Hausarbeit Technologie
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Hotelfachschule Heidelberg Schuljahr 2006/2007 Hausarbeit Technologie Essigherstellung im Weinessiggut Doktorenhof Venningen vorgelegt von Metin Calis FHG 2 / 5 Anschrift des Verfassers: Betreuer: Am Gutleuthofhang 48 69118 Heidelberg Tel. 06221 8937278 Erik Pratsch Technischer Oberlehrer Metin Calis: Essigherstellung im Doktorenhof Seite 2 Inhaltsverzeichnis 1 Vorwort ................................................................................................... 3 2 Das Weinessiggut Doktorenhof ........................................................... 3 2.1 Standort ..............................................................................................................3 2.2 Tradition ..............................................................................................................3 3 Grundlagen der Essigherstellung ........................................................ 4 3.1 Essigsäurebakterien ...........................................................................................4 3.2 Essigarten ...........................................................................................................4 3.3 Gesetzliche Vorschriften .....................................................................................5 3.4 Verband der Essig- und der Senfindustrie e.V. ...................................................5 4 Geschichte des Essigs.......................................................................... 6 4.1 Herkunft ..............................................................................................................6 4.2 Entwicklung.........................................................................................................6 5 Herstellungsverfahren........................................................................... 7 5.1 Traditionelle Verfahren........................................................................................7 5.2 Moderne Verfahren .............................................................................................8 5.3 Lagerung und Verfeinerung ................................................................................9 6 Anwendung .......................................................................................... 10 6.1 Essig-Menü .......................................................................................................10 6.2 Rezepte ............................................................................................................10 6.3 Bedeutung in der Ernährung .............................................................................14 7 Praxis .................................................................................................... 15 7.1 Allgemein ..........................................................................................................15 7.2 Gastronomie .....................................................................................................16 8 Resümee............................................................................................... 18 9 Literaturverzeichnis............................................................................. 19 Erklärung ..................................................................................................... 20 Hotelfachschule Heidelberg Hausarbeit Technologie 2006/07 Metin Calis: Essigherstellung im Doktorenhof Seite 3 1 Vorwort Die Leidenschaft zur Küche entdeckte ich schon in jungen Jahren. Von 1994 bis 1996 wurde ich im Heidelberger Schloss zum Koch ausgebildet. In dieser Zeit lernte ich den Essigdoktor, Herrn Georg-Heinrich Wiedemann (Foto), kennen. Essige vom Doktorenhof werten jedes Gericht auf – feinste Nuancen bewirken Wundersames.1 2 Das Weinessiggut Doktorenhof 2.1 Standort In Rheinland-Pfalz im Landkreis Südliche Weinstraße liegt die Gemeinde Venningen. Als Siedlung wird Venningen erstmals urkundlich im Jahre 859 erwähnt. Der Weinbau erstreckt sich über eine Rebfläche von etwa 151 Hektar. Hier liegt der Doktorenhof; in der „allerheiligsten Stube“ des Essigs lagern altehrwürdige Eichenfässer, gut gelüftet, wohl temperiert und immer bodenfeucht gehalten, befüllt mit edlem Wein und Essigbakterien. Behagliche Wärme und Düfte, die die Sinne beflügeln: An diesem Ort mit heilsamer Wirkung „zelebriert“ das erste und einzige Weinessiggut Deutschlands seine Tradition und sein Essig„Mysterium“ seit über 30 Jahren. 2.2 Tradition Der Weinbaubetrieb Doktorenhof ist seit Generationen ein Familienbetrieb. Schon damals wurden Essige in Eichenholzfässern gelagert und waren Bestandteil des Weinguts. Die Weinreste wurden in einem Essigfass gesammelt, in der sich auch die Essigmutter befand2. Da es damals nicht die Möglichkeit gab, Essig zu erwerben, hat man Essig selbst hergestellt. Die heute verwendete Essigmutter ist über 140 Jahre alt. Schon lange vorher Sammler einer breiten Auswahl historischer Literatur über Essig, rief der Essigdoktor die Essigmanufaktur ins Leben. Die Naturvielfalt in der Pfalz liefert ihm die Grundstoffe 1 Essig (lat. Acetum) ist ein sauer schmeckendes Würz- und Konservierungsmittel, das durch Fermentation alkoholhaltiger Flüssigkeiten mit Hilfe von Essigsäurebakterien hergestellt wird. Essigbakterien oxidieren mit Sauerstoff aus der Luft Alkohol zu Essigsäure und Wasser: CH3CH2OH + O2 —> CH3COOH + H2O. Dies ist keine Vergärung, sondern eine teilweise Veratmung des Alkohols. Essig ist also nichts weiter als Essigsäure und Wasser. Handelsübliche Essigessenz enthält 25 % Essigsäure, Haushaltsessig ab 5 % (Mindestgehalt laut gesetzlicher Vorschrift), dazu kommen noch je nach Sorte entsprechende Aroma- und Inhaltsstoffe. 