Miaplacidus – Unter südlichem Sternenhimmel unterwegs Art Deco
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Miaplacidus – Unter südlichem Sternenhimmel unterwegs Art Deco
Miaplacidus – Unter südlichem Sternenhimmel unterwegs Datum: Sonntag, 20.02.11 Wetter: Bedeckt, am Abend Nieselregen Ausgangsort: Napier Ankunftsort: Napier Tagesprogramm: Stadtfest: Art Deco Weekend in Napier Unterkunft: Jucy Condo/Toyota Hiace: Affordable Westshore Holiday Park, 88 Meenaee Quay, Westshore, Napier Art Deco Als am 3.2.1931 um 1046 ein Erdbeben mit Stärke 7,9 die Stadt Napier und das nahe Hastings dem Erdboden gleichmachte, gab es 258 Tote zu beklagen. Der Meeresboden wurde angehoben und so das Stadtgebiet um 40 km² größer. In Napier blieben drei Häuser stehen. Das zwang dazu, die aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammende und nach dem britischen Kolonialverwalter Charles Napier benannte Stadt schnell wieder neu aufzubauen. 2 - ... 1 - Bau aus den 30er-Jahren Der Aufbau geschah einheitlich im damals üblichen Art Déco-Stil, und dieser Stil prägt in seinen relativ niedrigen Häusern auch heute noch fast durchgängig die ganze Stadt. Für Art Deco-Liebhaber ist die Stadt ein „must“, und wie uns eine Dame erzählte, kamen vor circa 15 Jahren erstmals Touristen, die sich im Stil des „Großen Gatsby“ angezogen durch die Stadt bewegten. Inzwischen hat sich das Ganze zu einem riesigen „Art Deco Weekend“ ausgewachsen, an dem die Bevölkerung der Stadt und auch die Gäste verkleidet teilnehmen, teils mit Originalversatzstücken der Zeit, teils mit nachempfundener Kleidung. Heuer ist das Erdbeben 80 Jahre her, und so wird das Programm besonders umfangreich sein, und als wir dazustoßen, ist das Fest schon drei Tage im Gange. 3 - ... 4 - ... Es beginnt eigentlich schon am pingplatz, als plötzlich eine Camalte Dampflokomotive samt ebenso alten Waggons mit Leuten im Stil der 20er-Jahre vorbeifährt. Ein immer wieder vorbeifliegender Doppeldecker begeistert vor allem Susi. Wir fahren in die Stadt und finden bald einen Parkplatz. Durch die Fußgängerzone gehen wir Richtung Meer und bewundern die pastellfarbenen, niedrigen Häuserfronten im Art Déco-Stil. Es ist wirklich wunderbar einheitlich erhalten und gepflegt. Eine Menschenmenge an einer leicht abschüssigen Straße feuert begeistert jüngste und junge Leute an, die sich in ihren phantasievollen Seifenkistln manch harten Kampf liefern, am Start angeschoben von Verwandten oder Freunden. 7 - Begeisterte Zuseher 8 – Nicht kostümiert - kostümiert 5 - Seifenkistl-Rennen Ein alter, dampfbetriebener Traktor zieht einen Wagen mit Besuchern durch die Straßen. Mein Cousin Gerhard hätte daran seine helle Freude gehabt, eingedenk seiner alten Spielzeugdampfmaschine. 6 - ... 9 - Der Dampftraktor Eine solche Ansammlung von Oldtimern haben wir noch nicht gesehen. Die ganze Uferpromenade, das Ufer selbst sind damit vollgeparkt. Mondän gekleidete Damen posieren davor, lassen sich gerne mit den glänzenden Wagen abbilden. Es gibt „Oma Duck-Autos“, Lastwägen, große und kleine Wägen mit und ohne Verdeck, bei manchen steht die Lebensgeschichte dabei. So hat einer der Oldtimer erst den zweiten Besitzer. Ein Oldtimer wird um 41000 NZ$ angeboten, aber wie bekommen wir ihn ins Reisegepäck? der ausgiebiger Kontakt mit der Heimat! 13 - Die Picknick-Meile Ab 1300 beginnt der Rummel an der Picknickmeile entlang der Marine Promenade. Partyzelte sind aufgebaut, darinnen Tische mit Tischaufsätzen und Kuchen arrangiert, die Leute im Stil des „Großen Gatsby“ gestylt, teilweise unter einem Motto. Auch die jungen Leute und sogar die Hunde schließen sich diesem großen Karneval an, und alle lassen sich gerne photographieren. 