Der Richter und sein Henk

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Der Richter und sein Henk
Prof. Dr. Hans Wellmann (Augsburg, Chabarowsk)
Literatur im Sprachunterricht.
Eine Erfahrungsbericht über die Lektüre von Friedrich Dürrenmatts
„Der Richter und sein Henker“
In Chabarowsk gibt es, wie an den meisten russischen Universitäten und anders als in
deutschsprachigen Ländern, keine Abteilungen, keine Lehrstühle für Literaturen anderer
Sprachen. In Chabarowsk habe ich deshalb – hier für das 4. Studienjahr - , wie andere auch,
Texte deutschsprachiger Autoren aus Österreich, deutschland und der Schweiz in den
Sprachenunterricht eingebaut, eingebettet oder eingebunden. Die alte Frage war nur: Wie?
Und: Was kann diese Art eines eingebetteten Literaturstudiums wirklich vermitteln? Die
Arbeit zeigt den Weg. Die Antworten sind sehr verschieden ausgefallen, je nach Autor und
Text.
Ich habe den Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt augewählt. Im Zentrum steht sein
erster Roman „Der Richter und sein Henker“. Warum? Die ersten Romane haben es oft „in
sich“, bei Thomas Mann, Jurek Becker, Günter Grass u.a. Und manche Autoren sind ihr
ganzes Leben nicht von der Thematik ihres ersten Romans losgekommen, Robert Musil z.B.
oder James Joice. Die Gründe? Bei Dürrenmatt werden sie sich aus der folgenden Darstellung
ergeben.
Wie kann die Beschäftigung mit „fiction“, literarischer Erfindung, den Unterricht bereichern?
Literische Texte sind etwas Besonderes. Sie zeigen die Sache, um die es geht, in einer
anderen Sprache als andere Texte, deren Entstehung von dem harten Ringen um eine eigene,
wohldurchdachte, zeichenhaft bedeutsame und ästhetisch gestaltete Form geprägt ist.
Ein literarischer Text kann schon durch seine sprachliche Bearbeitung, die geformte Sprache,
Mittel der Klang-, Zeichen-, Bildästhetik ganz anders wirken als Texte in der Normalsprache.
Da sind Fachleute am Werk. Schon ihre Sprache selbst kann zum Lesen anregen, und zum
Nachdenken motivieren. Leser können schon durch die Art, in der Themen erfasst, Aussagen
geformt und Ideen entwickelt werden, ganz anders angesprochen werden - es sei denn, der
Verfasser manipuliert seine Leser, zum Beispiel durch bloße Rhetorik oder Triviales.
Aber: Warum wird hier dann ausgerechnet ein „Krimi“ für die Lektüre ausgewählt? Krimis
werden doch zur Unterhaltungsliteratur gerechnet, zu den trivialen Konsumgütern, die die zeit
„vertreiben“ soll!
Nun, dieser Roman zeigt uns Literatur in ihrer höchsten Potenz. Ihren Vorzug bekommt er
gegenüber anderen Texten, die im Programm standen, aufgrund der eindrucksvollen Art, in
hier Gespräche ablaufen, in der die Lebensziele und –erfahrungen der Figuren in die
Handlung einfließen, in der Erkenntnisse, die sie gewinnen, das Geschehen mitbestimmen,
Vorstellungen und Motive der Handelnden den Gang der Handlung beschleunigen – und
(retardierend) wieder aufhalten, und wohin das führt. Faszinierend, wie Dürrenmatt
lebensbestimmende Themen durch Bilder und Begriffe, Schilderungen und Chiffren poetisch
gestaltet!
