ARD - Ratgeber Recht

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ARD - Ratgeber Recht
ARD-Ratgeber Recht
aus Karlsruhe
Sendung vom:
09. August 2014, 17.03 Uhr
im Ersten
HAUSSCHWAMM
Zur Beachtung!
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ARD-Ratgeber RECHT vom 09.08.2014
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SÜDWESTRUNDFUNK  FERNSEHEN
Postfach 5520  76037 Karlsruhe
Moderation: Dr. Frank Bräutigam
Stellen Sie sich mal vor, Sie haben ein Haus verkauft, für 260.000 Euro. Und dann kommt der
Käufer und sagt: Das Gebäude war ja voller Hausschwamm, das war mangelhaft! Er will
Schadensersatz von Ihnen: 500.000 Euro! Das wäre dann aber ein schlechtes Geschäft gewesen oder? Kann das sein?
Beitrag:
Autorin:
Hausschwamm
Kerstin Anabah
Der Bundesgerichtshof – ein Wendepunkt im Leben von Esther.
Rund 10 Jahre kämpfte sie vor Gericht, marschierte durch alle Instanzen – erfolglos.
Dann die letzte Hoffnung, hier in Karlsruhe.
Esther K.
„Man ist dann einfach angespannt ohne Ende, und dann wird das Urteil
verkündet. Aber man versteht natürlich nicht sofort alles. Ich habe dann
auch meinen Anwalt gefragt, er hat mir dann auf ein Papier geschrieben: Sieht gut aus oder so irgendwas. Also das war dann die Erlösung
schlechthin eigentlich.“
Doch von vorne!
Mit 15 verliert Esther ihren Vater an Krebs. Als Alleinerbin wird sie Eigentümerin einer Immobilie in Berlin. Sie entschließt sich das Haus zu verkaufen. Mutter und Onkel sollen für sie handeln.
2004 ist es soweit, das Modernisierungsobjekt, wird für 260.000 Euro verkauft.
Soweit, so gut! Doch dann beginnt er, der Albtraum!
Die Käuferin meldet sich!
Bettina N.
„Wir hatten ein Verkaufsgutachten, von den Verkäufern angefertigt, das
besagt, dass es keinen Schädling im Dach gibt, und der Nagekäfer, der
da war, für 4000-5000 Euro saniert werden kann. Die Handwerker, die
das reparieren wollten, riefen dann an und hatten echten Hausschwamm gefunden. Es stellte sich heraus, dass das verseucht war,
das gesamte Dach, von echtem Hausschwamm“
Damit ist das Gebäude laut Gesetz mit einem Mangel behaftet, denn Hausschwamm wie dieser, mindert den Wert einer Immobilie. Der Verkäufer muss darüber aufklären!
Die Mutter von Esther wird deshalb wegen Betruges angezeigt.
Esther K.
„Im Rahmen dieses strafrechtlichen Verfahrens gab‘s auch zwei Wohnungsdurchsuchungen, bei denen ich dann jeweils alleine zu Hause
war. Die Wohnung wurde von Beamten gestürmt, die dann Akten beschlagnahmten, auf der Suche nach Hinweisen. Ich wurde in diesem
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Strafverfahren dann auch als Zeugin geladen, dieses Strafverfahren
hat dann eben mit Freispruch geendet.“
Die Schadensersatzklage aber geht weiter.
Esther berät sich mit ihrem Anwalt, denn eigentlich hatte sie die Haftung für Sachmängel im
Kaufvertrag ausgeschlossen. Das ist üblich bei alten Immobilien. Doch das Problem: Der Haftungsausschluss gilt nicht, wenn der Sachmangel arglistig verschwiegen, also ganz bewusst
nicht erwähnt wurde.
Esther selbst jedoch hat gar nichts gemacht. Sie muss sich das Handeln von Mutter und Onkel
zurechnen lassen…
Bettina N.
„Bei denen persönlich sind die Unterlagen beschlagnahmt worden, von
der Staatsanwaltschaft, aus denen hervorgeht, dass Hausschwam vorlag, dass Feuchtigkeit in Wänden steckt, dass Schimmelbildung vorliegt.“
Esther ist geschockt, kann es nicht glauben, dass ihr das zugerechnet werden soll. Dennoch
wird sie verpflichtet, für bereits entstandenen Schaden aufzukommen.
Bald darauf soll sie auch noch zukünftigen Schaden übernehmen.
Es geht Schlag auf Schlag, immer zu Ungunsten von Esther. Dann der Hammer: Das Landgericht Berlin legt den zukünftigen Schaden auf eine halbe Million Euro fest.
Esther K.
„Also das war eigentlich so quasi der Genickbruch, also wie so eine Art
Todesstrafe zivilrechtlicher Art. Man hat einfach keine Perspektive
mehr.“
Eine halbe Million Schadensersatz, obwohl der Kaufpreis bei lediglich 260.000 Euro liegt, geht
das überhaupt?
Esther wehrt sich, erfolglos, bis der BGH ihren Fall wegen grundsätzlicher Bedeutung aufgreift. Die Richter heben das Urteil der Vorinstanz auf, begrenzen den Schadensersatz.
Esthers Reaktion in die Kamera der Tagesschau von damals:
Esther K.
„Überwältigt, Freude, Erleichterung auf jeden Fall, wenn man nach 10
Jahren zum allersten Mal einen Funken Gerechtigkeit erlebt.“
In ihrem Urteil stellen die Richter zunächst klar:
Nur die Kosten, die durch die Sanierung des Hausschwammes anfallen, müssen ersetzt werden. Andere Kosten, die sowieso angefallen wären, nicht. Also zum Beispiel Kosten für die
Sanierung von Heizung, Elektrik und Bädern.
