jugoslawien und Afghanistan sind verblüffend. Die verwendeten Waffen, die den Ländern von den USA unterbreiteten unlauteren Verträge, die Bombardierung und Zerstörung der Umwelt und Infrastruktur. In jeder Stadt des Irak und Jugoslawiens wurden die Radio- und Fernsehstationen bombardiert. Gezielt wurde auf Bildungszentren und auf Geschäfte, die Schulbücher und -material verkauften. Sie wurden an beinahe denselben Tagen zerstört. Unter den UN-Sanktionen war es dem Irak nicht einmal erlaubt, Stifte für seine Schulkinder einzuführen. Kulturgüter und historische Schätze wurden gezielt in allen drei Ländern zerstört, eine Art von kulturhistorischer Säuberung, ein kollektives nationalpsychisches Trauma. Die dauerhafte radioaktive Verseuchung und Umweltverwüstung aller 3 Länder ist einzigartig und führt zu einem enormen Anstieg der Krebsfälle und Geburtsschäden nach den Angriffen. Diese werden in der folgenden Zeit weiter zunehmen wegen Wirkungen der andauernden Strahlungsexposition, die man heute noch nicht kennt, wegen der steigenden Strahlungsbelastung durch DU-Staub im Körperinnern und auch die dauerhaften genetischen Schäden, die an zukünftige Generationen weitergegeben werden. Offensichtlich war von Beginn an ein Genozidplan dahinter. Was geschah mit den Menschenrechten, den Kinderrechten, der Zivilgesellschaft, der Menschheit allgemein? Es ist an den Bürgern der Welt, die DU-Kriege zu stoppen und auch die zukünftigen nuklearen Kriege, welche weiter nicht wiedergutzumachende Verwüstungen verursachen werden. Es wird nur noch wenige Generationen dauern, bis der Punkt erreicht ist, an dem die Umwelt zusammenbricht, aber dann wird es zu spät sein. Wir können nicht gesünder sein, als es die Umwelt ist – atmen wir doch dieselbe Luft, trinken das gleiche Wasser, essen Nahrung desselben Bodens. «Unser kollektiver Genpool des Lebens, der sich in Hunderten von Millionen Jahren entwickelt hat, wurde in weniger als 50 Jahren schwer geschädigt. Die noch verbleibende Zeit diese Kultur des «Lemmingtodes» rückgängig zu machen schwindet. Was werden wir später einmal unseren Enkelkindern erzählen, wenn sie fragen, was wir in der wichtigsten Zeit unseres Lebens getan haben, um dieses Sterben abzuwenden?» Dossier Uranwaffen 140 Zeit-Fragen 2006 Rosalie Bertell 1982 Der tiefere Zweck: G*O*D (Gold, Öl und Drogen) «Wir müssen die Eigentümer oder wenigstens die Kontrolleure der Ölquellen oder wenigstens eines Teiles des von uns benötigten Öles werden.» Britischer Untersuchungsausschuss, im Einverständnis mit Winston Churchills Irak-Politik im Jahre 1913 «Es ist klar, dass unsere Nation von ausländischem Öl abhängig ist. Immer mehr der Importe kommen aus Übersee.» US-Präsident George W. Bush, Beaverton, Oregon, Sep. 25, 2000 «Wenn die ihren Radar einschalten, werden wir ihre gottverdammten SAMs (Boden-LuftRaketen) in die Luft jagen. Sie wissen, dass wir ihr Land besitzen. Wir kontrollieren ihren Luftraum […]. Wir diktieren die Art, wie sie leben und sprechen. Und das ist es, was an Amerika im Moment so toll ist. Es ist eine gute Sache, vor allem weil es dort draussen eine Menge Öl gibt, das wir brauchen.» US-Brig.-General William Looney, 1999, in bezug auf den Irak Vor Millionen von Jahren, bevor die indische und die europäische Platte kollidierten und das Himalajagebirge falteten, erstreckte sich das flache Thetysmeer vom Atlantik über das, was heute das Mittelmeer ist, über das Schwarze und Kaspische Meer bis zum Aralsee. Reiche Öllagerstätten befinden sich nun da, wo sich damals in alten Sedimenten viel organisches Material sammelte und unter den richtigen Bedingungen zu eben diesem Öl «gekocht» wurde. Lange vor 1991 hatten Unocal in Afghanistan, Amoco in Jugoslawien und weitere an irakischen Ölvorräten interessierte Konzerne aufwendige Hochrechnungen und Beschreibungen der Öllagerstätten im Nahen Osten und in den zentralasiatischen Regionen, einschliesslich der Nordhälfte Indiens, durchgeführt. Grossbritannien hat sein Interesse für die nahöstlichen Ölfelder ein Jahrhundert lang aufrechterhalten und war daher der treueste militärische Partner der USA seit 1991, dem ersten DU-Krieg im Irak. Deutschland, ein weiterer militärischer Partner in Jugoslawien und jetzt mit Truppen in Afghanistan vertreten, war einer der grössten wirtschaftlichen Profiteure des Zusammenbruches des ehemaligen Jugoslawiens und der Kolonisierung des Balkans. US-Interessen in Jugoslawien waren eng mit dem Bau von Pipelines von Zentralasien in die jugoslawischen Warmwasserhäfen des Mittelmeeres verknüpft. Durch eine stille und versteckte Partnerschaft zwischen den USA und Japan wurde viel japanisches Geld zur Finanzierung des 1991er Irak-Krieges und der 1995–99er Jugoslawien-Kriege zur Verfügung gestellt, mit zusätzlicher Unterstützung in Afghanistan, die nicht nur aus Geld, sondern auch aus Treibstoff für den Krieg bestand, und mit zusätzlicher Hilfe von AegisKriegsschiffen des japanischen Militärs im Indischen Ozean. Mitsubishi und Haliburton sind jetzt Partner in einem zentralasiatischen Ölpipelineprojekt. 2004 sandte die japanische Regierung trotz grosser Opposition der Bevölkerung Truppen in den Irak für den «Wiederaufbau». Diese Handlungsweise der japanischen Regierung, Truppen in ein Kriegsgebiet zu entsenden, wird zur Aufhebung des Artikel 9 der japanischen Verfassung führen, welcher eine militärische Aggression von Japan für immer untersagt. Das eiserne Dreieck (alle unter einer Decke): Militär, Hochfinanz, Politik «Die Freiheit einer Demokratie ist nicht gesichert, wenn die Bürger das Anwachsen privater Macht zulassen bis zu einem Punkt, wo sie stärker wird als der Staat. Das ist im Kern Faschismus – der Besitz der Regierung durch eine einzelne Person, einer Gruppe oder irgendeine andere kontrollierende private Macht.» Franklin Delano Roosevelt Was aber haben Öl, militärische Partner, Kriege mit abgereichertem Uran und US-Aussenpolitik mit Nuklearwaffen zu tun? Ich fand die Antwort, als ich im Livermore Nuclear Wea- Dossier Uranwaffen 141 Zeit-Fragen 2006 pons Laboratory bei San Francisco, Kalifornien, 1991 als ein «Whistleblower» (jemand, der etwas entlarvt) wurde. Richard Berta, der für die westliche Region zuständige Inspektor des Energieministeriums, sagte zu mir: «Das Pentagon ist für die Ölkonzerne da, und das Nuklearwaffenlabor ist für das Pentagon da.» DU wird seit Anfang 1991 aus 3 Gründen verwendet: • Um die radiobiologischen Effekte von Nuklearwaffen der vierten Generation zu testen, welche sich immer noch in Entwicklung befinden. • Um den Unterschied zwischen konventionellen und Nuklearwaffen zu verwischen und aufzuheben. • Um die Wiedereinführung von Nuklearwaffen ins Arsenal des US-Militärs zu erleichtern. Wer ist Usama bin Ladin wirklich? Lasst mich das umformulieren. Was ist Usama bin Ladin? Er ist Amerikas Familiengeheimnis. Er ist der dunkle Doppelgänger des amerikanischen Präsidenten. Der unzivilisierte Zwilling von allem, was vorgibt, schön und zivilisiert zu sein. Er wurde aus der Rippe einer Welt geformt; die von der amerikanischen Aussenpolitik verwüstet wird, von ihrer Kanonenbootpolitik, ihrem Nukleararsenal, ihrer vulgären Politik des «full spectrum dominance», ihrer kühlen Verachtung nicht amerikanischen Lebens, ihrer barbarischen militärischen Interventionen, ihrer Unterstützung von despotischen und diktatorischen Regimen, ihrer unbarmherzigen wirtschaftlichen Agenda, welche sich wie ein Heuschreckenschwarm durch die Ökonomien armer Länder frisst. Ihrer marodierenden multinationalen Konzerne, welche uns unsere Atemluft, unseren Lebensraum, unser Trinkwasser, unsere Gedanken nimmt. Arundhati Roy, «The Algebra of Infinite Justice» Heute sind die USA federführend in der Erforschung und Entwicklung von Nuklearwaffen der vierten Generation, mit Japan und Deutschland – auf einem geteilten zweiten Platz und gefolgt von Russland und weiteren Ländern. Die Carlyle-Gruppe, eine private Firma der Hochfinanz, das zwölftgrösste Waffenunternehmen mit einer obszön hohen Gewinnspanne, ist ein «Unternehmensarrangement» zwischen der Familie Bush und der Familie bin Ladin, reichen Saudis, dem früheren britischen Premier John Major, James Baker III., Afasneh Masheyekhi, Frank Carlucci, Colin Powell und anderen ehemaligen US-Regierungsangestellten sowie Madeleine Albrights Tochter. Die Carlyle-Gruppe ist der Pförtner der saudischen Investmentgemeinschaft. Sie hält 70 Prozent von Lockheed Martin Marietta, dem grössten militärischen Auftragsnehmer der USA, und da Carlyle Privateigentum ist, muss sie sich keiner Untersuchung stellen oder Verantwortung übernehmen. Ein Journalist, der sich selbst als «Stinktier an der Gartenparty» bezeichnet, beschrieb das Recherchieren über die Gruppe so: «Es ist wie Schattenboxen mit einem Geist.» Die Gruppe heuert die bekanntesten Politiker aus aller Welt als Lobbyisten an, um die Kriegspolitik zu beeinflussen und von deren zuvor durchgeführten politischen Massnahmen zu profitieren. Der Interessenskonflikt ist offensichtlich: Präsident Georg W. Bush zettelt Kriege an, während sein Vater, der frühere Präsident George Bush, weltweit mit Waffen und «Schutz» handelt. Lockheed Martin Marietta bestitzt jetzt Sandia Laboratories, einen privaten Lieferanten, der Zünder für Nuklearwaffen herstellt, mit einem Standort auf der anderen Strassenseite gegenüber den Los Alamos und Livermore National Laboratories, wo die Atombomben produziert werden. Dossier Uranwaffen 142 Zeit-Fragen 2006 An der Sitzung des Verwaltungsrates der Universität von Kalifonien im Mai 2003, an welcher auch ich anwesend war, war Admiral Linton Brooks anwesend, der seit kurzer Zeit für das Nuklearwaffenprogramm des Energieministeriums verantwortlich war. Admiral Brooks informierte den kalifornischen Vizegouverneur Cruz Bustamante und den Unversitätsverwaltungsrat, dass der Managementvertrag für die Nuklearwaffenlaboratorien, die, ohne jemals angefochten zu werden, die Universität von Kalifornien 60 Jahre lang inne hatte, im Jahre 2005 aufgelöst und zum Wettbewerb ausgeschrieben würde. Die bevorzugte Institution – mit einem Fakultätsmitglied im «Blue Ribbon Kommitte», das den Vertrag vergibt – ist die Universität Texas. Die Privatisierung und der Transfer der Aufsicht über das US-Nuklearwaffenprogramm bringt es unter die Kontrolle der Carlyle-Gruppe. Die inzestuöse Beziehung zwischen der US-Regierung, privaten Firmen und den Bush- und bin-Ladin-Familien beantwortet gewissermassen viele der hängigen Fragen nach den vielen schlechten Entscheidungen und politischen Fehlgriffen der letzten Zeit, die uns alle beschäftigen. *Leuren Moret arbeitete in 2 US-Nuklearwaffen laboratorien als Geowissenschafterin. 1991 wurde sie eine «Whistleblowerin» und arbeitet seither weltweit in verschiedenen Gemeinschaften als unabhängige Bürgerwissenschaftlerin und Strahlungsexpertin. Sie arbeitete in der UN-Subkommission mit, die das DU untersuchte. Ihre Forschungen über die Auswirkungen der Niedrigdosisstrahlung auf Umwelt und Volksgesundheit durch den Fallout atmosphärischer Tests, Kernkraftwerke und DU-Waffen sind im Internet unter www.mindfully.org zu finden. 2003 sagte sie vor dem in Japan durchgeführten internationalen Afghanistan-Tribunal aus, nahm an der World Depleted Uranium Conference in Hamburg sowie dem Weltfrauengerichtshof am Weltsozialforum in Bombay im Januar 2004 teil. Sie schreibt für den Global Outlook und ist Mitglied des Editoriums, ist eine Umweltkommissarin der Stadt Berkley und ehemalige Präsidentin der Vereinigung weiblicher Geowissenchafter. Bekannte Krankheiten, die durch die Aufnahme von DU-Teilchen hervorgerufen werden Zusammengestellt von Leuren Moret nach Interviews mit Golf-Kriegs-Veteranen und ihren Familien Allgemein • • • Abnormale Geburten und Geburtsdefekte Abnormaler Samenstoff wechsel: enthalten Amine und alkalische Ammoniumverbindungen Akute autoimmune Symptome (Lungen-, Leber- und Nierenversagen) • Akute myeloische Leukämie (tödlich innerhalb von Tagen oder Wochen) Akuter Immundefekt Akutes respiratorisches Versagen Asthma Autoimmundefekte Balkansyndrom Blut im Stuhl und im Urin Verlust der Körperkontrolle Knochenkrebs Gehirnschäden Hirntumore brennender Samen • • • • • • • • • • • • • • brennende Missempfindungen (Parästhesien) Kalziumverlust Cardiovaskuläre Zeichen oder Symptome Dossier Uranwaffen • Chemische Überempfindlichkeiten Chronisches Müdigkeitssyndrom • • • Chronische Nieren- und Leberstörungen Chronische myeloische Leukämie Chronische Atemwegsinfektionen Darmkrebs Verwirrtheit Durchfall Verdauungsstörungen Schwindel Epstein-Barr-Syndrom Flüssigkeitsansammlungen Fibromyalgie • • • • • • • • • • • Gastrointestinale Veränderungen/Symptome Allgemeine Müdigkeit Genetische Veränderungen Drüsenkrebs Golf-Kriegs-Syndrom Schwere Kopfschmerzen Herzinfarkt Hypertonie Häufiger Harndrang Morbus Hodgkin Defekte des Immunsystems Infektionen Schlaflosigkeit Ungewollte Bewegungen Gelenk-Muskel- Schmerzen Nierenversagen Leukämie Leberkarzinome Verlust des Gefühls in den Fingern Lou-Gehrigs-Krankheit (Amyotrophe Lateralsklerose, ALS) Niedrige Sauerstoffsättigung im Blut Geringes Lungenvolumen Lungenschäden Lungenkrebs Lymphknotenkrebs Lymphome Melanome Gedächtnisverlust Metallischer Geschmack im Mund • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • Mykoplasmeninfektionen, verschleierte Infektionen Stimmungsschwankungen, Gewaltbereitschaft (Mord, Selbstmord) • • • • 143 Mehrfachkrebs Multiples Myelom Myelom Muskelschmerzen Zeit-Fragen 2006 Dossier Uranwaffen 144 Nervenschaden • • • Degenerative neuromuskuläre Erkrankungen Non-Hodgkin-Lymphome Andere maligne Erkrankungen • Pankreaskrebs Morbus Parkinson Epilepsie Hautausschläge Reaktive Atemwegserkrankungen Verminderte Intelligenz Atemwegserkrankungen Atemnot Erkrankungen der Nasennebenhöhlen Hautkrebs Hautschäden der Schweiss drüsen durch DU-Teilchen Hautinfektionen Hautflecken Verlust des Geruchssinnes Steifheit der Finger Zerfall der Zähne Schilddrüsenkrebs Schilddrüsenerkrankungen Gehunfähigkeit Fieber/Nachtschweiss Haarverlust Sehstörungen Gewichtsverlust • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • Kinder • • • • • • • • • • • • • • • Ernährungsstörungen Asthma Blasen und Sphinkterlähmungen Erblindung Alle bekannten und unbekannten angeborenen Defekte Taubheit Dyspraxie Kopfschmerzen Nierenerkrankungen Leukämie Lymphom Missbildungen der Beine, Arme, Zehen und Finger Atemwegserkrankungen Totgeburten Neuralrohrdefekte Zeit-Fragen 2006 Dossier Uranwaffen 145 Frauen • Bauchschmerzen Brustkrebs Brustkrebs in jungem Alter Cervixkarzinom Endometriose Kopfschmerzen Inkontinenz Gelenkschmerzen Lungenkrebs bei jungen Nichtraucherinnen Menstruationsprobleme Fehlgeburten Übelkeit Eierstockkrebs Verdauungsstörungen Schilddrüsenprobleme Gebärmutterkrebs • • • • • • • • • • • • • • • Männer • • • • • • • • • • • • • • • • • • • (Akuter) Kopfschmerz Akute myelotische Leukämie Arthritis Menschenscheu Atemprobleme (Stridor) Chemische Überempfindlichkeit Chronische myeloische Leukämie Endometriose beim Partner Verdauungsstörungen Hüft- und Beinschmerzen Gelenkschmerzen Lungenkrebs bei jungen Männern Lymphom Hautkrebs Akne Bauchschmerzen Suizid Hodenkrebs Gehunfähigkeit Zeit-Fragen 2006 Dossier Uranwaffen 146 Zeit-Fragen 2006 Tödlicher Staub von Siegesmund von Ilsemann zf. Der Artikel von Siegesmund von Ilsemann, der 2001 im «Spiegel» erschienen ist, belegt, dass das deutsche Verteidigungsministerium bereits 1989 über die Gefahren der Uranmunition informiert war. Den Versicherungen der Nato-Verteidigungsminister über die Unbedenklichkeit von UranMunition widersprechen eigene Experten – und die Vorsichtsmassregeln, die sie selbst zum Schutz ihrer Soldaten auf dem Balkan erlassen haben. Wie andere Schwermetalle ist auch abgereichertes Uran hochgiftig, seine Wirkungsweise noch nicht hinreichend erforscht. Ein feuchter Film auf Stirn und Schläfen sowie die deutlich geröteten Wangen von Rudolf Scharping verrieten die Erregung des Augenblicks. Wie ihn, den Verteidigungsminister, denn seine neue Liebe verändert habe, forschte vorige Woche Soft-Talker Alfred Biolek. Der Befragte richtete den Blick auf «Tina», die Neue an seiner Seite, Kristina Gräfin PilatiBorggreve. Des Ministers Gesicht erstrahlte im Glanz des frischen Glücks. Peinlicher hätte der öffentliche Auftritt des Wehrchefs zu diesem Zeitpunkt kaum ausfallen können. «Rein privat» sei der Minister Bios Gast gewesen, versicherte umgehend ein Bundeswehrsprecher, wohl um den Eindruck zu verwischen, der deutsche Oberbefehlshaber habe sich an einem platten Ablenkungsmanöver versucht. Verbrechen gegen Gott und die Menschlichkeit Denn nicht das Liebesleben des Ministers, seit Wochen in Talkshows, Interviews und Klatschspalten präsentiert, bewegt die Öffentlichkeit. Vielmehr beschäftigte Zivilisten und Militärs in ganz Europa die Angst vor der Strahlung jener Uranmunition, die US-Kampfjets 1999 in Kosovo und wohl auch in Montenegro und Serbien verschossen. Aufregung griff um sich, und böse Beschuldigungen wurden laut: «Ein Verbrechen gegen Gott und die Menschheit» nennt etwa der Amerikaner Doug Rokke den Einsatz von Uran-bestückter Munition, an deren Entsorgung am Golf er selbst beteiligt war. Solche Aussagen und die Reaktion der Öffentlichkeit gelten Scharping gleichwohl schlicht als «Hysterie». So spricht derselbe Minister, der sich während des Kosovo-Kriegs nicht scheute, den Wehrwillen der Deutschen mit Halb- und Unwahrheiten über angeblich Zehntausende ermordeter Albaner anzustacheln, über Masseninternierungen im Stadion von Priština und einen ominösen Hufeisenplan, der offenbar nicht vom serbischen Generalstab, sondern weitgehend von der Bonner Hardthöhe stammte. Seit in Italien 7 Soldaten nach ihrem Einsatz auf dem Balkan an Krebs starben und weitere 23 erkrankt sind, überschlugen sich die Ereignisse: Weitere Nato-Partner meldeten Verdachtsfälle. Die Mehrzahl der europäischen Regierungen, die internationale Einheiten für die Friedenstruppe in Kosovo, Kfor, abgestellt haben, leiteten umfassende Untersuchungen ihrer Soldaten ein. Auch für die auf dem Balkan stationierten Polizisten hat etwa das Berliner Innenministerium inzwischen «erweiterte Nachsorgeuntersuchungen» angeordnet. Sogar Grossbritannien, das – anders als die Bundeswehr – selbst Projektile mit abgereichertem Uran (depleted uranium, DU) einsetzte, fordert nun eine gründliche Untersuchung. In Brüssel beriet der Nato-Rat über den Einsatz von DU-Munition. Krisenstimmung machte sich breit, als immer mehr Nato-Staaten ihre Vorbehalte gegen die panzerbrechenden Geschosse zu Protokoll gaben. Doch verweigerte sich die Mehrheit dem Wunsch der Regierungen in Rom und Berlin nach einem Moratorium für diese Waffen. Dossier Uranwaffen 147 Zeit-Fragen 2006 Kanzler Gerhard Schröder selbst – «ich halte es nicht für richtig, eine solche Munition zu verwenden» – erhob die Forderung mit sicherem Instinkt für das populistisch Gebotene, um ein sich anbahnendes Debakel zu entschärfen. In einer Woche, in der er ohnehin zwei Minister auswechseln musste, wollte er verhindern, dass sein Wehrminister tiefer in Bedrängnis geriet. Immerhin rang sich die Allianz nun doch zu einer Art Moratorium durch. Uran-Munition werde derzeit «nicht benötigt», erklärte ein Nato-Sprecher. Hartnäckig hatten sich die Amerikaner gegen ein Verwendungsverbot gesträubt: Das käme einem Schuldeingeständnis gleich, warnten sie. Alliierte fühlen sich von USA getäuscht Und das will Washington auf jeden Fall vermeiden. Schadensersatzklagen in Milliardenhöhe drohen, seit Uran-Munition als mögliche Ursache für zahllose chronische Erkrankungen gilt, unter denen bereits über 100’000 Golf-Kriegs-Veteranen leiden. Kurz vor der NatoEntscheidung hatte US-Aussenministerin Madeleine Albright noch einmal beteuert, für radioaktive Gefährdung durch Projektile, wie sie millionenfach in amerikanischen Arsenalen liegen, gebe es «absolut keinen Beweis». Mit ähnlichen Beschwichtigungen hatten die Amerikaner allerdings auch jahrelang die Ansprüche von Vietnam-Kriegs-Veteranen abgewiesen, die mit dem Entlaubungsmittel Agent Orange vergiftet worden waren, bis schliesslich Gerichte Entschädigungsforderungen der Kläger bewilligten. Auch auf Grund solcher Erfahrungen mag derzeit kaum noch ein Bündnispartner den Amerikanern trauen. Die Alliierten fühlen sich desinformiert, vielfach sogar getäuscht von ihrer Vormacht, die – wider besseres Wissen – mehr als zehn Jahre lang die angebliche Harmlosigkeit von DU vehement vertreten hat. Gleichwohl liessen sich die Juniorpartner offenbar nur allzugern beschwichtigen. Amerikanische Propaganda nachzubeten war politisch weit bequemer, als selbst in wissenschaftliche Untersuchungen mit ungewissem Ausgang einzusteigen. Gelegenheit dazu gab es genügend. Vom 23. Januar 1989 bis Anfang vorigen Jahres fielen allein im deutschen Verteidigungsministerium 149 «Vorgänge» an, die DU zum Gegenstand hatten. Etliche davon beziehen sich auf Informationen, einige sogar auf Warnungen aus den USA. Das ergibt sich aus einer Übersicht mit dem Aktenzeichen 1401329 V7 («Vertraulich – nur für den Dienstgebrauch»), die dem damaligen Staatssekretär Peter Wichert am 31. März vergangenen Jahres vorgelegt wurde. Die Zusammenstellung belegt nicht nur, dass in der halben Amtszeit der rot-grünen Koalition im Verteidigungsministerium 110 Vorlagen über DU-Waffen erarbeitet wurden – einige davon mit einem deutlichen Hinweis auf die «politische Brisanz». Sie widerlegt auch die Behauptung von Beamten, vom Einsatz der umstrittenen Munition in Bosnien habe die Regierung erst sehr viel später erfahren. Von Hitler gelernt … Schon am 18. Februar 1997 berichteten deutsche Teilnehmer einer Militärmedizinertagung der Nato über amerikanische Warnungen vor der «möglichen Exposition von Anteilen der Friedenstruppe in Bosnien gegenüber abgereichertem Uran». Möglicherweise war damals noch nicht bekannt, dass US-Kampfflugzeuge am 5. August und 22. September 1994 sowie zwischen dem 20. August und dem 14. September 1995 insgesamt 10’800 Projektile mit rund drei Tonnen abgereichertem Uran gegen serbische Stellungen in der Umgebung Sarajevos und in ganz Bosnien verschossen hatten. Dass aber diese Munition verwendet worden war, stand nun zweifelsfrei fest. Eine Woche später nahm der Sanitätsinspekteur der Bundeswehr zum Bericht seiner Untergebenen Stel- Dossier Uranwaffen 148 Zeit-Fragen 2006 lung. Doch mehr als drei Monate verstrichen, in denen deutsche Pioniere möglicherweise ohne besondere Schutzvorkehrungen Uran-verseuchtes Militärgerät in und um Sarajevo bargen, ehe sich das Verteidigungsministerium zu einer «eigenen Bewertung» des Risikos durchrang. Am 4. Juni 1997 befand die Hardthöhe: «geringe Gefährdung». Damit blieben die Deutschen auf der Linie, die Washington seit der Entwicklung der Uran-Waffen vorgab. Die Idee kupferten die Waffenkonstrukteure Hitlers Rüstungsingenieuren ab. Die kamen während des Zweiten Weltkriegs auf den Gedanken, den Wirkungsgrad ihrer Panzerabwehrkanonen dadurch zu steigern, dass den Geschossen Uran beigegeben wurde. Das superdichte Material sollte mehr Energie ins Ziel bringen und den Geschossen eine viel stabilere Flugbahn verleihen. Es kam nie dazu. Als die US-Army in den sechziger Jahren nach mehr Durchschlagskraft gegen Moskaus gewaltige Panzerarmeen suchte, griff sie die Uran-Idee auf. Anders als Speers Aufrüster verfügte Washington über einen nahezu unbegrenzten Vorrat an geeignetem Rohmaterial – abgereichertes Uran, das bei der Gewinnung spaltbaren Materials für Atombomben und Reaktorbrennstoff in grossen Mengen anfällt. Nukleare Kettenreaktionen lassen sich nur mit Isotop U 235 erzeugen. Natürliches Uranerz besteht aber lediglich zu 0,7 Prozent aus diesem Bombenbaustoff. Weit über 99 Prozent dagegen sind U 238, ein schwach strahlendes Schwermetall, das kostspielig entsorgt werden muss – falls sich keine andere Verwendung findet. Kein Wunder, dass das US-Energieministerium der Rüstungsindustrie den Bombenabfall fast kostenfrei zur Verfügung stellte. Das Milocevic-Regime in Belgrad nutzte diesen Umstand für seine Menschenrechtsklage gegen die Nato: Der Westen entledige sich seines Nuklearabfalls, indem er ihn auf jugoslawische Ziele verschiesse. Strahlengefahr und chemisches Vergiftungsrisiko Nicht nur in der Rüstung wird das billige Schwermetall benutzt. Boeing und McDonnell Douglas bauten es – als Gegengewichte für Ruder und Klappen – in ihre Grossraumjets ein, Werften packten es als Ballast in den Kiel von Segelyachten. So wies der Untersuchungsbericht des niederländischen Parlaments über den Absturz eines El-Al-Jumbos auf den Amsterdamer Stadtteil Bijlmeer am 4. Oktober 1992 ausdrücklich darauf hin, dass diese Gegengewichte in Brand geraten waren und eine «Verseuchung durch Uranoxidpartikel stattgefunden» hat. Beim Aufprall mit hoher Geschwindigkeit auf sein gepanzertes Ziel verdichtet sich der Uran-Kern des Geschosses ganz extrem. Hat das Geschoss die Panzerung durchschlagen, zerbröselt es. Durch die Umwandlung der gewaltigen kinetischen Aufprallenergie erhitzt sich das Uran und brennt wie Zunder. Dieser durchaus erwünschte Nebeneffekt erzielt oft die entscheidende Kriegswirkung – die Bordmunition des getroffenen Panzers explodiert und vernichtet Mensch und Maschine. Dass dadurch allerdings ein ganz anderes Gefährdungspotential geschaffen wird, wissen die Amerikaner, seit sie von 1979 an auf den Aberdeen Proving Grounds, einem Übungsplatz kaum zwei Autostunden entfernt von der Bundeshauptstadt Washington, Testschüsse mit DU-Granaten akribisch vermessen haben. Zu ihrer eigenen Überraschung stellten sie fest, dass nach dem Aufprall des 3,4 Kilogramm schweren DU-Pfeils einer 105-Millimeter-Granate mehr als 70 Prozent des Schwermetalls als Uranoxide in der Luft schweben. Die Salve aus der Gatling-Gun eines Kampfflugzeugs vom Typ A-10 «Warzenschwein», mit dem die Amerikaner in Kosovo und am Golf Jagd auf Feindpanzer machten, bringt bis zu 100 Granaten ins Ziel. Vier Fünftel davon sind mit je 300 Gramm DU bestückt. Von den über 20 Kilogramm DU, die so abgefeuert werden, schweben wenig später 14 Kilogramm als giftiger Staub in der Luft. «Messungen im Zielgebiet zeigen, dass Personal Strahlenkonzentrationen ausgesetzt Dossier Uranwaffen 149 Zeit-Fragen 2006 sein kann, welche die empfohlene Höchstmenge überschreiten», warnten die Wissenschafter vom Battelle Pacific Northwest Laboratory. Die wirkliche Gefahr vermuteten sie jedoch an anderer Stelle. Über die Hälfte des Oxids sei «atemfähig», das heisst so mikroskopisch fein gekörnt, dass es nicht in den Bronchialhärchen hängenbleibt, sondern tief in die Lungenflügel eindringt. Dort aber lösen sich rund 43 Prozent der Giftpartikel in der Lungenflüssigkeit auf. «Dieses Ergebnis weist auf ein mögliches chemisches Vergiftungsrisiko neben der Strahlengefahr hin», vermuten die Forscher. Diese bis dahin völlig vernachlässigte Gefahr müsse eingehend geprüft werden. Selbst Militärs höchst besorgt Auf Grund ähnlicher Ergebnisse, die britische Wissenschafter nach dem Golfkrieg gewonnen hatten, warnten sie bereits vor vier Jahren vor den Gesundheitsgefahren von DU. An den Einsatzkriterien für die Uranmunition änderte sich gleichwohl nichts. Auch überall sonst geschah wenig. Dabei ist bekannt, dass gerade Schwermetalle gesundheitliche Schäden verursachen können, unter denen so viele Veteranen und Zivilisten heute leiden – von Schlafstörungen bis zur Immunschwäche, vom Versagen wichtiger innerer Organe bis zu Krebs. Denn neben den toxischen Gefahren von DU hinterlässt der Einsatz moderner Waffen unzählige weitere, grösstenteils ungeprüfte Komponenten. Rückstände etwa des auf allen Schlachtfeldern reichlich eingesetzten Trinitrotoluols (TNT), des wohl verbreitetsten militärischen Sprengstoffs, werden verdächtigt, karzinogen zu sein und Leukämie auszulösen. Doch selbst ungelöste, chemisch weit weniger aggressive DU-Partikel können nach Expertenmeinung im schlimmsten Fall Verheerungen anrichten, wenn sie erst einmal im Körper eingelagert sind. Die mit hoher Geschwindigkeit ausgestossenen Teilchen der AlphaStrahlung sind durchaus in der Lage, benachbarte Zellen zu verwüsten. Trifft solch ein Partikel einen Zellkern, kann es eine biologische Kettenreaktion auslösen, die zu einem bösartigen Tumor führt. Wolfgang Köhnlein, stellvertretender Vorsitzender der Strahlenschutzkommission der Bundesregierung, ist jedenfalls überzeugt, dass Soldaten noch lange nach ihrem Einsatz an Leukämie erkranken können. Darüber hinaus wussten die amerikanischen Forscher, dass ein DU-Risiko auch nach Kriegsende durch den vom Boden wieder aufgewirbelten Uranstaub fortbesteht. In weitaus höherer Gefahr als das Personal von Nato-Schiessständen lebt deshalb die Bevölkerung im Südirak oder im ehemaligen Jugoslawien, wo dieser Giftstaub tonnenweise ausgestreut wurde. ABC-Atemmasken, luftundurchlässige Bekleidung und Prüfgeräte, welche die Nato seit dem 1. Juli 1999 schliesslich als zweckmässige Schutzvorkehrungen für ihre Soldaten vorsah – ein Appell, der aber nicht alle Soldaten erreichte –, stehen der Bevölkerung nicht zur Verfügung. Die weiss in der Regel zudem noch weniger als die Soldaten, wo sie mit giftigem Uranstaub rechnen muss. Dass allen öffentlichen Harmlosigkeitsbeteuerungen zum Trotz auch unter Militärexperten die Sorge vor unkontrollierbaren Auswirkungen der DU-Munition Bestand hatte, beweist der Brief eines Oberstleutnants Ziehmn vom US-Atomwaffenzentrum Los Alamos National Laboratory. Am 1. März 1991, mit Beginn der Waffenruhe im Golfkrieg, in dem insgesamt 300 Tonnen abgereichertes Uran verschossen wurden, warnte der Experte die Abteilung für Studien und Analysen des Pentagon: «Es gab und gibt weiterhin Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen von abgereichertem Uran auf die Umwelt. Daher besteht die Gefahr, dass DU-Munition politisch als nicht mehr hinnehmbar erscheinen könnte.» • Quelle: Der Spiegel vom 15.1.2001 «Als mein Freund starb, war er 22 Jahre alt. Er war Soldat und Dossier Uranwaffen 150 Zeit-Fragen 2006 im Jahr 2000 an einer Friedensmission in Kosovo beteiligt» von Patricia Rodriguez, Spanien* Mein Name ist Patricia. Ich komme aus Spanien, und ich spreche hier für mich selbst und im Namen des Büros der Verteidiger spanischer Soldaten. Das ist ein Büro, das die spanischen Soldaten und ihre Rechte schützen möchte. Ich bin ein indirektes Opfer von abgereichertem Uran (Depleted Uranium, DU). Als mein Freund starb, war er 22 Jahre alt. Er war Soldat und im Jahr 2000 an einer Friedensmission in Kosovo beteiligt. Er war dort von April bis Juli 2000. Als er eineinhalb Monate später zurückkam, fühlte r sich bald etwas müde, und eine Woche später bekam er sehr hohes Fieber. 15 Tage später war er tot. Zu Beginn sagten sie, er habe eine beidseitige Lungenentzündung. Zwei Tage später entdeckten sie, dass er an einer sehr, sehr akuten Leukämie litt. Er starb kurz nachdem die Funktion seiner Lungen und Nieren zusammengebrochen war. Die Ärzte, es waren Zivilund keine Militärärzte, dachten, dass der Tod für eine akute Leukämie zu schnell eingetreten sei. Ich war sehr traurig und deprimiert. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nichts über DU, so dachte ich nicht weiter darüber nach. Er starb am 31. Oktober, und im Dezember sah ich im Fernsehen Nachrichten über die Situation der italienischen Soldaten. Diese starben an Leukämie und verschiedenen seltsamen Krankheiten. Sie alle waren, ähnlich wie mein Freund, in Kosovo. In den Nachrichten hiess es, dass die Ursache für den Tod dieser Soldaten auf «abgereichertes Uran» zurückzuführen sei. Die Munition ist mit dieser Substanz überzogen. Die Munition wird verwendet, die Panzerfahrzeuge zu durchbohren. Sie hat eine sehr, sehr hohe Zerstörungskraft. Ich hatte zuvor noch nie etwas davon gehört. Ich glaube, dass es der übrigen spanischen Bevölkerung genauso geht. Das erste was ich machte, war, die spanischen Medien zu kontaktieren, weil es in den Nachrichten hiess, dass dies ein Fall sei, der italienische Soldaten beträfe und dass es in Spanien keinen ähnlichen Fall gäbe. Deshalb meldete ich mich und sagte: «Hey! Ich kenne einen Fall, einen ganz ähnlichen Fall – und zwar meinen Freund.» Was dann geschah, war ein grosser Nachrichtensturm von anderen Menschen in Spanien, die anriefen und von Verwandten oder Freunden erzählten, welche in Kosovo, Serbien oder Montenegro gewesen waren und auch krank wurden. Es entwickelte sich daraus eine grosse Bewegung in Spanien. Sie dauerte aber nur eineinhalb Monate. Danach herrschte Ruhe – vollständige Ruhe in Spanien. Das ist ganz normal, wie ich es auch aus anderen Ländern höre. Die spanische Regierung verbreitet Lügen Was war passiert? Ich möchte mit Ihnen darüber reden, wie die spanische Regierung damit umging. Wie bereits jemand hier sagte, möchte ich auch über die Lügen der Regierung sprechen. Ich möchte Ihnen die Lügen der spanischen Regierung mitteilen. Das erste was sie machten, als ich in den Medien über meinen Freund berichtete, war, dass sie sagten, mein Freund, Antonio Gonzales, sei niemals in den Gebieten, in denen die Bomben explodierten, also in den Kampfgebieten, gewesen. Er sei ausserhalb der Gefahrenzone gewesen. Dies ist eine Lüge, weil mein Freund zu einer logistischen Einheit gehörte, die in Mitrovica, nahe der Grenze zu Kosovo, stationiert war. Als Angehöriger der logistischen Einheit hatte er die anderen operativen Einheiten mit Benzin, Munition und anderen Dingen zu versorgen. So muss te er eine Menge Fahrten in die Kampfgebiete unternehmen. Ich musste zeigen, dass die Regierung lügt. Ich musste den Inhalt der Briefe, die mein Freund mir geschickt hatte, den Journalisten mitteilen. In den Briefen erzählte er mir von den Reisen und den Photos, die er gemacht hatte, weil er eine Menge Photos von den verschiedenen Schauplätzen haben wollte. Dossier Uranwaffen 151 Zeit-Fragen 2006 Schlussendlich gaben sie zu: «Ja, er war in den Kampfgebieten, aber wir wussten nichts über die Gefahren und die Risiken des abgereicherten Urans. Wir waren darüber nicht informiert.» Dies ist auch eine Lüge, weil wir wissen, dass die USA vor dem Krieg über die Verwendung von abgereichertem Uran informiert hatten und empfahlen, dass man spezielle Schutzmassnahmen treffen sollte. Das ist also wieder eine Lüge. Nato hat über 30’000 Ladungen abgereichertes Uran abgeworfen Wie auch immer, ob er nun in den gefährlichen Gebieten gewesen ist oder nicht. Ich traf ich einen Monat später Ray Bristow. Ich denke, Sie kennen ihn. Er ist ein Golf-Kriegs-Veteran (1991) aus Grossbritannien, und er ist sehr krank. Er war jedoch nie direkt im GolfKriegs-Gebiet; er war zu viele Kilometer von den Kampfgebieten entfernt. Deshalb denke ich, selbst wenn mein Freund nicht so viele Fahrten nach Kosovo gemacht hätte, spielte es keine grosse Rolle, weil wir hier über sehr, sehr kleine Partikel sprechen. Sie können in der Luft sehr schnell und sehr weit getragen werden. Im Herbst bestätigte die Nato, über 30’000 Ladungen abgereichertes Uran abgeworfen zu haben – ich weiss nicht, ob diese Zahl exakt ist, vielleicht können die Akademiker auf dem Podium genauere Zahlen darüber angeben. Als mein Freund im Spital war, kamen einige seiner Freunde zu mir. Sie waren mit ihm zusammen in Kosovo gewesen. Und sie sagten zu mir: «Du Patricia, hast du schon jemals über die Krankheit von Antonio nachgedacht? Vielleicht wurde sie ja durch etwas Toxisches oder Radioaktives in Kosovo hervorgerufen. Ich weiss es nicht, vielleicht können wir ja einige Ärzte darüber befragen.» Wir gingen also zu den Ärzten, und sie sagten mir: «Vergessen Sie das. Um eine Leukämie wie diese hervorzurufen, braucht es eine hohe Dosis an Radioaktivität, und diese findet man nur in einigen Arten atomarer U-Boote. Also vergessen Sie das.» Deshalb dachte ich nie weiter darüber nach, bis ich von dem abgereicherten Uran erfuhr. Golf-Kriegs-Veteranen ist es per Gesetz verboten, Organisationen zu gründen! Als ich die Golf-Kriegs-Veteranen und einige andere Menschen und Organisationen, die gegen das abgereicherte Uran kämpften, traf, sagten sie mir: «Das erste was Sie machen müssen, ist, eine Organisation mit all den Veteranen in Spanien zu gründen, in der Art, wie es sie bereits in Grossbritannien, den USA oder in Frankreich mit dem Namen «Avigolfe» gibt. Und das versuchte ich; ich versuchte es wirklich. Aber da gab es ein grosses Problem. Ich spreche im Namen der Organisation «Defenders of the Soldiers» (Verteidiger der Soldaten). Vor zwei Jahren traf ich ein Mitglied der Organisation, der mir erzählte, dass es sehr schwierig sei, in Spanien eine Organisation wie diese aufzubauen, weil es den Soldaten per Gesetz verboten ist, jegliche Art von Organisation zu gründen. So versuchte ich eine Organisation zu gründen mit den Familien, nicht den Militärs; mit den Familien. Aber es war auch sehr schwierig, weil ich zu dem Verteidiger des Soldaten sagte, dass ich Kontakt mit all den betroffenen Soldaten in Spanien haben möchte, und er sprach mit allen diesen, aber nur etwa acht von ihnen riefen mich an. Und die meisten von ihnen sagten mir: «Ich möchte es nicht tun, weil ich Angst habe. Ich erhielt – ich bin unter Druck. Sie bedrohen mich.» Dies waren die Männer, die noch in der Armee waren, in der spanischen Armee. Die Männer, die nicht in der Armee waren, sagten zu mir, dass sie keine Probleme bekommen möchten; dass sie die Menschen nicht wissen lassen möchten, dass sie krank sind, dass – einige andere Gründe, die ich nicht besonders gut verstehen konnte. Es war sehr schwer für mich. Medizinische Tests verhindert So, meine weitere Priorität war es, medizinische Tests mit den Soldaten zu machen. Und Dossier Uranwaffen 152 Zeit-Fragen 2006 das spanische Verteidigungsministerium wurde mit Hilfe einer Kampagne gezwungen, Urintests und Blutuntersuchungen bei den Soldaten zu machen, die von Kosovo zurückgekommen waren. Aber diese Untersuchungen waren nicht die, die wir benötigten, um Uran isotope zu isolieren. Dies waren nur Tests, denke ich, um Kadmium und Blei nachzuweisen. Denn sie wurden nicht durchgeführt, um etwas zu finden … es war eine Lüge; es war eine grosse Lüge für die Öffentlichkeit sowie für die kranken Menschen. Das einzige Labor in Spanien, das ein Spektrometer hatte, um das Uran zu finden und zu isolieren, befindet sich in Madrid. Die Analysen sind sehr, sehr teuer. So war es sehr wichtig, eine Organisation zu gründen, um die Mittel zu finden, die Analysen zu bezahlen. Bis zum heutigen Zeitpunkt konnte ich es nicht erreichen. So habe ich Kontakt zu Prof. Asaf Durakovic (von UMRC in Kanada) aufgenommen, um von ihm Hilfe zu bekommen. Er arbeitet in dem medizinischen Uranprojekt. Er sagte mir, dass er einen spanischen Arzt in der Technik der Isolation von Uran unterrichtete; und dass der spanische Arzt mit mir in Kontakt treten würde. Er tat es nie, und zwei Monate später rief mich der Verteidiger des Soldaten an und sagt mir: «Ja, ich kenne den Arzt, aber er sagte mir, dass er Angst habe, seinen Job zu verlieren. Er arbeitet an der Universität. Er steht auch unter Druck, und er hat Angst, seinen Job zu verlieren, und er wird die Analyse bei den Soldaten nicht durchführen.» So, dieser Weg ist unmöglich. Manchmal fühlte ich mich sehr müde in dem Kampf. Wie ist momentan die Situation mit den spanischen Soldaten und ihren Krankheiten, die wir fanden? Wir haben ungefähr 70 Betroffene bei Soldaten, die wir kennen. Siebzig Leute, die uns anriefen, um uns über ihre Krankheiten zu erzählen. Wir haben 17 Krebsfälle; 15 chronische degenerative Erkrankungen; 7 psychiatrische Probleme mit Depressionen und so weiter; 13 Menschen mit uns nicht bekannten Symptomen oder unbekannten Krankheiten. Bei einigen blutet es aus Mund und Nase, und sie kennen die Ursachen nicht und so weiter. Uns haben Menschen angerufen. Aber die genaue Anzahl der betroffenen Menschen kennen wir nicht. Wir haben Kenntnis von einigen anderen Fällen, aber die Menschen rufen uns nicht an. Sie ziehen es vor, schweigsam zu sein, und wir können nichts machen. Verteidigungsministerium leugnet Beziehung Krankheit – Uran Das Verteidigungsministerium leugnet jegliche Beziehungen zwischen den Krankheiten und dem Einsatz von abgereichertem Uran. Für uns und für das Ministerium ist es wichtig, damit sie den betroffenen spanischen Soldaten Aufmerksamkeit in ökonomischer und gesundheitlicher Hinsicht zukommen lassen können, ist es notwendig, das Gegenteil zu beweisen – dass es einen Zusammenhang gibt. So, dies sollte zivile Aktionen auslösen im Zusammenhang mit den personellen und ökonomischen Kosten, die entstehen. Die schwierigste Sache ist zu beweisen, angesichts der Berichte der Militärärzte, dass die direkte Ursache dieser Krankheiten die Anwendung von abgereichertem Uran ist. Es gibt eine Menge Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, aber wir werden nicht aufgeben. So werden die spanischen Organisationen, die in diesen Kampf involviert sind, weiterhin probieren, weiterhin kämpfen und die Wahrheit aufzeigen. Dies ist die Sache, die ich eines Tages hoffe zu erreichen. Vielen Dank. • *Vortrag für die World Uranium Weapons Confer ence vom 16. bis zum 19. Oktober 2003 in Hamburg. (Übersetzung Zeit-Fragen) Dossier Uranwaffen 153 Zeit-Fragen 2006 Rosalie Bertell: Hiroshima – Bagdad – Kabul Medizinische Fakten werden durch Besatzungsmächte unterdrückt Die Krebsforscherin und Trägerin des alternativen Friedensnobelpreises, Rosalie Bertell, ruft in Erinnerung: «Im Oktober 1945, nachdem die US-amerikanische Besatzungsmacht Japan eingenommen hatte, wurde offiziell verkündet, dass es nun in Hiroshima und Nagasaki keine Toten mehr in Folge der Atombombe geben würde. Unter der Befehlsgewalt der Besatzungsmacht war es keinem japanischen Arzt oder Wissenschafter erlaubt, die Überlebenden der Atombombe zu untersuchen, und bis 1951 der Vertrag in Tokio unterzeichnet wurde, war es niemandem erlaubt, über die Überlebenden etwas zu veröffentlichen. Trotz dieser Verbote und erschwerenden Umständen entdeckte ein japanischer Hämatologe einen Anstieg der Leukämie bei den Überlebenden. Der Anstieg begann ein Jahr nach der Bombardierung. Er berichtete darüber an einer Fachkonferenz und wurde umgehend von den US-amerikanischen Forschern der Hiroshima and Atomic Bomb Casualty Commission diffamiert. (Diese Kommission heisst jetzt: Radiation Effects Research Foundation.) Der Arzt war seiner Sache sicher, und er überredete einen Medizinstudenten, sein Studium für zwei Jahre zu unterbrechen und alle Opfer der Atombombe, die Leukämie bekamen, zu dokumentieren. Das war eine schwere Aufgabe, denn die Opfer wurden in vielen verschiedenen Krankenhäusern behandelt. Der Student nahm von jedem Patienten Blutproben und zeichnete auf, wo er sich befunden hatte, als die Bombe fiel. Nach zweijähriger Arbeit – die Bombardierung war inzwischen fünf Jahre her – wurden schliesslich die Resultate dieser Untersuchung freigegeben. Die US-amerikanischen Forscher konnten die Tatsachen nicht länger leugnen, doch nun hatten sie tatsächlich die Stirn, die Anerkennung für diese Forschungsarbeit für sich zu beanspruchen.» Quelle: Rosalie Bertell, «Comments on the History of Permissible Dose Standards», www.mothersalert.org/bertell2.html Dossier Uranwaffen 154 Zeit-Fragen 2006 Nr. 44, 31. Oktober 2006, Seite 1 Rätsel um Israels geheime Uranbombe Alarm wegen radioaktiver Hinterlassenschaft nach Angriff auf Libanon von Robert Fisk Hat Israel im 34tägigen Angriff auf Libanon, der mehr als 1300 libanesische Menschen – zumeist Zivilisten – das Leben kostete, im Südlibanon eine geheime, neue, auf Uran basierende Waffe eingesetzt? Wir wissen, dass die Israeli gegen das Hauptquartier der Hizbollah in Beirut amerikanische «Bunkerbrecher»-Bomben einsetzten. Wir wissen, dass sie in den letzten 72 Stunden des Krieges Südlibanon mit Cluster-Bomben (Streubomben) ersäuften und damit Zehntausende von Minibomben zurückliessen, die weiterhin jede Woche libanesische Zivilisten töten. Und wir wissen jetzt – nachdem der Einsatz solcher Waffen anfänglich kategorisch geleugnet wurde –, dass die israelische Armee auch Phosphorbomben einsetzte – Waffen, die gemäss dem Dritten Protokoll der Genfer Konventionen, das weder Israel noch die Vereinigten Staaten unterzeichnet haben, als beschränkt gelten. Aber wissenschaftliche Belege, die mindestens zwei Bombenkratern aus Khiam und AtTiri entnommen wurden – im vergangenen Juli und August ein Ort heftiger Kämpfe zwischen Guerillakämpfern der Hizbollah und israelischen Truppen –, legen nahe, dass auf Uran basierende Waffen nun auch zu Israels Waffenbestand gehören und dass sie gegen Ziele in Libanon zum Einsatz kamen. Laut Dr. Chris Busby, dem britischen wissenschaftlichen Sekretär des European Committee on Radiation Risk, wiesen zwei Bodenproben, die von israelischen schweren Bomben oder Lenkwaffen in die Höhe aufgeworfen worden waren, «Zeichen erhöhter Radioaktivität» auf. Beide Proben wurden zur weiteren Untersuchung durch Massenspektrometrie ans – auch vom Verteidigungsministerium eingesetzte – Harwell Laboratory in Oxfordshire weitergeleitet, das die Konzentration von Uranisotopen in den Proben bestätigt hat. Dr. Busbys erster Bericht hält fest, dass es zwei mögliche Ursachen für die Kontamination gibt: «Die erste ist, dass es sich bei der Waffe um einen neuartigen kleinen experimentellen Sprengsatz mittels Kernspaltung oder um andere experimentelle Waffen (z. B. thermobarische Waffen) handelt, die auf der hohen Temperatur eines Uranoxidationsblitzes basiert […] Die zweite [Ursache] ist, dass die Waffe eine bunkerbrechende konventionelle Uran-Durchschlagswaffe war, die anstelle von abgereichertem Uran angereichertes enthielt.» Auf der Photographie von der Explosion der ersten Bombe sind grosse Wolken schwarzen Rauches zu sehen, die von brennendem Uran stammen könnten. Angereichertes Uran wird aus natürlichem Uranerz hergestellt, und es wird als Brennstoff für Nuklearreaktoren benutzt. Ein Abfallprodukt des Anreicherungsprozesses ist abgereichertes Uran; es ist ein extrem hartes Metall, das bei Anti-Panzer-Raketen verwendet wird, um die Armierung zu durchdringen. Abgereichertes Uran ist weniger radioaktiv als natürliches Uran, welches wiederum weniger radioaktiv ist als angereichertes Uran. Israel hat einen schlechten Ruf, wenn es darum geht, die Wahrheit über seinen Einsatz von Waffen in Libanon zu sagen. 1982 leugnete es, Phosphormunition in zivilen Gebieten verwendet zu haben – bis Journalisten sterbende und tote Zivilisten entdeckten, deren Wunden Feuer fingen, wenn sie der Luft ausgesetzt wurden. Ich sah zwei tote Babys, die plötzlich erneut in Flammen aufgingen, als sie während der israelischen Belagerung von Beirut aus dem Behälter im Leichenschauhaus herausgenommen worden waren. Israel stritt erneut offiziell ab, während dieses Sommers in Libanon Phosphor eingesetzt zu haben – ausser zur «Markierung» von Zielen – selbst nachdem Zivilisten mit Brandwunden, wie sie durch Phosphormunition hervorgerufen werden, Dossier Uranwaffen 155 Zeit-Fragen 2006 in libanesischen Krankenhäusern photographiert wurden. Dann, plötzlich, am Sonntag, gab Israel zu, dass es nicht die Wahrheit gesagt hatte. Jacob Edery, der für die Beziehungen zwischen Regierung und Parlament zuständige israelische Minister, bestätigte, dass in direkten Angriffen auf die Hizbollah Phosphorgranaten eingesetzt worden waren. Er fügte hinzu: «Das Völkerrecht erlaubt die Verwendung von Phosphormunition, und die (israelische) Armee hält sich an die Regeln völkerrechtlicher Normen.» Auf die Frage des «Independent», ob die israelische Armee in diesem Sommer in Libanon auch uranhaltige Munition eingesetzt habe, sagte Mark Regev, Sprecher des israelischen Aussenministeriums: «Israel verwendet keine Waffen, die nicht durch das Völkerrecht oder durch internationale Konventionen autorisiert worden sind.» Diese Antwort wirft allerdings mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Ein grosser Teil des Völkerrechts befasst sich nicht mit modernen Uranwaffen, weil sie noch nicht erfunden waren, als die humanitären Regeln, wie die der Genfer Konventionen, festgelegt wurden und auch, weil die westlichen Regierungen sich noch immer weigern anzuerkennen, dass deren Einsatz langfristige Gesundheitsschäden für Tausende von Zivilisten, die im Gebiet der Explosionen leben, verursachen kann. Amerikanische und britische Streitkräfte brachten 1991 im Irak Hunderte Tonnen an Granaten mit abgereichertem Uran (DU) – deren gehärtete Sprengköpfe mit riesiger Durchschlagkraft aus Abfallprodukten der Atomindustrie gefertigt werden – zum Einsatz –, und fünf Jahre danach entwickelte sich im ganzen Süden des Irak eine wahre Plage von Krebserkrankungen. Anfängliche Begutachtungen des US- Militärs warnten vor schwerwiegenden Konsequenzen für die öffentliche Gesundheit, wenn solche Waffen gegen gepanzerte Fahrzeuge eingesetzt würden. Aber die US-Administration und die britische Regierung scheuten später keine Mühe, diese Behauptungen herunterzuspielen. Aber die Krebs erkrankungen breiteten sich weiter aus, während gleichzeitig Berichte eintrafen, dass Zivilisten in Bosnien – wo von Nato-Flugzeugen ebenfalls DU eingesetzt worden war – an neuen Krebsformen litten. DU-Geschosse wurden auch im Zuge der anglo-amerikanischen Invasion im Irak von 2003 eingesetzt, aber es ist zu früh, irgendwelche Auswirkungen auf die Gesundheit aufzulisten. «Wenn ein Urangeschoss ein hartes Ziel trifft, sind die Partikel der Explosion in der Umgebung sehr langlebig», sagte Dr. Busby gestern. «Sie verteilen sich über grosse Distanzen. Sie können von den Lungen eingeatmet werden. Das Militär scheint wirklich zu glauben, dass dieses Zeug nicht so gefährlich sei, wie es tatsächlich ist.» Doch warum sollte Israel solche Waffen einsetzen, wenn seine Ziele – im Fall von Khiam zum Beispiel – nur zwei Meilen von Israels Grenzen entfernt sind? Der Staub, der durch die Entzündung von DUMunition entsteht, kann über internationale Grenzen verweht werden, genauso wie das Chlorgas, das bei Angriffen während des Ersten Weltkriegs von beiden Seiten zum Einsatz gebracht wurde, oft zu den Tätern zurückgeweht wurde. Chris Bellamy, der Professor für Militärwissenschaften und Militärdoktrin an der Cranfield University, der den Busby-Bericht nachgeprüft hat, sagte: «Im schlechtesten Fall handelt es sich um eine Art experimenteller Waffe mit einer angereicherten Urankomponente, deren Verwendungszweck wir bisher nicht kennen. Im besten Fall – wenn man das so sagen kann – zeugt es von einer erstaunlichen Leichtfertigkeit gegenüber dem Einsatz von atomaren Abfallprodukten.» Die Bodenprobe aus Khiam – Ort eines berüchtigten Foltergefängnisses während Israels Besetzung des südlichen Libanon zwischen 1978 und 2000 und ein Frontstützpunkt der Hizbollah im jüngsten Krieg – war ein Stück durch eine Explosion zusammengepresste rote Erde; das Isotopenverhältnis betrug 108, was auf das Vorhandensein von angereichertem Uran schliessen lässt. «Die Auswirkungen auf die Gesundheit der lokalen Zivilbevölkerungen, die sich aus dem Einsatz grosser bunkerbrechender Uranbomben und den Dossier Uranwaffen 156 Zeit-Fragen 2006 grossen Mengen lungengängiger Uranoxidpartikel in der Atmosphäre ergeben, sind wahrscheinlich bedeutend», sagt der Busby-Bericht. «[…] wir empfehlen eine Untersuchung des Gebietes nach weiteren Spuren dieser Waffen im Hinblick auf Aufräumarbeiten.» Der Krieg in Libanon in diesem Sommer begann, nachdem Hizbollah-Guerillas die libanesische Grenze nach Israel überschritten, zwei israelische Soldaten gefangennahmen und drei weitere töteten, was Israel den Anlass zur Auslösung eines massiven Bombardements der Dörfer, Städte, Brücken und der zivilen Infrastruktur Libanons gab. Menschenrechtsgruppen erklärten, dass Israel mit dem Angriff gegen Zivilisten Kriegsverbrechen begangen hat, dass die Hizbollah aber auch solcher Verbrechen schuldig sei, weil sie Raketen nach Israel feuerte, die mit Kugellagern gefüllt waren, was ihre Raketen in primitive, nur einmalige Streubomben verwandelt habe. Viele Libanesen sind schon lange zum Schluss gekommen, dass der jüngste LibanonKrieg ein Waffentestgelände für die Amerikaner und die Iraner war, die Israel beziehungsweise die Hizbollah mit Munition versorgen. So wie Israel bei seinen Angriffen bisher nicht erwiesene US-Raketen einsetzte, so konnten die Iraner probeweise eine Rakete abfeuern, die eine Korvette [kleines Kriegsschiff] vor der libanesischen Küste traf, vier israelische Matrosen tötete und das Schiff beinahe versenkte, nachdem es an Bord während 15 Stunden brannte. Was die Waffenhersteller aus den jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen über den möglichen Einsatz von Uranwaffen in Südlibanon machen, ist noch nicht bekannt. Genauso wenig kennen wir deren Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. • Quelle: The Independent vom 28. Oktober 2006 (Übersetzung Zeit-Fragen) Ein Rätsel, das nur die Israeli ganz auflösen können von Chris Bellamy* Die ersten Untersuchungen von Proben, die Gebieten der israelischen Angriffe in Khiam entnommen wurden, stellen ein Rätsel dar, das man nur lösen kann, wenn die Leute, die die Waffe produziert und eingesetzt haben, sich erklären. Spekulationen darüber, dass es sich bei dieser Waffe um eine Art «schmutzige Bombe» gehandelt hätte oder um eine Atomwaffe mit Gehalt von nuklearem Material im Mikrobereich, können wir wahrscheinlich ausschliessen. Das Strahlungsniveau und der Gehalt an Uran-235 in der Probe sind eindeutige Anzeichen dafür, dass es keine Waffe war, in der eine Kernspaltung stattgefunden hat. Uran ist in den letzten 30 Jahren in konventionellen Waffen und auf den Schlachtfeldern in grossem Umfang eingesetzt worden, und zwar aus drei Gründen: Erstens ist Uran sehr dicht – 70% dichter als Blei. Deshalb liefert ein kleineres Projektil mehr kinetische Energie, und das macht es ideal für einen Schuss, der einen Panzer durchdringen soll. Zweitens ist es leicht entflammbar. Das bedeutet, dass wenn es mit hoher Geschwindigkeit auf ein Ziel trifft, es sich spontan entzündet und schmilzt. Drittens ist der Urantyp, der am häufigsten in Waffen verwendet wird, das abgereicherte Uran (Depleted Uranium = DU), in grossen Mengen verfügbar. Er ist ein Nebenprodukt der Urananreicherung, die den Brennstoff für Atomkraftwerke und Atomwaffen liefert. Weil es soviel davon gibt, ist es für diejenigen, die DU in panzerbrechender Munition verwenden wollen, genau das richtige. Der einzige logische militärische Grund, den es für die Uranspuren geben kann, ist die Verwendung die- Dossier Uranwaffen 157 Zeit-Fragen 2006 ses Elementes, um damit eine harte, dichte panzerdurchdringende oder bunkerbrechende Waffe herzustellen. Natürliches Uran besteht aus drei Isotopen: Uran-238 (99,7%), U-235, dem zentralen Bestandteil des spaltbaren Materials (0,72%), und U-234 (0,0054%). Um Brennstoff für einen Atomreaktor herzustellen, muss es mit 3 oder 4% U-235 angereichert werden. Das verbleibende Abfallprodukt mit nur 0,25% U-235 und 99,8% U-238 ist DU (abgereichertes Uran). Um eine [nukleare] Bombe herzustellen, bräuchte man einen 90%igen Anteil von U-235 – daher die Sorge über Irans Urananreicherungsprogramm. Das Khiam-Beispiel mit 108 Teilen U-238 – zu einem Teil U-235 – gerade unter 1% – ist sicherlich angereichert – aber nicht stark. Da offensichtlich bezogen auf seine Masse und seine Fähigkeit, Hitze und Feuer zu erzeugen, kein militärischer Vorteil vorhanden ist –, verglichen mit DU oder natürlichem Uran –, fragt man sich, warum wurde dieses rätselhafte Material verwendet? Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Die erste ist, dass es einfach ein Fehler war – dass Uran mit einem erhöhten Anteil an U-235 verwendet wurde anstatt DU oder natürliches Uran. Das Khiam-Beispiel hatte einen geringen Umfang – 25 Gramm. Verunreinigung mit Erde könnte sehr leicht einen höheren Grad der Anreicherung verdecken. Abgebrannte Brennstäbe aus Atomkraftwerken enthalten nach der Energiegewinnung typischerweise 2,5% U-235, aber es kann auch auf 1,5% absinken – auf einen Wert ähnlich dem Khiam-Beispiel. Das Uran in den Khiam-Projektilen könnte genausogut verbrauchter Atombrennstoff sein. Eine Art, angereichertes Uran sicher zu entsorgen, ist, es mit natürlichem Uran zu mischen, so dass es sehr schwierig wieder zu extrahieren ist. Dadurch könnte durchaus eine Substanz produziert werden mit gerade unter 1% U-235, wie bei dem [vorliegenden] Bestandteil der israelischen Khiam-Bombe. Es ist ausserdem unsicher, ob die Munition in den USA oder von Israel selber hergestellt wurde. Wenn die Israeli oder die Amerikaner Anklagen vermeiden möchten – im besten Falle wäre es ein Kavaliersdelikt im Umgang mit nuklearem Abfall –, müssten sie erklären, was in der Bombe war und warum sie abgeworfen wurde. • Quelle: The Independent vom 28. Oktober 2006 (Übersetzung Zeit-Fragen) *Chris Bellamy ist Professor für militärische Wissenschaft und Strategie an der Cranfield Universität in England. Dossier Uranwaffen 158 Zeit-Fragen 2006 Nr. 44, 31. Oktober 2006, Seite 2 Schwerste Explosionen im amerikanischen Munitionslager nahe Bagdad Bis heute werden die Tatsachen verheimlicht zf. Die britische Forscherin Sarah Meyer berichtete am 23. Oktober (http://indexresearch. blogspot.com/2006/10/camp-falcon-what-really-happened.html) über schwere Explosionen im nahe Bagdad gelegenen grossen US-amerikanischen Munitionslager Camp Falcon. Die Explosionen ereigneten sich am 11. Oktober. In den westlichen Medien wurde praktisch nicht darüber berichtet. Sarah Meyer verweist auf verschiedene Quellen, die von sehr vielen toten amerikanischen Soldaten sprechen, sehr viel mehr als die vom Pentagon offiziell zugegebenen 100 Toten. Im Lager halten sich, so wird ebenfalls berichtet, üblicherweise bis zu 5000 Soldaten auf. In einem Video war die Schwere der Explosionen zu sehen – Explosionen, die bei einigen Beobachtern sogar zuerst die Frage aufwarfen, ob nicht sogar eine Atomwaffe hochgegangen ist. Berichtet wird auch, dass sich die US-Streitkräfte geweigert haben, die Leichen von Irakern aus dem Munitionslager ihren Familien zu übergeben. Bis heute gibt es keine überzeugende offizielle Erklärung für das, was genau alles in Camp Falcon explodiert ist, und welche Folgen dies hatte beziehungsweise in Zukunft für die Menschen im Irak haben wird. Das BRussells Tribunal erhielt die folgende Mitteilung vom Forscher Dai Williams, der über abgereichertes Uran (DU) forscht. Die Mitteilung betrifft das Google-Video, das in der Militärbasis gezeigt wurde: «What really happened» (Was wirklich geschah). Dieses Video ist inzwischen gelöscht. «Die gute Nachricht ist, dass die in dem Video gezeigten sehr hellen Explosionen keine Mini-Nukes sind. Die Bilder scheinen einem al-Jazzera-TV-Report zu entstammen. Sie gleichen sehr stark den thermobarischen bunkerbrechenden Explosionen, die man von Bagdad im März 2003 und von Beirut im August 2006 im Fernsehen gesehen hat. Die schlechte Nachricht ist, dass die Darstellungen im Verdacht stehen, Gefechtsköpfe mit abgereichertem Uranium zu zeigen. Es sind keine Atombomben. Aber sie brennen mit sehr intensiver Leuchtkraft und bilden eine Feuerkugel, manchmal gefolgt von brennenden Schrapnells, die wie weisse Sterne aussehen. Sie wurden mit weissem Phosphor verwechselt. Es ist aber kein weisser Phosphor. Die Dichte von Phosphor ist zu gering, und deshalb entsprechen die Flugbahnen nicht den im Fernsehen und durch Fotografien gezeigten Schrapnellflugbahnen. Hinzu kommt, dass brennender Phosphor eine breite Spur von weissem Rauch hinterlässt. Uran brennt mit schwarzem Rauch, fast unsichtbar auf Nachtaufnehmen. Ein anderer Clip auf der gleichen Homepage ist eine sehr anschauliche Darstellung einer ziemlich kleinen – vielleicht 1000 Pfund schweren – Bombe mit thermobarischem oder stahldurchdringendem Gefechtskopf. Der Clip illustriert genau die oben angeführten Merkmale. Schauen Sie sich dann bitte die ersten zwanzig Sekunden des BBC-TV-Nachrichtenberichtes aus Libanon vom 4. August 2006 an. Ich verwendete Standbilder davon in meinem Bericht vom 30. August 2006. Ich hätte von jeder Atombombe eine breitere Druckwelle erwartet als die Druckwellen, die in den Standbildern gezeigt wurden. Das Feuer auf der Militärbasis Falcon ist eine wichtige Verbindung zu anderen Konfliktzonen; es erinnert uns daran, dass einige dieser unkonventionellen Waffen heute in anderen Konfliktzonen eingesetzt werden. In Libanon, im Irak, in Afghanisten, in Gaza und in den besetzen Territorien.» Quelle: http://www.eoslifework.co.uk Dossier Uranwaffen 159 Zeit-Fragen 2006 Nr. 44, 31. Oktober 2006, Sonderbeilage Uranwaffen, Seite 9 – 16 Desinformationskampagne zu Uranwaffen Hinschauen zu den Folgen bei den Menschen der Welt Als in Vietnam «Agent Orange» und Napalm eingesetzt wurden, haben die Menschen der Welt hingeschaut und waren entsetzt. Das war nicht mehr Krieg: Das war Schlächterei an Zivilbevölkerung und Natur. Damals ist es niemandem eingefallen, bei den Verursachern nachzufragen: «Bitte, bitte, gnädige Herren im Pentagon, könntet ihr so lieb sein und offenlegen, was ihr da so alles einsetzt?» So macht es auch heute keinen Sinn (ausser für Waffenforscher und völkerrechtliche Ermittler), bei den Verursachern im Pentagon, den Neocons-Clubs, der Nato und in den Katakomben der Kernphysiker – vor allem derjenigen, die mit der Kriegsallianz verheiratet sind – nachzufragen: «Bitte, bitte, gnädige Herren, könntet ihr so lieb sein und offenlegen, was ihr da für die nächsten 4,5 Milliarden Jahre über den Globus gestreut habt – ohne Möglichkeit der Entsorgung?» Die Waffenindustrie, auch die Atomwaffenindustrie, hat seit Vietnam ihr Geschäft zügig weiterentwickelt, hinter dem Rücken der ganzen Welt, auch hinter dem Rücken aller internationalen Abkommen. Die Kriege, allesamt illegale Angriffskriege nach den Rechtsnormen des Nürnberger Tribunals, werden immer mörderischer, hinterhältiger, flächendeckender, genozidaler. Das US-Imperium sagt dazu «effizienter». Die ganze gebildete Welt, alle Bürger dieses Planeten, alle Fakultäten, wir alle müssen beginnen, zu den Folgen hinzuschauen, die Opfer ins Auge zu fassen und das, was das Waffengeschäft ihnen angetan hat. Über Karzinome und Leukämie weiss die medizinische Fakultät Bescheid, das muss man nicht in den Gruften der Kernphysik erfragen gehen. Die medizinische Wissenschaft weiss auch, dass es die multiplen Formen von Karzinomen, die jetzt bei der Zivilbevölkerung in den Kriegsgebieten aufkommen, bislang nicht gegeben hat und dass sie ein Resultat der Kriege sind. Die Menschheit weiss, dass es solche missgebildeten Neugeborenen bislang nicht gegeben hat und dass auch sie ein Resultat der Kriege sind. Wir haben alle eine Verantwortung, nicht nur für die Soldaten, die aus den Kriegsgebieten zurückkommen – für sie auch –, aber ebenso oder noch viel mehr für die Zivilbevölkerung der betroffenen Länder, für die Mütter und Kinder der Welt, die von einer verwilderten westlichen Rohstoff- und Machtpolitik mit illegalen Angriffskriegen überfallen werden. Ein Drittel der Opfer des jetzigen Krieges in Libanon sind Kinder. Schauen wir hin und beginnen wir, das Leid zu lindern, weiteres Leid zu verhindern und auf Beendigung der Kriege hinzuarbeiten. Eine Libanesin, die seit Jahren in der Schweiz arbeitet, wollte der Redaktion von «Zeit-Fragen» berichten, was sie von ihrer Familie zu Hause erfahren hatte. Einige Tage später sagte sie aber: «Ich habe Angst zu reden. Meine Familie hat gesagt, wenn einer im Ausland das berichtet, komme innert einer Woche zu Hause ein Familien mitglied um – durch irgendwelche Seilschaften aus dem Nachbarland.» Europa hat die Aufklärung entwickelt und damit histo risch die Form willkürlicher Herrschaft über Menschen beendet. Ihre wertvollste Frucht: die Gleichberechtigung der Menschen, die daraus resultierende Demokratie und das Völkerrecht. Das ist Verpflichtung und Chance und öffnet den Blick nach vorn. Die Redaktion Dossier Uranwaffen 160 Zeit-Fragen 2006 «Abgereichertes Uran: die Wahrheit» Falco Accame, italienischer Marineoffizier, setzt sich für DU-Opfer ein rc. Das Buch dokumentiert die Vertuschung der Erkrankungen und der Todesfälle von italienischen Armeeangehörigen, die in Friedensmissionen in Bosnien und in Kosovo Dienst geleistet hatten. Im Juli 2004 berichtete die Zeitschrift «Il Manifesto», dass bis zu jenem Zeitpunkt 267 Soldaten an Tumoren erkrankt und 27 davon bereits gestorben waren. Franco Accame setzt sich mit unglaublicher Ausdauer für die Soldaten und deren Familien ein. Schon früher als Marineoffizier kämpfte er gegen unsaubere Korruptionsaffären und gegen undemokratische Zustände in den militärischen Organisationen. Mitte der siebziger Jahre verliess er die Marine und übernahm politische Ämter. Mit vielen Artikeln hat er stets die dunkle Rolle des amerikanischen Geheimdienstes in Italien und die Veränderungen im Rahmen der Nato, welche die italienische Armee zu einer aggressiveren Rolle auf der internationalen Szene führen sollten, angeprangert. Das Buch ist die Niederschrift eines Interviews, das Giulia di Pietro mit Falco Accame geführt hat. Sie verfasste dazu die folgende aus dem Italienischen übersetzte Einleitung. Was ist abgereichertes Uran (DU)? Es ist ein radioaktives Material, ein Abfallprodukt der Atomindustrie. Es wird dazu benutzt, die Wirkung der Waffen zu steigern. Es ist viel billiger als Wolfram und ermöglicht es, sowohl die Effizienz der Waffen zu steigern und gleichzeitig den radioaktiven Abfall, für deren Lagerung noch keine sichere Lösungen bestehen, zu entsorgen. Mit DU wurde die Kriegsmaschinerie perfektioniert und dabei gleichzeitig viel Geld gespart. Die Frage lautet: Ist DU gefährlich? Es hat schwerwiegende Folgen, viele Menschen sind krank geworden und gestorben, Soldaten, aber auch Zivilisten. Da es sich um atomares Material handelt, ist es naheliegend anzunehmen, dass es Probleme verursacht. So wie die Amerikaner ihr Kriegssyndrom hatten, so haben wir das «Balkansyndrom» gehabt. Es ist aber kaum zu erfahren, was mit diesem Syndrom wirklich gemeint ist. Die Tatsachen zeigen, dass dieser Begriff nicht nur die Krankheiten, die durch die Wirkung des Urans auftreten, beinhaltet, sondern auch die Erkenntnisse auf diesem Gebiet verschleiert. Mit Informationszensur und Vertuschung wird die Wahrheitsfindung verhindert. Indem man die Fakten nicht beim Namen nennt, soll in der Politik Unerwünschtes ungeschehen gemacht werden: Sie werden der Kategorie «schwierig zu definieren» zugeteilt und sind demzufolge «schwierig zu verurteilen». Wie bei einem Teufelskreis bewirkt dies bei den Institutionen ein Defizit an Aufmerksamkeit. Der Staat, der eine Schutzfunktion hätte, wird zu einem Staat, der sich selbst schützt, um seine Verantwortlichkeiten zu verstecken. Und wir sprechen hier von den minimalen Betreuungsaufgaben und Schutznormen, die vor, während und nach den Friedensmissionen im Balkan hätten getroffen werden sollen. Sie haben nicht stattgefunden, das ist das wirkliche Problem. Das Buch «Uranio impoverito: la verità» beinhaltet ein langes Interview mit Falco Accame, dem Präsidenten und operativen Forscher des ANAVAFAF (Nationaler Verband zur Betreuung der Opfer im Dienste der Armee und der Angehörigen der Gefallenen). Dieser Verband wurde 1983 gegründet mit dem Ziel, die Soldaten in Friedenszeiten zu schützen und Massnahmen zu treffen, um Kriegsopfer zu verhindern. Accame ist auch Präsident des AUI (Organisation zur Abschaffung von DU). Seit je an der vordersten Front für die Anliegen der Armeeangehörigen, vom Drama des «Nonnismo» [verbotene Rituale unter den Armeeangehörigen; Anm. des Übers.] bis zu strategischen Fragen, konnte es Falco Accame nicht unterlassen, sich mit DU zu befassen. Seit 1994, dem Jahr, in dem einige suspekte Todesfälle Zweifel aufkommen liessen, Dossier Uranwaffen 161 Zeit-Fragen 2006 befasste sich Accame mit den Folgen der Uranmunition in Italien. Seine hervorragenden Kenntnisse in bezug auf das Militär und sein jahrzehntelanges Interesse am Problem machen ihn zu einem glaubwürdigen Zeugen. Nach erfolglosen Briefen, Anfragen und Gesuchen über Jahre an die staatlichen Instanzen mit der Forderung, Verantwortung für den Tod und die Krankheiten der Soldaten zu übernehmen, und der Forderung nach angemessenem finanziellem Schadenersatz ist es zu diesem Buch gekommen. Es soll eine Gegendarstellung sein, die über das Phänomen aufklärt, im Gegensatz zu den offiziellen Erklärungen. Einige Tage nach der Veröffentlichung des Berichtes der Untersuchungskommission des Senats zum DU-Problem, der die Hoffnung weckte, ausschlaggebend zur Klärung der Verantwortlichkeiten beizutragen, und der sich statt dessen als Leerlauf [der Bericht hatte alle Zusammenhänge zwischen DU und den Erkrankungen und dem Tod der Soldaten, die in Bosnien und in Kosovo im Einsatz waren, verneint; Anm. des Übers.] erwies, versuchten Kreise um Accame, die Ereignisse und ihre juristischen und institutionellen Aspekte zu rekonstruieren und durch scharfe Kritik des Berichtes dessen Fehler aufzuzeigen. Im Buch wird der Ablauf der Geschehnisse Punkt für Punkt dargestellt, alles, was DU ausgelöst hat und was im Lauf der Zeit bekannt wurde. Die Unterlassungen und die Vertuschungen der Armee, das Nichtumsetzen von Schutznormen, die Ablehnung der Entschädigungen, die wirkliche Gefährlichkeit von DU, ob und wie viele Tote hätten vermieden werden können. Es ist ja bekannt, dass der Krieg tötet, aber hier töten sogenannte «Friedensmissionen» durch das, was als harmlose Aktivität im Umfeld von Schiessständen erscheint. Mit Hilfe von offiziellen Dokumenten, Zeitungsartikeln, Gesetzen, parlamentarischen Anhörungen, von Accame mit klaren Worten formuliert, entstand so Punkt für Punkt ein Dokument, das die Greueltaten unserer Zeit aufzeigt. Ein endgültiges Buch? Wahrscheinlich nicht, solange die Institutionen (Militär und Politik) ihre Verantwortung nicht übernehmen und sich gegenseitig decken. Wir versuchen hier ein wenig Klarheit zu schaffen. Es ist kein leichtes Buch, aber es enthält die Beweise, die aufzeigen, dass man das, was getan werden sollte, nicht getan hat und immer noch nicht tut. • Quelle: www.reti-invisibili.net/anavafaf/docs/37-7446_libro_accame.rtf (Übersetzung Zeit-Fragen) Dossier Uranwaffen 162 Zeit-Fragen 2006 Einsatz von Uranwaffen und Vertuschung der Folgen: ein Kriegsverbrechen Vortrag für die World Uranium Weapons Conference (2. Teil) von Dr. Piotr Bein, Kanada* zf. Im ersten Teil seines Vortrages, der in der «Zeit-Fragen»-Sonderbeilage vom 24. Oktober veröffentlicht wurde, hält Piotr Bein fest, dass UN-Resolutionen DU-Waffen seit 1996 als unvereinbar mit dem bestehenden Völkerrecht und den Menschenrechten bezeichnen. Die für ihren Einsatz verantwortlichen Behörden seien nach einer ganzen Reihe von internationalen Rechtsvorschriften auch über das Humanitäre Völkerrecht hinaus haftbar. Offizielle Berichte im Westen ignorierten die Verluste bei den Einsatztruppen und in der Zivilbevölkerung. Die Propaganda für Uranwaffen werde mit Mitteln aus dem amerikanischen Militärhaushalt und von internationalen Organisationen gefördert. Der Informationskrieg werde mit PsyOps (Psychological Operations) geführt. Unter Anwendung der Verhaltensforschung und hochentwickelter Techniken werde mit Unterstützung der Massenmedien versucht, die «Emotionen, Motive und objektiven Überlegungen von Einzelpersonen, Gruppen und ganzen Ländern» zu beeinflussen. Das Militär der Nato und der Länder, die Mitglied der Nato werden wollten, verhielten sich wie eine Kopie des Pentagon. Taktik und Effektivität des Gegners David und Goliath Die Vertuschungsmanöver hatten den gegenteiligen Effekt auf die öffentliche Meinung. Sie untergruben das Vertrauen der Öffentlichkeit, insbesondere der kranken Veteranen. Rekruten und Soldaten der Truppe, die auf kommende Kriege vorbereitet werden, überlegen sich die Sache noch einmal. Als sie sahen, wie die Nato ihre Gesundheit missachtete, haben viele KFOR-Soldaten gemeutert, und Freiwillige haben sich zurückgezogen. Einige Länder haben sich wegen der Kontamination aus ihren Nato-Verpflichtungen auf dem Balkan zurückgezogen. Einige Hilfsorganisationen waren in der Zeit nach dem Krieg wegen des Strahlen- und Vergiftungsrisikos zurückhaltend, nach Kosovo, Afghanistan oder in den Irak zu gehen. Irakische Wissenschafterin entführt Eine von den Besetzern installierte Regierung zu nötigen, ist kein Problem. Im Irak zum Beispiel haben die Besetzer die medizinischen Akten aus den Krankenhäusern entfernt und damit die Ermittlung der Opferzahlen, die auf Uranbelastung in den beiden GolfKriegen zurückzuführen sind, erschwert. Die irakische Wissenschafterin Dr. Huda Ammash wurde vom US-Militär in einem primitiven Konzentrationslager eingekerkert, das beim Flughafen von Bagdad errichtet worden war. Die Dekanin der Bagdader Universität, die vor der Invasion Bildungsministerin gewesen war, hatte von anderen Wissenschaftern überprüfte Studien über die Folgen der Urankontamination und Sanktionen, die man dem Irak aufgezwungen hatte, veröffentlicht. Ihre Inhaftierung wurde mit einer Scheinanklage begründet, nämlich dass sie für die angebliche Planung und Entwicklung biologischer Waffen verantwortlich gewesen sei. Aber die United Nations Monitoring, Verification and Inspection Commission – Kommission der Uno, die für Überwachung, Verifizierung und Inspektion zuständig ist – bestätigte, Dossier Uranwaffen 163 Zeit-Fragen 2006 dass sie Dr. Ammash aus Mangel an Beweisen bis Januar 2003 gar nicht befragt hatten. Quelle: leb.net/pipermail/counterpunch-list/2003-May/026447.html Die USA haben sich geweigert, Informationen über DU in der Operation «Iraqi Freedom» bekanntzugeben, und haben ein UNEP-Team daran gehindert, die Kontamination im Irak zu untersuchen. Bis zum September 2003 wurden fast 5000 US-Soldaten aus Gründen, die nicht vom Kampfeinsatz her stammten, als krank evakuiert, davon waren nur etwa 300 bei Vorfällen wie Autounfällen verletzt worden. Es gab Befürchtungen, dass Soldaten bereits auf Grund des Kontakts mit DU oder Impfstoffen gestorben sind oder krank wurden, aber das Pentagon stritt das ab. Die Empfindlichkeit der Militärhierarchie im Hinblick auf diesen Verdacht zeigt sich an den Beschwichtigungen auf der Website der US-Armee zu medizinischen Themen, wonach weder DU noch der Anthrax-Impfstoff ein Gesundheitsrisiko darstellen (www.armymedicine.army.mil/default2.htm). Die Absichtserklärung von «Bring Them Home Now», einer Organisation von Soldatenfamilien, die den sofortigen Rückzug der US-Streitkräfte aus dem Nahen Osten fordert, verlangt: «Kein einziger Soldat soll auch nur einen weiteren Tag lang abgereichertes Uran einatmen.» Ihre Website zeigt ohne Umschweife den besten Weg auf, sich nicht mehr dem DU auszusetzen: «Raus aus dem Irak oder aus Afghanistan.» (www.voice4change.org/stories/showstory.asp?file=030908~bthn.asp) Im August 2003 waren holländische Parlamentarier besorgt, weil Geheiminformationen der USA für die holländische Regierung den Einsatz von DU durch US-Truppen im Süd irak verheimlichten. Auf Grund der falschen Informationen hat Holland 1100 Soldaten in jene Gegend geschickt (www.rferl.org/nca/features/2003/08/08082003162230.asp). Propaganda für Uranwaffen als effektives Mittel gegen «Terrorismus» oder «Schurkenstaaten» scheint ebenfalls für die Vertuschungsmanöver im Hinblick auf die gesundheitsschädlichen Wirkungen von Uran kontraproduktiv zu sein. Der Fallout und die Rückstände von diesen Waffen terrorisieren Unschuldige. Terroristen werden am wirksamsten mit verdeckten Methoden bekämpft. Die Neutralisierung geheimer Massenvernichtungswaffen mit gleichartigen Waffen rechtfertigt die Mittel ebenfalls nicht. Nicht explodierte DU-Geschosse sind selbst auch eine potentielle Waffe für Terroristen. Kurz nachdem Reporter von ABC News im September 2003 7 kg DU ins Land geschmuggelt hatten, um zu zeigen, wie ineffektiv die heimischen Sicherheitseinrichtungen waren, hat der pensionierte Chemiker und Forscher Dr. Vince Calder festgehalten, dass intakte DU-Geschosse eine terroristische Bedrohung darstellen. Sie stehen auf den Schlachtfeldern reichlich zur Verfügung, sind leicht ins Land zu bringen, und es ist einfach, sie in schmutzige Bomben zu verwandeln, was sie zu potentiellen Massenvernichtungswaffen auf dem Gebiet der USA macht. Als sie die potentielle Bedrohung erkannten, waren das Department of Homeland Defense und das FBI in Verlegenheit. Calder fragte: «Aber vor wem halten sie das geheim? Sicherlich nicht vor potentiellen Terroristen, die genau wissen, wie und was sie tun müssen. Die einzige Schlussfolgerung ist, dass die Regierung die Sache vor der Öffentlichkeit geheimhalten und verhindern will, dass wir die Bedrohung kennen, der wir alle ausgesetzt sind.» (www.journaltimes.com/articles/2003/09/19/opinion/ig_2452057.txt) Wenn die Aufdeckung der Geheimnisse des Atomzeitalters gesetzlich vorgeschrieben wäre und da die Zahl der auf «sichere» Strahlungswaffen zurückzuführenden Verluste steigt, würde das öffentliche Misstrauen und die Zahl der Meutereien von Soldaten zunehmen, was innerhalb der westlichen Gesellschaften zu einer zusätzlichen Belastung werden würde. Im Ausland verstärkt die radioaktive Kontamination des Bodens die Ressentiments und die generelle Animosität sowie den Terrorismus gegenüber den USA, Grossbritannien und deren Alliierten. Das konnte man auf dem Balkan, in Afghanistan und im Irak sehen. Dossier Uranwaffen 164 Zeit-Fragen 2006 Von jetzt an müssen die Täter entweder ihre Versuche verstärken, die Gegner der Uran waffen auszuschalten, oder ihren Rückzug einleiten. Weil die USA und Grossbritannien das Zentrum der Verbreitung und des Einsatzes der Strahlungswaffen bilden, ist es an den Regierungen dieser Länder, einen Anfang zu machen. Die Fortsetzung des destruktiven Kurses muss unvermeidlich zu einer erheblichen Konfrontation zwischen der Gesellschaft und den Machthabern führen, wenn nicht gar zu internationalen Konflikten. Die Machteliten spielen mit dem Feuer. Strahlungsfragen sind intensiv emotional aufgeladen, ungeachtet der Nationalität, der Religion oder der ethnischen Zugehörigkeit, weil die Kontinuität der Menschen im Genpool auf dem Spiel steht. Alles ist möglich Obwohl riesige Summen für PsyOps ausgegeben werden, erkennen und entlarven auch Amateure Spins und Täuschungen leicht. 