Literatur – sie gilt als ein Inbegriff von Kultur. Es ist auch die Literatur, die Kinder früh in
eine Kultur einführt und so ihre Vorstellungen prägt. Mit einzelnen literarischen Formen
haben sie es schon beim Spiel mit Abzählreimen zu tun, beim Singen der ersten Lieder; wo es
eine religiöse Unterweisung gibt, auch mit Geschichten (z.B. bei Gleichnissen oder
Geschichten der Bibel, bei Legenden und Wundererzählungen); dann beim Vorlesen von
Märchen und Fabeln, beim Lernen von Reimversen, auch Comics usw. Auf einer zweiten
Stufe folgt dann die Einführung der Lernenden in eine höhere, stärker reflektierte und
organisierte vermittlung von Kultur auf der Schule. Literarische Texte, die sie dort kennen
lernen, bewegen und beschäftigen manche noch lange, auch Jahre später, - jedenfalls länger
als andere Textgenres. Das ist auch klar! Die Literatur konfrontiert ihre Leser ja mit allen
möglichen Themen und insbesondere mit den Grundfragen des Lebens, vom Anfang bis zum
Ende, mit Fragen nach der Liebe und demTod, der Schuld und Strafe, mit Situatonen der
Hoffnung und Verzweiflung, der Freude und des Schmerzes, die jeden berühren.
Literatur: Das bedeutet beim Lesen, Erklären, Übersetzen und Lernen – also im
Fremdsprachenunterricht, auch die Vermittlung der Eigenart einer (anderen) Sprache: In der
Lyrik besonders ihrer Rhythmik und Phonetik , in der Lexik die Eigenart ihrer Metaphorik
und Idiomatik, die Strukturen ihrer Wort- und Sachfelder, in der Grammatik die
Möglichkeiten ihrer Formung, Aussparung und Erweiterung, die Fächerung ihrer direkten und
indirekten Sprechakte usw., in den Texten das Spiel mit Kompositionsformen der Tradition
und ihrer Entwicklung, mit Genres, Formeln und literarischen Chiffren.
Literatur, sie dient auch der Vermittlung landeskundlichen Wissens. Literarische Werke
vermitteln, in Bildern und sprachlich verdichtet, den Lernenden auch Vorstellungen und
Eindrücke von Land und Leuten, ihrem Leben, ihrer (Sprach)Kultur und Geschichte. Das
Wissen um Kulturen verschiedener Regionen, in der deutschsprachigen Literatur also von
kulturellen Formen und Handlungsmustern aus Nord- und Süd-, West- und Ostdeutschland,
aus Österreich, der Schweiz und einzelnen angrenzenden Gebieten.
Was ich hier vorstellen möchte, das ist die Verbindung vierer Konzepte, wie sie sich bei der
Arbeit, im Sprachunterricht an Universitäten des Fernen Ostens Russlands, herauskristallisiert
hat. Diese Erfahrungen zu ordnen und von ihnen zu sprechen, ist der Zweck des Buches.
Die Konzepte waren darauf angelegt,
A) das Leseverstehen zu fördern, durch textgezogene Techniken wie die Content Analysis,
die Diskursanalyse oder das interpretierende Vorlesen;
B) die Potenzen der Sprache gerade an guter Prosa zu entdecken – und kreativ zu entwickeln,
insbesondere durch das Erlernen und die Anwendung der thematischen Lexik in Wort- und
Sachfeldern, die Interpretation von semantischen Strukturen wie der Metonymie, der
Wortbildungen und interferierender Wörter (aus anderen Sprachen, Kulturen),
C) komplexe Strukturen zu verstehen helfen durch funktionelle Satz- und Text-Analysen, die
Inhalte und den Sinn klären,
D) und durch die Sprachfähigkeit zu sensibilisieren für das Spezifische von Textarten,
Sprachschichten, Sprech- und Denkstilen: durch Stilanalysen und stilistische Fingerübungen
zu Fragen des Buches.
Über die poetischen Texte ist es gut möglich,
an- und aufregende Themen an Exempla dargestellten Lebens zu studieren, - in einer
sprachnah und sprachgerecht gestalteten Form.
