Positionierung und zweiseitige Profilierung im Grosshandel – Ein
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Positionierung und zweiseitige Profilierung im Grosshandel – Ein
Positionierung und zweiseitige Profilierung im Grosshandel – Ein Konzept am Beispiel des Pharmagrosshandels DISSERTATION der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde einer Doktorin der Wirtschaftswissenschaften vorgelegt von Albena Ilieva Björck aus Bulgarien Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Thomas Rudolph und Prof. Dr. Christian Belz Dissertation Nr. 3196 Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen. St. Gallen, den 12. Juni 2006 Der Rektor Prof. Ernst Mohr, PhD Vorwort Die Idee zur vorliegenden Dissertation entstand während meines Austauschsemesters im Rahmen des Management-Ausbildungsprojektes Ost-West (MAPOW) und nahm ihre Gestalt während meines Praktikums am Gottlieb-Duttweiler-Lehrstuhl für Internationales Handelsmanagement an. Zunächst bedanke ich mich bei meinem Doktorvater Professor Dr. Thomas Rudolph für die fachliche und methodologische Unterstützung in jeder Phase der Dissertation. Sein hoher Qualitätsanspruch sowie der Kontakt zu den Kollegen des GottliebDuttweiler-Lehrstuhls haben mich zu neuen Ideen und zur ständigen Verbesserung der Arbeit inspiriert. Ein grosser Dank gebührt auch Professor Dr. Christian Belz für die Übernahme des Korreferates. Ich danke herzlichst allen meinen Interview-Partnern, die mir zahlreiche Informationen aus der Praxis geliefert haben. Einen besonderen Dank möchte ich der Firma Voigt AG in Romanshorn und speziell Herrn Fredy Gremlich, Leiter Verkauf, Frau Gabriele Kleine, Leiterin Verkaufsinnendienst, Herrn Hans Gisler, Leiter Beschaffung und Herrn Alfred Plammer, Projektleiter, für den wertvollen Einblick in ihren Geschäftsalltag und für die Bereitschaft aussprechen, die Fallstudie in der vorliegenden Form zu veröffentlichen. Die Arbeit ist während meiner Tätigkeit in der Abteilung Corporate Identity der Wegelin & Co. Privatbankiers entstanden. An dieser Stelle danke ich herzlich dem geschäftsführenden Teilhaber und meinem Vorgesetzten Herrn Dr. Magne Orgland für das entgegengebrachte Vertrauen und für die wertvollen organisatorischen Ratschläge, welche meine Arbeitsweise weiterentwickelt haben. Mit seiner Flexibilität hat er die notwendigen Rahmenbedingungen für das Gelingen meines Vorhabens geschaffen. Ein grosses Dankeschön gebührt allen meinen Freunden, welche auch in schwierigen Momenten für mich da waren und mir stets neue Energie gegeben haben. Ich denke an Markus Guhn, Sabine Hugi, Tania Simao, Ana Maag, Rossitza Tzevtkova, Elitza Braun, Robert Blaho, Sabine Bentz, Markus Schweizer, Tillmann Wagner. Besonderer Dank gebührt Randy Drenth, welcher mich in der kritischen Phase meiner Arbeit mit Rat und Tat unterstützt hat. Vor allem möchte ich mich bei meinem Ehemann Johan Björck bedanken. Seine Bereitschaft, mit mir über das Geschriebene stundenlang zu diskutieren, sein grosses Know-how und seine unerschöpfliche Kreativität haben diese Arbeit erst ermöglicht. Ich danke ihm für sein grosses Verständis und die vorbehaltlose Unterstützung schon von dem Moment an, indem ich mich für das Promovieren entschieden habe. Ganz besonders möchte ich schliesslich meinen Eltern danken, die mir immer zur Seite standen. Trotz der grossen räumlichen Distanz haben sie es immer geschafft, mir Rückhalt zu geben und Motivation zuzusprechen. St. Gallen, im September 2006 Albena Björck Meinen Eltern und Johan Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis.....................................................................VI Tabellenverzeichnis........................................................................... X 1 Einführung ................................................................................. 12 1.1 Problemstellung..................................................................................... 12 1.1.1 Das Hauptproblem der zweiseitigen Profilierung.......................... 12 1.1.2 Die Marketingstrategie als kritischer Erfolgsfaktor....................... 15 1.1.3 Anpassungsbedarf in der allgemeinen Marketingliteratur............. 16 1.1.4 Die Problemstellung auf einen Blick ............................................. 22 1.2 Zielsetzung ............................................................................................ 23 1.3 Theoretische Einordnung und begriffliche Abgrenzung....................... 24 1.4 Forschungsmethodik ............................................................................. 28 1.4.1 Der qualitative Forschungsansatz .................................................. 28 1.4.2 Der qualitative Forschungsprozess ................................................ 29 1.4.3 Das Untersuchungsdesign.............................................................. 32 1.5 1.4.3.1 Phase 1: Fallstudie Pharmamarkt Schweiz (2000–2005) ....... 32 1.4.3.2 Phase 2: Fallbeispiele ............................................................. 33 1.4.3.3 Phase 3: Fallstudie Vorgehenskonzept................................... 34 Vorgehen und Gliederung ..................................................................... 35 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren................................................................. 38 2.1 Theoretische Grundlagen ...................................................................... 39 2.1.1 Der Marketingkanal als Wertschöpfungskette............................... 39 2.1.2 Die Branchenanalyse − Begriff und Methodik .............................. 41 2.1.3 Treibende Kräfte der Veränderungsprozesse................................. 43 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz ..................................................................................................... 48 2.2.1 Das Medikament ............................................................................ 48 II 2.2.2 2.2.2.1 Abgrenzung des Pharmamarktes............................................ 49 2.2.2.2 Der Marketingkanal für rezeptpflichtige Medikamente......... 50 2.2.2.3 Der Marketingkanal für rezeptfreie Medikamente................. 54 2.2.3 Dynamik im Marketingkanal und Trends...................................... 56 2.2.3.1 Ausgaben der privaten Haushalte........................................... 56 2.2.3.2 Entwicklung des Medikamentenmarkts ................................. 57 2.2.3.3 Entwicklung des Markts für rezeptpflichtige Medikamente.. 58 2.2.3.4 Entwicklung des Generika-Marktes ....................................... 59 2.2.3.5 Entwicklung des Markts für rezeptfreie Medikamente.......... 60 2.2.3.6 Zusammenfassung der Trends im Marketingkanal ................ 60 2.2.4 Branchenanalyse des Pharmagrosshandels der Schweiz............... 61 2.2.4.1 Hohe Markteintrittsbarrieren.................................................. 62 2.2.4.2 Hohe Rivalität unter den Pharmagrosshändlern..................... 63 2.2.4.3 Substitutionsdienstleistungen / Komplementäre Dienstleistungen ..................................................................... 66 2.2.4.4 Dynamik in der Verhandlungsmacht der Abnehmer ............. 68 2.2.4.5 Verhandlungsmacht der Lieferanten ...................................... 70 2.2.4.6 Rolle des Staates..................................................................... 73 2.2.4.7 Wachsende Verhandlungsmacht der Endkonsumenten ......... 78 2.2.4.8 Zusammenfassung branchenspezifischer Trends................... 80 2.2.5 2.3 Der Marketingkanal für Medikamente .......................................... 49 Treibende Kräfte im Pharmagrosshandelsumfeld ......................... 81 Zusammenfassung des Kapitels ............................................................ 85 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels .........................88 3.1 Die Existenzberechtigung des Grosshandels im Spiegel der Literatur. 88 3.1.1 Einschaltung des Grosshandels ..................................................... 89 3.1.1.1 Baligh-Richartz-Effekt und der Transaktionskostenansatz.... 89 3.1.1.2 Theorie der Marketingkanäle ................................................. 93 3.1.2 Die Grosshandelsfunktionen.......................................................... 97 III 3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels.................................... 103 3.2.1 Zweiseitige oder zweistufige Wertschöpfungskette? .................. 103 3.2.2 Zweiseitige Wertschöpfungsbündel............................................. 104 3.2.2.1 Aufteilung der Marketingkanalaufgaben.............................. 105 3.2.2.2 Logistische Dienstleistungen................................................ 107 3.2.2.3 Marketingdienstleistungen ................................................... 109 3.2.2.4 Finanzdienstleistungen ......................................................... 113 3.2.3 3.3 Verknüpfungen innerhalb der Wertschöpfungskette ................... 114 3.2.3.1 Horizontale Verknüpfungen innerhalb eines Wertschöpfungsbündels ....................................................... 116 3.2.3.2 Horizontale Verknüpfungen zwischen den Wertschöpfungsbündeln ....................................................... 118 3.2.3.3 Vertikale Verknüpfungen ..................................................... 119 Zusammenfassung des Kapitels .......................................................... 121 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel.................................................................................... 123 4.1 Die Entscheidung über Positionierung und Profilierung .................... 123 4.2 Theoretische Grundlagen .................................................................... 127 4.2.1 Generische Positionierungsstrategien .......................................... 127 4.2.2 Der Geschäftsmodellansatz.......................................................... 132 4.3 4.2.2.1 Positionierungsstrategie „Kostenführer“ .............................. 