Gold in Amerika
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Gold in Amerika
Juanita Sáenz Samper/Marcos Martinón-Torres Gold in Amerika Einführung Gold hat seit den Anfängen der Metallurgie in Amerika eine bedeutende wirtschaftliche, symbolische und religiöse Rolle gespielt. Tausende von Edelmetallobjekten in Museen und Sammlungen in der ganzen Welt, zumeist Schmuck oder zeremonielle Gegenstände, selbst goldene Werkzeuge, sind Zeugen von Bergbau und Metallurgie, die mindestens bis etwa 2000 v. Chr. zurückgehen. Die zahlreichen unterschiedlichen Techniken, die in der Gewinnung und Verarbeitung zum Einsatz gekommen sind, zeigen sich vor allem in der Vielfalt an Gegenständen aus Gold, Silber, Kupfer und ihren Legierungen, auch als tumbaga bekannt; selbst Gold-Platin-Legierungen wurden in den Anden hergestellt. Die Variationsbreite an Metallen, Verarbeitungstechniken und Stilen ist Folge regionaler Anpassungen an unterschiedliche Rohstoffe, aber auch Ausdruck unterschiedlicher kultureller Traditionen. Unsere Kenntnis der Metallurgie der Edelmetalle im präkolumbischen Amerika ist geografisch und technologisch sehr ungleichmäßig verteilt und konzentriert sich für Gold stark auf die Verarbeitungstechniken; relativ wenig hingegen ist über seine Gewinnung bekannt. Dies hat vor allem mit dem Mangel an archölogischen Funden von Werkstätten zu tun, und wird durch das überwältigende Interesse an den schönen Metallobjekten noch verstärkt. Erst in jüngster Zeit gibt es vermehrt technische Studien, die es uns jetzt ermöglichen, einen Überblick über die Grundzüge der Entwicklungen der Goldmetallurgie im präkolumbischen Amerika zu geben. Bray 1990; Lechtman 1988; Arias 2005). Die prähistorischen Metallhandwerker beuteten dort vor allem die reichen Waschgoldvorkommen aus, um natürlich silberhaltiges Gold zu gewinnen, das sie teils in reiner Form und teils auch mit Kupfer legierten. Darin unterschieden sie sich nicht von den Handwerkern der zentralen Anden, die ebenfalls kunstvolle Goldobjekte herstellten (Shimada 1994; Shimada et al. 2000; McEwan/Haeberli 2000; Hörz/Kallfass 2000), wie auch im Norden der Anden und in Mittelamerika neben Goldobjekten auch zahlreiche Kupfergegenstände produziert wurden (Plazas/Falchetti 1985; Falchetti 1997; 2003; Bray 1985; 1992; 2000). Abb. 1: Waschgold aus Kolumbien; Sammlung des Museo del Oro, Bogotá (Foto: Clark Manuel Rodríguez, Banco de la República) Bergbau Die Anden Südamerikas sind vor allem für ihren Reichtum an Kupfer und Silber bekannt, insbesondere im heutigen Chile, Peru und Argentinien; aber auch Waschgold kommt in vielen Andenflüssen vor. Der größte Goldreichtum aber findet sich im Gebiet von Kolumbien und Mittelamerika, wo Kupfervorkommen im Gegenzug eher selten sind (González 2004; 245 Gold in Amerika Abb. 3: Vorspanische Gussform, gebrochen, mit einer Glocke aus GoldKupfer-Legierung. Moderner Guss in antiker Form; Karibische Ebene, Zenu-Region, Kolumbien, 1000-1700 n. Chr., H 58 mm, B 38 mm; Sammlung des Museo del Oro, Bogotá (Foto: Clark Manuel Rodríguez, Banco de la República) Abb. 2: „Wie die Indianer versuchen Gold in den Bergen zu finden wenn es vom Himmel regnet.