Dann das eigentlich NEUE:
Raimund Schwarz,
Rechtsanwalt
„Der BGH hat erstmals entschieden, dass im Falle unverhältnismäßiger
Mängelbeseitigungskosten der Schadensersatzanspruch des Käufers
begrenzt sein kann.“
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Hier liegt der Wert der Immobilie ohne Schaden bei 600.000 Euro und der Wert mit Schaden
bei 500.000 Euro, die Differenz ist also 100.000 Euro. Dies ist der Minderwert. Deutlich mehr
darf der Schadensersatz nicht betragen.
Eines ist also klar: 500.000 Euro muss Esther nicht zahlen.
In einer neuen Verhandlung, müssen nun die Kosten noch einmal überprüft werden. Außerdem haben die Bundesrichter festgestellt, Arglist liegt nicht vor.
Esther K.
„Ich habe jetzt die Möglichkeit und die Hoffnung auf eine gute Zukunft!“
Bis dahin aber, ist es noch ein langer und steiniger Weg!
Moderation: Dr. Frank Bräutigam
Wichtig: dass der Schadensersatz nach oben hin begrenzt sein kann, das gilt nicht nur für den
Verkauf von Häusern. Wenn Sie zum Beispiel Ihren Gebrauchtwagen für 3000 Euro verkaufen, und der Motor hat einen Mangel, ein neuer kostet 13.000 Euro, dann gilt auch das neue
Urteil. Der Käufer kann von Ihnen also auf keinen Fall 13.000 Euro verlangen.
Zusatzinformationen:
Der Immobilienmarkt boomt. Viele Menschen investieren in Wohnungen oder Häuser, um Altersvorsorge zu
betreiben. Doch schnell kann so ein Kauf oder Verkauf einer Immobilie zum Albtraum werden – und zwar für
beide Seiten!
Sachmangel / Haftungsausschluss
Wird eine alte, also gebrauchte Immobilie verkauft, kann der Verkäufer die Haftung für Sachmängel im Kaufvertrag ausschließen. Von einem Sachmangel spricht das Gesetz zum Beispiel, wenn die Immobilie mit echtem Hausschwamm verseucht ist. Wird der Hausschwamm erst nach Kaufvertragsabschluss entdeckt, haftet
der Verkäufer nicht. Er hat eine Haftung für versteckte Mängel ja ausdrücklich im Kaufvertrag ausgeschlossen.
Ausnahme: Arglist oder Garantie
Doch es gibt eine Ausnahme dieser Haftungsbefreiung. Und zwar, wenn der Verkäufer arglistig handelt oder
aber garantiert, dass die Immobilie frei ist von Hausschwamm! Arglistig handelt, wer den Mangel kennt oder
für möglich hält und ihn bewusst nicht erwähnt.
Schadensersatz
Hat der Verkäufer also zum Beispiel den Hausschwamm gekannt und bewusst nicht erwähnt, haftet er. Dann
muss er für die Sanierung des Hausschwammes aufkommen. Allerdings nicht grenzenlos. In einem Urteil
vom 04.04.2014 hat der Bundesgerichtshofs klargestellt: Sind Mängelbeseitigungskosten unverhältnismäßig,
kann der Schaden begrenzt werden. Ob die Kosten unverhältnismäßig sind, muss in jedem Einzelfall überprüft werden.
Anhaltspunkte für unverhältnismäßige Mängelbeseitigungskosten
Bei Grundstücksverkäufen geben die Bundesrichter zwei Anhaltspunkte für unverhältnismäßig hohe Kosten:
Zum einen ist das der Verkehrswert des Grundstückes ohne den Mangel. Übersteigen die Sanierungskosten
für einen vorliegenden Hausschwamm diesen Wert, sind sie unverhältnismäßig.
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Ein weiterer Anhaltspunkt ist der sogenannte mangelbedingte Minderwert. Dieser lässt sich am besten an
Hand eines Rechenbeispiels erklären: Eine Immobilie ist ohne Schaden 600.000 Euro wert, mit Schaden nur
500.000 Euro. Die Differenz von 100.000 Euro ist somit der Minderwert. Die Immobilie ist also 100.000 Euro
weniger wert. Übersteigen nun die Sanierungskosten des Hausschwammes diesen Minderwert um 200 %,
sind sie unverhältnismäßig.
Begrenzung des Schadensersatzes
Sind Sanierungskosten jedoch unverhältnismäßig, dürfen sie begrenzt werden. Und zwar auf den Minderwert. Im obigen Fall wäre dies dann eine Begrenzung auf 100.000 Euro. Der Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer wäre somit nur in Höhe von 100.000 Euro verhältnismäßig.
Zeitpunkt der Beurteilung
Für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit der Kosten kommt es auf den Beginn der Mängelbeseitigung
an. Fängt also der Käufer an, das mit Hausschwamm verseuchte Gebäude zu sanieren und stellt sich erst
später heraus, dass die Kosten höher als erwartet sind, müssen sie dennoch ersetzt werden. Es sei denn,
jeder normal denkende Mensch hätte mit der Sanierung aufgehört.
So ein Kauf bzw. Verkauf eines Hauses kann also einige Tücken haben. Wer noch tiefer einsteigen möchte
in das Thema, findet weitere Details im BGH - Urteil, vom 4. April 2014 – V ZR 275/12.