1999 sagte Bein in einem polnischen Artikel (www.eco.pl/zb/147/), die folgenden Techniken für die Täuschungsoperation für das Balkan-DU voraus, basierend auf den Erfahrungen aus der Zeit nach dem ersten Golf-Krieg: • Leugne die Information und verzögere die Veröffentlichung, gib die Anzahl der verwendeten DU-Waffen kleiner an, als sie tatsächlich ist. • Verharmlose die schädlichen Wirkungen von DU, verändere die Schwerpunkte und verwässere wissenschaftliche Informationen. • Manipuliere Berichte und wissenschaftliche Beweise, einschliesslich solcher aus früheren Kriegen, in denen DU verwendet wurde. • Zensiere Informationen über DU in den Massenmedien. • Mache andere Ursachen verantwortlich, wie z. B. allgemeine Umweltverschmutzung und vor dem Krieg bereits vorhandene Umweltverschmutzung. • Zwinge die Regierung, die Wahrheit zu unterdrücken. • Schiebe die Schuld auf «Milosevics» geheime Waffen und auf von den jugoslawischen Streitkräften eingesetzte DU-Munition. Alle diese Tricks konnten während und nach den Einsätzen der Nato auf dem Balkan festgestellt werden. Dann tauchten sie wieder auf, wobei statt «Milosevic» nach dem jüngsten Krieg in Afghanistan «Taliban und al-Kaida und nach dem zweiten Golf-Krieg «Saddam» genannt wurden. Dieselben Tricks werden zur Verschleierung der neueren Uranwaffensysteme angewendet, wie neuere Entwicklungen gezeigt haben. Die Nato hat die alte und die neue jugoslawische Regierung gezwungen, Informationen über Verluste auf Grund von DU zu unterdrücken. Jugoslawische DU-Dekontaminierungseinheiten operierten während der Nato-Bombardierungen, während die Regierung DU-Opfer vermutlich in Militärspitälern verbarg. Nachdem der neue jugoslawische Aussenminister Anfang 2001 Lord Robertson besucht hatte, berichteten die westlichen Medien, dass Jugoslawien ebenso wie alle Nato-Staaten Soldaten «negativ» auf DU getestet hatte. Es ist einfach, von den Besetzern eingesetzte Regierungen zu zwingen. Im Irak entfernten die Besetzer – um sicherzugehen –Krankenakten aus den Spitälern, was es schwierig machte, die Verlustraten auf Grund von Uranexposition der Bevölkerung nach beiden Golf-Kriegen zu untersuchen. Eine irakische Wissenschafterin, Dr. Huda Ammash, wurde vom US-Militär in einem Konzentrationslager eingesperrt, das unter primitiven Bedingungen auf dem Flughafen von Bagdad eingerichtet worden war. Diese Rektorin der Universität von Bagdad und Erziehungsministerin vor der Invasion publizierte von anderen Wissenschaftern überprüfte Veröffentlichungen in den USA, in Italien und im Irak über die Konsequenzen der Urankontamination und der Sanktionen, die dem Irak auferlegt wurden. Ihre Inhaftierung wurde mit dem frei erfundenen Vorwurf begründet, sie habe die angebliche Entwicklung von biologischen Waffen beaufsichtigt. Mittlerweile hat die United Nations Monitoring, Verification and Inspection Commission bestätigt, dass sie wegen Mangels an Dossier Uranwaffen 165 Zeit-Fragen 2006 Beweisen Dr. Ammash bis 2003 nicht für Interviews ausgewählt hatte. (http://leb.net/pipermail/counterpunch-list/2003-May/026447.html) In beiden Kriegen nach dem Balkan-Krieg unterstützte das Pentagon die Verbreitung von Berichten, gleich ob sie der Wahrheit entsprachen oder auch nicht, die geeignet waren, die eigenen radiologischen Waffen zu vertuschen, für den Fall, dass ernsthafte Kontaminationen durch Uran entdeckt werden würden. Am 16. Januar 2002 berichtete Verteidigungsminister Donald Rumsfeld über erhöhte Radioaktivität in einem Gebiet Afghanistans, das von «abgereichertem Uran in einigen Sprengköpfen» stamme, angeblich von Raketen, die die USA al-Kaida abgenommen hatten. Das Risiko, dass al-Kaida «schmutzige» Bomben verwenden könnte, war eines der Hauptthemen in den Verlautbarungen des Pentagons bis Mai 2002, aber Rumsfeld hat nie verraten, welcher Typ von Raketen gefunden worden sei oder welches Land sie hergestellt hatte. Das DU von al-Kaida war natürlich «gefährlich», anders das gutartige DU in der britischen und amerikanischen panzerbrechenden Munition. Die Taliban und al-Kaida hätten gar nicht die Mittel, grosse Munition aus Uran herzustellen oder zu verschieben. Sie könnten sich höchstens kleine Boden-Boden-Panzerabwehrraketen aus Uran angeeignet oder Vorräte von DU angelegt haben, um «schmutzige Bomben» herzustellen. Greenpeace wurde im Irak vom Pentagon für seinen Spin instrumentalisiert. (Der Strahlenexperte des US-Militärs unterstützt den Aufruf von Greenpeace, kontaminierte Gemeinden im Irak vollständig zu untersuchen, 24. Juni 2003, mailman.greenpeace.org/listinfo/pressreleases.) Höchstwahrscheinlich haben die Spin-doctors des Pentagon die Publizität der Geschichte absichtlich verstärkt, um die Verursachung von Krankheiten durch ihre eigenen Uranwaffen abstreiten zu können. Wenn Unabhängige im Irak einen Fallout von uranhaltigen Waffen finden würden, so könnte das Pentagon behaupten, das von GreenpeaceAktivisten gesammelte Urankonzentrat (Yellowcake) stamme von Plünderungen aus «Saddams Nuklearanlagen» in Tuwaitha bei Bagdad. Warum sonst würde eine Armee, die den Irak zweimal mit Uran kontaminiert hat, Reklame für eine solche verantwortungsbewusste Haltung gegenüber der Umwelt durch Greenpeace machen? Schliesslich war es die US-Lobby, die die Generalversammlung der Vereinten Nationen im November 2001 dazu brachte, die wiederholte Bitte der Iraker um eine Untersuchung der Auswirkungen von DU im ersten Golf-Krieg zurückzuweisen. Als Konzentrat von Uranerz hat Yellowcake die chemische Signatur «natürlichen Urans». Wie könnte also die Greenpeace-Geschichte dazu beitragen, das Vorhandensein uranhaltiger Waffen zu vertuschen? Unabhängige Tests zur Identifizierung der Uran-Isotope (und damit die Herkunft der Kontamination) würden unterdrückt, wie es bei offiziellen «Untersuchungen» bisher die Regel war. Alle strahlenbedingten Symptome könnten dann auf das bei den Plünderungen erbeutete Material zurückgeführt werden, das es irgendwie geschafft hat, sich in alle Regionen des Landes zu verbreiten, wo Uranwaffen benutzt worden waren. Das nicht abgereicherte Uran, das die UMCR in Afghanistan entdeckt hat, ähnelt in der Zusammensetzung seiner Isotope dem Yellow cake. Deshalb liegt der Verdacht nahe, dass neuere Waffengenerationen Uranlegierungen enthalten, die so zusammengesetzt wurden, dass sie «natürlichem Uran» ähneln, damit eine grossflächige Kontamination damit nur schwer von dem Uran zu unterscheiden ist, das in natürlicher Form beinahe überall vorkommt. Eine psychologische Kriegsführung, die von einer bürokratischen Militärmaschinerie umgesetzt wird, produziert unabsichtlich auch Fehler und Schnitzer. PsyOps versucht dann, diese Schnitzer mit neuen Dummheiten zu vertuschen. ... und sie wissen, was sie tun Dossier Uranwaffen 166 Zeit-Fragen 2006 kn. Die Nato-Arbeitsgruppe für Niedrigstrahlung bei militärischen Operationen gab im Jahr 2000 ein Handbuch heraus, in dem abgereichertes Uran als «Radiologisches Bedrohungsszenario» aufgeführt wird. Die erste Auflage des «Nato-Handbuchs zur Probennahme und Identifikation von radiologischen Agentien SIRA» wurde im August 2000 herausgegeben, also ungefähr ein Jahr nachdem eine offizielle Warnung der Nato bezüglich des Einsatzes von DU-Munition in Kosovo an den deutschen Verteidigungsminister gegeben worden war. Im Vorwort begründet der Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Robert A. Kehlet, die Notwendigkeit des Handbuches mit «früheren Ereignissen mit Strahlenrisiko in Georgien, Weissrussland, Kosovo und Bosnien» und damit, «dass Nato-Kräfte bereits radiologischen Gefahren begegnet sind und weiter begegnen werden». Der Auftrag der Arbeitsgruppe besteht darin, «Standardabläufe und die Anforderungen an die Ausrüstung für die Dosishöhe guidance, das Auffinden, die Probennahme, die Identifizierung, die Messung und die Kontrolle der Kontamination mit Niedrigstrahlungs-Radioaktivität bei militärischen Operationen, die nicht einem generalisierten Nuklearkrieg entsprechen, zu entwickeln. Das SIRA-Handbuch ist eines von mehreren Produkten, die die Arbeitsgruppe geliefert hat.» Unter den verschiedenen «radiologischen Bedrohungsszenarien», bei denen Probennahmen, Identifizierungen und Kontrolle der Kontamination von Mensch und Umwelt vorgenommen werden sollen, ist als Punkt 1.5.5. die «Reaktor-Kernbrennstoffproduktion oder abgereichertes Uran» aufgeführt: «Wenn diese Materialien in die Umwelt freigesetzt werden, stellen sie primär ein chemisches Toxizitätsrisiko ähnlich wie andere Schwermetalle dar und können ein langfristiges Strahlen-Gesundheitsrisiko darstellen, weil das Material ein Alpha-Strahler ist.» Im weiteren wird detailliert dargestellt, wie welche Kontamination erfasst werden kann, welche Vorsichtsmassnahmen bei welchem Material getroffen werden müssen, wie die Kontamination von Mensch und Umwelt nachgewiesen werden kann. Dass die Nato intern sehr genau um die Gefahr durch Niedrigstrahlung und DU weiss, wird nach Lektüre dieses Handbuchs mehr als deutlich. Quelle: Nato-Handbuch, 2000 Die Vorgabe, die Wahrheit zu unterdrücken, treibt die Täter und ihre Helfer – Special Operations, PsyOps, Sprecher, offizielle Medien, Pseudowissenschafter – zu Denkverboten und gefälschten Ereignissen, um die Zuhörerschaft zu überzeugen. Im Fall des DU in Kosovo sind ihnen einige offensichtliche Fehler passiert. Die Verantwortlichen unterliessen es, die Nato und UN-Soldaten, die ausländischen Arbeiter und die einheimischen Zivilisten (für die sie ja angeblich «Milosevic» bombardierten) zu warnen und zu schützen. Auch gab es keine Warnungen vor «schmutzigem» DU. Die Öffentlichkeit opponierte gegen quasistalinistische Spezialoperationen, mit denen versucht wurde, die Beweise in mehreren westlichen Ländern zum Schweigen zu bringen. Die Vertuschungsmanöver verwischten zudem auch die Risiken ziviler Anwendungen von Uran (beispielsweise in Ballastgewichten zum Austarieren von Flugzeugen) und erhöhten damit die Risiken für die Bevölkerung in den Nato-Staaten. Leugnen, hinhalten, täuschen Die Propagandataktik des nuklearen Militär-Regierungskomplexes folgt den drei Ds: deny, delay, deceive (leugnen, hinhalten, täuschen), wobei dem Vertuschen einer chronischen Dossier Uranwaffen 167 Zeit-Fragen 2006 Exposition und der Wirkung von Uran auf die menschliche Gesundheit eine Schlüsselfunktion zukommt. Bein und Zori (2001) (mit Ergänzungen in (Bein und Parker 2003)) haben genügend Beispiele für Verzögerungen und Auslassungen bei Informationen über bombardierte Gebiete und beim Ausführen von «Studien» durch Behörden zusammengetragen. Im Rahmen der Täuschung war die Phase des Leugnens und des Vertuschens von uranhaltigen Waffen nach dem Krieg in Afghanistan auf ihrem Höhepunkt, aber der IrakKrieg wird dies vermutlich in den Schatten stellen. Es scheint, dass die Kampagne des Leugnens bezüglich der Uranwaffen Teil einer breiteren Kampagne für die Akzeptanz von Waffen ist, die mit niedrigen Strahlungsdosierungen kontaminieren. Stellungnahmen der US-Regierung über Pläne zur Entwicklung von harte Ziele durchdringenden Atombomben, Bedrohung durch Terroristen mit radiologischen Waffen und die vor kurzem ausgesprochene Warnung vor möglichen atomaren Erstschlägen der USA und Englands spielen die Gefahren «konventioneller» Uranwaffen herunter. Ziel dieser Propaganda wird es sein, die Schwelle der Akzeptanz atomarer Waffensysteme zu senken. Ein Angriff mit Atomwaffen macht wenig Sinn, wenn bereits mit den bestehenden Waffensystemen in tiefen Bunkern gelagerte Massenvernichtungswaffen zerstört werden können, es sei denn, das Ziel besteht darin, die unterirdischen Einrichtungen mit einer Atomexplosion zu erschüttern. Solange es keinen Beweis für eine Verbindung zwischen Krankheit und Sterben einerseits und dem Uran auf strahlenverseuchten Kriegsschauplätzen andererseits gibt, können alle anderen Argumente von Gegnern, einschliesslich der Illegalität solcher Waffen, beiseite geschoben werden. Eine Reihe von darauf bezogenen Operationen der Informationskriegsführung nimmt sich dieses Beweisproblems an. Neben der «Schadensbegrenzung» im Hinblick auf Informationen, die aus den militäreigenen medizinischen Einrichtungen stammen, sind folgende Aktivitäten aufgedeckt worden: • Manipulation und Korruption in den Laboratorien, die vom militärisch-industriellen Regierungskomplex für die Forschungsarbeiten ausgewählt wurden. • Druck auf die Leiter nationaler und internationaler Organisationen, die Studien über kontaminierte Gebiete und Opfer durchführen. • Einschüchterung und Diskreditierung von unabhängigen medizinischen Wissenschaftern und Forschern. Diese Aktionen schaffen in der medizinischen Wissenschaft mit einer doppelten Absicht eine künstliche Kontroverse: für den Durchschnittskonsumenten von Informationen die Wahrheit zu vertuschen und – besonders wichtig – die Aufmerksamkeit der Entscheidungsträger und der Öffentlichkeit von der «Kontroverse» abzulenken, die dem militärischindustriellen Regierungskomplex am wichtigsten ist: die Gesetzeswidrigkeit von Uranwaffen jeglicher Art. Die Effektivität dieser Methode zeigt sich in den meisten Berichten der Mainstream-Medien über die gesundheitlichen Auswirkungen von DU und anderen Uranwaffen. Selten, wenn überhaupt, zitiert die Presse einen juristischen Spezialisten für Humanitäres Völkerrecht oder einen Forscher zu den neuen uranhaltigen Waffensystemen. Das passiert sogar in Medien, die sich zur Verpflichtung der Journalisten zur Objektivität bekennen und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zitieren. Dossier Uranwaffen 168 Zeit-Fragen 2006 Waffen, die die Zivilbevölkerung treffen, sind unvereinbar mit dem Humanitären Völkerrecht Der Internationale Gerichtshof hat in seinem Gutachten aus dem Jahre 1996 zur Frage der Rechtmässigkeit der Drohung mit oder des Einsatzes von Nuklearwaffen («The Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons») eindeutig die Unvereinbarkeit der Nuklearwaffen mit den Gesetzen über bewaffnete Konflikte und mit dem Humanitären Völkerrecht fixiert. Die Leitsätze des Gutachtens beschränken sich nicht auf die Nuklearwaffen, sondern gelten für alle Waffen, die unterschiedslos Soldaten und die Zivilbevölkerung treffen und über ihren Einsatzzeitpunkt hinaus zu andauernden und weitverbreiteten Schäden führen. Dieses Gutachten des Internationalen Gerichtshofes hat bindende Wirkung für alle Staaten der Völkergemeinschaft, und damit auch für die Vereinigten Staaten von Amerika. Der Professor für Völkerrecht, Francis Boyle, führt dazu in seinem Buch «The Criminality of Nuclear Deterrence. Could the U.S. War on Terrorism Go Nuclear?» aus: «Die Charta der Vereinten Nationen ist ein ‹Vertrag› [Treaty], der die Empfehlung und Zustimmung durch den Senat der Vereinigten Staaten erhalten hat. Deshalb ist sie das ‹höchste Gesetz des Landes› gemäss Artikel VI der Verfassung der Vereinigten Staaten, der sogenannten ‹Supremacy-Clause›. […] Artikel 7 der Charta der Vereinten Nationen richtete den Internationalen Gerichtshof (IGH) als eines der sechs «grundlegenden Organe der Vereinten Nationen» ein. […] Gemäss Artikel 92 der Charta der Vereinten Nationen «bilden die Statuten des Internationalen Gerichtshofes einen integralen Bestandteil der gegenwärtigen Charta». […] Artikel 93 (1) der Uno-Charta drückt diesen Punkt in den folgenden Worten sehr klar aus: «Alle Mitglieder der Vereinten Nationen sind ohne weiteres Vertragsparteien des Statuts des Internationalen Gerichtshofs.» […] Daher ist der Internationale Gerichtshof kein ‹ausländischer Gerichtshof›. Vielmehr ist der Weltgerichtshof ordnungsgemäss legitimiert und eingeführt entsprechend der Verfassung als ‹Vertrag› und gemäss den ‹Gesetzen der Vereinigten Staaten›. […] Mit dem Erstellen seines Gutachtens über ‹Die Rechtmässigkeit der Drohung mit oder der Einsatz von Atomwaffen› kam der Internationale Gerichtshof daher seinen feierlichen Verpflichtungen gemäss den Vorgaben der Uno-Charta und dem Statut des Internationalen Gerichtshofes nach, die beide gemäss Artikel VI der Verfassung der Vereinigten Staaten ‹das höchste Gesetz des Landes› sind. Aus diesem Grund ist jeder Richter, jeder Geschworene und Regierungsbeamte in den Vereinigten Staaten verpflichtet, mit zu berücksichtigen, was der Internationale Gerichtshof in diesem Gutachten sagte.»1 Richter Weeramantry, ein Mitglied des IGH, zum Inhalt des Gutachtens: «Das Rechtsgutachen des Internationalen Gerichtshofes ist die erste Entscheidung dieses Gerichts, und tatsächlich von allen internationalen Tribunalen, die klar die Zurückbindung der Nuklearwaffen unter Bezugnahme auf die Charta der Vereinten Nationen formuliert. Es ist die erste Entscheidung, die ausdrücklich die Unvereinbarkeit von Nuklearwaffen mit den Gesetzen über bewaffnete Konflikte und mit dem Humanitären Völkerrecht festhält. Es ist die erste solche Entscheidung, die ausdrücklich die Ansicht vertritt, dass der Gebrauch von Nuklearwaffen durch eine Vielzahl vertraglicher Verpflichtungen gehemmt und begrenzt ist. Dossier Uranwaffen 169 Zeit-Fragen 2006 Im Bereich der Umwelt, ist es das erste Gutachten, das im Zusammenhang mit Atomwaffen ausdrücklich das Prinzip umfasst des ‹Verbots nicht nur von solchen Kriegsmitteln, welche [weitreichende, lang anhaltende und ernsthafte Umweltschäden] beabsichtigen, sondern auch jener, die solche Folgen erwartungsgemäss verursachen› und des ‹Verbots von Angriffen auf die natürliche Umgebung im Zuge von Vergeltungsmassnahmen›.»2 Weiter heisst es im Gutachten: «Die wichtigsten Prinzipien in den Texten, die das Gefüge des Humanitären Völkerrechts ausmachen, sind die folgenden: Das erste zielt auf den Schutz der Zivilbevölkerung und ziviler Objekte und unterscheidet zwischen Kämpfenden und Nicht-Kämpfenden. Die Staaten dürfen niemals Zivilisten zum Ziel ihrer Angriffe machen und dürfen folglich keine Waffen anwenden, die nicht zwischen zivilen und militärischen Zielen unterscheiden können. Laut dem zweiten Prinzip ist es verboten, den Kämpfenden unnötiges Leiden zuzufügen: Demgemäss ist es verboten, Waffen zu benutzen, die ihnen solches Leid zufügen oder ihr Leiden unnötig verschlimmern. In Anwendung dieses zweiten Prinzips haben die Staaten nicht die unbegrenzte Freiheit der Wahl ihrer Mittel bei den von ihnen benutzten Waffen. […] Das humanitäre Völkerrecht verbot schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt bestimmte Waffentypen entweder wegen ihrer unterschiedslosen Auswirkungen auf Kämpfende und Zivilisten oder wegen des unnötigen Leidens, das sie bei den Kämpfenden auslösen, die mit anderen Worten einen Schaden hervorrufen, der grösser ist als das, was zur Erreichung legitimer militärischer Ziele unvermeidlich ist. Wenn der beabsichtigte Gebrauch der Waffen den Anforderungen des Humanitären Völkerrechts nicht entspricht, würde die Androhung eines solchen Gebrauchs ebenso dem Gesetz widersprechen.»3 1 Francis Boyle, «The Criminality of Nuclear Deterrence. Could the U.S. War on Terrorism Go Nuclear?», Clarity Press 2002, ISBN 0-932863-33-7, S. 163ff. 2 Minderheitsvotum des Richters Weeramantry in seiner Erläuterung des Gutachtens «The Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons» des Internationalen Gerichtshofs; zitiert nach Boyle, a.a.O., S. 165f. 3 Aus dem Paragraph 78 des Gutachtens des Internationalen Gerichtshofs, zitiert nach Boyle, a.a.O., S. 186f. Die Verhinderung der Anwendung des Völkerrechts ist also ein strategisches Ziel unseres Gegners. Wir müssen uns dessen bewusst sein und nur diejenigen Gesetzesinitiativen gegen Uran und die Waffen unterstützen, von denen wir sicher sind, dass sie nicht dazu benutzt werden, den Prozess der Abschaffung dieser Waffen, der Geltendmachung von Schadensersatz durch Uranopfer vor Gericht und der strafrechtlichen Verfolgung der Täter zum Stocken zu bringen. Manipulation und Korruption in Laboratorien Ein Artikel beschreibt, warum Untersuchungen des amerikanischen Verteidigungsministeriums (Department of Defense, DoD) und des kanadischen Verteidigungsministeriums (Department of National Defense, DND) nicht in der Lage sind, irgendwelche Gefahren festzustellen (Weyman 2003). Er stellt fest: «Der Aufbau der Nachuntersuchungen und des Screening-Programms, der es ablehnt, Isotopenanalysen bei den Veteranen durchzuführen, bei denen die medizinischen Symptome und die Geschichte ihres Einsatzes mit hoher Wahrscheinlichkeit nahelegen, dass sie der Inhalation von DU ausgesetzt waren, steht in scharfem Gegensatz zur übrigen Politik der Regierung und stellt einen Schlag ins Gesicht der Veteranen dar.» Dossier Uranwaffen 170 Zeit-Fragen 2006 Der Artikel entlarvt die Vertuschungsmethoden, die bei unter militärischer Kontrolle durchgeführten Studien angewandt wurden: «DND und DoD haben selbst zugegeben, dass die DU-Sreenings und die Nachuntersuchungsprogramme nicht von Labors und Wissenschaftern durchgeführt wurden, die zuverlässig in der Lage gewesen wären, DU bei Veteranen zu messen. Statt dessen sind viele Millionen Dollar an Forschungsgeldern für überflüssige Studien an Versuchstieren ausgegeben worden, um irrelevante anatomische Mechanismen und fragwürdige biologische Wirkungspfade zu untersuchen – Körperbehaarung, Granatsplitter, «Inhalation nur durch die Nase» und «Nase-Hirn-Schranke». Das, was bei diesen Studien herauskommt, wird für die Mehrheit der Veteranen der Golf-Kriege und des Krieges auf dem Balkan ohne Bedeutung sein.» Inadäquate und nicht aussagekräftige radiologische, biologische Mess- und Untersuchungsprogramme sind gleichzusetzen mit der Unfähigkeit, DU-Kontamination bei Veteranen oder mögliche Zusammenhänge mit genetischen Defekten ihrer Kinder zu untersuchen: «Das bedeutet, dass der Grossteil der auf dem Schlachtfeld DU ausgesetzten Veteranen nicht erkannt wird – auch wenn sie tatsächlich kontaminiert worden sind.» Druck auf nationale und internationale Organisationen Der nukleare Militär-Regierungskomplex kontrolliert die internationale Gesetzgebung und das Management bezüglich der Problematik der niedrig dosierten Strahlung. Zweifellos beschäftigen die für Strahlensicherheit der Menschheit verantwortlichen Organisationen engagierte Menschen mit hohem Ethos und grossem Wissen. Aber indem sie dem Druck des nuklearen Militär-Regierungskomplexes nachgeben, gefährden die Führungspersonen die ernsthaften Anstrengungen ihrer Mitarbeiter und die Integrität kompetenter Untersuchungen. Es gibt Beweise für solche Vorgänge hinsichtlich internationaler Organisationen, wie ICRP [ECRR 2003] und UNEP (www.monde-diplomatique.fr/en/2001/02/o3uranium) bis hin zu nationalen Organisationen wie etwa der Polish Atomic Agency, dem Institute of Chemistry and Nuclear Technology und dem Laboratory for Radiological Protection in Warschau (www.stopnato.org.uk/du-watch/bein/neonato.htm). Ausgewählte Organisationen spielen eine Schlüsselrolle bei der Vertuschung radiologischer Risiken. ICRP ist verantwortlich für das Fortbestehen ungültiger Modelle bezüglich der Gesundheitsrisiken für den Menschen, die von körperinternen Strahlungsquellen mit geringer Dosierung ausgehen, wie feine Uranpartikel. Aufgrund eines Übereinkommen mit der WHO von 1959 hat die IAEA, die einzige UN-Unterorganisation, die einem privaten Sektor (der Nuklearindustrie) dient, das Monopol auf der Beurteilung von Aspekten der Strahlenbelastung, zu denen auch die Auswirkungen von Uran auf die Gesundheit zählen, während sie den Fragekomplex der Toxizität von Uran der WHO überlässt. Das stellt ein planvolles Vorgehen im Hinblick auf die Kontrolle und Vertuschung der weltweiten Strahlungsprobleme dar. 1990 hat eine Revision der Richtlinien durch die ICRP die zulässige Strahlenbelastung bei niedriger Dosierung um den Faktor fünf gesenkt. Die USA haben diese Revision nicht akzeptiert und behaupten daher, dass ihre Soldaten «sicheren» Dosierungen ausgesetzt waren. In den USA kontrolliert die Atomic Energy Commission (AEC), eine zivile Behörde unter militärischer Leitung, die kein Interesse an der Erforschung der Risiken hat, die Problematik der ionisierenden Strahlung. Jeder der vier bedeutendsten Wissenschafter, welche für die AEC gearbeitet haben, John Gofman, Karl Morgan, Thomas Mancuse und Alice Stewart wurden eingeschüchtert, da sie nachgewiesen haben, dass niedrig dosierte Strahlung Krebs verursacht. Schizophrenie Im Munitionslager und bei Übungen gelten für DU-Waffen besondere Vorsichts- und Schutzmassnahmen. Dossier Uranwaffen 171 Zeit-Fragen 2006 Beim Kampfeinsatz gegen Soldaten und die Zivilbevölkerung sollen DU-Waffen ungefährlich sein … Weder die Nato-Staaten – noch die World Health Organisation WHO haben epidemiologische Studien bei den Soldaten oder der Zivilbevölkerung durchgeführt, die im Krieg Uran ausgesetzt waren. Damit wird sichergestellt, dass Gesundheitsschäden durch Uranwaffen weder entdeckt noch bestätigt werden. Mehrere Regierungen in der UN müssen sich zusammengeschlossen haben, um zu verhindern, dass nach dem ersten Golf-Krieg eine Studie über DU im Irak durchgeführt wurde. Die irakische Regierung hat offiziell die WHO gebeten, Uranverseuchung und Gesundheitsschäden durch Uran zu untersuchen, aber die US-Regierung setzte die WHO unter grossen Druck, eine umfassende Studie abzusagen. Als ein Resolutionsentwurf für eine spezifische Untersuchung durch eine Kommission in der UN-Hauptversammlung vorgelegt wurde, sicherten die USA genug (aber nur knapp genug) Neinstimmen, um die Initiative zu stoppen. Ein geplanter Besuch durch den UNRichter Sik Yuen im Jahre 2002 wurde durch eine starke Zunahme der Bombardierungen in der südlichen Flugverbotszone verzögert. Die Nato-Website (www.nato.int/kosovo/010110du.htm) ist eine Auflistung von Korruption bei internationalen Organisationen, Instituten für Forschung und strategische Studien und Universitäten, die angeheuert wurden, um Fehlinformationen über DU zu verbreiten. Objektivere Berichte des Pentagon kann man auf vielen unabhängigen Websites finden, aber auf der Nato-Website danach Ausschau zu halten, ist sinnlos. Das Völkerrecht wird unterlaufen Militärische und zivile Verluste zu ignorieren, humanitäre Hilfe zu verhindern und die Wahrheit über die Uranwirkungen nicht aufzudecken stellt eine ernsthafte Verletzung des Humanitären Völkerrechts dar. Dennoch haben die USA ungeachtet der Vereinbarungen der Genfer Konvention angedroht, dass sie jedes Land militärisch angreifen werden, das versucht, amerikanisches Militär vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen oder vor ein eigenes Gericht zu stellen. Rechtliche Initiativen gegen Uranwaffen sind ähnlichen Angriffen ausgesetzt wie diejenigen, die nach wissenschaftlichen und physikalischen Beweisen suchen. In der Arbeit der UN Sub-Commission for the Protection and the Promotion of Human Rights gab es einen solchen Fall. Dr. Karen Parker beschreibt ihn aus erster Hand in ihrem Vortrag an dieser Konferenz. Der Fall zeigt, dass «gewisse Kräfte» alles getan haben, was sie konnten, um jegliche rechtliche Beurteilung von DU zu verzögern. Die Regierungen der USA, Grossbritanniens und anderer Länder setzen sich zweifellos mit den Auswirkungen unserer rechtlichen Initiativen auseinander. Dieser Fall zeigt, dass die USA und Grossbritannien sich dafür einsetzen, jegliche rechtliche Beurteilung von Uranwaffen zu verzögern und dass Kommissionen dem Druck seitens einzelner Mitglieder mit persönlichen Interessen ausgesetzt werden könnten. DU = Dirty Uranium (schmutziges Uran) Mit einem Sperrfeuer aus Lügen, Halbwahrheiten und Unsinn wird immer noch versucht, das toxisch-radioaktive DU als «rein» zu verteidigen. Das ist symptomatisch für das Gruppendenken. Die «drei Ds» können sinngemäss auch auf die Problematik von U-236, von Plutonium und von anderem extrem gefährlichem, wiederverwendetem Atommüll angewendet werden, der in illegaler Weise dem DU beigemischt wird. Im «Kosovo-DU»-Skandal von Anfang 2001 stellte sich heraus, dass das DU entgegen der Angaben der Industrie auch Uran-236, Plutonium, Neptunium, Americum und andere Zerfallsprodukte angereicherten Urans enthielt. Obwohl diese extrem giftigen und radioak- Dossier Uranwaffen 172 Zeit-Fragen 2006 tiven Substanzen nur in Spuren vorhanden waren, erhöht ihre gewaltige Potenz die Giftigkeit und die Radioaktivität der in der Operation Allied Forces verschossenen DU-Geschosse erheblich. Die Substanzen stellen abgebrannte Nuklearbrennstoffe und Atommüll dar, der in dem DU Rohmaterial wiederverwendet wurde. Die Zusammensetzung und die toxisch-radioaktiven Eigenschaften der Uranlegierungen hängen davon ab, welche Art von Atommüll und welche Menge beigemischt worden ist. Weymann (2003) ist einer der wenigen Autoren, die die Aufmerksamkeit auf die extremen Gefahren lenken, die mit der Wiederverwendung von Atommüll in Uranlegierungen verbunden sind. Die gefährlichsten Additive sind Zerfallsprodukte von angereichertem Uran, die Zehntausende Male radioaktiver sind als reines DU oder reines, nicht abgereichertes Uran (jungfräuliches Uran). Unabhängige und Regierungsanalysen von DU-Geschossen, die auf den Schlachtfeldern eingesammelt worden sind, haben Spuren von Zerfallsprodukten angereicherten Urans, einschliesslich Plutonium-239, nachgewiesen. Unabhängige Studien haben im Urin von Veteranen Spuren von Uran-236 entdeckt, «was den Risiken, denen Veteranen durch die Inhalierung von wiederverwendeten Uranelementen ausgesetzt sind, eine neue Dimension gibt», schreibt Weyman. Das Uranisotop 236 kommt in der Natur nicht vor, sondern nur in atomaren Spaltprodukten wie abgebrannten Kernbrennstäben und Fallout von Atombombenexplosionen. Kürzlich hat UMRC von unabhängiger Seite überprüfte Testergebnisse von Proben von afghanischen Bombenkratern veröffentlicht (Durakovic 2003). UMCR hat Spuren von Uran-236 entdeckt. Diese Uran-236-Isotopen sind nicht von schmutzigen Bomben von Guerillakämpfern oder aus den Rückständen von Atomwaffen aus der Zeit des Krieges mit der Sowjetunion in die Bodenproben und die biologischen Proben gelangt. Kontrollproben von nicht bombardierten Orten haben kein Uran-236 enthalten. Trotzdem hat niemand den Anstieg der internen Dosierung aufgrund von Zerfallsprodukten von angereichertem Uran über theoretische Berechnungen hinaus untersucht. Nach Weyman hat das Militär des Pentagon und der Nato-Staaten Studien finanziert, die zum Schluss kommen sollten, dass diese Elemente gar nicht vorhanden seien und falls doch, dass sie nicht relevant seien: «Die Tatsache, dass das DoD in den Protokollen zur Nachuntersuchung nach dem Krieg nicht einmal die Möglichkeit in Betracht zieht, dass eine Kontamination durch Zerfallsprodukte von angereichertem Uran vorhanden sein könnte, legt nahe, dass man sich über mehr als DU Sorgen machen muss.» Nicht nur Kriege und Waffen bedrohen die Menschheit. Weil sie die Quelle des umfassenden wirtschaftlichen und industriellen Verarbeitungszyklus von Uranmetallen und anderen Produkten ausserhalb des nuklearen Bereichs sind, bedrohen kontaminierte Lager von Uran jedermann. Die Beimischung von Zerfallsprodukten angereicherten Urans ist nicht nur ein Uranwaffenproblem. Es ist ein viel grösseres Problem und es wird zutage treten, wenn die Gesetzgebung in verschiedenen Ländern, einschliesslich