134 4.2.2.2 Positionierungsstrategie „Produktführer“............................. 139 4.2.2.3 Positionierungsstrategie „Problemlöser“.............................. 144 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel ........................................................................ 151 4.3.1 Vorgehen...................................................................................... 151 4.3.2 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel der Schweiz.................................................. 152 4.3.2.1 Amedis-UE ........................................................................... 152 4.3.2.2 Galexis AG Pharmagrosshandel........................................... 156 IV 4.3.2.3 4.3.3 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen führender Pharmagrosshändler in Europa .................................................... 168 4.3.3.1 Phoenix Pharmahandel AG und Co. KG.............................. 168 4.3.3.2 GEHE Pharmahandel GmbH ............................................... 170 4.3.3.3 Alliance UniChem Grossbritannien ..................................... 173 4.3.3.4 Anzag AG............................................................................. 174 4.3.3.5 Noweda Apothekergenossenschaft ...................................... 176 4.3.3.6 Sanacorp Pharmahandel AG ................................................ 179 4.3.4 4.4 Zur Rose AG ........................................................................ 163 Zusammenfassende Betrachtung ................................................. 180 4.3.4.1 Der Kostenführer.................................................................. 180 4.3.4.2 Der Produktführer ................................................................ 182 4.3.4.3 Der Problemlöser.................................................................. 185 4.3.4.4 Dynamik der Geschäftsmodelle ........................................... 188 Neue strategische Chancen durch Prewholesale................................. 189 4.4.1 Der Begriff „Prewholesale“......................................................... 189 4.4.2 Positionierung und Profilierung im „Prewholesale“ ................... 191 4.4.2.1 Zweistufige Wertschöpfung im Prewholesale ..................... 191 4.4.2.2 Drei Prewholesale-Unternehmen im Vergleich ................... 193 4.4.3 4.5 Aufbau Erfolg versprechender Geschäftsmodelle im Prewholesale ........................................................................... 195 Zusammenfassung des Kapitels .......................................................... 199 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung..................................202 5.1 Theoretische Grundlagen .................................................................... 202 5.2 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung ............................................. 208 5.2.1 Zweiseitig Zielkunden definieren................................................ 209 5.2.2 Einfluss auf die Wertketten der Kunden bestimmen ................... 210 5.2.3 Rangfolge der Kundenbedürfnisse erstellen................................ 211 5.2.4 Profilierungspoteziale und Kostentreiber eruieren ...................... 213 V 5.2.5 Positionierungsstrategie und Profilierungsmassnahmen auswählen ..................................................................................... 215 5.2.6 Nachhaltigkeit der Positionierungsstrategie sichern.................... 215 5.2.7 Wertkette und Geschäftsmodell anpassen bzw. neu konfigurieren ......................................................................... 216 5.3 Fallstudie Voigt AG ............................................................................ 217 5.3.1 Ausgangssituation ........................................................................ 217 5.3.2 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung ...................................... 218 5.3.2.1 Zweiseitig Zielkunden definieren......................................... 218 5.3.2.2 Einfluss auf die Wertketten der Kunden bestimmen............ 220 5.3.2.3 Rangfolge der Kundenbedürfnisse erstellen......................... 224 5.3.2.4 Profilierungspotenziale und Kostentreiber eruieren............. 229 5.3.2.5 Positionierungsstrategie und Profilierungsmassnahmen wählen................................................................................... 236 5.3.2.6 Nachhaltigkeit der Positionierungsstrategie sichern ............ 239 5.3.2.7 Wertkette und Geschäftsmodell anpassen bzw. neu konfigurieren ........................................................................ 241 5.3.3 5.4 Zusammenfassende Betrachtung ................................................. 242 Zusammenfassung des Kapitels .......................................................... 245 6 Zusammenfassende Gestaltungshinweise und Ausblick....... 247 6.1 Zusammenfassende Gestaltungshinweise ........................................... 247 6.2 Ausblick............................................................................................... 252 6.2.1 Ausblick für die weitere Forschung............................................. 252 6.2.2 Ausblick für die Praxis................................................................. 253 Literaturverzeichnis ...................................................................... 254 Anhang............................................................................................ 269 VI Abbildungsverzeichnis Abbildung 1.1: Anpassungsbedarf in bestehenden Vorgehenskonzepten der strategischen Marketingplanung .......................................... 18 Abbildung 1.2: Literaturbeiträge zum Thema der Positionierung und Profilierung im Grosshandel .................................................. 20 Abbildung 1.3: Zielsetzung der Dissertation................................................... 23 Abbildung 1.4: Stellung der Positionierung und Profilierung im strategischen Marketing .............................................................................. 26 Abbildung 1.5: Mögliche Prozessschritte beim Einsatz der FallstudienMethodik ................................................................................ 30 Abbildung 1.6: Untersuchungsdesign in drei Phasen...................................... 32 Abbildung 1.7: Vorgehen und Gliederung der Arbeit..................................... 36 Abbildung 2.1: Der Marketingkanal als das offene Wertsystem des Grosshandels .......................................................................... 40 Abbildung 2.2: Das Modell der fünf Wettbewerbskräfte................................ 42 Abbildung 2.3: Weiterentwicklung des Porter’schen Modells der Branchenanalyse..................................................................... 43 Abbildung 2.4: Wechselwirkung zwischen den treibenden Kräften............... 46 Abbildung 2.5: Wertschöpfende Prozesse und beispielhafte Zuordnung der Institutionen am Pharmamarkt der Schweiz ....................... 50 Abbildung 2.6: Struktur des Marketingkanals für rezeptpflichtige Medikamente.......................................................................... 51 Abbildung 2.7: Struktur des Marketingkanals für rezeptfreie Medikamente.. 55 Abbildung 2.8: Medikamentenmarkt Schweiz in Mio. CHF und Anzahl verkaufter Packungen............................................................. 57 Abbildung 2.9: Markt für rezeptpflichtige und kassenpflichtige Medikamente.......................................................................... 58 Abbildung 2.10: Wachstum des Generikamarkts in der Schweiz in Mio. CHF59 Abbildung 2.11: Markt rezeptfreier Medikamente nach Abgabekanälen in Mio. CHF ....................................................................................... 60 VII Abbildung 2.12: Faktoren der Attraktivität der Pharmagrosshandelsbranche in der Schweiz............................................................................ 62 Abbildung 2.13: Strategische Einsätze der Pharmagrosshändler...................... 66 Abbildung 2.14: Vergleich zwischen dem alten und dem neuen Preisbildungsmodell für kassenpflichtige Medikamente ....... 75 Abbildung 2.15 Haupteinflussfaktoren, treibende Kräfte und branchenspezifische Trends ................................................... 81 Abbildung 3.1: Reduktion der Kontakte zwischen Herstellern (H) und den Abnehmern (A) dank der Einschaltung des Grosshandels (GH)........................................................................................ 89 Abbildung 3.2: Wertschöpfung der Grosshandelsunternehmen durch die Ausführung der Marketingfunktionen.................................. 101 Abbildung 3.3: Gegenseitig abhängige Erwartungen (interdependent expectations) der Hersteller und Einzelhändler an die Grosshandelsleistung............................................................ 102 Abbildung 3.4: Wertschöpfungsbündel „logistische Dienstleistungen“ ....... 107 Abbildung 3.5: Wertschöpfungsbündel „Marketingdienstleistungen“.......... 110 Abbildung 3.6: Wertschöpfungsbündel „Finanzdienstleistungen“ ............... 113 Abbildung 3.7: Zweiseitige Wertschöpfungskette eines Grosshandelsunternehmens und interne Verknüpfungen..... 115 Abbildung 3.8: Acht Marketingflüsse sind für die Performance eines Marketingkanals wichtig ...................................................... 116 Abbildung 3.9: Verknüpfungen zwischen der Wertkette des Grosshändlers und den Wertketten des Herstellers und des Einzelhändlers im Rahmen des Produktflusses.................................................. 121 Abbildung 4.1: Positionierung und zweiseitige Profilierung im Grosshandel .......................................................................... 126 Abbildung 4.2: Drei generische Strategietypen............................................. 127 Abbildung 4.3: Marktcharakteristika, welche eine fokussierte Strategie unterstützen........................................................................... 