Informationsblatt für Arbeitnehmer im (vorläufigen) Insolvenzverfahren

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Informationsblatt für Arbeitnehmer im (vorläufigen) Insolvenzverfahren
Informationsblatt für Arbeitnehmer im (vorläufigen) Insolvenzverfahren
Reitec Industriereinigung & Handelsgesellschaft mbH
Häufig gestellte Fragen und Antworten:
Welche Auswirkungen hat ein Insolvenzantrag bzw. die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
über das Vermögen meines Arbeitgebers auf mein Arbeitsverhältnis?
Weder ein Insolvenzantrag und das ihm folgende Insolvenzantragsverfahren, noch die Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens haben direkte Auswirkungen auf den Bestand bzw. den Inhalt von
Arbeitverhältnissen. Das bedeutet, dass sich die arbeitsrechtlichen Grundregeln nicht ändern. Den Arbeitnehmer trifft weiterhin die Pflicht zur Erbringung seiner Arbeitsleistung, wie den Arbeitgeber weiterhin die Vergütungspflicht trifft. Lediglich im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder im
Falle der Bestellung eines sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht,
ändern sich die arbeitsvertraglichen Verhältnisse dahingehend, dass fortan der (starke vorläufige) Insolvenzverwalter die Arbeitgeberposition einnimmt, diese mithin auf ihn über geht. Im Übrigen gestaltet
sich das laufende Arbeitsverhältnis weiter nach den vereinbarten arbeits- oder tarifvertraglichen Regelungen.
Wie sind meine Arbeitsentgeltansprüche abgesichert. Unter welchen Voraussetzungen bekomme
ich Insolvenzgeld?
Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie zum Zeitpunkt eines Insolvenzereignisses
für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben
(§ 183 SGB III).
Man unterscheidet folgende Insolvenzereignisse:
1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers.
2. Die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse.
3. Die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse
nicht in Betracht kommt.
Hat ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgehenden drei Monate des
Arbeitsverhältnisses (§ 183 Abs. 2 SGB III).
Anspruch auf Insolvenzgeld hat auch der Erbe des Arbeitnehmers (§ 183 Abs. 3 SGB III).
Falls der Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen wurde, ist der Arbeitgeber verpflichtet, einen Beschluss des Insolvenzgerichts über die Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels Masse
dem Betriebsrat oder, wenn ein Betriebsrat nicht besteht, den Arbeitnehmern unverzüglich bekannt zu
geben (§ 183 Abs. 4 SGB III).
Zuständig für die Insolvenzgeldzahlung ist diejenige Agentur für Arbeit, in deren Bezirk die für den
Arbeitgeber zuständige Lohnabrechnungsstelle liegt (§ 327 Abs. 3 SGB III).
Der Antrag auf Insolvenzgeld ist vom Arbeitnehmer bei der zuständigen Agentur für Arbeit innerhalb
einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu stellen (§ 324 Abs. 3 SGB III).
Die Insolvenzgeldbescheinigung hat bei einer Insolvenzeröffnung auf Verlangen der Agentur für Arbeit
der Insolvenzverwalter, bei Abweisung des Insolvenzverfahrens der Arbeitgeber, zu erstellen.
Die Insolvenzgeldvorschriften regeln die Ansprüche der Arbeitnehmer vor dem Insolvenzereignis! Ab
dem Tage einer Insolvenzeröffnung sind die dann entstehenden Ansprüche der Arbeitnehmer aus der
Insolvenzmasse zu begleichen, falls diese hierzu ausreicht.
Können die Personalkosten dann nicht beglichen werden, so müssen die Arbeitsverhältnisse gekündigt
und die Arbeitnehmer freigestellt werden, damit jedenfalls die Ansprüche auf Lohnersatz bei der zuständigen Agentur für Arbeit – hier die Agentur am Sitz des Wohnsitzes des Arbeitnehmers - gestellt
werden können.
Im Falle einer Betriebsfortführung im Insolvenzantragsverfahren und einer hinreichenden Sanierungsaussicht des laufenden Geschäftsbetriebes des schuldnerischen Unternehmens kann der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmung der Agentur für Arbeit das Insolvenzgeld vorfinanzieren. In diesem
Fall treten die Arbeitnehmer ihre laufenden Entgeltanspruche – mithin künftige Insolvenzgeldansprüche
- an eine finanzierende Bank ab. Der vorläufige Insolvenzverwalter zahlt aus dem entsprechend gewährten Kredit die laufende Vergütung an die Arbeitnehmer aus.
