Wiener HaydnWege: „How to Become an Expert“
Transcription
Wiener HaydnWege: „How to Become an Expert“
Wiener HaydnWege: „How to Become an Expert“ Ein Rundweg und drei kleinere Touren auf den Spuren Joseph Haydns und seiner Zeit in Wien Die vom Da Ponte Institut konzipierten HaydnWege machen den Stadtraum Wiens zur urbanen Bühne. Sie führen zu den Gedenkstätten Haydns und ins Wien des 18. Jahrhunderts, unter den Herrschafts-Baldachinen von Karl VI. bis Franz II./I. Ein HaydnPfad verbindet im Rundgang vier bedeutsame Plätze dieser Zeit in der Wiener Innenstadt, die mit dem Leben und Schaffen des Komponisten verbunden sind und die Geschichte Wiens in besonderer Weise erfahren lassen: die vier HaydnStationen Michaelerplatz, Stephansplatz, Josefsplatz und Neuer Markt. Ergänzend dazu gibt es die HaydnTour „Esterhazy“ und die HaydnTour „Die Schöpfung“ im ersten Bezirk, die HaydnTour „Haydnhaus“ im 6. Bezirk sowie Informationen zu weiteren Wiener HaydnOrten. Hinweis: Diese Informationen entsprechen jenen in der Broschüre „Haydn 2009“ des WienTourismus enthaltenen, jedoch um Details und das gesamte Kapitel „Weitere Haydn-Orte“ ergänzt. PDF-Download des Teils „HaydnWege“ der Broschüre des WienTourismus mit Stadtplan und eingezeichneten HaydnWegen auf www.wien.info/haydn-jahr-2009 Das Wiener Haydn-Jahr 2009 War Mozart das früh verstorbene „Menschheits-Genie“, welches 2006 in einem Jubiläumsjahr weltweit gefeiert wurde, so führt uns Joseph Haydn 2009 als Erneuerer musikalischer Formen und planvoller Vermarkter seines Schaffens auch durch das Wien des 18. Jahrhunderts. Nachhaltiger als der faszinierende Virtuosen-Star Mozart hat der Genius Haydn die Musikgeschichte beeinflusst: Seine Streichquartette und Sinfonien sind als innovative Formate unmittelbar in die Musikproduktion des 19. Jahrhunderts eingegangen. Mit Haydns Lebenslauf lässt sich ein großer Bogen spannen – vom barocken Lebensgefühl Karls VI. zur Reform-Kaiserin Maria Theresia, über ihre aufklärerischen Söhne Joseph II. und Leopold II. bis hin zu Franz II./I., welcher der Aufklärung ein Ende setzte. Der „Compositeur“ der „Schöpfung“ sowie unvergleichlicher Kammermusik, die die bürgerlichen Salons prägte, war Avantgardist auf dem europäischen Musikmarkt. Allein durch den Druck seiner Werke begeisterte er Paris, ohne je dort gewesen zu sein. Und er war Schöpfer der „Kaiserhymne“, deren Melodie über das Ende der Habsburger Monarchie hinaus noch heute als Nationalhymne Deutschlands staatstragende Bedeutung hat. HaydnPfad Stephansplatz (1) Haydn-Entdeckung Im Stephansdom begann Haydns langer Weg in Wien. Auf der Suche nach neuen Sängerknaben für den Chor des Stephansdoms entdeckte 1739 der damalige Domkapellmeister und spätere Hofkapellmeister, Georg Reutter d. J., den siebenjährigen Joseph in der Stadt Hainburg in Niederösterreich, unweit zur heutigen Slowakei. Dort besuchte der in Rohrau geborene Sohn eines Wagnermeisters seit einem Jahr die Schule. Haydns unvorhersehbare „Entdeckung“ (man denke auch an die seit der Renaissance kursierenden „Künstlerlegenden“) eröffnete Haydn eine in weiterer Folge auch durch Selbststudium erarbeitete Karriere, die aufgrund seiner Herkunft keineswegs vorgezeichnet war – dies im Unterschied zu Mozart, Sohn eines erzbischöflichen Vizekapellmeisters. Mozart erlernte seinen Beruf wie ein Handwerker in der „Werkstatt“ seines Vaters, ein im 18. Jahrhundert gängiger Ausbildungsweg. Wer nicht einen Musiker zum Vater oder in der näheren Verwandtschaft hatte, musste auf die Angebote kirchlicher Institutionen zurückgreifen. Sängerknabe im Stephansdom Von 1740 bis ca.1749 sang Joseph Haydn im Domchor des Stephansdom und erfuhr dort seine grundlegende musikalische Ausbildung – Haydns jüngerer Bruder Michael folgte ihm 1745 nach. Das noch zu Lebzeiten Haydns (1803) abgerissene Kapellhaus, in welchem der Domkapellmeister wie die Chorknaben untergebracht waren, befand sich in einer direkt vor dem Haupteingang des Doms gelegenen Häuserzeile. 1749 wurde Joseph Haydn aus dem Chor entlassen – der Anekdote zufolge war dafür auch ein Streich des jungen Musikers ausschlaggebend. Trauung mit der Perückenmacher-Tochter Im Stephansdom wurde im Jahre 1760 die Trauung von Joseph Haydn mit Maria Anna Keller vollzogen. Dies erfolgte zu einem Zeitpunkt, als Haydn nach langen Jahren als „freier“ Musiker seine erste Anstellung in einer Hofkapelle gefunden hatte. Haydns Gattin wird von den Musikhistorikern gerne als „Fehlbesetzung“ neben dem „Genie“ beschrieben – ein Urteil des 19. Jahrhunderts, welches allerdings viele andere Komponistengattinnen betraf, sofern sie sich nicht bedingungslos der Kunst ihres Mannes aufopferten. Von Karl VI. zu Maria Theresia Im Jahr 1740, als der achtjährige Haydn nach Wien kam, begann die Herrschaft Maria Theresias, die vier Jahrzehnte lang das Habsburgerreich regierte. Sie reduzierte die aufwendige repräsentative Hofhaltung, wie sie von ihrem Vater Karl VI. in hochbarocker Manier gepflegt worden war – auch im musikalischen Bereich. Joseph Haydns Jahre als Sängerknabe im Stephansdom fielen in die Zeit des „Österreichischen Erbfolgekrieges“ (1740-1748), in welchem das Habsburgerreich seine Stellung als europäische Großmacht trotz einzelner Länderverluste erfolgreich behaupten konnte. Maria Theresia konnte zwar in der Habsburgermonarchie das Erbe ihres Vaters antreten, nicht aber im Heiligen Römischen Reich. Mit der Wahl ihres Gatten; Franz Stephan von Lothringen, zum deutschen Kaiser kam die Kaiserkrone 1745 wieder „in die Familie“. Gegen Ende der 1740er Jahre folgte ein „Modernisierungsschub“ – die systematische Zentralisierung der staatlichen Behörden einhergehend mit einer Einschränkung des Einflusses kirchlicher Institutionen im Sinne eines aufgeklärten Absolutismus. Vom Barock zum galanten Stil Es war eine Zeit der Umorientierung auch im musikalischen Bereich. Die tonangebenden