129 Abbildung 4.4: Zweiseitige Profilierungsaktivitäten des Kostenführers im Grosshandel .......................................................................... 139 VIII Abbildung 4.5: Zweiseitige Profilierungsaktivitäten des Produktführers im Grosshandel .......................................................................... 144 Abbildung 4.6: Zweistufige Profilierungsaktivitäten des Problemlösers im Grosshandel .......................................................................... 150 Abbildung 4.7: Struktur der Amedis-UE-Gruppe ......................................... 153 Abbildung 4.8: Zweiseitige Profilierung von Amedis-UE Pharmagrosshandel als Kostenführer ................................................................... 156 Abbildung 4.9: Struktur der Galenica-Gruppe .............................................. 157 Abbildung 4.10: Zweiseitige Profilierung von Galexis AG Pharmagrosshandel als Produktführer ................................................................ 163 Abbildung 4.11: Struktur der „Zur Rose“-Gruppe.......................................... 164 Abbildung 4.12: Zeistufige Profilierung der Apotheke „Zur Rose“ als Problemlöser mit Fokus Arzt............................................... 168 Abbildung 4.13: Zweiseitige Profilierung von Phoenix Pharmahandel als Kostenführer ........................................................................ 170 Abbildung 4.14: Zweiseitige Profilierung der GEHE AG als Produktführer. 172 Abbildung 4.15: Zweiseitige Profilierung von Alliance UniChem als Produktführer ...................................................................... 174 Abbildung 4.16: Profilierung der Anzag AG im Übergang vom Produktführer zum Problemlöser ............................................................... 176 Abbildung 4.17: Zweistufige Profilierung der Noweda eG Apothekengenossenschaft als Problemlöser ....................... 178 Abbildung 4.18: Zweistufige Profilierung der Sanacorp AG als Problemlöser ... .............................................................................................. 180 Abbildung 4.19: Zweiseitige Profilierung des Kostenführers im Pharmagrosshandel ............................................................. 182 Abbildung 4.20: Zweiseitige Profilierung des Produktführers im Pharmagrosshandel ............................................................. 185 Abbildung 4.21: Zweistufige Profilierung des Problemlösers im Pharmagrosshandel ............................................................. 187 Abbildung 4.22: Dynamik der Geschäftsmodelle........................................... 189 Abbildung 4.23: Zweistufige Wertschöpfung des Vorgrossisten ................... 191 IX Abbildung 5.1: Modell der Wertkette und drei Bündel der primären wertschöpfenden Aktivitäten im Grosshandel ..................... 207 Abbildung 5.2: Vorgehen der Profilierung im Grosshandel.......................... 208 Abbildung 5.3: Beispiel für die Beziehung zwischen den Bedürfnissen und den Wertaktivitäten............................................................... 213 Abbildung 5.4: Organisationsstruktur Voigt AG........................................... 217 Abbildung 5.5: Fachhandel und Weiterverkäufer als Kunden von Voigt AG .... .............................................................................................. 219 Abbildung 5.6: Berührungspunkte zwischen der Wertkette des Grosshändlers und den Wertketten der vor- und nachgelagerten Kunden im Bereich der logistischen Dienstleistungen............................ 221 Abbildung 5.7: Berührungspunkte zwischen der Wertkette des Grosshändlers und den Wertketten der vor- und nachgelagerten Abnehmer im Bereich der Marketingdienstleistungen................................ 223 Abbildung 5.8: Verknüpfungen zwischen den primären logistischen Aktivitäten zugunsten der Pharmaindustrie und des Fachhandels .......................................................................... 233 Abbildung 5.9: Vergleich der Ist-Profilierung von Voigt und der SollProfilierung eines Problemlösers im Pharmagrosshandel .... 238 Abbildung 5.10: Positionierung der Voigt AG gegenüber der Konkurrenz ... 239 X Tabellenverzeichnis Tabelle 1.1: Fallpopulation für die Analyse des Geschäftsfeldes Grosshandel. 34 Tabelle 1.2: Beispiele für die Analyse von Grosshändlern mit mehreren Geschäftsfeldern............................................................................. 34 Tabelle 2.1: Analyse des Grosshandelsumfeldes aus zwei Perspektiven ........ 38 Tabelle 2.2: Faktoren der Branchenentwicklung und der Veränderung des Marketingkanals sowie ihre Gewichtung in Bezug auf die Handelsentwicklung....................................................................... 45 Tabelle 2.3: Abgabekategorien der Arzneimittel ............................................. 49 Tabelle 2.4: Ranking der Top-10-Pharmaproduzenten weltweit ..................... 71 Tabelle 2.5: Strategische Chancen und Gefahren aufgrund der staatlichen Regulierung und Deregulierung..................................................... 82 Tabelle 2.6: Strategische Chancen und Gefahren aufgrund der Veränderungen im Konsumentenverhalten ............................................................. 83 Tabelle 2.7: Strategische Chancen und Gefahren aufgrund der neuen Informations- und Kommuniktaionstechnologien ......................... 84 Tabelle 3.1: Übersicht der Vorteilhaftigkeitskriterien ..................................... 92 Tabelle 3.2: Faktoren der Nachfrage nach Grosshandelsfunktionen ............... 96 Tabelle 3.3: Überbrückungsdimensionen und Grosshandelsfunktionen nach Seÿffert........................................................................................... 99 Tabelle 3.4: Transpositorische Funktionen des Handels nach Sundhoff ....... 100 Tabelle 3.5 Komponenten der physischen Distribution ................................. 106 Tabelle 3.6: Synoptische Zusammenstellung der Handelsaufgaben.............. 118 Tabelle 4.1: Elemente der Geschäftsmodelle................................................. 134 Tabelle 4.2: Theoretische Analyse der Profilierungsaktivitäten des Kostenführers ............................................................................... 137 Tabelle 4.3: Theoretische Analyse der Profilierungsaktivitäten des Produktführers.............................................................................. 142 Tabelle 4.4: Theoretische Analyse der Profilierungsaktivitäten des Problemlösers............................................................................... 148 Tabelle 4.5: Übersicht der analysierten Fallbeispiele, Daten 2005................ 152 XI Tabelle 4.6: Beispielhaftes Dienstleistungskatalog eines Vorgrossisten ....... 192 Tabelle 4.7: Drei Prewholesale-Geschäftsmodelle im Vergleich .................. 194 Tabelle 4.8: Mögliche materielle Verflechtungen zwischen Pharmagrosshandel und Prewholesale.......................................................................... 197 Tabelle 5.1: Phasen und Schritte der strategischen Marketingplanung in der Literatur ........................................................................................ 204 Tabelle 5.2: Ausgewählte strategische Fragestellungen mit Einsatz der Wertkettenanalyse ........................................................................ 205 Tabelle 5.3: Mögliche Bedürfnisse der Grosshandelskunden ........................ 212 Tabelle 5.4: Bedürfnisse der Herstellerkunden aus Sicht der Hersteller und der Voigt AG ...................................................................................... 225 Tabelle 5.5: Bedürfnisse der Apotheken aus Sicht der Apotheken und der Voigt AG ................................................................................................ 227 Tabelle 5.6: Profilierungspotenziale gegenüber der Pharmaindustrie............ 230 Tabelle 5.7: Profilierungspotenziale gegenüber dem Fachhandel.................. 232 Tabelle 5.8: Beispiele für Standard Operating Procedures ............................ 235 Tabelle 5.9: Profilierungspotenziale bei Voigt AG .................................. 237 Tabelle 5.10: Basis- und Zusatzbedürfnisse der Grosshandelskunden ...... 243 1 Einführung 1.1 Problemstellung 1.1.1 Das Hauptproblem der zweiseitigen Profilierung Makroökonomische Trends und branchenspezifische treibende Kräfte führen zum Umbruch bestehender Wertschöpfungsketten und Marktstrukturen. Die Industrie und der Einzelhandel verändern ihre Angebots- und Nachfrageprofile und fordern die traditionelle Überbrückungsrolle der Grosshandelsunternehmen heraus. Die Dynamik im Umfeld erfordert eine beschleunigte Reaktion, um die sich eröffnenden Wertschöpfungssteigerungspotenziale zu erschliessen.1 Die Potenziale ergeben sich sowohl am Beschaffungsmarkt als auch am Absatzmarkt, so dass die Grosshandelsunternehmen eine unverwechselbare Position zwischen der Industrie und dem Einzelhandel definieren und kommunizieren müssen. Im Rahmen dieser Transformationsprozesse werden die Grosshändler einem erheblichen strategischen Anpassungsdruck ausgesetzt:2 sie sehen sich verstärkt mit der Herausforderung einer klaren Positionierung und einer zweiseitigen Profilierung konfrontiert. Einerseits können sich die Grosshändler wie die Einzelhändler z.B. gegenüber der Absatzseite profilieren und in einem zweiten Schritt die Lieferanten bündeln. Andererseits ist der Aufbau einer Brückenposition möglich, wobei die Profilierung gleichzeitig gegenüber den Lieferanten und den Abnehmern stattfindet. Wenn jedoch Profilierungsmassnahmen getroffen werden, welche die gewählte Positionierung nicht berücksichtigen, besteht die Gefahr, das Unternehmensprofil zu schwächen und gar zu verlieren. Daraus ergeben sich die Substituierbarkeit der Angebote und eine zunehmende Umgehung. Anschliessend werden zurückgehende Handelsspannen betrachtet. Diese Indikatoren werden in zahlreichen Grosshandelsbranchen festgestellt, unter anderem auch im Pharmagrosshandel. Das Hauptproblem der zweiseitigen Profilierung der Grosshandelsunternehmen am Pharmamarkt wird durch Nebenprobleme begleitet, wie eine erhöhte Dynamik der Rahmenbedingungen, einen ruinösen Preiskampf auf der Grosshandels- 1 Vgl. Rudolph/Maag, 1999, S. 24. 