Die Modevorhersage für den Sommer.

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Die Modevorhersage für den Sommer.
Styles 1/2010
© Bechtle Verlag&Druck
Auszüge aus:
Die Modevorhersage für den Sommer.
Ah, riecht das gut! Über die Macht der Düfte – und was dahinter steckt.
Ein Grund zum Feiern: Liebe.
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Die Modevorhersage für den Sommer.
2010 startet ein neues Jahrzehnt. Es begann stürmisch – mit einem unnachgiebigen Winter, der mit Wind und Kälte seinem Ruf wahrlich gerecht wurde. Nur
zaghaft traute sich der Frühling nach draußen. Jetzt endlich steigen die Temperaturen und eine der meistgestellten Fragen lautet: Wie wird der Sommer? Weder
Bauernregeln noch die Meteorologie helfen hier wirklich weiter. Wir können Ihnen
nur versprechen: Es erwartet Sie ein modisches Hoch. So leicht, lässig und
entspannt war der Fashion-Sommer schon lange nicht mehr!
Der Jahreszeit entsprechend ist der Drang ins Freie groß im Kommen – ganz
unterschiedlich interpretiert. Die Modemacher schlagen zwanglose Brücken von
der ländlichen Idylle über zarte Blumenmeere bis zu Ethnomustern, gesammelt auf
Reisen zu exotischen Traumstränden. Abenteurer und Abenteurerinnen werfen
sich in Kaki und gehen auf Expedition in den City-Dschungel. Der Sport- und
Outdoorlook wird salonfähig und bringt frischen Wind ins Büro und auf die Party.
Sogar was sonst „untendrunter“ liegt, kommt jetzt zum Vorschein: Lingerie zeigt
sich bei den Damen mehr denn je an der Oberfläche. Was nicht gleichbedeutend
ist mit nackter Haut, sondern sexy mit den Formen spielt: Das Bustier wird einfach
„drüber“ getragen. Also: raus in die Natur, Reisen und Erleben sind auch in der
Mode, bei Männern wie Frauen, die angesagten Themen des Moments. Eitel
Sonnenschein ist angesagt. Bringen Sie jetzt Farbe und neue Lebensfreude in
Ihren Modesommer.
Das Stylingprinzip: Gegensätze ziehen Sie (gut) an.
Gegensätze ziehen sich an, heißt es. Diesen Sommer lautet die Devise:
Gegensätze kleiden Sie gut! Denn beim Blick auf die aktuellen Modetrends fällt vor
allem eines auf: der Spaß am Kombinieren. Dieses Prinzip ist weit davon entfernt,
will-kürlich zu sein, es geht eben nicht darum, dass einfach „alles zu allem“ passt.
Sondern dieser Trend, schon einige Zeit auf den Schnappschüssen der Streetfashion-Fotografen zu entdecken, ist Ausdruck eines Lebensgefühls, das lustvoll
seine Freiräume auslotet – und dabei aufregende und einfach schöne Entdeckungen macht.
Hier kommen viele klassische Stylingregeln zum Einsatz – und wirken mit dem
Blick auf neue Materialitäten und Farben plötzlich wie neu gesehen: die Jacke
über dem Cardigan über dem Kleid, aber auch der Parka über der groben
Strickjacke zum feinen Rüschendress.
High Heels nicht nur zum Businessanzug, sondern auch zur legeren Jogginghose.
Der Taillengürtel über dem engen Jackett, aber auch über dem bauschigen
Lacklederblouson. Markige Lederteile gewinnen neue Qualitäten in Konstellation
mit edler Spitze. Ein strenges Jackett zum Destroyed-Jeansrock setzt frische
Impulse genauso wie die Bikerjacke zu lässigen Cargopants. Das schlichte
Jerseykleid geht eine prickelnde Liaison ein mit einem Paillettenjäckchen und
umgekehrt das Paillettenkleid mit einem klar geschnittenen Oversize-Blazer. Und
vor allem: Spielen Sie mit der Zusammenstellung von Mustern und Drucken, dem
Trend überhaupt! Wählen Sie die gleiche Farbwelt als Grundton – und entdecken
Sie, wie Ringelshirts mit Blütenmustern harmonieren, Punkte mit Nadelstreifen
und verschiedenste Ethnodessins miteinander.
(…)
Was den Sommer feminin macht.