Wiener Komponisten des Hochbarock, Johann Joseph Fux und Antonio Caldara, waren mittlerweile verstorben, ihr Stil wirkte jedoch im Bereich der Kirchenmusik noch weiter nach. Parallel entwickelten sich jedoch neue musikalische Formversuche hin zum „galanten“ Stil. Die Oper – wenn auch weiterhin eine Domäne der Aristokratie – begann ihren höfisch exklusiven Charakter zu verlieren. Domgasse Haydn und Mozart Im „Mozarthaus“ in der Domgasse befindet sich die einzige noch erhaltene Wohnung Mozarts, welche dieser von 1784 bis 1787 bewohnte. In dieser kostspieligen Unterkunft war Mozart als freischaffender Komponist und Virtuose auch ökonomisch höchst erfolgreich tätig. Im Jahre 1785, als Mozarts Vater Leopold in Wien weilte, besuchte Joseph Haydn Mozart in seiner eleganten Stadtwohnung. Dort führte man im selben Jahr jene Streichquartette auf, die Wolfgang Amadé Joseph Haydn gewidmet hatte und die als „Haydn-Quartette“ in die Geschichte eingingen. Mozart wurde bei der Komposition seiner „Haydn-Quartette“ in besonderem Maße von den 1781/1782 bei Artaria in Wien veröffentlichten Streichquartetten op. 33 inspiriert, welche Haydn selbst wegen ihrer ganz neuen Art anpries. Wenn auch Haydn schon bei seiner ersten Streichquartett-Serie seine grundlegend neue Art im Hinblick auf die Gattung des Streichquartetts zu Papier brachte, so übten doch gerade jene Streichquartette op. 33 auf die Zeitgenossen eine ungeheure Faszination aus. Wie Leopold Mozart an seine Tochter schreibt, würdigte Haydn Mozart mit dem Kompliment, neben Geschmack auch die „größte Compositionswissenschaft“ zu besitzen. Das Streichquartett – Haydns Schöpfung Zukunftsweisend war Joseph Haydn in seinem umfangreichen sinfonischen Werk und in seiner Kammermusik. Dort konnte sich in besonderer Weise ein moderner Geist entwickeln, da dieses Musikformat nicht an die adligen Repräsentationsstätten gebunden war und deshalb auch Eingang in bürgerliche Häuser fand. Zu Haydns epochaler künstlerischer Schöpfung zählte das Streichquartett. Diese Gattung faszinierte den experimentierfreudigen Kenner und bediente zugleich einen „kulturindustriellen“ Markt für den bürgerlichen Hausgebrauch. Aufbauend auf Haydns Standards haben Mozart, Beethoven und Schubert das Streichquartett zu einem Höhepunkt kompositorischer Raffinesse gemacht. Kohlmarkt (2) Am Kohlmarkt befindet sich der Verlag Freytag-Berndt und Artaria (Kohlmarkt 11), dessen Vorläufer im 18. Jahrhundert zahlreiche Werke Joseph Haydns in Druck legte. Auf dem Weg zum Michaelerhaus passiert man weitere Geschäfte, deren Tradition ins 18. Jahrhundert zurückreicht: die Zuckerbäckerei Demel (Kohlmarkt 4), die, 1786 am Michaelerplatz gegründet, im 19. Jahrhundert auf den Kohlmarkt verlegt wurde, und das Juweliergeschäft RozetFischmeister (Kohlmarkt 9), das seit 1770 die Wiener Gesellschaft mit Preziosen beliefert und im 19. Jahrhundert wie die Bäckerei Demel den privilegierten Status eines kaiserlich-königlichen Hoflieferanten gewann. Verlagshaus Artaria – der neue Musikmarkt Parallel zu seinen Aufgaben als Kapellmeister in Diensten der Fürsten Esterházy begann Joseph Haydn gezielt, sich am europäischen Musikmarkt zu positionieren. So kooperierte er seit Beginn der 1780er Jahre mit dem Wiener Verlag Artaria. Dieser seit 1770 in Wien ansässige Verlag hatte 1789 auch eine Niederlassung am Kohlmarkt gegründet – im Vorgänger-Haus der heutigen Buchhandlung Freytag-Berndt und Artaria (Kohlmarkt 9). Das Verlagshaus Artaria stand somit exemplarisch für die grundlegenden Veränderungen im Musikleben des 18. Jahrhunderts – für das Entstehen eines bürgerlichen Musikmarktes und einer damit verbundenen kompositorischen Praxis, die sich an diesem Markt orientiert. Haydns europäischer Ruf – noch vor seinen erfolgreichen London-Reisen in den 1790er Jahren – verdankte sich eben dieser Präsenz am internationalen Verlagsmarkt – in Paris, Lyon, London, Amsterdam, Berlin und Wien. Michaelerplatz (3) Der Michaelerplatz war in vielfältiger Weise eine Bühne für Joseph Haydn: Sowohl Ort seiner frühen Wiener Jahre als Musikus ohne feste Anstellung als auch der Ort, wo er gegen Ende des 18. Jahrhunderts als mittlerweile europaweit gefeierter Komponist die Ovationen der Wiener Gesellschaft entgegennehmen konnte. Frühe Jahre im „Michaelerhaus“ Im 1720 erbauten „großen Michaelerhaus“ neben der Michaelerkirche wohnte der junge Haydn in den 1750er Jahren in einer Dachkammer – zwischen seinem Rauswurf als Sängerknabe im Wiener Stephansdom (um 1749) und seiner Anstellung als „Musikdirektor“ beim Grafen Morzin (um 1757). Das war die Zeit seines „freien“ Musikertums, in der sich der junge Haydn mit unterschiedlichen Tätigkeiten seinen Lebensunterhalt verdienen musste: Musikdienste bei Messen und in Tanzkapellen, kleine Kompositionsaufträge von adligen Geldgebern, Kompositionen theatralischer Musik für das Kärntnertortheater, Musikunterricht. In dieser Zeit betrieb Haydn auch ein intensives Selbststudium der musikalischen Lehrbücher. Michaelerkirche Nach seiner Entlassung aus der Domkapelle spielte Haydn in der Michaelerkirche 1749 als 17-Jähriger die Orgel. Stars der italienischen Musik- und Theaterkultur Im „Michaelerhaus“ begegnete Haydn 1751 dem ebenfalls dort wohnenden Pietro Metastasio, dem einflussreichsten Operntextdichter des 18. Jahrhunderts. Metastasio bekleidete seit Beginn der 1730er Jahre die Stelle des Hofdichters am Habsburgischen Hof. Für Kaiser Karl VI. hatte Metastasio zahlreiche Opernlibretti geschrieben. Später, als Hofkapellmeister der Fürsten Esterházy, vertonte auch Joseph Haydn ein Libretto Metastasios: „L’isola disabitata“ (Die unbewohnte Insel), uraufgeführt 1779 auf Schloss Esterháza. Im „Michaelerhaus“ lernte Haydn weiters den berühmten neapolitanischen Komponisten und Gesangspädagogen Nicola Porpora kennen, in dessen Dienste er sich zeitweilig begab. Ebenfalls auf Vermittlung