“ Drake Handschrift „Histoire Naturelle des Indes“, Pierport Morgan Bibliothek; Balding und Mansell, Peterborough, England: f. 99.99v. 1590/1996 Abb. 4: Ein Goldschmied mit Blasrohr schmilzt Gold im Tiegel; aus der Relación de Michoacán, zusammengestellt ca. 1540 von Jerónimo de Alcalá (s. Alcalá 2000) Nur sehr wenig ist über die eigentliche Goldgewinnung bekannt. Da zu vermuten ist, dass vor allem Waschgold gewonnen wurde, ist der archäologische Nachweis davon nur schwer möglich, zumal die meisten Goldseifen kontinuierlich weiter bis in die Neuzeit ausgebeutet wurden (Abb. 1; Mayo et al. 2007). Die umfangreichsten Angaben zum einheimischen Bergbau sind den frühen europäischen Berichten zu entnehmen (Abb. 2). In Panama konnte unlängst durch eine Kombination von archäologischen und ethnohistorischen Forschungen gezeigt werden, dass in Gran Coclé goldreiche Gänge durch Feuersetzen abgebaut wurden, und der Bergbau nicht nur auf Seifengold umging, sondern auch kleine Schächte abgeteuft und durch hydraulische Gewinnung ganze Berge abgetragen wurden. Arbeiten des Kolumbianischen Instituts für Geologie und Bergbau (INGEOMINAS) zeigten, dass hier sowohl Ganggold als auch Seifengold entlang der zentralen und westlichen Bergkette, in Andentälern und in der östlichen Ebene vorkommen, d. h. in mehr als der Hälfte des kolumbianischen Staatsgebietes (INGEOMINAS 2002; Arias 2005), die mit Ausnahme der Vorkommen in der östlichen Ebene bereits durch einheimische Bergleute ausgebeutet werden konnten. 246 Gold in Amerika Abb. 5: Der Bergrücken von Putushio in Südecuador mit dem Werkstattbereich auf dem Gipfelplateau (Foto: Thilo Rehren) Europäische Berichterstatter nennen die Gewinnung von Flussgold als die wichtigste Quelle für das Metall, mit teilweise aufwendigen Kanalsystemen zur Umleitung des Wassers und zum Erreichen der Gold führenden Sande. Weiterhin berichten sie von Gruben, die bis zu 6 m tief waren, und davon, dass Netze quer über die Flüsse gespannt wurden, um Goldnuggets zu fangen. Die Quellen beschreiben auch das Abflämmen von Grasland, um goldhaltige Sande freizulegen, und das Sammeln von Gold aus den Stümpfen umgestürzter Bäume (Sáenz 2008). Archäologische Belege für diese Praktiken fehlen jedoch fast vollständig. Die gewaltige Menge an Gold, die in Amerika gefunden und verarbeitet wurde, steht in keinem Verhältnis zu den fast völlig fehlenden Belegen für Öfen, Tiegel oder Gussformen, die zur Herstellung von Objekten erforderlich gewesen sein müssen. Konkrete Belege für das Schmelzen von Gold liegen nur in einer Handvoll von kleinen Barren, Gussresten, kleinen Tiegelfragmenten und Bruchstücken von Gussformen vor (Abb. 3). Wir wissen daher nur sehr wenig über die Anlagen und Gerätschaften, die zum Schmelzen, Legieren und Gießen von Gold zum Einsatz kamen. Aus dem heutigen Mexiko gibt es bildliche Darstellungen aus der Zeit der ersten Kontakte mit Europäern, in denen einheimische Handwerker Goldobjekte in relativ breiten Tiegeln einschmelzen; dabei sind Metall und Holzkohle in unmittelbarem Kontakt zueinander und der nötige Sauerstoff wird durch Blasrohre zugeführt (Abb. 4; Berdan/Anawalt 1992; Alcalá 2000). Es ist jedoch schwierig zu sagen, inwieweit diese Darstellungen auch für die Verarbeitung von frischem Gold zutreffen und auf Südamerika übertragen werden können. Abb. 6: Ausgegrabener Ofen im Werkstattbereich auf dem Putushio, Ecuador (Foto: Mathilde Temme) Die Anfänge der Goldmetallurgie Die Völker der Anden schätzten an Metallen vor allem deren Brillanz und Farbe; insbesondere Gold wurde mit der Sonne und ihrer Leben spendenden Kraft verbunden (Lechtman 1984). Als edles und unveränderliches Metall diente Gold auch dazu, die Herrscher von dem gemeinen Volk abzusetzen (O’Day 2000). Im Vergleich zur Primärgewinnung von Gold gibt es zahlreiche Studien zur Herstellungstechnik von Goldobjekten. Dabei zeichnen sich zwei große Gebiete ab, in denen unterschiedliche Techniken vorherrschten; nämlich einerseits die mittleren und weite Teile der nördlichen Anden, in denen Metall überwiegend gehämmert wurde, und andererseits das Gebiet nördlich davon bis nach Mittelamerika und Mexiko, wo Gusstechniken vorherrschten. 