2 Sowohl die sich im Essigfass befindliche Bakterienkultur wie auch der von den Essigsäurebakterien gebildete Überzug und/oder der Bodensatz, auch Essigkahm genannt. Hotelfachschule Heidelberg Hausarbeit Technologie 2006/07 Metin Calis: Essigherstellung im Doktorenhof Seite 4 für die Produktion vieler einzigartiger Essige. Sein wichtigster Grundgedanke ist es, Essige herzustellen, die „eine immense Energie“ haben, die der Mensch braucht. Daher wird sehr spät gelesen, um die besten Trauben zu erhalten. Vier bis acht Jahre bedarf es für die Herstellung hochwertiger Essige, vor allem, weil z.B. eine Trockenbeeren- Auslese langsam vergoren werden muss. Vom Anbau über die Lese bis zum Abfüllen in mundgeblasene Flaschen geschieht alles in Handarbeit, auch die Etiketten der Essigflaschen sind eigens dafür kreiert. Das überlieferte Handwerk basiert auf einer Jahrtausende alten Tradition. Essigdoktor und MaÎtre Georg-Heinrich Wiedemann, der Essigmacher, der aus edlen Weinen Unikate kredenzt ist einmalig – aus Hingabe wurde Leidenschaft, geprägt von der der Philosophie von Langsamkeit, Natürlichkeit und Intensität. Nur so kann nach seiner Auffassung Spitzenqualität entstehen, die aus einem Lebensmittel ein Genussmittel macht. Diese Haltung zieht sich als roter Faden durch die Manufaktur im Doktorenhof. Der vielleicht „sauerste Ort der Welt“ offeriert fast alles, was das Essigherz begehrt. 3 Grundlagen der Essigherstellung 3.1 Essigsäurebakterien Essigsäurebakterien gehören zur Familie der Acetobacteraceae. Diese sind obligat aerob, das heißt, sie brauchen Sauerstoff, sind stäbchenförmig und meistens beweglich. Viele Bakterien aus dieser Familie gewinnen Energie durch die Oxidation von Ethanol zu Essigsäure (Grafik). Einige können diese weiter zu Kohlendioxid und Wasser abbauen, so die Bakterien der Gattung Acetobacter. In der Natur kommen Essigsäurebakterien überall vor, wo es Ethanol gibt, also wo Hefen Zucker oder pflanzliche Kohlenhydrate zu Ethanol vergären. Auf Apfelwein und Bier, das nicht steril ist, wachsen sie in einer Kahmhaut auf der Oberfläche. In der Essigherstellung eingesetzt werden vor allem Arten der Gattung Acetobacter, für die der ideale ph-Wert im sauren Bereich liegt, meist zwischen 5,3 bis 6,3. Einige wachsen bei erheblich niedrigeren pH-Werten. Das Wachstum der Bakterien kann durch Luftabschluss eingedämmt werden, dies ist nützlich bei der Lagerung von Wein. 3.2 Essigarten Der Geschmack eines Essigs ist sowohl von der Art und Qualität des Ausgangsstoffes abhängig wie von den zugesetzten Geschmacksstoffen. Hotelfachschule Heidelberg Hausarbeit Technologie 2006/07 Metin Calis: Essigherstellung im Doktorenhof Seite 5 1. Obstessig entsteht aus Obstwein. Der wohl bekannteste ist der Apfelessig. Man kann Apfelessig mit natürlichen oder künstlichen Aromen oder echten Fruchtauszügen herstellen – letzteres ist das hochwertigere Verfahren. 2. Weinessig wird aus Weiß- oder Rotwein hergestellt. Das Aroma ist meist ausgeprägter als beim Obstessig, da Traubenwein einen höheren Ölgehalt und damit mehr Säure als Obstwein hat. Der Säuregehalt beträgt meist mehr als 6 %. 3. Balsamico-Essig wird nicht aus Wein hergestellt, sondern aus Traubensaft, dickflüssig eingekocht. Der echte Balsamico „Originale“ sollte mindesten 12 Jahre gelagert werden. 4. Branntweinessig wird aus Branntwein gewonnen, also aus Alkoholika, die durch das Brennen von Getreide oder Früchten entstehen wie Korn, Wodka, Whisky und Rum. Branntweinessig hat einen Säuregehalt von 5 bis 14 %. Häufig weist er durch die industrielle Fertigung kaum noch geschmackliche Eigenheiten, aber als Spezialität manchmal auch besondere Geschmackseigenschaften. Branntweinessig ist der im Haushalt gebräuchlichste Essig. 3.3 Gesetzliche Vorschriften Die Verordnung über den Verkehr mit Essig und Essigessenzen (EssigV) vom 25. April 1972 besagt in § 1 (1) Nr. 1-3, dass Essig im Sinne dieser Verordnung ein Erzeugnis ist, das in 100 ml mindestens 5 g und maximal 15,5 g Säure enthält (berechnet als wasserfreie Essigsäure), also zwischen 5 und 15,5 Gewichts-%, und hergestellt ist, 1. durch Essiggärung aus weingeisthaltigen Flüssigkeiten, auch unter Verdünnen mit Wasser (Gärungsessig, Branntweinessig), 2. durch Verdünnen von Essigsäure oder Essigessenz mit Wasser oder 3. durch Vermischen von Gärungsessig mit Essigsäure, Essigessenz oder Essig aus Essigessenz. 3.4 Verband der Essig- und der Senfindustrie e.V. Hauptaufgabe des Verbandes der Essig- und der Senfindustrie e.V. ist es, die wirtschaftlichen und fachlichen Interessen der Mitglieder zu fördern und zu schützen auf nationaler und internationaler Ebene. Wichtig ist ihm die Beratung der Mitglieder. Der Verband fördert auch den Austausch von Erfahrungen auf wirtschaftlichem und technischem Gebiet und positioniert sich als Wahrer und Förderer eines lauteren Wettbewerbs. Dem Verband sind knapp 50 Unternehmen angeschlossen, die Essig und/oder Senf produzieren. Der Gesamtumsatz der Branche belief sich im Jahr 2003 auf ca. 385 Mio. Euro. Kontakt: Reuterstraße 151 · 53113 Bonn · www.essigundsenf.de Hotelfachschule Heidelberg Hausarbeit Technologie 2006/07 Metin Calis: Essigherstellung im Doktorenhof Seite 6 4 Geschichte des Essigs 4.1 Herkunft Essig macht die schweren Köpfe lässig. Essig ist neben Wein und Olivenöl eines der ältesten Kulturgüter. Unter allen Säuren wurde die Essigsäure zuerst bekannt und gezielt verwendet. Schon im frühen Altertum war bekannt, dass alkoholhaltige Flüssigkeiten bei längerer Lagerung zu Essig werden. Essig ist das Produkt eines der ältesten biotechnologischen Verfahren der Menschheit. Wahrscheinlich wird die Entstehung des Essigs zufällig gewesen sein: Alkoholvorräte, wie z. B. Wein oder Bier, sind unbeabsichtigt mit den Essigbakterien in Kontakt gekommen. Bereits vor 6000 Jahren war Essig in den meisten Kulturen bekannt. Zunächst war Essig also nichts anderes als Wein oder Bier, welches sauer geworden war. Daher behauptet man auch, dass Essig schon immer das Getränk der armen Leute gewesen sei. Die römischen Soldaten schätzten den Essig als Durstlöscher und desinfizierendes Mittel; jeder von ihnen trug ein kleines Fässchen mit sich herum. 