Der Schlüssel zum Markenvertrauen
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Der Schlüssel zum Markenvertrauen
MARKENFÜHRUNG HANDEL RECHT SERVICE 100 Markenerleben Markenartikel 12/2014 Der Schlüssel zum Markenvertrauen In turbulenten Zeiten wird Vertrauen zu einem immer wichtigeren Wert und sorgt für Sicherheit und Orientierung. Marken müssen das Vertrauen ihrer Kunden gewinnen und behalten. Wichtig: Versprechen Sie nichts, was nicht erlebt werden kann! Das Jahr 2014 ist geprägt von politischen Konflikten und Kriegen. Die Auseinandersetzungen in der Ukraine und im Nahen Osten sowie die Angst vor terroristischen Anschlägen im eigenen Land verunsichern die Menschen zunehmend und beeinflussen maßgeblich deren Konsumverhalten. Auch die Sanktionen gegen Russland und die Gegenmaßnahmen der dortigen Regierung bleiben nicht ohne Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft. Es kommt zu Konjunktureinbrüchen; das Bruttoinlandsprodukt sinkt in Deutschland erstmals seit gut einem Jahr. Infolgedessen werden die Wachstumsprognosen – trotz steigender Beschäftigung und Löhne – drastisch gemindert. Streiks zu Lohn- und Leistungsforderungen bei Deutsche Bahn und Lufthansa oder Proteste gegen den Umgang mit Mitarbeitern bei Zalando und Amazon sowie eine Vielzahl von Skandalen in der Lebensmittel- und auch Fashion-Industrie trüben überdies die Konsumlaune und lassen den Verbraucher sehr viel genauer hinschauen, welche Marken er wählt. In den seit der Weltwirtschaftskrise im Jahr 2008 anhaltend turbulenten Zeiten wird Vertrauen zu einem immer wichtigeren Wert. Vertrauen zwischen Men- schen, aber auch zwischen Mensch und Institutionen gibt dem Einzelnen Sicherheit und Orientierung in seinem Tun. Der Soziologe und Gesellschaftstheoretiker Niklas Luhmann definierte Vertrauen als einen Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität. Das bedeutet, dass Menschen Vertrauen benötigen, um überhaupt handlungsfähig zu sein. Nicht jede Situation kann kontrolliert werden. Der Mensch ist darauf angewiesen, seinem Gegenüber zu vertrauen. Vertrauen bildet damit die Grundlage für Beziehungen und ist essentiell für das Funktionieren einer Gesellschaft. So ist Vertrauen auch in Beziehungen zwischen Mensch und Marke von enormer Bedeutung. Um die Komplexität im Entscheidungsprozess zu reduzieren, geben Menschen Marken einen Vertrauensvorschuss. Wird dieser nicht bestätigt, sondern verspielt, wird die Marke infolge nicht mehr in die engere Wahl gezogen. Vertrauen löst Markenpräferenz aus und baut langfristig eine Bindung zwischen Mensch und Marke (Loyalität) auf. Damit stellt Vertrauen als Haupttreiber der langfristig stabilen Markenstärke einen der wichtigsten Faktoren für die Markenführung dar. Abbildung 2: Das Markenvertrauen-Ranking in 2 Abb. 1: Das Markenvertrauen-Ranking 2014 führt Nivea an 64 63 56 55 53 53 53 53 53 52 51 50 50 49 48 48 47 47 47 47 46 46 46 45 44 44 44 44 43 43 43 4 ∅ 35 markenartikel 12/2014 Markenerleben Abbildung 1: Der Einfluss der aktuellen politischen und wirtschaftlichen auf dasauf Vertrauen. Abb. 2: Der Einfluss derEreignisse aktuellen Ereignisse das Vertrauen 100 % Finanzkrise Eurokrise 90 80 70 Kritik an ZalandoArbeitsbedingungen Beschluss über Eurorettungsschirm Fukushima Solide deutsche Wirtschaft Axel Springer Zeitungsverkauf Ukrainekrise, Syrienund Nahostkrieg Erdbeben in Haiti EHEC-Epidemie Stabiler Arbeitsmarkt Streiks bei Amazon Ebola Bohrinsel-Explosion Deepwater Horizon Dioxin in Futtermitteln Kritik an FoxconnProduktion (Apple) Lufthansa-/ DB-Streiks ERGOSexskandal 60 NSA Überwachungs-/ Primark Hilferufe Spionageaffäre in Kleidung Lebensmittelrückrufaktionen, Pferdefleisch-Skandal 50 Quelle: Sasserath Munzinger Plus Fabrikunglücke Bangladesch Automobilhersteller Banken