247 Gold in Amerika Abb. 7a: Gefaltetes Goldblech aus den Werkstattsedimenten von Putushio, Ecuador, L ca. 2 mm (Foto: Thilo Rehren) Abb. 7b: Goldtröpfchen aus den Ofensedimenten von Putushio, Ecuador, max. Durchm. ca. 1 mm (Foto: Thilo Rehren) Der früheste Beleg für die Verarbeitung von Gold in Südamerika liegt in Form von gehämmerten Perlen aus dem südlichen Peru vor. In Jiskairumoko im Becken des Titicacasees wurde eine Kette aus zylindrischen Goldperlen in einem Grab gefunden, das auf rund 2100 v. Chr. datiert (Aldenderfer et al. 2008). Neben diesem außergewöhnlichen Fund gibt es in ganz Südamerika keine weiteren Belege für Goldmetallurgie bis ungefähr 1500 v. Chr. Aus dieser Zeit stammen dünne gehämmerte Bleche aus Gold und Kupfer aus der Siedlung Mina Perdida an der mittleren Küste Perus, die vermutlich zeremonialen Zwecken dienten (Burger/Gordon 1998). Es ist wahrscheinlich, dass hier ähnliche Werkzeuge verwendet wurden wie die Steinhämmer und Ambosssteine, die in Waywaka (ebenfalls in Peru), aus der Zeit von 1000 v. Chr. gefunden wurden (Grossman 1972). Obwohl diese Funde noch keine Hinweise auf das Schmelzen von Gold geben, belegen sie doch, dass hier eine Jahrhunderte alte Erfahrung im Metallhandwerk bestand. Aus der Zeit des Frühen Horizonts, ungefähr von 1500 v. Chr. bis 500 v. Chr., liegen aus einer Reihe von Fundorten in Ecuador und Peru Funde vor, die das Schmelzen und Legieren von Gold belegen; so sind etwa aus dem strategisch gut befestigten Plateau des Putushio-Berges in Ecuador zahlreiche Ofenstellen bekannt, in denen Tröpfchen von kupferhaltigem Gold und Fragmente von Gussformen gefunden wurden (Abb. 5-7; Rehren/Temme 1994). Die dort und anderswo hergestellten frühen Objekte scheinen noch eher einfache Formen gehabt zu haben; das relativ verbreitete Auftreten solcher Funde zeigt aber, dass metallurgisches Wissen zu dieser Zeit bereits verbreitet und auch in kleineren Siedlungen verfügbar war (González 2004). Das Vorherrschen der Kupfermetallurgie in den Anden haben wir bereits erwähnt; so ist es nicht verwunderlich, dass Gold und Kupfer schon früh legiert wurden, um sogenanntes tumbaga herzustellen. Die daraus her- Abb. 8: Querschnitt durch ein Brustschild aus tumbaga, Sierra Nevada de Santa Marta, Nordkolumbien, Nuhange Periode. Elektronenmikroskopische Aufnahme. Die größere Helligkeit der sehr dünnen Oberflächen zeigt den sehr viel höheren Goldgehalt hier als Folge der Auslaugung des Kupfers während des depletion gilding 248 Gold in Amerika Abb. 9: Eine der Masken des „Herrn von Sicán“, Peru, aus gehämmertem Gold und Kupferblech und verziert mit Zinnober, 240 x 490 mm (Foto: Xuan Che) gestellten Objekte wurden regelmäßig durch verschiedene Methoden so behandelt, dass das Kupfer an der Oberfläche herausgelöst und der Kupfergehalt soweit verringert wurde, dass der Eindruck reinen Goldes erweckt wurde (depletion gilding). Die gebräuchlichsten Methoden bestanden darin, durch Erhitzen das Kupfer zu oxidieren und dann durch Einreiben mit diversen sauren Substanzen das Kupferoxid zu entfernen; durch mehrfaches Wiederholen dieses Prozesses wurde das Kupfer oberflächlich ausgelaugt, während eine dünne reine Goldschicht zurückblieb (Abb. 8; Lechtman 1988). Depletion gilding entwickelte sich zu einem charakteristischen Merkmal der präkolumbischen Goldmetallurgie von den mittleren Anden bis nach Mexiko. Ein weiteres Charakteristikum andiner Metallurgie ist das Vorherrschen von Hämmern gegenüber dem Gießen. Die