Ihre Bilder können den Blick für besondere Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens,
ihre Harmonie und ihre Konflikte schärfen, und für die Rollen, die der Einzelne, die Gruppe
oder auch die Massen dabei spielen.
Erlebte Rede, innere Monologe, Gespräche lassen etwas von der Psychologie der Angst und
der Hoffnung, der Wahrnehmung und der Erkenntnis spüren,
die Logik des Handelns, seiner Motive und Folgen erkennen.
Die beschriebene, geschilderte und erzählte Welt vermittelt bleibende Eindrücke vom
Pulsieren des Leben, auch von seiner Ordnung in Bräuchen, Rechten, in der Verwaltung und
deren Erstarrung, beim wirtschaftlichem Aufstieg, beim Niedergang und in sozialer Not.
Züge der sprachlichen Reflexion lassen die Leser innehalten und über das Gelesene
nachdenken, auch über die Suggestion von Sprache und Verführungen ihres Mißbrauchs, z.B.
bei der Trivialisierung von Themen.
.
Das also kann in den Blick kommen bei der Lektüre, sprachlichen, inhaltlichen und
kommunikativen Analyse und Interpretation literarischer Texte. Angestrebt wird dabei eine
möglichst breite Streuung.
Was heißt das?
Dazu gehört einmal ihre Betrachtung aus verschiedenen Perspektiven der ausgewählten
Autoren verschiedener Länder.
Zweitens die Betrachtung der Unterschiede, die bei ihrer Rezeption, ihrer Wirkung auf das
Publikum auftreten. Sie lässt sich gut im Spiegel der Vorstellungen studieren, die ihrer
publizistische Vermittlung hervorbringt.
Das Besondere an diesem Konzepts ist: Beides wird in etwa gleichem Umfang erfasst,
besprochen und bearbeitet:
also die Texte der Autoren und die ihrer Leser;
die literarische Produktion und ihre – publizistische - Rezeption.
Grundlegende Themen und Fragen - nach „Liebe“ und „Hass“, „Individualität und ihrer
Auflösung (in der Gruppe, Masse)“, nach der „Macht“ und dem „Tod“, der „Angst“ und
„Hoffnung“, sie können Aufgaben des Sprachenunterrichts dienen, und zwar einen Beitrag
zum Verständnis anderer Natur-, Denk-, Vorstellungs-, Handlungs-, insbesondere
Gestaltungs- und Vergellschaftsformen, also Kulturen leisten.
Zu Beispiel der Schweizer Autor Friedrich Dürrenmatt?
Ich konzentriere mich auf den ersten Roman.
Zunächst ein Blick auf den Gang der Besprechung im Unterricht:
Das Buch.
1. Schon der Titel gibt Rätsel auf:
„Der Richter und sein Henker. Kriminalroman“.
Man braucht das Sprach- und ein Sachwörterbuch:
Aufgabe 1: a) Richter (Wb.):
b) Henker (Wb).:
c) Kriminalroman: (Sachwb.):
2. Dann der Roman selbst. Gegenstand der Hauslektüre. Wie soll er gelesen werden?
a)Das 1.Kapitel fängt schon gut an…
b)Dazu Zitate aus einer Filmkritik
c)Liste der unbekannten Wörter; dazu die
Fragen:
Welche von ihnen lassen sich bei nochmaliger Lektüre aus dem Kontext (Kollokationen) und
dem Zusammenhang des Sinns verstehen?
Und welche durch eine Analyse als transparente Komposita oder Ableitungen?
Welche von Ihrer Muttersprache her als Internationalismen?
Welche aufgrund ihrer semantischen Derivation (als Metonymien, Metaphern)?
d) Weitere Textproben:
aus dem 1. Kapitel
10.
11.
e) Zur Diskussion über das Buch:
Aufgaben:
Inhaltsangabe zu je einem Kapitel
Charakteristik je einer Figur des Romans
Charakteristik der Sprache an je einem Ausschnitt
f) Der Inhalt des Romans –
im Spiegel einer Inhaltsangabe des Romanführers.