4.2 Entwicklung Essig ist auch ein Sohn des Weines. Historische Aufzeichnungen belegen, dass vor etwa 4000 Jahren in Mesopotamien „saures Bier“, also Bieressig, genossen wurde. Die Römer verwendeten damals wie heute für ihre Essigherstellung Feigen, Traubenmost oder eine besondere Getreideart. Eine spezielle Vorliebe entwickelten sie für ein säuerliches Getränk, eine Mischung aus Wasser und Essig namens „Posca“, das als Erfrischung an heißen Tagen und Kraftspender bei anstrengenden Arbeiten noch bis in unser Jahrhundert hinein von „einfachen“ Leuten getrunken wurde. Aber Essig diente nicht nur als Durstlöscher, wie uns aus Überlieferungen bekannt ist, sondern auch als Heil- und Konservierungsmittel, zum Reinigen von Wunden und als Badezusatz oder Parfum. Schon früh fermentierten die Babylonier einen wohltuenden Essig, der von Heilkundigen gegen Krankheiten erfolgreich verwendet wurde. Auch in China und Indien wurden bereits 2000 v. Chr. EssigRezepturen entwickelt. Durch die kontinuierliche Einnahme erreichte man ein hohes Lebensalter. Seither gilt der Essigkrug als Symbol des Lebens. Die Geschichte belegt, dass die heilende Wirkung des Essigs quer durch alle Kulturkreise bekannt war. Im antiken Griechenland widmete sich Hippokrates besonders den medizinischen Zwecken der Essiggewinnung. Arabische Mediziner nutzten ihn als Heilmittel für offene Wunden. Berühmte mittelalterliche Ärzte lobten die vielfältigen und segensreichen Anwendungsmöglichkeiten dieses „Wundermittels“. Die biblische Geschichte von Jesus und dem Essig bekommt durch dieses Wissen eine andere Bedeutung: „Da lief einer und füllte einen Schwamm mit Essig und steckte ihn auf ein Rohr und tränkte ihn.“ (Markus 15:36). – „Und sie gaben mir Galle zu essen und Essig zu trinken in meinem großen Durste“ (Psalm 69:20). Offenbar taten die Soldaten Jesus am Kreuz nach ihrem Verständnis nur etwas Gutes. Hotelfachschule Heidelberg Hausarbeit Technologie 2006/07 Metin Calis: Essigherstellung im Doktorenhof Seite 7 Die Römer sind auch die Namensgeber für das Wort „Essig“. Es stammt ab vom lateinischen Wort „acetum“ für Essig, verwandt mit acer, scharf. Davon lässt sich auch die Bezeichnung Essigsäure ableiten: acetum acidum. Eines der wohl feierlichsten Ereignisse in der römischen Geschichte um 30 v. Chr. war ein pompöses Bankett, das Kleopatra, die letzte Königin Ägyptens, für den römischen Imperator Markus Antonius ausrichtete, beschrieben vom bekannten römischen Geschichtsschreiber Plinius dem Älteren in seinem berühmten Buch „Naturalis historia“. Hiernach war Essig ein ganz bedeutender Bestandteil der Festivität, denn Kleopatra wettete mit Markus Antonius darum, wer von ihnen das teuerste Bankett darbieten konnte, das es jemals gegeben hatte. Als nichts anderes außer einer Schale wohlschmeckendem Essig für Kleopatra VII., Königin des ägyptischen Ptolemäerreiches serviert wurde, war Markus Antonius sehr erstaunt, wie sie wohl diese Wette gewinnen wolle. Daraufhin löste Kleopatra einen ihrer Perlenohrringe – der laut Schätzung von Plinius einen beachtlichen Wert von 10 Millionen Sesterzen darstellte, dem Gegenwert von tausenden Pfunden Gold – und ließ ihn in dem Essig versinken. Die wertvolle Perle löste sich in der säurehaltigen Flüssigkeit auf, anschließend trank Kleopatra den Essig und gewann so ihre Wette. Lange Zeit dachte man, die Gewinnung von Essig sei nicht ohne vorherige Alkoholgewinnung möglich. Einer der bedeutendsten Chemiker des 17. Jahrhunderts aber, Johann Rudolph Glauber, entdeckte bei der Suche nach der quinta essentia, dem Wesentlichen einer Sache, dass bei der Holzdestillation, der Holzverkohlung unter Luftabschluss, auch Essigsäure entsteht. 1864 entdeckte Louis Pasteur, dass Essig ein Produkt der Aktivität von Bakterien ist, und widerlegte die wissenschaftlich etablierte Ansicht von Justus von Liebig und Berzelius, der Essigentstehung liege ein rein chemischer Prozess zu Grunde. 5 Herstellungsverfahren 5.1 Traditionelle Verfahren Prinzipiell gilt: 1. Gärung von Traubensaft zu Alkohol 2. Gärung von Alkohol zu Essig 3. Essig ist bis auf einige natürliche Spuren frei von Alkohol Ursprüngliches Verfahren: Das Ausgangsmaterial zur Essigherstellung war ein hausgebräuchlicher Landwein oder Most, später verwandte man qualitativ hochwertigere Produkte. Meist waren es Obstweine, welche einen hochwertigen Essig garantierten. Der Wein wurde in Tonkrüge oder auch in flache Schalen gefüllt, zum Schutz vor Essig- oder Obstfliegen mit einem luftdurchlässigen Stoff abgedeckt und an einem warmen Ort gelagert. Nach einigen Tagen setzte die Essigbildung ein. Einfaches Oberflächenverfahren (Orléans-Verfahren): Das erste Verfahren zur industriellen Herstellung von Essig entwickelte man Ende des 14. Jahrhunderts an der Loire in Orléans, Hauptstadt der Region Centre in Frankreich. Daher nannte man es schon damals das Orléans-Verfahren. Alte Stieleichenholzfässer wurden mit Wein befüllt und in Hotelfachschule Heidelberg Hausarbeit Technologie 2006/07 Metin Calis: Essigherstellung im Doktorenhof Seite 8 warmen Räumen gelagert, so dass sich auf der Flüssigkeitsoberfläche eine Bakterienhaut bilden konnte, die den Alkohol zu Essig umwandelte. Mehrere Wochen nach der Gärung konnte der Essig behutsam unterhalb der Bakterienhaut abgelassen werden. Der in Paris 1743 geborene Antoine Laurent de Lavoisier legte Ende des 18. Jahrhunderts den Grundstein für die industrielle Herstellung von Essig. Er entdeckte, dass die Luft bzw. der Sauerstoff notwendig für die Entstehung von Essig ist, für die dabei stattfindende Oxidation (siehe Fußnote 1, S. 3). 