von Metastasio erhielt Haydn Gelegenheit, der späteren Komponistin und Pianistin Marianna Martinez Klavierunterricht zu geben. Die Zeit Joseph Haydns im „ großen Michaelerhaus“ fiel in eine Zeit grundlegender Neustrukturierung des Staates – mit Herausbildung einer neuen Verwaltung in den Habsburgischen Erblanden, Zentralisierung wie Differenzierung der staatlichen Behörden, erste Ansätze einer Zensurreform, welche den Einfluss der Jesuiten auf den Universitäten sukzessive einschränkte, bis hin zur späteren Auflösung des Jesuitenordens. Die theoretischen wie praktischen Diskurse der Aufklärung wurden instrumentalisiert für die Entwicklung effektiverer staatlicher Administration. Auf kulturellem Gebiet verstärkte sich in den 1750er Jahren – auch Ausdruck politischer Annäherung an Frankreich – die Orientierung an französischer Kultur. Diese dominiert das höfische Theater, wenn auch die Pflege der italienischen Oper nicht aufgegeben wurde. In den Opernreformen der 1760er Jahre, nicht nur derjenigen Glucks, war ein Versuch zu sehen, italienische und französische musiktheatralische Traditionen zusammenzuführen. Das alte Burgtheater: Vom Ballhaus zur Hofbühne Gegenüber der dem Michaelerplatz zugewandten Seite des „Michaelerhauses“ befand sich zur Zeit Joseph Haydns das „Theater nächst der Burg“: jenes „alte“ Burgtheater, in welchem für die Operngeschichte so bedeutsame Werke wie „Orpheus und Eurydike“ von Christoph Willibald Gluck oder „Die Hochzeit des Figaro“ von Wolfgang Amadeus Mozart uraufgeführt wurden. Dieses Theater musste im Jahre 1888 dem Bau des Michaelertraktes der Hofburg weichen, der nach alten Plänen Joseph Emanuel Fischer von Erlachs errichtet wurde. Das Burgtheater entstand durch den Umbau des damaligen „Ballhauses“, in welchem der Hof dem „Jeu de paume“, einem Vorläufer des Tennis, nachging. Es wurde im Jahre 1748 eröffnet. Italienische und französische Bühne für alle Wenn auch ein Großteil des Publikums der Aristokratie angehörte, war das Burgtheater keine exklusiv höfische Einrichtung, sondern auch für die zahlende Öffentlichkeit zugänglich. Im 18. Jahrhundert war das Burgtheater ein „Mehrspartentheater“ mit Oper, Schauspiel und Ballett. Gelegentlich wurden auch Oratorien aufgeführt und Konzerte veranstaltet. Zu Haydns Zeit im „Michaelerhaus“ wurde diese erste Bühne Wiens im Zuge der politischen Annäherung an Frankreich zum „französischen Theater“, wo neben italienischen Opern französische Schau- und Singspiele aufgeführt wurden. Der Frankophilie sollte in Wien ab den 1770er Jahren eine Anglomanie folgen. Haydn und das Theater Haydns erste musiktheatralische Komposition fiel in seine frühe Zeit am Michaelerplatz. Allerdings schrieb er nicht für das Burgtheater und seine damalige französische respektive italienische Bühne, sondern für das deutsche Kärntnertortheater. Mit Ausnahme seiner letzten für London verfassten Oper (1792) komponierte Haydn alle Opern für den Hof der Fürsten Esterházy, in deren Dienste er im Jahre 1761 trat. Anlässlich des Aufenthalts von Maria Theresia im neu errichteten, prachtvollen Schloss von Fürst Nikolaus II. in der Nähe von Sopron (1773) wurden auch zwei Bühnenwerke Haydns gespielt: eine italienische Oper („L’ infedeltà delusa“) und ein Puppenspiel („Philemon und Baucis“). Die Kaiserin war von der Opernbühne des Fürsten sehr angetan: „wenn ich eine gute Oper hören will geh ich nach Esterház“. Haydns späte Triumphe im Burgtheater Die Kaiserin kam jedoch nicht wieder ins Schloss Esterháza und auch das Wiener Burgtheater nahm Haydns Opern nicht in den Spielpan auf. Zu den „legendären“ Haydn-Aufführungen am Wiener Burgtheater, das gelegentlich auch als Konzertsaal diente, kam es erst 1793, als Haydn drei seiner Londoner Sinfonien dirigierte. 1797 erklang hier zum Geburtstag Franz II. erstmals die „Kaiserhymne“ und 1799 erfolgte hier die erste öffentliche Aufführung des Oratoriums „Die Schöpfung“. Josefsplatz (4) Gottfried van Swieten – Textdichter von Haydns „Schöpfung“ In der ehemaligen Hofbibliothek am Josefsplatz (heute Sitz der Österreichischen Nationalbibliothek) wohnte und arbeitete Gottfried van Swieten, der Textautor von Haydns Oratorien „Die Schöpfung“ und „Die Jahreszeiten“. Der langjährige Präfekt der Hofbibliothek war der Sohn von Gerard van Swieten, dem Leibarzt Maria Theresias. Die Hofbibliothek wurde unter Karl VI. als freistehender Bau errichtet – unter Maria Theresia fand der Josefsplatz seine heutige hufeisenartige Form. Das Reiterstandbild Kaiser Joseph II. als römischer Imperator ließ sein Neffe, Kaiser Franz II./I., 1806 errichten – zu diesem Zeitpunkt war die rasante Zeit der österreichischen Aufklärung, wie sie Joseph II. mit Nachdruck forciert hatte, allerdings längst vorüber. „Tauwetter“ in Wien Als Vorsitzender der Zensur- und Studienkommission hat sich Gottfried van Swieten erfolgreich für eine Liberalisierung des Büchermarktes eingesetzt. Durch die von Joseph II. nach dem Tode Maria Theresias (1780) betriebene Reformpolitik wurde in Wien geradezu ein „Tauwetter“ ausgelöst. In einer Flut von Broschüren wurden Fragen von der Kirchenpolitik bis hin zur Sexualität diskutiert – selbst die offene Kritik am Kaiser war zulässig. Josephs Reformen im Sinne eines aufgeklärten Absolutismus umspannten alle wesentlichen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens und wurden in einem rasanten Tempo durchgeführt: Toleranz im Hinblick auf die Ausübung von Religionen, Einschränkung der kirchlichen Aufgaben auf den seelsorgerischen Dienst, standesamtliche Eheschließung, Auflösung aller Klöster, welche keine sozial nützlichen Aufgaben verfolgten, Aufhebung der Leibeigenschaft, weitere Zentralisierung der Behörden, Aufhebung des Sonderstatus des Adels im Strafrecht – bis hin zu Neuregelung der Bestattung. Der „Musiksalon“ Gottfried van Swietens Gottfried van Swieten war eine jener für das 18. Jahrhundert