Brauereien Computerhersteller Fernsehsender Fluglinien Hersteller von Bekleidung Hersteller von Körperpflegeprodukten Internetunternehmen 30 Mineralölgesellschaften 20 Reiseveranstalter 10 Telekommunikationsanbieter Textilhändler Lebensmittelproduzenten Online-Spendenplattformen Tageszeitungen Versicherungen 2010 2011 2012 2013 2014 Warenhäuser Basis: 2008 n=1.000, 2009 n=1.000, 2010 n=1.002, 2011 n=1.000, 2012 n=1.000; 2013 n=1.000, 2014 n=500; Top-2-Boxes auf einer Skala von 1 bis 5 (1 = „vertraue ich sehr stark“, 5 = „vertraue ich überhaupt nicht“) und Antwortoption „weiß nicht“; Angaben in Prozent 2008 bis 2010 ist das Vertrauen in die Märkte stark geprägt von der Finanz- und Eurokrise, ab 2011 dominieren Fukushima, Bangladesch und Co. Marken sind heute gefordert, Menschen durch unsichere Zeiten zu führen. Sie müssen mehr denn je Orientierung und Entlastung bieten und sich mehr denn je gut verhalten, um die Vertrauensbasis und damit Bindung zum Konsumenten aufrechtzuerhalten. Politik + Wirtschaft beeinflussen Vertrauen Die Ergebnisse der Analyse zum Markenvertrauen, die wir seit 2008 jährlich repräsentativ für Deutschland durchführen, zeigen, welchen Einfluss die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Ereignisse, aber auch das Verhalten einzelner Marken oder gar ganzer Branchen auf das Vertrauensempfinden haben. So folgt das Vertrauen einem Muster entsprechend der Ereignisse in den Monaten vor der jeweiligen Erhebung: 2008 bis 2010 ist das Vertrauen in die Märkte stark geprägt von der Finanz- und Eurokrise. Die Werte für die evaluierten Branchen bewegen sich in diesen Jahren par- anking in 2014. allel zueinander auf und ab. Ab 2011 bestimmt eine Vielzahl von Ereignissen das Vertrauen, u.a. die Atomkatastrophe in Fukushima, Dioxin in Futtermitteln, der Ergo-Sexskandal, Fabrikunglücke in Bangladesch, Lebensmittelskandale und Rückrufaktionen, der Axel Springer-Zeitungsverkauf, Kritik an den Bedingungen in den Produktionsstätten des Apple-Zulieferers Foxconn oder die NSA-Spionageaffäre. Besonders stark laufen die Vertrauenswerte für die verschiedenen Branchen in diesem Jahr auseinander: Konflikte und Kriege, Ebola, aber auch viele unternehmensbezogene Negativmeldungen sind schuld daran. Während Bekleidungshersteller, Lebensmittelproduzenten, Internetunternehmen, Fast Food-Ketten und Elektrofachmärkte im Vergleich zum Vorjahr an Vertrauen verlieren, können Telekommunikationsanbieter, Energieversorger, Reiseveranstalter, Warenhäuser und Online-Spendenplattformen sukzessive zulegen. Quelle: Sasserath Munzinger Plus Die zehn wichtigsten Vertrauenstreiber 44 44 44 43 43 43 41 41 39 39 39 39 38 37 37 37 SERVICE Fast Food Ketten Lebensmittelhändler 2009 RECHT Energieversorger Lebensmitteldiscounter 2008 HANDEL Elektrofachmarkt 40 0 MARKENFÜHRUNG 1. Qualität der Produkte oder Dienstleistungen 2. Kulanz bei Problemfällen 3. Verlässlichkeit des Unternehmens 4. Kompetenz der Mitarbeiter 5. Freundlichkeit der Mitarbeiter 6. Garantien auf Produkte und Angebote 7. Offenheit des Unternehmens bei Problemfällen 8. Nachvollziehbare Preisgestaltung 9. Umgang mit Mitarbeitern 10. Das Gefühl zu haben, dass sich das Unternehmen um einen bemüht 101 MARKENFÜHRUNG HANDEL RECHT Markenerleben Markenartikel 12/2014 Abbildung 4: Umso besser die Qualität des Markenerlebens, desto stärker Vertrauen in die Marke! Abb. 3: Umso besserist die das Qualität des Markenerlebens, desto stärker das Vertrauen Automobilhersteller Brauereien Carsharing Finanzbranche Elektro (Herst./Markt) Fluggesellschaften Energieunternehmen 70 Internetunternehmen Fast Food Ketten Kosmetik Lebensmittelhändler Lebensmittelproduzenten Logistikunternehmen Pharmaunternehmen Telekommunikationsanbieter Textilhändler Zeitungen Sonstige Markenvertrauen