1864 erbrachte Louis Pasteur den Beweis, dass Bakterien für die Entstehung von Essig verantwortlich sind. Im Jahre 1868 schrieb er in seiner Arbeit „Etudes sur le vinaigre“, die Essigsäuregärung sei ein biologischer Prozess, der von bestimmten Bakterien, Acetobacter genannt, durchgeführt werde. Diese Essigbakterien siedelten sich bei offener Lagerung ganz von selbst an, ebenso könne auch die Essigfliege als Überträger fungieren. beschleunigtes Orléans-Verfahren: Mit dem Fortschritt der Industrialisierung versuchte man das Verfahren zu perfektionieren. Richard Alfried Hengstenberg, der Gründer des Unternehmens Hengstenberg, entwickelte das „beschleunigte Orléans-Verfahren“, auch bekannt als das „verbesserte Oberflächenverfahren“, das im Jahre 1882 patentiert wurde. Die grundlegende Vorgehensweise gleicht dem Orléans-Verfahren. Die Verbesserungen bestehen in einer einfachen Temperatursteuerung in Verbindung mit einer zusätzlichen Belüftung. Die Essiggärung ist durch diese Verbesserungen deutlich früher abgeschlossen, was durch das Verschwinden des Lösungsmittelgeruches festzustellen ist. Schnellessig-Verfahren (Fesselverfahren, Schützenbach-Verfahren): Der Fabrikant Johann Sebastian Schützenbach entwickelte eine weitere wesentliche Verbesserung der Essigherstellungstechnologie. Er erfand den Essigspan aus Buchenholz. Auf Buchenspänen können sich die Bakterien ansiedeln und festheften, sie werden sozusagen „gefesselt“, deshalb nennt man die Methode auch Fesselverfahren. Die Buchenspäne vergrößern die durch die Bakterien besiedelte Oberfläche und damit auch die Kontaktfläche mit der Luft enorm. Somit erzielt man eine schnellere Essigproduktion und damit auch eine höhere Produktionsmenge, daher auch die Bezeichnung Schnellessig-Verfahren für das Schützenbach-Verfahren. Für die private Nutzung eignen sich besonders eine Aquariumsheizung und -pumpe in Verbindung mit einem Sprudelstein. Die zusätzliche Wärme und Luft verkürzen die Gärzeit. 5.2 Moderne Verfahren Heutzutage ist die Produktion auf ein ausgewogenes Verhältnis von Qualität und Quantität ausgerichtet; Produktionsfaktoren wie Standort, Kosten, Zeit und Rohstoffe nehmen an Bedeutung zu. Verfahren, die die Herstellung beschleunigen, werden immer wichtiger. Rundpumpverfahren: Bei dieser Methode lässt man eine etwa 10 % Alkohol enthaltende Flüssigkeit, die sogenannte Maische, in großen Bottichen (Essigbildner) ständig über Buchenholzspäne herunterrieseln, auf Hotelfachschule Heidelberg Hausarbeit Technologie 2006/07 Metin Calis: Essigherstellung im Doktorenhof Seite 9 denen leistungsfähige Essigbakterien angesiedelt sind. Durch ein Gebläse wird im Gegenstrom von unten ständig Luft zugeführt. Dies nennt man auch das typische Fessel-Verfahren. Die große Atmungsoberfläche auf den Buchenholzspänen ermöglicht den Essigbakterien eine nahezu perfekte Aufnahme des Sauerstoffes aus der Luft. Im Kreislauf wird die Maische so lange über die Späne gepumpt, bis sie in Essig umgewandelt und der optimale Säuregrad erreicht ist. In nur 5 bis 7 Tagen hat sich im Essigbildner der Alkohol in Rohessig umgewandelt. Der Großteil des Rohessigs wird abgelassen und für die nächste Produktion durch neue Maische ersetzt. Submers-Verfahren: Diese Herstellungsweise ist die neuere und schnellere Methode. Dank hochleistungsfähiger Stammkulturen entfällt hierbei jegliches Trägermaterial (Buchenholzspäne). In großen Fermentern befinden sich die Bakterien direkt in der alkoholischen Maische, sie sind sozusagen untergetaucht – daher auch „Submers“-Verfahren (lat. abgetaucht). Über einen Belüfter wird der Inhalt des Gärtanks stetig mit feinen Luftblasen versorgt, so dass die Bakterien an jeder beliebigen Stelle des Bottichs eine optimale Sauerstoffkonzentration zur Gärung vorfinden. Somit dauert der Herstellungsprozess nur noch 24 Stunden. Aufgrund der großen Vorteile dieses Verfahrens wird heute vorwiegend mit dem Submers-Verfahren Essig produziert. 5.3 Lagerung und Verfeinerung Wie Wein bekommt auch Essig erst durch die Lagerung seine Reife. Laut Fachleuten schmeckt ein neu produzierter Essig „spitzsauer“, d.h. die Säure wirkt etwas streng. Während der Lagerung in Eichenholzfässern oder großen Bottichen baut sich allmählich der spitzsaure Geschmack ab, hierbei entwickelt der Essig sein Aroma und entfaltet seine typischen Eigenschaften. Als Faustregel gilt: Je länger die Reifung, desto „weicher“ der Essig. Die Reifezeit ist je nach Verwendungszweck unterschiedlich, sie liegt meist zwischen einem halben bis einem Jahr; längere Lagerzeiten sind für hochwertige Essige nicht ungewöhnlich. Im Anschluss an die Lagerung wird der Essig gefiltert, d.h. von Schweb- und Trübstoffen befreit, um den Anspruch des Verbrauchers an ein optisch ansprechendes Produkt zu erfüllen. Durch das Kombinieren und Variieren der verschiedenen Essige und die Beigabe von Zutaten ergibt sich eine nahezu unerschöpfliche Vielfalt von Essigprodukten. Vor dem Abfüllen in Flaschen wird der Essig pasteurisiert, d. h. durch ein schonendes Hitzeverfahren bei Temperaturen unter 100 Grad Celsius haltbar gemacht. Hotelfachschule Heidelberg Hausarbeit Technologie 2006/07 Metin Calis: Essigherstellung im Doktorenhof Seite 10 6 Anwendung 6.1 Essig-Menü „Kochen – genießen und zelebrieren – Dinge, die heute wichtiger sind denn je – Freude haben an Natürlichkeit und schlichter Eleganz – das feine Verstehen und lieben.