10 - Noch immer fahrbereit 11 Damen Mondäne Fahrzeuge und mondäne 14 - Die freundlichen Damen aus Napier und Auckland 12 - Ein Gustostückerl nach dem anderen Um die Mittagszeit trinken wir Kaffee im „Esquires“ und nützen das Internetangebot weidlich aus. Endlich wie- Peter fragt eine Gruppe von älteren Damen, ob er sie photographieren dürfe. Natürlich, und sie wollen wissen, woher er komme. Es ist eine Frau aus Napier, die restlichen kommen aus Auckland. Zwei waren schon in Österreich und der Schweiz. Die Österreicher seien sehr nett, aber die Schweizer „cold people in a cold country“, was Peter so nicht unterschreiben möchte. Eine der Damen hat in Salzburg ihren Geburtstag gefeiert („lovely“). Eine der anderen Damen hat England, Belgien und Norwegen gesehen: Verwandtenbesuch. Und wie Peter Neuseeland findet? – Lovely. Susi wird inzwischen von einer Frau mit Originalkleid aus den 30er-Jahren in Beschlag genommen und diskutiert mit ihr über die Veranstaltungsgeschichte (siehe oben) und den Verein, der die Veranstaltung mit vielen freiwilligen Helfern trägt. Auch die Architekturgeschichte ist ein Thema. – Lovely. Inzwischen hat sich eine Gruppe von älteren Männern aufgebaut, die „Bay Harmony“, die a capella gegen die Jazzband auf der Orchesterbühne ansingt. Sie ziehen von Stand zu Stand und geben ihr Bestes, ebenso wie andere Gruppen, darunter eine richtig gut swingende Jazzband. 15 - Jazzband 16 - ... Afrikaforscher kommen mit einem „erlegten“ Plüschtiger vorbei, Kolonialherren mit Tropenhelm sind zu sehen, ein ordensgeschmückter General oder Admiral samt Adjutanten, Matrosen, Tennisspielerinnen, ein Kinderboot schwimmt mit Besatzung im Brunnen. Als nicht kostümierter Tourist kommt man sich „under-dressed“ vor. Die Atmosphäre ist entspannt, locker, und man merkt deutlich, wie es allen Spaß macht. 17 - ... 18 - ... 19 - ... 20 - ... 22 - Waghalsige Manöver Inzwischen haben Peter und Susi die „Kinder“ verloren, aber schließlich sind sie ja alt genug, sodass man sie nicht mehr ausrufen lassen muss. Und nach der Flugshow sind sie ja auch von selbst wieder aufgetaucht. Die Flugshow zeigt den Vorbeiflug von unterschiedlichen Flugzeugtypen, darunter der schon erwähnte Doppeldecker. Höhepunkt ist aber eine aus fünf Flugzeugen bestehende Staffel, die waghalsige Manöver zeigt: Fliegen im Sandwich (einer normal, der andere verkehrt über ihm), Loopings, Trudeln, Herzen in den Himmel zeichnend. 23 - ... Auf der Orchesterbühne spielt eine Jazzband am Orchesterplatz, Leute tanzen dazu Bee-Pop. 21 - "Susis" Doppeldecker 24 - ... 27 - Am Strand Hungrig geworden entscheiden wir uns für indische Küche vom Standl. Die junge Mitbesitzerin stellt sich als Deutsche heraus, sie kommt aus Karlsruhe. Sie und ihr neuseeländischer Freund ziehen jetzt im Sommer mit ihrem Stand von Fest zu Fest. 25 - ... Für Kinder gibt es am Strand ein Laufkanurennen, und manch zu kleiner und junger Teilnehmer scheint damit überfordert zu sein, aber es ist sichtlich eine Riesengaudi. Wir ziehen, mit einer Flasche Pinot Gris bewaffnet, zu einem Bankerl und genießen noch die vorbeiflanierende Menge, darunter auch ein äußerst echt wirkender Charlie Chaplin. Aber Aufbruch ist angesagt, als leichter Nieselregen einsetzt und die Autobesitzer um ihre Kostbarkeiten fürchten. Viele sind ja mit offenem Verdeck hier. 26 - Laufkanurennen 28 - Charlie Chaplin lebt! Die Suche nach dem bekannten Art DécoLaden des Vereines ist zwar erfolg- reich, ob des Angebotes aber eher enttäuschend. Um 1700 beginnt ein Erdbeben-Gedenk„Office“ in der Waiapu Cathedral St John the Evangelist mit dem jungen Bischof, der nach dem schwungvollen, von der Royal New Zealand Navy Band begleiteten Einmarsch („Oh when the Saints…“) die Gemeinde mit einem bewundernden „Hey wow!“ begrüßt. 29 - In der Waiapu Cathedral St. John the Evangelist Eine Frau neben Peter kommt aus England und besucht ihren Sohn, der Bienenzüchter und Farmer auf der Südinsel geworden ist. Sie ist Gast eines Neuseeländers, der Peter fragt, ob er sich nicht wie in einem „Time Warp“ fühle. Sie erzählt noch, dass eine Freundin ein Originalkleid auf einem Markt um 12 NZ$ erstanden habe, dass es aber auch sehr teure Ausstattungen gäbe. Die Veronica-Glocke wird geläutet. Die „Veronica“ war das Segelschiff, das beim Erdbeben im Hafen lag und dessen Matrosen bei den ersten Aufräumarbeiten halfen. Die Gedenkmesse wird gestaltet durch eine Textcollage über das Erdbeben (Jugendtheatergruppe), drei Lebensgeschichten von Familien und vielen Liedern, gespielt von der Royal New Zealand Navy Band und stehend mitgesungen von der Gemeinde. Anschließend gibt es noch ein kleines Konzert der Kapelle, auffallend ein schnell gesungener Shanty und ein irisches Lied. Vielleicht hat sich Tolkien die Trinklieder seiner Hobbits so vorgestellt. Schade, dass Neuseeland so weit weg von Österreich ist! Ansonsten wäre das Art Deco Weekend eine jährliche Pflichtveranstaltung.