Selbstvertrauen statt Selbstzweifel
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Selbstvertrauen statt Selbstzweifel
ArbeitsLeben l Selbstvertrauen statt Selbstzweifel Wie Sie sich nicht selbst überfordern Selbstvertrauen statt Selbstzweifel Skepsis der eigenen Leistungs fähigkeit gegenüber ist enorm desta bilisierend. Mit dem diffusen Zweifel im Nacken „Schaffe ich das noch?“ oder „Ist meine Leistung gut genug?“ wird der Arbeitsalltag schnell zur Tortur. Im Interview mit Professor Dr. Erich Kirchler fragte Hartmut Volk nach den Gründen für die oft überfallartig auftretenden Selbstzweifel. dl: Und damit machen sie sich selbst verrückt? Erich Kirchler: Plastisch ausgedrückt: ja! Auf jeden Fall aber bewegen sie sich mit dieser Forderung an sich selbst stets auf der Grenzlinie zur Gefahr, erhebliche Zweifel daran zu entwickeln, ob die erbrachten Leistungen auch tatsächlich ihrem selbst gesetzten Anspruch genügen. Auf die Spitze getrieben wird diese fehlfokussierte Leistungseinstellung noch durch die Meinung, Anerkennung und Zuneigung anderer nur über besonders hohe Leistungen erreichen zu können. Und aus dieser gedanklichen Konstellation heraus rutscht ein Mensch recht schnell über die Grenzlinie zur Angst, den vermuteten Erwartungen nicht zu entsprechen und dadurch nicht nur Kritik, sondern, schlimmer noch, Ablehnung zu ernten. Je höher die Ansprüche und je niedriger die persönliche Toleranz ist, vermeintlich unperfekt zu sein, desto höher ist die Anstrengung. Und mit ihr zwangsläufig die innere Anspannung und die Furcht vor dem vermeintlichen Versagen. Selbst bei enormem Einsatz und nachweislich beachtlicher Leistung. r u k t r h e g i M r y r e u © Cop e N g a l r Ve e Professor Erich Kirchler ist Vizedekan der Fakultät für Psychologie und stell vertretender Vorstand des Instituts für angewandte Psychologie der Universität Wien 150 dl: Herr Professor Kirchler, ein erstaunliches Phänomen: Quasi über Nacht werden an sich Leistungsfähige von Zweifeln an ihrer Leistungsfähigkeit überfallen. Was ist da passiert? Erich Kirchler: Was da passiert ist, lässt sich wohl am besten mit dem Wort „Selbstüberforderung“ beschreiben. Wie ist das zu verstehen? Menschen haben Erwartungen und Vermutungen. Erwartungen bezüglich ihrer eigenen Leistung. Und Vermutungen bezüglich der Erwartungen, die andere an sie haben. Erfahrungstatsache ist nun: Besonders hoch leistungsfähige Menschen mit einer Tendenz zum Perfektionismus zeichnen sich durch besonders hohe Ansprüche an ihre Leistungen aus. Gerade Perfektionisten streben Vollkommenheit an und damit Leistungen, die nicht mehr verbessert werden können, also „Totalleistungen“. das dental labor · LXIII · 4/2015 · www.dlonline.de dl: Und desto unwahrscheinlicher wird das Erleben von Erfolgserlebnissen? l ArbeitsLeben Erich Kirchler: So ist es, und das ist der destabilisierende Knackpunkt der Sache. Anstatt sich über eine erbrachte Leistung zu freuen und Genugtuung über die persönliche Leistungsfähigkeit zu empfinden und dadurch ein solides Leistungsbewusstsein zu bekommen, tickt das unbehagliche Gefühl im Kopf, nicht gut genug gewesen zu sein. Diese Überdosierung von persönlichen schwindeln, sind Menschen, die unter dem Hochstaplersyndrom leiden, das genaue Gegenteil von Schwindlern. Sie stellen tatsächlich etwas dar, sind hoch qualifiziert, täuschen also mitnichten irgendetwas vor. Aber aufgrund ihrer fatalen Leistungserwartung an sich selbst, aus ihrem irrigen Empfinden, etwas vorzugeben, was sie nicht sind beziehungsweise einhalten können, fürchten sie, als Hochstapler entlarvt zu werDer Erfolg darf getrost den. Und so fühdem eigenen Einsatz und Können len sie sich der ihnen zuteilwerzugeschrieben werden und nicht denden Anerkendem Glück oder dem Zufall nung nicht würdig, sorgen sich darum, als hochLeistungserwartungen ist au- stapelnde Nicht-Experten entßerordentlich störend und tarnt zu werden. Und das, obschädigend. Die daraus ent- wohl sie definitiv Könner sind. springenden Selbstzweifel und die Angst vor dem – vermeintli- dl: Und dank dieses irrsinnigen chen! – Versagen können bis Mechanismus genügen