meisten Funde, seien es große Masken oder kleinste Objekte, bestehen aus gehämmerten Blechen, die mechanisch miteinander verbunden sind; anstatt in Wachs modelliert und gegossen zu sein, wurden die Objekte hier zusammengefügt. Dies blieb in den mittleren Anden bis in die Zeit der Eroberung die vorherrschende Verarbeitungsweise (Lechtman 1988). Die Blütezeit in den mittleren Anden Von der Frühen Zwischenperiode an, gegen 900 v. Chr., entwickelten sich vor allem an der Südküste Perus stärker hierarchisch gegliederte Gesellschaften, wie z. B. die Siedlung von Chavín de Huántar mit ihren großen öffentlichen Plätzen und Zeremonialgebäuden. Die Goldobjekte dieser Zeit zeichnen sich durch klar definierte Stile aus, die offenbar sehr speziellen kulturellen Bedürfnissen entsprechen (Bray 1990; 1992). Die Chavín-Tradition mit ihrer formenreichen Ikonografie hatte einen nachhaltigen Einfluss auf spätere metallurgische Entwicklungen. Zur Zeit der Moche (200 v. Chr. bis 700 n. Chr.) war die Gesellschaft noch stärker gegliedert, mit Priestern, Kriegern und staatlichen Beamten, die über eine hochspezialisierte Arbeiterkaste regierten. So spektakuläre Gräber wie die des „Señor von Sipán“, des „Priesters“ oder des „Alten Herrschers“ von Sipán beinhalteten vielfältige, reiche Gold- und Silberobjekte, die das Beste des zeitgenössischen Metallhandwerks repräsentierten. 249 Gold in Amerika Der metallurgische Glanz der Moche entwickelte sich noch weiter in der folgenden Epoche, bekannt als Lambayeque oder Sicán (700 bis 1375 n. Chr.). Das Ausmaß der archäologischen Funde aus dieser Periode zeigt deutlich, dass Metallurgie in dieser Kultur eine nie zuvor gesehene Rolle spielte. Neben der Verdrängung von unlegiertem Kupfer durch Arsenkuper und Zinnbronze sticht die schiere Menge an Edelmetall hervor, die in den monumentalen Gräbern wie dem des „Herrn von Sicán“ mehrere Hundert Kilogramm erreicht und zusammen mit unzähligen Objekten aus Kupfer, edlen Steinen, Muscheln, Stoffen und Federn unermesslichen Reichtum belegt (Abb. 9). Nach wirtschaftlichen und politischen Unruhen, vermutlich ausgelöst durch widrige Klimabedingungen, erobern gegen 1375 n. Chr. die Chimú das Land der Sicán und siedeln Töpfer und Goldschmiede in ihre neue Hauptstadt Chan Chan um. Entsprechend haben die Goldobjekte der Chimú viele stilistische und technische Ähnlichkeiten mit denen der Sicán (Shimada 1995; 1996). Die charakteristischsten Objekte dieser Periode sind dünnwandige Gefäße aus gehämmertem Gold mit anthropomorphem Design, goldene und silberne Ohrringe mit Türkis eingelegt und standardisierte Schmuckgegenstände aus tumbaga (O’Day 2000). Gegen 1440 schaffen die Inka mit ihren Eroberungen ein immenses Reich, von Argentinien bis nach Ecuador im Norden; es zeigte sich aber recht kurzlebig als es 1533 mit der spanischen Invasion zerbrach. Wie auch in anderen Handwerken, so basierte die Inkametallurgie weitgehend auf den Traditionen der Moche, Sicán und Chimú. Chimú-Goldschmiede wurden nach Cuzco, dem Zentrum des Reichs, umgesiedelt; Gold- und Silbergruben unterstanden dem Inka, dem unmittelbaren Abkömmling der Götter. Der Gebrauch von goldenen und silbernen Gegenständen war dem Inka und seinen höchsten Würdenträgern vorbehalten, während kupferne Objekte für das gemeine Volk hinreichend waren (Berthelot 1986; Hörz/Kallfass 2000; Lechtman 1984; 1988). Im Norden: Kolumbien, Mittelamerika und die Karibik Abb. 10: Ohrschmuck aus Gold in Form eines Kondors mit Schnabel aus Platin, Tumaco-La Tolita, Kolumbien, 700 v. Chr. - 350 n. Chr., L 84 mm, B 50 mm; Sammlung des Museo del Oro, Bogotá (Foto: Clark Manuel Rodríguez, Banco de la República) Abb. 11: Hämmer und Ambosse aus Stein, vermutlich zum Herstellen von Blattgold; Sammlung des Museo del Oro, Bogotá (Foto: Clark Manuel Rodríguez, Banco de la República) Parallel zum Metallhandwerk der Moche und Sicán in den mittleren Anden entwickelten die Goldschmiede der Tumaco-La-Tolita-Kultur im südlichen Kolumbien (700 v. Chr. bis 350 n. Chr.) ihre eigenen Techniken und Stile. In ihrem Siedlungsgebiet zwischen Esmeraldas in Ecuador und Buenaventura in Kolumbien beuteten sie ungewöhnliche Seifenvorkommen aus, in denen Gold und Platin nebeneinander vorkamen. Durch selektives Sintern der unschmelzbaren Platinkörner in eine Goldunterlage nutzten sie die unterschiedlichen Farben der Metalle aus, um goldene und silberne Teile in Form von Katzen, Fabelwesen aus Mensch und Tier, und in geometrischen Motiven zu kombinieren (Abb. 10; Bergsøe 1937; Scott/Bouchard 1988). So konnten die Goldschmiede der Tumaco die stilistischen und ikonografischen Muster ihrer südlichen Nachbarn aufnehmen, obwohl ihr Land keine Vorkommen an Silber aufwies (Patiño 1997; 2003). 250 Gold in Amerika Abb. 12: Menschenförmige Brustplatte in Form eines Fledermausmannes, tumbaga mit vergoldeter Oberfläche, Sierra Nevada de Santa Marta, Tairona-Periode, Nordkolumbien, 900 - 1600 n. Chr., 106 x 113 mm; Sammlung des Museo del Oro, Bogotá (Foto: Clark Manuel Rodríguez, Banco de la República) 251 Gold in Amerika Die südliche Tradition des Hämmerns, Treibens und mechanischen Verbindens von Goldblech erreichte auch die Kulturen im Süden Kolumbiens. Die Herren von Malagana und der Calima-Region (200 v. Chr. bis 1200 n. Chr.) wurden in Gräbern bestattet, die zwar nicht so monumental und eindrucksvoll waren wie die des „Señor von Sipán“, ihm aber in ihrem Metallreichtum in nichts nachstanden: riesige Umhänge, Pinzetten, Diademe, Kronen, Nasenringe, Halsketten und anderes wurde zusammen mit außergewöhnlicher Töpferware den Gräbern beigegeben. Die Beigaben dieser Region umfassen auch kleine Hämmer und Unterlagen aus Stein (Abb. 11), die den Goldschmieden gut als Werkzeuge gedient haben können. Einige Funde der Calima-Region, datiert auf etwa 200 v. Chr., zeigen den Gebrauch des Gusses in verlorener Form, einschließlich des Angussverfahrens, um zweifarbige Objekte aus Gold und tumbaga herzustellen. Der hier sichtbare Stand an metallurgischem Wissen macht deutlich, dass es frühere Wurzeln dieser Technologie gegeben haben muss, obwohl diese bislang archäologisch nicht nachgewiesen sind (Bray 2000; Bray et al. 2005). Auch das Goldhandwerk der Nariño-Kultur, angesiedelt im Hochland zwischen Kolumbien und Ecuador, zeigt deutliche Einflüsse aus dem Süden. Seine Urspünge können zwar archäologisch nicht weiter als ungefähr 1400 v. Chr. zurückverfolgt werden, aber es hat Außergewöhnliches geschaffen. Insbesondere kupferreiche tumbaga-Legierungen wurden zu Schmuck, Musikinstrumenten und anderen Objekten verarbeitet, deren vergoldete und hoch polierte Oberflächen beeindruckende Farbeffekte erzielten (Gómez 2007). Im mittleren und nördlichen Kolumbien nutzten die Goldschmiede mehr das Gießen in der verlorenen Form als mechanische Verarbeitungstechniken. Objekte aus Gold und Goldlegierungen erscheinen hier von den ersten Jahrhunderten n. Chr. an, und zeigen einen Reichtum an regionalen Stilen und Entwicklungen. Hervorzuheben sind die reichen Funde der Kulturen der Quimbaya, Tolima, Muisca und Zenú, aber auch die Objekte, Abb. 13: Kalkbehälter aus tumbaga, gegossen. Filandia, Quindio, Mittleres Cauca-Tal, Kolumbien, frühe Quimbaya-Periode, ca. 500 v. Chr. - 700 n. Chr.; H 110 mm, max. Durchm. 