typischen universell gebildeten Persönlichkeiten: Diplomat, Komponist, Textdichter, Kulturförderer, Präfekt der Hofbibliothek, Leiter der Studien und Zensurkommission etc. Sein Name ist mit allen drei Komponisten der „Wiener Klassik“ eng verbunden: Neben Haydn förderte er auch Mozart und Beethoven, der ihm seine erste Sinfonie widmete. Gottfried van Swieten führte in den 1780er Jahren auch einen „Musiksalon“ – regelmäßig am Sonntag verkehrten in seiner Wohnung Komponisten und Musiker wie Mozart, Salieri und Weigl, um Werke von Bach und Händel zu spielen und zu studieren. Die Salons in Wien wie auch in anderen europäischen Zentren waren wesentliche Orte des aufgeklärten Denkens. Auch Haydn verkehrte in diesen und hatte dadurch Anteil an der intellektuellen Entwicklung seiner Zeit. Palais Fries Das gegenüber der ehemaligen Hofbibliothek gelegene Palais Fries (heute Palais Pallavicini) wurde im josephinischen Jahrzehnt (1783) im Auftrag des Bankiers Johann von Fries gebaut. Das von Johann Ferdinand Hetzendorf errichtete Stadtpalais erregte durch den „Reduktionismus“ der Fassade wie später das Loos-Haus am Michaelerplatz großes Aufsehen, aber auch Kritik. Um die Fassade „repräsentativer“ zu gestalten, wurde schließlich das Eingangsportal neu gestaltet. Die Söhne des Bankiers Moritz und Josef Fries waren große Kunstförderer und Kunstsammler. Für ersteren schrieb Joseph Haydn sein letztes, unvollendetes Streichquartett (1803). Redoutensäle Die Redoutensäle – situiert im rechten Seitentrakt am Josefsplatz - waren mehrfach Aufführungsort von Haydns Musik in unterschiedlichen Kontexten: So wurden 1792 Menuette und deutsche Tänze Haydns aufgeführt, die der Komponist für die Pensionsgesellschaft bildender Künstler komponiert hat. 1795 – nach der Rückkehr von seiner zweiten Londoner Reise – wUrden im kleinen Redoutensaal drei seiner Londoner Sinfonien aufgeführt . Die Redoutensäle gehören auch zu den zahlreichen Wiener Aufführungsorten von Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ – der Reinerlös einer Aufführung im Jahre 1801 wurde verwundeten Soldaten gespendet. Im selben Jahr erfolgte dort auch die erste öffentliche Aufführung von Haydns Oratorium „Die vier Jahreszeiten“ (1801). Neuer Markt (5) Am „Neuen Markt“ (ursprünglich „Mehlmarkt“) standen das Haus, in welchem Haydn die Kaiserhymne komponierte, und das (Stadt-)Palais Schwarzenberg, wo Haydns „Schöpfung“ uraufgeführt wurde. Diese Gebäude sind mittlerweile durch neue ersetzt – als beeindruckendes Zeugnis des frühen 18. Jahrhunderts ist der barocke Brunnen von Raphael Donner (1737) erhalten. „Mehlgrube“ – Wiener Unterhaltungsetablissement An der Stelle des jetzigen Hotel Ambassador (Neuer Markt 5) befand sich im 18. Jahrhundert das Unterhaltungsetablissement „Mehlgrube“ in einem fünfstöckigen Haus, welches die Stadt 1698 anstelle des ehemaligen Mehldepots errichtet hatte. Hier bot sich dem jungen Haydn in den 1750er Jahren Gelegenheit, im Karneval in diversen Tanzorchestern auf Festen des Adels aufzuspielen. 30 Jahre später gab Mozart hier Konzerte. „Hoföbstlerisches Haus“ – Kaiserhymne Im ehemaligen „Hoföbstlerischen Haus“ (Neuer Mark 2) wohnte Haydn von 1792 bis 1797. Als Haydn in diese Wohnung einzog, lag die erste erfolgreiche Englandreise (1791/92) bereits hinter ihm. Hier komponierte er Ende 1796 die wirkungsmächtige wie unterschiedliche „Patriotismen“ ansprechende Musik der Kaiserhymne als politische Auftragskomposition für Franz II., beauftragt vom niederösterreichischen Regierungspräsidenten Franz Josef Graf von Saurau. Der Text „Gott erhalte Franz den Kaiser, Unsern guten Kaiser Franz“ stammt von Haschka, geschrieben im Kontext der Koalitionskriege gegen das revolutionäre Frankreich – inspiriert von „God save the Queen“, gewissermaßen als eine Anti-Marseillaise. Der habsburgische Vielvölkerstaat brauchte eben keine „Nationalhymne“ – eine Hymne konnte nur an den Kaiser als Funktionsträger der Macht gebunden sein. Zu seinem Geburtstag, den 12. Februar 1797, wurde die Hymne allerorts gesungen – der sichtlich zufriedene Franz II. bedankte sich beim Komponisten mit einer Dose als Geschenk, welches sinnigerweise sein Abbild zeigte. Immer wieder mit abgeändertem Text wurde die „Kaiserhymne“ zur offiziellen Hymne erklärt – mit vielen Varianten, die allerdings nie realisiert wurden. Erwähnt sei die Fassung Grillparzers sowie die unter Franz Joseph I. approbierte Fassung „Gott erhalte, Gott beschütze / Unsern Kaiser unser Land“ – übersetzt in die Sprachen des „Vielvölkerstaates“. Die kleine Adaptierung für Karl I. im Jahre 1918 hielt den Untergang der Monarchie auch nicht auf und kam dementsprechend nie in Umlauf. Haydns Musik wurde auch in der 1. Republik wieder aufgegriffen – und als Reminiszenz wurde sie in Wien „öffentlich“ nur noch 1989 aufgeführt, anlässlich der viel beachteten Begräbniszeremonien zu Ehren der „Kaiserin“ Zita. Eine beängstigende Karriere nahm die Hymne Haydns, als sie von deutschtümelnden Patrioten „auf die Fahnen geschrieben“ wurde. Zunächst noch parodierend schrieb 1841 Heinrich Hoffmanns von Fallersleben sein „Gott erhalte den Tyrannen, den Tyrann Dionysos“, um noch im selben Jahr sein wirkungsgeschichtlich so folgenreiches „Deutschland, Deutschland über alles“ zu schreiben. Dieser Text mutierte 1922 zur „Deutschen Nationalhymne“, an die das Regime der Nazis angeknüpfte und den Popularitätswert der Melodie für ihre Zwecke missbraucht hat. Nach dem 2. Weltkrieg zeitweise verpönt, wurde die unverwüstliche Melodie, diesmal ohne formale Beschlüsse, als BRD-Hymne weiter strapaziert. Erst 1990 wurde im wiedervereinigten Deutschland die dritte Strophe des früheren Deutschlandliedes offiziell zur Nationalhymne erklärt. Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ Im ehemaligen Palais Schwarzenberg (Neuer Markt 8) wurden Haydns deutsche Oratorien „Die Schöpfung“ (1798) und „Die Jahreszeiten“(1801) uraufgeführt. Der Auftrag zur Komposition dieser Werke ging auf adlige Musikkenner aus dem Kreis um Gottfried van Swieten (die sogenannten „Assoziierten Cavaliere“) zurück. Mit dem deutschen Oratorium „Die Schöpfung“ schuf Joseph Haydn – unter Eindruck seiner Händel-Erfahrungen in London – einen neuen Typ des Oratoriums. Von der Ursprungsform einer Andacht, im Kirchenraum des „Oratoriums“ gesungen, wurde das Oratorium bis zu Haydn hin in eine zunehmend verweltlichende Form überführt. Die „Schöpfung“ wurde im Spannungsfeld der noch nachwirkenden josephinischen Aufklärung und konsequenten Restauration unter Kaiser Franz II./I. geschrieben. Gezielt und mit eigenen Mitteln betrieb Haydn den Druck der Partitur, die sich rasch über Europa verbreitete. Die „Schöpfung“ zählte zu den meist beachteten Werken Haydns im 19. Jahrhundert. Wiener Moderne um 1800 Unter geänderten politischen Bedingungen fand der auf Reduktion bedachte Stil des Josephinismus Fortsetzung in der Zeit Kaiser Franz II./I. Dazu zählte der eigentümliche Wiener Klassizismus eines Joseph Kornhäusl genauso wie die unvergleichliche Schlichtheit des „Wiener Silbers“ dieser Zeit oder jene äußerst modern anmutenden Möbel eines Joseph Danhauser. Vor der weltweit beachteten Wiener Moderne des „Fin de Siècle“ um 1900 gilt es eine verblüffende Wiener Moderne um 1800 zu entdecken, an welche auch Otto Wagner, Adolf Loos oder die Secessionisten anschließen konnten. HaydnTour „Esterházy“ Wallnerstraße (6) Experimente im „Kaiserhaus“ Im „Kaiserhaus“ (Wallnerstraße 3) befand sich eine Residenz von Franz Stephan von Lothringen, Gatte Maria Theresias und deutscher Kaiser seit 1745. Damit schuf sich Franz II./I. bewusst eine Sphäre außerhalb der Hofburg, die er auch für praktische Experimente nutzte. Seine natur-wissenschaftlichen Sammlungen legten den Grundstein für das Naturhistorische Museum. Die Wiener Residenz der Fürsten Esterházy: Palais Esterházy (Wallnerstraße 4) 1761 trat Joseph Haydn in die Dienste des Fürsten Paul Anton Esterházy – für ihn der entscheidende Schritt für seine weitere Musikerkarriere. Fast drei Jahrzehnte verbanden Haydn mit dem Bruder und Nachfolger Paul Antons, Nikolaus I., genannt „der Prachtliebende“, der bei Fertöd ein Schloss erbauen ließ, das von den Zeitgenossen als „ungarisches Versailles“ bezeichnet wurde. Mit dem Eintritt in die Dienste der Fürsten Esterházy verließ Joseph Haydn Wien als zentralen Wirkungsort – er ist aber immer wieder zurück gekommen. Wie jede bedeutende hocharistokratische Familie besaßen die Esterházys ein repräsentatives Palais in der Residenzstadt. Parallel zu seinen Aufgaben als Kapellmeister in fürstlichen Diensten entwickelte Joseph Haydn gezielte Aktivitäten, um sich am europäischen Musikmarkt zu positionieren. Auch dies führte ihn wieder nach Wien, wo er mit dem Wiener Verlag Artaria, der auch eine Niederlassung am Kohlmarkt besaß, kooperierte. Mit der Auflösung der Musikkapelle durch den Nachfolger Nikolaus I. 1790 war Haydn frei, wiederum nach Wien zu gehen, unter Beibehaltung seiner Position im fürstlichen Dienst. Haydn war – ohne mit dem Fürsten brechen zu müssen – frei für seine erfolgreichen Reisen nach London. Von der Hauptstadt Großbritanniens zurückgekehrt, war er bereits zu Lebzeiten ein Denkmal seiner selbst. Wenn auch nach wie vor in Diensten der Esterházys, lebte Haydn nach seiner Rückkehr aus London 1795 überwiegend in Wien, wo er in seinem 1793 erworbenen Haus in Gumpendorf im Jahre 1809 starb. Für den Namenstag der Gattin Nikolaus II. schrieb Joseph Haydn seine letzten Messen, im Wiener Auftrag schrieb er seine deutschen Oratorien „Die Schöpfung“ und „Die Jahreszeiten“, welche in Wien ihre gefeierte Uraufführung erlebten. Herrengasse (7) Palais Mollard In unmittelbarer Nähe des Palais Esterházy befindet sich das Palais Mollard (Herrengasse 9), ein barockes Stadtpalais, das im 18. Jahrhundert aus dem Besitz des Adelsgeschlechts der Mollards an den Grafen Franz Wenzel Clary überging. In diesem Palais traf sich in den 1780er Jahren Kaiser Joseph II. regelmäßig zum politischen und kulturellen Austausch mit Vertretern des Hochadels („Josephsrunde“). „Musikdirektor“ beim Grafen Morzin In der Herrengasse19/Ecke Bankgasse befindet sich das Palais Batthyányi, in welchem der erste adlige Dienstgeber Haydns, Graf Morzin, eine Wohnung bezogen hatte. Im Jahre 1757 stellte er Haydn als „Musikdirektor“ an. In Böhmen besaß Graf Morzin das Schloss Lukavec (bei Pilsen), wo sich Haydn vor allem im Sommer aufhielt. Für den Grafen Morzin schrieb Haydn u. a. seine erste Sinfonie. Im 18. Jahrhundert differenzierte sich die noch im 17. Jahrhundert stark an den Hof, an die „Kammer“ gebundene Musikpflege. In zunehmendem Maße installierte die Aristokratie in ihren Schlössern Musikkapellen, womit neue musikalische Räume und neue musikalische Ausdrucksformen entstanden. Freyung Schottenhof Im Schottenhof bei der Freyung befand sich die Wohnung von Peter Leopold Genzinger, des Wiener Leibarztes von Fürsten Nikolaus I., und seiner Gattin Marianne, in deren Salon Joseph Haydn des öfteren verkehrte. Mit der Pianistin Marianne von Genzinger unterhielt Haydn seit den späten 1790er Jahren eine sehr enge Beziehung. Dies ist durch einen ausführlichen Briefverkehr dokumentiert – Marianne von Genzinger vertraute Haydn auch an, dass er sich auf Schloss Esterháza in zunehmenden Ausmaß isoliert fühlte: „Nun – da sitz ich in meiner Einöde – verlassen – wie ein armer waiß – fast ohne menschliche Gesellschaft – traurig – ich fande zu Haus alles verwürt – 3 Tage wußt ich nicht, ob ich CapellMeister oder CapellDiener war – ich konnte wenig schlafen, sogar die Träume verfolgten mich, dan, da ich am besten die opera le Nozze di Figaro zu hören träumte, wegte mit der Fatale Nordwind auf, und blies mir fast die schlafhauben vom Kopf.