2 Vgl. Fuchs, 1999, S. 518. 1.1 Problemstellung 13 stufe sowie den einseitigen Managementfokus auf Aktivitäten zur Steigerung der operativen Effizienz und auf Wachstums- und Diversifikationsstrategien. Die Pharmagrosshändler und ihre Kunden sind mit dynamischen Veränderungen in den Rahmenbedingungen konfrontiert. Drei treibende Kräfte führen dazu, dass der Markt seit Jahren im Umbruch ist. Erstens ist es der technologische Fortschritt in der Medikamentenforschung, der die Produktion von hochwirksamen Medikamenten erlaubt. Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere das Internet, führen zu einer Vernetzung aller Teilnehmer im Gesundheitswesen und zur erhöhten lokalen, aber auch zur grenzüberschreitenden Markttransparenz.3 Zweitens stellt die demografische Alterung der Bevölkerung eine der grössten Herausforderungen der Gegenwart dar. Für alle Teilnehmer im Gesundheitswesen bedeutet das eine wachsende Nachfrage nach medizinischen und pharmazeutischen Leistungen, das Bedürfnis nach mehr und sicheren Informationen und höhere Anforderungen an die Lieferbereitschaft und -qualität. Drittens sind es die gesetzlichen Massnahmen zur Regulierung und Deregulierung auf allen Wertschöpfungsstufen, welche das Gesundheitswesen zu einem der am stärksten regulierten Sektoren der Wirtschaft machen. Die Trends in der Pharmaindustrie bieten den Grosshändlern wachsende Möglichkeiten, industrieeigene Prozesse zu integrieren und neue Kundengruppen zu erschliessen. Die Pharmaproduzenten spezialisieren sich auf einige wenige Forschungsbereiche und konzentrieren sich auf den Aufbau einer starken Marketingorganisation.4 Es besteht der Trend, alle anderen Aktivitäten wie Produktion und Vertrieb an Drittunternehmen5 auszugliedern. Der gesellschaftliche Druck zur Senkung der Gesundheitskosten bietet Anbietern von Nischenmedikamenten6 und Generika wachsende Möglichkeiten.7 In ihrer Vielzahl sind sie kleine und mittlere Unternehmen mit einer hohen organisationellen Flexibilität, welche 3 Hohe Popularität geniessen Internetseiten und -portale mit Gesundheitsinformationen. Mit der gesetzlichen Deregulierung in der Medikamentenabgabe in benachbarten Ländern wie Deutschland wurden zahlreiche Online-Apotheken eröffnet. Dies führt zu direkten grenzüberschreitenden Preisvergleichen per Mausklick (vgl. www.netdocotor.de, 10.02.04). 4 Die Marketingorganisation wird neben der Forschung und Entwicklung als der zweite zentrale Erfolgsfaktor der Pharmaproduzenten betrachtet (vgl. Cabral, 2000, S. 2). 5 Beispielsweise Produktion, Darreichungsform und Logistik werden vermehrt an Organisationen unter Vertrag, unter anderem auch an den Grosshandel, ausgegliedert (Reuters Business Insight, 1999). 6 Unter Nischenmedikamenten werden Medikamente verstanden, welche kein Blockbuster-Potenzial besitzen, wie z.B. Vitamine und Mineralstoffe (vgl. Geschäftsbericht Galenica, 2003). 7 Aufgrund der steigenden Kosten im Gesundheitswesen ist die Gesundheit seit Jahren zum Gesellschaftsthema Nr. 1 in der Schweiz geworden (vgl. Experteninterview Gremlich/Kleine, 2003). Die Substitution durch Generika und Nachahmerprodukte an den Abgabestellen übt einen erheblichen Preisdruck auf die Produzenten von patentgeschützten Medikamenten aus und wird gesetzlich verankert. So wuchs der Generikamarkt in der Schweiz z.B. im 2002 um 15%, im ersten Halbjahr 2003 um mehr als 38% (vgl. Der Pharmamarkt 2002, www.interpharma.ch und http://emagazine.credit-suisse.com, 12.10.2003). 14 1 Einführung begrenzt oder keine eigene Forschung und Entwicklung betreiben. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, streben sie niedrige Kosten sowohl in der Produktion als auch im Vertrieb an und stellen differenzierte Anforderungen an die Grosshandelsleistung. Am Absatzmarkt verändern sich die traditionellen Kundenstrukturen des Grosshandels. Aufgrund des starken finanziellen Drucks und der sinkenden Margen nimmt die Anzahl der unabhängigen Apotheken und Drogerien stetig ab. Dieser Trend begünstigt den Wachstum der Apotheken- und Drogeriegruppierungen.8 Gemeinsamer Einkauf, Schulung des Personals bis hin zu Planung und Umsetzung von Marketingstrategien sind Hauptfunktionen der Verbundgruppenzentrale, welche auch gleichzeitig von den Pharmagrossisten angeboten werden. Die selbstdispensierenden Ärzte übernehmen immer mehr Marktanteile von den Apotheken bei der Abgabe der Medikamente und stellen ein attraktives Segment für die Pharmagrossisten dar.9 Ihre Beschaffung erfolgt durch spezialisierte Ärztelieferanten, welche durch den Aufbau eigener Logistikkapazitäten von Grosshandelskunden zu Konkurrenten werden. Als alternative Vertriebswege für Medikamente versuchen sich auch der Versandhandel, der Verkauf über das Internet, der Lebensmittelhandel und diverse Wellness-Anbieter zu behaupten. Die Erfahrungen aus Ländern wie den USA und Deutschland weisen auf ein grosses Potenzial z.B. des Verkaufs über das Internet hin.10 In der Schweiz haben diese Absatzwege aufgrund gesetzlicher Beschränkungen immer noch eher begrenzte Erfolgsmöglichkeiten, aber andauernde Deregulierungsbemühungen werden den Gesundheitsmarkt vor eine weitere Umbruchsituation stellen. Trotz einem gestiegenen Medikamentenkonsum, immer höheren Preisniveaus und wachsenden Umsätzen weist der Pharmagrosshandel seit Jahren ein langsameres Wachstum im Vergleich zur Pharmaindustrie und zum Fachhandel auf.11 Zum einen wird der Margendruck dem kostenorientierten Einkauf des Einzelhandels zugeschrieben, welcher den Kostendruck der Endkonsumenten und seitens des Staates in vollem Umfang an die Grossisten weitergibt.12 Zum Zweiten werden die logistischen Grundleistungen der Grosshändler immer mehr als substituierbar betrachtet und stellen keine Quelle für dauerhafte Wettbewerbs8 Dieser Trend ist am stärksten in der Westschweiz zu verzeichnen (vgl. Experteninterview Hofer, 2002). 9 Die selbstdispensierenden Ärzte sind Ärzte mit einer eigenen Apotheke. Dieses Geschäftsmodell ist für die Ostschweiz charakteristisch (vgl. Pharmamarkt Schweiz 2004). 10 Beispiele für Online-Apotheken werden im Kapitel 2 dieser Arbeit erwähnt. 11 Vgl. Grosshandelsumsätze und die Wertschöpfung der einzelnen Marktteilnehmer im Kapitel 2 dieser Arbeit. 12 Unter Fachhandel oder Abgabeorten werden Apotheken, Drogerien, selbstdispensierende Ärzte, Spitäler u.a. verstanden (vgl. Der Pharmamarkt 2003, www.interpharma.ch). 1.1 Problemstellung 15 vorteile dar. Zum Dritten werden die Pharmagrossisten zunehmend durch die Produzenten und den Fachhandel umgangen.13 Die Grosshändler sehen sich gezwungen, auf den Preis zu fokussieren, und nur wenige streben nach Differenzierung. Wachstumspotenziale suchen die Grossisten vor allem durch Unternehmensakquisitionen im In- und Ausland14 und durch Eindringen in die vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen. Um den immer höher werdenden Investitionsbedarf zu verkraften, sind eine grosse Finanzkraft und somit eine bestimmte Unternehmensgrösse notwendig. In den letzten zehn Jahren ist eine Konsolidierungswelle unter den Pharmagrossisten in der Schweiz zu verzeichnen.15 Europa- und weltweit ist auch der Trend zur vertikalen Integration zu beobachten.16 Die Pharmagrossisten produzieren patentfreie Medikamente oder Nischenprodukte und gründen eigene Apothekenketten. Dabei verlagert sich der Fokus von der Grosshandelstätigkeit auf die Produktion und den Einzelhandel, die eine höhere Gewinnmarge generieren. Das Interesse an der Grosshandelstätigkeit nimmt ab. Sie wird als die notwendige Gundlage für die ertragsträchtigeren Aktivitäten betrachtet.17 1.1.2 Die Marketingstrategie als kritischer Erfolgsfaktor Die Theorie und empirische Untersuchungen zu Erfolgsfaktoren im Grosshandel18 zeigen einen anderen Weg auf, die Effektivität zu erhöhen: Nämlich den Fokus auf die Marketingstrategie zu richten.19 So z.B. kann die Mehrheit der festgestellten Erfolgsfaktoren nur im Rahmen einer durchdachten und fundierten Positionierungsentscheidung wirksam werden.20 “The positioning decision is often the crucial strategic decision for a company [...] because the position can be central to customers’ perception and choice decisions [...].”21 “There is a positive 13 Vgl. Geschäftsbericht Phoenix AG 2002, Deutschland und Experteninterview Gremlich/Kleine, 2003. 14 Übernahme von Amedis-UE durch Phoenix Pharmahandel GmbH. 15 Vgl. Branchenanalyse des Pharmagrosshandels der Schweiz im Kapitel 2 dieser Arbeit. 16 In den USA – AmerisourceBergen, in Europa – Alliance UniChem und CelesioGehe, in der Schweiz – die Galenica-Gruppe. 17 ebenda. 18 Vgl. Lusch/Zizzo/Kenderine, 1993, zitiert in Kotler/Bliemel, 2001; Fein, 1993¸ Das/Tyagi, 1994; Stern et al., 1996; Rudolph/Maag, 1999; Rovit/Sweeder/Buchanan, 2002. 19 Vgl. Müller-Hagedorn, 2001, S. 476f. 20 Rudolph/Busch (2002, S. 110ff.) bezeichnen die klare Positionierung als einen der zentralen Erfolgsfaktoren im Grosshandel. 21 Aaker/Shansby, 1982, S. 56. 