95 mm; Sammlung des Museo del Oro, Bogotá (Foto: Clark Manuel Rodríguez, Banco de la República) Abb. 14: Anhänger von Morillo, Kuba, aus gehämmerten Goldnuggets, L 13 mm (Foto: Dominique Bagault, Centre de Recherche et de Restauration des Musée de France) 252 Gold in Amerika die von den Nahuange und Tairona in der Sierra Nevada de Santa Marta produziert wurden (Abb. 12). Trotz der reichen Vorkommen an Seifengold produzierten die Goldschmiede auch hier erhebliche Mengen an tumbaga durch das Hinzufügen von Kupfer, während der Silbergehalt der Legierung aus dem natürlichen Silberanteil des Waschgoldes stammte. Auch hier wird ein besonderes Interesse an der Farbigkeit der so produzierten Legierungen deutlich. Im Gegensatz zu den anderen Kulturen in Kolumbien verwendeten die Quimbaya nur selten das depletion gilding, sondern beließen die tumbaga-Objekte in ihrem natürlichen rötlichen Ton (Abb. 13; Uribe 2005). Die Nuhange, die von etwa 100 bis 1100 n. Chr. tätig waren, nutzten sowohl das Hämmern als auch Gussverfahren zur Herstellung ihrer Objekte und polierten deren Oberflächen, um den rötlichen Farbton des Metalls zu verstärken. Dabei wurde durch intensives Hämmern und Anlassen der Kupfergehalt an der Oberfläche zwar wie beim depletion gilding reduziert; aber hier wurde die goldreiche Schicht durch Polieren anschließend soweit entfernt, dass der ursprüngliche Farbton zumindest an der Vorderseite der Objekte wieder hervortrat, während die nicht sichtbaren Rückseiten oft golden belassen wurden. Die Herstellungstechnik zeigt hier eine Symbolik, die offenbar im Gegensatz zu den Vorgaben der mittleren Anden steht; während der Tairona-Periode, 1100 bis 1600 n. Chr., verschoben sich auch in dieser Region die Gewichte zu einem Vorherrschen von Guss in verlorener Form und vergoldeten Oberflächen (Sáenz 2010). Das metallurgische Wissen dehnte sich von Kolumbien weiter nach Panama und Costa Rica aus; die ersten Belege für Metallurgie in Panama stammen aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. und etwa hundert Jahre später aus Costa Rica. Auch hier beuteten die örtlichen Metallurgen die reichen Seifengoldvorkommen aus; ihr etwas geringerer Silbergehalt verglichen zu den kolumbianischen Vorkommen machen die lokale Produktion deutlich. Gegossene Objekte sind meist aus kupferreichem tumbaga gemacht, während gehämmerte Objekte reicher an Gold sind (Harrison/ Beauvien 2010). Gegen 650 n. Chr. erreichte das Metallhandwerk dann Mexiko, wo ebenfalls bald die örtlichen Vorkommen an Gold, Silber und Kupfer ausgebeutet wurden. Qualitäten wie Farbe, aber besonders auch der Klang von aneinander schlagenden Objekten, spielten hier eine besondere Rolle (Hosler 1994). Von ungefähr 1200 n. Chr. an entwickelten die Mixteken und Zapoteken ihre eigenen metallurgischen Traditionen. Das berühmte Grab Nr. 7 von Monte Albán beinhaltet einen der reichsten Funde der Region, mit verschiedenen Metallen, Edelsteinen und anderen exotischen Materialien (Peñuelas et al. 2011). Es scheint, dass die Kunst des Metallschmelzens die Inseln der Karibik nicht vor den Europäern erreichte; archäologische Funde von Gold und Goldlegierungen sind dort insgesamt rar. Die einheimischen TaínoSchmiede produzierten relativ einfache Gegenstände durch Hämmern natürlicher Nuggets, die entweder zu größeren Objekten zusammengefügt oder als dünnes Blech über andere Materialien gezogen wurden (Abb. 14). Das natürliche Metall, als caona bekannt, wurde von Häuptlingen und Pristern genutzt. Zusätzlich wurden Gegenstände aus tumbaga aus Kolumbien importiert; den