der EU, die Wiederverwenung von Atommüll in nichtmilitärischen industriellen und für die Verbraucher bestimmten Produkten erlaubt. Die Starmet Corporation brüstet sich damit, die «einzige Produktionsanlage in Nordamerika» zu betreiben, die «in der Lage ist, Uranhexafluorid (UF6) in Urantetrafluorid (UF4) zu verwandeln» (www.starmet.com/adrecycl.htm). Aus UF4 produzieren sie DU-Metall für ein «AVLIS»-Ausgangsmaterial für panzerbrechende Waffen, Panzerung, industrielle und medizinische Abschirmungen gegen Radioaktivität und Ballastgewichte zum Austarieren von Flugzeugen. Die Firma ist stolz auf ihr Verantwortungsbewusstsein hinsichtlich der Umwelt: «Unsere Fähigkeit, UF6 umzuwandeln, hat jetzt bereits einen hilfreichen Einfluss auf die Bemühungen, die Vorräte von UF6 in Energieanlagen der Wirtschaft und der Regierung aufzuräumen.» Der Fall von David Nibby in Grossbritannien zeigt, zu was die Weiterverbreitung von nicht militärischem Uran führen könnte. Als Mechaniker, der andere Metallteile für Flugzeugausrüstungen herstellte als Ballastgewichte zum Austarieren, erkrankte er einen Monat nach Dossier Uranwaffen 173 Zeit-Fragen 2006 Arbeitsbeginn mit Symptomen ähnlich dem Golf-Kriegs-Syndrom. Weder hat er am GolfKrieg teilgenommen, noch hat er sich je auf einer Militärbasis oder in der Nähe von Ausrüstung aufgehalten, die in jenem Krieg verwendet wurde, noch ist er je in den Nahen Osten gereist, bevor er krank wurde. Sondern er hat mit Teilen aus einem Ausgangsmaterial aus einer Schwermetalllegierung der General Electric Company (GEC) gearbeitet. Er hat die Teile mit feinem Sandpapier poliert und die winzigen Partikel eingeatmet. Dieses schwere, silbrige und einfach zu bearbeitende Metall wurde von der Fabrik aus den USA eingeführt, aber es gab dafür keine Bescheinigungen, die nach dem britischen Arbeitssicherheitsgesetz erforderlich gewesen wären. Zahlreiche Teile wurden aus dem Metall hergestellt, bis Nibby Alarm geschlagen hat. Seine Urinprobe wurde positiv auf DU getestet und er weist Chromosomenschäden auf, weil er in seinem Körperinneren ionisierender Strahlung ausgesetzt ist. Die Herstellung, Abstürze und das Feuer, von zivilen und militärischen Flugzeugen stellt somit nicht nur wegen der Ballastgewichte aus DU eine Bedrohung für die Gesundheit dar. Starmet stellt zudem aus UF 4 DU-Oxyd-Pulver her. Das Pulver wird zu schweren Steinen weiterverarbeitet, mit denen der Kies in Beton ersetzt werden kann: «Aus dem Oxydpulver wird ein keramisches Aggregat hergestellt […], das dann in einer auf Portlandzement basierenden Zementmischung die typischen grossen Klumpen oder den Kies ersetzt». Der Zement heisst DucreteTM (Markenzeichen, zusammengesetzt aus DU und concrete = Zement) (www.starmet.com/spcducrt.htm). Er ist fast dreimal so dicht wie herkömmlicher Zement. Grosse Mengen dieses Zements oder des schweren Aggregats allein könnten als Ballast oder in ähnlichen Anwendungen nützlich sein. Ducrete schirmt auch gegen Strahlung ab. Starmet macht daraus Behälter für nukleare Abfälle und schlägt weitere Anwendungen vor: «Vorrats- oder Abfallbehälter für radioaktive Abfälle mit niedriger Strahlungsdosierung, vorübergehende Abschirmungen in Reaktoreinrichtungen und Anwendungen bei der kommerziellen Bestrahlung von Lebensmitteln oder in der Medizin». Prinzip der Vorsicht «Nach dem Prinzip der Vorsicht der Umwelt- und Gesundheitswissenschaften sollten ungewisse, aber potentiell gefährliche Effekte verhindert werden. Selbst wenn es ‹keine Beweise› für eine Verbindung zwischen DU und Krankheit und Tod gäbe, wäre es allein wegen der Beschwerden der Golf-Kriegs-Veteranen und der wissenschaftlichen Ungewissheit notwendig, dass die Entscheidungsträger den Einsatz von jeglichen Uranwaffen schon aus Gründen der Vorsorge beenden würden. Die wissenschaftliche Einschätzung der Wirkungen von Uranmetallen folgt einer standardisierten Risikoanalysen-Kette. ‹Wissenschafter› des Militärs und seiner Auftragnehmer manipulieren jedes einzelne Glied dieser Kette. Auf Kritik antwortet diese Pseudowissenschaft mit ‹Es gibt keine Beweise›. Es gibt ausreichende Beweise, aber selbst wenn nicht, dann müsste das Vorsichtsprinzip gelten. Bein und Parker (2003) präsentieren zahlreiche schwerwiegende Fehler in offiziellen Berichten und weitere Beispiele von Manipulation in der Wissenschaft.» Piotr Bein Wie auch bei seiner Produktpalette aus DU-Metallen hebt Starmet die Verantwortung für die Umwelt im Hinblick auf «über 700 000 Tonnen» von DU-Abfall und die Wirtschaftlichkeit der nützlichen Verwendung der Abfälle hervor: «Die Kosten für die Herstellung von Komponenten aus DucreteTM-Zement sollten nicht wesentlich höher sein als wenn traditioneller Zement eingesetzt wird. […] Die meisten Produkte werden in einer Fabrik hergestellt werden, wo aus den grösseren Mengen Kostenvorteile resultieren und wo technische Massnahmen getroffen werden können, um die Kontaminierung zu kontrollieren […]. Der Dossier Uranwaffen 174 Zeit-Fragen 2006 Einsatz von DU in DucreteTM-Zement bietet dem [US Department of Energy] eine Alternative zu der direkten Entsorgung von DU als Abfall, die mehrere Milliarden Dollar kostet. Diese Anwendung stellt eine umweltgerechte Verwendung von abgereichertem Uran dar und hat weitere nützliche Vorteile.» Die Firma sucht nach neuen Verwendungen: «Die Starmet Corporation ist interessiert an der Entwicklung von Anwendungen für DucreteTM-Zement und wird gerne neue Anwendungen oder eine Unterlizenzierung ihrer Technologie in Betracht ziehen.» Verteilt in Produkte für Verbraucher und Industrie werden GEC-Schwermetallrohstoff, Ducrete und dergleichen Uran und Zerfallsprodukte aus angereichertem Uran in der Umwelt verbreiten (http://groups.yahoo.com/group/du-watch/message/1075, */1076 und *1077). Die Industrie favorisiert eine «Lösung für die Umweltverschmutzung durch Verdünnen» (solution for pollution through dilution): Abfälle ins Meer werfen, Emissionen in die Atmosphäre und Verschmutzung von Seen, Flüssen und Grundwasser. Dem Militär gefällt das auch. Es gibt Berichte, wonach Zehntausende von Tonnen von Uranmunition in Entsorgungsanlagen des US-Militärs durch Verbrennen zerstört werden. Das Sierra Army Depot im Norden von Kalifornien hat zehnmal mehr DU-Munition verbrannt als in allen DU-Kriegen zusammen eingesetzt wurde (The Chugoku Shimbun, 19. Mai 2000). Dienst an der Menschheit Offizielle «Untersuchungen» unterdrücken Beweise für durch Uran verursachte Krankheiten und Todesfälle. Für «Studien» der Militärbehörden werden Forschungsinstitute, Universitäten und internationale Gesundheits- und Sicherheitsorganisationen herangezogen: UNEP, ICRP, World Health Organization (WHO), International Atomic Energy Authority (IAEA) und andere. Nach dem Prinzip der Vorsicht der Umwelt- und Gesundheitswissenschaften sollten ungewisse aber potentiell gefährliche Effekte verhindert werden. Selbst wenn es «keine Beweise» für eine Verbindung zwischen DU und Krankheit und Tod gäbe, wäre es allein wegen der Beschwerden der Golf-Kriegsveteranen und der wissenschaftlichen Ungewissheit notwendig, dass die Entscheidungsträger den Einsatz von jeglichen Uranwaffen schon aus Gründen der Vorsorge beenden würden. Die wissenschaftliche Einschätzung der Wirkungen von Uranmetallen folgt einer standardisierten Risikoanalysen-Kette. «Wissenschafter» des Militärs und seiner Auftragnehmer manipulieren jedes einzelne Glied dieser Kette. Auf Kritik antwortet diese Pseudowissenschaft mit «Es gibt keine Beweise». Es gibt ausreichende Beweise, aber selbst wenn nicht, dann müsste das Vorsichtsprinzip gelten. Bein und Parker (2003) präsentieren zahlreiche schwerwiegende Fehler in offiziellen Berichten und weitere Beispiele von Manipulation in der Wissenschaft. Kluge Wissenschafter begehen keine Fehler und Unterlassungen in bezug auf bekannte Tatsachen. Täuschungen mit «epidemiologischen Studien» sind zahlreich, um so mehr als Epidemiologie wie Statistik manipuliert werden kann, um zu beweisen, was man will. Die Verharmloser der Auswirkungen von Uran vergleichen irrtümlich geschätzte Häufigkeiten von Krebs bei Veteranen mit Statistiken bezüglich der allgemeinen Bevölkerung. Letztere ist eine nicht vergleichbare Gruppe. Ausserdem sind die offiziellen epidemiologischen Statistiken nach unten verfälscht, weil «Hintergrund»-Verstrahlung die allmähliche Akkumulation von weltweiter radioaktiver Umweltverschmutzung einschliesst. Die WHO vergleicht voreilig DU-ähnliche Krankheitsfälle in Kosovo vor und nach den Bombardierungen durch die Nato. Die Statistiken sind aber nicht vergleichbar, weil sie auf einer unterschiedlichen Bevölkerungszusammensetzung beruhen: 300’000 oder 400’000 Gegner des albanischen Extremismus haben das Kosovo verlassen, an ihrer Stelle sind jedoch noch mehr Zuwanderer aus Albanien in das Land gekommen. Vor 1999 haben die Albaner das Gesundheitssystem des jugoslawischen Staates boykottiert, daher sind die von der WHO angeführten Statistiken bestenfalls fragmentarisch. Dossier Uranwaffen 175 Zeit-Fragen 2006 Die US-Regierung hat zugegeben, dass es trotz 50 Jahren Produktion von Uranbrennstoffen keine ernsthaften epidemiologischen Studien gibt. Frühere Studien haben sich auf den Krebstod als biologisches Endstadium konzentriert und chronische Erkrankungen, missgebildete Kinder und andere medizinische Probleme ignoriert. Der Einfluss einer im Körperinnern eingelagerten Strahlungsquelle wurde in den Atombombenstudien zu keiner Zeit berücksichtigt, daher sagen diese über die biochemischen Wirkungspfade eines Partikels im Körper nichts aus. Trotzdem verlässt sich der analytische Apparat der ICRP einzig auf diese falschen Daten. «Wissenschafter» wenden die ICRP-Schätzungen bezüglich Uranstaub von Abläufen in der Nuklearindustrie an und nicht diejenigen bezüglich Aerosolen (einschliesslich Keramik), die von Uranwaffen erzeugt werden. Analogien von Uranpartikeln aus militärischer Anwendung zu Situationen in der Kernindustrie, die in die offiziellen Daten Eingang gefunden haben, sind zudem wegen der Vertuschungsmanöver der Industrie unzutreffend. Auch ist die Inhalation von Uranstaub bei der Verarbeitung von Uran nicht biochemisch äquivalent zur Inhalation von keramischen Uranpartikeln. Militär«wissenschaft» hebt anstelle des Urans im Hinblick auf das Golf-Kriegs- und Balkan-Syndrom die «anderen Faktoren» hervor. Nach dem Golf-Krieg, in dem tatsächlich ein regelrechter Cocktail von Giften angewendet und freigesetzt wurde – von irakischen chemischen und biologischen Kampfstoffen bis hin zur DU-Munition – wurde der «andere Faktor» für die Vertuschungsmanöver instrumentalisiert. Er wird wahrscheinlich auch für die anderen Kriegsgebiete zum Einsatz kommen, sobald die Krebsfälle wegen dem Einsatz von DU einen höheren Tribut fordern. Impfungen der Soldaten können aber nicht die Ursache für die Syndrome bei der ansässigen Bevölkerung sein, auch gab es auf dem Balkan weder Rauch von brennenden Ölquellen, noch hat «Milosevic» chemische Waffen gegen sein eigenes Volk eingesetzt. Verharmloser des Golf-Kriegs-Syndroms haben die beiden letzteren Faktoren angeführt, obwohl dazu keine unabhängige epidemiologische Studie durchgeführt wurde. Anfangs wurden zahlreiche Fälle «rätselhafter Lungenentzündung» mit Rauchen abgetan und nicht auf die Impfungen zurückgeführt. Frühe Symptome nach Kontakt mit Uran beinhalten eine Krankheit ähnlich der Lungenentzündung. Im Oktober 2002 hat Denise Nichols, die Vizepräsidentin der US Gulf War Veterans, die US-Administration und den Kongress für einen «Mangel an Verantwortung» und dafür kritisiert, dass sie es unterlassen haben, «gezogene Lehren» anzuwenden, um die medizinische Versorgung der Veteranen zu verbessern. Nichols hat darauf hingewiesen, dass die Zivilbevölkerung ebenfalls unvorbereitet ist, weil das Militär die Erfahrungen ignoriert: «Ärzte und Forscher, die die Wirklichkeit der Golf-Kriegs-Krankheit gesehen haben, haben verzweifelt versucht zu helfen, sind aber ignoriert und auf der beruflichen Ebene angegriffen worden.» Nichols hat auch auf die dokumentierte Praxis des Pentagon verwiesen, die Akten von Veteranen zu manipulieren, um die wahren Auswirkungen des Golf-Krieges zu vertuschen, und sie hat den Vorwurf erhoben, dass die Kontrolle der Regierung über die Forschungsmittel die Verbreitung von Wissen verhindert. Zur selben Zeit bildet das Pentagon weder seine Ärzte im Hinblick auf die Golf-KriegsKrankheit aus, noch beteiligt es sich an wirklicher Forschung, noch stellt es den kranken Veteranen wirkliche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. • *Vortrag für die World Uranium Weapons Confer ence vom 16. bis zum 19.10.2003 in Hamburg Dossier Uranwaffen 176 Zeit-Fragen 2006 Muss man wirklich schon von krimineller Energie sprechen? Die deutsche Politik und die Uran-Geschosse von Karl Müller, Deutschland Vor nun fast 6 Jahren, im Dezember 2000 und im Januar 2001, war die europäische, auch die deutsche Öffentlichkeit durch eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Blutkrebserkrankungen bei jungen Soldaten, die in Kosovo eingesetzt worden waren, alarmiert. Aus Spanien, Portugal, Italien, Griechenland, Frankreich, Belgien, Tschechien und auch aus Deutschland waren mehrere Todesfälle und schwere Erkrankungen gemeldet worden. Diese Erkrankungen und Todesfälle wurden mit den von der US-Luftwaffe eingesetzten Uran-Geschossen in Verbindung gebracht, und eine Vielzahl von Berichten und Analysen erschien auch in Deutschland, die diesen Verdacht breit und gründlich untermauerten. Die deutsche Regierung geriet unter enormen öffentlichen und parlamentarischen Druck – und spielte ein finsteres Doppelspiel. Bundeskanzler Gerhard Schröder, Aussenminister Joseph Fischer und Verteidigungsminister Rudolf Scharping taten so, als stellten sie sich an die Spitze der kritischen Bewegung und forderten «rückhaltlose Aufklärung», zugleich wiegelten sie mit allen Mitteln ab. Rudolf Scharping: «Gesund heitliche Risiken sehr gering» Scharping forderte, dass Uran-Geschosse nicht mehr verwendet werden sollten, fügte dann allerdings hinzu: «Nicht wegen der gesundheitlichen Risiken, die entstehen mögen und die wir für sehr gering halten, sondern um zu vermeiden, dass die politische Legitimität eines Bündnisses und seines gemeinsamen Eintretens für Freiheit und Sicherheit dadurch untergraben wird, dass man solche Debatten entzündet, die einen geringen sachlichen Kern haben, aber eine hohe emotionale Wirkung.» Die Forderung nach einer Untersuchung durch die EU wiegelte Fischer beim Aussenministertreffen der EU im Januar ab und machte den Bock zum Gärtner: Nicht die EU, sondern die Nato selbst sollte die Gefährlichkeit der von ihr eingesetzten Uran-Geschosse untersuchen. Scharping forderte, dass Uran-Geschosse nicht mehr verwendet werden sollten, fügte dann allerdings hinzu: «Nicht wegen der gesundheitlichen Risiken, die entstehen mögen und die wir für sehr gering halten, sondern um zu vermeiden, dass die politische Legitimität eines Bündnisses und seines gemeinsamen Eintretens für Freiheit und Sicherheit dadurch untergraben wird, dass man solche Debatten entzündet, die einen geringen sachlichen Kern haben, aber eine hohe emotionale Wirkung.» Und setzte sehr bald eine «Untersuchungskommission» ein, nicht unter Leitung eines Wissenschafters, sondern eines Journalisten: des damaligen Chefredakteurs der Wochenzeitung Die Zeit, Theo Sommer. Der hatte mehr als zehn Jahre zuvor, kurz vor dem Zusammenbruch der DDR, das untergehende Land bereist, nichts von der Realität mitbekommen, dafür aber eine Lobeshymne auf Honnecker & Co. angestimmt – eine reine Auftragsarbeit. Die Zeit selbst: ein SPD-regierungsnahes Blatt mit interessanterweise starkem neokonservativem Einschlag. Im Sommer 2001, rechtzeitig vor Beginn des Afghanistan-Krieges (die Pläne lagen schon in der Schublade, auch die für den erneuten massenhaften Einsatz von Uran-Geschossen) legte die «Sommer-Kommission» ihren Bericht vor. Heraus kam, was man erwarten durfte: Urangeschosse seien völlig ungefährlich. Kritik am Bericht wurde schon damals geäussert. «Nebelkerzen im Doppelpack?» fragten Ende Juni 2001 Susanne Härpfer und Otfried Nassauer in einem Beitrag für das Berliner Dossier Uranwaffen 177 Zeit-Fragen 2006 Informationszentrum für Trans atlantische Studien (BITS). Die «Sommer-Studie» war zum Beispiel gar nicht der Frage nach den Auswirkungen der beim Aufprall von Urangeschossen entstehenden Aerosolwolke (die insbesondere die hochgefährlichen Uranoxidteilchen enthält) nachgegangen. Nichtsdestoweniger wurde das Thema mit dem Bericht der «Sommer-Kommission» in der veröffentlichten Meinung in die Schubladen verbannt und totgeschwiegen. Und das bis heute. Und das, obwohl die Bilder und Berichte über die Opfer der Urangeschosse immer wieder um die Welt gegangen sind. Indes: Jetzt wenden sich wieder besorgte Bürgerinnen und Bürger an die Regierung und an die Politiker und bekommen erstaunliche Antworten. Die Bundeswehr antwortete am 26. September auf eine Anfrage hin (siehe Dokument): «Die Gefahren, die von der sogenannten DU-Munition ausgehen, sind uns bekannt. Die Bundeswehr selbst ist nicht im Besitz solcher Munition. Dennoch ist in einigen Einsatzgebieten der Bundeswehr diese Munition eingesetzt worden. Daher werden die Soldaten, die in den Auslandeinsatz entsendet werden, über die Gefahren, die von der Munition ausgehen, aufgeklärt. So dürfen unbekannte Gebiete, die nicht vorher durch entsprechendes Fachpersonal geprüft worden sind, nicht betreten werden. Abgeschossene Fahrzeuge und anderweitig ‹herumliegendes› Kriegsmaterial darf unter keinen Umständen berührt und aufgenommen werden.» Vielleicht stimmt das. 1999 allerdings, während und nach dem Kosovo-Krieg, beklagten sich zahlreiche Soldaten, nicht aufgeklärt worden zu sein, obwohl die Spitze des Verteidigungsministeriums damals schon ähnlich Stellung nahm. Vor allem aber: Was ist mit den Menschen, die dauernd in den Kriegsgebieten leben müssen? Mit den Kindern? Wer warnt die? Und wie soll jemand gewarnt werden, den tödlichen Uranstaub nicht einzuatmen? Der grüne Kriegsbetreiber Joseph Fischer: «Keine Gefährdung für Mensch und Umwelt» Monitor: «Die Gefährlichkeit der Uranmunition ist umfassend dokumentiert. Nur der grüne deutsche Aussenminister Joschka Fischer will dies offenbar nicht wahrhaben. Auf Anfrage schrieb er noch vor zwei Wochen: ‹Dem Auswärtigen Amt ist bekannt, dass solche Munition im Kosovo-Konflikt zum Einsatz kommen kann […] Es ist jedoch davon auszugehen, dass Gefährdungen der von Ihnen beschriebenen Art für Mensch und Umwelt nicht auftreten›.» Quelle: Monitor Nr. 449 vom 22.4.1999 Seit wann weiss die Bundeswehr über «die Gefahren, die von der sogenannten DU-Munition ausgehen»? Hat sie darüber vor den Kriegen gegen Afghanistan (2001), gegen den Irak (2003) und Libanon (2006) gewusst? Warum hat sie nicht laut gegen diese Kriege protestiert und den Einsatz von Urangeschossen als Kriegsverbrechen angeprangert? Welche Konsequenzen hat der SPD-Abgeordnete Niels Annen gezogen, der am 25. September besorgten Eltern schreiben liess: «Zwar gibt es Untersuchungen der Nato, die die Schädlichkeit von Munition mit abgereichertem Uran relativieren, andere Untersuchungen aber zeigen, dass eine Schädigung durch eingeatmeten Uranstaub besonders bei betroffenen Soldaten sehr wohl schwerwiegende Gesundheitsschäden hervorrufen kann. Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich daher für eine Ächtung von DU-Munition ein.» Warum bekommt man von diesem «Einsatz» der SPD bislang so wenig mit? Warum sollen «besonders» die Soldaten betroffen sein, und nicht auch die Menschen, die nun ständig mit dem Uranstaub leben – und sterben – müssen? Seit wann setzt sich die SPD-Fraktion für diese Ächtung ein? Und warum weiss die SPD-Fraktion nicht, dass der Einsatz von Urangeschossen schon jetzt gegen das Völkerrecht verstösst, deshalb verboten und Dossier Uranwaffen 178 Zeit-Fragen 2006 ein Kriegsverbrechen ist? Oder wird das alles nur wieder gesagt und geschrieben, damit niemand «solche Debatten entzündet, die einen geringen sachlichen Kern haben, aber eine hohe emotionale Wirkung»? Also ein plumper und arroganter Beschwichtigungsversuch? Wenn man an die Opfer denkt, dann darf das nicht sein! • Urangeschosse, das Trojanische Pferd des Nuklearkrieges Ein Brief an das deutsche Verteidigungsministerium Sehr geehrte Herren Obwohl von den meisten Medien schamhaft verschwiegen, liess es sich nicht vermeiden, dass immer mehr Einzelheiten über die Folgen des Einsatzes von abgereicherter Uranmunition (depleted Uranium) durch die kriegsführenden Mächte in Jugoslawien sowie in Afghanistan und im Irak bekannt wurden. Über die Folgen für die in diesen Ländern betroffene Zivilbevölkerung gibt es inzwischen erschreckende Erkenntnisse, von denen nicht zuletzt auch manche Kriegsveteranen dieser Kriegsschauplätze nicht verschont bleiben. Durch gezielte Urinuntersuchungen von besonders in der Nähe von Explosionen dieser Geschosse Überlebenden wurden extrem hohe Uranwerte im Körper festgestellt, was wiederum die Ursache für Krebserkrankungen und darüber hinaus stark angestiegene Missbildungen bei Neugeborenen war. Die Photos der letztgenannten sind erschütternd! Da die Halbwertszeit des verwendeten Uran 238 angeblich bei 4,5 Milliarden Jahren liegt und da der extrem feine Uranstaub bei der Explosion dieser panzerbrechenden Munition unkontrolliert durch den Wind über riesige Flächen verteilt wird, kann man den Einsatz solcher Waffen nur als eines der schlimmsten Verbrechen an der Menschheit bezeichnen! Bezeichnend hierfür ist die Aussage einer international anerkannten Expertin in den USA, die nach ausgiebigen Untersuchungen von US-Kriegsveteranen zu der Erkenntnis kam, dass abgereichertes Uran das Trojanische Pferd des Nuklearkrieges ist. «Es strahlt immer weiter, und es tötet immer weiter. Es gibt keine Möglichkeit, es zu entsorgen, und keine Möglichkeit, die Strahlung zu stoppen, denn es fährt damit fort, in über zwanzig Schritten in andere radio aktive Isotope zu zerfallen.» Gemäss Untersuchungen von US-Soldaten, die vor dem Kriegseinsatz normale Babys hatten, kamen 67%(!) der Babys, die nach dem Kriegseinsatz geboren wurden, mit schweren Geburtsfehlern, wie fehlenden Gehirnen, Augen, Organen, Beinen und Armen, oder mit Blutkrankheiten auf die Welt. Hier nun meine Frage an Sie als Verantwortliche für unsere ausserhalb von Deutschland eingesetzten Soldaten: Was wird unternommen, um sie vor dem Risiko zu schützen, Opfer dieser unsichtbaren und schleichenden Gefahr zu werden? Ihrer Antwort hierzu sehe ich mit grossem Interesse entgegen. Mit freundlichen Grüssen Friedemann Büttner, Hamburg … und die Antwort des Ministeriums Sehr geehrter Herr Büttner Vielen Dank für Ihren Brief an das Verteidigungsministerium in Berlin. Sicher werden Sie verstehen, dass auf Grund der Vielzahl von täglich eingehenden Briefen nicht alle durch das Ministerium selbst beantwortet werden können. So wurde auch Ihr Brief an mich zur Beantwortung weitergegeben. Dossier Uranwaffen 179 Zeit-Fragen 2006 Die Gefahren, die von der sogenannten DU-Munition ausgehen, sind uns bekannt. Die Bundeswehr selbst ist nicht im Besitz solcher Munition. Dennoch ist in einigen Einsatzgebieten der Bundeswehr diese Munition eingesetzt worden. Daher werden die Soldaten, die in den Auslandeinsatz entsendet werden, über die Gefahren, die von der Munition ausgehen, aufgeklärt. So dürfen unbekannte Gebiete, die nicht vorher durch entsprechendes Fachpersonal geprüft worden sind, nicht betreten werden. Abgeschossene Fahrzeuge und anderweitig «herumliegendes» Kriegsmaterial darf unter keinen Umständen berührt oder aufgenommen werden. Hierfür wird eigens ausgebildetes Fachpersonal eingesetzt, welches die Rückstände der Kampfhandlungen fachgerecht und unter entsprechendem Schutz entsorgt. Diese und andere Sicherheitsstandards garantieren eine minimale Gefahr der deutschen Soldaten. Mit freundlichen Grüssen Im Auftrag Tobias Schubert Hauptmann und Presseoffizier Diplom-Kaufmann (univ.) Waffen aus der Atomfabrik von Siegesmund von Ilsemann, 22. Januar 2001 Beim Einsatz in Somalia schossen die Amerikaner mit jener giftigen Munition, die auch auf deutschem Boden getestet wurde – und warnten heftig vor dem Umgang damit. Das Wissen über das tödliche Waffengift steckte im Internet. Am 20. Januar 2000 hatte das US-Energieministerium in einer schriftlichen Antwort an Tara Thornton von der Umweltgruppe «Military Toxics Project» offenbart, man müsse «normalerweise davon ausgehen, dass abgereichertes Uran Spuren von Plutonium enthält». Die bisher gängige Erklärung, die von den US-Truppen verwendete Uran-Munition sei ungefährlich, setzte das Ministerium nebenbei ausser Kraft. «Die grössten gesundheitlichen Bedenken werden vom Uran und nicht von den Plutoniumspuren ausgelöst.» Noch deutlicher wird das Radiobiologische Forschungsinstitut der US-Streitkräfte: «Es gibt überzeugende Belege, die eine detaillierte Studie der Krebsgefahr durch DU erforderlich machen.» Die Dokumente stehen im Internet und hätten die Experten von Verteidigungsminister Rudolf Scharping in helle Aufregung versetzen müssen. Doch die kannten sie nicht: Bis vor kurzem verfügte kaum jemand im Verteidigungsministerium über einen Internet-Anschluss. DU mit Plutonium vermischt Die Information aus dem Netz ist alarmierend. Beim Aufprall der Geschosse auf das Ziel wird nicht nur giftiges, schwach strahlendes Uranoxid freigesetzt. Es ist nach der neuen Erkenntnis auch durchmischt von Plutoniumpartikeln, die fast schon den sicheren Tod bedeuten, wenn sie durch die Lunge oder offene Wunden in den menschlichen Körper gelangen. Die extrem giftige Verunreinigung ist dadurch entstanden, dass die Amerikaner offenbar Dossier Uranwaffen 180 Zeit-Fragen 2006 abgereichertes Uran (DU) für ihre Waffen auch aus der Wiederaufarbeitung von Reaktorbrennstoff abgezweigt haben, das mit Plutonium verunreinigt ist. 57’000mal stärker strahlend als DU, richtet es im Körper Verwüstung an. Für wie gefährlich die US-Militärs ihre Uran waffe selbst hielten, offenbarten Warnungen für den Umgang mit Opfern der Munition. Der Rüstungskritiker Otfried Nassauer entdeckte in der umfangreichen Aktensammlung und den elektronischen Dateien seines Berliner Informationszentrums für transatlantische Sicherheit (Bits) jetzt nämlich Hinweise auf einen bislang unbekannten Einsatz von Uran-Munition – 1993 im ostafrikanischen Somalia. In einem Fernschreiben an die US-Truppen in Mogadischu warnte im Oktober 1993 das Hauptquartier in Washington: Sanitäter könnten auf Soldaten treffen, «die in ungewöhnlich grossem Umfang abgereichertem Uran ausgesetzt gewesen sind». Verwendet wurde das Giftzeug – sonst macht die Dienstanweisung keinen Sinn. Darin versichert die militärische Führung, der «normale Umgang» mit DU-Munition verursache «keinerlei medizinische Probleme». Die seien auch nicht von «ungewöhnlichem Kontakt» zu erwarten. Die Verhaltensanweisungen entlarven das als pure Verharmlosung: Einer Sonderbehandlung sollten alle Soldaten unterzogen werden, die «DU-Staub eingeatmet haben, deren Wunden von DU-Staub oder -Bruchstücken verunreinigt wurden», die sich «im Rauch aufgehalten haben» von brennenden Fahrzeugen und Depots, in denen DU-Munition lag, oder die «in einer Umgebung gearbeitet haben, in der sich DU-Staub oder Rückstände eines DU-Brandes befanden», sowie alle, die ein «Gebäude oder Fahrzeug betreten haben, das von DU-Geschossen getroffen wurde». Uranproben als «biologische Gefahr» Für diese Soldaten werden umfangreiche Tests und Urinproben angeordnet. Geradezu irrwitzig muten die Verpackungsvorschriften an für den Urin von Soldaten, denen doch angeblich durch DU keinerlei Gefahr droht: Jede Probe müsse in einem «absolut dichten Ein-Liter-Behälter versiegelt» und zusätzlich in einem zweiten, «ebenfalls wasserdichten Gefäss» verwahrt werden, das «genügend saugfähiges Material enthält, um die gesamte Probe aufnehmen zu können, sollte sie doch auslaufen». Die Sendung müsse zudem in einem «widerstandsfähigen Karton» verpackt und rundum mit Warnschildern beklebt sein, die auf «biologische Gefahr» (biohazard) hinweisen. Während Washington seine eigenen Soldaten vor Gesundheitsrisiken warnte, erfuhren weder die Uno noch die im Auftrag der Weltorganisation dort Friedensdienst schiebenden Truppen, geschweige denn die einheimische Bevölkerung, von der Gefahr. Der damalige Somalia-Wächter und spätere Kommandeur der deutschen Kosovo-Truppen, General a. D. Helmut Harff, versicherte, ihm sei damals «nichts gesagt worden, weder von den Amerikanern noch aus der Heimat». Auch vor und während des Einmarsches in Kosovo sei Uran «nie Kommandeursache» gewesen. Das belegt die fragwürdige Plazierung eines Hinweises vom 14. Juni 1999, den Scharping jetzt stolz als Beweis dafür anführt, dass die Truppe stets «in vollem Umfang» informiert gewesen sei. Auf Seite 3 einer 17seitigen Tagesweisung finden sich ganze sechs Zeilen über «mögliche Gefährdung» durch DU-Munition – eingeklemmt zwischen Absätzen über die Herabstufung von Tagesberichten und defekte Kaffeemaschinen. Scharping schimpfte indes auf die Informationspolitik der USA und bat den US-Gesandten zum Gespräch. Der gab sich zwar hilfsbereit, aber, resümierte ein Ministergehilfe: «Im Ernstfall ist den Amerikanern das schnurz.» Sie meinten, die Hysterie in Deutschland werde bald abebben. Während sich der Wehrminister wegen Somalia weiter an der sperrigen Vormacht reiben kann, bringt ihn selbst womöglich etwas anderes in arge Bedrängnis. Die vertrauliche Ministerialvorlage vom März Dossier Uranwaffen 181 Zeit-Fragen 2006 2000, aus welcher Der Spiegel vergangene Woche über insgesamt 149 Vorgänge berichtete, die von 1989 bis Anfang 2000 im deutschen Verteidigungsministerium in Sachen DU angefallen sind, zeigt auf dem Deckblatt zwei handschriftliche Notizen: Eine der beiden, an «Herrn Staatssekretär Dr. Wichert», heischt nach Anerkennung: «Dieser Auftrag war eine Herausforderung, die wir hoffentlich in der Kürze der Zeit angemessen angenommen haben.» «Luftwaffe verschiesst das Zeug ja auch.» Anlass für die Eile könnte eine von der PDS eingereichte parlamentarische Anfrage geboten haben. Vielleicht verlangte aber auch ein besonderes Vorkommnis schnelle Bearbeitung: Am 20. März 2000 hatte das Heeresführungskommando gemeldet, bei drei Soldaten seien erhöhte Blutwerte festgestellt worden, die «möglicherweise auch auf radioaktive Strahlung» zurückgeführt werden könnten. Brisanter noch scheint die Replik im Auftrag des Adressaten auf der Vorlage: «War aber nötig! Vielen Dank, die Luftwaffe verschiesst das Zeug ja auch!» Wusste der ranghöchste Beamte des Ministeriums nicht, was die Truppe tut? Oder wusste er es vielleicht besser als sein Minister? Scharping hat noch in der vorigen Woche Parlament und Öffentlichkeit versichert, die Bundeswehr habe DUMunition nie besessen. Verschossen wurde das Giftzeug allerdings auch auf deutschem Boden. Ende der Woche räumte die Rüstungsfirma Rheinmetall ein, sie habe Anfang der siebziger Jahre DU-Munition im niedersächsischen Unterlüss erprobt. Ein Göttinger Professor berichtete dem Spiegel, Rheinmetall habe ihm «1972/73 angeboten, Testschüsse mit verschiedenen Projektilen zu beobachten, die von der Firma aus abgereichertem Uran angefertigt worden waren». Im oberbayerischen Schrobenhausen testete der Rüstungskonzern MBB sogar 17 Jahre lang bis 1996 DU-Munition. Immerhin bekam Scharping vom Hauptquartier der US-Truppen in Deutschland die Zusage, neun Vorfällen aus den Jahren 1981 bis 1990 nachzugehen, bei denen die heimtückische DU-Munition im Spiel gewesen sein könnte: Panzer mit DU-Granaten in Kasernen oder auf Übungsplätzen ausgebrannt, DU-Munition verschossen. Die Liste der «Zwischenfälle» war allerdings so neu nicht: Sie lag seit August 1996 im Verteidigungsministerium in Bonn. • Quelle: Der Spiegel 4/2001 vom 22.1.2001 Der Fall «Dan Fahey» zf. Piotr Bein zeigt am Beispiel mehrerer Fälle auf, wie die Bewegung der Uranwaffengegner durch geheimdienstliche Operationen verwirrt und zerstört werden soll. Wir drucken exemplarisch den Fall «Dan Fahey» ab. Fahey täuscht vor, «sich für seriöse Untersuchungen der Auswirkung von DU-Munition auf die Gesundheit und die Umwelt einzusetzen». In Wirklichkeit ist er ein Agent provocateur. Er ignoriert unabhängige wissenschaftliche Arbeiten über die Gesundheitsschäden von in Zellen eingelagerten radioaktiven Partikeln und lenkt die Aufmerksamkeit auf Nebengleise. Piotr Bein entlarvt Faheys Äusserungen als «irreführende Propaganda», «getarnt als Objektivität und Sorge um die Integrität des Anti-DU-Aktivismus». Dossier Uranwaffen 182 Zeit-Fragen 2006 Treue zum Militär und eine Ausrichtung auf Phrasen des Gruppendenkens, mit denen neue Kriege gerechtfertigt werden, können vielleicht Dan Faheys kürzliche Handlungsweisen erklären. Faheys Aufsatz von 2001 [www.du.publietwacz/papers/Fahey.htm] ist eine Analyse von Rechtsfragen, mit der Argumente zur Verfügung gestellt werden, um den Einsatz von DU-Munition vor internationalen Gerichten zu rechtfertigen. Er zeigt, dass sich der Autor von seinem Einsatz für die US-Veteranen, die am Golf-Kriegs-Syndrom leiden, verabschiedet hat – vergleiche dazu seinen bekannten Aufsatz mit dem Titel «Nicht hinschauen, nichts finden». Faheys Schrift vom März 2003 mit dem Titel «Science or Science Fiction», veröffentlicht auf der WISE website [www.antenna.nl/wise/uranium/pdf/dumyths.pdf], beschuldigt einige Wissenschafter, Forscher und Anti-DU-Aktivisten der Kollaboration mit «den Regierungen des Irak, des früheren Jugoslawien, Yassir Arafat und Sympathisanten der Taliban», ohne dafür den geringsten Beweis vorzulegen. Die Wortwahl kann während der Kriege der USA und Israels nicht zufällig sein. In solchen Zeiten machen sich Bürger schuldig, wenn sie mit dem Feind kooperieren. Faheys Sprache ist bedeutsam, weil er erst kürzlich sein Examen an einer Universität für Recht und Diplomatie gemacht hat. Viele Menschen in der Bewegung haben gegen eine Kritik an Faheys jüngsten Publikationen Stellung genommen. Um so mehr ist es gerechtfertigt, diese Kritik hier zu untermauern. Während Faheys dilettantische Behandlung der rechtlichen Aspekte in seinen Artikeln aus Prag und in der Zeitschrift «science» professionellen Zurückweisungen durch Juristen vorbehalten bleiben soll, werden hier zwei Punkte analysiert, um Beschwerden einiger Lager innerhalb der Bewegung gegen Dan Fahey zu unterstützen: – Kritik des Aufsatzes «Science or Science Fiction?» [P. Bein an du-watch, 30. Mai und 2. Juni 2003]. – Zurückweisung von Faheys Meldung an du-watch von verschiedenen Menschen am 20. September 2003. Science or Science Fiction? Der Artikel stellt irreführende Propaganda dar, getarnt als Objektivität und Sorge um die Integrität des Anti-DU-Aktivismus. Fahey (wenn er den Artikel überhaupt geschrieben hat) mischt weisse, graue und schwarze Propaganda, um das Ziel seiner Hintermänner zu erreichen. Der Artikel weist folgende PsyOp-Elemente auf: – Bezeichne besorgte Parteien als «spekulativ» und «alarmistisch», solange sie von der Natur der Sache her in einem Datenvakuum arbeiten. Wie üblich, wenn man es mit unvollständigen Daten zu tun hat, listet Dai Williams, den Fahey kritisiert, ehrlich verschiedene mögliche Szenarien auf: vom minimalen Einsatz von DU-Munition bis zu plausiblen Tonnagen von Uran, gestützt auf vernünftige Schätzungen aus öffentlich zugänglichen Quellen. – Betone Fakten, die nicht mehr zu leugnen sind, um ernsthaft zu erscheinen: Die US-Armee hat an einigen Schauplätzen «versehentlicher» Bombenabwürfe in Gebieten in Übersee «aufgeräumt», DU ist radioaktiv, Opfer mit Granatsplittern im Körper bekommen ausweislich von Nachfolgestudien doch Krebs, die Gesundheitsforschung muss aufpoliert werden. – Unter dem Deckmantel der Objektivität bestehe auf «Erhärtung» durch unabhängige Forschung, während du gleichzeitig die verbleibenden unabhängigen Gruppierungen zerstörst und knebelst. Fahey macht sich Sorgen darüber, dass wir das Pentagon mit unseren «Spekulationen» und unserer «Apokalypse» verschrecken könnten. Warum sollte das Militär einer globalen Supermacht überhaupt beachten, was Amateure ohne Geld und Ressourcen sagen oder tun? Weil wir die öffentliche Meinung beeinflussen können. Das Pentagon will uns im Hinblick auf die Probleme, die es zu verbergen versucht, diskreditieren. Diese Probleme listet Fahey in seinem Inhaltsverzeichnis auf, vermischt mit ein paar unabweisbaren Tatsachen, die gegen Uranwaffen sprechen. Dossier