diese zur Lähmung belastend sein. Je Menschen nie sich selbst? mehr der Zeitpunkt der Leis- Erich Kirchler: Und eigentlich tungserbringung näher rückt, schlimmer noch als das. Aus desto quälender werden die dieser Angst heraus ist diese Zweifel und die Angst, nicht zu Sorte Mensch unablässig auf genügen, nicht genügen zu Höchstleitungen aus, setzt sie können. Und wie gesagt, ganz sich bis zur Erschöpfung ein, um besonders davon betroffen und das ihnen zuteil gewordene Lob gebeutelt sind hoch leistungs- in ihren Augen auch wirklich zu fähige Perfektionisten, die verdienen und kommt so trotz Leistung mit Anerkennung und bester Aufgabenerfüllung mit sozialer Akzeptanz gekoppelt Lob und Anerkennung nicht zu sehen. Interessant in diesem einer beruhigenden persönliZusammenhang ist das soge- chen Leistungsüberzeugung. nannte Hochstaplersyndrom. Personen, die unter diesem Hochstaplersyndrom leiden, dl: Pardon – was? sind in der Regel hoch gebildet, Erich Kirchler: Ein in diesem erfolgreich und finden sich in Kontext irritierender Begriff, allen Berufsgruppen. Sie sind keine Frage! Warum geht es? sympathisch, eher zurückhal1978 wurde von den amerikani- tend und lieber in der zweiten schen Psychologinnen Pauline als in der ersten Reihe. Sie Rose Clance & Suzanne Imes scheuen vor schwierigen Aufgaein Phänomen beschrieben, ben nicht zurück und legen sich das sie impostor phenomenon ins Zeug, um gute Ergebnisse zu oder Hochstaplersyndrom erzielen. Dieses Phänomen tritt nannten. Während es sich nun oft bei der Übernahme neuer bei echten Hochstaplern um Aufgaben auf. Sehr viele MenMenschen handelt, die sich mit schen leiden vorübergehend falschen Angaben etwas er- unter dem Hochstaplersyn- » « www.dlonline.de · das dental labor · LXIII · 4/2015 151 ArbeitsLeben » l Selbstvertrauen statt Selbstzweifel drom, aber es schwächt sich im Verlauf der Gewöhnung an die neue Aufgabe auch wieder ab. Erfolgreiche Frauen leiden öfter darunter als Männer. Es kommt vor, dass gerade diese hoch leistungsfähigen Frauen ihre Karriere Je höher die Ansprüche und je niedriger die persönliche Toleranz ist, vermeintlich unperfekt zu sein, desto höher ist die Anstrengung « aufgeben, um der enormen emotionalen Spannung zu entkommen. dl: Wovon hängt denn nun die Überzeugung von der eigenen Selbstwirksamkeit ab? Erich Kirchler: Eine maßgebliche Rolle spielen dabei gemachte Erfahrungen, insbesondere in der Kindheit, aber auch im späteren Erwachsenenalter. Wesentliche diesbezügliche Weichen werden aber schon sehr früh gestellt. Und hier sind es vor allem Lob und Tadel nach erbrachten Leistungen und ganz besonders auch die Reaktionen auf gemachte Fehler, die einen ganz erheblichen Einfluss auf sowohl die Selbstwirksamkeitserwartung als auch die Selbstwirksamkeitsüberzeugung haben. Wer immer nur zu hören bekam oder bekommt, um wie viel besser andere waren und sind, um wie viel fehlerloser andere ihre Aufgaben erledigen und dass es wohl an der Zeit wäre, Lesestoff zum Thema n Harlich H. Stavemann: … und ständig tickt die Selbstwertbombe – Hilfe bei Selbstwertproblemen. Beltz Verlag, Weinheim 2014, 174 Seiten, 19,95 Euro n Jürg Frick: Die Kraft der Ermutigung – Grundlagen und Beispiele zur Hilfe und Selbsthilfe. Verlag Hans Huber, Bern, 2. überarbeitete und ergänzte Auflage 2011, 377 Seiten, 24,95 Euro n Sylvia Wetzel: Achtsamkeit und Mitgefühl – Mut zur Muße statt Hektik und Burnout. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2014, 209 Seiten, 24,95 Euro n Dietmar Hansch: BURNOUT – Mit Achtsamkeit und Flow aus der Stressfalle. Knaur Verlag, München 2014, 206 Seiten, 12,99 Euro 152 das dental labor · LXIII · 4/2015 · www.dlonline.de sich im Blick auf „die anderen“ noch mehr Mühe zu geben, ist ganz erheblich der Gefahr ausgesetzt, bezüglich einer realistischen Einschätzung der eigenen Leistung und einem realistischen Umgang mit Leistung fehlprogrammiert zu werden. Sprich nie etwas für angemessen, ausreichend und gelungen zu halten. Wenn ständige Unzufriedenheit mit sich selber beziehungsweise der eigenen Leistung auch eine Mentalitätssache sein kann, so zeigt doch die Erfahrung, in