Euro am Sonntag

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Euro am Sonntag
Date: 2015-05-23
Page: 22-23,40
Circulation: 96667
Wir wären ein
attraktives Ziel
Merck» Vorstand Karl-Ludwig Kley über die Logik des Mischkonzerns;
den Umbau der Pharmasparte und die Übernahmejagd in der Branche
VON S. BAUER UND J. GROSS
B
eim Besuch in der €uroam-Sonntag-Redaktion
zeigt sich Merck-Vorstandschef Karl- Ludwig
Kley gut gelaunt und flexibel:
Bevor es um harte Themen wie
die Zukunft der Pharmasparte
geht, wählt Kley erst mal die passende Krawatte für die Fotos
aus. Dann geht der Chef des
Darmstädter DAX-Konzerns detailliert auf die Aufgaben ein,
die das Unternehmen zu schultern hat, und spricht über Umbau, Übernahmen und die Perspektiven des Konzerns.
€URO AM SONNTAG:Merckgibt
es seit fast 350 Jahren. Sie
haben das Unternehmen neu
aufgestellt. Was war die
größte Herausforderung?
KARL-LUDWIG KLEY: Schwer zu
sagen, ich führe keine Hitliste.
2006, 2007 haben wir analysiert, ob die Firma zukunftsfähig ist. Dann folgte eine ganze
Reihe von Maßnahmen, wobei
Käufe wie Serono und Millipore
und Verkäufe wie der unseres
Generikageschäfts nach außen
am sichtbarsten waren. Das
Schöne ist, dass wir mit unseren
drei Unternehmensbereichen
jetzt da sind, wo wir hinwollten.
Der Umbau des Portfolios ist abgeschlossen.
Wo liegen die Synergien von
Pharmasparte, Laborbedarf und
Spezialchemie - was haben
Flüssigkristalle für Fernseher
mit Krebsarzneien zu tun?
Alle unsere Geschäfte folgen einer bestimmten Logik: Sie haben mit Innovation zu tun, man
braucht Kenntnisse in Chemie,
in Physik, in Biologie, in der Medizin. In diesen Kompetenzen
liegen auch die Synergien. Ein wird, steigen Ihre Schulden abBeispiel: Bei Brennstoffzellen rupt an. Haben Sie dann noch
arbeiten Life Science und un- Geld für Käufe?
sere Hightech-Materialien Hand Unsere Schulden steigen mit Abin Hand. Außerdem sind alle schluss der Übernahme von null
unsere Geschäfte hochmargig, auf etwa 13 Milliarden Euro. In
wir sind praktisch überall in den nächsten Jahren werden wir
Nischen unterwegs, und wir ha- uns erst mal entschulden. Wir
ben ein eher begrenztes End- haben dank des guten Cashverbrauchergeschäft.
flows eine hohe Tilgungskraft,
es wird keine Kapitalmaßnahmen geben. Zwar gehören hier
Ist das Sicherheitsbedürfnis
und da künftig kleinere Akquisider Familie der Grund für die
tionen weiter zum GeschäftsmoKonglomeratsstruktur?
Ich sehe uns nicht als Konglome- dell. Das wichtigste Thema der
rat. Unsere Geschäfte eint, dass nächsten Jahre aber ist organisie zwei Megatrends bedienen: sches Wachstum. Die vergangeAlles, was wir machen, hat ent- nen zehn Jahre waren in der Geweder mit Gesundheit oder mit schichte von Merck einmalig und
Kommunikation, mit Vernet- bleiben wohl eine Ausnahme.
zung, zu tun. Richtig ist, dass die
Familie, die 70 Prozent der An- Wie stark wird Merck wachsen?
teile hält, eine nachhaltig funk- Nicht um zehn Prozent pro Jahr,
tionierende Firma an die aber durchaus im mittleren einnächste Generation übergeben stelligen Bereich. Bei den Matewill. Wir gestalten deshalb ein rialien werden wir weiter so zuPortfolio, das auch in 30 Jahren legen wie in den vergangenen
lebensfähig ist. Und ohne die Fa- Jahren. Bei Life Science liegt
milie gäbe es uns wohl auch gar der Fokus darauf, den Zukauf
nicht mehr.
Sigma-Aldrich abzuschließen
und zu integrieren. Das konsumiert zunächst alle Kräfte. EntDer Konzern wäre zerschlagen
scheidend für ein höheres orworden?
Merck wäre ein attraktives ganisches Wachstumstempo ist
Übernahmeziel. Die Familie unsere Pharmapipeline. Sie soll
sorgt für Stabilität und dafür, der Treiber werden.
dass sich das Unternehmen
nachhaltig entwickeln kann. Aktionäre warten nur darauf.
Aber wir haben auch die freien Als wir 2011 unser RestrukturieAktionäre, die die kurzfristige rungsprojekt bei Pharma angePerformance im Auge haben. stoßen haben, sagten wir, dass
Diese Kombination ist das Beste, wir in fünf bis sieben Jahren die
was einem Unternehmen passie- Früchte in Form von marktreifen Produkten ernten wollen.
ren kann.