SERVICE 60 Korr. 0.88 ∅ 35.3 40 30 20 10 -25 -15 -5 0 Markenerleben-Qualität 5 15 25 ∅ 28,4 35 45 55 65 75 Angaben in Prozent Basis Markenvertrauen: Befragte, die die Marke kennen; Top-2-Boxes auf einer Skala von 1 bis 5 (1 = „vertraue ich sehr stark“, 5 = „vertraue ich überhaupt nicht“); Markenerleben-Qualität: Personen, die die jeweilige Marke erlebt haben; Differenz der Top-2- und Bottom-2-Boxes einer Skala von 1 bis 5 (1 = „sehr positiv“, 5 = „sehr negativ“); Quelle: Sasserath Munzinger Plus 102 50 Starke Marken wie Nivea, dm, Aldi oder Audi werden als vertrauenswürdig wahrgenommen, weil sie über die Vielzahl der Kontaktpunkte ein interessantes, nützliches, einzigartiges und widerspruchsfreies Erleben generieren Treiber des Markenvertrauens Ob Konsumenten einem Unternehmen und dessen Marken Vertrauen schenken oder nicht, liegt in erster Linie an der wahrgenommenen Qualität der Produkte und Dienstleistungen. Aber auch die Kulanz und Offenheit des Unternehmens bei Problemfällen sowie dessen Verlässlichkeit spielen eine entscheidende Rolle. Auch die Kompetenz und Freundlichkeit der Mitarbeiter sind entscheidend. Immer wichtiger wird es zudem, wie sich Unternehmen nicht nur dem Konsumenten, sondern auch den Mitarbeitern gegenüber verhalten. Profitbestrebungen dürfen nicht zu Lasten von Mensch und Umwelt gehen und werden durch die Transparenz des Internets umgehend geahndet. Entsprechend der Vertrauenstreiber fällt das Vertrauensranking der 2014 mittels einer Online-Befragung evaluierten 83 Marken aus: Nivea führt erneut das Ranking an. Bei Amazon setzt sich der im vergangenen Jahr begonnene Abwärtstrend durch den Umgang mit den Mitarbeitern und den zahlreichen Streiks fort. Und die Tageszeitung Bild bildet noch nach den Social Media-Marken Twitter und Facebook das Schlusslicht. Im Vergleich zu 2013 gibt es insgesamt schwache und nur wenige signifikante Veränderungen. So verliert Edeka – wenn auch weiterhin auf einem sehr guten Platz verbleibend – signifikant an Vertrauen. Wie lässt sich das nach der resonanzstarken Kampagne mit Friedrich Lichtenstein erklären? Liegt es begründet im geplanten und zur Feldzeit bekannt gewordenen Kaiser‘s-Aufkauf? Oder verliert die Marke den Fokus und vermittelt nicht mehr ein widerspruchsfreies Bild? Aber auch Ebay und Burger King müssen signifikante Verluste einstecken. Die Einbußen von Burger King können dabei in den im Mai 2014 aufgedeckten Defiziten bezüglich der Lebensmittelqualität und der Arbeitsbedingungen begründet liegen. RWE ist die einzige Marke in 2014, die signifikant an Vertrauen gewinnen kann. Hier erholt sich nach der Atomkatastrophe in Fukushima nicht nur das allgemeine Branchenvertrauen, sondern scheinen sich auch die Empfehlungen für ein besseres Markenerleben und den Aufbau von vertrauen 1. Erstellen der Customer Journey für die Marke. 2. Identifikation der relevanten Kontaktpunkte entlang der Customer Journey. 3. Evaluation der Erlebensqualität an jedem Kontaktpunkt sowie Aufdeckung der Pain-, aber auch der Wow-Points an jedem Kontaktpunkt. 4. Prüfung der Vernetzung der Unternehmensbereiche und Kontaktpunkte und der hier ggf. vorhandenen Schwachstellen. 5. Entwicklung von Strategien und Maßnahmen, die das Erleben an jedem Kontaktpunkt verbessern. 6. Identifikation von Services, die den Kunden nicht nur mit faktischen Leistungen bedienen, sondern diesen auch überraschen und begeistern. 7. Eruieren, wie die Optimierungen zu Manifestationen werden, die die Marke von anderen Marken differenziert. 