“ Georg-Heinrich Wiedemann Die Verwendung von Essig ist sehr vielfältig: zum Entree, für frische Salate, kräftige Saucen, zartes Gemüse, köstliche Süßspeisen und zu allem, was dem persönlichen Geschmack entsprechend einen feinen Hauch Essig verdient. Zelebriert als Aperitif regen die Essig-Kreationen vom Doktorenhof den Appetit an, sensibilisieren die Geschmacksnerven und bereiten Laune auf das bevorstehende Mahl. Als Zwischengang „Trou Normand“ (in der Mitte eines opulenten Menüs), wirkt Essig in seiner feinen Struktur stimulierend auf den Magen und schafft Freiraum für den eigentlichen Hauptgang. Gereicht als Digestif wirkt er dem Völlegefühl entgegen und betont die leichte Verdaulichkeit des Essens. Hier ein Beispiel für ein Menü, wie es der Doktorenhof empfiehlt: Russische Bärlauchsuppe nach Leonardo mit Löwenzahn-Essig • Makkaroni nach Art der Kerkermeisterin • Jakobsmuscheln „Venezianischer Art“ mit „Let´s Oyster“-Essig • Kaninchensauté mit Vierräuberessig • Schokoladenlasagne mit Cappuccinosauce und Kaffeeblütenessig 6.2 Rezepte 1. „Russische Bärlauchsuppe nach Leonardo mit Löwenzahn-Essig“ Zutaten: Einlage: 500 g Bärlauch 1 Zwiebel 30 g Butter 20 g Mehl 1 l Geflügelbrühe 3 TL Löwenzahnblütenhonig Salz, Pfeffer, Muskat Prise Zucker 4 Hartgekochte Eier 30 g geriebener Parmesan 1 Hähnchenbrustfilet 1 Ei 1 Eigelb Salz, Pfeffer, Muskat Prise Zimt Hotelfachschule Heidelberg Hausarbeit Technologie 2006/07 Metin Calis: Essigherstellung im Doktorenhof Seite 11 Liaison: Panade: 100 g Sahne 3 Eigelbe 50 g Mehl 1 Ei 60 g Paniermehl Salz, Pfeffer Pflanzenöl zum Ausbacken Zubereitung: 1. Suppe: Den Bärlauch gut abwaschen und kurz in siedendem Wasser blanchieren, abtropfen lassen und anschließend grob hacken. Zwiebel fein würfeln und in der Butter glasig dünsten. Den Bärlauch hinzu geben und 5 Minuten bei mittlerer Hitze mitdünsten. Das Mehl mit etwas Geflügelbrühe anrühren (Verhältnis 1:2) dabei die restliche Brühe dem Bärlauch-Ansatz dazu geben. Jetzt den Löwenzahn-Essig zufügen und etwa 15 min. langsam köcheln lassen. Dann das angerührte Mehl in die Suppe gleichmäßig einrühren, aufkochen und noch 5 Minuten ziehen lassen – zum Schluss würzen. Die Suppe kann gut vorher zubereitet und kühl aufbewahrt werden. 2. Einlage: Die hartgekochten Eier der Länge nach durchschneiden, Eigelb entnehmen und in eine Schüssel geben. Mit einer Gabel fein zerdrücken und den Parmesan hinzugeben. Die rohen Eier zufügen, gut vermengen und fertig abschmecken. Die Eihälften ausreichend füllen und in gewürztem Mehl, dann in der Eimischung und zuletzt in Paniermehl wenden, anschließend die Eimasse 15 Minuten ruhen lassen. In einem kleinen, aber hohen Edelstahltopf Öl erhitzen und die panierten Eier darin goldbraun ausbacken. Auf Krepppapier gut abtropfen lassen. Das Hähnchenbrustfilet in Geflügelbrühe pochieren und nach dem Garen würfeln. 3. Liaison: Die Sahne und die Eier miteinander in einer geeigneten Schüssel verquirlen und mit etwa 100 ml der heißen Suppe gleichmäßig verrühren. Dies muss vorsichtig getan werden, da sonst das Ei ausflocken kann. Diesen Ansatz bei regelmäßigem Rühren in die heiße Suppe beigeben – dabei darf die Suppe nicht mehr kochen – bis sie eine cremige Bindung erhält. Die Suppe mit Gewürzen verfeinern. In eine Suppentasse die Suppe und Einlagen geben und heiß servieren. 2. „Makkaroni nach Art der Kerkermeisterin“ Zutaten: 2 Eier Salz, Wasser 100 g geriebener Parmesan Hotelfachschule Heidelberg 200 g Mehl Type 405 125 g Butter 2 TL Casanova Essig Hausarbeit Technologie 2006/07 Metin Calis: Essigherstellung im Doktorenhof Seite 12 Zubereitung: 1. Teig: Das Mehl auf der Arbeitsfläche aufhäufen und mit der Hand eine Kuhle in die Mitte machen. In die Kuhle die Eier hineinschlagen und salzen. Das Mehl mit den Eiern verkneten und bei Bedarf etwas Wasser oder Mehl beigeben, da der Teig erst die richtige Konsistenz hat, wenn er nicht mehr an den Händen klebt. Den Teig bei Zimmertemperatur etwa eine halbe Stunde ruhen lassen. Anschließend noch einmal 5 bis 10 Minuten kneten. 2. Makkaroni: Dann so dünn wie möglich auf einer mit Mehl bestreuten Arbeitsfläche ausrollen und in gleichmäßige kleine Quadrate schneiden. Makkaroni auf Pergamentpapier etwa 3 Stunden trocknen lassen. Die Makkaroni ins kochende Wasser geben und al dente kochen. Nach der Garzeit mit 2 TL Casanova Essig beträufeln und Butter zugeben und mit reichlich Parmesan anrichten. 3. „Jakobsmuscheln venezianischer Art mit Let´s Oyster-Essig“ Zutaten: 12 Jakobsmuscheln 1 Knoblauchzehe Filets von einer Zitrone Salz, Pfeffer, Zucker 1 Fleischtomate Paniermehl 1 Bund Blattpetersilie fein gehackt 5 cl trockener Weißwein 6 EL Olivenöl Let’s Oyster-Essig Zubereitung: 1. Jakobsmuscheln vorbereiten: Muschelschalen säubern, mit einem Messer von der einen zur anderen Seite öffnen, die flache Muschelschale oben lassen. Die Jakobsmuschel auslösen, alle schwarzen Innereien und den Bart entfernen. Den zylinderförmigen weißen Muskelstrang zwischen den Klappen und den orangeroten Rogen (Corailles) in kaltem Wasser waschen und anschließend trocknen. Schalen warm stellen. 