Analyse der Inhaltsangabe: Was fehlt? Wer fehlt? Wo ist die Reihenfolge der Ereignisse
anders wiedergegeben (z.B. chronologisch)? Was wird focusiert? Was bewertet?
Würdigung und Kritik dieser Inhaltsangabe.
Diskussion
3. Aspekte der Vorbereitung auf eine Diskussion über das Buch sind etwa:
a) Die Thematik, die Handlung, das zentrale Thema.
Die „Sujetlinie“: Zwei Handlungsfelder der Kriminalität. (Konstantinopel; Twann); und
welche Verbrechen werden sonst noch angedeutet, erwähnt?
b) Die Sprache des Romans
Metaphern, Bilder, Symbole, Antithesen, Ambiguitäten?
Tabelle:
Interessante grammatische Mittel, Züge der Darstellung?
Besondere lexikalische Mittel der Darstellung?
Dazu: Der thematische Wortschatz für eine Diskussion über Fragen des Rechts und seiner
Anwendung durch die Justiz.
Ergänzung: Vergleich dieses Wortschatzes mit einer lexikalischen Palette zur Sprache der
Justiz (über j-n richten; j-n richten, Zeugen, Indizien usw.).
Zitate (zur Intertextualität des Romans)?
c) Der Aufbau
Kompositorische Mittel in Kapitel 20?
Das 21. Kapitel.
Das Auftreten der Figuren. Ihre Handlungsanteile?
Ein Vergleich mit der chronologischen Abfolge der Handlungen (Erzählte Zeit und
Erzählzeit).
d) Merkmale des sprachlichen Kunstwerk?
Die Referenz auf Wirklichkeit und deren Ausschnitte? Fiktionale Elemente?
Künstlerische Mittel der Sprache? Der Komposition?
Expressive Elemente, aus Sicht der Autorenintention?
Zur Rezeption des Sinns: Doppelbödigkeit aufgrund des Spiels mit Mehrdeutigkeiten, schon
im Titel. Deutungsansätze: Philosophische, politische, psychologische Aspekte des
dargestellten Geschehens.
e) Welches Genre? Wie wirkt der Roman auf Sie?
Als:
- Kriminalroman
- Charaktertragödie des Ehrgeizes
- ein psychologischer Roman über Schuld und Sühne
- ein Aktionthriller männlicher Tollkühnheit?
f) Zur Landeskunde: Ein Roman über die Schweiz, über, für Schweizer?
Geographisches. Gesellschaftliches.
Politische Aspekte im Roman: 1. Kapitel (über Bärlich in Frankfurt)
Über die Rolle des Nationalrats von Schwendi,
über illegale Waffengeschäfte.
Dürrenmatts Selbstaussagen über seine Rolle als Schriftsteller in der Schweiz
Publizistik der Literaturvermittlung
4. Die Rezeption:
a) - in der Buchkritik. Aufbau, Argumentation, Wortwahl, Begriffe der Literaturkritik
usw.; s.u.
Kritiken aus …..
b) - in der Literaturwissenschaft: in Literaturgeschichten, Artikeln (Zur Einordnung und
Wirkungsgeschichte des Romans)
Günter Waldmann
Arnold
Michael Klein; (Zitate).
c) - in der Literaturdidaktik
Literaturhinweise (u.a. auf das Internet)
d) - auf dem Theater, im Fernsehen, Spielfilm
(HilfsmitteL: Die Palette „Einen Film besuchen, ueber ihn erzaehlen, reden, schreiben“)
Der Film
5. Text und Bild: Die Umsetzung in andere Medien:
Die Literaturverfilmung
a) Aus einem Interview mit dem Regisseur mit dem Autor.
b) Vergleichende Inhaltsanalyse
Welche Unterschiede sind zwischen der Handlung im Buch und im Film zu beobachten?
Kann man sie erklären?