8. Steuerung der Marke auf Basis einer übergreifenden Markenerleben-Strategie, die ein nützliches, interessantes, einzigartiges und widerspruchsfreies Erleben der Marke ermöglicht. markenartikel 12/2014 » Markenerleben MARKENFÜHRUNG HANDEL RECHT Vertrauen löst Markenpräferenz aus und baut langfristig eine Bindung zwischen Mensch und Marke auf. Uwe Munzinger, Sasserath Munzinger Plus Maßnahmen in Bezug auf Innovation, Produktangebot und Kommunikation auszuzahlen. Deutsche Bahn und Lufthansa können ihre Vertrauenswerte stabil halten. Hier lag die Erhebungszeit der Studie kurz vor den massiven aktuellen Streiks, so dass diese sich noch nicht auf da Gesamtbild auswirkten. Starke Marken können Krisen gut standhalten, wenn sie schnell und angemessen reagieren. Auch Apple kann sich als starke Marke die Patzer mit dem neuen großen iPhone-Modell erlauben. Dass sich dieses in der Tasche verbiegt, schadet dem Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Marke offenbar nicht. Die Bedeutung des Markenerlebens Wie kann Vertrauen langfristig aufgebaut und so stabilisiert werden, dass auch Krisen ohne Schaden überstanden werden? Der Aufbau ist ein langwieriger Prozess über eine Vielzahl von positiven Erfahrungen. Nur ein einziges negatives Ereignis kann schon ein mühsam aufgebautes Vertrauensverhältnis zunichtemachen. Dem Markenerleben kommt demnach eine wichtige Bedeutung zu. Marken begegnen Menschen ständig im Alltag – über die Produkte, die Werbung, das Internet, die redaktionellen Beiträgen oder über Unterhaltungen mit Freunden. Die Summe dieser Begegnungen – positiv oder negativ, digital oder analog, selbst erlebt oder aus zweiter Hand – prägt das Bild von Marken und beeinflusst maßgeblich die Präferenzen. Ein nützliches, interessantes, einzigartiges und über alle Kontakte widerspruchsfreies Markenerleben zahlt positiv auf Markenpräferenz und folglich Markenvertrauen ein. In verschiedenen Studien haben wir herausgefunden, Heike Kindel ist Director Research & Intelligence bei der Sasserath Munzinger Plus GmbH, einer Gesellschaft für Markenberatung und Markenentwicklung in Berlin. dass ein hoher korrelativer Zusammenhang zwischen dem Erleben einer Marke und dem Vertrauen in diese Marke besteht (Abb. 3). Entsprechend der Qualität des Erlebens fällt in der Regel auch das Vertrauen aus bzw. umso besser die Qualität des Markenerlebens, desto stärker ist das Vertrauen in die Marke. Starke Marken wie Nivea, dm, Aldi oder Audi werden als vertrauenswürdig wahrgenommen, weil sie über die Vielzahl der Kontaktpunkte ein interessantes, nützliches, einzigartiges und widerspruchsfreies Erleben generieren. Die Ergebnisse zum Markenerleben als auch Vertrauen sollten branchenspezifisch interpretiert werden. So gibt es Branchen, die bedingt durch ihr Leistungsangebot, im unteren Wertebereich abschneiden – beispielsweise Versicherungen. Jedoch können ein branchenübergreifender Blick und erfolgreiche Beispiele aus anderen Branchen helfen, das eigene Markenerleben zu verbessern. Während das Vertrauen einer der wichtigsten Indikatoren für die Stärke einer Marke darstellt, kann die Analyse des Markenerlebens an jedem einzelnen Kontaktpunkt aufdecken, wo konkret Handlungsbedarf für die Optimierung des Markenerlebens als auch für die Differenzierung vom Wettbewerb besteht. Ziel muss es sein, das Erleben der Marke an jedem Kontaktpunkt zu verstehen und zu verbessern. Das Vertrauen in Marken ist ein Vorschuss, der heute mehr denn je mit einem besonders positiven Erleben gepflegt und bestätigt werden muss. So können Unternehmen auch aus Krisensituationen mit einem stabilen Vertrauensverhältnis hervorgehen. Heike Kindel, Uwe Munzinger Uwe Munzinger ist Geschäftsführer der Sasserath Munzinger Plus GmbH. Zuvor war er in führenden Positionen bei Icon (heute Icon Added Value), BBDO und der GfK in Deutschland, Europa und den USA tätig. Er ist Autor der Bücher ‚Marken erleben im digitalen Zeitalter‘ und ‚Markenkommunikation – wie Marken Zielgruppen erreichen und begehren auslösen‘. SERVICE 103