Wir sind jetzt im Jahr 4. Unsere
Pipeline sieht ordentlich aus.
Sie haben selbst kräftig zugekauft, zuletzt angekündigt, den Ich bin aber angesichts unserer
Historie zurückhaltend, etwas
US-Laborausrüster SigmaAldrich für 17 Milliarden Dollar Konkretes anzukündigen.
zu übernehmen. Wenn der Deal
Merck hatte über Jahrzehnte
im Sommer abgeschlossen
For internal use only!
keine erfolgreichen Eigenentwicklungen. Warum halten Sie
an der Sparte fest?
Wenn man zweite Liga spielt,
dann sollte man in der zweiten
Liga bleiben und nicht aufsteigen wollen? Nein, für einen Fußballanhänger ist das keine Perspektive.
Auch für den Aufsichtsratschef
des 1. FC Köln ist das eine
Mammutaufgabe.
Gerade das macht ja Spaß. Wir
analysierten ab 2007 genau, was
uns in Pharma zum Erfolg fehlt.
Einiges funktioniert: Unsere
Marktpräsenz ist sehr gut. Wir
sind in den letzten Jahren ohne
Produkteinführung jeweils mit
dem Markt oder sogar schneller
gewachsen. Wir sind auch in der
frühen Forschung gut. In der
Entwicklung jedoch, wenn die
Wirksamkeit eines Medikaments erstmals belegt werden
soll, waren wir nicht gut. Und
was uns ganz grundsätzlich
fehlte, war eine Präsenz in den
USA, war ein Standbein in der
Biotechnologie. Das alles haben
wir mit der Akquisition von Serono erreicht.
Das hat die Entwicklungsfehlschläge nicht behoben.
Deshalb organisierten wir ab
2011 den Pharmabereich komplett neu. In der ersten Führungsebene haben wir seitdem
vier Fünftel der Leute ausgetauscht. Wir sind besser geworden beim Design klinischer Studien und im Managen unserer
Pipeline. Dazu gehört auch, dass
wir Projekte mit einer Entschlossenheit beenden, die es
vorher nicht gab. Wir sind auf einem guten Weg. Der Deal mit
Pfizer in dem noch neuen Feld
der Immun-Onkologie (zur gemeinsamen Entwicklung des
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Krebsmedikaments Avelumab,
die Red.) ist der größte dieser
Art, der jemals gemacht wurde,
das war eine Honorierung von
außen.
Die Pharmasparte liegt bei der
Ebit-Gewinnmarge unter dem
Durchschnitt der Branche.
Wann geht es hier aufwärts?
Mein Kollege von Pfizer hat einmal spaßeshalber gesagt, Pfizer
würde 130 Prozent seines Gewinns in den USA verdienen.
Wir machen ein Fünftel des Umsatzes in Nordamerika. Wenn sie
dort 30 bis 40 Prozent ihres Geschäftes machen, dann ist ihre
Profitabilität bei Weitem höher.
Und Sie können eine Firma, die
wie wir hauptsächlich mit älteren Produkten arbeitet, in der
Rendite nicht auf eine Stufe stellen mit einer, die alle zwei, drei
Jahre etwas Neues entwickelt
hat wie Roche.
Anleger haben die Wahl
zwischen Merck oder Roche.
Wenn ich Investoren richtig in-
terpretiere, dann hat unsere
Pharmapipeline bei vielen zuletzt keine entscheidende Rolle
gespielt. Wichtiger waren der
Ausbau des Geschäfts mit Hochleistungsmaterialien und der
Aufbau des Life-Science-Bereichs. Jetzt kommt die Pharma-Restrukturierung hinzu.
den Anspruch, dass sich jedes
Geschäft selbst trägt.
Die Dividendenrendite ist auch wegen des gestiegenen
Aktienkurses - mit gut einem
Prozent nicht gerade üppig.
Wird es künftig mehr geben?
Wir zahlen jedes Jahr eine Dividende mindestens auf Vorjahreshöhe. Dabei bleibt es.
Q
QVITA
MERCK KGAA
Zukaufe treiben
Die Aktie ist zuletzt auch wegen
des Sigma-Deals stark gestiegen. Sehen Sie ein Risiko in der
anstehenden Integration?
Ich denke, wir haben bewiesen,
dass wir in der Lage sind, unsere
Zukaufe nebenwirkungsfrei zu
integrieren. Ich habe hier keine
Bauchschmerzen.
Dient der Ausbau der Laborausrüstungen mit ihrem starken
Cashflow auch dazu, die steigenden Entwicklungskosten
bei Pharma zu finanzieren?