Z.B. neue Elemente im Film wie
Dürrenmatt selbst taucht am Anfang schemenhaft hinter einer Eiche auf,
die Zusammenkunft zwischen Bärlach, Gastmann und Nadine auf der Galatabrücke,
das Tonband,
die Ausführung des Schachspiels („Wer gewinnt? Immer der andere.“),
die Liebesszene, die Anna und Tschanz im Bett sieht,
ein Streit zwischen Anna und Tschanz,
zur Wette: der Triumph Gastmanns („ich habe gewonnen, du verloren“),
zum Gespräch zwischen Bärlach und Gastmann im Taxi (nicht im Zimmer, wie im Buch):
(„Wieviele hast du umgebracht, 50, 60?“ „ Hast du deine Opfer gesehen?“)
die Leiche von Schwendis auf dem Gepäckförderband im Zürcher Flughafen,
die beiden knurrenden Geparden im Schloss,
das Auftreten von Gastmanns Mutter im Rollstuhl,
Gastmanns Liebschaft mit Anna,
Anna im Schloss,
Annas Abfahrt im Sportwagen,
Tschanz’ Ende (Zusammenstoß mit dem Zug; Sturz von der halbfertigen Autobahnbrücke).
c) Die Rezeption in der Publizistik (Werbung, Annotationen, Kritiken)
Ihre Analyse: Merkmale eine Film-, einer Literaturkritik. Gattungsmerkmale.
Kritiken von
R. Skasa-Weiß
in der Stuttgarter Zeitung 5.6.78 „Zuletzt wird gar schaurig geholzt“.
„ Der Richter und sein Henker“ – Maximilan Schell
verfilmt Dürrenmatts Kriminalroman“
V. Baer
im Tagesspiegel 7.5. 78
„Intelligentes Verwirrspiel“
„Schells Dürrenmatt-Film „Der Richter und
sein Henker“
H.G. Pflaum
In Süddeutsche Zeitung 8.5. 78
„Bärlach contra Gastmann“
„Schells Dürrenmatt-Film „Der Richter und
sein Henker“
Interessant die Schlagzeilen
Fragen:
Worin unterscheidet sich der Stil der Haupt- und der Unterschlagzeile?
Mit welchen Mitteln sprachlicher Wirkung arbeiten die Hauptschlagzeilen?
In der Schreibwerkstatt:
Schreiben Sie selbst eine längere Kritik zu dem Film!
eine Kurzkritik,
eine Annotation für die Fernsehzeitschrift!
c) Thema: Kann eine Literaturverfilmung ein Kunstwerk sui generis sein?
Diskussion, Zitate.
Der Film gibt uns viele Fragen auf.
Comic – Kunst?
Das Werk des Autors
6. Intertextualität:
Bezüge zu anderen Romanen und Erzählungen Dürrenmatts:
a) „Der Verdacht“;
b) „Die Panne“;
Bezüge zu anderen Filmen:
c) „Justiz“.
Der Autor
7.
Lebensbezüge zu Sequenzen im Roman
Ansichten:
a) sein Verhältnis zur Politik und zu Politikern der Nation
b)
zur Gesellschaft der Schweiz, in der europäischen Nachbarschaft
c)
zur Kunst, insbesondere der Literatur
d)
zu Wissenschaften, insbesondere zur Philosophie
e)
zur Religion und Kirche.
Literaturvermittlung im Unterricht
8. Schwerpunkte:
A. Das Leseverstehen
1. Die Analyse einer Inhaltsangabe – im Vergleich mit dem Inhalt des Buches
B. Jürgs
auf S. 90 – 92 in „Deutscher Romanführer“, hg. von i. Klemm. Stuttgart 1991:
Eine gute Inhaltsangabe zu schreiben ist eine Kunst. Sie verlangt eine objektive Betrachtung,
eine klare, nüchterne Darstellung des Inhalts, in der nichts Wesentliches fehlen soll. Aber: Sie
muss knapp sein. Das meiste bleibt ausgespart. Die richtige Ausahl setzt ein sicheres
Verständnis des Textes voraus. Zentrale Inhaltselemente werden focusiert. Dadurch wird die
Inhaltsangabe zugleich auch subjektiv.