Chanel hat es in einer begeisternden Modenschau vorgemacht: Statt auf dem
Laufsteg zelebrierte Karl Lagerfeld seine Mode vor der (Bühnen-)Kulisse einer
Luxus-Scheune inklusive eines duftenden Heuhaufens. In diesem ländlichen Idyll
vergnügten sich die Models in der Rolle der „jugendlichen Unschuld“, angetan mit
Handgehäkeltem, mit Trachtenanmutungen, ausgeführt in Tüll, Spitze und Seide.
Damit setzte Lagerfeld mit seinem Riecher für den Zeitgeist eines der Signale der
Saison: zurück zur Natur.
Und so wird dieser Sommer von Blüten geradezu durchweht. Der Werbespot des
Gucci-Parfums „Flora“ drückt dieses Gefühl idealtypisch aus. Model Abbey Lee
Kershaw spielt darin inmitten eines Blumenfeldes mit dem Wind, angetan mit
einem Hauch von Kleid im legendären Flora-Blumenprint von Gucci. Diese
Leichtigkeit und Verspieltheit zeigen auch Nina Ricci, Etro oder Roberto Cavalli in
ihren aktuellen Kollektionen: Blüten aller Art, heimisch oder exotisch, finden sich
auf zarten, schwingenden Kleidern, Tuniken und Blusen, beispielsweise bei Jette
Joop oder Olsen.
Besonders beliebt sind charmante kleinteilige Millefleur-Muster wie von Pepe
Jeans. Geradezu schwerelos erscheint die Blumenpracht auf transparenten
Stoffen, die zum Layering (also dem Lagenlook) mit zarten Jerseybasics einladen
wie beispielsweise bei Miss Sixty. Daneben punkten Sie mit Ansteckblumen oder
Schals und Foulards im floralen Dessin. Dazu passt alles, was einen ländlichen
Look perfekt macht: Strohhüte und -taschen, zarte Karomuster als Kontrastprogramm, weiße Spitzenkleider und schwingende Volants.
(…)
Was den Sommer abenteuerlich macht.
Gut aussehen kann natürlich auch noch anders funktionieren als durch spezifisch
feminine Akzente: Auch dieses Jahr setzen sich Looks durch, die mit männlichen
Attributen und klaren Schnitten spielen und so den Charme reizvoller Gegensätze
schaffen. Diese Tendenz wird in der Modewelt besonders an zwei herausragenden
Vertretern diskutiert, den aktuellen Kreationen von Céline und von Balmain.
Da ist einmal die neue Kollektion von Phoebe Philo für Céline mit extrem klaren,
reduzierten Schnitten: Als „maximalen Minimalismus“ bezeichnet die Designerin
ihren Stil. Sie präsentiert kastige, in manchen Details überproportionierte kraftvolle Silhouetten. Die gesetzten Farbtöne von Schlamm bis Olive werden auch von
anderen Modeschöpfern interpretiert. Oft schwingen hier andere gelernte Bilder
mit, die um den Drang nach Abenteuer kreisen und Erinnerungen an historische
Forscherexpeditionen in exotische Gefilde wachrufen. Zeltartige Umhänge
schützen die Trägerin bei Chloe oder Alexander Wang vor tropischem Regen.
Donna Karan bietet so praktische wie chice Safarianzüge für die Herausforderungen im Dschungel der Großstadt. Sommerliche leichte Leder-Looks wie bei Loewe
und Max Mara bilden eine natürliche zweite Haut. Parkas wie bei Marc Cain feiern
ein Comeback – und werden zum Minirock wie zur Krempelhose getragen.
Die Farbpalette von Sand über Schlamm bis Grün und Dunkeloliv landet schließlich
bei den kriegerischen Amazonen von Christophe Decarnin für Balmain. Versatzstücke von Armeeuniformen verschiedener Zeitalter, mit bis zur Unkenntlichkeit
verfremdeten Tarnmustern, mit dem patinierten Gold alter Rüstungen. Aber alles
ist „destroyed“, kunstvoll eingerissen und verwaschen: keine Feier des MilitaryLooks, sondern seine aufregend-düstere Dekonstruktion. Ein klares Signal, dass
Vintage in ist.
In diesem Zusammenhang trumpfen auch Chinos und Cargopants wie von Riani
und Closed wieder auf. Insgesamt verkörpert dieser Trend die neue Lässigkeit
dieses Sommers. Tops werden im Lagenlook getragen, Hosen fallen dabei oft weit
– mal als Karotte, mal als Marlene, mal als Haremshose. Hosenbeine werden
grundsätzlich gerne hochgekrempelt, der Schritt sinkt etwas tiefer wie bei
Strenesse. Eine neue Form, die sogenannten Swing Pants, sitzen locker gerafft um
die Hüfte und werden dann am Knöchel bauschig zusammengebunden. Der überdimensionierte Boyfriend-Look hält weiter an, z. B. bei Marc O’Polo – also im
Herrenschnitt und „etwas zu groß“. Alles deutet diesen Sommer also auf eines hin:
Entspannen Sie sich und machen Sie es sich modisch so bequem, leicht und luftig,
wie es Ihnen gefällt.