Höchstens vorübergehend. So
hat Pharma in den letzten Jahren mit seinem guten Cashflow
die Akquisitionen in den beiden
anderen Bereichen mitfinanziert. Auf Dauer haben wir aber
Die hohen Forschungsausgaben in der Pharmasparte machen sich bemerkbar: Im ersten
Quartal blieb der operative Gewinn mit
KarlLudwig
Kley (63)
853 Millionen Euro hinter den Erwartungen
Seit 2007 lei-
zurück. Die Einnahmen eines der Hauptum-
tet der Jurist
satzträger, des Multiple-Sklerose-Medika-
das Darm-
ments Rebif, sanken überraschend stark. Der
städter Fami-
Umsatz stieg um 16 Prozent auf rund drei
lienunterneh-
Milliarden Euro - auch wegen der Übernahme
men, das
des Spezialchemie-Anbieters AZ Electronics
bereits 1668
2014. Die konkrete Jahresprognose: Der Ge-
gegründet
winn soll 2015 auf 3,45 bis 3,55 Millionen Euro
wurde. Zuvor
steigen, ein Plus von zwei bis fünf Prozent
war Kley Fi-
zum Vorjahr. Der Sigma-Aldrich-Deal schiebt
nanzvorstand
Umsatz und Gewinn an. Noch Potenzial,
der Lufthansa
bau
und leitender
KURS
ISIN
DE0006599905J
STOPP
89,00 ZIEL
KGV15
S 0 N D J F M A I«
D
101,25 € l
115,00
30,9 KGV16
17,6
1,1% KBV
3,7
DIV.REN.
Manager bei
Bayer. Kley ist
auch Aufsichtsratschef
des Bundesligisten
1. FC Köln.
Performance Materials
(Spezialchemie)
JMSATZANTEILE
MACH SPARTEN
ERSTES QUARTAL
2015
Healthcare
(Pharmasparte)
Life Science
(Laborausrüstungen)
For internal use only!
Über die
Hälfte des
Umsatzes liefert das Pharmageschäft.
Der Anteil der
Laborausrüstungen wird
mit d e m S i g ma-AldrichKauf steigen.
Die Materialsparte stellt
etwa Flüssigkristalle für
Displays her.
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MUSTERDEPOTS Die Aktien-Musterdepots verfolgen unterschiedliche Anlagestrategien. Das Offensive Depot versucht
bei etwas mehr Risiko hohe Renditen zu erwirtschaften. Das Defensive Depot verfolgt einen konservativeren Ansatz und
das Low-Risk-5-Depot basiert auf unserem mathematischen VaR-Modell, welches das Risiko reduzieren soll.
Botschaften aus der Gesundheitsbranche
Der Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern ein. Das Marktumfeld hellt sich etwas auf. Wir
Merck will beim organischen Wachstum künf- schauen uns nach Neuaufnahmen um.
tig zulegen - das war eine der Botschaften, die
uns Vorstandschef Karl-Ludwig Kley bei seinem
DAS DEFENSIVE DEPOT
Redaktionsbesuch mitgab. Zunächst aber wird
der für Mitte des Jahres angepeilte Abschluss
der Übernahme von Sigma-Aldrich die GeDas Defensive Depot
schäfte beschleunigen (siehe Interview S. 22).
bildet einen Mix aus
Die Aktie von Fresenius hat in der vergangesicheren und chancennen Woche bereits Tempo aufgenommen, Chef
jrientierten Anlagen
Ulf Schneider ging auf der Hauptversammlung
ab, von Anleihen über Zertifikate
vergangenen Mittwoch nochmals auf Prognobis hin. zu Aktien. Dabei überwiegen
seanhebung und gute operative Entwicklung
konservative Investments.
von Stephan Bauer
WERTENTWICKLUNG
Aktie
DAX-Indexzertifikat
Roche-Genussschein
+1,57 % WOCHE
ISIN
Anzahl
in Stück
200
DE 0007093353
CH0012032048
Fresenius
DE 0005785604
Walt Disney
US 2546871060
Comstage MSCI World ETF LU 0392494562
Merck KGaA
DE 0006599905
BASF
DE000 BAS F i l l
Reckitt Benckiser
GB00B24CGK77
Kurswert
Liquidität
Gesamtwert
50
270
140
400
140
135
120
+56,76 % SEIT START1
+18,29 % SEIT 01.01.2015
Kaufdatum
13.01.2012
Kurs in€
Kauf
aktuell
70,86 118,28
Wert
in€
23 656,00
Veränd erung
Vorwoche seit Kauf
1,80%
66,92 %
Stoppkurs
k.A.
28.08.2012
144,90
267,00
13 350,00
0,04%
84,27 % 221,00
03.01.2014
37,18
57,26
15 460,20
4,37%
54,01 %
45,00
04.07.2014
64,15
99,00
13 860,00
2,30%
54,33 %
88,00
29.08.2014
34,74
43,20
17 280,00
2,25%
24,35 %
k.A.
19.09.2014
69,60
101,45
14 203,00
0,40%
45,76%
89,00
21.11.2014
73,42
88,03
11 883,65
1,19%
19,90 %
78,00
13.03.2015
81,70
83,06
9 966,60
2,55%
1,66%
72,00
119 659,45
23 565,86
143 225,31
'Performance seit Auflegung am 02.03.2008
Neuaufnahme: keine
Redaktionsbesuch: Merck-Chef Karl-Ludwig Kley im Gespräch mit den €urams-Redakteuren J. Groß und S. Bauer
For internal use only!
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