2. Eine vergleichende Inhaltsanalyse (Content Analysis) von Buch und Film
Die Analyse des Wortgebrauchs
Zum Buch: Wortschatz des Rechts
Zum Film:
Beispiel: eine Filmkritik
Eine Filmkritik zu
„Der Richter und sein Henker“
von H.G. Pflaum (1977) in der Süddeutschen Zeitung
1) Erste Lektüre. Unbekannte Wörter?
Befürchtung < Furcht, etwas befürchten; --- Angst
ehrfurchtsvoll <Ehrfurcht vor den Eltern>
unverzüglich < Verzug
j-m etwas verwehren --- sich gegen etwas wehren
bissig < Biss, beißen
drastisch
Unebenheiten < (un)eben
bieder
Ordnungshüter < die Ordnung hüten „für Ordnung sorgen“
ausstehend = fehlend
larmoyant
schwerfällig < j-m fällt es schwer
unmissverständlich < etwas (miss)verstehen
mühelos < Mühe, sich mühen
Brillanz
hieb- und stichgewandt: okkasionell aus hieb- und stichfest < hauen und stechen
Besetzung <ein Stück, Rollen besetzen mit Schauspielern
knorrig <Ast, Mann>
opulent <Essen, Mahl>
Destruktion; vgl. detruktiv
ambivalent
schillernd <Persönlichkeit> = undurchschaubar
unauffällig < j-m auffallen
Gepäckband = Transportband für Gepäck
Verve
seriös = solide; russ. solidnii
eigenartig < Eigenar
3) Welche Wörter gehören zum Fachwortschatz und zum Stil der Filmkritik?
8) Eine Palette zur Filmkritik
Über einen
Film reden
Wie hieß der Film? Sein Titel (Untertitel)?
Die Wertung: Wie war der Film? Hat er dir gefallen?
<langweilig - spannend? anspruchsvoll – oder leichte Unterhaltung? Die Bilder: schrecklich
oder schön?Ist „der Streifen“ wertvoll ,ist er unterhaltsam oder witzig?> Worum geht es? Wovon handelt der Film?
< von Liebe und Tod, von einem Familiendrama, von Kindern ohne Eltern, von einem
Zugunglück usw.>
Was war es für ein Film? Welches Genre?
Ein Thriller, Fernseh-/TV-Film, Western, Krimi, Grusical, ein kurzer Spot, eine (Familien)Serie;
ein Liebes-, Kriegs-, Abenteuer-, Cowboy-, Science-fiction-, Stumm-, Märchen-, Kultur-,
Werbe-, Kriminal-, Zeichentrick-, Dokumentar-, Jugend-, Kinder-, Historienfilm;
ein Filmlustspiel ; eine Literaturverfilmung. Was ist sein Thema? Das Sujet?
< sein Inhalt, seine Story, Filmhandlung, der Plot, die Geschichte>. Mit wem? Welche Darsteller, Schauspielerinnen spielen mit?
Wer spielt die Hauptrolle(n)?Ist sie mit Stars besetzt?
Und die Nebenrollen? < diese Rollebekommen haben, spielen>. In welcher Sprache? <den Film synchronisieren> . Wie ist der Film gemacht? Sein Stil?
Die Darstellung/Machart ? <realistisch, phantastisch, surrealistisch, klassisch, komisch,
romantisch, dokumentarisch, historisch/historisierend, impressionistisch, expressionistisch>
Wer hat den Film gemacht? Wer führt Regie? Wie ist er inszeniert?
Welche Regisseurin? Und wer hat das Drehbuch verfasst?