“ (Brief an Marianne von Genzinger aus Esterháza, 9. Februar 1790) Mit Marianne von Genzinger verband Joseph Haydn auch ein intensiver Austausch über Fragen der Musik und Komposition – für sie schrieb er auch Klaviermusik. „Am Hof“ (8) Wunderkind und Papstsegen Auf diesem Platz finden sich weitere Zeugnisse der Wiener Musik und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts. Im barocken Palais Collalto (Am Hof 13) traten im Jahre 1762 der sechsjährige Mozart mit seiner Schwester Nannerl auf. Vor der alten Jesuitenkirche hielt 1782 Papst Pius VI. – Gegner der josephinischen Reformpolitik – seine Osteransprache und hier befand sich seit dem 16. Jahrhundert das „Bürgerliche Zeughaus“ (heute Feuerwehrzentrale), dessen Fassade 1732 neu gestaltet wurde. Judenplatz (9) Auf dem Weg zum Judenplatz, wo sich im Mittelalter das jüdische Ghetto befand, passieren wir das „Neuwall’sche Haus“ (Schulhof 4, erbaut um 1728), bemerkenswert durch seine barocke Fassade. Mit Haydn bei der Probe zu „Così fan tutte“ Am Judenplatz hatte Mozart zweimal Quartier bezogen, 1783 (Judenplatz 3) und 1789 bis Herbst 1790. Im nicht mehr existierenden Haus am Judenplatz 4 komponierte Mozart seine Opera buffa „Così fan tutte“. Ende des Jahres 1789 besuchte Haydn Mozart in seiner damaligen Wohnung am Judenplatz, wo er zu einer Probe von „Così fan tutte“ eingeladen wurde – diese Opera buffa, die ursprünglich Antonio Salieri komponieren sollte, wurde am 26. Jänner 1790 am Wiener Burgtheater uraufgeführt – knapp vier Wochen vor dem Tod Kaiser Joseph II./I. Mit „Così fan tutte“ haben Mozart und sein Textdichter einen der subtilsten Höhepunkte der opera buffa kreiert, deren Wert erst im 20. Jahrhundert wieder entdeckt wurde. „Così fan tutte“ ist nicht nur eine Aufklärungsoper, sie ist auch eine Oper über die Aufklärung der Aufklärung. Zum Zeitpunkt der Entstehungsgeschichte der „Così fan tutte“ hatte Haydn fast sechs Jahre lang keine Oper mehr komponiert, obwohl er alltäglich in den Repertoirebetrieb des fürstlichen Opernhauses von Esterháza eingebunden war. Seine letzte Oper steht zu diesem Zeitpunkt noch bevor: das für London geschriebene Dramma per musica „L’ anima del filosofo ossia Orfeo ed Euridice“. Auch diese Oper ist ein Werk der Aufklärung. Böhmische Hofkanzlei Im heutigen Gebäude des Verwaltungs- und des Verfassungsgerichtshofs befand sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die „Böhmische Hofkanzlei“ (Judenplatz 11), errichtet nach den Plänen Johann Bernhard Fischer von Erlachs (1709 – 1714). Um die Mitte des Jahrhunderts wurde der Bau wesentlich erweitert und mit der Österreichischen Hofkanzlei vereint. Weitere Umbauten erfolgten im 19. und 20. Jahrhundert. Hier befand sich auch die „Haugwitz’sche Kapelle“, in welcher Haydn 1755 bis 1757 zum sonntäglichen Gottesdienst die Orgel spielte. Auf dem Audienzweg – das „Paller-Tor“ Durch die architektonisch reizvolle Kurrentgasse gelangen wir zum „Graben“. An der Ecke von Kohlmarkt und Graben befand sich noch im 18. Jahrhundert das „Paller-Tor“ – ein turmartiges Gebilde, einst an der Stadtmauer des mittelalterlichen Wien gelegen. Durch dieses Tor schritt man, wenn man sich auf dem „Audienzwege“ befand – es eröffnete Richtung Kohlmarkt eine unmittelbare Perspektive auf den Michaelerplatz und die daran anschließende Hofburg. HaydnTour „Die Schöpfung“ Hoher Markt (10) Ankeruhr – täglicher Auftritt Haydns Diese Route führt uns zunächst zur Ankeruhr am Hohen Markt, errichtet nach den Plänen des Jugenstilmalers Franz Matsch in den Jahren 1911 bis 1917 vor dem Ende der HabsburgerMonarchie. Die Ankeruhr befindet sich auf einer zehn Meter langen Brücke, welche die beiden Teile des „Ankerhofs“ verbindet. Um 12 Uhr mittags bei der Parade aller zwölf historischen Figuren von der Antike bis zum 18. Jahrhundert erscheint Haydn als letzte. Bei Haydns Auftritt erklang ursprünglich die 1796 komponierte Kaiserhymne, nach dem Untergang der Monarchie wurde sie durch eine Melodie aus der „Schöpfung“ ersetzt. Haydn voran gehen als letzte historische Herrschergestalten Maria Theresia und ihr Gatte Franz Stephan von Lothringen. So hatte die Figur Haydns mit ihrer Musik auch die nicht mehr gezeigten folgenden Herrscher der Habsburgerdynastie von Kaiser Joseph II. bis zu Kaiser Franz Joseph mitzurepräsentieren. In zwölf Stunden durchlaufen alle Figuren einmal die Uhr – von 12 bis 1 Uhr ist Haydn unterwegs. Der Josephsbrunnen am Hohen Markt Nur wenig ist am Hohen Markt, einem der ältesten Plätze Wiens, von den Zerstörungen des 2. Weltkrieges verschont geblieben. Neben der Ankeruhr zählen dazu der „Josephsbrunnen“ (auch „Vermählungsbrunnen“) in der Mitte des Platzes, der die Vermählung von Maria mit Joseph zum Thema hat. Ursprünglich wurde dieses Monument vom Hofarchitekten Johann Bernhard Fischer von Erlach im Auftrag Kaiser Joseph I. als hölzerne „Säule“ errichtet (1706). Dessen Nachfolger, Kaiser Karl VI., ließ das mittlerweile schon angegriffene hölzerne Modell in Marmor neu erbauen. Der nunmehrige Brunnen wurde 1732, im Geburtsjahr Joseph Haydns, eingeweiht. Dr.-Ignaz-Seipel-Platz (11) Wiens altes Universitätsviertel Auf dem Weg zum alten Universitätsviertel passieren wir den „Heiligenkreuzerhof“, eine auf das Mittelalter zurückgehende Anlage, welche ihre jetzige Gestalt im 18. Jahrhundert annahm. Über die Schönlaterngasse und die Jesuitengasse erreichen wir den ehemaligen Universitätsplatz (heute Dr. Ignaz Seipel-Platz). Hier befindet sich das 1623 bis 1627 von den Jesuiten errichtete Universitätsgebäude mit der damaligen „Universitätskirche“, welche zu Beginn des 18. Jahrhunderts ihre hochbarocke Form gewann. Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts stand die Wiener Universität unter der Kontrolle der Jesuiten, die auch die Bücherzensur ausübten. Unter Maria Theresia wurde der Einfluss der Jesuiten im Sinne eines aufgeklärten Absolutismus zurückgedrängt. Haydns letzter Auftritt 1753 ließ Maria Theresia am Universitätsplatz ein neues Universitätsgebäude errichten – heute Sitz der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Dr. Ignaz Seipel-Platz 3). In der prachtvollen Aula der Universität wurde 1808 – ein Jahr vor Haydns Tod – das Oratorium „Die Schöpfung“ (uraufgeführt 1798) als glänzendes gesellschaftliches Ereignis zur Aufführung gebracht. Unter den Besuchern befand sich auch Ludwig van Beethoven, dessen Schlachtensinfonie „Wellingtons Sieg“ fünf Jahre später am selben Orte uraufgeführt wurde. Die von Antonio Salieri dirigierte Aufführung war der letzte öffentliche Auftritt von Joseph Haydn, der das Konzert krankheitsbedingt bereits nach dem ersten Teil des Oratoriums verlassen musste. Im selben Jahr begann der elfjährige Franz Schubert seine Ausbildung als Hofsängerknabe im „Kaiserlichen und königlichen Stadtkonvikt“, das sich im gegenüber liegenden alten Universitätsgebäude befand. HaydnTour „Haydnhaus“ Mariahilf (12) Spendenaktion von Haydn-Verehrern Das von Josef Natter geschaffene Denkmal vor der Kirche Mariahilf (Mariahilfer Straße 55) wurde am 31. Mai 1887 – am Todestag des Komponisten – enthüllt. Der Auftrag zu dieser Skulptur, deren Sockel vom Architekten Otto Hiesel gestaltet wurde, war durch eine Spendenaktion von Haydn-Verehrern ermöglicht worden. Dieses Denkmal verdankte sich der gründerzeitlichen Kulturbeflissenheit, Genies zur Stärkung kollektiver Identitätsbildung zu stilisieren. Wenn auch seine musikgeschichtliche Pionierleistung allseits unbestritten blieb, konnte sich das 19. Jahrhundert an Haydns Musik nicht mehr so richtig erwärmen. So war etwa für den Romantiker Schumann Haydn von keinem aktuellen Interesse mehr. Haydns Musik, seine stets überraschende und komplexe motivische Arbeit, sein intellektuelles Spiel und sein Witz mussten erst wieder entdeckt werden und bleiben weiterhin neu zu entdecken. Haydns Musik ist „Denken in Tönen“ und eine besondere Herausforderung für den „intelligenten Geschmack“, für das „scientific ear“, wie es Haydns Zeitgenossen im ausgehenden 18. Jahrhundert nannten. (Ehemaliges) Palais Kaunitz/Esterházy (Esterhazypark/Amerling-Gymnasium in der Amerlingstraße) Das ehemalige Palais Kaunitz im 6. Bezirk, an der Stelle des heutigen Esterházyparks, respektive des heutigen Amerling-Gymnasiums, weist zwar keinen unmittelbaren biographischen Bezug zu Haydn auf, da dieses ehemalige „Kaunitzsche Palais“ erst nach dem Tode Haydns vom Fürsten Nikolaus II. Esterházy, in dessen Diensten Haydn von 1794 bis zu seinem Tode 1809 stand, erworben wurde. Es ist jedoch von großem Interesse, da Nikolaus II. in diesem Palais seine Gemäldegalerie, eine der bedeutendsten der damaligen Zeit, präsentierte. Haydnhaus Weiter führt der Weg zu jenem Haus, das Haydn 1793 erworben und in dem er seine letzten Lebensjahre verbracht hat (Haydngasse 19). Hier starb Joseph Haydn am 31. Mai 1809 zur Zeit der Belagerung Wiens durch die Franzosen – in Wertschätzung des Komponisten soll Napoleon vor Haydns Haus eine Ehrenwache aufgestellt haben. Im Haydnhaus befindet sich ein anlässlich des Haydn-Jahres 2009 neu gestaltetes Haydn-Museum. Hier entstanden u. a. seine Oratorien „Die Schöpfung“ und „Die Jahreszeiten“. Kirche Sankt Aegyd In dieser Kirche (Gumpendorfer Straße / Ecke Brückengasse) wurde 1809 Haydns Leichnam eingesegnet. Weitere Haydn-Orte in Wien 1. Bezirk – Innenstadt (Ehemaliges) Kärntnertor-Theater Hotel Sacher / Cafe Mozart, Philharmonikerstraße Das Kärntnertor-Theater, an dessen Stelle heute das Hotel Sacher steht und dessen Eingang sich dort befunden hat, wo heute das Cafe Mozart situiert ist, ist mit Joseph Haydn in mehrfacher Weise verbunden. Hier wurde 1753 das Singspiel „Der krumme Teufel“ mit dem Text von Kurtz-Bernardon und der bislang verschollenen Musik von Joseph Haydn aufgeführt. Hier erfolgte später (1775) die Uraufführung von Haydns Oratorium „Il ritorno di Tobia“. 1784, im josephinischen Jahrzehnt, wurde dort durch die Theatertruppe Emanuel Schikaneders Haydns 1781 in Esterháza uraufgeführte Oper „La fedeltà premiata“ in deutscher Übersetzung zur Aufführung gebracht. Auch Kaiser Joseph II. – nach den autobiographischen Schilderungen des Wiener Erfolgskomponisten Carl Ditters von Dittersdorf kein Verehrer von Haydns musiktheatralischem Werk – war bei dieser Aufführung anwesend. Das Kärntnertor-Theater gilt als die älteste stehende deutsche Bühne – zuvor wurden deutschsprachige Theaterstücke, im Unterschied etwa zur höfischen Oper, nur von Wandergruppen aufgeführt. Dementsprechend wurde das Kärntnertor-Theater bis zu den 1760er Jahren auch das „deutsche Theater“ genannt. In den zum Großteil als Stegreiftheater inszenierten Stücken wurden auch Musiknummern vorgesehen, sodass diese Form des Wiener Theaters eine bisher viel zu wenig beachtete Frühform eines deutschen „Singspiels“ hervorbrachte. Die deutsche Sprache musste im Laufe des 18. Jahrhunderts erst ihren Stellenwert als eine dem Italienischen oder Französischen ebenbürtige Kultursprache durchsetzen. Zum Zeitpunkt der Uraufführung von Haydns „Krummem Teufel“ war die höfische Bühne des Burgtheaters von der französischen Kultur bestimmt. Zwischen französischen und deutschen Schauspielern bestanden große soziale Unterschiede – so waren die Mitglieder des Burgtheaters „salonfähig“, die Schauspieler des Kärntnertortheaters jedoch nicht. Dies entzog ihnen auch wesentliche Erfahrungen für ihre Schauspielkunst. Reformer der Aufklärung wie Joseph von Sonnenfels waren – letztlich erfolgreich – bestrebt, den Status der deutschen Schauspieler zu heben wie auch das Stegreiftheater zugunsten des „regelmäßigen“ Schauspiels (nach dem Vorbild französischer theatralischer Kunst) zu „verstoßen“. (Ehemalige) Freimaurerloge „Zur wahren Eintracht“ Palais Gatterburg, Dorotheergasse 12 Im Jahre 1785 wurde Joseph Haydn in die Loge zur „Zur wahren