zeitgenössischen europäischen Quellen zufolge wurde das importierte Metall guanín genannt und trotz seines geringeren Goldgehaltes noch höher geschätzt als das einheimische caona. Eigenschaften wie Geruch, Farbe, eine schillernde Oberfläche und der exotische Ursprung waren die vorherrschenden Faktoren für die örtliche Wertschätzung (Martinón-Torres et al. 2007; Valcárcel et al. 2007). Der Einfluss der Europäer Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die treibende Motivation für die europäische Eroberung Amerikas das Verlangen nach Edelmetall war. Von Christopher Kolumbus bis zum letzten Soldaten, alle waren sie angefeuert von der Suche nach neuen Wegen zu Gold und Silber. Einige der frühen Kundschafter zahlten hohe Preise für Informationen über „verborgene Schätze“, die sie zur weiteren Finanzierung ihrer Unternehmungen brauchten (Loboguerrero 2005). Gómez (2009) zitiert historische Quellen, denen zufolge allein in den vier Jahren von 1533 bis 1537 der Bürgermeister von Cartagena de Indias in Nordkolumbien und seine Männer 91.594 Pesos an gutem Gold und 1330 Pesos an schlechtem Gold (vermutlich tumbaga) aus Gräbern der Zenú im Hinterland der Stadt raubten und damit ihren Haushalt finanzierten. Wenn ein Goldpeso als 4,6 g angenommen wird, so waren das allein von einem Gräberfeld und innerhalb von nur vier Jahren über 420 kg an gutem Gold und immerhin gut 6 kg tumbaga – bei einem heutigen Preis von über 30.000 Euro pro kg entspricht das mehr als 3 Mio Euro pro Jahr, ein schöner Beitrag zur Stadtkasse einer Neugründung mit weniger als 2000 Einwohnern. Allerdings erwiesen sich auch viele der frühen Anstrengungen als deutlich unbefriedigend. So blieben etwa die Kupellen und Tiegel unbenutzt, die nach La Isabela in der heutigen Dominikanischen Republik, der ersten europäischen Siedlung in Amerika, geschickt wurden. Als die Siedler die erhofften reichen Erze nicht finden konnten, versuchten sie verzweifelt, Silber aus dem aus Europa mitgebrachten Bleiglanz zu gewinnen (Thibodeau et al. 2007). In anderen Fällen berichteten die Europäer von ihrer Frustration über den niedrigen Goldgehalt der Objekte aus tumbaga, die durch das depletion gilding goldreicher aussahen als sie wirklich waren. Trotz dieser anfänglichen Schwierigkeiten hatte die Suche nach Edelmetall aber bald den erhofften Erfolg und führte zur rücksichtslosen Ausbeutung der einheimischen Vorkommen. Es scheint, dass dabei zumindest zu Anfang die Europäer noch mit der einheimischen Bevölkerung Handel trieben; so wissen wir aus zeitgenössischen Quellen und archäologischen Funden, dass die Taínos in der Karibik europäisches Messing begierig gegen ihr caona tauschten, da es in noch stärkerem Maße die Eigenschaften des hoch geschätzten guanín zeigte: Geruch, schillernde Anlauffarben und einen exotischen Ursprung, der Verbindungen zum Himmel und seinen außerweltlichen Kräften versprach. Diese Wertschätzung des von ihnen turey genannten Messings entsprach dem europäischen Verlangen nach Gold, so dass beide Seiten mit dem Tausch von europäischen Messinghülsen gegen einheimische Anhänger aus caona zufrieden waren und so ihre soziale Stellung unter ihresgleichen stärken konnten (Abb. 15a und 15b; Martinón-Torres et al. 2007; Valcárcel et al. 2010). 