<die Vorlage, Dialoge schreiben>
Wer hat ihn gedreht? <am Drehort, Schauplatz, im Studio, im Atelier>
Welche( r) Kameramann/-frau ? <Szenen, Ausschnitte, Folgen filmen, drehen>
Wie? Mit welchen filmischen Mitteln? < Rückblende, Zeitlupe, Totale, Schnitt>
Wer hat ihn produziert, finanziert?
Welche( r) Produzent/in, Produktionsfirma?
Welcher Vertrieb, Verleih?
<für den Film werben, Reklame machen>
Wie hat der Film auf die Zuschauer gewirkt? Und wie war das Echo bei den Kritikern?
< über den Film reden/diskutieren, (sich) informieren, schreiben; ihn kritisieren, ablehnen>.
Wie ist die Filmkritik (in den Zeitungen) zu bewerten? Worüber informiert sie? Über den
Inhalt/ die Story, das Drehbuch/die Vorlage, den Autor, den Stil und die filmischen Mittel,
über die Filmmusik, die Schauspieler/innen,über ihre Leistungen; über, die Produktion, die
Regie,über die Resonanz (Preise usw.) . Und wie beurteilen die Kritiker den Film
abschließend, als gut, mittelmäßig oder schlecht?.
4) Aufbauanalyse: Wie ist die Kritik von Pflaum aufgebaut, welche Gedanken bestimmen
ihre einzelnen Abschnitte? Geben Sie diesen Abschnitten Überschriften.
5) Argumentationsanalyse: Wie fällt das Urteil des Kritikers über diesen Film aus? Wie
begründet er es?
Ihr persönliches Urteil: Wie finden Sie den Film?
Und:Wie gefällt Ihnen diese Filmkritik (im Vergleich mit den beiden anderen)?
6) Sachanalyse, Vergleich: Worin (in welchen Einzelheiten) unterscheidet sich der Film vom
Buch?
7) Gattungsanalyse: Was macht eine gute Filmkritik aus? Welche Elemente gehören auf
jeden Fall dazu, und welche davon kommen in diesem Text vor?
Dazu s.o. S. ..
C. Satz- und Textanalysen
Fragen zum Roman, zu seiner Komposition
1) Wie ist der Roman aufgebaut (Makrostruktur)?
2) Wie wird die Handlung am Anfang in Gang gesetzt (Exposition)?
3) Wie endet der Roman (wie ist sein Schluss komponiert)?
4) Gesellschaftskritik: Wie stellt „der Schriftsteller“ die Rolle des Künstlers in der
Gesellschaft dar?
5) Gesellschaftskritik: Wie stellt der Autor die Funktion der Parteien in der Schweiz dar?
6) Die Textgattung/das Genre: Welche Eigenschaften eines Kriminalromans hat dieses Buch?
7) Die Textgattung/das Genre: Ist es ein psychologischer Roman?
8) Die Textgattung/das Genre: Hat das Werk auch Züge einer Tragödie?
9) Einen Krimi bestimmt die Frage: Wer ist der Mörder? Kann der Leser schon vor dem
Schluss erkennen, wer der Mörder sein muss? Gibt es Hinweise darauf?
10) Welche zentrale Charaktereigenschaft entdecken Sie bei Gastmann?
11) Welche zentrale Charaktereigenschaft hat Tschanz?
12) Dürrenmatt ist als Theaterdichter bekannt. Erkennen Sie in diesem Roman auch Elemente
des Dramas? Welche?
13) Erklären Sie die Wette zwischen Bärlach und Gastmann.
14) Psychologie: Womit verunsichert Kommissär Bärlach seinen Kollegen Gastmann?
15) Bärlachs „Verdacht“: Woran sieht der Kommissär früh, dass es Tschanz ist, der den
Polizisten Schmied ermordet haben muss?
16) Welche Rolle spielen die Frauen in diesem Roman? Erklären sie die Figur der Ânna.
17) Wer verkörpert das Prinzip des Bösen in diesem Roman?