Eintracht“ aufgenommen – weitere Teilnahme an Logensitzungen sind nicht überliefert. Dies wurde oft als mangelndes Interesse Haydns am Freimaurertum angesehen. Jenseits des Teilens gemeinsamer Ideale bot das Logenleben gerade auch für Musiker die Möglichkeit vielfältiger, für die eigene Berufslaufbahn förderlicher Beziehungen. Gemäß seinem nicht aufgenommenen Logenleben gibt es von Haydn keine Freimaurer-Kompositionen im eigentlichen Sinne – wie etwa im Falle Mozarts. Im Hinblick auf den Kompositionsauftrag für die „Pariser Sinfonien“ (geschrieben 1785/86) durch das Direktorium der „Concerts de la Loge Olympique“ hatte Haydn freimaurerische Auftraggeber, in Freimaurer-Kontexten bewegt er sich auch in London. Wenn auch nicht als Logenleben realisiert, so bezeugt Haydns Aufnahmegesuch in die Loge „Zur wahren Eintracht“ sein reges Interesse an der sich neu entfaltenden intellektuellen Kultur Wiens, deren wichtigste Vertreter in Freimaurer-Logen engagiert waren, und die auch zu Haydns Wiener Bekanntenkreis zählten. Ehemalige Haydnwohnung in der Wasserkunstbastei Seilerstätte 19 / Fichtegasse 2 Hier wohnte Haydn kurz nach der Auflassung der Hofkapelle durch den Nachfolger des 1790 verstorbenen Nikolaus I. – in der Zeit vor der ersten Englandreise. Gegen Ende des Jahres 1790 brach Joseph Haydn zu seiner ersten Englandreise auf, von der er äußerst erfolgreich, als „Shakespeare der Musik“ gepriesen, nach Wien zurückkehrte, wo er nunmehr zu einem „Standard“ geworden war. London begann sich schon im 18. Jahrhundert zu einer Großstadt modernen Zuschnitts zu entwickeln, in welcher sich abseits der Sphäre des Hofes, der seine Kultur bestimmende Funktion im 17. Jahrhundert verloren hatte, vielseitige kulturelle Sphären auftaten, sich ein Markt herausbildete, der einen „refined taste“ bediente. Lange vor Wien gab es dort eine öffentliche Konzertkultur. Minoritenkirche – Denkmal Pietro Metastasios Minoritenplatz In der Minoritenkirche befindet sich das 1855 von Lucardi errichtete Denkmal für den Wiener Hofdichter Pietro Metastasio. Man glaubt bis heute, in einem Relief an der Vorderseite Joseph Haydn dargestellt sehen zu können. Er soll die dritte abgebildete Figur neben Wolfgang Amadeus Mozart und Antonio Salieri sein, hinter dem im Krankenbett liegenden Hofdichter, der den in Wien weilenden Papst Pius VI. empfängt. Dass die als Haydn angesehene, knieende Figur tatsächlich den Komponisten darstellt, ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Denkmal Maria Theresia von Kaspar von Zumbusch Maria-Theresien-Platz Am theatralisch inszenierten Denkmal der Kaiserin Maria Theresia von Kaspar von Zumbusch (1888) befindet sich auch eine „Komponistengruppe“, bestehend aus Gluck, Haydn und Mozart (letzterer als Kind dargestellt; Haydn legt ihm die Hand auf die Schulter), positioniert hinter Gerard van Swieten, dem Leibarzt der Kaiserin und Vater des Textdichters von Haydns Oratorien „Die Schöpfung“ und „Die Jahreszeiten“. 2. Bezirk Kirche der Barmherzigen Brüder in der Leopoldstadt Taborstraße 16 Hier wirkte Haydn in den Jahren 1755 bis 1758 bei den Sonntagsmessen als Geiger. Oft trat er noch am selben Tag als Organist in der Gräflich Haugwitz’schen Kapelle (in der Böhmischen Hofkanzlei – heute Österreichischer Verwaltungsgerichtshof) auf. 3. Bezirk (Ehemaliges) Gluck-Wohnhaus Rennweg 93 1772 wurde in der Wohnung Glucks anlässlich des Besuchs des Musikers und Musikhistorikers Charles Burney ein Streichquartett Haydns aufgeführt. Charles Burney befand sich neuerlich auf einer Reise auf dem Kontinent, um die Musik in den deutschen Ländern und in den Niederlanden zu studieren. Ein Jahr zuvor hatte er die Erfahrungen seiner vorangehenden Reise durch Frankreich und Italien publiziert: „The Present State of Music in France and Italy“. Im Zuge seiner ersten London-Reise 1791/92 lernte Joseph Haydn Charles Burney persönlich kennen, der zur Ankunft des Komponisten ein Huldigungsgedicht verfasst hatte. 8. Bezirk Piaristenkirche Maria Treu in der Josefstadt Jodok-Fink-Platz 1771 wurde Haydns „Stabat Mater“ – eine äußerst komplexe Kirchenkomposition – in der Piaristenkirche Maria Treu aufgeführt. 25 Jahre später – am 26. Dezember 1796 – gelangte hier Haydns „Missa in tempore belli“ zur Uraufführung. Aufgrund des bedrohlichen Einsatzes der Pauken wurde diese Messe – geschrieben in der Zeit des Ersten Koalitionskrieges – „Paukenmesse“ genannt. 12. Bezirk (Ehemaliger) Hundsturmer Friedhof Haydnpark, Gaudenzdorfer Gürtel Am Hundsturmer Friedhof, heute Haydnpark, wurde Haydn am 1. Juni 1809 bestattet – sein Leichnam wurde 1820 exhumiert und in das Mausoleum der Bergkirche in Eisenstadt überführt. Haydns Schädel, der noch im Juni 1809 von einem Freund Haydns und Anhänger der Gall’schen Schädellehre vom Leichnam des Komponisten entfernt worden war, wurde erst im Jahre 1954 in der Bergkirche in Eisenstadt beigesetzt. 13. Bezirk Schloss Schönbrunn Im Zuge seiner Tätigkeit als Chorknabe im Stephansdom trat Joseph Haydn auch bei musikalischen Darbietungen in Schönbrunn auf. Die Anekdote erzählt, dass er 1745 wegen ungehörlichen Betragens abgestraft wurde. Haydn sollte später – in Diensten der Fürsten Esterházy – nach Schönbrunn zurückkehren: So trat er 1777 anlässlich des Besuchs des Kurfürsten von Trier mit der Kapelle des Fürsten Esterházy bei der kaiserlichen Tafel in Schönbrunn auf. Welche Erfahrungsmöglichkeiten, auch im Hinblick auf die Einschätzung der eigenen Kräfte und Möglichkeiten, boten jungen, angehenden Musikern solche Auftritte bei Hof? Auch diesbezüglich machte der junge Haydn andere Erfahrungen als der junge Mozart, für den die Statusunterschiede im Narkotikum des „Wunderkind-Daseins“ förmlich verschwammen – nicht zufälligerweise ließ sich Mozart in den ihm von Maria Theresia geschenkten Kleidern eines Erzherzogs abbilden. Da Ponte Institut Wien, im Dezember 2008 www.daponte.at