2. Fertigstellen: Die Tomate in siedendem Wasser blanchieren, in Eiswasser abschrecken, enthäuten und entkernen dann in Streifen schneiden. Das Muschelfleisch würzen, in Paniermehl wenden und in Olivenöl etwa 1 – 2 Minuten pro Seite goldbraun backen. Die Muscheln jetzt aus der Pfanne entnehmen und auf ein Krepppapier legen. In die Pfanne den Weißwein, die Zitronenfilets und die Tomatenstreifen hinzufügen. Kurz einkochen lassen, würzen und in den vorgewärmten Schalen servieren. Oben auf die goldbraun gebackenen Jakobsmuscheln setzen. Mit „Let´s Oyster“ besprühen. Als Beigabe lässt sich ganz hervorragend Feldsalat empfehlen. Hotelfachschule Heidelberg Hausarbeit Technologie 2006/07 Metin Calis: Essigherstellung im Doktorenhof Seite 13 4. „Kaninchensauté mit Vierräuberessig“ Zutaten: 16 Schalotten 140 g Butter 2 Knoblauchzehen 1 TL zerstoßene schwarze 1 Karotte Pfefferkörner ½ Stange Lauch 400 ml Weißwein 150 g Bauchspeck 100 ml Madeira 4 Keulen und 2 Rücken von jungen Kaninchen 2 EL Vierräuberessig Salz, Pfeffer aus der Mühle 1 Kräuterstrauß aus Thymian, Lorbeerblatt, Petersilie, Gewürznelke, Rosmarin und Stangensellerie Zubereitung: 1. Marinade: Schalotten, Knoblauch sowie Karotte schälen und in feine Scheiben schneiden. Lauch putzen, waschen und in Ringe schneiden. Den Speck in etwa 3 cm lange Streifen schneiden und kurz in siedendem Wasser blanchieren, da Speck einen hohen Salzgehalt hat. Gut abtropfen lassen. 2. Ansatz: Diese Zutaten zusammen mit den Kaninchenteilen, dem Kräuterstrauß und Schwarzen Pfeffer in eine große, flache Porzellanschüssel geben. Das Ganze mit Weißwein, Madeira und dem Essig begießen und mit Klarsichtfolie abdecken und 12 Stunden im Kühlschrank marinieren lassen. Das Fleisch und Gemüse aus der Marinade entnehmen und gut abtropfen lassen. Den Backofen auf 160° C vorheizen. In einer feuerfesten Kasserolle 100 g Butter erhitzen und die Kaninchenteile darin gleichmäßig anbraten. Schalotten und Speckstreifen hinzugeben und leicht bräunen anschließend das restliche Gemüse hinzufügen, den Topf verschließen und im Ofen ca. 50 Minuten schmoren lassen. Dabei das Ganze regelmäßig mit Marinadeflüssigkeit begießen. 3. Sauce und Fertigstellen Die Kaninchenteile und das Gemüse herausnehmen und warm stellen. Den Kräuterstrauß entfernen und den Bratensatz langsam einkochen lassen. Anschließend durch ein feines Haarsieb passieren und wieder in den Topf zurückgeben. Kaninchen von den Knochen lösen und in gleichmäßige Scheiben schneiden. Zusammen mit dem geschmorten Gemüse und den Speckstreifen in einen flachen Topf geben. Mit der restlichen Butter die Sauce binden. 5. „Schokoladenlasagne mit Cappuccinosauce und Kaffeblüten-Essig“ Zutaten: 250 g gekochte und geschälte Maronen 100 ml Creme Double 400 g Zartbitterkuvertüre 4 EL Moccapulver Hotelfachschule Heidelberg 600 ml flüssige Sahne 20 ml Kaffeeblüten-Essig 200 g weiße Kuvertüre 4 cl Moccalikör Hausarbeit Technologie 2006/07 Metin Calis: Essigherstellung im Doktorenhof Seite 14 Zubereitung: 1. Maronenpüree: Geschälte Maronen, 50 g Zucker und Kaffeblüten-Essig in einem Mixer fein pürieren, 50 cl Sahne und die Creme Double hinzugeben und das Ganze solange pürieren, bis eine cremige Konsistenz erreicht ist. Danach kalt stellen. 2. Schokoladenlasagne: Die Zartbitterkuvertüre in einem Schlagkessel oder in einer Chromaganschüssel im Wasserbad langsam schmelzen lassen. Der Schmelzpunkt liegt bei etwa 33° C. Es darf keine Flüssigkeit in die Kuvertüre gelangen, da sie sonst klumpt. Dann dünn auf ein Blech mit Backpapier streichen, auskühlen lassen und mit einem runden Ausstecher ausstechen. 3. Cappuccinosauce: Die restliche Sahne und den restlichen Zucker, Moccapulver und den Moccalikör in einem kleinen Topf zum Kochen bringen und auf schwacher Hitze etwa 10 Minuten köcheln lassen. 4. Fertigstellen: Die erkaltete Sauce auf Teller anrichten und abwechselnd Schokoladenblätter sowie Maronenmousse aufschichten. Mit frischen Himbeeren und Minze garnieren. Mit Puderzucker bestäuben. 6.3 Bedeutung in der Ernährung Essig regt in hohem Maße den Stoffwechsel an, unterstützt den Fettabbau, wirkt entschlackend und entwässert. Zudem fördert Essig die Verdauung, dient als Appetitzügler und verringert die Lust auf Süßigkeiten. Essige vom Doktorenhof bieten neben den wichtigen Aminosäuren, Mineralstoffen und Vitaminen auch ein faszinierendes Erlebnis in Geschmack und Aroma. Essig verfeinert unterschiedlichste Variationen von Gerichten, wie z. B. ein hauchdünn geschnittenes Carpaccio, eine klassische Tafelspitzsülze, die Sauce zum Wildbraten oder ein leckeres Speiseeis. Essig – ein Anlass zum Wohlfühlen und Genießen. Hotelfachschule Heidelberg Hausarbeit Technologie 2006/07 Metin Calis: Essigherstellung im Doktorenhof Seite 15 7 Praxis 7.1 Allgemein Aus ernährungsphysiologischer Sicht betrachtet ist Essig ein wunderbares Produkt für den vielfältigen Einsatz im Haushalt. Mit Leichtigkeit lassen sich köstliche Verführungen erstellen. Grundsätzlich bedarf es etwas Phantasie, Liebe zum Produkt und der Leidenschaft zum Kochen um aus einfachen Lebensmitteln ein Highlight zu kreieren. Im Folgenden stelle ich anhand eines eigenen Rezeptes den einfachen Einsatz von Essig in der häuslichen Küche dar: „Kraut-und-Rüben-Salat und Weinessig mit wilden Heidelbeeren“ Zutaten für 4 Personen: Kräuteröl: 300 g Linda Kartoffeln 250 g Rote Beete 4 mittlere Chicoree 1 Schale Gartenkresse 1 TL Kümmel ganz Fleur de Sel, Pfeffer aus der Mühle stichfester Joghurt 100 g gezupfte Blattpetersilie ½ Bund Thymian 70 ml Olivenöl 50 ml Distelöl Fleur de Sel, Prise Zucker frischer Limonensaft 1 Zweig Rosmarin Vinaigrette: 1 spanische Orange 1 Knoblauchzehe 150 ml Distelöl Salz, Zucker 3 Schalotten 100 ml Weißweinessig 50 ml Traubenkernöl Zubereitung: 1. Kraut und Rüben: Kartoffeln waschen und mit kaltem Wasser halbbedeckt auffüllen Rosmarin und Salz hinzugeben, aufkochen und bei mittlerer Hitze mit Deckel im Wasserdampf garen. Das gleiche mit den Roten Beeten, hierbei Kümmel hinzugeben. Die Garzeit beträgt etwa 25 min. Nachdem beides gar ist das Wasser seihen, schälen und in dünne Scheiben schneiden. Die Teller mit Vinaigrette beträufeln und Kartoffeln und Rote Beete als Carpaccio anrichten und obenauf mit der Vinaigrette verfeinern. Anschließend den Chicoree in feine Ringe schneiden, mit etwas Limonensaft vermengen um der Oxidation vorzubeugen. Chicoree mit der Vinaigrette marinieren und in die Mitte als Häufchen anrichten. Auf das Gericht Gartenkresse, drei Nocken stichfesten Joghurt geben mit Kräuteröl und einigen Tropfen Weinessig fertig stellen und mit Fleur de Sel und Pfeffer aus der Mühle würzen. Hotelfachschule Heidelberg Hausarbeit Technologie 2006/07 Metin Calis: Essigherstellung im Doktorenhof Seite 16 2. Vinaigrette: Schalotten fein würfeln und in etwas Distelöl in einer Souteuse glasig anschwitzen. Knoblauchzehe leicht anknacken und dazugeben. Die Orange waschen, halbieren und entsaften. Dem Ansatz eine Prise Zucker hinzugeben und mit Weißweinessig und Orangensaft ablöschen. Das Ganze etwa um die Hälfte reduzieren und anschließend auskühlen lassen. Die Knoblauchzehe entfernen. Dann das restliche Distelöl und Traubenkernöl hinzugeben, mit Salz und Zucker würzen und die Vinaigrette fertigstellen. 