ihrer extremeren Form ist sie erlernt und auf diesem Wege immer mehr verfestigt worden. dl: Wie verhalten sich Menschen mit einer soliden Selbstwirksamkeitsüberzeugung im beruflichen Alltag? Erich Kirchler: Sie glauben an sich und an ihre Leistungsfähigkeit. Sie führen ihren Erfolg nicht auf das Glück oder den Zufall zurück, sondern auf ihren Einsatz. Sie sind überzeugt, das Geschehen lenken zu können und die Kontrolle darüber zu haben. Sie arbeiten auf ein Ergebnis hin, ohne das Erreichte immer wieder in Frage zu stellen und in Zweifel zu ziehen. Sie wissen, mit einer erbrachten Leistung stellen sich auch neue Erkenntnisse ein, lassen sich davon aber nicht verunsichern und zu permanent neuen Bearbeitungsschleifen an einer Aufgabe verführen. Sie finden ein Ende und investieren das neue Wissen in neue Aufgaben. Kurz und gut, sie sind überzeugt, aufgrund des eigenen Könnens etwas bewirken zu können, gewünschte oder geforderte Arbeiten oder Handlungen erfolgreich ausführen und die damit verbundenen Ziele erreichen zu können. Auch wenn die Aufgabe schwierig ist. Sie sind motiviert, haben eine hohe Ausdauer bei der Aufgabenbewältigung und sind weniger ängstlich oder depressiv verstimmt und damit erfolgreicher im Job. Ein starker Glaube an die eigenen Fähigkeiten führt zu hohen Ansprüchen und zur Wahl anspruchsvoller Aufgaben, die erfolgreich bewältigt wieder zu intensiverer Selbstwirksamkeitsüberzeugung führen. dl: Im Blick auf die erläuterten Zusammenhänge, Ihr Rat an die Vorgesetzten? Selbstvertrauen statt Selbstzweifel Erich Kirchler: Vorgesetzte tragen die Leistungsverantwortung. Ein Aspekt hierbei ist, dass auch mit Blick auf die Leistung am Arbeitsplatz die Aufwand-/ Ertrags-Überlegung gilt. Der im beschriebenen Sinne nicht mehr angemessene Aufwand, der aufgrund einer fehlprogrammierten Leistungseinstellung in eine Aufgabe gesteckt wird, beeinträchtigt zwangsläufig die Erledigung anderer Aufgaben. Es kommt also zu einem Missverhältnis von Aufwand und möglichem Ertrag. Wer immer wieder unzufrieden mit der eigenen Leistung ist und noch mal und noch mal daran herumdoktert, arbeitet unwirtschaftlich. Vorgesetzte, die entsprechende Tendenzen registrieren, müssen dem entgegensteuern. Aus betriebswirtschaftlicher wie menschlicher Sicht. Und beides lässt sich koppeln. Beispielsweise durch die Vermittlung von Gefühlen, in die eigenen Fähigkeiten l ArbeitsLeben vertrauen zu können, durch Kompetenzund Wertschätzung; indem sie dabei helfen, möglichst konkrete Vorstellungen über das eigene Handeln und die Handlungsabläufe sowie deren Konsequenzen bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu entwickeln und indem sie sie dabei unterstützen, ein kognitives Abbildsystems zu entwickeln, bei welchem Ziele und Wege zum Ziel vorgestellt und als handlungsleitend dargestellt werden. Und indem sie die Herausforderungen beziehungsweise Aufgaben mittelschwer bis schwer, aber schaffbar gestalten und kommunikativ dafür sorgen, dass sie auch so empfunden werden. Und last but not least, indem sie immer wieder auf die so wichtigen selbstwertdienlichen Denkmuster hinweisen. Zum Beispiel: Der Erfolg darf getrost dem eigenen Einsatz und Können zugeschrieben werden und nicht dem Glück oder dem Zufall. n Bevor der Stress kommt … Wie Sie Ihren Atem in Balance halten E igentlich wissen wir es ja: Wenn es stressig wird, hilft es, einfach mal tief durchzuatmen. Das neue Buch „Atem in Balance“ geht noch einen Schritt weiter. Richtig atmen und entspannen, bevor der Stress da ist. Autorin Barbara Lutz erklärt, was beim Atmen im Körper vor sich geht, und wie wir lernen können, unseren Körper wieder bewusst wahrzunehmen. Wichtig ist dabei, das Durchatmen, die Basisatmung, zu üben, um dies bei Bedarf wirkungsvoll einzusetzen. 35 ausführlich beschriebene Übungen helfen dabei. Atemtipps für diverse Erkrankungen werden vorgestellt, und auch mit weit verbreiteten Irrtümern räumt die Autorin auf. Schließlich informiert das Buch über die Kulturgeschichte des Atmens. Also einfach mal „richtig“ durchatmen – aber gekonnt. 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