Weitere Informationen erhalten Sie bei der Agentur für Arbeit, die Merkblätter für die Gewährung von
Insolvenzgeld bereithält, sowie im Internet unter www.arbeitsagentur.de.
Wie kann ich offene (Entgelt-)Ansprüche in Gestalt von Insolvenzforderungen, die vom Insolvenzgeld(-zeitraum) nicht erfasst werden, geltend machen? Forderungsanmeldung beim Insolvenzverwalter
Unerfüllte Ansprüche, die aus einem länger als drei Monate zurückliegenden Zeitraum resultieren sind
nicht über den Insolvenzgeldanspruch abgedeckt, sondern stellen einfache Insolvenzforderungen gemäß
§ 38 der Insolvenzordnung (InsO) dar. Gleiches gilt in Ausnahmefällen für nicht insolvenzgeldfähige
Teilansprüche, die zwar zeitlich, aber nicht sachlich vom Insolvenzgeldanspruch umfasst werden. In
besonderen Fällen können Insolvenzforderungen auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch
Handlungen des Insolvenzverwalters/Treuhänders entstehen. Dieser kann ohne Rücksicht auf eine längere Kündigungsfrist oder zeitlich fest bemessene Vertragslaufzeit stets mit einer ordentlichen Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Monatsende kündigen, sofern nicht eine kürze Kündigungsfrist Anwendung findet. Wird eine Vertragslaufzeit oder eine längere Kündigungsfrist dadurch verkürzt, so kann der
Arbeitnehmer den daraus entstehenden Schaden als Insolvenzforderung geltend machen (§ 113 InsO).
Diese Forderungen sind nicht beim Insolvenzgericht, sondern beim Insolvenzverwalter/ Treuhänder
schriftlich zur Insolvenztabelle anzumelden.
Form und Inhalt der Anmeldung:
Die Forderungsanmeldung hat schriftlich zu erfolgen. Bei der Anmeldung sind der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben. Mit der Anmeldung sollen die Urkunden, aus denen sich die Forderung
ergibt, in Kopie beigefügt werden.
Alle Forderungen sind in Euro-Beträgen geltend zu machen. Werden mehrere Forderungen geltend gemacht, so ist die Gesamtsumme anzugeben.
Zinsen können als nicht nachrangige Forderungen nur für die Zeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden. Die Zinsen sind vom Gläubiger unter Angabe des Zinssatzes und des
Zeitraumes auszurechnen.
Forderungen, deren Geldbetrag unbestimmt ist, sind mit ihrem Schätzwert anzumelden.
Forderungen in ausländischer Währung sind in inländische Währung umzurechnen.
Bevollmächtigte von Gläubigern sollten der Forderungsanmeldung eine Vollmacht für das Insolvenzverfahren beifügen.
Die Forderungsanmeldung sollte einschließlich der Anlagen in doppelter Ausfertigung eingereicht werden.
Nachrangige Forderungen:
Nachrangige Forderungen (§ 39 InsO) sind:
1. die seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen der Forderungen der
Insolvenzgläubiger;
2. die Kosten, die den einzelnen Insolvenzgläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren
erwachsen;
3. Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen eine
Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten;
4. Forderungen aus einer unentgeltlichen Leistung des Schuldners;
5. Forderungen auf rückgewährtes kapitalersetzenden Darlehens eines Gesellschafters oder gleich
gestellte Forderungen.
Ferner werden Forderungen, für die zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren vereinbart worden ist, im Zweifel nach den in 1.- 5 .bezeichneten Forderungen berichtigt.
Die Zinsen der Forderungen nachrangiger Insolvenzgläubiger und die Kosten, die diesen Gläubigern
durch die Teilnahme am Verfahren entstehen, haben den gleichen Rang wie die Forderungen dieser
Gläubiger.
Die nachrangigen Forderungen sind nur dann anzumelden, soweit das Insolvenzgericht im Insolvenzeröffnungsbeschluss hierzu ausdrücklich auffordert.
Forderungsprüfung:
Die Insolvenzforderungen werden im Prüfungstermin geprüft. Bei nachträglichen Prüfungsterminen und
bei Prüfungsterminen in vereinfachten Insolvenzverfahren kann auf Anordnung des Gerichts die Prüfung auch im schriftlichen Verfahren stattfinden.
Sowohl der Insolvenzverwalter/Treuhänder, der Insolvenzschuldner als auch jeder einzelne Insolvenzgläubiger kann Widerspruch gegen einzelne angemeldete Forderungen erheben.
Bestreiten der Insolvenzforderung:
Ist eine Forderung vom Insolvenzverwalter/Treuhänder oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten
worden, so bleibt es dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen den Bestreitenden zu betreiben.