3. Kräuteröl: Petersilie und Thymian waschen und zupfen. Beides mit einem Krepppapier trocken tupfen. Petersilie, Thymian, Öl, Fleur de Sel, wenig Zucker und etwas Limonensaft (kräftigt die grüne Farbe) in einen Zerkleinerer geben, fein pürieren und fertig würzen. 7.2 Gastronomie In der Praxis eines gastronomischen Unternehmens ist Essig ein wichtiger Bestandteil in der Zubereitung von Speisen. Meistens verwendet man Rotwein- oder Weißweinessig, ansonsten werden alle Sorten von Essig verarbeitet entscheidend hierbei ist die hohe Qualität der verwendeten Rohstoffe. Anhand eines Beispiels wird der praxisnahe Einsatz von Essig im Folgenden dargestellt: Ausgangssituation: Das Hotel & Landgasthof „Pfälzer Stuben“ in Venningen verfügt über 23 Zimmer davon 5 Suiten, 10 Doppel- und 8 Einzelzimmer und einen exklusiven Spa Bereich. Das Restaurant ist unterteilt in drei Stuben. Die 3 Stuben des Restaurants sind mit insgesamt 80 Sitzplätzen ausgestattet. Die Stube „König Ludwig II.“ wird gezielt für Tagungen und Bankettveranstaltungen genutzt. Eine neu angebaute wunderschöne Terrasse, welche durch die Linden im Innenhof Schatten erhält, bietet zusätzlich Platz für 40 Gäste. Ein herrlicher Rad- und Wanderweg führt am Hotel vorbei. Außerhalb der Saison wird ein Cateringservice angeboten, insbesondere für Veranstaltungen bis zu 100 Personen. Zudem steht ein Kochstudio für Kochkurse und Events zur Verfügung. Das Unternehmen beschäftigt 15 Mitarbeiter, davon 3 Auszubildende, und während der Saison zusätzlich 6 Teilzeitmitarbeiter. Die Gemeinde Venningen liegt im Kreis Südliche Weinstraße zwischen dem Pfälzer Wald und dem Rhein und ist etwa 3 km von der Ortschaft Edenkoben, ca. 65 km von der Weltstadt Heidelberg und etwa 40 km von der Universitätsstadt Mannheim entfernt. Das mittelständische Unternehmen entscheidet am Markt orientiert und will hierzu das Angebot von Essig erweitern. Essig in Getränken: Essig hat gesundheitsfördernde und durstlöschende Funktion. Es wirkt appetitanregend und fördert die Verdauung. Einen maßgeblichen Effekt erzielt man durch den Einsatz qualitativ hochwertiger Essigprodukte, geringe Mengen sind ausreichend für ein volles Aroma in eigens für den Essiggenuss gefertigten Gläsern. Bei der Einführung werden die Gäste eingehend beraten werden. Hotelfachschule Heidelberg Hausarbeit Technologie 2006/07 Metin Calis: Essigherstellung im Doktorenhof Seite 17 Anhand von Gästebefragungen wird ein neues Kredo entworfen unter dem Motto „AperoPro“. Dies ermöglicht sowohl dem Hausgast als auch dem Restaurant-Gast in der Wartephase einen hausgemachten Aperitif von Essigen aus bester Qualität zu genießen. Hierzu werden einige Essige aus dem Sortiment des Doktorenhofs ausgewählt: ¾ Blauer Portugieser mit Kastanienhonig-Essig ¾ Medici mit Ginseng ¾ Feigenessig Den Möglichkeiten, das Sortiment zu erweitern, sind keine Grenzen gesetzt, z. B. durch japanischen Reisessig, Cocktails mit Essig, Gemüseessig oder Sherryessig. Alternativ dazu eignen sich auch Heißgetränke wie Kaffee oder Tee zum Verfeinern mit Essig, beispielsweise ein chinesischer Grüntee „Gunpowder“ mit Vanilla-Essig oder ein Mokka mit Cinnamon-Essig. Diese sind eher am Mittag zu bevorzugen. Essig in Speisen: Essig ist mit die wichtigste Zutat für Senf, Ketchup, sauer eingelegtes Gemüse oder Chutneys. Besonders gut eignet er sich für Salate, Marinaden, Hülsenfrüchte und Saucen. Ein guter Essig verleiht dem Gericht eine besondere Note und unterstützt den Eigengeschmack. Man verwendet Essig insbesondere zum Marinieren von Fleisch, Fisch, Geflügel, Gemüse, Früchte und Salate. Der Küchenchef möchte seine Speisen aufwerten und will den Einsatz von wohlschmeckenden Essigen verstärken um neue Kreationen zu erstellen und geschmackliche Nuancen zu verfeinern: So kann er die Vinaigrette aufwerten, indem er gekochten Essig verwendet. Hierbei wird der Essig reduziert und verstärkt sich in seinem Aroma. Mit etwas Zucker wird dabei die intensive Säure gemildert und der Geschmack verbessert. Diese Methode bildet zudem die Grundlage für die verschiedensten Einsatzmöglichkeiten des Essigs in einer guten Küche. Somit werden auch braune und helle Saucen mit Essig abgeschmeckt sowohl im Ansatz als auch in der Vollendung um den Eigengeschmack zu intensivieren und feine geschmackliche Akzente zu setzen. Für die Wildsauce wird bevorzugt schwarzer Johannisbeeressig verwendet, für klassische Risotto Gerichte mit Fisch wird Weißweinessig und zu Gänsestopfleber Feigenessig verwendet. Weiterhin bildet Essig in seiner Form als Geschmacksindikator das Würzmittel auch für Suppen, hausgemachte Marmeladen, Fonds und vieles mehr. Diese hausgemachten Produkte werden als Präsent in der Boutique an die Gäste verkauft. Essig erhält die Farbe von geschälten Lebensmitteln, er hemmt die Bildung von Gärbräune. Geschälte Produkte wie Äpfel, Birnen, Chicoree, Topinambur und Sellerie werden so vor nicht erwünschtem