16 1 Einführung relationship between company performance and well-formulated and clearly defined positioning activities.”22 Trotz der grossen Bedeutung der Marketingstrategien im Grosshandel werden sie oft zugunsten des operativen Geschäfts vernachlässigt. “In fact, wholesale firms are, in general, much more preoccupied with logistics and credit and collection functions than they are with market strategy.”23 Die Automatisierung und der Einsatz der Informationstechnologie (IT) in der Logistik haben zu erheblichen Effizienzsteigerungen beigetragen. Die IT-Lösungen werden schnell von allen Grosshändlern implementiert und sind zum Branchenstandard geworden. Die Kostensenkungspotenziale werden weitgehend ausgeschöpft. Somit stellt der Wettbewerb auf der Stufe des Pharmagrosshandels einen Preiskampf dar und dieser Trend wird sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen..24 Operative Effizienz bedeutet, die gleichen Aktivitäten besser als die Konkurrenz auszuführen. Sie ist aber für den Erfolg des Unternehmens nicht allein massgebend. “A company can outperform rivals only if it can establish a difference that it can preserve [...] Strategic positioning means performing different activities from rivals’ or performing similar activities in different ways.”25 Um die Wertschöpfung der Grosshandelsaktivitäten zu erhöhen, ist deshalb eine strategische Planung auf der Branchenebene und auf der Ebene des einzelnen Grosshändlers erforderlich26: “The wholesalers are not engaged in the necessary strategic planning to enhance their performance of the marketing functions. Increased emphasis on strategic planning at the industry, commodity line association and individual wholesale distributor levels is required.”27 1.1.3 Anpassungsbedarf in der allgemeinen Marketingliteratur Im Vergleich zur Industrie und sogar zum Einzelhandel ist die theoretische Durchdringung der betriebswirtschaftlichen Probleme des Grosshandels als mangelhaft einzustufen.28 Das/Tyagi (1994) stellen fest, dass “the literature does not reveal any research aimed at systemizing the wholesaler’s decision 22 Porter, 1985. 23 Stern/El-Ansary, 1992, S. 127. 24 Vgl. Geschäftsbericht Galenica, 2002, 2003, 2004. 25 Porter, 1996, S. 62. 26 Vgl. Stern/El-Ansary, 1992, S. 127, Rosenbloom, 1987, S. 61. 27 Rosenbloom, 1987, S. 61. 28 In der Wissenschaft sind eine Reihe volkswirtschaftliche Studien über den Grosshandel zu finden, vgl. Anderson/Betancourt, 1999, Asplund/Friberg, 1999, Van Dalen, 1992. 1.1 Problemstellung 17 process”.29 Müller-Hagedorn bestätigt, dass „trotz der wirtschaftlichen Bedeutung des Grosshandels [...] die theoretische Auseinandersetzung mit Marketingaspekten dieses Wirtschaftszweiges nicht sehr umfangreich ist“.30 Dies kann zum einen darauf zurückgeführt werden, dass die Grosshandelsproblematik durch eine hohe Komplexität gekennzeichnet ist und sich nur durch eine interdisziplinäre Betrachtung analysieren lässt. Zum anderen weisen die Erscheinungsformen des Grosshandels eine sehr grosse Vielfalt auf, was eine sehr differenzierte und situative Vorgehensweise erfordert. Die Lücken in Bezug auf Themen wie die Positionierung und Profilierung können mit der Hilfe der allgemeinen Marketingliteratur unter Berücksichtigung situativer Spezifika geschlossen werden. Die allgemeine Literatur zur Positionierung und Profilierung enthält mehrere Vorschläge für mögliche Strategien und Vorgehensweisen zur Formulierung und Umsetzung von Positionierungsstrategien.31 Vorgehenskonzepte basierend auf der strategischen Marketingplanung finden sich in jedem Marketing-Nachschlagewerk. Die einzelnen Schritte werden entweder auf einem allgemeinen Niveau definiert oder richten sich explizit an die Situation in der Industrie und im Einzelhandel. In Hinsicht auf die spezifischen Merkmale und Probleme im Grosshandel ist eine Anpassung dieser Konzepte erforderlich. Fünf Schritte haben spezifische Ausprägungen im Grosshandel und erfordern eine nähere Untersuchung (siehe Abbildung 1.1). 29 Vgl. Das/Tyagi, 1994, S. 4. 30 Vgl. Müller-Hagedorn, 2001, S. 475. 31 Eine Übersicht der relevanten Literaturbeiträge finden sich in den Kapiteln 4 und 5 dieser Arbeit. 18 1 Einführung Schritte in einem allgemeinen Vorgehenskonzept der Marketingplanung Schritte mit Anpassungsbedarf im Grosshandel Vorgaben und Rahmenbedingungen 1 Vorgaben und Rahmenbedingungen 1 Unternehmensanalyse 2 Analyse der Überbrückungsfunktionen 2 Markt- und Konkurrenzanalyse 3 Branchenanalyse und lokale Gegebenheiten 3 Zielmarkt/ Zielgruppen 4 Zielmarkt/-gruppen: Industrie und Einzelhandel 4 Alternative Positionierung/strat. Ziele 5 Mehrdimensionale Strategien 5 Marketing-Mix/ Profilierung 6 Zweiseitige Profilierung 6 Infrastruktur 7 Infrastruktur 7 Realisierung 8 Realisierung 8 Kontrolle 9 Kontrolle 9 Abbildung 1.1: Anpassungsbedarf in bestehenden Vorgehenskonzepten der strategischen Marketingplanung Quelle: eigene Darstellung Die Grosshändler sind ständig in Gefahr, „als Kaufmann zwischen Kaufleuten“ oder „Kaufmann zwischen Herstellern“32 umgangen zu werden. Deshalb sind die Markt- und die Branchenanalyse ständig zu betreiben und im Unternehmen zu institutionalisieren (Schritt 2).33 Die Kernkompetenzen des Grosshandels liegen in der Überbrückung der Unterschiede zwischen dem Nachfrageprofil des Einzelhandels und dem Angebotsprofil der Industrie.34 Die zweiseitige Ausrichtung an diese zeitlichen, räumlichen, mengenmässigen und qualitätsmässigen Unterschiede und somit die Gestaltung der Grosshandelsfunktionen stehen im Zentrum der Unternehmensanalyse (Schritt 3). Die Grosshandelstätigkeit als 32 Vgl. Kotler/Bliemel, 2001, S. 1164. 33 Vgl. Rudolph/Maag, 1999, S. 24. 34 ebenda. 1.1 Problemstellung 19 Intermediär richtet sich an zwei voneinander abhängige Segmente der Industrie und des Einzelhandels35, deren Selektion untereinander zu koordinieren ist. Kein anderer Wirtschaftszweig ist mit so differenzierten Bedürfnissen und Anforderungen konfrontiert wie der Grosshandel (Schritt 4).36 Im Gegensatz zum Grosshandel wenden sich der Hersteller und der Einzelhändler an klar definierte und in ihren Bedürfnissen voneinander unabhängige Segmente von Endkonsumenten, wobei nur ihr Nachfrageprofil als Ausgangspunkt der Positionierungsentscheidung dient. Diese Tatsache schlägt sich in den verfolgten Positionierungsstrategien nieder (Schritt 5). Für den Grosshandel heisst es, gleichzeitig Absatzmarketing für den Hersteller und Beschaffungsmarketing für den Detailhandel zu betreiben37, was zu einer zweiseitigen Profilierung führt (Schritt 6). Trotz der hohen Relevanz dieses Themas haben sich nur einige wenige Autoren explizit mit der Positionierung und Profilierung von Grosshandelsunternehmen oder mit Teilaspekten dieses Themenbereichs beschäftigt. Die Beiträge orientieren sich an den vorstehenden Schritten 5 und 6 und lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: Die erste Gruppe beschäftigt sich mit der Frage, welche Positionierungsstrategien und Marketing-Mix-Entscheidungen möglich sind, und die zweite, wie bei der Positionierung vorzugehen ist (siehe Abbildung 1.2). Müller-Hagedorn (2001) beschreibt vier Betriebsformen, in denen bestimmte Profilierungsansätze zu finden seien: Sortimenter, logistischer Dienstleister, Anarbeiter und Systemführer.38 Diese Positionierungsstrategien sind nicht branchenbezogen, sondern basieren auf den allgemeinen Grosshandelsfunktionen. Neben Hinweisen betreffend die absatz- und beschaffungspolitischen Instrumente, die Segmentierung der Kunden und die Chancen bei horizontalen und vertikalen Kooperationen stellt er im Fazit fest, dass die Positionierung und Profilierung der Grosshändler die Bedürfnisse sowohl der Abnehmer als auch der Lieferanten im Auge behalten sollten. Im Rahmen einer qualitativen empirischen Studie der Grosshändlerstrategien in den USA stellen Rovit/Sweeder/Buchanan (2002) fest, dass der Erfolg in einer Grosshandelsbranche äusserst schwierig zu erreichen ist. Um Erfolg zu haben, sind die Unternehmen gezwungen, “simultaneously multiple facets of strategy”39 zu verfolgen. Eine Strategie basierend nur auf Kosten oder Kundenservice macht 35 Vgl. Das/Tyagi, 1994, S. 5. 36 Vgl. Fuchs, 1999, S. 518. 37 Vgl. Müller-Hagedorn, 2001, S. 492. 38 Vgl. Müller-Hagedorn, 2001, S. 476ff. 39 Rovit/Sweeder/Buchanan, 2002, S. 33. 20 1 Einführung noch nicht wettbewerbsfähig. Die Autoren isolieren drei Dimensionen, aus deren Kombination sich Erfolg versprechende strategische Alternativen ableiten lassen: relativer Marktanteil, effiziente Abläufe und Marge. Diese Alternativen stellen eine Mischung aus Unternehmens- und Wettbewerbsstrategien dar und geben nur einige wenige Hinweise zur Positionierung und Profilierung. Welche Positionierungsstrategien können betrachtet werden? Müller-Hagedorn, 2001 Rudolph/Busch, 2002 Rovit/Sweeder/Buchanan, 2002 Positionierung und Profilierung im Grosshandel Wie gehe ich bei der Positionierung vor? Hochuli, 1994 Das/Tyagi, 1994 Rudolph/Maag, 1999 Müller-Hagedorn, 2000a Tietz, 2002 Abbildung 1.2: Literaturbeiträge zum Thema der Positionierung und Profilierung im Grosshandel Quelle: eigene Darstellung Nach Rudolph/Busch (2002) hängt der Erfolg eines Grosshändlers vom Verfolgen einer klaren Nutzenstrategie ab: Kostenführerschaft, Produktführerschaft und Problemlösung.40 Am Beispiel des Internet-Einsatzes im Grosshandel werden generell zweiseitige Profilierungsmöglichkeiten jeder Nutzenstrategie aufgezeigt. Das/Tyagi (1994) analysieren den Entscheidungsprozess der Grosshandelsunternehmen im Allgemeinen. Sie stellen eine Verlagerung der Grosshandelsrolle vom Distributor zum Dienstleister fest. Um Dienstleistungsstrategien für Hersteller und Einzelhändler zu entwickeln und zu implementieren, definieren die Autoren drei Hauptelemente im Entscheidungsprozess: “... selecting products, markets and services, matching manufacturers and retailers with appropriate service packages and designing a logistic system that provides the 40 Vgl. Rudolph/Busch, 2002, S. 110ff. 1.1 Problemstellung 21 best trade-off between service and cost.”41 Die Abhängigkeit zwischen den Hersteller- und den Einzelhandelssegmenten sowie die Notwendigkeit, sie gleichzeitig im Entscheidungsprozess einzubeziehen, werden betont. “Success in wholesaling depends on how these interdependent selections (manufacturers and retailers) are matched, and appropriate service packages developed.”42 Konzeptionelle und praxisrelevante Hinweise für die Positionierung und Profilierung der Grosshändler in Zeiten des Wandels geben Rudolph/Maag (1999). Sie schlagen eine Neuausrichtung der Grosshandelstätigkeit vor, indem sie vier Leitideen formulieren.43 Die Grosshändler sollten sich auf ihre traditionellen Stärken konzentrieren (1), Differenzen zwischen der Nachfrage und dem Angebot überbrücken (2) und entlang der Wertschöpfungskette nach Potenzialen (3) suchen. Die Autoren betonen die Notwendigkeit, ein proaktives Grosshandelsmanagement zu betreiben und die zukünftigen Entwicklungen frühzeitig zu antizipieren. Als vierter Schritt ist die Positionierung festzulegen und das Profil zu stärken (4). Müller-Hagedorn (2000) definiert vier Aspekte eines strategischen Konzeptes der Positionierung im Grosshandel:44 Der richtige Service für die richtigen Kunden, Verbesserungspotenziale durch vertikale Kooperation, horizontale Kooperation als Alternative zum Grossunternehmen, Profilierung durch einen klaren Wettbewerbsvorteil. Um einen Wettbewerbsvorteil zu haben, muss das Unternehmen sämtliche wertschöpfende Aktivitäten auf die Erbringung eines überlegenen Kundennutzens ausrichten. „Ein Wettbewerbsvorteil kann dann z.B. in der Sortimentsbildung, in der logistischen Leistungsfähigkeit oder in der Systemführerschaft für das Handwerk oder den Einzelhandel liegen. Dem Erhalt und Ausbau dieses Wettbewerbsvorteils sollte die ganze Aufmerksamkeit des Grosshändlers gewidmet sein.