Ah, riecht das gut!
Über die Macht der Düfte – und was dahinter steckt.
Nichts beeinflusst uns so stark wie Düfte: unsere Stimmung, unsere Befindlichkeit, manche meinen, sogar die Gesundheit. Natürlich auch unsere Attraktivität,
und so ist der Trend zum Parfum ungebrochen. Als Patrick Süßkinds Bestseller
„Das Parfum“ 2006 in die Kinos kam, launchte Thierry Mugler ein auf 1300 Stück
limitiertes Duftset. Es enthielt ein Basisparfum und 14 zusätzliche, individuell
kombinierbare Duftkomponenten, jeweils assoziiert mit Sequenzen des Films: eine
Hommage an die Faszination „Parfum“ und gleichzeitig Ausdruck der Sehnsucht
nach dem persönlichen, unverwechselbaren Duft.
Heute buhlen rund 500 neue Flakons jährlich um unseren Geruchssinn. Anders
jedoch als Jean-Baptiste Grenouille, der Held aus Süßkinds Roman, beschäftigen
die Modemacher kaum noch eigene Parfumeure, in der Branche „les nez“ – „die
Nasen“ genannt. Hinter der Produktion stehen weltweit etwa zwei Handvoll
Unternehmen wie die deutsche Symrise oder International Flavors & Fragrances,
deren Experten „Riechstoffe“, also natürliche und synthetische ätherische Öle, in
Duftgewänder für die Haut verwandeln.
Entsprechend gibt es vergleichsweise wenige „Nasen“. Die Erfolgreichsten unter
ihnen kennen wir alle, wir schnuppern ihre Arbeiten ständig, auf der Straße, im
Büro, am eigenen Handgelenk. Nur ein paar Beispiele: Bulgari „Au Thé Vert“, Van
Cleef & Arpels „First“, Cartier „Declaration“ oder Hermès „Un Jardin sur le Nil“ –
alle von Jean-Claude Ellena. Calvin Klein „CK One“, Giorgio Armani „Acqua di Gio“,
Kenzo Flower by Kenzo, Tommy Hilfiger „Tommy“ – kreiert von Alberto Morillas.
Das Geschick der Kompositeure besteht darin, aus der riesigen Auswahl der
floralen, orientalischen, frischen und holzigen Noten Substanzen so zusammenzufügen, dass ein dem Zeitgeist entsprechendes neues Parfum entsteht. Das
Thema ist so komplex, dass sich sogar die Industrie beraten lässt, z. B. von
Spezialisten wie Michael Edwards, der in seiner Duftbibel „Fragrances of the
World“ bzw. deren Onlinedatenbank 7000 Düfte klassifiziert.
Aus der Unübersichtlichkeit des großen Angebots heraus wächst die Sehnsucht
nach dem noch außergewöhnlicheren Duft. So entstanden in den letzten Jahren
immer mehr Nischenparfums. „Nase“ Christophe Laudamiel beispielsweise, der
Thierry Muglers Duftkoffer für „Das Parfum“ kreierte, betrat für die Edelmarke
Humiecki & Graef olfaktorisches Neuland. Normalerweise besitzt ein Parfum einen
pyramidenförmigen Duftverlauf: Zunächst nehmen wir in den ersten Minuten seine
„Kopfnote“ wahr. Wenn diese sich verflüchtigt, ist die „Herznote“ zu riechen, der
eigentliche Charakter. Die „Basisnote“, der letzte Teil des Duftablaufs, enthält
lang haftende, schwere Bestandteile. Im Gegensatz dazu entwickelte Laudamiel
einen sternförmigen Aufbau, in dem sich die Einzelnoten harmonisch entfalten.
Ergebnis: ungewöhnlich komplexe Düfte.