Uranwaffen 183 Zeit-Fragen 2006 Von Faheys zehn «Fällen von Mythen» betreffen nur drei offensichtliche Täuschungen seitens des nuklearen Militär-Regierungskomplexes (weisse Propaganda), als ob die AntiUran-Bewegung die grössere Zahl der «Mythen» produzieren würde. Aber auch in den Fällen, die gegen den nuklearen Militär-Regierungskomplex gerichtet sind, decken seine Argumente nicht die zentralen Aspekte ab. Zum Beispiel kommt in seiner Abhandlung über die Ineffektivität der DU-Munition im Hinblick auf den Schutz des Lebens der US-Soldaten kein einziger vor, der nach den Kämpfen auf tragische Weise umgekommen ist. Mit Hilfe von Halbwahrheiten und Ungenauigkeiten richten sich seine übrigen sieben Fälle gegen Anti-DU-Kritikpunkte und decken sich inhaltlich mit den Punkten, in denen das Pentagon die grösste Angst vor Entlarvung hat. Es geht um folgende Punkte: – Massiver Einsatz von neuen Uranwaffen (deshalb greift Fahey Dai Williams an), – Weitergabe von Militärtechnologie an einen Schurkenstaat, Israel (Faheys Kritik an Yassir Arafat, am International Action Centre, an Dr. Doug Rokke, an Williams und an Bein und Zori), – zivile Opfer und Genozid (Abgriffe gegen Regierungen von Irak und Jugoslawien, Diffamierung von Williams, Bein, Lauren Moret als Sympathisanten der Taliban), und – neue Uranlegierungen, um die Entdeckung nach den Kriegshandlungen zu erschweren (UMRC). Wenn man es mit umstrittenen Fakten zu tun hat, stellt ein objektiver Bericht die verschiedenen Interpretationen unparteiisch vor, deckt das ganze Spektrum möglicher «Wahrheiten» ab und zieht in fairer Weise Schlüsse aus verlässlichen Quellen. Faheys Artikel hingegen ist einseitig und unausgewogen. Das Pentagon besetzt die eine Seite des Spektrums der «Wahrheiten». Fahey plaziert «einige Anti-DU-Aktivisten, die Regierungen des Irak und des ehemaligen Jugoslawien, Yassir Arafat und die Sympathisanten der Taliban» an das andere Ende des Spektrums. Diese hätten angeblich «gemeinsam und unabhängig voneinander daran gearbeitet, eine apokalyptische Vision der Auswirkungen von DU zu verbreiten», die gegenwärtig «eine unangemessen grosse Aufmerksamkeit in den Medien» bekomme. Aus Mangel an Beweisen dafür, dass es sich beispielsweise bei UMCR um Sympathisanten der Taliban handelt, schliesse ich, dass Fahey UMCR bei den «Anti-DU-Aktivisten» einordnet. Als Wissenschafter sind die Forscher der UMCR aber weder pro noch anti Uran, wenn sie sich wissenschaftlich betätigen. Sie sind so gut Aktivisten, wie das Pentagon aus Pazifisten besteht. Ähnliches gilt für Dr. Doug Rokke, ehemaligen Gesundheitsspezialisten der Armee für NBC-E-Exposition und Experte für militärische Planung, Instruktion und Beurteilung von DU während des ersten Golf-Krieges. Faheys Kennzeichnung spiegelt Verzerrung wider und lässt auf den vorsätzlichen Versuch schliessen, den Ruf dieser Personen zu schädigen (politische Verwicklung von Wissenschaftern) und sie einzuschüchtern (Verletzung von Kriegsrecht in Kriegszeiten). Fahey verurteilt auch die Aufmerksamkeit der Medien für das «Anti-DU»-Lager. Die Anzahl der Medienberichte «unangemessen» zu nennen, ist subjektiv. Wie hat Fahey festgestellt, dass die «aufgestellten» Behauptungen «apokalyptisch», «absurd», «Propaganda» oder sonst etwas sind? «Unangemessen» ist auch aus dem Grund unausgewogen, weil er weder die Aufmerksamkeit beurteilt, die die Medien der Gegenposition widmen, noch deren Mangel an Aufmerksamkeit für Schlüsselfragen, die der Vertuschung unterliegen. Nicht näher erklärte «zahlreiche wissenschaftliche Studien und Berichte über DU» siedeln sich zwischen den beiden «Extremen» im Spektrum der Meinungen an. Fahey fasst sie in drei Punkte zusammen, von denen zwei den militärischen Standpunkt widerspiegeln: 1. «Gesundheitsprobleme bei Versuchsratten in Labors», 2. «Belege für durch DU verursachte Gesundheitsschäden bei Menschen sind nicht beweiskräftig». Ein dritter Punkt wiederholt, was bereits vor dem ersten Golf-Krieg bekannt war. Man fragt sich, was die informatorische Grundlage für den Artikel ist. Die Notwendigkeit «eines konstruktiven Dialogs und sensibler wissenschaftlicher Studien» Dossier Uranwaffen 184 Zeit-Fragen 2006 war das Motiv für den Artikel. Er beabsichtigt, «die öffentliche Debatte über DU zu informieren», um «sich für seriöse Untersuchungen der Auswirkung von DU-Munition auf die Gesundheit und die Umwelt einzusetzen». Wenn der Autor sich wirklich für das Wohlergehen der Opfer einsetzen will, dann sollte er eine bedeutsame Reihe tatsächlicher «Mythen» zur Diskussion stellen, zum Beispiel: – Offizielle Untersuchungen von Veteranen und heimkehrenden Soldaten sind in der Lage, die Kontamination von Menschen mit DU und anderen militärischen Uranrezepturen festzustellen», – «Resultate von Tests, die von UNEP, WHO und der Royal Society durchgeführt wurden, sind verlässlich und unparteiisch», – «Regierungen und Militärbehörden delegieren die Verifizierung von Auswirkungen von Uranwaffen auf die Gesundheit an unabhängige Einrichtungen», – «Unabhängige Einrichtungen arbeiten in einem Umfeld mit ausreichenden Ressourcen, professioneller Integrität und der Freiheit, Ansichten auszusprechen, die sich von der offiziellen Version unterscheiden». Fahey hat das Thema verfehlt. Ein verdächtiger «Mythos» ist der, dass es nur wenig Forschung über DU gebe. Tatsächlich gibt es ausreichend Forschungen zu den biologischen und medizinischen Auswirkungen von U-238, dem Hauptbestandteil von DU. Statt dessen beschäftigt sich Fahey mit trivialen Fragen. Die rätselhafteste ist, «wann wurde DU zum erstenmal eingesetzt?». Oder wie nützlich ist eine erneute Schätzung, welche Tonnage von DU im Irak eingesetzt wurde, wenn ein Vielfaches davon in den Entsorgungsanlagen des US-Militärs verbrannt worden ist? Warum soll es wichtig sein zu wissen, dass nur einer von sieben irakischen Panzern mit DU zerstört worden ist, wenn ein einziges Teilchen von DU ausreicht, um einem Menschen die Gesundheit zu zerstören, und dieses noch dazu von einer illegalen Waffe stammt? Der Artikel wählt seine Quelle selektiv. Der Autor bezieht sich auf die Zeitschrift Jane’s, wo er die Anzahl der DU-Waffen aufzählt. Aber wenn Williams sich auf Jane’s bezieht, ist das kein «Beweis». Was aber noch wichtiger ist, Fahey ignoriert unabhängige wissenschaftliche Arbeiten über die Gesundheitsschäden von internalisierten radioaktiven Partikeln. Diese Unterlassungen könnten die Wahrnehmung einiger Leser im Hinblick auf MeilensteinQuellen, wie etwa den ECRR-2003-Report negativ beeinflussen. Die entscheidenden Quellen sind im Anhang zu dem Artikel auch nicht angegeben. Fahey stellt die Schlüsse der «respektablen» UNEP, WHO und Royal Society den Meinungen von Anti-DU-Gruppen gegenüber. Dann sollen also per Definition die Arbeit und die Ergebnisse von ECRR nicht respektabel sein und ignoriert werden? Beunruhigend ist auch der Wert, den Fahey auf Presseartikel und Militärquellen legt. Ernstzunehmende Gerichte lassen Presseberichte nicht als Beweismittel für Behauptungen zu. Ich schliesse daraus, dass Fahey eine Voreingenommenheit für die Position des Pentagon an jedem Ende und in der Mitte der Spannbreite der Meinungen zeigt, die er auszuwerten sucht. Gerade weil die Bewegung seinen Aufsatz «Don’t Look, Don’t Find» bewundert, besteht Anlass zur Sorge, dass er seine Ausrichtung geändert hat. Der Austausch von EMails auf du-watch zeigt, dass dieser routinemässige Täuschungstrick ernsthaften Menschen in der Bewegung undenkbar erscheint. Dies bedroht unsere Geschlossenheit und Effektivität. (Übersetzung Zeit-Fragen) Dossier Uranwaffen 185 Zeit-Fragen 2006 «Wir alle, die ganze Menschheit ist Ihnen zu Dank verpflichtet …» Laudatio anlässlich der Preisverleihung der Solbach-Freise-Stiftung an Prof. Dr. S.-H. Günther zf. Am 30. September 2006 wurde Prof. Dr. Siegwart-Horst Günther in der Evangelischen Akademie Iserlohn im Rahmen der Veranstaltung «Zivilcourage in der Risikogesellschaft» der Preis der Solbach-Freise-Stiftung für Zivilcourage verliehen. Das Motto der Stiftung lautet «Demokratie wagen – Zivilcourage zeigen». Dieser Preis soll nicht nur Menschen ehren, die die «Bürgertugend» Zivilcourage zeigen und «eingreifen statt zuschauen», sondern soll auch die Mitbürger auffordern, die Preisträger zu unterstützen und selber Verantwortung zu übernehmen. Die Laudatio hielt Anne Solbach-Freise, die Gründerin der Stiftung. Lieber Herr Professor Günther Am Ende des letzten Weltkrieges waren Sie 20 Jahre und hatten mehr erlebt als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben: Krieg, Nazi-Zeit, Fronteinsatz, schwere Verwundung (dekoriert), Einweisung in verschiedene Gefängnisse ohne ersichtlichen Grund, zuletzt Befreiung aus dem KZ Buchenwald. Vorher in der Schule hatten Sie schon Prügel bezogen wegen Ihres Andersseins. Sie entschlossen sich zum Medizinstudium. Es sollte Ihnen Erfüllung bringen. Als gefragter Arzt und Wissenschafter lehrten Sie an Universitäten in der halben Welt. Sie waren erst 31 Jahre, als Sie dem Ruf nach Kairo folgten. 1991 erkannten Sie als erster die schrecklichen Auswirkungen der Uranmunition. Sie wurde tonnenweise von amerikanischem und englischem Militär im Golf-, Bosnien- und Kosovo-Krieg verschossen. Die radiochemotoxische Wirkung betrifft nicht nur das Militär, sondern genauso die Zivilbevölkerung. Die Folgen sind unübersehbar überall die gleichen: Leukämie und genetische Defekte, Missbildung bei Neugeborenen und Krebs bei Erwachsenen. Seit diesen Veröffentlichungen hat man Sie verfolgt. Durch Ihr Engagement haben Sie sich Feinde gemacht, vor allem auch in der Nato; geht es doch um Entschädigung der Kriegsveteranen. Noch 1999 leugnet die Nato die Gefährlichkeit von Depleted Uranium, kurz DU genannt. Spricht man Sie auf diese für Sie bedrohenden Situationen an (allein zwei Anschläge auf Ihr Leben), sagen Sie nur: «Schreiben Sie nicht alles auf, das glaubt ja doch keiner.» Und dennoch klären Sie weiter auf, weltweit werden Sie als Redner und Zeuge eingeladen. Sie schreiben, sprechen, dokumentieren, ächten dieses Kriegsverbrechen und mahnen. Als Mann der Tat lassen Sie 1992 ein Projektil in Berlin untersuchen. Nach der Bestätigung bekommen Sie einen Strafbefehl wegen Freisetzung ionisierender Strahlen. Was für eine Ironie! Sie werden bestraft für etwas, das es gar nicht geben soll; und Sie selbst werden durch den Umgang mit den toxischen Geschossen selbst Opfer der Strahlung. Aber da sind auch die hohen Ehrungen aus aller Welt für Ihre Arbeit und Ihren Mut. Stellvertretend seien hier nur die Auszeichnungen durch den damaligen Generalsekretär der Uno, Boutros Boutros-Ghali, und die von Ihnen besonders geschätzte Friedensmedaille der Universität Nagasaki genannt. Nur in Ihrem Heimatland nimmt man Ihre hohen Verdienste nicht zur Kenntnis. Da werden Sie als Querdenker und unbequemer Mahner auf gröbste Weise ins Gefängnis gesteckt und erst nach einem Hungerstreik befreit. Ich konnte selbst noch in den letzten Wochen feststellen, dass die lokale Presse Ihres Heimatortes nicht einmal Ihren Namen kannte. Neben den Veröffentlichungen und Anklagen leisten Sie selbst aktive Hilfe für die Kranken im Irak, die, doppelt gestraft durch das westliche Embargo, Medikamente, Prothesen und Dossier Uranwaffen 186 Zeit-Fragen 2006 Nahrung bekommen. Mit Freunden gründen Sie das «Gelbe Kreuz International» zur Hilfe vor allem für betroffene Kinder, die mit der überall herumliegenden Munition gespielt haben und kontaminiert sind. Mich selbst hat betroffen gemacht, wie hinter der ersten Front quer durch alle Nationen eine zweite besteht mit Spionage, Bespitzelung, Denunziationen und Schlimmerem. Unter anderem wollte auch der Bundesnachrichtendienst Sie für seine Zwecke gewinnen. «Zwischen den Grenzen» betiteln Sie Ihre Biographie. Tatsächlich scheinen Sie immer im Spannungsfeld gegensätzlicher Pole gelebt zu haben: Da ist der Nazi-Vater als Gauleiter und die polnisch-jüdische Mutter; die Unmenschlichkeit des Krieges und Ihre humanitäre Hilfe, die Nazis und die Amerikaner, die arabische Welt und Israel, Ihre ursprüngliche Heimat in Ostdeutschland und Ihre westdeutschen Erfahrungen, Ihre aufklärende Arbeit und die Verschleierungstaktik, Ihr grosser humanistischer Einsatz und das Bekämpft- und Verschwiegenwerden, und nicht zuletzt die weltweiten Ehrungen und gleichzeitig die Verfolgungen und Denunzierungen. Wie hält man das alles aus? Diese ganz starke Motivation ist wohl auch mit der «Ehrfurcht vor dem Leben» zu erklären – dem Lebensmotto Albert Schweitzers, bei dem Sie in den 60er Jahren eine Zeitlang gearbeitet haben. Dass Sie über all dem ein manchmal schwieriger Mensch wurden, ist wohl gut nachzuvollziehen. Und nun geraten Sie selbst in Not: Menschen mit hoher Verantwortung für Ihre Mitwelt vernachlässigen häufig Ihre eigenen Belange. So müssen Sie heute um Pässe, Krankenkasse und Rente kämpfen. Selbst Ihr Haus will man Ihnen nehmen. Glücklicher als alle Titel, Medaillen und Urkunden – sagen Sie von sich – macht Sie ein dankbarer Blick aus Kinderaugen oder ein freundlicher Händedruck eines Notleidenden. Besonders bewundernswert empfinde ich es, dass Sie ohne Hass, sondern mit Zuversicht und Verantwortung Ihre Stimme erheben. Nach Brecht: Die Schwachen kämpfen nicht, die Stärkeren Stunden oder gar Jahre, aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang. «Diese sind unentbehrlich.» So ein unentbehrlicher Mensch sind Sie, Herr Professor Günther. Wir alle, die ganze Menschheit ist Ihnen zu Dank verpflichtet für Ihren hohen, gewaltfreien Kampf, dieses Kriegsverbrechen beim Namen zu nennen und friedliche Auseinandersetzungen anzumahnen. Möge Ihre Botschaft viele Herzen und Hirne erreichen! Ich selbst freue mich dankbar, die Versäumnisse unseres gemeinsamen Vaterlandes für Ihre hohen Verdienste mit einem kleinen Beitrag heute wiedergutmachen zu dürfen. Herzlichen Glückwunsch! Anne Solbach-Freise Dossier Uranwaffen 187 Zeit-Fragen 2006 Friede oder Atomkrieg von Albert Schweitzer «Weil offenbar ist, ein wie furchtbares Übel ein Krieg in unserer Zeit wäre, darf nichts unversucht bleiben, ihn zu verhindern. Wir haben uns in den beiden letzten Kriegen grausiger Unmenschlichkeit schuldig gemacht und würden es in einem kommenden noch weiter tun. Dieses quälende gemeinsame Erlebnis muss uns dazu aufrütteln, alles zu wollen und zu schaffen, was eine Zeit heraufführt, in der Kriege nicht mehr sein werden. Es sind noch viele Menschen in der Welt, die es nicht begreifen, dass der Gebrauch der grausigen Atomwaffen, über die wir verfügen, es nicht erlaubt, einen mit ihnen geführten Krieg in Betracht zu ziehen. Sie leben dahin von einem Tag zum andern, ohne sich von der Gefahr, die dem Frieden droht, Rechenschaft zu geben. Es gibt auch noch Verherrlicher des Krieges. Sie denken immer noch an den durch die Begeisterung oder durch die Notwehr einigermassen idealisierten Krieg. Die Millionen von Menschenleben, die Kriegen geopfert würden, ziehen sie nicht in Betracht. Über Kriegsfriedhöfe mit Tausenden und Tausenden von Kreuzen sollten sie wandern, von der Frage begleitet und gequält, warum die, die hier miteinander begraben sind, eigentlich miteinander leiden und sterben mussten. Ein Patriotismus, der menschlich empfindet und weitsichtiger ist als der bisherige, muss aufkommen. Das Ziel, auf das von jetzt bis in alle Zukunft der Blick gerichtet bleiben muss, ist, dass die Entscheidung in völkerentzweienden Fragen nicht mehr Kriegen überlassen bleibt, sondern in friedlichen Auseinandersetzungen gefunden werden muss. Der Krieg ist etwas geworden, das nicht mehr in Betracht kommen kann. Vor unserer Zeit, als die Waffen noch begrenzte Wirkung hatten, konnte der Pazifismus als Utopie belächelt werden. In der heutigen aber, die über Waffen verfügt, die Millionen von Menschen in einer einzigen Schlacht vernichten können und eine tödliche Giftatmosphäre erzeugen, ist der Friede eine dringende Notwendigkeit geworden. Die Stimme von Menschen zu hören, die wahrhaftig mit dem Kommen des Friedens beschäftigt sind, ist eine Wohltat in unserer Zeit. Das Humanitätsideal in der Welt zu Ehren zu bringen, ist das, was not tut. Es ist dies eine geistige Politik, die mit allem politischen Planen und Handeln zusammengehen muss. Durch sie wird eine geistige Verbundenheit zwischen den Völkern geschaffen. Zurzeit haben wir die Wahl zwischen zwei Risiken. Das eine besteht in der Fortsetzung des unsinnigen Wettrüstens in Atomwaffen und der damit gegebenen Gefahr eines unvermeidlichen und baldigen Atomkrieges, das andere in dem Verzichten auf Atomwaffen und in dem Wollen und Hoffen, dass die Völker des Ostens und des Westens dazu kommen können, in Frieden nebeneinander zu leben. Das erste enthält keine Möglichkeit einer gedeihlichen Zukunft. Das zweite tut es. Wir müssen das zweite wagen. Die Theorie der Aufrechterhaltung des Friedens durch die gegenseitige Abschreckung stetig fortschreitender atomarer Aufrüstung kann bei der in der heutigen Zeit bestehenden Kriegsgefahr nicht mehr in Betracht kommen. Sie ist untauglich geworden. Ein Geist wahren Menschentums muss entstehen, wenn wir nicht an dem Geiste der Unmenschlichkeit, der heute in der Welt das Wort führt, zugrunde gehen wollen. Entscheidendes für die Sache der Erhaltung des Friedens muss bald in Angriff genommen und geleistet werden.» Entnommen aus: «Was heisst Ehrfurcht vor dem Leben? Begegnungen mit Albert Schweitzer.» Neues Leben Verlags GmbH, Berlin 2005. ISBN 3-355-01709 Dossier Uranwaffen 188 Zeit-Fragen 2006 Demokratie wagen, Zivilcourage zeigen Interview mit Frau Solbach-Freise, Gründerin der Stiftung Zeit-Fragen: Frau Solbach-Freise, seit wann gibt es Ihre Stiftung? Anne Solbach-Freise: Die Stiftung wurde erst 2000 gegründet. Vorher gab es ab 1995 fünf Ehrungen in unserem Wohnzimmer. Am Fenstersturz hing unser selbstgebasteltes Banner mit dem Motto: «Demokratie wagen, Zivilcourage zeigen». Die Preisverleihung sollte geheim bleiben. Es war zunächst ein zaghafter Anfang ohne Weiterplanung. Dann wurde ich überzeugt, dass Anliegen und Preisträger in die Öffentlichkeit gehörten. So gründete ich 2000 eine Stiftung, damit es auch ohne mich weitergehen kann. Was war der Anlass für die Gründung? Das wurde ich oft gefragt. Es kommt nicht von heute auf morgen, sondern wächst und reift. Ich habe wohl schon immer eine starke Zuwendung zu allem Lebendigen gehabt, eine ausgeprägte Empathie für Benachteiligte. Schon in der Schule machte ich mich durch Verteidigung von Mitschülern bei Lehrern und meinen Eltern unbeliebt. Zu diesem starken Gerechtigkeitssinn kommen auf jeden Fall meine Erfahrungen beim beruflichen Mobbing. (Während der Nato-Doppelbeschluss zeit lernte ich in der Friedensarbeit eine angehende Doktorandin kennen. Als sie merkte, dass ihre Berechnungen für die Dissertation auch in das US-SDI-Programm eingehen sollten, hat sie alles hingeworfen und Friedensarbeit gemacht. «Meine geliebte Mathematik!» Das war auch ein Schub in diese Richtung.) Was möchten Sie mit Ihrer Stiftung erreichen? Es ist die Solidarisierung mit den verfolgten Kandidaten, eine kleine Anerkennung zum Mutmachen und ein Signal an die Mitmenschen, es diesen couragierten Mitstreitern nachzutun: den aufrechten Gang zu üben, um ein bisschen mehr Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit in diese Welt zu bringen. Jeder von uns weiss ja aus eigener Erfahrung, wie schwer es schon im Alltag ist, Angst zu überwinden und Farbe zu bekennen. Wer wurde bisher von Ihnen geehrt? Geehrt wurden bisher 12 Menschen aus unterschiedlichen Lebensbereichen. Kandidaten, die den Mut hatten, da ein Nein zu sagen, wo alle ein Ja erwarteten. Sie haben alle Arten von Verfolgung auf sich genommen, von Abgrenzungen, Berufsverlust, Gefängnis bis zu Lebensbedrohung. Und dies, ohne zu weichen, über lange Strecken hinweg. 12 Preisträger, auf die ich stolz bin und die ein wenig Mitmenschlichkeit in unsere oft so gleichgültige Welt gebracht haben. • Dossier Uranwaffen 189 Zeit-Fragen 2006 Nr. 45, 8. November 2006, Seite 10 Mitschuld am Atomkrieg? Warum die Deutschen die Pflicht haben, Angela Merkel zu stoppen von Karl Müller, Deutschland Während die derzeitige deutsche Regierung Schwierigkeiten hat zu erklären, warum sie die «Sicherung des Existenzrechts Israels» zur deutschen «Staatsräson» erklärt hat, wo doch zugleich die Abgesandten des deutschen Staates in Form von Schiffen und Hubschraubern vom Militär des zu sichernden Staates bedroht und beschossen werden, hat in Israel Avigdor – die Russen, die ihn sehr gut kennen, nennen ihn ganz bewusst Adolf – Lieberman in der israelischen Regierung als Vizepremier und Minister Platz genommen, zuständig für «strategische Bedrohungsszenarien» (so die «Frankfurter Rundschau» am 31. Oktober) und «für die Frage, wie der Iran daran gehindert werden kann, Atommacht zu werden». Lieberman hat auf weitere Minister aus seiner Partei verzichtet, sein Amt aber mit ausserordentlichen Vollmachten ausstatten lassen. Als Adolf Hitler Reichskanzler wurde, «beschied» er sich mit «nur» zwei weiteren Ministern seiner Partei in einem ansonsten rechtskonservativen Kabinett. So glaubten damals zuerst fast alle, Hitler sei gut «eingerahmt». Was muss die Welt von Lieberman erwarten? Lieberman ist als Faschist bekannt. Er will die arabische Minderheit aus Israel ausbürgern, sein Ziel: «ein ethnisch gesäuberter jüdischer Staat». («Frankfurter Rundschau» vom 31. Oktober) Früher einmal warb er für die Bombardierung des ägyptischen Assuan-Staudamms – «weil man sich in Nahost nur mit der Sprache der Gewalt Gehör verschaffe». (ebenda) In den vergangenen Tagen hat sich schon das Vorgehen des israelischen Militärs in den besetzten Gebieten extrem brutalisiert. Dass Lieberman auch dafür ist, den Iran mit israelischen Atomwaffen anzugreifen, davon muss man ausgehen. Angela Merkel, die deutsche Kanzlerin, war die erste Person in diesem hohen deutschen Staatsamt, die vor dem American Jewish Committee zu dessen hundertjährigem Gründungstag am 4. Mai dieses Jahres in Washington reden durfte. Hier verkündete sie ihren Schulterschluss mit Israel und der israelischen Politik und attackierte zugleich den Iran. Frau Merkel, wie stehen Sie zu dieser neuen israelischen Regierung? Bei anderer Gelegenheit waren Sie ja schnell dabei, davon zu sprechen, man müsse den Anfängen wehren. Angela Merkel und ihr Schulterschluss mit der israelischen Politik Aber vielleicht will Angela Merkel dies im Falle Israels gar nicht. Vielleicht passt es in ihre Pläne, wenn ein wahnsinniger israelischer Politiker einen nächsten, diesmal grossen Krieg im Nahen Osten lostritt, der einen Flächenbrand bedeuten würde. Als ein Beitrag zum deutschen Grossmachtswahn im fremden Interesse? Alles nur Spekulation? Leider nicht. Die Internetseite von German-Foreign-Policy.Com (www.german-foreign-policy.com) veröffentlichte am 8. September ein Interview mit dem französischen Historiker Pierre Hillard über öffentlich zugängliche US-amerikanische Pläne aus Militärkreisen, auf dem asiatischen Kontinent von der Türkei bis nach Pakistan neue, rein ethnische Grenzen («Blutgrenzen» nennt sie der Autor einer der amerikanischen Militärzeitschriften) zu ziehen. Teilen und herrschen in dem Gebiet, das die grössten Energiereserven der Welt besitzt! Selbst die neuen Landkarten hierfür liegen schon vor. Hillard ging auf die Rolle Deutschlands und des führenden deutschen «Politikbera- Dossier Uranwaffen 190 Zeit-Fragen 2006 tungsinstituts», der Bertelsmann-Stiftung, bei diesen finsteren Plänen ein: «Die deutsche Politik spielt bei der Propagierung dieser Ideen eine grosse Rolle – nehmen Sie zum Beispiel die Bertelsmann-Stiftung, die im Rahmen der Kronberger Gespräche ganze Massnahmebündel ausarbeitet, um den Nahen Osten umzugestalten. Der davon ausgehende Einfluss ist bedeutend, und zwar unabhängig davon, welche Regierungsmannschaft in Berlin gerade an der Macht ist. Die Berichte der Stiftung aus den Jahren 2002 und 2003 sind sehr lesenswert: ‹Europe, the mediterranean and the Middle East, strengthening responsibility for stability and development› (Siebte Kronberger Gespräche) und ‹Die Zukunft der europäischen Politik im Nahen Osten nach dem Irak-Krieg› (Achte Kronberger Gespräche). In diesen Ausführungen ist zu erkennen, dass man eine vollständige Umgestaltung der politischen, wirtschaftlichen und religiösen Institutionen der Länder des ‹Grossen Nahen Ostens› will, um sie fest an die euroatlantische Achse zu schweissen.» Kriege und neue Grenzen vom Nahen Osten bis nach Pakistan – Deutschland will mit dabei sein Jeder denkende Mensch weiss, dass sich die von solchen Plänen betroffenen Staaten nicht freiwillig selbst auflösen werden. Das heisst aber nichts anderes, als dass sich derartige Pläne nur verwirklichen lassen, wenn die gesamte Region mit Kriegen überzogen wird, die alles Bisherige zerstören – mit geplant von der deutschen Bertelsmann-Stiftung. Da kommt doch einer wie Lieberman gerade recht. Ein skrupelloser Wahnsinniger, der vollstreckt, was andere geplant haben – ganz ähnlich wie einstmals der «grösste Feldherr aller Zeiten». Mit dem Unterschied, dass der neue «Feldherr» über Waffen verfügt, deren Zerstörungskraft alles Bisherige in den Schatten stellt! Und wie steht die deutsche Regierung, wie steht Angela Merkel zu einem Einsatz solcher Waffen, zum Beispiel zum Einsatz von Atomwaffen? Die CDU hat keine gute Geschichte im Umgang mit Atomwaffen. Von Konrad Adenauer, dem ersten Bundeskanzler, ist die Aussage an einer Pressekonferenz vom 4. April 1957 bekannt: «Die taktischen Atomwaffen sind im Grunde nichts anderes als eine Weiterentwicklung der Artillerie.» Er hatte einen Beitritt der Bundesrepublik zum Atomwaffensperrvertrag abgelehnt. Erst 1971, als SPD und FDP die Regierung stellten, unterzeichnete die Regierung den Vertrag. 90 Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion stimmten 1974, als der Vertrag dem Bundestag endlich zur Abstimmung vorlag, noch immer dagegen. Die deutsche Atomdebatte In den fünfziger Jahren hat es in Deutschland eine heftige Atomdebatte gegeben. Zahllose Kundgebungen zeugten von einem grossen Widerstand und Protest gegen Atomwaffen. 1958 kamen in Hamburg 120 000 Menschen zusammen, um ihrem Protest Ausdruck zu verleihen – ein Nachkriegsrekord. Ein Jahr zuvor, am 12. April 1957, hatten die namhaftesten deutschen Atomwissenschafter, darunter zahlreiche Nobelpreisträger, mit ihrem «Göttinger Manifest» gegen Pläne für eine Bewaffnung der Bundeswehr mit sogenannten taktischen Atomwaffen weltweit Aufsehen erregt. Wer ein wenig nachdenkt, wird sich darauf besinnen können. Anfang September war bekanntgeworden, dass die deutsche Regierung mit Israel im Juli, also mitten im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Libanon, einen Geheimvertrag abgeschlossen hat. Die Kieler Howaldts werke liefern zwei Dolphin-Unterseeboote nach Israel, die atomar bestückt werden können. Drei von Deutschland gelieferte Dolphin-U-Boote besitzt die israelische Marine bereits. Die beiden neuen Schiffe kosten 1,27 Milliarden Dollar. Einen Drittel des Kaufpreises entrichtet die deutsche Regierung. Deutsche Waffen zur Massenvernichtung nun in den Händen von Lieberman. Dossier Uranwaffen 191 Zeit-Fragen 2006 Atomwaffeneinsatz – völkerrechtswidrig und ein Kriegsverbrechen Francis A. Boyle, Völkerrechtsprofessor aus den USA, hat schon im Jahr 2002 ein Buch veröffentlicht, das die US-amerikanischen Atomkriegspläne sichtet und von der «Kriminalität der nuklearen Abschreckung» (so der ins Deutsche übersetzte Titel des Buches)* spricht. Boyle belegt, warum der von der US-Regierung geführte «Krieg gegen den Terror» von Anfang an verlogen war und diese Regierung bereit ist, nicht nur mit dem Atomwaffeneinsatz zu drohen, sondern Atomwaffen auch wirklich für ihre Angriffskriege einzusetzen. Er beurteilt diese US-Politik aus völkerrechtlicher Sicht, zieht dazu das vorhandene Völkerrecht, internationale Abkommen und Gutachten des Internationalen Gerichtshofes zur Beurteilung eines Atomwaffeneinsatzes heran, stellt dieses ausserordentlich gründlich und genau dar und weist damit überzeugend nach, dass die Pläne, Atomwaffen einzusetzen, schon innerhalb der reinen Abschreckungsdoktrin völkerrechtswidrig und ein Kriegsverbrechen sind – um so mehr, wenn damit Angriffskriege geführt werden sollen. Auch die US-Regierung unterliegt den Prinzipien, die beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozess aufgestellt und in den Grundbestand des Völkerrechts übernommen wurden. Die für die Politik der US-Regierung Verantwortlichen müssen deshalb vor ein internationales Tribunal gestellt werden. Gilt dies nicht genauso für die deutsche Regierung? Die Mitschuld der deutschen Regierung Angela Merkel und ihre Regierung haben sich mit ihrer Politik der handfesten Unterstützung von Atomkriegsplänen schon jetzt mitschuldig gemacht. Sie werden um so schneller zur Verantwortung gezogen werden können, je mehr auch öffentlich deutlich wird, dass die Kriegspolitik der derzeitigen Regierung unter die Verbrechen nach den Nürnberger Prinzipien fällt. Deshalb hat aber auch jeder die Pflicht, Angela Merkel zu stoppen und dafür Sorge zu tragen, dass diese Kanzlerin nicht länger im Amt bleibt. Am 10. November stimmt der Deutsche Bundestag darüber ab, ob der Einsatz der Bundeswehr im Rahmen des völkerrechtswidrigen Krieges der USA «gegen den Terrorismus» («Enduring Freedom») wieder um ein Jahr verlängert werden soll. Die Abgeordneten im Deutschen Bundestag sind aufgerufen, mit einem klaren Nein ein Zeichen zu setzen: gegen eine immer weitere Kreise ziehende deutsche Kriegspolitik, gegen die völkerrechtswidrigen Kriege, gegen eine Beteiligung an weiteren Kriegsverbrechen, gegen einen neuen deutschen Grossmachtswahn, gegen einen furchtbaren Machiavellismus in der Politik, der die Menschen zu Untertanen und zur Verfügungsmasse herabwürdigen will; aber auch für einen sofortigen Stopp und Halt, für einen Frieden in Afghanistan – für den es sehr wohl realistische Pläne gibt (den «Hörstel-Plan», zu beziehen bei Christoph R. Hörstel, EMail: [email protected]) –, für eine ernsthafte Pause zum Nachdenken; damit die Grundlagen deutscher Aussenpolitik gründlich überprüft und die Weichen neu gestellt werden können: für eine Politik, die wieder an die wertvollen europäischen Errungenschaften anknüpft: an das Bekenntnis zur Menschenwürde, an die Aufklärung, die Menschenrechte und das Wissen um die Gleichberechtigung aller Menschen, an den Rechtsstaat und das Völkerrecht, an die Volkssouveränität und das Selbstbestimmungsrecht der Völker; für eine Politik, die dem Land einen Ruf als ehrliche Friedenskraft in der Welt beschert. Demokratie gegen den Machiavellismus der Machtpolitik Francis A. Boyle schliesst sein Buch mit einem Kapitel «Demokratie gegen die Eliten der Atommacht». Er ruft dazu auf, dem Machiavellismus der US-Politik zivilen und demokratischen Widerstand entgegenzusetzen. Je mehr es gelinge, die Aussenpolitik der USA auf eine demokratische Grundlage zu stellen, desto friedlicher und rechtmässiger werde die Dossier Uranwaffen 192 Zeit-Fragen 2006 US-Regierung handeln. Der Machiavellismus der derzeitigen US-Politik hingegen würde die Verfassung, die Herrschaft des Rechts und die Demokratie zerstören und die Menschheit den brutalen und blutigen Händen der geopolitischen Akteure der Machtpolitik überlassen. Im thermonuklearen Zeitalter hat die Menschheit eine Wahl zu treffen, bei der es um ihre Existenz geht. «Als Amerikaner dürfen wir nicht zögern, sofort gegen diesen Machiavellismus vorzugehen, bevor es zu spät für die ganze Welt ist.» Jetzt sind wir schon vier Jahre weiter. Und was wollen wir Deutsche in Deutschland tun? Ganz sicher sagen wir nein zu einer Regierung, die für den offenen Faschismus und eine die Menschheit gefährdende Kriegs politik steht. Und wir sagen auch nein zu einer deutschen Regierung, einer deutschen Kanzlerin, die eine derart finstere Politik unterstützt. Angela Merkel muss Rede und Antwort stehen, und zwar sofort! Sonst muss sie gehen. * Francis A. Boyle, The Criminality of Nuclear Deterrence. Could the U.S. War on Terrorism go Nuclear?, Atlanta 2002, ISBN 0-932863-33-7 Nr. 46, 14. November 2006, Seite 10 Waffen aus abgereichertem Uran – eine Recherche der BBC Das Menschheitsproblem der Uranverseuchung erfordert unabhängiges Arbeiten der WHO und der Unep von Angus Stickler Eine Recherche der BBC, die am 1. November auf mehreren BBC-Programmen ausgestrahlt wurde, zeigt, dass das Militär der USA und Grossbritanniens weiterhin Waffen aus abgereichertem Uran eingesetzt hat – trotz der Warnungen von Wissenschaftern, dass sie ein mögliches Langzeit-Krebsrisiko für die Zivilbevölkerung sind. Ein ehemaliger leitender Wissenschafter der Vereinten Nationen hat der BBC mitgeteilt, dass Studien, die die krebserzeugende Wirkung der Uranwaffen belegen, absichtlich aus einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgenommen wurden. Die USA verweigern die Finanzierung breitangelegter Studien und wurden dafür kritisiert, dass sie nicht mit den Vereinten Nationen kooperieren, die Auswirkungen des Einsatzes von abgereichertem Uran im Irak nach den vergangenen zwei Golf-Kriegen zu untersuchen. Die Vorwürfe geben jenen Rückhalt, die sagen, dass der Einsatz von Uranwaffen eine Verletzung der Genfer Konventionen ist. Wann kehrt die WHO zu ihren Aufgaben zurück? Wenn Geschosse aus abgereichertem Uran eingesetzt werden, können sie die Aussenhülle eines Panzers zerfetzen. Einmal eingedrungen, gehen sie in einer Explosion mit mehreren zigtausend Grad Celsius in Flammen auf. Sowohl die USA als auch Grossbritannien haben abgereichertes Uran im Irak eingesetzt. Die USA feuerten 320 Tonnen an Uranwaffen im ersten Golf-Krieg – und wahrscheinlich an die 2000 Tonnen im zweiten Golf-Krieg ab. Doch der Einsatz von abgereichertem Uran ist sehr umstritten – im Verdacht, einer der möglichen Gründe für Krebs und Schädigungen bei Neugeborenen zu sein. Dies war der Anlass für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) der Uno, eine grosse Untersuchung zu den Nachkriegsgefahren durchzuführen. Dossier Uranwaffen 193 Zeit-Fragen 2006 Die Ergebnisse wurden 2001 veröffentlicht. Dr. Mike Repacholi trat im Juni 2006 als Koordinator der WHO-Abteilung zu Strahlung und Umweltgesundheitsrisiken in den Ruhestand. Er war für die Untersuchung verantwortlich. Er sagt: «Abgereichertes Uran ist grundsätzlich sicher – Sie können abgereichertes Uran für Stunden berühren, ohne irgendeinen Strahlungsschaden damit hervorzurufen. Sie können es aufnehmen, und es wird über den Körper wieder ausgeschieden, 99 Prozent davon innerhalb eines Tages. Sie müssten eine grosse Menge von Staub aus abgereichertem Uran aufnehmen, um irgendwelche schädlichen gesundheitlichen Effekte hervorzurufen.» Die WHO-Untersuchung warnt davor, Kinder in die Nähe solcher Kriegszonen zu lassen. Die «Monographie», wie sie genannt wird, wird von manchen als das massgebliche Dokument über die möglichen Gesundheitsrisiken von abgereichertem Uran herangezogen. Aber nun hat die BBC im Rahmen ihrer Untersuchung erfahren, dass die Ergebnisse wohl verzerrt wurden. Dr. Keith Baverstock – mittlerweile im Ruhestand – war leitender Berater zum Thema radioaktive Strahlung, mit 12 Jahren Erfahrung bei der WHO und Mitglied des HerausgeberTeams von Dr. Repacholi zu jener Zeit. Er stiess auf Forschungsergebnisse, die darauf hinwiesen, dass abgereichertes Uran unter Umständen eine gefährliche krebsauslösende Substanz ist. Dr. Baverstock: «Wenn Sie den Uranstaub einatmen: Je tiefer er in die Lunge eindringt, desto schwieriger ist es, ihn wieder herauszubringen. Die Partikel stellen zunächst für die Lunge ein Risiko dar – teils wegen der Radioaktivität, teils wegen der chemischen Giftigkeit –, und dann später, wenn das Material in den weiteren Körper und in den Blutkreislauf gelangt, ist es ein potentielles Risiko für das Knochenmark, das Lymphatische System und die Nieren.» Es ist von einer schädigenden Wirkung auf das menschliche Erbgut, einer Genotoxizität, auszugehen, sagt Dr. Baverstock. Es kann Jahrzehnte dauern, bis die Krebsanzeichen auftauchen. Warnungen vor Gesundheitsgefahren unterdrückt Als Teil des WHO-Teams brachte er diese Untersuchungsergebnisse – basierend auf geprüften (peer reviewed) Forschungsarbeiten, die vom US-Verteidigungsministerium durchgeführt worden waren – zur Aufnahme in die «Monographie» ein. Sie wurden kurzerhand ausgesondert. Dr. Repacholi sagte, dass dies aus guten Gründen geschah: «Es war die allgemeine Schlussfolgerung