“45 Eine branchenspezifische Betrachtung des Vorgehens bei einer Positionierung liefert Hochuli (1994). Am Beispiel des Produktionsverbindungshandels mit Ersatzstoffen entwickelt er eine fünfstufige Heuristik zur Angebotspositionierung.46 Der Autor stellt fest, dass bei der Positionierung im Grosshandel spezielle Ansätze verwendet werden sollten. Zum Beispiel schlägt er eine zwei41 Vgl. Das/Tyagi, 1994, S. 5–6. 42 ebenda. 43 Vgl. Rudolph/Maag, 1999, S. 24ff. 44 Vgl. Müller-Hagedorn, 2000, S. 6. 45 Müller-Hagedorn, 2000, S. 7. 46 Vgl. Hochuli, 1994, S. 215. 22 1 Einführung stufige Positionierung vor: jene der Unternehmung und jene des angebotenen Produktes. In der Arbeit wird Positionierung einseitig auf dem Absatzmarkt betrachtet und das dem Grosshändler zur Verfügung stehende Marketinginstrumentarium nur angedeutet. Einen wichtigen Teilaspekt der Positionierung und Profilierung behandelt Tietz (2002) in seiner Arbeit über Kundenbindung im Grosshandel. Anhand mehrerer empirischer Studien identifiziert er eine Vielzahl Instrumente, Möglichkeiten und Grundsätze der Kundenbindung und -integration.47 Wie diese situativ in die Marketingplanung eines Grosshändlers einfliessen, wird nicht behandelt. 1.1.4 Die Problemstellung auf einen Blick Die Positionierung und die zweiseitige Profilierung sind eine grosse Herausforderung für die Grosshandelsunternehmen vor dem Hintergrund dynamischer Rahmenbedingungen. Die Positionierung und die Profilierung sind kritische Erfolgsfaktoren für die Grosshandelsunternehmen. Sie finden aber zu wenig Einsatz und Akzeptanz in der Grosshandelspraxis. Die allgemeine Marketingliteratur enthält eine Vielzahl von Konzepten zur Formulierung und Umsetzung von Positionierungs- und Profilierungsstrategien. Es besteht aber ein erheblicher Anpassungsbedarf an die Besonderheiten im Grosshandel. Dieser bezieht sich auf die Analyse der Branche und der lokalen Gegebenheiten, auf die Zweiseitigkeit der Überbrückungsfunktionen, auf die Zielgruppen in der Industrie und im Einzelhandel, auf die mehrdimensionalen Positionierungsstrategien und auf die zweiseitigen Profilierungsmassnahmen. In den wenigen der Positionierung und Profilierung im Grosshandel gewidmeten Literaturbeiträgen wird das spezifische Merkmal – die zweiseitige Ausrichtung gegenüber dem Einzelhandel und der Industrie – nur angedeutet, aber nicht weiterentwickelt. Die Entwicklung eines ganzheitlichen Konzeptes ist erforderlich. Diese Arbeit stellt sich die Aufgabe, einen Beitrag zur Schliessung dieser theoretischen Lücke und zur Lösung der damit verbundenen Praxisprobleme zu leisten. 47 Vgl. Tietz W., 2002. Auf die Vielfalt der Kundenbindungsinstrumente im Grosshandel wird in dieser Arbeit nicht eingegangen. 1.2 Zielsetzung 23 1.2 Zielsetzung Entsprechend der in der Problemstellung angesprochenen Problembereiche ist das Hauptziel dieser Dissertation, ein Konzept der Positionierung und zweiseitigen Profilierung im Grosshandel zu entwickeln. Um das Hauptziel zu erreichen, werden folgende vier Subziele gesetzt (siehe Abbildung 1.3): 1. Die Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld, für diese Arbeit im Pharmamarkt der Schweiz, als Voraussetzungen für die Entwicklung von Positionierungs- und Profilierungsstrategien, sind zu analysieren. 2. Die Besonderheiten der Wertschöpfung des Grosshandels, insbesondere deren Zweiseitigkeit, sind theoretisch herauszuarbeiten. 3. Strategische Positionierungsoptionen und ihre Umsetzung durch zweiseitige Profilierungsmassnahmen sind aufzuzeigen und anhand von Beispielen zu beschreiben. 4. Ein Vorgehenskonzept der zweiseitigen Profilierung ist auszuarbeiten. Hauptziel: Konzept der Positionierung und der zweiseitigen Profilierung im Grosshandel Subziel 1: Analyse der Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld Subziel 2: Zweiseitige Wertschöpfung im Grosshandel Subziel 3: Positionierung und zweiseitige Profilierung Subziel 4: Vorgehenskonzept der zweiseitigen Profilierung Abbildung 1.3: Zielsetzung der Dissertation Quelle: eigene Darstellung Das erste Subziel beschreibt die Komplexität der Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld. Die Betrachtung umfasst die Marketingkanal- und Branchenstrukturen, wobei die Konkurrenzverhältnisse und Wechselbeziehungen 24 1 Einführung unter den Marktteilnehmern im Zentrum stehen. Treibende Kräfte der Veränderung werden aus der vertieften Strukturanalyse eruiert und Chancen und Gefahren aus Sicht der Grosshändler identifiziert. Insbesondere die gesetzlichen Massnahmen zur Regulierung und Deregulierung und die Entwicklungen in den Nachbarländern der Schweiz geben Hinweise für zukünftige Strukturveränderungen. Die zentrale Besonderheit des Grosshandels liegt in der Zweiseitigkeit seiner Wertschöpfung. Die Arbeit zielt auf eine Sammlung der theoretischen Hinweise und auf deren konzeptionelle Strukturierung. Die Entstehung des Mehrwerts im Grosshandel und die Kernkompetenzen werden erläutert. Die zweiseitige Wertschöpfung bedingt auch eine zweiseitige Betrachtung der Positionierung und insbesondere der Profilierung. Bestehende allgemeine Konzepte der Positionierung und Profilierung bieten ein Analyseraster. Das dritte Subziel beschäftigt sich mit Beschreibung der Ausprägungen einzelner strategischer Optionen und zweiseitiger Profilierungamassnahmen im Pharmagrosshandel. Anschliessend wird ein Vorgehensmodell als Orientierungsraster bei der Suche nach neuen attraktiven Marktpositionen und bei der Stärkung der bestehenden Marktpositionen entwickelt. Das Ziel besteht darin, die Entscheidungen und kritischen Fragen bei einer Positionierungs- und Profilierungsentscheidung im Grosshandel aufzuzeigen. 1.3 Theoretische Einordnung und begriffliche Abgrenzung Strategisches Marketing und der nachhaltige Wettbewerbsvorteil Die Positionierung und Profilierung im Grosshandel hat einen interdisziplinären Charakter. Die Grosshandelstheorie wird mit dem strategischen Marketingmanagement, der Theorie der Marketingkanäle, dem Beziehungsmarketing, Businessto-Business-Marketing, Change Management, der Industrieökonomie etc. verbunden. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf den wettbewerbsorientierten Forschungsansätzen und insbesondere auf dem strategischen Marketingmanagement. In den 60er Jahren liegt der Fokus auf der Marketingplanung und in den 70er Jahren auf den strategischen Geschäftseinheiten und der Portfoliologik zur Allokation der unternehmenseigenen Ressourcen. Seit Anfang der 80er Jahre sprechen Day/Wensley (1983) von einem Paradigmawechsel in der Marketing- 1.3 Theoretische Einordnung und begriffliche Abgrenzung 25 literatur.48 Der dauerhafte Wettbewerbsvorteil (sustainable competitive advantage) rückt in den Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses, was zu einem Revival des strategischen Marketings führt. Das strategische Marketing beschäftigt sich mit “[...] securing and sustaining a competitive advantage within the markets served by individual business units”.49 Zwei relevante Forschungsrichtungen versprechen dabei einen wissenschaftlichen Fortschritt: research on the outcomes und research on the process.50 Die Forschung der „Ergebnisse“ (research on the outcomes) behandelt die Typen von Wettbewerbsvorteilen als Quelle des Unternehmenserfolgs. Die Forschung des „Prozesses“ (research on the process) konzentriert sich auf den Entscheidungsprozess im Unternehmen, z.B. welche Entscheidungen und wie sie getroffen werden. Die zwei Forschungsrichtungen bauen auf einer grundlegenden Kenntnis der Markt- und Branchenevolution auf. So wird das Thema der Positionierung und Profilierung aus zwei Gesichtspunkten betrachtet – als strategische Optionen und als Schritte in einem Entscheidungsprozess. Beide Perspektiven werden in der vorliegenden Arbeit aufgegriffen. Die Rolle der Positionierung und Profilierung im strategischen Marketing wird von Varadarajan/Jayachandran (1999) beschrieben (siehe Abbildung 1.4). Je nach Entscheidungsniveau im Unternehmen sind die strategischen Fragen auf Unternehmens- (4A) und Geschäftsfeldebene (4B) und die Implikationen für den Einsatz des Marketing-Mix (4C) festzulegen. Die Positionierung und die Profilierung befinden sich entsprechend auf der Ebene der Geschäftsfeld- und der Marketingstrategie. Sie werden durch externe Kräfte aus der makroökonomischen (1) und branchenspezifischen Umwelt (2) sowie durch die unternehmenseigenen Ressourcen (3) beeinflusst. 48 Vgl. Day/Wensley, 1983, S. 82. 49 Day/Wensley, 1983, S. 80. 50 Vgl. Day/Wensley, 1983, S. 87. 