Solche Avantgarde-Parfums sind jetzt der Renner: ob Ende März auf der
Düsseldorfer Messe „Global Art of Perfumes“ oder in der aktuellen Trendvorschau
der Fragrance Foundation. Abstrakte und assoziative Duftimpressionen heißen
„Gold“, „Zuckerguss“ und „Tautropfen“ oder beschwören Landschaften, Naturerlebnisse oder kulinarische Genüsse herauf. Parfum ist eben ein Produkt des
Zeitgeists. Parfum macht uns aber auch süchtig nach verfeinerten Dufterlebnissen. Und Parfum, so sagte schon Estée Lauder, ist „wie die Liebe. Ein bisschen
ist nie genug“!
Ein Grund zum Feiern: Liebe.
Ich habe ihren Lieblingsring mitgehen lassen. Nur für heute. Fast fünf Jahre sind
wir nun zusammen. Zeit, endlich Ernst und sie zu meiner Frau zu machen. Es soll
ein glänzender Antrag werden, im wahrsten Sinne des Wortes.
Ich denke da an einen ganz besonderen Ring. Einen nur für sie. Denn natürlich ist
mein Schatz wählerisch, deswegen hat sie sich ja mich ausgesucht. An unserem
Jahrestag in drei Wochen gönnen wir uns einen Abend bei unserem Lieblingsitaliener. Ganz entspannt. Dabei überreiche ich ihn ihr. Sie ahnt nichts, da bin
ich sicher.
Der Ring muss einfach umwerfend sein. So umwerfend wie sie. Dann kann sie gar
nicht erst Nein sagen. Ich denke an einen blauen Stein. Einer, der zu ihren tollen
Augen passt. Und der sagt: Vergiss mein nicht. „Diamonds are a girl’s best friend“,
sang die Monroe, aber Tiffany, Cartier oder Harry Winston passen einfach nicht zu
meiner Süßen. Deshalb stehe ich jetzt – mit ihrem Ring, den sie hoffentlich noch
nicht vermisst, in der Jackentasche – bei einem Mann, der mir helfen soll. Lothar
Kuhn kennt sich aus mit individuellem Schmuck. Schon durchs Fenster des
geschichtsträchtigen Ottilienhofs kann man ihn und seine fünf Goldschmiedinnen
beobachten, wie sie an seinen „Kuhnstücken“ arbeiten. Hier herrscht die gelassene Ruhe, die wahre Kreativität umgibt. Die Vertrauen bildet. Das Team sitzt
rund um die traditionelle, noch von Kuhns Vater ererbte Werkbank. Darauf ein
Sammelsurium an feinen Kuriositäten: unzählige Miniaturbohrer, Feilen und
Goldschmiedewerkzeuge – auch winzige Kästchen voller Perlen und kostbarer
Materialien. Also: Wie gehen wir am besten vor?
Lothar Kuhn präsentiert mir ein Etui mit blauen Steinen, facettiert oder
„gemugelt“, das heißt rund geschliffen. Funkelnde, faszinierende Stücke aus aller
Herren Länder, die er über sein Netzwerk an internationalen Kontakten bezieht.
Ein leuchtender Aquamarin spricht mich besonders an, ja, der soll es sein. Wir
sehen uns verschiedene Ringformen und Fassungen an. Wie wollen wir die Oberfläche behandeln? Soll das Edelmetall hell oder dunkel, glatt oder strukturiert
erscheinen? „Es muss sich in der Hand gut anfühlen“, sagt Kuhn. Ich entscheide
mich für Weißgold.
Jetzt kommt auch endlich mein mitgebrachter Ring ins Spiel: Mit dem
sogenannten Ringstock messen wir den nötigen Fingerumfang. Im nächsten
Schritt wird ein Modell aus Silber erstellt. Denn erst beim Arbeiten mit dem Stein
entsteht die finale Version des Schmuckstücks. „In diesem Prozess entwickelt
man als Goldschmied ein Gespür dafür, wie das jeweilige Material am besten zur
Geltung kommt, zugeschnitten auf die künftige Trägerin“, erklärt Lothar Kuhn. Ein
paar Tage später komme ich wieder. Das Modell sieht schon fast wie echt aus, wir
besprechen noch ein paar kleine Details. Die Oberfläche wird noch etwas matter,
der Stein kommt etwas tiefer zu liegen. Dann endlich ist es soweit. Das Kuhnstück
ist fertig, ein einzigartiger Schmuck für meine zukünftige Frau.
Am Ende eines hervorragenden Essens hole ich das kleine Etui hervor. Sie streift
den Ring über, ihre Augen leuchten im Einklang mit dem Aquamarin. Genauso
habe ich es mir vorgestellt. Ich stelle die entscheidende Frage. Und? Sie lacht ihr
bezauberndes Ja.