des Komitees, dass diese Daten nicht belegten, dass es eine gesundheitliche Auswirkung gibt, nicht zu diesem Zeitpunkt.» BBC-Reporter Stickler: «War die Wissenschaft in diesem [von Baverstock] beigezogenen Bericht – die auf Forschungen basierte, die praktisch aus dem US-Verteidigungsministerium stammten – falsch?» Dr. Repacholi: «Wir sagen, wir wollen einen umfassenden Bericht, wir wollen alles, was wir können, hineinnehmen. Aber wir wollen keine Märchengeschichten. Es gab keine anderen bestätigenden Berichte, die auf einem solchen Niveau waren, dass die Wissenschaft sagen könnte, es ist fundiert.» Stickler: «Mein Kenntnisstand ist, dass zu jenem Zeitpunkt 8 veröffentlichte, wissenschaftlich überprüfte (peer reviewed) Forschungsstudien vorlagen, die die erbgutschädigende Eigenschaft von Uran belegen. Alle hätten in die ‹Monographie› aufgenommen werden können.» Dr. Repacholi: «Ja [zögert], diese, äh, Papiere waren spekulativ zu jener Zeit, und die WHO wird nur jene Daten veröffentlichen, von denen sie weiss, dass sie fundiert sind.» Stickler: «Sollte die WHO nicht die Sicherheit in den Vordergrund stellen [err on the side of caution]?» Dr. Repacholi: «Die WHO ist eine konservative Organisation, da gibt es keinen Zweifel – Dossier Uranwaffen 194 Zeit-Fragen 2006 sie ist nicht die Führerin bei solchen Dingen, sie ist nicht dazu da zu sagen: ‹Wow, wir sollten besorgt sein über dieses, dieses und jenes› – sie ist nicht dazu da, das zu tun.» Dr. Baverstock ist damit nicht einverstanden. Er sagt, dass diese Einstellung der WHO zu nicht eindeutiger Wissenschaft [nichtübereinstimmenden wissenschaftlichen Ergebnissen] keine sichere Wissenschaft ist. Er versuchte, die Problematik weiter voranzubringen. Dr. Baverstock: «Als der Bericht nicht in die «Monographie» aufgenommen wurde, bereitete ich mit zwei weiteren Kollegen ein Papier für die offene Debatte vor, doch die WHO untersagte mir, das Papier zu veröffentlichen.» Stickler: «Warum wurde Ihnen das verboten? Wurden Ihnen Gründe dafür genannt?» Dr. Baverstock: «Nun [lacht], ich habe noch immer nicht einen Grund erfahren, warum das Papier nicht veröffentlicht werden durfte.» Stickler: «Könnte es sein, dass die wissenschaftlichen Ergebnisse, die Sie einbringen wollten, unsicher sind, und dass Sie als Wissenschafter eingeschnappt waren, weil sie diese Ergebnisse nicht aufgenommen haben?» Dr. Baverstock [lacht]: «Nein, ich bin nicht eingeschnappt, ganz und gar nicht. Wir verwenden diese Art der Laboruntersuchungen in vielen Systemen, um Chemikalien zu untersuchen und um zu erfahren, ob Dinge gefährlich werden oder nicht.» Stickler: «Warum denken Sie, dass Ihre Studie – wie Sie sagen – unterdrückt wurde?» Dr. Baverstock: «Es ist naiv zu glauben, dass man in Institutionen wie den Vereinten Nationen frei von politischen Einflüssen sei. Die Mitgliedstaaten haben ihre eigenen Ziele.» Stickler: «Wollen Sie damit sagen, dass die WHO von Staaten wie den USA unter Druck gesetzt wurde, um zu den richtigen Schlussfolgerungen zu kommen?» Dr. Baverstock: «Ich denke, dass das der Fall sein könnte – ja.» Es ist schon eine Ironie, dass der von Dr. Baverstock vermutete Hauptakteur, der hinter der Entscheidung stand, die Veröffentlichung zu blockieren, gerade jene Nation ist, die die von ihm zitierte wissenschaftliche Untersuchung durchgeführt hat: The United States’ Department of Defence Armed Forces Radiobiological Research Institute (das Radiobiologische Forschungsinstitut des Verteidigungsministeriums der Vereinigten Staaten) – ein glaubwürdiges staatliches Laboratorium. Ein Aspekt, den ich auch Dr. Repacholi mitteilte. Dr. Repacholi: «Das Problem, das die WHO hatte – und es ging geradewegs hoch zum Büro des Generaldirektors, von wo aus schliesslich die Entscheidung der Ablehnung getroffen wurde –, war, dass wir auf der Basis der Beweise, die wir hatten, nicht schlussfolgern konnten, dass es [das eingesetzte Uran] schädlich sei. Und ein Papier zu haben von einem WHO-Mitarbeiter, der sagt, wir sind absolut überzeugt, dass es schädlich ist, lässt die WHO ein bisschen komisch aussehen.» Stickler: «Mit Verlaub – aber das dürfte für jemanden, der durch abgereichertes Uran schwer erkrankt sein kann, so ziemlich egal sein, ob die WHO ein bisschen komisch aussieht?» Dr. Repacholi: «Nein, die komische Sache ist, dass es so aussieht, als hätte die WHO ihren Laden nicht im Griff.» Zweifellos ist da eine grosse Kluft zwischen den Ansichten dieser beiden Wissenschafter. Dr. Repacholi allein streitet ab, dass Druck auf die WHO ausgeübt worden sei. Die Ergebnisse der Forschungen des amerikanischen Verteidigungsministeriums sind mittlerweile öffentlich: Abgereichertes Uran wirkt schädigend auf das Erbgut – es verändert chemisch die DNA und kann ein Wegbereiter für Krebswachstum sein. Seit 2001 gibt es zahlreiche Studien, die diese Ergebnisse unterstützen. Wir fragten an für ein Interview mit der Wissenschafterin, die diese Studien durchgeführt hatte, Dr. Alexandra Miller – das US-Verteidigungsministerium verweigerte dies. Der BBC wurde berichtet, dass die Forscherin sich 2004, 2005 und 2006 darum beworben hatte, im Rahmen des Forschungsprogramms der US-Armee weitere Studien über die Auswirkungen von abgereichertem Uran durchzuführen. Alle Bewerbungen wurden abgelehnt. Dossier Uranwaffen 195 Zeit-Fragen 2006 Der Anstieg von Krebs im Irak Aus dem Isotope Geo-Science Laboratory am British Geological Survey: Die Ausrüstung dieses Instituts wurde von der britischen Regierung benutzt, um ihre bislang ausführlichsten Untersuchungen über die Verseuchung britischer Soldaten mit abgereichertem Uran durchzuführen. Prof. Randall Parish sagt, dass es besorgniserregende Anzeichen von der Zivilbevölkerung aus dem Irak gibt. Prof. Parish: «Ich war an einigen internationalen Konferenzen, an denen irakische Ärzte die Gesundheitsstatistiken über das Auftreten von Geburtsschädigungen und von NonHodgkins-Lymphomen vorstellten. Der Anstieg solcher Vorkommnisse, insbesondere im Süd-Irak und in der Region von Basra, auf der Grundlage der Zahlen, die ich gesehen habe – signifikante Daten –, erscheint ziemlich alarmierend. Es wäre ratsam, dass wir auf die sichere Seite gehen sollten, und es sollte weitere Untersuchungen geben.» Prof. Parish hat kürzlich eine andere wissenschaftliche, noch nicht veröffentlichte Studie abgeschlossen, die zeigt, dass abgereichertes Uran, welches eingeatmet wird, in hohen Konzentrationen im Körper verbleibt – eine mögliche Gefährdung über Jahrzehnte. Die Hauptaufgabe sei es nun sicherzustellen, ob es ein reales Risiko für Menschen – für die Menschen im Irak darstellt. Prof. Parish: «Wenn wir nicht weitere Arbeiten machen können, dann wird das Thema DU und das politische Larvieren über vielen Regierungen über Jahre, Jahre und Jahre schweben.» Prof. Parish ist darauf vorbereitet, Forschungsarbeiten für jedes Mitgliedsland durchzuführen, das ihn mit Mitteln ausstattet. Währenddessen hat das UN-Umweltprogramm (United Nations Environment Programme, Unep) ein Team irakischer Wissenschafter ausgebildet, das bereit ist, detaillierte Untersuchungen vorzunehmen. Aber, obwohl er politische Verbündete in Washington hat, sagt Henrik Slotte, Chef der Unep-Abteilung für Post-Conflict Assessments [Nachkriegsuntersuchungen], dass er mit seiner Arbeit ohne die Kooperation der USA nicht fortfahren könne. Slotte: «Ohne die Koordinaten und klare Angaben darüber, was wann eingesetzt wurde, ist es unmöglich, im Feld an abgereichertem Uran zu arbeiten – es ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.» Stickler: «Geben sie Ihnen alle Informationen, die Sie verlangen?» Slotte: «Im Falle des Irak haben wir angefragt, und die Antwort war, dass dies ein Thema sei, das viele Bereiche der Regierung betreffe, und dass es einige Zeit brauche, bevor sie sich schriftlich melden würden.» Stickler: « Sie haben gegenwärtig ein Team von Irakern, die bereit sind, jetzt in den Irak zu gehen. – Wäre es nicht hilfreich für Sie, die Information jetzt zu haben?» Slotte: «Ja, das wäre es.» Stickler: «Gibt es Hinweise dafür, dass die Iraker bald diese Informationen erhalten werden?» Slotte: «Es gibt keine Hinweise dafür.» Abgereichertes Uran ist einer wachsenden Zahl von Wissenschaftern gemäss krebsauslösend – eine Gesundheitsgefährdung nicht nur für Saddam Husseins Republikanische Garden, sondern für die irakische Zivilbevölkerung und die zukünftigen Generationen. Es wurde auch an anderen Kriegsschauplätzen eingesetzt – Afghanistan und Libanon –, und Rufe nach sofortigem Handeln werden zunehmend laut. Nicht nur ein paar glühende Kampagnenvertreter, sondern ausgezeichnete Wissenschafter, Akademiker und auch Rechtsanwälte sagen, dass abgereicherte Uranmunition gemäss internationalem Recht geächtet gehört – als Waffe, die nicht zwischen den bewaffneten Streitkräften und der Zivilbevölkerung unterscheiden kann. • Dossier Uranwaffen 196 Zeit-Fragen 2006 Quelle: BBC Radio 4 vom 1.11.2006, www.bbc.co.uk/radio4/today/reports/international/uranium_20061101.shtml (Übersetzung: Zeit-Fragen) Nr. 46, 14. November 2006, Seite 11 – 13 Einsatz von Uranwaffen im Israel-Libanon-Konflikt 2006 Erste Stellungnahme von Dai Williams, EOS, zur Pressemitteilung des «Umweltprogramms der Vereinten Nationen» (Unep) vom 7. November* zf. Am 7. November gab Achim Steiner, Geschäftsführer des «Umweltprogramms der Vereinten Nationen» (Unep), eine Stellungnahme heraus, laut der das Unep-Team bei seinen Feldstudien in Libanon keine Hinweise auf Bunkerbrecher-Bomben, auf Metall, das abgereichertes Uran enthält, oder auf sonstige radioaktive Materialien gefunden habe. An den vom Unep-Team untersuchten Stellen hätten sich nur bekannte Waffentypen gefunden. Bestätigt hat die Unep den Einsatz von Phosphorbomben und Mörsergranaten. Dies hat die israelische Armee – nach anfänglichem Leugnen – allerdings selbst schon zugegeben. Ebenfalls bestätigt fand die Unep auch die Befunde und Schlussfolgerungen des Sonderberichterstatters des Menschenrechtsrates, der auf die gewaltige Menge an noch nicht explodierten Clusterbomben hingewiesen hatte, die die israelische Armee in den letzten Tagen und Stunden vor Inkrafttreten des Waffenstillstandes abgeworfen hatte. Die Befunde zum angeblichen Nicht-Einsatz von Bunkerbrecher-Bomben sind allerdings mehr als fragwürdig – nicht nur weil die entsprechenden Waffentypen, fotografisch erkennbar, zumindest für kurze Zeit auch im Internet gezeigt wurden. Wie die nachfolgende Stellungnahme zeigt, sind unabhängige Forschungen, deren Proben von mehreren voneinander unabhängigen und anerkannten Forschungseinrichtungen getestet wurden, hinsichtlich des Einsatzes von radioaktivem Material zu anderen Resultaten gekommen. Ich habe die Pressemitteilung der Unep vom 7. November mit einiger Überraschung gelesen. In ihr wird behauptet, dass die Unep keinen Beweis für eine Uranverseuchung in Proben von 32 Orten gefunden habe, an denen ich in 2 von 6 Proben einen Beweis für die Verseuchung mit angereichertem Uran gefunden habe. Ich hatte der Unep am 31. August ein Briefing betreffend vermuteter Uran-Ziele geschickt. Ich schätze den unter Umständen unerlässlichen Beitrag der Unep für die Beurteilung der Umweltsituation in Gemeinden nach dem Ende von Konflikten. Aber diese Pressemitteilung wirft eine Reihe ernster und dringender Fragen auf, wie im folgenden dargelegt wird. Ich hoffe, einige dieser Punkte bald mit dem Unep-Personal diskutieren zu können. Was Beamte hören möchten Die Pressemitteilung der Unep zum Bericht vom 7. November, in dem sie sagen, dass sie «keinen Beweis für radioaktive Rückstände» in ihrer Post-Konflikt-Beurteilung in Libanon gefunden haben, ist interessant und hoffnungsvoll. Aber er enthält nicht genug Information für eine strategische Gesundheitsplanung und eine Umweltsicherheitsplanung. Indem behauptet wird, dass es keine Uranverseuchung in Libanon gebe, sagt die Unep, was die Libanesen, die Israeli sowie die Regierungen der USA und Grossbritanniens gerne hören möchten, wenn auch aus sehr verschiedenen Gründen. Unglücklicherweise ist der «Keine Dossier Uranwaffen 197 Zeit-Fragen 2006 Beweise»-Bericht der Unep nicht das, was sie hören müssen. Schlechte Nachrichten sind selten willkommen, ausser wenn sie helfen, schlimmere Probleme in der Zukunft zu verhüten. Was auch immer die Unep dort gefunden hat, es gibt Beweise für die Verseuchung mit angereichertem Uran, das ich in zwei bombardierten Gebieten in Libanon gesammelt habe und das von zwei Speziallabors in Grossbritannien streng getestet wurde. Wenn es irgendeinen Beweis für den Einsatz von Uranwaffen gibt, dann brauchen die Regierung und das Volk von Libanon so schnell wie möglich detaillierte Beurteilungen – lange vor dem Berichtsdatum der Unep Mitte Dezember. Aus diesem Grund habe ich Libanon Mitte September besucht, und deshalb haben Dr. Chris Busby und Wissenschafter von britischen Harwell-Labor meine Proben so schnell wie möglich bearbeitet. Ich war hocherfreut, dass das Unep-Team in der darauffolgenden Woche vor Ort eintreffen konnte. Sie haben gute Ressourcen und könnten nun eine gut dokumentierte Zwischenbeurteilung vorlegen. Aber sie müssen mit mehr politischen Verzögerungen zurechtkommen. Die Beurteilungen von Chris Busby und meine Berichte sind nur durch den Widerstand der britischen Medien, unsere Befunde zu publizieren oder auszustrahlen, verzögert worden. Die Uranwaffen sind in den britischen und europäischen Medien ein Tabuthema, seit im Jahr 2001 mysteriöse Todesfälle unter Balkan-Veteranen eine Krise in der Nato verursacht haben. Der Bericht von Robert Fisk im «Independent» am 28. Oktober war eine seltene Ausnahme. Aber ich habe die Behörden und die Presse in Libanon über unsere Befunde informiert. Seit August ist es mein Anliegen, dass Warnungen über mögliche Uranverseuchungen so bald wie möglich an die Regierung und das Volk von Libanon gegeben werden könnten, und gleichzeitig zu versuchen, keine Aufregung zu verursachen. Meine Studie beabsichtigte auch, rasche und strenge Inspektionen durch die Unep voranzutreiben und zu unterstützen sowie der Untersuchungskommission des Menschenrechtsrates betreffend des Einsatzes verbotener Waffen im Israel-Libanon-Konflikt von Juli/August 2006 zu assistieren. Das Ablenkungsmanöver mit dem abgereicherten Uran Die Hauptaussage der Unep, dass die Unep «keinen Beweis gefunden hat, dass Israel während des Konflikts mit der Hizbollah Munition mit abgereichertem Uran (DU) eingesetzt hat», ist keine Überraschung. In meinem Briefing, das für die Unep und die Untersuchung des Menschenrechtsrates geschrieben wurde (www.eoslifework.co.uk/pdfs/u26leb806.pdf), habe ich dringend dazu geraten, dass die Unep nach unkonventionellen Bomben- und Raketenzielen suchen muss. Ich habe niemals behauptet, dass in Libanon Waffen mit «abgereichertem» Uran eingesetzt wurden. Die unnötigen Bezugnahmen der Unep auf DU vermindern nicht meine ursprünglichen Warnungen über viel grössere und gefährlichere radiologische Waffen. Mehr als 20 Jahre lang haben das britische und das amerikanische Militär sorgsam den Begriff «abgereichert» promotet, um damit alle Uranwaffen abzudecken. DU ist korrekt in bezug auf Anti-Panzer-Munition, aber nicht erwiesen in bezug auf die geheimen, luftentzündlichen Metalle von hoher Dichte, die in vielen gelenkten Bomben und Lenkraketen verwendet werden. In einem Krieg, in dem es keinen taktischen Grund für die israelischen Streitkräfte gab, panzerbrechende Waffen einzusetzen (die Hizbollah besitzt keine Panzer), von der Suche nach DU-Munition zu sprechen, ist entweder eine uninformierte oder eine absichtliche Irreführung. Die Unep ist sich dessen bewusst. Hat die Unep die richtigen Orte untersucht? Die Unep verfügt über gute Wissenschafter und über gute Ausrüstung. Aber seltsamerweise haben sie in keiner ihrer Post-Konflikt-Beurteilungen über die Untersuchung irgendeines Bomben- oder Raketenzieles [im Unterschied zum Abschuss von Panzern] auf dem Balkan, in Afghanistan oder im Irak berichtet. Sie haben das Fachkönnen, aber es beste- Dossier Uranwaffen 198 Zeit-Fragen 2006 hen ernsthafte Fragen darüber, ob sie den politischen Willen haben, vermutete UranZielorte in Libanon zu inspizieren und darüber zu berichten. Hat die Unep die richtigen Tests gemacht? Die Pressemitteilung der Unep erwähnt keine Resultate von Luft-, Wasser- oder Urinuntersuchungen – lediglich «Proben von Abstrichen». Ihr ursprünglicher Plan (2. Oktober) beinhaltete eine breitere Testreihe. Diese wird vermutlich noch bearbeitet. Meine kleine Sammlung von Proben beinhaltete Bodenproben, Staub aus der Luft und Urin. Es ist wahrscheinlich, dass der radioaktive Krater in Khiam (im Südosten von Libanon) aufgefüllt worden ist, bevor die Unep ihre Proben genommen hat. Die Sanierung ging rasch voran, als ich dort am 17. September zu Besuch war. Da die Unep den libanesischen Physiker, der den Ort im August als erster ausfindig gemacht hatte, nicht konsultiert hat, frage ich mich, woher sie wussten, welchen Krater sie untersuchen sollten. Einige andere Bombenkrater in dem Gebiet waren geflutet, so dass es nicht möglich war, radioaktive Messungen vom Grund der Krater zu nehmen. Die Unep-Stellungnahme nimmt keinen Bezug auf Wasser-Untersuchungen. Warum keine unkonventionellen Waffenziele? In der Pressemitteilung der Unep heisst es, dass «alle Überreste von Waffen, die an den Besuchsorten im Beurteilungszeitraum gefunden wurden, als Waffen von einer wohl bekannten Bauart identifiziert werden konnten». Wenn das stimmt, dann hat die Unep konventionelle Sprengbomben- und Raketenziele plus konventionelle Ziele und Phosphorziele von Panzer-, Artillerie- und Marinegranaten inspiziert. Keine von diesen enthält erwartungsgemäss Uran, abgesehen von einigen Typen bei den Tochtergeschossen (Streubomben). Jedoch hatten einige Ziele «gemischte Angriffe» mit Sprengbomben und Brandbomben. Diese brauchten eine eingehende Untersuchung. Aber die Unep sollte wissen, dass Fernsehberichte, Fotografien und Augenzeugenberichte klar zeigen, dass die israelischen Streitkräfte kleine, mittlere und grosse unkonventionelle Waffen eingesetzt haben. Berichte über Opfer mit extremen Verbrennungen und rätselhafte Todesfälle veranlassten den Uno-Menschenrechtsrat, am 11. August eine spezielle Untersuchung zu eröffnen, um vermutete verbotene Waffen zu ermitteln. Die grössten vermuteten Uranwaffen waren grosse Brandbomben, die im Himmel einen blendenden Blitz und danach einen grossen Feuerball – manchmal mit Schrapnells, die wie weisse Sterne aussahen – hervorgerufen haben. Dies waren keine Phosphorwaffen – aus Gründen, die in meinem zweiten Libanon-Bericht erklärt sind. Diese Explosionen waren die erwartungsgemässen Wirkungen von den Brandversionen einiger bunkerbrechender Sprengköpfe wie GBU-24, GBU-28 und ähnlicher Bunkerbrecher-Sprengköpfe (Advanced Unitary Penetrator) in Raketen, wie sie auch bei den Bomben- und Raketenangriffen auf Bagdad von März bis April 2003 gesehen wurden. Die Unep muss diese Orte untersuchen. Hat die Unep Ziele von «thermobarischen Sprengköpfen» beurteilt? Fotografien im Internet und in meinem zweiten Bericht (www.eoslifework.co.uk/pdfs/u26leb19oct.pdf) zeigen, dass einige dieser Sprengköpfe, die sehr hohe Temperaturen bewirken, bei den Opfern extreme Brandverletzungen sowie Wolken aus schwarzem Rauch und Staub verursachten. Diese Waffen verwenden ein geheimes «reaktionsfähiges Metall» in ihrem Sprengstoff, um länger zu brennen und mehr Druck zu erzeugen. Uran brennt bei 5000 Grad Celsius. Daher wäre es für die Verwendung das ideale Metall, abgesehen von den potentiellen gesundheitlichen Auswirkungen der Uranverseuchung. Die Unep könnte hier Probleme haben. Sie soll Umweltuntersuchungen durchführen. Untersuchungen von Menschen sollten von der WHO durchgeführt werden. Die medizinische Dossier Uranwaffen 199 Zeit-Fragen 2006 Strahlung wird von der IAEA kontrolliert. Welche Uno-Organisation ist dafür verantwortlich, alle Informationen über die Technologie der unkonventionellen Waffen zu koordinieren? Die Konvention über das Verbot oder die Beschränkung gewisser konventioneller Waffen gilt für Brandwaffen. In meinen Berichten versuche ich, alle relevanten Blickwinkel – militärische, gesundheitliche und umweltbezogene – zusammenzubringen. Einige dieser neuen Brandsprengköpfe erzeugen eine gewaltige Druckwelle, die jedes Geräusch unterdrückt und Menschen im Umkreis von 50 Metern durch Ersticken tötet – sie können nicht atmen. Das sind die neuen «thermobarischen» (hohe Temperatur, hoher Druck) Bomben. Die erste bunkerbrechende thermobarische Bombe, von der berichtet wurde, war die 1000 Kilogramm schwere BLU-118/B, die erstmals im März 2002 gegen die Höhlen der Taliban in Afghanistan eingesetzt wurde. Ich vermute, dass einige der sehr grossen 2-Tonnen-Bunkerbrecher, möglicherweise die «verbesserten» Versionen der EGBU-28 oder 37, auch den neuen thermobarischen (solid fuel air) Sprengstoff verwenden. Die neue thermobarische Hellfire-Rakete AGM-114N verwendet ebenso einen ther mobarischen Sprengkopf, von dem vermutet wird, dass er Uran verwendet. Es ist wahrscheinlich, dass diese bei Angriffen der israelischen Streitkräfte auf Fahrzeuge eingesetzt wurde, bei denen die Todesopfer extreme Verbrennungen hatten – weit stärker, als dies durch Benzinverbrennungen zu erwarten wäre. Diese Waffen könnten mit den neuen DIME-Sprengköpfen (inertes Metall) verwechselt werden, von denen aus Gaza berichtet wurde. Hat die Unep irgendeines dieser Raketenziele untersucht? Ich habe in meinem Bericht vom 30. August («UN priorities for investigating uranium and other suspected illegal weapons in the Israel/Lebanon conflict», www.eoslifework.co.uk/pdfs/u26leb806.pdf) der Unep eindringlich nahegelegt, nach diesen Waffen zu suchen. Ich habe zudem weitere Fotografien von diesen ungewöhnlichen Explosionen und Rauchwolken in meinem zweiten Bericht «EOS weapons study in Lebanon, 2006», www.eoslifework.co.uk/pdfs/u26leb19oct.pdf) beigefügt. Ich hoffe, bald davon zu hören, ob die Unep irgendeine dieser Stellen untersucht hat. Wieviel Uran und wo? Die Ergebnisse der Untersuchung meiner Proben weisen eindeutig auf eine Verseuchung mit angereichertem Uran an mehr als einem Ort, den ich besucht habe, hin. Sogar die scheinbar normale Probe von einem anderen Ort (Taire) könnte eine Mischung von leicht angereicherten (Isotopenverhältnis 131) und leicht abgereicherten (Verhältnis 141) Uranelementen enthalten haben, möglicherweise von Staub in der Luft in dem Gebiet, nicht aus dem Krater. An diesem Ort ist eine weitere Untersuchung erforderlich. Die auf der Hand liegende Schlussfolgerung ist, dass die israelischen Streitkräfte während ihrer Angriffe mindestens zwei Bomben eingesetzt haben, die Uran enthalten haben. Ob diese Sprengköpfe in Israel oder in den USA hergestellt wurden, ist nicht bekannt. Wir wissen, dass die USA während des Konflikts 500 Lenkwaffen an Israel geliefert haben, gemäss Berichten einschliesslich 100 zwei Tonnen schweren GBU-28-Bunkerbrechern mit geheimem Metallballast von hoher Dichte in ihren Sprengköpfen. Es überrascht mich, dass die Unep an 32 Orten keine Spuren von künstlichem Uran gefunden hat. Diese umfassten vermutlich 10 bis 20 Proben von jedem Ort, wenn sie ihren bisherigen Verfahrensweisen gefolgt sind. Ich bin nicht überrascht, dass sie kein metallisches Uran gefunden haben. Aber Brandsprengköpfe sind so gebaut, dass sie bei sehr hohen Temperaturen brennen. Dieses Metall wäre so konstruiert, dass es zu Staub verbrennt. Chris Busbys Analyse zeigt, dass die Alpha-Strahlung, die von Staub ausgeht, sehr viel Dossier Uranwaffen 200 Zeit-Fragen 2006 schwieriger zu messen ist als die von metallischem Uran ausgehende. Wenn Unep sich auf Strahlungsmessgeräte (Geigerzähler) verlassen hat – so wie sie es bei ihrer Suche nach panzerbrechenden Geschossen aus abgereichertem Uran auf dem Balkan getan hatten –, dann hätten sie die Proben nicht lokaliseren können, die ich genommen habe. Ich komme zu dem Schluss, dass neue Waffentypen auch andere wissenschaftliche Teststrategien erfordern können. Dies ist keine Kritik an Unep, sondern soll die weitere wissenschaftliche Debatte ermutigen. Bis heute wurde dies effektiv abgeblockt, weil die US- und Nato-Regierungen diese vermuteten Uran-Gefechtsköpfe als geheim eingestuft haben und ihre Existenz hinter allgemeinen Begriffen wie «dichtes Metall [dense metal]» oder «reaktives Metall [reactive metal]» seit fast 10 Jahren verbergen. Viele Militärangehörige scheinen sich dessen nicht bewusst zu sein, dass diese Waffen Uran in unterschiedlichen Formen enthalten können. Sie wurden beschwichtigend dargestellt, insofern es sich bei ihnen «nur» um Waffen mit weissem Phosphor oder um neue thermobarische Sprengstoffe handeln würde. Kann ein negatives Testergebnis sicher sein? Ich möchte gerne der Unep-Pressemitteilung Glauben schenken, dass sie keine radioaktiven Rückstände gefunden haben. Aber ihre Schlussfolgerung, dass keine Uranwaffen durch Israel eingesetzt wurden, ist bereits jetzt hinfällig, weil sie die Urankontamination nicht berücksichtigt, die wir bereits in Proben aus Libanon festgestellt haben. Es ist einfach, nichts zu finden, indem man in die falsche Richtung schaut oder unpassende Untersuchungsmethoden anwendet. Es ist leicht, keine Radioaktivität in feinem Staub zu finden. Es erfordert dazu akribische Laborprozeduren und teures Untersuchungsgerät, das noch nicht in Libanon verfügbar ist. Wenn den Unep-Laboratorien der Auftrag gegeben wurde, nach abgereichertem Uran zu suchen, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie nichts gefunden haben. Aber werden sie über unnatürlich hohe Konzentrationen von Uran in anderen Formen, zum Beispiel nichtabgereichertes Uran, berichten, wie ich es in meinen Berichten seit 2002 für Afghanistan und Irak vorgeschlagen habe? Seit wir wissen, dass in wenigstens zwei Gebieten in Libanon eine Uran-Kontamination besteht, werden die Unep-Ergebnisse solange nicht glaubwürdig sein, bis sie nicht mindestens eine Lokation mit ähnlichen Ergebnissen finden werden. Andernfalls scheinen ihre Vorgehensweisen unvollständig zu sein. Wenn Unep alle Details der Lokationen, Proben und der von ihnen eingesetzten Testverfahren veröffentlicht, sollte es möglich sein, abzuschätzen, wie weit ihre Beobachtungen auf Libanon und die benachbarten Länder – Nord-Israel und Syrien – angewendet werden können. Wenn alle Lokationen, die sie getestet haben, tatsächlich sauber sind, wäre das eine grosse Erleichterung für die Bevölkerung in diesen Gebieten. Aber gegenwärtig existieren noch ernsthafte Bedenken darüber, wieviel Kontamination stattgefunden hat, an welchem Ort und wie weit sie sich ausbreitete. Neue Fragen Da die Unep-Pressemitteilung von keinerlei vermuteter Uran-Verseuchung berichtet, geht sie auch nicht auf die neuen Sachverhalte ein, die sich aus der nachgewiesenen Kontamination ergeben. Diese Sachverhalte warfen wesentliche Forschungsfragen auf, nachdem das britische Harwell-Laboratorium leicht angereichertes Uran in meinen Proben feststellte: a) Es ist nicht die Frage, ob die israelischen Streitkräfte grosse Uranwaffen in Libanon eingesetzt haben, sondern wie viele, wann und wo. Der Unep-Zwischenbericht lässt Hoffnung aufkommen, dass – im besten Fall – keine weiteren Lokationen ausser denen, wo ich eine Dossier Uranwaffen 201 Zeit-Fragen 2006 Kontamination gefunden habe, betroffen sind. Das realistischere Szenario ist, dass einige andere Lokationen von Uranwaffen getroffen wurden, aber dass die Kontamination auf sehr kleine Areale begrenzt blieb. Der grösste Teil des Uranoxid-Staubs wäre in den Rauchwolken nach der Explosion weggeweht worden. Die meisten der möglicherweise verseuchten Ziele wären bereits im Zuge des Wiederaufbaus zugeschüttet worden. b) Wohin sind die Explosionsrauchfahnen (Staubwolken) gezogen? AWE-Uranstaubberichte (AWE – Atomic Weapons Establishment in Grossbritannien), die von Dr. Chris Busby im letzten Jahr analysiert wurden, zeigen, dass diese Staubwolken über den Nahen Osten und um die nördliche Hemisphäre herum innerhalb von 2 bis 3 Wochen gezogen sein können. Datenerhebungen von anderen Ländern im Nahen Osten, in Asien und in Europa sind notwendig. Und wohin wurde der kontaminierte Schutt abgeladen? Welche Testverfahren und Schutzmassnahmen hat Unep in diesem Zusammenhang unternommen oder empfohlen? c) Welche Waffen genau wurden eingesetzt? Unifil, Unmac und die libanesische Armee sollten genaue Ziel- und Waffenbeurteilungen vorliegen haben. Von welchen Ländern sollten sie stammen – Israel oder den USA? Wo sonst sind diese Waffen eingesetzt worden? Welche Nachkriegsbeurteilungen (post conflict assessments) hinsichtlich einer Uran-Kontamination (nichtabgereichertes, abgereichertes und angereichertes Uran) wurden für die anderen jüngsten Konfliktzonen, insbesondere Afghanistan, Irak und auf dem Balkan, unternommen? d) Welche Gesundheitsprobleme sind in anderen Ländern das Ergebnis der Uran-Kontamination? Die WHO hat bis jetzt noch keine Feldstudien über die Kontamination von Menschen durch Uranwaffen – abgereichert oder nichtabgereichert – unternommen. Welche Gesundheitsprobleme können in Libanon, Nord-Israel und Syrien entstehen, wenn die israelischen Streitkräfte mehr als ein oder zwei Uran-Gefechtsköpfe eingesetzt haben? Optimistischer Ausblick Wenn die Unep-Studien streng sorgfältig durchgeführt wurden, können wir auf ein Szenario mit relativ wenig Auswirkungen auf den grössten Teil Libanons hoffen. Vorausgesetzt, dass die israelischen Streitkräfte nicht mehr als zwei Uranwaffen eingesetzt haben – in den Gebieten, die ich besuchte –, dann wird es hoffentlich nur eine geringe oder nicht langwährende Kontamination in Libanon geben. Die lokale Kontamination könnte auch in Abhängigkeit von den eingesetzten Waffentypen klein sein. Weil diese Explosionen sehr heiss sind, geht der grösste Teil des kontaminierten Staubs hoch in den Himmel und verteilt sich über grosse Gebiete (siehe die Fotografien der von den Bomben ausgehenden Wolken über Khiam). Insofern es also fast «selbstreinigende» Waffen sind, könnte hoffentlich nur sehr wenig Kontamination an den Einschlagsorten zurückbleiben, ausser im Krater selbst und in zerstörten Gebäuden. Wenn diese Waffen eingesetzt wurden, dann bestanden hoffentlich die schlimmsten Auswirkungen nur für jene Opfer. die sofort oder innerhalb von 24 Stunden starben. Wenn mehr Uranwaffen eingesetzt wurden, dann werden die zukünftigen medizinischen Statistiken mehr Aufschluss geben als die Unep-Studie. Ich hoffe, dass dies nicht notwendig sein wird. Mögliche Gesundheitsauswirkungen durch Uranwaffen Die Unep-Pressemitteilung geht nicht auf die von einer möglichen Verseuchung durch Uranwaffen ausgehenden Beeinträchtigung der Menschen ein. Wieviel Staub haben Menschen in den Zielgebieten inhaliert? Wird dies nachteilige Gesundheitsauswirkungen haben? Unep berichtet nicht von Urinuntersuchungen. Existieren ungewöhnliche Gesundheitsprobleme in Libanon seit den Bombardierungen? Ein zeitweiliges Ansteigen von Infektionskrankheiten und Problemen im Brustbereich durch den Staub in der Atmosphäre Dossier Uranwaffen 202 Zeit-Fragen 2006 werden in den meisten Post-Konflikt-Lokationen beobachtet. Das örtliche Gesundheitspersonal muss wachsam in bezug auf ungewöhnliche Gesundheitsprobleme sein – wie sie auf dem Balkan, in Afghanistan und im Irak einige Monate nach den US-Bombardierungen mit vermuteten Uranwaffen beobachtet werden konnten. Einige dieser Gesundheitsprobleme sind im Abschnitt 4 meines ersten Berichts (www.eoslifework.co.uk/pdfs/DU012v12.pdf) und im Abschnitt 9 meines zweiten Berichts (www.eoslifework.co.uk/pdfs/u25.pdf) beschrieben. Beweise für verbotene Waffen für den Uno-Menschenrechtsrat Aus der Pressemitteilung ergibt sich, dass die Unep der Untersuchungskommission des Menschenrechtsrates sehr wenig Beweismaterial anzubieten hat ausser der Bestätigung des Einsatzes von Phosphormunition. Die Untersuchungskommission hat ihren eigenen Militärberater. Meine Proben stammen nur von wenigen Orten. Für eine volle Analyse bedarf es einiger verschiedener Arten von Zielen. Ich werde der Untersuchungskommission des Menschenrechtsrates Einzelheiten meiner Proben sowie die von Dr. Chris Busby und den Harwell-Wissenschaftern erzielten Ergebnisse anbieten. Die drei Richter werden ihre eigene Beurteilung vornehmen. Ein möglicher Ausgang wäre eine Empfehlung, dass die Uno eine internationale Untersuchung aller vermuteten Uranwaffen, von deren Zielen und Auswirkungen auf Mensch und Umwelt einrichtet. Der bekannte und vermutete Einsatz von Uran in nichtnuklearen Waffen ist nun zu einer vorrangigen Angelegenheit für die internationale Abrüstung geworden. Praktisches Vorgehen in Libanon Ich dachte, das Unep-Team hätte die libanesischen Ministerien für Gesundheit und Umwelt über unverzügliche Vorsichtsmass nahmen bezüglich Gesundheit und Umwelt informiert, die in den Gebieten zu ergreifen sind, in denen eine Uranverseuchung vermutet oder entdeckt wird. Auf Grund von Anfragen, die ich erhielt, scheint das bisher nicht geschehen zu sein. Wenn die Unep zum Schluss kommt, dass es kein Problem gibt, dann könnte es sein, dass sie keine Dringlichkeit sehen, vorbeugende Ratschläge anzubieten. Aber sie haben eine wertvolle Sachkenntnis auf diesem Gebiet. Wenn die Unep keinen praktischen Rat angeboten hat, dann würde ich empfehlen, dass die libanesischen Ministerien für Gesundheit und Umwelt bereit sind, in Diskussion mit Medizinern und Umweltgruppen im Land einige Beobachtungsanlagen zu errichten – und nicht auf den Bericht der Unep zu warten. Ich habe in meinem ersten Bericht (www.eoslifework.co.uk/pdfs/u26leb806.pdf) grundlegende Vorsichtsmassnahmen empfohlen. Allgemeine Hygiene in Bezug auf Nahrung und Wasser ist am wichtigsten und vermutlich den lokalen Gemeinden vom Gesundheitsministerium und von der libanesischen Presse bereits empfohlen worden. Dai Williams, EOS, Surrey, Grossbritannien [email protected] www.eoslifework.co.uk/Comindx.htmwww.eoslifework.co.uk/Comindx.htm#lebwar06 * «No evidence of Radioactive Residue in Lebanon Post Conflict Assessment», www.Unep.org/Documents/Defaults.asp ... und wie helfen wir den Menschen in Libanon? Man kann nicht einfach ein Land bekriegen und es nachher vergessen. Es ist Aufgabe der verantwortlichen Nationen, den Schaden zu beheben, und es ist die Aufgabe der gesamten Völkergemeinschaft, im Mitgefühl mit den betroffenen Menschen für die Umset- Dossier Uranwaffen 203 Zeit-Fragen 2006 zung dieser Schadensbehebung zu sorgen. Die libanesische Bevölkerung – wie auch die Bevölkerung der anderen betroffenen Länder – ist Opfer und hat ein Anrecht auf Hilfe. • Die Bevölkerung muss wissen, ob und wenn ja, welche Bereiche mit was kontaminiert sind. • Dazu sind regelmässige, wissenschaftlich genaue Untersuchungen des Nachkriegszustandes der Böden, des Wassers, der Luft, der Menschen, der Tiere und Pflanzen nötig. • Diese Messungen müssen allein dem Wohl der geplagten Bevölkerung dienen und daher unabhängig sein von den Interessen der Kriegsparteien. • Das mit Uran oder anderem verseuchte Land muss dekontaminiert werden: Alle Naturwissenschafter sind gefordert, ihr Wissen darzulegen, wie kontaminierte Erde gesäubert werden kann, wie das Wasser gereinigt werden kann und wie Giftstoffe aus der Biospähre geschaffen werden können. Die ganze Völkergemeinschaft, alle Staaten müssen dafür sorgen, dass die Verseuchung wegkommt. Es ist zu prüfen, inwiefern Dekontaminierungstechniken aus anderen Bereichen (z.B. Asbest, Dioxin) auch hier angewendet werden können. Nach dem Zwischenfall mit der Dioxinverseuchung in Seveso war es durch gemeinsame Anstrengung auch möglich, den Schaden zu begrenzen. • Seit den vierziger Jahren hat die militärische Forschung Erfahrung und Wissen im Umgang mit Uranwaffen gesammelt. Diese müssen offengelegt werden. • Solide, gute Ernährung und sauberes Trinkwasser sind Voraussetzung, dass der Körper an Abwehrstoffen das aufwenden kann, was er zur Verfügung hat. Man muss erforschen, wie sich das Uran in der Nahrungskette anreichert. Es braucht genaue Forschungen über den Kreislauf des Urans. • Um die betroffene Bevölkerung nachhaltig medizinisch versorgen zu können, braucht es ein funktionierendes Gesundheitssystem. Soweit es von einer kriegsführenden Partei zerstört wurde, sind die Kosten von dieser zu tragen. • Die libanesischen Ärzte und das dortige medizinische Personal brauchen unsere tatkräftige Solidarität, das Wissen über die krankmachende Wirkung von Uranwaffen und über heilende oder lindernde therapeutische Möglichkeiten zu vergrössern. Spezialisierte und unabhängige Laboratorien müssen aufgebaut werden. • Es müssen alle Anstrengungen unterstützt werden, dass die Menschen untersucht und behandelt werden und im Besitz des Landes verbleibende Dokumente und Krankenregister geführt werden. Redaktion Zeit-Fragen, nach sorgfältigem Anhören unabhängiger Wissenschaftler Dossier Uranwaffen 204 Zeit-Fragen 2006 Nr. 48, 27. November 2006, Seite 3 – 4 Weitere Beweise zu Israels Einsatz von Uran-Bomben im jüngsten Libanon-Krieg Luftfilter eines Ambulanzfahrzeuges mit angereichertem Uran kontaminiert eine Mitteilung der Low Level Radiation Campaign (LLRC), Grossbritannien Die britische Umweltorganisation Green Audit 1 berichtete kürzlich über Messungen an Bodenproben, die von einem Bombenkrater aus Khiam in Südlibanon stammen. Die Messungen wurden am Harwell Labor atory in Oxford durchgeführt und ergaben das Vorhandensein von angereichertem Uran mit einer Radioaktivität von 180Bq/kg und einem Isotopenverhältnis U-238/U-235 von 108 der Probe. Diese Entdeckung, die in der britischen Zeitung «The Independent» am 28. Oktober veröffentlicht wurde, löste einige Besorgnis aus. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) teilte mit, dass seine Analysen kein Uran festgestellt hätten. Die israelischen Streitkräfte haben es abgestritten, Waffen mit abgereichertem Uran eingesetzt zu haben. Weitere Beweise über das verbreitete Vorkommen von angereichertem Uran in Libanon sind nun in einem neuen Bericht von Chris Busby 2 und Dai Williams 3 vorgelegt worden. Dieser Bericht wurde vom European Journal of Biology and Bioelectromagnetics zur Veröffentlichung angenommen und ist auf der Webseite der Low Level Radiation Campaign LLRC unter www.llrc.org abrufbar. Seit die erste Analyse der Bodenprobe von Khiam – in der das Verfahren der Massenspektronomie benutzt wurde – veröffentlicht wurde, hat Green Audit eine zweite Analyse derselben Probe unter Verwendung anderer Messtechnologien in Auftrag geben. Die von der School of Ocean Sciences an der University of Wales durchgeführte Alpha-Spektronomie hat das Vorhandensein von angereichertem Uran bestätigt und dabei auch nachgewiesen, dass keine signifikanten Mengen an Plutonium in der Probe vorhanden sind. Ausserdem hat die Gamma-Spektronomie gezeigt, das kein Cäsium-137 oder andere, Gammastrahlen aussendende Isotopen vorhanden waren, welche zu erwarten gewesen wären, wenn das Uran aus abgebrannten Brennstäben aus Atomkraftwerken gestammt hätte. Urankontamination in Libanon nicht auf einen Ort beschränkt Es gibt erhebliche und begründete gesundheitliche Bedenken, wenn Menschen langlebigen und weitverbreiteten Uranoxid-Partikeln ausgesetzt sind, die sich beim Einsatz von Uranwaffen bilden. Um die Frage zu klären, ob die Bombe von Khiam eine lokal begrenzte Kontamination war oder ob eine grössere Verteilung von Uran stattgefunden hat, hat Green Audit eine Uranisotop-Analyse eines Luftfilters aus einem Ambulanzfahrzeug in Auftrag gegeben. Dieser Luftfilter wurde von Dai Williams aus einem solchen Fahrzeug im Vorort Haret Hreyk in Südbeirut ausgebaut. Die Ambulanz wurde am 16. Tag des Krieges getroffen, war aber bis dahin im Einsatz. Der Luftfilter wurde mit Alphastrahlen nachweisenden CR39-Plastikstreifen untersucht und ausserdem in das Harwell Laboratory zu einer Untersuchung auf Uran-Isotope und einer weiteren Untersuchung auf 45 weitere chemische Elemente geschickt. Der Filter wurde in Säure aufgelöst und mittels einer ICP-Massenspektronomie durch das Harwell Laboratory untersucht. Die Ergebnisse belegen das Vorhandensein von angereichertem Uran. In drei separaten Messungen wurden Uran-238/Uran-235-Isotopen-Verhältnisse von 113, Dossier Uranwaffen 205 Zeit-Fragen 2006 123 und 133 in einer Gesamtkonzentration von 0,1mg/kg des Filterelements festgestellt. Die untere Messgrenze des Harwell-Messsystems lag bei 0,0002mg/kg für U-238 und 0,0001mg/kg für U-235. Die gemessene Konzentration ist signifikant, wenn man bedenkt, dass der Staub in nur zwei Wochen angesammelt wurde und zu dem Staub aus mindestens 1 Jahr seit Benutzung des Filters hinzukam. Hinzu kommt, dass das CR39-Alphateilchen-Nachweisverfahren mindestens das Vorhandensein von zwei «heissen» Partikeln im Filter anzeigte, deren Grösse und Aktivität auf Uran hinweisen kann. Obwohl Vorsicht angezeigt ist, die Daten, basierend auf einem Filter, nicht überzuinterpretieren, legen die Ergebnisse es nahe, dass eine weiträumige Verteilung von angereichertem Uran über Südlibanon stattgefunden hat. Die Brisanz einer weitreichenden Uranverseuchung macht weitere unabhängige Forschungen notwendig Wir schlagen deshalb vor, dass weitere Untersuchungen an Filtern aus Fahrzeugen mit Dringlichkeit vorgenommen werden und – da politische Aspekte vorliegen – die Angelegenheit von unabhängigen Experten untersucht bzw. überprüft wird. Wir wiederholen an dieser Stelle unsere frühere Warnung, dass der Nachweis des Einsatzes von Uranwaffen in einer Umgebung nicht einfach ist und keine konventionellen Geigerzähler verwendet werden können. CR39 oder sensible Beta-Szintillationszähler für die Auswahl von Proben und nachfolgende ICP-Massenspektrometrie sind notwendig, bevor Aussagen über das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Uran partikeln gemacht werden können. • Quelle: Dai Williams und Chris Busby, «Further evidence of enriched uranium in guided weapons employed by the Israeli military in Lebanon in July 2006. Ambulance filter analysis», veröffentlicht in: European Journal of Biology and Bioelectromagnetics 2006, Vol. 2, Issue 1. Auch veröffentlicht unter: www.llrc.org/du/subtopic/ambulance.pdf 1 Die Organisation Green Audit wurde 1992 zur Beratung und kritischen Überprüfung im Umweltbereich gegründet mit dem Ziel, Firmen und Organisationen, deren Aktivitäten eine Bedrohung der Umwelt und der Gesundheit der Bevölkerung darstellen können, zu überwachen. Demokratische Werte sind in Gefahr, wenn der Öffentlichkeit Informationen vorenthalten werden und der Zugang zu den Daten kontrolliert wird. Green Audit hat das Ziel, den Bürgern jene Informationen zur Verfügung zu stellen, die sie für die Kontrolle von Unternehmen benötigen – von Unternehmen, die die Umwelt zerstören, auf die wir alle angewiesen sind. 2 Chris Busby, einer der Gründer von Green Audit, ist Doktor der chemischen Physik, wissenschaftlicher Sekretär des European Committee on Radiation Risk und Mitglied im Kommittee des britischen Gesundheitsministeriums zur Untersuchung des durch interne Quellen ausgelösten Strahlungsrisikos (CERRIE). 3 Dai Williams ist unabhängiger Forscher, Arbeitspsychologe und Gründer des Beratungsunternehmens EOS-Lifeworks. www.eoslifework.co.ukwww.eoslifework.co.uk (Übersetzung Zeit-Fragen) Dossier Uranwaffen 206 Zeit-Fragen 2006 Nr. 49, 4. Dezember 2006, Seite 3 Die klirrende Arroganz der Besatzungsmacht Beweise für den israelischen Einsatz unkonventioneller Waffen in Gaza von Dr. med. David Halpin* zf. Anfang Juli hatten die Chirurgen im El-Shifa-Krankenhaus in Gaza Stadt behauptet, dass die israelischen Besetzer nach der Gefangennahme des israelischen Korporals Gilad Shalit «chemische» Waffen eingesetzt hätten. Die Verletzungen waren ungewöhnlich und die Mortalitätsrate ungewöhnlich hoch. David Halpin half mit Ratschlägen und berichtet im folgenden. Gaza, im Oktober. Die dünne, durchsichtige Mondsichel zeichnet sich, auf dem Rücken liegend, gegen einen klaren Himmel ab. Wenn sie morgen nicht wieder erscheint, ist der Ramadan zu Ende. Die ausgedehnten Koran-Rezitationen werden vom Geräusch einer «Drohne» übertönt, aber man sieht sie nicht. Im dritten Stock des ramponierten und sehr beschäftigten El-Shifa-Krankenhauses hier in Gaza Stadt liegt ein neunjähriger Junge. Es ist sein vierter Rekonvaleszenzmonat. Saad ist ein trauriger und verschreckter Junge. Er hat keine Muskeln mehr an der Vorderseite seines linken Oberschenkels. Die Form seines Oberschenkels ist unter dem kunstvoll gestalteten Hautimplantat vollständig sichtbar. Er kann seinen Fuss nur noch ein ganz klein wenig bewegen. Die meisten Teile seines jungen Körpers sind mit Narben übersäht. Viele sind punktförmig, auch auf seinem Gesicht. Er hat einen künstlichen Darmausgang, der wahrscheinlich bleiben wird, denn Teile seines Darms wurden schwer beschädigt. Der Luftröhrenschnitt ist verheilt, und die Rippenfellfisteln sind auf dem Wege der Besserung. In der Folge der Gefangennahme des israelischen Korporals Gilad Shalit und der anschliessenden Erschiessung zweier seiner Kameraden durch palästinensische Guerillakämpfer am 25. Juni wurde die «Operation Sommerregen» von den israelischen Besetzern unter der Führung von Ehud Olmert in Gang gesetzt. Sie kam zu der mittelalterlichen Belagerung hinzu, die sie Ende März angefangen hatten und der sich die 25 EU-Staaten, die USA, Kanada und Japan angeschlossen hatten. Das war die «Belohnung» für die sorgfältig durchgeführten Wahlen gewesen und für die Hamas-Mehrheit von 72 Sitzen in einem Parlament mit 132 Abgeordneten. Der Erfindungsreichtum kollektiver Bestrafung ist unendlich. Im November 2005 wurde die 1,4-Millionen-Bevölkerung durch Schallbomben auf der Höhe der Hausdächer terrorisiert. Das britische Unternehmen Aerospace kann wirklich stolz sein auf die Zurschaustellung in den Cockpits der vielen F16, die die Luftfahrtkünste der israelischen Luftwaffe anreicherten, während sie den Schlaf und die Fenster im Gefängnis Gaza zerschmetterten. Jedenfalls gab es nach der Shalit-Gefangennahme eine explosive Zunahme von staatlichen Morden aus der Luft. Anfang Juli war Saad auf der Strasse, als die Hölle losbrach. Eine Drohne tötete zwei Menschen auf der Stelle, und zwei weitere starben kurz nach der Einlieferung ins Krankenhaus, weil ihre Verletzungen so schwerwiegend waren. Also ist Saad ein lebendiges Überbleibsel elektronischer und explosiver Hexerei. Die Chirurgen von El-Shifa haben viele hochaufgelöste Bilder von den Überlebenden und den Toten. Sie können aber den Zielorten nicht zugeordnet werden, und es gibt auch keine Namen oder Zahlen der Opfer. Aber in diesen Nach-Shalit-Wochen sahen sie über 250 Tote, einschliesslich 57 Kindern. Unter solchen Bedingungen des Chaos, der Trauer und des Entsetzens ist es schwer, Statistiken zu erstellen. Die Verletzungen, die in diesen digitalen Bildern dargestellt werden, sind wie folgt kategorisiert worden: Dossier Uranwaffen 207 Zeit-Fragen 2006 1. Grossflächige Verbrennungen und Hautablösungen, das heisst keine Haut, kein Fett ist mehr vorhanden, und die Muskeln sind freigelegt. Einige dieser Verletzungen scheinen die Folge von blitzartigen Verbrennungen durch sehr hohe Temperaturen zu sein. Saad ist ein lebendes Beispiel hierfür. Verursacher: Vielleicht thermobarische Geschosse – Hellfire AGM-114N – vielleicht plus zusätzlichem brennbarem Material. 2. Amputationen, eventuell verursacht durch eine Druckwelle gegen den Beinansatz oder den unteren Teil des Torsos. Verursacher: Die Palästinenser glauben, dass es eine Bombe oder Rakete ist, mit einer hervorspringenden Harpune, die Explosionen über der Erdoberfläche macht. 3. Weniger schwere Verletzungen der Haut – eventuell durch Verbrennung –, aber mit Rissen in den weichen inneren Organen. Einige wurden wahrscheinlich tot eingeliefert, aber andere wurden weiter untersucht. Zerrissene Leber, Blut im Brustraum usw. In der Regel trat der Tod ein. Verursacher: Vielleicht eine Druckwelle eines thermobarischen Geschosses, die sowohl hineindrückt als auch herauszieht. 4. Eintrittswunden wie durch ein Schrapnell. Oft waren Glieder betroffen, ohne dass Blut austrat. Röntgenbilder zeigten aber keine Metallrückstände im Körper. Untersuchungen ergaben verbranntes, aber nicht verkohltes Gewebe mit komplexen verästelten Ausdehnungen. Es war sehr schwierig, all das abnormale Gewebe freizulegen und zu untersuchen. Daher war die Folge eine höhere Infektionsrate, eine höhere Amputationsrate und eine höhere Mortalitätsrate. Verursacher/Mittel: Thermobarische Waffe, die ein entzündbares Material enthält. Phosphor oder Uran wären mögliche Stoffe. Die Ärzte stellten fest, dass welches Geschoss oder welche Bombe auch immer benutzt worden ist, sie immer tödlicher waren und die Verletzungen oft schrecklich. Die Amputationsraten und Sterberaten unterschieden sich sehr von denen, die sie bisher erlebt hatten. Sie waren vor dieser «Epidemie» durchaus daran gewöhnt gewesen, die Folgen von Schrapnell-Verletzungen oder Verletzungen durch hochexplosive Sprengkörper zu behandeln. Einige äusserten Zweifel an der Echtheit der Fotografien. Sie müssen sich erklären. Sicher ist Saad ein Überlebender des ersten Typus Verletzungen, die oben aufgelistet sind, nur dass seine Verletzungen nicht ganz so grotesk sind. Zwei Zielorte wurden besucht. Der erste schien unauffällig, abgesehen von den Todesfolgen. Der zweite Zielort betraf ein Geschoss, dass während der Nacht in ein Haus eingeschlagen war. Eine Person wurde getötet, 24 verletzt. Ein Opfer, ein Mädchen, trug einen Hüftgips. Man sagte, sie habe einen Bruch des Oberschenkelknochens, verursacht durch fallendes Mauerwerk. Ein junger Mann hatte drei punktförmige Verbrennungen, zwei davon waren schwarz. Eine Grossmutter hatte eine geschwärzte linke Zeigefingerkuppe. Auch der Knochen war irgendwie verletzt. Als das Geschoss vor einer Woche eingeschlagen war, hatte man eine Flüssigkeit gesehen. Diese hatte einen sehr unangenehmen Geruch und war die Ursache der Verbrennungen. Der Geruch kam immer noch aus dem Boden, der für den Wiederaufbau planiert worden war. Teile der Geschosshülsen waren zu sehen. Ein birnenförmiger und sehr schwerer Metallklumpen war aufgesammelt worden. Die Leute in den Gebieten, die von Palästina übriggeblieben sind, fallen in eine sehr spezielle Kategorie des Völkerrechts. Die Mehrheit von ihnen sind Vertriebene und müssten daher besonders geschützt werden. Länder der Welt, 60 Jahre nach den Nürnberger Gesetzen, ihr müsst unbedingt darauf bestehen, dass das Völkerrecht eingehalten und die universellen Normen der Menschlichkeit beachtet werden. Das Töten und Verstümmeln muss aufhören – sofort und überall! Es wurde ein Protokoll über die Untersuchung aller militärischen Angriffe in Gaza vorgelegt. Ein Szillationszähler wurde bei der physikalischen Abteilung der Islamischen Universität Gaza bestellt, aber seine Einfuhr wurde verhindert. Es werden Experten von ausserhalb Dossier Uranwaffen 208 Zeit-Fragen 2006 gebraucht, um das Inspektionsteam in seinem frühen Untersuchungsstadium zu verstärken. • Quelle: Spotlight vom 21.11.2006 (Übersetzung Zeit-Fragen) *David Halpin ist traumatologischer und orthopädischer Chirurg. Er gründete die Hilfsorganisation «Die Taube und der Delphin». Eins der Ziele ist es, die Gesundheit und das Wohlergehen palästinensischer Kinder zu fördern. Nr. 51, 18. Dezember 2006, Seite 6, 7 Hilfe zur Hoffnung – Hilfe zum Leben Hilfe für krebskranke Kinder in Basra Reisebericht von Dr. Eva-Maria Hobiger, Gründerin des Hilfsprojektes «Aladins Wunderlampe, Hilfe für krebskranke Kinder in Basra», Kuwait/Basra, 21. bis 28. Juni 2006 Mitten in meine Vorbereitungen für unsere nächste Medikamenten-Hilfslieferung für das Kinderspital in Basra platzt die Meldung: In Basra wurde der Ausnahmezustand ausgerufen. Es ist der 31. Mai. Diese Nachricht macht meinen Überlegungen, ob ich auch diesmal unsere Hilfslieferung bis nach Basra begleiten sollte, ein jähes Ende. Ich werde den Warnungen meiner irakischen Freunde folgen und erstmals nicht dabei sein, wenn der Lkw mit den Medikamenten ankommt, ich werde die Medikamente nicht in Basra übergeben, sondern in Kuwait. Zu gross ist das persönliche Risiko für uns, vor allem aber: Zu gross ist das Risiko für diejenigen, mit denen wir in Basra zusammenarbeiten. Basra galt lange Zeit als relativ ruhige Stadt im Nachkriegs-Irak, das änderte sich innerhalb der letzten Monate zusehends, und die schlechte Sicherheitslage lähmt das Leben in der 1,5-Millionen-Stadt mehr und mehr. «Basra explodiert» lese ich in einem englischen Zeitungsartikel Ende Mai. Jeden Morgen liegen Leichen in den Strassen der Stadt, treiben im Fluss Shatt el Arab oder in einem der Kanäle, die die Stadt durchziehen. Die Frustration über die Lebensumstände treiben Tausende auf die Strassen, sie demonstrieren gegen die Gewalt, gegen die Arbeitslosigkeit, gegen die Korruption, gegen die katastrophale Situation auf dem Gesundheitssektor, gegen den Energiemangel und gegen die allgemeine Verwahrlosung der Stadt. In der Region, die auf einem unauslotbaren Meer von Erdöl schwimmt, stehen kilometerlange Autoschlangen vor den Tankstellen. Benzin ist Mangelware, ebenso der Diesel für die Stromgeneratoren, und der Preis beträgt das Fünffache im Vergleich zu früher. An manchen Tagen gibt es eine halbe Stunde Strom täglich – bei Aussentemperaturen von über 50 Grad. Müllberge türmen sich in der Stadt, und wenn es keinen elektrischen Strom gibt, dann gibt es auch kein Leitungswasser. Dann holen sich die Armen, die sich kein sauberes Wasser kaufen können, ihr Trinkwasser aus dem verseuchten Fluss – mit verheerenden Folgen. Schlechte Energieversorgung und verschmutztes Trinkwasser ist nichts Neues in Basra, seit 1991 hat sich die Situation für die Menschen im Irak kontinuierlich verschlechtert, ganz besonders im Süden des Landes. Die Bevölkerung hoffte, dies werde sich ändern, nachdem das diktatorische Regime gestürzt war. Die Lebensbedingungen haben sich nicht nur nicht verbessert, sondern im Gegenteil extrem verschlechtert – das nährt die Ablehnung der fremden Truppen im Land und bildet einen guten Nährboden für jegliche Dossier Uranwaffen 209 Zeit-Fragen 2006 Form des Extremismus. Kein Verkehrsstau – sondern Warteschlangen vor den Tankstellen in Basra Seit unserer letzten Irak-Reise hatten wir im Dezember 2005 die neuerlich notwendig gewordenen Instandsetzungsarbeiten auf der Kinderkrebsstation im Kinderspital in Basra abgeschlossen. Im März 2006 konnten wir eine grosse Menge an neuem medizinischem Inventar für die Früh- und Neugeburtenstation im gleichen Spital übergeben und ein Training an diesen Geräten in Kuwait organisieren. Mehrere Kinder waren in Österreich zur – erfolgreichen – medizinischen Behandlung. Nun aber wurde wieder eine umfangreiche Medikamentensendung notwendig. Der Vorrat war aufgebraucht, und noch immer gibt es im Irak keine Medikamente für die krebskranken Kinder. Um eine erfolgreiche Behandlung auch weiterhin zu garantieren, mussten wir wieder Medikamente nach Basra bringen. Durch die Unterstützung der Diakonie Deutschland, Caritas Südtirol, Difäm in Deutschland, AWD Stiftung Kinderhilfe in Wien, Fondation Gertrude Hirzel in der Schweiz und einigen Spendern in Deutschland, der Schweiz und in Österreich wurde es möglich, Medikamente im Wert von 150’000 Euro einzukaufen. Darüber hinaus gab es eine grössere Medikamentenspende, weiters einige Geräte für die Blutbank in Basra vom Österreichischen Roten Kreuz, ein Gerät zur Sterilisation von medizinischen Instrumenten von Action Medeor (Deutschland) und medizinisches Material von diversen Firmen. Alles in allem 10 Paletten, Wert: 250’000 Euro. Das alles musste nun auf sicherem Weg nach Basra gebracht werden – trotz der unsicheren Lage vor Ort. Treffen mit Ärzten aus Basra in Kuwait Am 21. Juni flog ich über Frankfurt nach Rechtsgutachten vom 9. Juli 2004 Kuwait, am gleichen Tag wurden sechs Paletten mit Hilfsgütern von Wien aus über Amsterdam auf die Reise nach Kuwait geschickt. Am nächsten Tag folgten vier Paletten aus Stuttgart. An diesem Tag fuhr ich zur kuwaitisch-irakischen Grenze, um zwei Ärzte aus Basra abzuholen, die ich nach Kuwait eingeladen hatte. Mit ihnen wollte ich die Art und Weise einer sicheren Übergabe der Medikamente an das Kinderspital in Basra sowie die Möglichkeiten zu einer weiteren Unterstützung der schwerkranken Kinder in Basra besprechen, für den Fall, dass ich längere Zeit nicht selbst nach Basra fahren kann. Da wir die Leute nun schon so lange kennen, können wir sicher sein, dass unsere Hilfe die erreicht, für die sie bestimmt ist – auch ohne meine Anwesenheit. Die beiden Ärzte erzählen von den Lebensbedingungen in Basra, und ihre Schilderungen sind nicht neu für mich, vieles davon kenne ich aus den Medien. Vor allem die englischsprachige Presse berichtet mehr über den ganz «normalen» Alltag eines Irakers, der wirklich ein wahrer Alptraum ist. Ein Alltag, in dem es normal ist, dass ein achtjähriges Mädchen im Rollstuhl den Vater voll Angst anfleht, er möge sie die Tür öffnen lassen, an der es um 20 Uhr geklopft hatte, «denn mich werden sie nicht umbringen, aber dich schon!» Ein Alltag, in dem ein Freund ermordet wird und dazu gesagt wird: «Aber das ist normal bei uns, das ist nichts Besonderes mehr!» Ein Alltag, wo mehrere Freunde eines Ermordeten vor einem Spital auf seine Leiche warten, um sie zu bestatten, und dabei von Maschinengewehrsalven niedergestreckt werden, ein Alltag, in dem ein 10jähriges Kind als Selbstmordattentäter in eine Ambulanz geht, wo viele Menschen auf Behandlung ihrer Erkrankung warten und sich dort in die Luft sprengt. Ein Alltag, in dem die Angehörigen einer Religionsgruppe in einem Brief aufgefordert werden, bis zu einem bestimmten Tag ihr Haus und ihre Stadt zu verlassen, denn sonst würden sie ermordet werden. Ein Alltag, in dem junge Frauen, die ihr Studium beendet haben, wochen- und monatelang zu Hause eingesperrt sitzen, weil sie Angst haben, auf die Strasse zu gehen – und von einer Arbeitsstelle träumen. Der Weg in die Depression ist der einzige Ausweg. Die Frauen, die in den Strassen von Basra betteln sind mehr geworden, aber sonst sieht man kaum mehr Dossier Uranwaffen 210 Zeit-Fragen 2006 Frauen ausserhalb der Häuser. Und auch die bettelnden Kinder in den Strassen wurden mehr, wie die Frauen auch treibt der Hunger sie auf die Strasse. Die Zahl der unterernährten Kinder im Spital steigt, und doch ist die Dunkelziffer noch viel höher. Viele aus der Umgebung der Stadt können nicht in das Krankenhaus kommen, weil der Weg dorthin zu unsicher ist. Täglich werden 40 Kinder im Kinderspital aufgenommen, 30 davon leiden unter Durchfall auf Grund des schlechten Trinkwassers, bei 10 davon ist der Durchfall so schwer, dass die Kinder Infusionen brauchen. Bräuchten – denn es gibt wieder einmal keine Infusionslösungen. Und so kann es passieren, dass ein Kind, das vom Krebs geheilt wurde, an einem simplen Durchfall stirbt, wie «unsere» kleine Asia. Und auch die Armutserkrankung Kala Azar fordert ihre Opfer. Mindestens 40 Kleinkinder monatlich erkranken daran, manchmal sind es auch weit mehr. Wieder einmal gibt es das Medikament dafür nicht (wie auch schon vor dem letzten Krieg), und so werden diese Kinder sterben (wenn wir nicht helfen). Tuberkulose und Lungenentzündung, Hirnhautentzündung und Typhus lauten weitere häufige Todesursachen, und Medikamente und medizinischer Bedarf, wie zum Beispiel Plastikbeutel für Blut, sind kaum vorhanden. Die Schulkinder leiden unter einer enormen Schulangst, viele weigern sich, zur Schule zu gehen, weil sie miterlebt haben, wie ihre Kameraden entweder in der Klasse oder auf dem Weg dorthin gekidnappt wurden. Viele Kinder kamen nicht zu den Schluss prüfungen und verloren so ein ganzes Schuljahr. Während der Schlussprüfungen waren unzählige Polizisten vor den Schulen postiert, aber die Leute trauen auch den Polizisten nicht. Und auch jetzt in den Ferien, bei den extremen Sommertemperaturen, die die Häuser aufheizen, müssen die Kinder daheim eingesperrt sein, weil ein Aufenthalt ausserhalb des Hauses zu gefährlich für sie ist. Die Kinder leiden an psychosomatischen Erkrankungen, klagen über Herz- und Magenprobleme, und die Jugendlichen sind depressiv. In einem Artikel las ich das Zitat eines 13jährigen: «Ich ziehe es wirklich vor, beim Spielen mit meinen Freunden beim Fussballspiel umgebracht zu werden, als tagein, tagaus in diesen vier Wänden zu sitzen.» Ärzte meinen, hier wächst eine ganze Generation auf, deren Zukunft eine unheilbare Depression ist. Die Arbeitsbedingungen in den Spitälern sind für uns unvorstellbar. Eine Liste wurde herumgereicht, in der dem Personal mehr oder minder empfohlen wurde, sich im Dienst zu bewaffnen, mit dem Eintrag in die Liste hätte man die Genehmigung dazu. In der Notaufnahme eines grossen Krankenhauses in Basra wurden mehrere Ärzte ermordet, daraufhin wurde diese Ambulanz geschlossen – und das in einer Stadt, in der täglich so viele Verletzte behandelt werden müssen. Die Folge der Morde an den Ärzten ist, dass andere Ärzte nicht zum Dienst erscheinen, Ärztinnen können schon lange keinen Nachtdienst mehr machen, Ärzte werden gekidnappt und Lösegeld verlangt – und so kann es auf Grund des Personalmangels passieren, dass nachts kein Arzt im Spital ist. Das Verantwortungsgefühl ging verloren, jeder misstraut jedem, jeder kann ein potentieller Mörder oder Kidnapper sein, Angst, Frustration, Verwirrung münden oft in Aggressivität. Ich habe von Fällen gehört, in denen die Armut und der Hunger der Antrieb für Kidnapping war. Auch der Bruder eines der Kinder, die in Österreich behandelt wurden, wurde entführt – und wurde gegen die Bezahlung von 4000 Dollar wieder freigelassen. Alles ist unberechenbar geworden, die einzige Person, die einen beschützen kann, ist man selbst. «Unsere Demokratie heisst Chaos» lautet das Resümee einer Ärztin. In diesem Chaos wirkt es schon fast absurd, wenn sie den kleinen Patienten anbietet, ihr Kriegsspielzeug gegen andere Spielsachen einzutauschen. «Lichtblick» Kinderkrebsstation In all dem Chaos ist «unsere» Kinderkrebsstation ein Lichtblick – so unglaublich das auch klingt –, nicht zuletzt deswegen, weil dort Leute arbeiten, deren Beruf ihnen Berufung ist. Obwohl es sich um eine Krebsstation handelt, ist die Sterblichkeit dort weit geringer als im restlichen Spital – dank unserer Unterstützung, dank unserer Medikamente. Mehr als 90 Dossier Uranwaffen 211 Zeit-Fragen 2006 % der Medikamente, die für die kleinen Patienten gebraucht werden, kommen von uns, der Rest von einer japanischen Hilfsorganisation. Die Station musste erweitert werden, von 24 Betten auf 32. Da es nicht mehr Räume gibt, wurden einfach zusätzliche Betten in die Krankenzimmer gestellt. Die Ärzte haben mir ein Geschenk mitgebracht, es ist eine CD mit Bildern all der Kinder, die ihre Krebstherapie beendet haben und nun als geheilt gelten. Ein wertvolles Geschenk, das uns alle, die an dieser Hilfe beteiligt sind, mit Freude und Stolz erfüllen darf, denn diese Kinder leben, weil wir ihre Behandlung ermöglicht haben. Einen Teil der Bilder habe ich auf unserer Webseite veröffentlicht. Als ich die Ärzte frage, ob sie denn nicht auch daran denken, das Land zu verlassen, antworten beide: «Wir haben eine Verantwortung, die noch grösser ist, als die Verantwortung unseren Familien gegenüber: Es ist die Verantwortung diesen kranken Kindern gegenüber, die niemanden sonst haben, der sich ihrer annimmt. Unser Platz ist bei ihnen!» Und die Ärztin fügt hinzu: «Gott beschützt mich, aber wenn ich sterben muss, dann sterbe ich im Spital, bei und mit meinen Kindern, die mir anvertraut sind!» Und fast unhörbar, so als ob sie selbst nicht hören möchte, was sie sagt, fügt sie hinzu: «Aber wenn ihr uns eines Tages nicht mehr unterstützen könnt, dann werden wir die Station sperren müssen!» Gefängnis Irak Der Zeitpunkt ist gekommen, an dem die beiden Ärzte wieder heim nach Basra fahren müssen. «Ihre» Kinder warten auf sie, sie werden gebraucht. Vier Tage durften sie das Chaos verdrängen, wegschieben. Sie genossen es, in den kühlen, klimatisierten Hotelzimmern in Kuwait endlich wirklich schlafen zu können, ohne Angst, im Schlaf ermordet zu werden, sich nicht jede Nacht bei Zimmertemperaturen um die 50 Grad(!) nur ruhelos im Bett zu wälzen. Sie freuten sich daran, auf der Strasse gehen zu können, denn das kann man zu Hause nicht mehr, dort springt man vor der Wohnung in das Auto, das einem zum Spital bringt und beim Nachhauseweg ist es umgekehrt. «Schlafen können, gehen können» – sie konnten sich nicht entscheiden, was schöner für sie war. Und als sie einer Gruppe kuwaitischer Kinder beim Spiel zusahen, meinten sie nachdenklich: «Glückliche Kinder ...» Ich begleite sie im Auto zur Grenze, die Anspannung steht in ihren Gesichtern während der Fahrt durch die Wüste. Es ist sehr still im Auto, dabei hätten wir uns noch so viel zu sagen. An der Grenze tobt ein Sandsturm, der einem den Atem nimmt. Der Sturm verkürzt unseren Abschied, er nimmt uns die Worte und er unterdrückt unsere Tränen. Schon bald sitzen die beiden in dem Shuttle-Bus, der zwischen kuwaitischer und irakischer Grenze verkehrt. Der Bus steht eine ganze Weile wartend vor dem Gittertor, ich weiss, dass jetzt dort die erste von mehreren Passkontrollen stattfindet. Dann öffnet sich das Tor, die beiden sind zurück im grossen Gefängnis, das Irak heisst. Mein Fahrer startet den Motor, wir fahren in die andere Richtung, dorthin wo man auf der Strasse gehen kann und nachts schlafen kann, in die Freiheit. Es ist der 26. Juni, noch lagern unsere Hilfsgüter im Kühllager des Flughafens in Kuwait. Einige organisatorische Arbeiten kann ich noch erledigen während der restlichen zwei Tage, die ich noch hier verbringe. Und als ich schon wieder zurück in Wien bin, kommen am vorletzten Tag des Monats Juni alle Hilfsgüter, komplett und in ausgezeichnetem Zustand, beim Krankenhaus in Basra an. Von der Grenze weg wurden sie von bewaffneten Sicherheitsleuten begleitet, die es allerdings ablehnten, in die Stadt Basra zu fahren, da die Sicherheitslage dort zu schlecht wäre. So hatte ich telefonisch einen Lkw organisiert – wie gut, dass wir schon lange in Basra tätig sind und daher viele Leute kennen, denen wir vertrauen können –, und an der Stadteinfahrt von Basra wurden die Hilfsgüter vom Kühllastwagen umgeladen. Kurze Zeit später traf der Lkw beim Spital ein, und die Hilfsgüter wurden von den Ärzten empfangen. Die ganze Aktion wurde fotografisch dokumentiert. Dossier Uranwaffen 212 Zeit-Fragen 2006 Der Krieg hat unsere moderne Welt fragil gemacht Es ist wieder einmal gut gegangen – auch wenn ich diesesmal nicht dabei war, was mir im übrigen nicht leicht gefallen ist – und es ist an der Zeit, allen Spendern und Helfern zu danken. Unsere Zeit ist sehr kurzlebig, eine Nachricht jagt die andere. Kaum eine Generation vor uns hatte so viele Kenntnisse über die Vorgänge in anderen Teilen der Welt wie wir. Es ist manchmal kaum auszuhalten, sich zu vergegenwärtigen, wie unendlich schwierig sich das Leben dort für den Einzelnen gestalten kann, wie unsicher und bedroht dieses Leben ist. Die tägliche Wiederkehr der Berichte über die Gewalttaten lässt einen fast die Grausamkeit der einzelnen Taten vergessen. Wenn Eltern hier bei uns erfahren, dass ihr Kind Krebs hat, so bricht eine Welt für sie zusammen – und doch wissen sie, dass alles nur menschenmögliche für ihr Kind getan werden wird. Die wievielte Welt bricht für einen Menschen zusammen, der täglich, ja stündlich damit rechnen muss, umgebracht zu werden, der keine Arbeit und kaum Essen hat, keinen Strom und kein Wasser – und dann erfährt er noch, dass das Kind, in das er zumindest seine Hoffnungen projizieren konnte, Krebs hat, und im Spital gibt es nichts, was diesem Kind das Leben erhalten könnte, nichts, was seine Hoffnung nähren könnte. Wer von uns kann sich wirklich in diese Lage versetzen? Die Ärztin gab mir einen Satz auf den Weg mit, den ich an Sie/euch alle weitergeben möchte, er gilt denjenigen, die diese Hilfe ermöglichten – denn ich bin nur die Überbringerin der Hilfe. «Wenn ich dir mein Herz geben würde, so wäre es noch immer nicht genug für all das, was du für unsere Kinder gemacht hast.» Unsere Hilfe und Unterstützung ist nicht nur eine Investition in die Zukunft des Irak, indem wir schwerkranken Kindern das Überleben ermöglichen und das Leid ihrer Eltern in Hoffnung verwandeln, es ist eine unschätzbare psychologische Hilfe für die, die unter schwierigsten Bedingungen ihren Beruf ausüben, für kranke Kinder da sind und ihr eigenes Leben geringer achten, ihre Bedürfnisse hintanstellen, um denen zu dienen, die es noch schwerer im Leben getroffen hat. Ich danke allen Spendern und Organisationen, die nun schon so lange unser Projekt unterstützen, ganz besonders danke ich Dr. Faisal in Kuwait, ohne dessen logistische Hilfe es zurzeit nicht möglich wäre, in Basra zu helfen, ein grosses Danke auch an die IOM (International Organisation for Migration). Und ich bitte alle, die bis jetzt geholfen haben und alle, die diesen Bericht lesen, auch weiterhin zu helfen – auch wenn ich das wieder und wieder schreiben muss. Der Irak ist sehr weit davon entfernt, ein funktionierendes Gesundheitssystem aufbauen zu können. Der Irak steht vor dem Abgrund eines Bürgerkrieges – oder er befindet sich schon mittendrin, das ist eine Interpretationssache. Trotzdem: Sehen Sie sich die Bilder der Kinder an, denen Sie das Überleben ermöglicht haben. Auf dieser Seite www.saar.at/aladin/juni06.htm finden Sie einige Bilder von diesen Kindern, und ich zeige einige stellvertretend für alle andern. Wir dürfen die Menschen im Irak jetzt nicht allein in ihrem Elend lassen. Es zählt zu den schönsten Erfahrungen, die wir machen können, wenn Menschen, die in Resignation und Hoffnungslosigkeit erstarrt waren, neue Hoffnung schöpfen können, aufatmen können. Die Menschen im Irak sind erschöpft, und die Hoffnung haben sie schon lange verloren. Auf meine Frage: «Wird der Irak je ein stabiles Land sein?» meinte die Ärztin: «Vielleicht werden meine Enkelkinder das erleben, ich nicht und meine Kinder auch nicht.» Wir können im Leben von einigen Menschen, die Tausende Kilometer von uns entfernt leben, etwas verändern: Wir können sie wissen lassen, dass sie uns etwas bedeuten, dass sie nicht allein sind in dieser dunklen Zeit ihres Lebens. Wir können ihnen helfen, unsere Hilfe bedeutet Hoffnung, unsere Hilfe bedeutet Leben! Zurzeit ist die kleine Sara aus Basra – das Mädchen mit den Glasknochen – wieder in Wien, sie musste neuerlich operiert werden. Sechs lange Wochen im Liegegips hat sie noch vor sich. Im Herbst sollen vier Kinder zur Behandlung kommen, ein Bub mit einer Verletzung nach einem Unfall (er kommt bereits Ende August) sowie drei Kinder mit angeborenen Herzfehlern. Die Aufenthaltskosten für diese Kinder sind noch nicht finanziert … Dossier Uranwaffen 213 Zeit-Fragen 2006 Darüber hinaus darf ich noch einige – zusätzliche – Bitten anfügen, die mir am Herzen liegen und die wir von den «normalen» Spenden nicht finanzieren können. Vielleicht gibt es aber jemanden, der diese Anliegen zu den seinen machen möchte: 1. Auf der Kinderkrebsstation arbeiten vier Krankenschwestern bzw. Pfleger, die sehr engagiert in ihrem Beruf sind und die von den Ärzten für ihre Arbeit geschätzt werden. Leider ist das Ansehen und damit auch das Gehalt einer Krankenschwester im Irak nicht besonders hoch, sie können mit ihrem Gehalt kaum für den Familienunterhalt sorgen. Um sie in der Abteilung zu halten und damit die Versorgung der Kinder zu gewährleisten, wäre ihnen mit einer Gehaltsaufbesserung von 50 bis 100 Dollar monatlich sehr geholfen. Wer könnte das – zumindest auf ein Jahr – übernehmen? 2. Innerhalb von einem Jahr möchten wir insgesamt vier Ärzte des Kinderspitals zu einer zwei- oder dreimonatigen Fortbildung in einem Wiener Krankenhaus einladen. Vielleicht gibt es jemanden, der diesen Aspekt unterstützen könnte? Die Kosten für einen Arzt betragen etwa 2000 Euro. 3. Vielleicht liest dies ein Hotelinhaber in Wien? Unsere Projektpartnerin in Basra, die Ärztin, die die Kinderkrebsstation leitet, hat einen Wunsch, den sie mir anvertraut hat: Sie würde gerne mit ihrer Tochter für ein oder zwei Wochen nach Österreich kommen. Dies möglich zu machen wäre angesichts ihres Einsatzes für die kranken Kinder ein kleines Zeichen der Anerkennung für ihre schwierige Arbeit. Welcher Hotelbesitzer kann ein Zimmer für zwei Wochen gratis zur Verfügung stellen? – Nur unter dieser Voraussetzung können wir ihr den Wunsch erfüllen. Bitte helfen Sie uns weiterhin, die Menschen in Basra, ganz besonders die schwerkranken Kinder, in dieser so schwierigen Zeit zu unterstützen! • Besuchen Sie auch unsere Webseite: www.saar.at/aladin Spenden erbeten auf folgende Konten: In Österreich: Erste Bank (BLZ 20111), Konto Nr. 28 520 096 800, «Aladins Wunderlampe» In Deutschland: Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG (BLZ 38 020 090), Konto Nr. 0364 524 226, «Aladins Wunderlampe Deutschland e.V.» [In der Schweiz: Zum Zeitpunkt des Drucks konnte noch kein Spendenkonto ermittelt werden. Bitte wenden Sie sich an die Redaktion Zeit-Fragen oder setzen Sie sich direkt mit Frau Dr. Hobiger in Verbindung.] Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen, A-1150 Wien, Stutterheimstrasse 16–18 Tel. +43-1-526 78 10, Fax: +43-1-526 77 95 Pressemitteilung 06/144 ICRC IKRK fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung von Mitarbeitern des Irakischen Roten Halbmondes, die in Bagdad verschleppt wurden Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) forderte heute die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Personen, die in Bagdad aus einem Büro des Irakischen Roten Halbmondes verschleppt wurden. Genf (IKRK). Etwa dreissig Personen, die meisten von ihnen Mitarbeiter des Irakischen Roten Halbmondes, wurden von nicht identifizierten bewaffneten Männern am Morgen des 17. Dezember an ihrem Arbeitsplatz in der irakischen Hauptstadt entführt. Kurz danach forderte Peter Krähenbühl, Einsatzleiter des IKRK, die sofortige und bedingungslose Freilassung des Personals des Irakischen Roten Halbmondes und aller anderen entführten Personen. Dossier Uranwaffen 214 Zeit-Fragen 2006 «Ich fordere jene auf, die die Entführung aus dem Büro des Irakischen Roten Halbmonds begangen habe, alle verschleppten und unbewaffneten Personen sofort freizulassen», sagte er. «Die Arbeiter des Irakischen Roten Halbmondes stellen lebensnotwendige Hilfe bereit für alle Iraker, die in Not sind. Sie tun dies mit Hingabe und Mitmenschlichkeit. Sie müssen respektiert und unterstützt werden, und es darf ihnen kein Schaden zugefügt werden.» Die Mitarbeiter des Irakischen Roten Halbmondes sind klar zu identifizieren durch das Emblem des Roten Halbmondes. Das Personal, das für dies humanitäre Organisation arbeitet, steht unter besonderem Schutz des internationalen Humanitären Rechts. Nr. 51, 18. Dezember 2006, Seite 9 – 11 «Das Leid ist länger als die Ewigkeit» von einer Zeugin der Zeit* «Wir haben die Verantwortung, alles zu tun, was wir können am Menschen und für Menschen, ob wir sie kennen oder nicht.» Albert Schweitzer Das Zitat von Albert Schweitzer ist gewiss vielen bekannt. Die Frage ist nur: Wie kommt ein Mensch zu diesem Weg? Wie kommt er dazu, so zu denken und so zu handeln? I. Ich bin geboren in Vojvodina, einer Region in Nordserbien, in der Nähe von Novi Sad an der schönen «grauen» Donau. Ich bezeichne mich noch immer als eine Jugoslawin – «jug» heisst in meiner Muttersprache «Süden», und so sehe ich mich immer noch als Mitglied «Süd»-Slawiens. «Man bedenke, dass abgereichertes Uran ein radioaktives Element ist, das eine Halbwertszeit von 4,5 Milliarden Jahren hat. Wenn es in den Gebieten bleibt, dann für ewig. Unser Ziel war es, das wegzuräumen, die Gefahren zu begrenzen und zu verhindern, dass abgereichertes Uran zu einer Gefährdung wird, in die Nahrungskette, das Grundwasser gelangt und damit die Bevölkerung, die Tiere und den ganzen Lebensraum bedroht. Und natürlich haben wir Berichte der Nato, dass eine Sanierung der verseuchten Gebiete nicht erforderlich sei, nicht akzeptiert, weil wir der Meinung sind, dass es sich um radioaktive Munition handelt, die vielerlei Erkrankungen bei der Bevölkerung verursachen kann, und dass diese Gefahr immer bleiben wird.» Oberst Predrag Manojlovic, Generalstab der serbischen Armee, atomare und biochemische Abwehr Quelle: Dokumentarfilm «Deadly Dust» von Frieder F. Wagner Meine Eltern stammen aus Bosnien und Herzegowina. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, war mein Vater erst 13 Jahre alt. Das ganze Dorf, in dem seine Familie gelebt hatte, wurde verbrannt, und sie mussten in die Wälder fliehen. Ein Onkel nahm meinen Vater mit Dossier Uranwaffen 215 Zeit-Fragen 2006 und sagte: «Wenn wir schon im Wald leben müssen und nichts mehr haben, dann können wir auch kämpfen!» und sie schlossen sich der Volksbefreiungsarmee an. So hat mein Vater schon als Kind vier Jahre lang im Krieg sein Leben riskiert, in der Hoffnung, sein Heim wiederzubekommen, und in der Hoffnung, dass sein Land befreit wird. Nach dem Krieg waren in Bosnien zahlreiche Städte und Dörfer zerstört, so dass mein Vater, wie viele andere, zwar frei war, aber kein Zuhause mehr hatte. 1945, nach einem Beschluss der Regierung, haben die Deutschen aus Vojvodina, die sich Donauschwaben nannten, das Land verlassen müssen. So wurden die Leute aus den verwüsteten Gegenden Jugoslawiens nach Vojvodina geholt und in leere Dörfer und Kleinstädte umgesiedelt. Meine Familie kam in ein schönes Haus, das vorher einer deutschen Familie gehört hatte. Keiner von uns fühlte sich darin wohl – denn was für ein beklemmendes Gefühl war das, jahrelang gegen die Deutschen unter Lebensgefahr gekämpft zu haben und nun in einem ihrer Häuser leben zu müssen! Auch wir Kinder spürten, dass etwas Seltsames, Grausames aus der Vergangenheit in der Luft lag. Unsere Kindheit war von schrecklichen Kriegsgeschichten geprägt, die wir nur schwer verarbeiten konnten, und wir erfuhren von den Deutschen, die unser Land zerschlagen hatten. Nie wieder Krieg! Meine Eltern haben erst nach mehreren Jahren das Haus verkaufen und in einer nahegelegenen Stadt an der Donau ein neues kaufen können. «Es wird nie wieder Krieg geben», hat mein Vater gesagt. «Wir haben nicht umsonst gekämpft.» Nie wieder Krieg! – das war auch meine Devise. Aber dafür muss der Mensch etwas tun, und mit 14 wusste ich damals noch nicht, was. Nach meinem Abitur ging ich nach Belgrad, um dort zu studieren. Bevor ich mein Studium anfing, fuhr ich eines Tages zu meiner Tante nach Belgrad, um mich in der Stadt umzusehen und die Universität kennenzulernen. Das war am 21. August 1968. Schon im Bus erreichte mich über das Radio die Nachricht, dass sowjetische, polnische, ungarische und bulgarische Truppen mit Panzern in Prag einmarschierten. Gleichzeitig wurde im Radio zu einer Friedensbewegung aufgerufen: Alle, die gegen diese Intervention waren, sollten zum Marx-und-Engels-Platz kommen. Meine Entscheidung traf ich sofort, und nach einer Stunde erreichte ich den Platz, wo bereits über 150 000 Menschen versammelt waren. Alle protestierten gegen diesen Einmarsch, gegen die Bewaffnung, gegen den Krieg. Viele Professoren und Studenten hielten Reden – und einer von ihnen sagte etwas, was ich nie vergessen werde: Immer in der menschlichen Geschichte habe es Kriege gegeben und Menschen, die bereit waren, mitzumachen und andere zu töten. Aber es habe auch immer Menschen gegeben, die alles getan haben, um gegen den Krieg zu kämpfen und sich für den Frieden einzusetzen. Darum sei es sehr wichtig zu wissen, auf welcher Seite man stehe. «Am Anfang wurde erzählt, dass André an einer schnell verlaufenden MenningkokkenSepsis gestorben ist, und im Laufe der Jahre habe ich aber festgestellt, dass das nicht stimmt. Ich glaube nicht, dass die Todesursache, die der Bundeswehr-Pathologe Dr. Kraft aufgeschrieben hat, dass die den Tatsachen entspricht. Aus den Unterlagen, die ich dann gesehen habe, habe ich einen Erstbefund von einem Oberstabsarzt Dr. Henning Schulz gefunden, da war von einer Hirnhautentzündung oder Menningkokken-Sepsis überhaupt nicht mehr die Rede. Daraufhin habe ich den Entschluss gefasst, Strafanzeige zu stellen. In dieser Strafanzeige habe ich auch eindringlich gebeten, eine Exhumierung meines Sohnes vorzunehmen, um die endgültige Todesursache und die Krankheit, an der mein Sohn gestorben ist, zu ermitteln. Eine solche Exhumierung wurde aber per Gerichtsentscheid abgewiesen. Das Dossier Uranwaffen 216 Zeit-Fragen 2006 verstehe ich nicht. Es muss doch einen Grund geben, warum meinem Anwalt und mir in 5 Jahren nicht gestattet wurde, die Originalakten einzusehen? Warum darf meine Familie nicht die wahre Todesursache erfahren?» Udo Horn, Vater des Bundeswehr soldaten André Horn, der am 31.1.2001 in Prizren verstarb. André Horn gehörte zu den Kfor-Truppen der Bundeswehr in Kosovo. Quelle: Dokumentarfilm «Deadly Dust» von Frieder F. Wagner Auf welcher Seite ich stehen wollte, dass wusste ich nun gewiss – Nein zum Krieg! Damit stand mein Weg fest. Nach dem Studium habe ich einen Deutschen geheiratet und zog nach München. Ich erlebte hier gute und schöne Jahre: den Aufschwung und die Entwicklung Europas, eine blühende Kultur, ruhige Zeiten des Friedens – bis 1991. Da begannen die Kriege in meiner Heimat und mit ihnen eine menschliche Katastrophe. Mein Traum «Nie wieder Krieg!» wurde zerstört. Für viele war das ein Schock und für mich der Beginn einer schlimmen Zeit. Jeden Tag bangte ich um das Leben meiner Familie und versuchte zusammen mit meinen Landsleuten in Deutschland, Verwandten und Freunden in Jugoslawien zu helfen, so gut es ging. Täglich erlebten wir einen furchtbaren Medienkrieg und wurden mit Lügen und politischen Intrigen konfrontiert. Serbien wurde als Sündenbock dargestellt, und gegen diese öffentliche Meinung waren wir machtlos. Unsere Versuche, die Wahrheit zu zeigen, scheiterten. Sehr schwer war für mich, dass keiner meiner deutschen Freunde und Bekannten fragte, worum es bei dem Krieg geht und vor allem – wie es mir und meiner Familie geht. Als ich schon die Hoffnung verloren hatte, irgendein tröstendes Mitgefühl oder Unterstützung zu bekommen, lernte ich einen deutschen Kollegen kennen, der mich als erster fragte, was er für mich und meine Landsleute tun könne. Er erzählte mir, dass es noch viele Menschen gebe, auch in Deutschland, die den Frieden wünschten und sich für ihn engagierten. Dies war ein Lichtblick in meinem Leben, eine Wende, denn es gab mir die Hoffnung wieder und die Kraft, nicht aufzugeben. «In der Nähe gab es eine Reparaturwerkstatt der serbischen Armee. Diese Gegend wurde am häufigsten bombardiert. Und auch das Zentrum wurde oft bombardiert. Was wussten wir einfachen Leute denn, worum es ging? Dass hier aber etwas nicht stimmte, hat uns ein Fall bewiesen: Ein kleines Mädchen hat in einem Bombenkrater gespielt, und anschliessend fielen ihr alle Fingernägel ab. Sie wurde ins Militärkrankenhaus nach Belgrad gebracht zu weiteren Untersuchungen. – Offensichtlich war etwas in der Kratererde, was das verursacht hat. Das ist alles so schrecklich!» Bürgerin von Hadzici Quelle: Dokumentarfilm «Deadly Dust» von Frieder F. Wagner II. SFRJ – Sozialistische Föderative Republik Jugoslawiens, so hiess das Land damals. Es war ein Vielvölkerstaat mit fast 24 Millionen Einwohnern. Serben, Kroaten, Montenegriner, Bosnier, Makedonier, Slowenen, Ungarn, Albaner, Deutsche, Bulgaren, Italiener, Slowaken, Tschechen, Türken, Roma und Sinti – alle diese Völker lebten in Frieden zusammen und pflegten ihre jeweiligen Muttersprachen in den Schulen und Universitäten. Von allen sozialistischen Ländern spielte Jugoslawien eine besondere Rolle. Denn nach dem Krieg ging Tito aussen- und innenpolitisch einen eigenständigen Weg. 1948 hat er sich nach einer Auseinandersetzung mit Stalin von der Sowjetunion gelöst und das Land Dossier Uranwaffen 217 Zeit-Fragen 2006 sowohl dem Osten als auch dem Westen gegenüber in gleichem Masse geöffnet. Er setzte durch, dass die Währung (Dinar) konvertierbar war und wollte sich keinem Pakt, weder einem westlichen noch östlichen, anschliessen. 1961 wurden von Tito, Nasser, Nehru und Sukarno die blockfreien Staaten gegründet. Die erste Konferenz fand in Belgrad statt. Da Tito gute Beziehungen zu zahlreichen Ländern in aller Welt pflegte, hatte Jugoslawien auch wirtschaftlich eine gute Position inne. Es war eine erfolgreiche Industriemacht; in den 60er und 70er Jahren betrug das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes im Durchschnitt 6%. Fast alle Menschen hatten eine Arbeit, jeder konnte günstige Kredite bekommen und sich ein Haus oder eine Wohnung leisten. «Neben unseren grossen speziellen Einrichtungen, die sich alle mit den verschiedenen Aspekten dieser Thematik befassen, erhalten wir jedes Jahr von der serbischen Regierung sogenannte ‹Jährliche Statistiken›. Momentan beschäftigen wir uns besonders mit dem Uran 238 und wie stark dieses Uran auf uns einwirkt. Die serbische Industrie ist in den letzten 10 Jahren durch den Krieg, durch Sanktionen und durch alles mögliche völlig ausgelöscht worden, so dass seit dieser Zeit keine Emission gefährlicher Chemikalien durch die Industrie in unser Ökosystem möglich war. Aber die Belastungen, die uns physisch betrachtet seit Tschernobyl betreffen, haben sich in der Natur durch das Uran 238 der Uranwaffen deutlich verstärkt, so dass es hier jetzt eine zusätzliche grosse Belastung gibt. Deshalb beobachten wir die Risikogruppen Kinder und alte Menschen sehr genau. In den letzten 5 Jahren sind die Todesfälle von bösartigen Krebserkrankungen drastisch auf 9 Prozent gestiegen. Unsere Prognosen sagen, dass diese Zahl in den kommenden 10 Jahren auf 20 Prozent steigen wird.» Dr. Radomir Kovacevic, Institut für Arbeitsmedizin und Strahlenschutz, Belgrad, Arzt und Wissenschafter Quelle: Dokumentarfilm «Deadly Dust» von Frieder F. Wagner Das Schulsystem funktionierte sehr gut. Jeder Schüler und Student bekam bei Bedarf finanzielle Unterstützung vom Staat, so dass es jedem gewährleistet war zu studieren, und die Schulprogramme hatten ein hohes Niveau. Im ganzen Land lag die Alphabetisierungsrate bei 91%. Viele jugoslawische Professoren hatten an den Universitäten Frankreichs, Deutschlands und anderer Länder unterrichtet, so dass die westliche Weltanschauung niemandem fremd war. Jeder Schüler bekam die Gelegenheit, in die Berge und ans Meer zu fahren. Es gab zahlreiche internationale Ferienlager, bei denen die Jugendlichen Kontakt zu ausländischen Gleichaltrigen hatten. Auch das Gesundheitswesen war gut ausgebildet. Die Menschen waren versichert und wurden in jedem Krankheitsfall gut versorgt. Die Krankenhäuser besassen die neuesten technischen Geräte und kompetente Ärzte, die zum grossen Teil im Ausland studiert hatten und in Jugoslawien als gefragte Spezialisten arbeiteten. Sogar aus dem Ausland kamen Leute nach Jugoslawien, um Medizin zu studieren, und förderten so den internationalen Wissensaustausch. Nach Titos Tod begann die wirtschaftliche Krise im Land. Das Bestreben des Westens, Jugoslawien und andere osteuropäische Länder in eine marktorientierte und globale Wirtschaft einzugliedern, scheiterte. Die aufgenommenen Kredite führten zu einer immer grösseren Verschuldung. Viele Firmen gingen bankrott, die Arbeitslosigkeit stieg. Nach einer westlichen «Wirtschaftshilfe» und einer langen Zeit des Krieges, des Embargos und des Zerfalls des Landes war die wirtschaftliche und industrielle Grundlage zerstört. Über den Krieg von 1991 bis 1999 wurde schon viel berichtet, so dass ich an dieser Stelle nichts mehr darüber zu sagen brauche. Wie jeder Krieg war auch dieser grausam. Er erschütterte die Menschen in meiner Heimat und kostete viele das Leben. Für mich und mei- Dossier Uranwaffen 218 Zeit-Fragen 2006 ne Landsleute war es noch dazu sehr schmerzhaft mitzuerleben, wie die Medien das Geschehen einseitig – zugunsten der westlichen Sichtweise – darstellten und die Serben als Alleinschuldige darstellten. Das lief nach dem bekannten Rezept – wie in Afghanistan, im Irak und überall dort, wo sich der Westen eingemischt hat. Der Krieg gegen Serbien war rechtswidrig, bewusst geplant mit Intrigen und gefälschten Daten. Das Land und seine Menschen wurden systematisch zerstört, so dass das Leben dort heute überhaupt nicht mehr das ist, was es früher einmal war. Nach dem Krieg: Der Tragödie endloser Teil III. Das Ende des Krieges bedeutete leider nicht das Ende des menschlichen Leids. Für viele Menschen, die überlebt haben, begann die wahre Katastrophe erst nach dem Krieg. Nach dem Krieg beobachtete man in den Gegenden, in denen bombardiert worden war, ungewöhnliche Dinge in der Natur: Mitten im Sommer wurden die Blätter der Bäume braun und fielen ab, ganze Wälder waren kahl. Tomaten bekamen kurz vor der Ernte dunkle Flecken und waren nicht mehr zu gebrauchen, ebensowenig wie viele andere Gemüse- und Obstsorten. Die Vegetation begann unnatürlich zu sterben. «Nachweisbar haben wir herausgefunden, dass die Anzahl der Leukämieerkrankungen in der Bevölkerung dieser Region jetzt viel grösser ist als vor dem Krieg. Die Anzahl bestimmter Bluterkrankungen ist fünf- bis sechsmal höher als vor den Kriegsereignissen in diesem Gebiet. Wir sind sicher, dass die Ursache der vermehrten Krebserkrankungen das abgereicherte Uran ist. Diese Erkrankungen kommen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen vor. Ein charakteristischer Fall geschah 1995: Zwei Personen, ein 4 Jahre altes Kind und ein 24jähriger junger Mann, standen nebeneinander, als in unmittelbarer Nähe bombardiert wurde. Beide sind innerhalb von anderthalb Jahren an Leukämie erkrankt und gestorben. Dass wir uns richtig verstehen: Wir kennen alle Plätze, wo bombardiert wurde. Auf der Jahorina z. B. standen Radaranlagen aus Beton, die mit keiner anderen Munition vernichtet werden konnten als mit abgereicherter Uranmunition. Hier bei uns die Hangars in Hadzici auch. Von diesen Orten kamen die ersten Patienten. Wir haben einen Patienten aus Jahorina Potok gehabt, der innerhalb von 6 Monaten plötzlich einen sich rasant entwickelnden Lungenkrebs bekommen hat. Wir konnten nicht begreifen, wie schnell diese Erkrankung fortschritt. Dieser Patient war 100 Meter entfernt von dem Platz, der bombardiert wurde. Es ist also logisch, dass Uranmunition die Ursache war und nichts anderes. Bei jedem Patienten, der uns aufsuchte, haben wir registriert, aus welchem Gebiet er kam. Das waren Menschen, die unmittelbar aus den bombardierten Gebieten kamen. Ein Patient, dessen Unterlagen wir nach Vinca (Nuklearzentrum bei Belgrad) weitergeleitet haben, kam auch aus Jahorina. Er hatte sich nur 50 bis 100 Meter entfernt von einer bombardierten Stelle aufgehalten. In Vinca wurde bewiesen, dass er radioaktiv verseucht war. Und womit sollte er sonst verseucht sein als mit radioaktivem Uran aus der eingesetzten Munition?!» Dr. Slavko Zdrale, Direktor Kasindo-Krankenhaus Sarajevo, Arzt und Wissenschafter Quelle: Dokumentarfilm «Deadly Dust» von Frieder F. Wagner Das öffentliche Leben geriet in ein Chaos: Das Schulsystem funktionierte nicht mehr gut, die Lehrer waren und sind immer noch unterbezahlt, die Klassenräume konnten im Winter nicht geheizt werden, unzählige Stunden fielen aus. Hoffnungslosigkeit und Aggression breiteten sich mehr und mehr unter den Jugendlichen aus. Viele begannen Drogen zu Dossier Uranwaffen 219 Zeit-Fragen 2006 nehmen, und die Kriminalität stieg rapide an. Auch die sogenannten Gewaltspiele für den Computer, die man auf dem Schwarzmarkt erwerben konnte, zeigten bald ihre negative Wirkung. Menschen wurden arbeitslos und hatten grosse Schwierigkeiten, neue Arbeit zu finden. Firmen und Unternehmen mussten schliessen oder wurden korrupt, ebenso wie die Politik. Der Westen hat immer versucht, eigene Leute an die Macht zu bringen, doch die aufgezwungene Demokratie trug nicht ihre Früchte. Und besonders schlimm litt das Gesundheitswesen an den Folgen des Krieges. Krankenhäuser sind durch die Bombardements zerstört worden, und selbst wenn sie noch unversehrt waren, waren sie nur noch eine leere Hülle. Denn es fehlten die nötige Ausstattung, wichtige Apparate wie Spaltlampen und EKG-Geräte. Nichts konnte mehr gekauft werden, die Apparate veralteten oder gingen kaputt. Selbst kleinste Dinge hat man heute nicht mehr: steriles Verbandszeug, Bettdecken und Kissen, frische Handtücher, Einwegspritzen, noch nicht einmal genug Strom. In Banja Luka musste man einmal bei fast Null Grad Celsius operieren. Die Wände des provisorisch gebauten Montagekrankenhauses waren schlecht isoliert, und die Zentralheizung heizte nicht, da die Stadt keine Kohle mehr hatte. Als man ein paar kleine Heizkörper an Steckdosen anschloss, versagte die Stromversorgung im Operationssaal. Das kostete einige Menschen das Leben. Und das alles zu einer Zeit, in der die Menschen das ärztliche Versorgungssystem mehr brauchten denn je. Denn schlagartig kamen immer mehr Leute in die Krankenhäuser. Die Diagnosen: Leukämie, bösartige Gehirntumore (auch bei Kindern), Schilddrüsenkrebs, Diabetes. Dr. Stojan Radic, Direktor des Krankenhauses und Professor der medizinischen Fakultät in Nis, sagt, dass vor dem Krieg alle zwei Wochen eine an Schilddrüsenkrebs erkrankte Person registriert wurde, heutzutage seien es im Durchschnitt drei Personen pro Woche. «Krieg auf dem Balkan» Im November 1996 wurde darüber berichtet, dass in Ex-Jugoslawien etwa 1000 Kinder an einem Syndrom unbekannter Ursache litten: Kopf-, Unterbauch- und Muskelschmerzen, Atemnot und Schwindel. Über 600 Kinder seien bisher in Krankenhäuser eingewiesen worden. Im Dezember 1997 und Januar 1998 wird in bosnischen Medien darüber berichtet, dass es in einigen Gebieten vom früheren Jugoslawien zu einem dramatischen Anstieg von Leukämie, Krebsbildung und missgebildeten Neugeborenen gekommen sei. Eine seltsame Massenerkrankung habe auch die Kühe erfasst: Die Milchproduktion sinke vielfach rapide und versiege teilweise ganz. Der Blutanteil in der Milch sei oft so hoch, dass sie für den menschlichen Genuss nicht mehr zu gebrauchen sei. In einigen Fällen seien auch bei Kühen Missgeburten registriert worden: Ohne Haut an den Füssen, ohne Klauen oder Zunge, eine genetisch bedingte Veränderung, die auch bei anderen Säugetieren beobachtet worden sei. In Bosnien zeigten sich zudem Veränderungen in der Vegetation: Es gäbe sehr wenig Früchte, die missgebildete Formen zeigten. Zudem bilde sich ein merkwürdiges Moos. Nach Untersuchungen des Nuklear-Forschungsinstituts in Vica habe die radioaktive Strahlung nach den Nato-Bombardierungen durch Anwendung von Uran-Munition (DU) gefährlich zugenommen.» Aus einem demnächst erscheinendem Bildband von Prof. Dr. med. Siegwart-Horst Günther, Präsident Gelbes Kreuz International und Vizepräsident Albert Schweitzer World Academy of Medicine, Warschau All diese Krankheiten häufen sich in einem Masse, dass die Praxen und Krankenhäuser überfüllt und die Ärzte machtlos sind. Die Kranken konnten und können nicht mehr ausreichend versorgt werden, man muss sie ihrem Schicksal überlassen. Die Wartezeiten für Dossier Uranwaffen 220 Zeit-Fragen 2006 eine Kernspintomographie betragen oft bis zu acht Monate. Im Ernstfall erlebt der Patient den Termin nicht mehr. In Mrkonjic Grad (Bosnien), einer Provinzstadt, zu deren Gemeinde noch 25 Dörfer zählen und wo man in höheren Massen Diabetes und Augenkrankheiten registrierte, fehlte eine Spaltlampe, um Grunddiagnosen stellen zu können. In Doboj versuchte eine Ärztin vergeblich zu beweisen, dass sie im Krieg Blutkonserven bekam, die mit Hepatitis C infiziert waren. Da man im Krieg viel operieren musste, sind jetzt viele Menschen mit Hepatitis C infiziert, die nicht ausreichend behandelt werden können. In Belgrad und Novi Sad mangelt es an der nötigen Grundausstattung wie Betten und Medikamenten. Ebenso schlimm ist die Lage in Südserbien und in Kosovo. Zwar gibt es Privatambulanzen und -praxen, doch die kann sich kaum jemand leisten. In Nis suchten die Ärzte Hilfe und verlangten, dass Luft, Wasser, Erdboden usw. untersucht werden. Sie vermuteten nämlich, dass die Bestrahlung durch abgereichertes Uran (DU) diese Zustände verursacht hat. Von westlichen Ländern wurde dieses Gesuch mit der Begründung abgelehnt, dass die Vermutung nicht beweisbar sei. Trotz dieses Verbots wurden Untersuchungen in Serbien gemacht und Statistiken geführt. Die Ergebnisse hat man in der Zeitschrift Danas veröffentlicht. Experten in Nis sehen sich in ihrer Annahme bestätigt, dass die Erkrankungen eine Folge der Nato-Bombardements von 1999 seien, bei denen insgesamt 35 Tonnen DU abgeworfen worden waren. Sie sind der Ansicht, dass man im Jahr 2020 in Serbien, besonders in Kosovo und Metohia, eine «Explosion» an Krebserkrankungen erwarten könne und dass die Lebenserwartung der Menschen in Serbien stark sinken werde. Die Anzahl der an Krebs erkrankten Menschen steigt bereits kontinuierlich seit dem Krieg. Jährlich erkranken in Serbien ungefähr 32 000 Menschen an bösartigen Tumoren, ungefähr 18 500 sterben. In den Jahren zwischen 1990 und 2002 sei die Krebssterberate um 28% in Zentralserbien gestiegen, sagt Lukic. Und das eigentliche Problem sei, dass das radioaktive Uran erst nach 4,5 Milliarden Jahren zur Hälfte zerfalle – so kann man sagen, dass das Leid der Menschen länger ist als die Ewigkeit. Aber nicht nur das Uran ist gefährlich, auch andere giftige und krebserregende Substanzen, die beispielsweise in Öl zu finden sind, das aus zerstörten Trafostationen in Bor und Kragujevac ausgelaufen ist. Auch bei den bombardierten Raffinerien in Nis, Pancevo und Novi Sad ist ähnliches passiert – das Öl, insgesamt über 150’000 Tonnen, lief in die Donau und andere Flüsse und verseuchte die gesamte Umgebung. Ein Grossteil der Stoffe wird für immer im Erdboden abgelagert sein, sagt Dr. Nedeljkovic. Die höchste Zahl der Erkrankten ist in Belgrad zu verzeichnen und die geringste in Südserbien. Allerdings hat das nichts mit der realen Anzahl der Kranken zu tun, sondern mit den Möglichkeiten, diese Personen statistisch zu erfassen. In Nordserbien ist die Technik zur statistischen Erfassung viel besser entwickelt, und ausserdem begann man erst vor kurzem, die an Krebs erkrankten Menschen in Kosovo und Metohia zu registrieren. Das tatsächliche Ausmass der Katastrophe lässt sich also noch lange nicht messen. Auf meine Frage hin, wie es den Menschen in Belgrad gehe, sagte meine Freundin treffend: «Alle Menschen auf der Welt atmen, um zu leben, und die Serben atmen, um zu sterben.» Sogar die Tierärzte klagen über ungewöhnliche Krankheiten bei Tieren. Diese kommen mit schrecklichen Missbildungen zur Welt, wie es sie vor dem Krieg bei weitem nicht in dieser hohen Anzahl gegeben hat. Pflanzen, Tiere, Menschen – die gesamte Lebenswelt ist unwiderruflich zerstört. Alle sind sich einig, dass die Produktion der uranhaltigen Waffen unbedingt gestoppt werden muss. Die Folgen sind schon jetzt sichtbar, aber das verheerende Ausmass wird erst in einigen Jahren richtig offensichtlich werden. «Wir waren überzeugt, dass man die Uranmunition hier nicht anwenden würde. Wir haben gedacht, dass es nur ein kleiner Krieg wird. Heute sehe ich, dass es ein gut vorbereiteter Krieg war, dreckig und heimtückisch, und dass wir nur Spielfiguren waren, an de- Dossier Uranwaffen 221 Zeit-Fragen 2006 nen man alles ausprobieren konnte. Oder man wollte etwas loswerden, wovon man zuviel hatte. Mein Verdacht, dass Munition mit abgereichertem Uran verwendet worden war, wurde sehr schnell bestätigt, nachdem die ersten nicht identifizierten Teile in mein Büro gebracht wurden. Manche Geschosse waren nicht explodiert, möglicherweise waren es einige Serien, die nicht getroffen hatten. Diese Geschosse lagen verstreut neben zerstörten Objekten auf dem Beton, auf dem die Fahrzeuge gestanden hatten. Nach der Bombardierung, als ich das erste Mal hier rein gegangen bin, habe ich ein ganz eigenartiges Gefühl empfunden, ein Gefühl von Wärme, die unnatürlich war. Die nicht bedeckten Teile der Haut fangen an, die Farbe zu wechseln und entzünden sich. Man hat das Gefühl, einer diffusen Wärmequelle ausgesetzt zu sein. Man weiss nicht, wo sie herkommt, es ist unnatürlich, anders. Es ist nicht leicht, dieses Gefühl zu beschreiben.» Mitar Visnic, Ex-Major der serbischen Armee Quelle: Dokumentarfilm «Deadly Dust» von Frieder F. Wagner IV. «Wer in einer solchen Zeit schweigt, verrät seine menschliche Sendung» – Johannes Mario Simmel hat diesen Satz geschrieben und ich finde, er drückt genau das aus, was heute unsere Aufgabe ist: Frieden kommt nicht von alleine, wir Menschen müssen etwas dafür tun. Unsere Erde ist von Menschenhand zerstört worden, Mitmenschen gingen zugrunde. Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Welt auseinanderfällt, wir dürfen nicht schweigen. Und es gibt Menschen, die nicht schweigen, sondern handeln. Viele haben schon geholfen, den Menschen in den betroffenen Ländern ihre schwere Lage leichter zu machen. Ein Beispiel aus neuester Zeit kann ich hier mit Freude nennen: In Mrkonjic Grad (Bosnien) fehlte in einem Krankenhaus eine Spaltlampe. Die Ärzte hatten nicht die Möglichkeit, ihre Patienten zu untersuchen und ihnen zu helfen. Menschen in Deutschland und in der Schweiz haben sich eingesetzt, dieses Gerät zu besorgen. Die Ärzte können ihr Glück immer noch nicht fassen. Sie bedanken sich bei allen, die sie unterstützt haben, von ganzem Herzen. Der Chefarzt sagte mir kürzlich am Telefon, selbst wenn sie die Spaltlampe nicht bekommen hätten, hätte ihnen allein die Tatsache, dass es Menschen gibt, die sich für sie eingesetzt haben, genug Kraft gegeben, weiterzukämpfen und nicht aufzugeben, da sie wüssten: «Wir sind nicht allein.» Schliessen möchte ich mit den Worten John Donnes, eines englischen Schriftstellers. Das Zitat wurde zum Motto meines Lebens, hat mich immer wieder auf meinem Weg begleitet und mich in meinem Tun und meiner Hoffnung stets bestärkt: «Niemand ist eine Insel für sich und völlig allein. Jeder Mensch ist ein Teil des Kontinents, ein Teil der Erde. Wenn ein Stück Land von der See weggespült wird, ist Europa kleiner […]. Und so macht der Tod eines jeden Menschen mich kleiner, denn ich gehöre zur Menschheit. Deshalb frage nie, wem die Stunde schlägt – sie schlägt dir.» • * Der Name der Autorin ist der Redaktion bekannt. Jugoslawien gab ein Beispiel: Neutral und friedlich nach aussen, tolerant und vielfältig im Innern – und dabei immer stolz auf die eigenen, ganz unterschiedlichen Traditionen. Musste es deswegen zerstört werden? (S. 214) Waren schon die zentrifugalen Tendenzen im Innern Jugoslawiens schwer beherrschbar, so mussten sie in dem Augenblick ausser Kontrolle geraten, als die Destruktion von aussen Unterstützung erfuhr. Insbesondere das wiedervereinigte Deutschland spielte eine fatale Rolle, da es in diesem Zerfallsprozess ausgerechnet jene politischen Kräfte Dossier Uranwaffen 222 Zeit-Fragen 2006 unterstützte, die einst mit Nazi-Deutschland kooperiert hatten: die kroatische und die grossalbanische Nationalbewegung und den islamischen Fundamentalismus. (S. 40) Bei den ersten Mehrparteienwahlen in den jugoslawischen Teilrepubliken setzten sich im April 1990 sowohl in Slowenien wie in Kroatien jene Parteien durch, die auf eine Abspaltung von der Föderation zielten. Im Westen sah man zunächst durchaus die Gefahren des Zerfalls der Vielvölkerföderation. Die am 25. Juni 1991 von den beiden Teilrepubliken ausgerufene Unabhängigkeit wurde von der Europäischen Gemeinschaft (EG, 1992 in EU umbenannt) und den USA nicht anerkannt. Der britische Premier John Major bekräftigte: «Das erste Ziel ist, die Föderation in Jugoslawien zusammenzuhalten.» Deutschland, unterstützt von Österreich und dem Vatikan, ging hingegen einen Sonderweg und kündigte an, «sich nicht darin übertreffen [zu] lassen, wenn es darum geht, das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die Minderheitenrechte zu wahren» (Aussenminister HansDietrich Genscher). Im August 1991 sperrte Bonn alle Kredite für den jugoslawischen Gesamtstaat, staatliche Hermes-Bürgschaften wurden nur noch für Slowenien und Kroatien bereitgestellt. Der Bundesnachrichtendienst beteiligte sich im grossen Stil am Waffenschmuggel für die Separatisten, die Kämpfe eskalierten während des Sommers 1991 vor allem in Kroatien. (S. 40ff.) «Vance und Carrington lehnten die deutschen Forderungen entschieden ab. Beide berichteten mir später, dass sie ihren alten Freund und Kollegen Hans-Dietrich Genscher unmissverständlich davor gewarnt hatten, mit der Anerkennung Kroatiens eine Kettenreaktion auszulösen, an deren Ende ein Krieg in Bosnien stünde. Eine Anerkennung Kroatiens würde Bosnien dazu zwingen, dem Beispiel zu folgen und sich ebenfalls für unabhängig zu erklären», berichtet der spätere US-Balkanemissär Richard Holbrooke im Rückblick. (S. 41) Die bosnischen Moslems gründeten im Mai 1990 als erste der Volksgruppen eine nationale Partei, Serben und Kroaten zogen erst später nach. […] Die laizistischen Moslems in der Partei standen schon früh unter dem Druck einer Fraktion von Hardlinern, die Izetbegovic um sich geschart hatte. Es waren dieselben Leute, die schon während des Zweiten Weltkriegs den bosnischen Flügel der Jungen Muslime gebildet und nach 1945 illegal weitergemacht und unter anderem die Islamische Deklaration erarbeitet hatten. […] Izetbegovic machte aus seinen Absichten keinen Hehl. 1991 sagte er: «Wenn es jetzt keinen Fundamentalismus gibt, dann heisst das nicht, dass es keinen geben wird. In einem freien und souveränen Bosnien wird es ihn nicht geben, aber wenn es jemandem einfällt, das Land unterwerfen zu wollen, dann wird es nicht nur Fundamentalismus geben, sondern einen Terrorismus, der kein Ende nehmen wird. Zehntausende von jungen Muslimen werden es nicht erlauben, ohne ihre Heimat zu bleiben, und sind bereit, sie mit einem Terrorismus schrecklichen Ausmasses zu verteidigen.» (S. 42ff.) Henry Kissinger urteilt im Rückblick: «Die Anerkennung eines unabhängigen souveränen bosnischen Staates im Jahre 1992 durch die Nato bewirkte nicht die Geburt eines Landes, sondern einen Bürgerkrieg.» (S. 46) Halten wir fest: Nur mit Hilfe des Westens, insbesondere Deutschlands, konnte den separatistischen Kräften die Zerschlagung Jugoslawiens gelingen. Und nur mit Hilfe des Westens, insbesondere der USA, konnten sich in Bosnien die fundamentalistischen Kräfte um Izetbegovic durchsetzen, die nicht einmal in der moslemischen Wählerschaft eine Mehrheit hatten. (S. 47) Beim Bruch des UN-Waffenembargos zugunsten der bosnischen Muslime lassen sich also drei Eskalationsphasen unterscheiden: In den Jahren 1992 und 1993 gibt es vereinzelte Flüge aus dem Sudan, dem Iran und der Türkei. Der Transport der Waffen ins Krisengebiet wird durch das Aufflammen des muslimisch-kroatischen Bruderkrieges ab Jahresende 1992 immer mehr erschwert. Dieser Stillstand wird mit Bildung der Föderation im Frühjahr Dossier Uranwaffen 223 Zeit-Fragen 2006 1994 überwunden. Ab Mai 1994 landen dann monatlich bis zu acht iranische Flugzeuge in Zagreb, auf Adria-Inseln oder in Albanien. Die USA, die den Deal aktiv eingefädelt haben, schauen freundlich zur Seite, sind aber nicht mit eigenem Personal beteiligt. Phase drei beginnt am 10. Februar 1995 mit den Flügen nach Tuzla, direkt in der Nachbarschaft zu den umkämpften ostbosnischen Enklaven Srebrenica und Zepa – und jetzt mischen die US-Amerikaner selbst mit. In manchen Nächten fliegen sechs bis acht Hercules C-130 in Tuzla ein. (S. 93 ff.) Vergessen wir nicht: Alle diese militärischen Lieferungen, aus welchem Land auch immer, waren ein Verstoss gegen das Waffenembargo, das der UN-Sicherheitsrat am 25. September 1991 für das Gebiet des (damals noch bestehenden) Gesamt-Jugoslawien beschlossen hatte. (S. 57) Nun folgt das Finale. Auslöser war ein Massaker mit unklarem Hintergrund in Sarajevo Ende August. Brisant ist in diesem Zusammenhang der Hinweis japanischer Korrespondenten in der bosnischen Hauptstadt, MPRI-Leute [Military Professional Ressources Inc., ein amerikanische Firma, die Privatsöldner in amerikanische Kriege schickt] hätten sich als «Instrukteure für muslimische Sniper» betätigt. Nach dem Blutbad begann die Nato jedenfalls den «bis dahin ersten Militäreinsatz in der 44jährigen Geschichte des Bündnisses» (Präsident Clinton). (S. 104) Ebenso wie in den achtziger Jahren in Afghanistan kämpften die Gotteskrieger auf dem Boden des ehemaligen Jugoslawien mit Unterstützung der USA und anderer Nato-Staaten. Die Muslime galten im bosnischen Bürgerkrieg ebenso wie in Afghanistan als die Guten. Bezeichnungen und Begriffe wie «Blutrausch» (Wirtschaftswoche), «diabolische Perfidie und menschenverachtende Grausamkeit» (Kronen-Zeitung), «Faschismus» («Joschka» Fischer) oder «Auschwitz» (Freimut Duve) waren damals einzig und allein für Serben reserviert. Während viele westliche Analytiker das Bündnis mit den radikalen Fundamentalisten am Hindukusch mittlerweile selbstkritisch sehen, gibt es keine Aufarbeitung der ähnlichen Politik auf dem Balkan, weil sich ihr Grundmuster bis heute fortsetzt: Im Kampf gegen den «grossserbischen Nationalismus» ist für den Westen alles erlaubt, auch das Bündnis mit dem Todfeind, der al-Kaida. (S. 23) Alle Zitate aus: Jürgen Elsässer, «Wie der Dschihad nach Europa kam. Gotteskrieger und Geheimdienste auf dem Balkan». 2005. ISBN 3853263763