18) Wie interpretieren Sie die Szene auf dem Friedhof?
19) Das Motiv des Kochens und Essens: Wo kommt es vor? Hat es eine Bedeutung für die
Entwicklung der Handlung?
20) Das Motiv der Rache: Wo kommt es vor? Welche Funktion hat es?
21) Welche Rolle spielt Schmieds Mappe in diesem Roman?
22) Welche Rolle spielt Schmieds Mercedes in dem Roman?
23) Worin unterscheiden sich die Polizisten Tschanz und Schmied? Und was verbindet sie?
Beispiel: die Filmkritik
D. Stilanalysen
Fragen zum Roman als Ganzem:
Liste C.
1) In welchem Tempus wird die Handlung des Romans erzählt (Was ist sein Haupttempus)?
2) Welchen Namen hat Schmieds Auto? Inwiefern ist er für den Erzähler wichtig?
3) In dem Roman spielt auch ein Messer eine Rolle. Wie wird es genannt? Und warum wird
es so genannt? Gibt es auch andere Bezeichnungen für dieses Messer?
4) Mit welchen Worten wird die Tatsache bezeichnet, dass Bärlach zu wissen glaubt, wer der
Mörder ist?
5) Welche Verben bezeichnen das Gehen (bei der Figur „Tschanz“) im 18. Kapitel?
6) Mit welchen Titeln wird Herr von Schwendi bezeichnet?
7) Manchmal spielt das Verb „schweigen“ eine Rolle für die Handlung. Wo zum Beispiel?
Nennen sie einige Stellen. Erklären Sie an einem Beispiel, inwiefern das Schweigen für die
Handlung wichtig werden kann.
8) Mit welchen Worten wird Bärlachs Krankheit charakterisiert?
9) Textverständnis: Erklärung der Substantivbildungen Gesellschaftsanzug (S.17),
Untermieter (S.8), Nebelfetzen (S. 24).
10) Textverständnis: Erklären Sie die (phraseologischen) Ausdrücke ins Blaue (schießen) , ins
Schwarze treffen (S. 29), wo sich Hase und Fuchs gute Nacht wünschen (S.33).
11) Erklären Sie die Schreibung (Orthographie) von Kommissär und Bureau (S.35).
12) Was ist ein Stereotyp? Erklären Sie es daran, wie die Schweizer charakterisiert werden
(besonders auf S. 43) .
13) Was ist ein Symbol? Erklären Sie es an einem Beispiel aus dem Text.
14) Was ist eine Metapher? Erklären Sie es an einem Beispiel auf S. 53 oder auf S. 59.
15) Was ist eine Metapher? Erklären Sie es an einem Beispiel von S. 67 oder auf S. 77.
16) Erklären Sie die Bildung und Bedeutung der Adjektive unsichtbar, unhörbar,
unaufhaltsam (S. 85). Auf welches Prädikat beziehen sie sich in dem Satz? Und auf welche
Person? Wer war dieser Eindringling?
17) Erklären Sie, in welcher semantischen Beziehung die Wörter richten(Richter), henken
(Henker), verurteilen (S91) zueinander stehen. Und erklären Sie den Titel des Romans.
18) Erklären Sie die Vergleiche am Anfang des 18. Kapitels (S. 93).
19) Warum wird Bärlach auf S. 105 als Schachspieler bezeichnet?
20) Das Wort Bestie auf S. 31, 32 und 106: Was bezeichnet es dort? Worin unterscheidet sich
die Verwendung des Wortes an diesen Stellen?
21) Was gehört zu der Wortfamilie des Wortes/Lexems Mord in Kapitel 19 und 20?
22) Was gehört zur Wortfamilie des Wortes/Lexems tot in Kapitel 19 und 20?
23) Der Wortschatz, der zur Behandlung eines Verbrechens vor einem Gericht gehört, soweit
er in Kapitel 17 und 20 vorkommt.