Nachgeschmack geschützt. Beim Pochieren verwendet, bleibt die Form besser erhalten, z.B. bei einem pochierten Ei. Bei süßen Backwaren wirkt Essig lockernd und wird zu einer willkommenen Gaumenfreude für den Gourmet. Kandierte Essigfrüchte und erlesene Essigpralinen in Form eines Willkommenspräsents sind eine Oase für Feinschmecker. Zudem werden Essig Aromen in Flakons auf den Gästezimmern bereitgestellt um das in das Zimmer bestellte Essen selbst zu verfeinern. Essig in der Reinigung: Die meisten modernen chemischen Reinigungsmittel sind nicht umweltfreundlich und nicht biologisch abbaubar. Hotelfachschule Heidelberg Hausarbeit Technologie 2006/07 Metin Calis: Essigherstellung im Doktorenhof Seite 18 Aus diesem Grund kann das Management die vorhandenen Reinigungsmittel durch den Einsatz von Essig verbessern, wodurch auch Kostenersparnisse entstehen. Im Verhältnis 1:4 wird Essigsäure mit Wasser verdünnt und zum Reinigen von Fenstern, Bad und WC verwendet. Essig löst Fette, klebrige Substanzen und Kalkrückstände, erfrischt die Luft, tötet dabei Bakterien ab und hemmt ihre Verbreitung. Arbeitsflächen in der Küche werden zusätzlich mit Flüssigseife und EssigWasser-Mischung gereinigt. Im Housekeeping werden leichte Verunreinigungen auf Teppichböden mit einer Essig-Salz-Paste (2 Esslöffel Salz auf 50 ml Essig) problemlos behoben. Nach der Reinigung wird das trockene Salz einfach wegsaugt. Besteck lässt sich wunderbar polieren und man spart Zeit und Personal, indem man in das Polierwasser 100 ml Essig und ein Stück Aluminiumfolie gibt. Um starke Küchengerüche zu beheben, kocht man Essig auf. Durch Zugabe von Zimt erhält man einen besonderen Luftreinigungseffekt. Essig in der Körperpflege: Im Spa Bereich hat das Kreativ-Team den Einsatz von Essig verstärkt unter dem Aspekt „Essig – Elixier des Lebens“. Ziel dieser Kampagne ist es, die Gäste an das Naturprodukt Essig näher heranzuführen, um somit auch Neukunden zu generieren. Das Angebot wird erweitert durch vielfältige Varianten in der Anwendung von Essig, wie z.B. in Bädern, als Schlammpackungen, bei Massagen, Gesichtsmasken, in Fußbädern, als Wickel oder auch zur Inhalation. Ein Bad wirkt vitalisierend, belebt den Kreislauf und lässt gestresste durch Umwelteinflüsse angegriffene Haut wieder entspannen. Essig wirkt zudem neutralisierend und glättet gleichzeitig die Haut. Der Gast fühlt sich wohl und kann sich im Anschluss im Ruheraum bei entspannter Atmosphäre sich der Wirkung des Essigs nachhaltig hingeben. Bei der Inhalation bewirkt die Luft mit den Aromen und Aminosäuren eine fördernde Reizwirkung auf die Atemwege. Die Durchblutung der Atemwege wird erhöht. Es werden Keime und Bakterien abgetötet. Essig gelangt somit in kurzer Zeit in den Blutkreislauf und wirkt auf den gesamten Organismus einhellig belebend. In einer Gesichtsmaske wirkt Essig reinigend und desinfizierend, sorgt für porentiefe Reinheit und glättet die Hautoberfläche Die Haut ist nicht mehr angespannt und straff, wird weich und regeneriert sich durch die heilende Kraft des Essigs. Das natürliche Gleichgewicht wird wieder hergestellt. 8 Resümee Die Anwendung von Essig in der Küche, im Haushalt und Wellness hat keine Grenzen. Essig ist schon seit Jahrtausenden ein Trend in der Ernährung als auch in der Körperpflege. Daher ist Essig ein unschätzbar wichtiges Gut in unserem Leben. Kochen ist eine Ausdrucksform von Gedanken, Gefühlen und Traditionen: Kultur, Kunst und Musik vereint in sinnlich harmonischer Komposition aus Leidenschaft und Liebe für gutes Essen und Trinken. So sorgsam und behutsam wie der Umgang mit der Natur sein sollte, sollte auch die Herstellung und Anwendung von Essig erfolgen. Exquisite Essige und Öle sind essentielle Bestandteile einer guten Küche. Die regelmäßige Verwendung von gutem Essig wirkt sich nachhaltig positiv auf den Körper, die Seele und die Umwelt aus. Hotelfachschule Heidelberg Hausarbeit Technologie 2006/07 Metin Calis: Essigherstellung im Doktorenhof Seite 19 9 Literaturverzeichnis Bunzel, Susanne: Essig, Droemer Verlag, München 1999 Carey, Nora: Gartenfrische Vorräte durchs ganze Jahr – Einmachen von Obst und Gemüse – mit Phantasie und Freude, Köln 1992 Lambert Ortiz, Elisabeth: Gewürze, Kräuter & Essenzen – das Handbuch für die Küche, München 1993 Thacker, Emily: Das große Buch vom Essig – Hausrezepte aus Großmutters Zeiten, Versoix 1995 Wiedemann, Georg Heinrich: Essig. Sinnlichkeit & Leidenschaft, Frankfurt/Main 2002 Internet-Verweise: Lebensmittellexikon: Mehr Wissen rund um Lebensmittel, Ernährung und Kochen: http://www.lebensmittellexikon.de Mannheimer Kochschule: http://www.mannheimerkochschule.de Naturkostportal: http://www.naturkost.de Schweizer Weinportal: http://www.ernestopauli.ch/wein/Weinessig.htm Weinessiggut Doktorenhof GmbH: http://www.doktorenhof.de/de/pub/ Weingut Robert Bauer: http://www.robertbauerflein.de Wiener Essig Brauerei: http://www.gegenbauer.at/de/html-de/ueberessig.shtml Wikipedia. Die freie Enzyklopädie: http://de.wikipedia.org Hotelfachschule Heidelberg Hausarbeit Technologie 2006/07 Metin Calis: Essigherstellung im Doktorenhof Seite 20 Erklärung Ich versichere, dass ich diese Hausarbeit selbstständig verfasst, keine anderen als die zitierten Quellen und Hilfsmittel verwendet und alle wörtlich oder sinngemäß übernommenen Stellen in der Arbeit den wissenschaftlichen Gepflogenheiten gemäß gekennzeichnet habe. Mir ist bekannt, dass die Betriebswirtarbeit oder Teile von ihr im Rahmen des Bildungsauftrages der Hotelfachschule der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Heidelberg, 05. März 2007 Unterschrift Metin Calis * 02.08.1971 in Heidelberg Am Gutleuthofhang 48 69118 Heidelberg Hotelfachschule Heidelberg Hausarbeit Technologie 2006/07