253 Gold in Amerika Zusammenfassung Abb. 15a: Zwei Messinghülsen aus den Grabungen von El Chorro de Maíta, Kuba, vor (unten) und nach (oben) Restaurierung, L ca. 30 mm Abb. 15b: Portrait von William Style von Langley, gemalt von Gortzius Geldorp (1553-1618), und Detail von seinem Gürtel mit zahlreichen Messinghülsen ähnlich denen von El Chorro de Maíta Gold wurde und wird noch heute fast überall in Süd- und Mittelamerika gefunden und abgebaut; der Schwerpunkt der präkolumbischen Goldgewinnung aber liegt deutlich im Norden Südamerikas. Trozt mehr als 500 Jahren Strebens nach Gold und mehr als einem Jahrhundert an archäologischer Forschung ist uns nur wenig über die Primärgewinnung von Gold vor der europäischen Eroberung bekannt. Detaillierte Studien von Objekten haben es aber ermöglicht, kulturelle Eigenheiten der Verarbeitungstechniken zu erkennen, die sich in einer Vorliebe für das Hämmern und mechanische Verbinden von Gold im mittleren Andengebiet und einer stärker durch den Guss in verlorerener Form gekennzeichneten Metallurgie im Norden Südamerikas äußern. Fast überall wurde Gold oft mit Kupfer zu tumbaga legiert und den so erhaltenen Gegenstände dann durch depletion gilding wieder eine goldene Farbe gegeben. Gold wurde auch mit Metallen anderer Farbe, wie tumbaga oder Platin, zu zweifarbigen Objekten kombiniert; weitere Farbeffekte wurden durch das Verbinden von Metall mit bunten Edelsteinen und anderen natürlichen Materialien erzielt. Die bei der Herstellung dieser oft spektakulären Objekte zum Einsatz gekommenen anspruchsvollen Techniken belegen eindrucksvoll den herausragenden künstlerischen und technischen Stand der präkolumbischen Metallurgie, die dem der Alten Welt in nichts nachsteht, ja oft sogar überlegen war. Für Jahrhunderte aber waren die europäischen Entdecker nur am materiellen Wert des Edelmetalls interessiert, und erst in den letzten Jahrzehnten beginnen wir, die kulturellen Leistungen der einheimischen Goldschmiede wirklich zu würdigen. Auf lange Sicht aber sollte die Ausbeutung der Goldvorkommen Amerikas unermesslich grösseren Einfluss auf die Weltwirtschaft und insbesondere die europäischen Gesellschaften haben. Beispielhaft kann dies an dem Zufluss von Münzgold gezeigt werden, nicht nur wirtschaftsgeschichtlich, sondern auch durch Spurenelementuntersuchungen, die es heute ermöglichen, den geologischen Ursprung des Goldes bestimmter Prägungen mit großer Genauigkeit festzustellen und damit die fortschreitende Erschließung und Ausbeutung der südamerikanischen Lagerstätten zu dokumentieren (Guerra 2008). Da Gold zudem fast immer nahezu vollständig recycelt wird und der größte Teil der präkolumbischen Goldobjekte, Barren und Münzen, die Europa in den Jahrhunderten nach der Eroberung Amerikas erreichten, wieder eingeschmolzen wurde, kann kein Zweifel daran bestehen, dass auch der heute von uns getragene Schmuck oder die in Banken gehorteten Barren noch Spuren von Gold enthalten, das einst Südamerika entrissen wurde. Schätzungen gehen davon aus, dass allein im Hafen von Sevilla zwischen 1531 und 1660 n. Chr. 155.000 kg Gold und 17.000 t Silber aus Südamerika angelandet wurden – die vermutlich erheblichen Mengen an Gold, die abgabenfrei ins Land geschmuggelt und daher in den offiziellen Steuerlisten nicht erfasst wurden, nicht eingeschlossen (Céspedes 1983, S. 132). 254 Gold in Amerika Literatur Alba Gómez (2007) Alba Gómez, Luz: Desarrollo y simbolismo dual de la metalurgia de Nariño y Carchi, in: Lleras, Roberto (Hrsg.): Metalurgia de la América Antigua. Teoría, arqueología, simbología y tecnología de los metales prehispánicos, Bogotá 2007, S. 161-178 (Fundación de Investigaciones Arqueológicas Nacionales – IFEA) Alcalá (2000) Alcalá, Jerónimo de: Relación de las ceremonias y ritos y población y gobernación en los indios de la Provincia de Mechuacan, Zamora/Mexiko 2000 (El Colegio de Michoacán) Aldenderfer et al. 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