Liegt für eine bestrittene Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es
dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen.
Ein Insolvenzgläubiger, dessen Forderung nicht festgestellt ist und für dessen Forderung ein vollstreckbarer Titel oder ein Endurteil nicht vorliegt, hat spätestens innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach
der öffentlichen Bekanntmachung über eine Abschlags- oder Schlussverteilung dem Insolvenzverwalter
nachzuweisen, dass und für welchen Betrag die Feststellungsklage erhoben oder das Verfahren in dem
früher anhängigen Rechtsstreit aufgenommen ist.
Ergebnis der Forderungsprüfung:
Das Ergebnis der Forderungsprüfung wird nur dann vom Insolvenzgericht den Insolvenzgläubigern
mitgeteilt, wenn die Forderung ganz oder teilweise bestritten worden ist.
Die Gläubiger, deren Forderungen festgestellt worden sind, werden nicht benachrichtigt.
Nachträgliche Forderungsanmeldungen:
Forderungen, die erst nachträglich angemeldet werden und nicht mehr in dem Prüfungstermin geprüft
werden können, müssen in einem vom Insolvenzgericht anberaumten besonderen Prüfungstermin oder
im schriftlichen Verfahren geprüft werden. Die Kosten hierfür hat der Gläubiger zu tragen (§ 177 InsO
in Verbindung mit Anlage 1 Nr. 5118 Gerichtskostengesetz).
Was geschieht mit meinen Urlaubsansprüchen?
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers berührt den Urlaubsanspruch – mithin den Anspruch auf Freistellung nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) - nicht. Es gelten auch hier die arbeits- bzw. tarifvertraglichen Regelungen, oder im Falle ihres Nichtvorliegens die
gesetzlichen Regelungen des BUrlG. Auch erwirbt der Arbeitnehmer im Insolvenz(-antrags)verfahren
weiterhin Urlaubsansprüche. In Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird der Insolvenzverwalter/Treuhänder Schuldner unerfüllter Urlaubsansprüche. Diese wandeln sich insbesondere nicht in Abgeltungsansprüche oder Insolvenzforderungen. Lediglich Urlaubsabgeltungsansprüche, die bereits vor
Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden waren, stellen im eröffneten Verfahren Insolvenzforderungen dar.
Vom Freistellungsanspruch sind allerdings Ansprüche auf Urlaubsentgelt und zusätzliches Urlaubsgeld
zu unterscheiden. Ihre Forderungsqualität beurteilt sich nach den allgemeinen insolvenzrechtlichen Regeln (§§ 35 ff. InsO). Vor Verfahrenseröffnung entstandene Ansprüche stellen Insolvenzforderungen
dar, die allerdings insolvenzgeldfähig sein können.
Was geschieht mit meinen geleisteten Überstunden?
Freizeitausgleichsansprüche aus geleisteten Überstunden sind grundsätzlich vom Anspruch auf Erholungsurlaub zu unterscheiden. Dies gilt sowohl für den Anspruch auf Freizeitausgleich in Höhe der geleisteten Überstunden (das „Nehmen von Überstunden), als auch für die Abgeltung (das „Auszahlen“
von Überstunden). Es kommt entscheidend darauf an, wann, d. h. in welchem Zeitraum bzw. an welchem Tag die aufgelaufenen Überstunden erarbeitet worden sind.
Es gilt, anders als beim Erholungsurlaub, der allgemeine Grundsatz des Insolvenzrechtes, dass alle vor
dem Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erarbeiteten Überstunden als Insolvenzforderungen
gemäß § 38 InsO zu betrachten sind. Diese können daher im eröffneten Insolvenzverfahren nicht mehr
genommen oder ausbezahlt, sondern lediglich zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Lediglich während des dreimonatigen Insolvenzgeldzeitraumes erarbeitete Überstunden können, sofern diese noch
nicht ausgeglichen wurden, im Rahmen des Insolvenzgeldanspruches gegenüber der Agentur für Arbeit
geltend gemacht oder aber in Wege einer etwaigen Insolvenzgeldvorfinanzierung berücksichtigt und
ausbezahlt werden (s. o.).
Für den Fall der Betriebsfortführung durch den Insolvenzverwalter im eröffneten Insolvenzverfahren
stellen alle ab dem Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahren geleisteten Überstunden hingegen Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 InsO dar, die sodann entsprechend der arbeits- oder tarifvertraglichen
bzw. betrieblichen Regelungen entweder in Freizeit oder in Form der Abgeltung aus der Insolvenzmasse
ausgeglichen werden können, sofern die Insolvenzmasse dazu ausreicht.