26 1 Einführung Makroökonomische Umwelt (1) Unternehmensstrategie (4A) Positionierung (4B) BranchenUmwelt (2) Wettbewerbsvorteile SGE* „I“ (5) Marktperformance SGE „I“* (6) Finanzielle Performance SGE „I“ (7) Profilierung (4C) Unternehmensumwelt und -ressourcen (3) Abbildung 1.4: Stellung der Positionierung und Profilierung im strategischen Marketing Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Varadarajan/Jayachandran, 1999, S. 122 Der Einfluss der Branchenstruktur auf die Positionierung (2 −> 4B) wird durch das Fünf-Kräfte-Modell beschrieben.51 Die Basis für eine langfristige überdurchschnittliche Performance ist der dauerhafte Wettbewerbsvorteil (4B −> 5 −> 6). Die Wettbewerbs-(Positions-)Vorteile resultieren aus der Wahl der Geschäftsaktivitäten und aus der Art und Weise, wie sie ausgeführt werden (4B −> 5).52 Die Positionierung gibt die Richtung für die Profilierungsmassnahmen vor, d.h. wie der Wettbewerbsvorteil aufzubauen und zu erhalten ist (4C −> 5). Ob das Unternehmen zu einem niedrigeren Preis oder qualitativ besser als die Konkurrenz die erfolgreichen Marktpositionen erhalten kann, entscheiden seine Fähigkeiten, diese vorteilhaften Positionen zu gewinnen und zu verteidigen (3 −> 4B + 4C). “The positioning perspective recognizes that for resources to be leveraged for economic benefit, it requires their application on the market place.”53 Unternehmen haben auch höhere Profite, wenn sie bessere Ressourcen 51 Vgl. Porter, 1980, 1999 und Abschnitt. 2.1.2 dieser Arbeit. 52 Vgl. Porter, 1985, 2000. 53 Hooley/Broderick/Möller, 1998, S. 98. 1.3 Theoretische Einordnung und begriffliche Abgrenzung 27 besitzen und/oder diese Ressourcen besser als ihre Konkurrenten zu nutzen wissen (3 −> 4B + 4C −> 5 −> 6 −> 7). Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Einfluss des Grosshandelsumfeldes auf die strategischen Optionen (1 + 2 −> 4B). Dabei werden auch die spezifischen Ressourcen und Kompetenzen analysiert (3 −> 4B + 4C). Im Weiteren werden die Positionierungsstrategien und die möglichen Profilierungsinstrumente dargestellt, welche einen Wettbewerbsvorteil versprechen (4B + 4C −> 5). Zu den Zielen der Arbeit gehört nicht die Identifikation von besonders erfolgreichen oder nicht erfolgreichen Unternehmen, sondern die Aufdeckung der Besonderheiten der Positionierung, Profilierung und des Wettbewerbsvorteils im Grosshandel. Unternehmensstrategien (4A) werden nur am Rande diskutiert, und zwar in Verbindung mit den Positionierungsoptionen (4A −> 4B). Jede Strategie hat drei Aspekte: Strategieinhalt (“strategy content”), Strategieformulierung (“strategy formulation”) und Strategieumsetzung (“strategy implementation”).54 Aus Sicht einer Positionierungsstrategie bedeutet der Strategieinhalt die Wahl einer generischen Strategie, z.B. Kostenführerschaft oder Differenzierung.55 Die Strategieformulierung beinhaltet die Aktivitäten zur Festlegung des Strategieinhaltes und ist mit dem Einsatz von Techniken wie Branchen- und Wettbewerbsanalysen verbunden. Die Strategieumsetzung bezieht sich auf erforderliche Massnahmen auf der organisationellen Ebene (z.B. Anpassung der Organisationsstruktur, Festlegung von Koordinations- und Kontrollmechanismen). Der theoretische Beitrag dieser Arbeit beschäftigt sich vor allem mit dem Strategieinhalt und der Strategieformulierung und am Rande mit der Strategieumsetzung in einem klar abgegrenzten situativen Umfeld – in der Pharmagrosshandelsbranche. Die Strategieumsetzung weist keine wesentlichen situativen Merkmale des Grosshandels im Vergleich zu anderen Branchen auf, sondern folgt den allgemeinen Grundsätzen des Change Managements.56 So kann die Arbeit zur Forschungsrichtung der strategischen Marketingplanung gezählt werden. In diesem Rahmen zielt die Arbeit darauf ab, das Verständnis der Marktund Wettbewerbsevolution zu verbessern sowie die Forschung der Art und Weise zu ermöglichen, wie die Unternehmen diese Positionen finden und besetzen.57 54 Vgl. Varadarajan/Jayachandran, 1999, S. 121. 55 Vgl. Montgomery et al., 1989 für kritische Fragestellungen bei der Forschung des Strategieinhaltes. 56 Vgl. Experteninterview Zeller, 2003. 57 Vgl. Varadarajan/Jayachandran, 1999, S. 137. 28 1 Einführung Begriffliche Abgrenzung des Grosshandels In dieser Arbeit werden als Grosshandelsbetriebe alle Institutionen bezeichnet, die ausschliesslich oder überwiegend funktionellen Grosshandel im eigenen Namen und auf eigene Rechnung betreiben, wobei sie ihre geschäftspolitischen Entscheidungen autonom treffen.58 Die Grosshandelstätigkeit muss mehr als 50% der erwirtschafteten Wertschöpfung beitragen. Diese Definition entspricht dem Begriff der “merchant wholesalers”, der in der englischsprachigen Literatur verwendet wird. Sie sind “independently owned firms that purchase goods from suppliers for their own account, operate one or more warehouses in which they receive and take title to goods, store them, and later reship them.”59 1.4 Forschungsmethodik 1.4.1 Der qualitative Forschungsansatz Die im Abschnitt 1.2 definierten Ziele der Dissertation drücken den deskriptiven und theoriebildenden Charakter dieser Dissertation aus. Im Fokus steht die Beschreibung eines wenig erforschten Phänomens der Positionierung und der zweiseitigen Profilierung im Grosshandel vor dem Hintergrund dynamischer Rahmenbedingungen aus zwei Perspektiven. Die erste Perspektive behandelt den Begriff der zweiseitigen Profilierung und die Identifizierung und Klassifizierung von Positionierungs- und Profilierungsoptionen. Die zweite Perspektive bezieht sich auf das Vorgehen, wie der Grosshändler vorteilhafte Positionen am Markt finden und nachhaltig besetzen kann. “Until a phenomenon has been described, it cannot be adequately classified nor can operational measures be defined [...] Studies towards the description end of the continuum might be associated frequently with theory building [...] theory building is more connected to the tasks of description, classification and comparison [...].”60 Das in dieser Arbeit entwickelte Konzept ist in anderen Grosshandelsbranchen zu testen und bietet Grundlagen für die Entwicklung von Messkriterien für die zukünftige quantitative Forschung an. Die Arbeit geht von einem gegenwärtigen Praxisproblem aus, das im Rahmen seines realen Kontextes untersucht wird. Einerseits sind die Positionierung und 58 Weitere Charakteristika des Grosshandels werden in den Kapiteln 2 und 3 erläutert. 59 Vgl. Stern et al., 1996, S. 107f. 60 Bonoma, 1985, S. 201. 1.4 Forschungsmethodik 29 die Profilierung Themen, bei denen das Unternehmen in einen Bezug zu seiner Umwelt, Konkurrenten und Kunden, gestellt wird. Andererseits sind Marketingsituationen im Bereich Business-to-Business (B2B) wie im Grosshandel sehr komplex und lassen sich nicht auf einige wenige Variablen reduzieren. “B2B firms live with complexity, ambiguity, chaos, uncertainty, fuzzy boundaries and continuous change in both technology and the marketplace.”61 Wertvolle Hinweise und Unterstützung für die gewählte Methode bietet Porter (1991) in seinem Konzept der Theoriebildung durch Fallstudien.62 Demgemäss fassen theoretische Konzepte (frameworks) alle relevanten Variablen zusammen und dadurch wird versucht, die Komplexität der Wettbewerbssituation zu erfassen. “The theory embodied in frameworks is contained in the choice of included variables, the way variables are organized, the interactions among the variables, and the way in which alternative patterns of variables and company choices affect outcomes.”63 Die “frameworks” helfen dem Analysten innerhalb oder ausserhalb eines Unternehmens, ein Problem besser zu strukturieren, indem er das Unternehmen und seine Umwelt besser verstehen kann und verschiedene Alternativen definieren und auswählen kann, unabhängig von der Startposition. Porter (1991) empfiehlt für die Theoriebildung die Durchführung von vertieften Fallstudien. Nur so können relevante Variablen identifiziert werden, die Beziehung zwischen ihnen analysiert werden, und gleichzeitig wird der situative Charakter einzelner Unternehmen und ihrer Managemententscheidungen berücksichtigt.64 “Academic journals have traditionally not accepted or encouraged the deep examination of case studies, but the nature of strategy requires it.”65 1.4.2 Der qualitative Forschungsprozess In der vorliegenden Dissertation werden drei Hauptelemente der qualitativen Forschung kombiniert eingesetzt66: Fallstudien, induktive Forschung (grounded theory) und Marketinganthropologie. Die Fallstudienforschung hat die führende Rolle inne. Durch einzelne oder mehrere Fallbeispiele und -studien werden reale soziale Phänomene beschrieben, welche zur Theoriebildung oder Theorievali- 61 Gummesson, 2003, S. 483. 62 Vgl. Porter, 1991. 63 Porter, 1991, S. 98. 64 Vgl. Porter, 1991, S. 99. 65 ebenda. 66 Vgl. Gummesson, 2005, S. 322f. 30 1 Einführung dierung eingesetzt werden. Bei der induktiven Forschung werden neue Phänomene identifiziert und Konzepte entwickelt ohne Rücksicht auf bestehende Theorien, sondern nur aufgrund der beobachtbaren Realität.67 Die Daten im Bereich der Marketinganthropologie werden bei Interviews, persönlichen Kontakten und teilnehmender Beobachtung gesammelt. Der Einsatz der qualitativen Forschungsmethodik in der Form von Fallstudien und -beispielen erfolgt in fünf Schritten (siehe Abbildung 1.5). DESIGN LITERATURE OVERVIEW CONDUCT ANALYSE Definition of research designs Case study protocol Choose strategy for analysis Select single vs. multiple cases Pilot case study Modes of analysis Number of cases Pilot interviews Additional modes of analysis Number of interviews Sources of evidence and data collection Interview questions Interview protocols WRITE A CASE STUDY REPORT Abbildung 1.5: Mögliche Prozessschritte beim Einsatz der FallstudienMethodik Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Yin, 1994, Eisenhardt, 1989, Perry, 1998, Gummesson, 2005 Wichtige Merkmale des Forschungsprozesses sind: – Bei den Fallbeispielen und -studien hängt die Qualität der Ergebnisse vom theoretischen Vorverständnis ab, wie theoretischen Konstrukten, Modellen und Annahmen (propositions). “The process benefits from prior development of theoretical propositions to guide data collection and analysis.”68 Gleichzeitig sollten die theoretischen Konzepte die Offenheit und Flexibilität des Forschers nicht hemmen, um neue Phänomene zu entdecken und zu formulieren; 67 Die Methodik der induktiven Forschung wird zum grössten Teil mit den Arbeiten von Glaser/Strauss verbunden. Vgl. Strauss/Corbin, 1998, S. 9. 68 Yin, 1994, S. 13. 