Ethik Vorlesung 4 SoSe2015

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Ethik Vorlesung 4 SoSe2015
Einführung in die Medizinethik (4)
Schweigepflicht (Fortsetzung)
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Paternalismus:
von benevolenten Lügen und
Zwangsbehandlungen
Professor Dr. Bettina Schöne-Seifert
Schweigepflicht heute:
o verändertes Konzept ggü. Hippokratischen
Zeiten -> große Behandlungs-Teams
o hochgradig gefährdet durch:
o "ausfransende" Teams
o moderne Kommunikationstechniken
o Dritt-Interessen
o Indiskretionen
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Rechtliche Basis der ärztlichen
Schweigepflicht
(1) Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (ableitbar aus Art 1.I +2.I GG)
(2) Strafrecht insbes. § 203 StGB
(3) Berufsrecht → MBO LÄKn
(4) plus: Zivil-, Arbeits-, Sozialrecht
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(...)
2.2 Reichweite
Die ärztliche Schweigepflicht umfasst alle Tatsachen, die nur einem
bestimmten, abgrenzbaren Personenkreis bekannt sind und an deren
Geheimhaltung der Patient ein verständliches, also sachlich begründetes
und damit schutzwürdiges Interesse hat. Sie ist grundsätzlich auch
gegenüber anderen Ärzten, Familienangehörigen des Patienten sowie
eigenen Familienangehörigen zu beachten. Auch nach dem Tod des
Patienten besteht die ärztliche Schweigepflicht fort.
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Aktuelle Debatte: Germanwing-Absturz
Lockerung der Schweigepflicht für Patienten mit psych.
Erkrankungen in verantwortungsvollen Positionen?
Stellungnahme: DGPPN/ BVPD/PVDN (4/ 2015): NEIN
- Gefahr zu später Suche nach Hilfe und Behandlung.
- u.U. Verleitung der Ärzte, "Gefährdungen zu
verkennen, um ihren Patienten in ihrer sozialen und
beruflichen Umgebung nicht zu schaden".
- Bei Gefährdungstendenzen berufsrechtliche Verpflichtung zu "[...] die Gefährdung bekämpfendem Handeln."
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Schweigepflicht
Im Dienste von:
- individuellem Patientenvertrauen
- anamnestisch kundiger = guter Medizin
- Allgemeininteresse
wichtig:
Zuverlässigkeit; Ausnahmeregelungen transparent und im Anwendungsfall mitzuteilen
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(Beweispflichtige) Ausnahmen
①
②
③
④
Explizite Entbindung durch den Patienten
Mutmaßliche Entbindung durch den Patienten
Spez. Gesetze
Höhere rechtliche/ ethische Güter (u.a. § 34
StGB (rechtfertigender Notstand))
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Paternalismus
Autonomie contra Fürsorge ?
-> Salus aegroti suprema lex.
-> Voluntas aegroti suprema lex.
Medizin ist dem Patientenwohl verpflichtet. Diese
Verpflichtung findet allerdings ihre Grenze im Vetorecht des Patienten  "Paternalismus-Konflikt"
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Selbstbestimmung
o zentraler Wert
o als Vetorecht manchmal im Konflikt mit
(Vorstellungen vom) Patientenwohl
o Medizinischer Paternalismus?
›harter‹
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›weicher‹
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"Paternalismus"
"Absichtliches Durchkreuzen der Wünsche
oder Handlungen einer anderen Person,
wobei die durchkreuzende Person ihr
Verhalten mit dem Ziel rechtfertigt, dem
Wohl (...) der so behandelten Person zu
dienen."
(Beauchamp/Childress 2009, S.208)
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"Paternalismus"
(1) starker Paternalismus: dem Willen einer
kompetenten Person zuwider handeln
(2) schwacher Paternalismus: dem Willen einer
inkompetenten Person zuwider handeln
 Kleinkinder, eingetrübte Patienten u.a.
 (2a) Sonderfall: Odysseus-Paternalismus
-> Patientenverfügungen
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Herbert James Draper
1909
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Modelle des Arzt-Patienten-Verhältnisses
(als Alternativen in Standardsituationen betrachtet)
(1) Hippokratisches (= "paternalistisches") Modell
Ärzte wissen besser....
"Ärztliche Anweisung"
(2) Vertrags – Modell
Patienten als "Kunden" oder "Klienten"
(3) Partnerschafts – Modell




Der Arzt als "guter Freund"
"shared decision-making"
Selbstbestimmtes Delegieren der Entscheidung?
Vetorecht beim Patienten
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Paternalismus i.d. Psychiatrie
Zwangseinweisung Zwangsmaßnahmen
Zwangsbehandlung
zulässig in engsten rechtlichen u. ethischen Grenzen;
nämlich bei Vorliegen aller folgender Bedingungen:
(1) fehlende Einwilligungsfähigkeit
(2) erhebliche und konkrete Selbst- oder Fremdgefährdung
(3) Alternativlosigkeit der Maßnahme
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"Kompetenz"
≈ Einwilligungsfähigkeit
Forderung nach konkretem / konkreter …
•
•
•
•
Informationsverständnis
Urteilsvermögen
Einsichtsfähigkeit
Entscheidungs- und Ausdrucksfähigkeit
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Paternalismus i.d. Psychiatrie
Neuere Rechtsprechung und Gesetzgebung !
Beispiele für mgl. Zulässigkeit
(aus DGPPN-Stellungnahme 09/2014):
• drohende Selbsttötung bei akuter Suizidalität;
• medikamentöse Behandlung eines schizophrenen
selbstzerstörerischen Wahns;
• Gabe von Insulin bei depressivem Negativismus und
Diabetes mellitus;
• Unterbringung bei Fremdaggressivität in psychotischem Erregungszustand.
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