Sprachwissen und Sprachwandel in Unterwalden. Zum Einfluss
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Sprachwissen und Sprachwandel in Unterwalden. Zum Einfluss
Dissertationsprojekt Sprachwandel und Sprachwissen in Unterwalden M.A. Nadja Bucheli Das hier beschriebene Dissertationsprojekt ist ursprünglich im Rahmen des SNF-Projekts “Länderen - Die Urschweiz als Sprach(wissens)raum“ konzipiert worden und nutzt dessen Daten als Grundlage. Im Zentrum des Dissertationsprojekts stehen entsprechend die Dialekte, die im Raum der Kantone Ob- und Nidwalden gesprochen werden, zu welchen neuere Untersuchungen gänzlich fehlen. Das Dissertationsprojekt verfolgt ein mehrfaches Ziel. Einerseits soll eine Auswahl der im Rahmen des Länderen-Projekts erhobenen objektiven Sprachdaten zur heutigen Realisierung einer Reihe dialektaler Variablen im Untersuchungsgebiet ausgewertet und mit dem im Sprachatlas der deutschen Schweiz dokumentierten früheren Sprachstand verglichen werden, um allfälligen Dialektwandel oder -stase festzustellen. Ausserdem möchte die Dissertation aber v. a. der Frage nachgehen, in welchem Zusammenhang Dialektwandel oder -stase zum sprachlichen Wissen linguistischer Laien steht. Die Arbeit setzt somit die beiden Arten von Daten miteinander in Beziehung, die im Rahmen des Länderen-Projekts erhoben wurden (objektive Sprachdaten und subjektive Sprachwissensdaten). Eine wichtige Rolle spielt dabei das Konzept der linguistischen Salienz, das in der aktuellen Forschung wieder intensiv diskutiert wird (vgl. bspw. Lenz 2010; Elmentaler M., J. Gessinger, J. Wirrer 2010 oder die Beiträge in Christen/Ziegler 2014). Bereits Schirmunksi (1928/29) nimmt an, dass die „Auffälligkeit“ sprachlicher Merkmale einen wesentlichen Einfluss darauf hat, ob und wie schnell ein linguistisches Merkmal im Sprachkontakt übernommen bzw. aufgegeben wird. Vor dem Hintergrund der Schweizer Diglossie-Situation versprechen die Daten des Länderen-Projekts nun gänzlich neue Erkenntnisse zur linguistischen Salienz. Wie bspw. Lenz (2010) betont, ist linguistische Salienz einem Merkmal nicht per se inhärent, sondern ergibt sich erst vor dem Hintergrund der Vergleichsfolie einer anderen Varietät, von der sich ein Merkmal für den Hörer abhebt. Während als Vergleichsfolie in anderen deutschsprachigen Gebieten neben der eigenen Varietät üblicherweise die Standardsprache angenommen wird, ist dies in der Deutschschweiz aufgrund der Diglossie-Situation unangemessen. Als mündliche Umgangssprache wird hier nicht eine standardnahe regionale Umgangssprache oder gar die kodifizierte Standardsprache verwendet, sondern die verschiedenen Schweizer Dialekte. Entsprechend ist auch die Vergleichsfolie, vor deren Hintergrund ein sprachliches Merkmal als salient erscheinen kann, eine andere. Als zentraler sprachwandelbeeinflussender Faktor werden im Rahmen der Dissertation ausserdem die Einstellungen der Sprecher zu ihrem eigenen Dialekt sowie zu anderen Schweizer Dialekten (als Kontaktvarietäten) berücksichtigt. Anders, A., M. Hundt, A. Lasch: Perceptual Dialectology. Neue Wege der Dialektologie. Berlin/New York. Christen, H., E. Ziegler (Hrsgg.) (2014): Die Vermessung der Salienz(forschung)/Measuring (the Research on) Salience. Linguistik Online 4, 66. Elmentaler M., J. Gessinger & J. Wirrer (2010): „Qualitative und quantitative Verfahren in der Ethnodialektologie am Beispiel von Salienz“. In: Anders et al. (Hrsgg.) (2010), 111-‐149. Lenz, A. N. (2010): „Zum Salienzbegriff und zum Nachweis salienter Merkmale“. In: Anders et al. (Hrsgg.) (2010), 89-‐110. Mattheier, K. J. (1996): Varietätenkonvergenz. Überlegungen zu einem Baustein einer Theorie der Sprachvariation. Sociolinguistica 10, 31-‐52. Schirmunksi, V. (1928/29): Die schwäbischen Mundarten in Transkaukasien und der Südukraine. In Teutonista 1928/1929,5. 38-‐60 und 157-‐171. Sprachatlas der deutschen Schweiz (1962-‐1998). Begründet von H. Baumgartner und R. Hotzenköcherle, in Zusammenarbeit mit K. Lobeck, R. Schläpfer, R. Trüb und unter Mitwirkung von P. Zinsli. Hg. von R. Hotzenköcherle. Bde I-‐VIII. Bern.