1.4 Forschungsmethodik 31 – Offenheit, Flexibilität und Iterativität69 charakterisieren den Prozess in jedem Schritt. Dies drückt sich nicht nur im variablen Einsatz unterschiedlicher Forschungsmethoden aus, sondern auch in der Möglichkeit, jederzeit den Rahmen der Untersuchung zu erweitern bzw. einzuengen. “Qualitative research is characterised by data collection, analysis and interpretation in part taking place simultaneously [...] .”70 Der Forscher ist in einem ständigen Kontakt mit dem Untersuchungsobjekt und passt dementsprechend den weiteren Verlauf der Forschung an. Oder wie Eisenhardt (1989) bemerkt: “Is it legitimate to alter and even add data collection methods during a study? For theory-building research, the answer is ‘yes’, because investigators are trying to understand each case individually and in as much depth as is feasible.”71 – Da der Prozess mit grossem zeitlichem und finanziellem Aufwand verbunden ist, bedarf er einer guten Planung.72 – Die Gütekriterien für den qualitativen Forschungsprozess unterscheiden sich von den Gütekriterien, welche in der quantitativen Forschung angewendet werden. Traditionelle Kriterien wie Signifikanz, Generalisierbarkeit, Konsistenz, Reproduzierbarkeit, Präzision sowie Verifikation sollten an die Realität in der qualitativen Forschung und die Komplexität der sozialen Phänomene angepasst werden.73 Gummesson definiert acht Gütekriterien für die Fallstudienforschung, welche auch in der vorliegenden Arbeit angestrebt werden:74 – Der Forschungsprozess sollte verfolgbar sein und der Leser sollte seine eigenen Schlussfolgerungen ziehen können. – Der Forscher sollte sein Vorverständnis theoretischer Konzepte und die Wahl seiner Paradigma vorstellen. – Die Forschung sollte glaubwürdig sein. – Der Forscher sollte einen angemessenen und geeigneten Zugang zum Erkenntnisobjekt haben. 69 Vgl. Tomczak, 1992, S. 83f. 70 Gummesson, 2005, S. 312. 71 Eisenhardt, 1989, S. 539. 72 Vgl. Bonoma, 1985, S. 206. 73 Vgl. Strauss/Corbin, 1998, S. 266f. 74 Vgl. Gummesson, 2000, S. 186f. 32 1 Einführung – Eine Beurteilung der Generalisierbarkeit und Validität der Forschung sollte vorhanden sein. – Der Forscher sollte einen Beitrag zum Erkenntnisfortschritt leisten. – Der Forschungsprozess sollte dynamisch sein. 1.4.3 Das Untersuchungsdesign Abbildung 1.6 veranschaulicht das Untersuchungsdesign und die eingesetzten Methoden in drei Phasen: Phase 1 Untersuchungsobjekt Phase 2 Phase 3 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld: Branchenanalyse und Analyse des Marketingkanals Besonderheiten der Wertschöpfung im Grosshandel im Spiegel der Literatur Fallstudie mit Dokumentenanalyse Experteninterviews 3 ausführliche Fallbeispiele und 6 kurze Fallbeispiele mit Dokumentenanalyse und Experteninterviews Fallstudie mit Dokumentenanalyse und Experteninterviews Untersuchungsmethodik Qualitative Auswertung Qualitative Auswertung Qualitative Auswertung Darlegung der Befunde Kapitel 2 Kapitel 3 und 4 Kapitel 5 Methoden Ableitung von Positionierungs- und Profilierungsoptionen am Beispiel von Pharmagrosshandelsunternehmen Vorgehenskonzept der zweiseitigen Profilierung am Beispiel eines Pharmagrosshändlers Abbildung 1.6: Untersuchungsdesign in drei Phasen Quelle: eigene Darstellung 1.4.3.1 Phase 1: Fallstudie Pharmamarkt Schweiz (2000–2005) Im Rahmen der Einzelfallstudie werden die Strukturen und die Teilnehmer am Pharmamarkt in der Schweiz beschrieben. D.h. Subeinheiten wie Pharmahersteller, Apotheken, Drogerien, selbstdispensierende Ärzte, Online-Apotheken etc. und Subthemen wie gesetzliche Regulierung in der Schweiz und in der EU werden analysiert und in einem zweiten Schritt nach einem theoretischen Raster zusammengefügt. So handelt es sich mehr um eine “embedded single case study” als um eine holistische Fallstudie.75 Die Fallstudie dient gleichzeitig als Pilotfallstudie für die folgenden Fallbeispiele und Fallstudien. Sie hat eine erste 75 Das so genannte “embedded case study design” betrifft die Analyse von komplexen Strukturen mit zahlreichen Subeinheiten. Im Vergleich dazu behandelt das holistische Fallstudiendesign einzelne Konzepte oder Organisationen (vgl. Yin, 1994, S. 42). 1.4 Forschungsmethodik 33 Analyse der strategischen Positionierung der Pharmagrosshändler erlaubt und die Möglichkeiten für eine weitere Zusammenarbeit wurden geprüft. Durch umfassenden Desk Research werden Informationen über die Marktentwicklung sowie über die Marktteilnehmer dargestellt. Marktanalysen, Trends in der Gegenwart und Zukunft sind die Themen von Experteninterviews mit Grosshandelsunternehmern. Triangulation wird erreicht durch Interviews zu diesem Thema mit Vertretern von Fachverbänden wie Apotheker-, Pharmagrossisten- und Herstellerverbänden. 1.4.3.2 Phase 2: Fallbeispiele Die Positionierungsoptionen und die zweiseitigen Profilierungsmassnahmen werden mit der Hilfe von “Multiple Case Studies” mit holistischem Charakter dargestellt. Im ersten Schritt werden Pharmagrosshandelsunternehmen aus der Schweiz, aus Deutschland und Grossbritannien mittels des Rasters zur Identifizierung von Geschäftsmodellen nach Treacy/Wiersema (1995) analysiert und die Fallpopulationen gebildet. Dabei werden zahlreiche Datenquellen verwendet: Internetseiten, Geschäftsberichte und andere Finanzberichte, Analyseberichte von Dritten (Beratungsunternehmen, Verbände etc.), andere Unternehmensunterlagen etc. Der Fokus wird auf die zweiseitige Ausrichtung der Wertkette der einzelnen Grosshändler gesetzt sowie auf die Konsequenzen für die Positionierungsstrategie und für die Profilierungsmassnahmen. Im zweiten Schritt werden geschlossene Fragen von den Pharmagrosshändlern beantwortet, um die strukturierten Ausprägungen pro Geschäftsmodell zu bestätigen. Die Selektion der Fallbeispiele und somit die Auswahl der Interviewpartner basieren auf der Desk-Research-Analyse. Zunächst werden die Positionierung und die zweiseitige Profilierung des Geschäftsfelds Grosshandel analysiert. In der Tabelle 1.1 wird die Population von Unternehmen veranschaulicht, aus der die Fallbeispiele gewählt werden. Dazu zählen alle Pharmagrosshändler in der Schweiz sowie die führenden Pharmagrosshändler in Deutschland und England, welche gleichzeitig zu den führenden und erfolgreichsten Grosshandelsunternehmen in Europa gehören. 34 1 Einführung Problemlöser Produktführer Galexis AG (Galenica) CH Zur Rose CH (Apotheke „Zur Rose“) GEHE Celesio D Voigt AG CH Alliance UniChem GB Sanacorp AG D Anzag AG D Noweda D Kostenführer Amedis-UE CH Phoenix AG D Tabelle 1.1: Fallpopulation für die Analyse des Geschäftsfeldes Grosshandel Quelle: eigene Darstellung Anschliessend wird die Beziehung zwischen dem Geschäftsfeld “Prewholesale” (Dienstleistungen für die Hersteller) und dem Geschäftsfeld Grosshandel näher untersucht. Die Positionierung und die Profilierung in beiden Geschäftsfeldern werden verglichen und die Chancen und Gefahren bei Übereinstimmung und Unterschieden werden analysiert. Die Schlussfolgerungen werden mit Beispielen aus der Praxis illustriert. Mögliche Beispiele bieten die Unternehmen in der Tabelle 1.2. Produktführer im Geschäftsfeld Grosshandel Galenica (Produktion, Prewholesale, Retail, Services, International) GEHE (Prewholesale, Retail, Services, International) Alliance UniChem (Prewholesale, Retail, International) Problemlöser im Geschäftsfeld Grosshandel Voigt AG (Prewholesale) Kostenführer im Geschäftsfeld Grosshandel Amedis-UE (Prewholesale im Aufbau, Retail) Phoenix (Prewholesale) Tabelle 1.2: Beispiele für die Analyse von Grosshändlern mit mehreren Geschäftsfeldern Quelle: eigene Darstellung 1.4.3.3 Phase 3: Fallstudie Vorgehenskonzept In der Phase 3 des Forschungsprozesses werden zwei Einzelfallstudien durchgeführt. Es handelt sich dabei um den so genannten “revelatory case”, wo der Forscher die Möglichkeit bekommt, Phänomene und Zusammenhänge zu 1.5 Vorgehen und Gliederung 35 beobachten und zu analysieren, welche schwierig zugänglich sind.76 Das theoretisch abgeleitete Vorgehenskonzept wird am Beispiel eines Pharmagrosshändlers, der Voigt AG, angewendet. Basierend auf Unternehmensunterlagen wird ein ausführliches Porträt des Unternehmens dargestellt. Um die Zweiseitigkeit auf der strategischen und auf der taktischen Ebene zu untersuchen, werden Interviews mit den Leitern Verkauf und Einkauf durchgeführt. 1.5 Vorgehen und Gliederung Die insgesamt sechs Kapitel dieser Arbeit sollen zur Erreichung der definierten Zielsetzung beitragen (siehe Abbildung 1.7). Nach der Einführung im Kapitel 1 werden im Kapitel 2 die Veränderungsprozesse im Umfeld des Pharmagrosshandels analysiert. Einerseits beeinflussen die Brancheneffekte nach McGahan/Porter (1997) die Profitabilität der Grosshandelsunternehmen mehr als in jeder anderen Branche. Andererseits ist die Analyse der Marktsituation und -evolution die Voraussetzung für die Marketingforschung mit Fokus auf die Positionierungsentscheidungen. Basierend auf den Arbeiten von Porter (1980, 1999), aber auch auf der MarketingChannels-Theorie, wird ein Raster zur Analyse der Grosshandelsbranche und des Marketingkanals aus Sicht des Grosshändlers entwickelt. Im Kapitel 3 wird die zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels behandelt. Im ersten Unterkapitel 3.1 werden die Theorien der Einschaltung der Grosshandelsbetriebe vorgestellt. Dann wird die Wertschöpfung unter die Lupe genommen. Die Zweiseitigkeit wird anhand von drei theoretisch abgeleiteten Bündeln aus wertschöpfenden Aktivitäten gegenüber dem Hersteller und Einzelhändler beschrieben – logistische Dienstleistungen, Marketingdienstleistungen, Finanzdienstleistungen. Verknüpfungen innerhalb der Wertkette und auch zu den Wertketten der benachbarten Wirtschaftsstufen werden analysiert. 76 Vgl. Yin, 1994, S. 41. 36 1 Einführung Kapitel-Nr. 1 Einleitung: Problemstellung, Zielsetzung, theoretische Einordnung, Forschungsmethodik, Vorgehen und Gliederung Kapitel-Nr. 2 Veränderungsprozesse im Umfeld des Pharmagrosshandels in der Schweiz (Fallstudie) Kapitel-Nr. 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels (theoretische Analyse) Kapitel-Nr. 4 Positionierungsstrategien und zweiseitige Profilierungsmassnahmen am Beispiel des Pharmagrosshandels (Fallbeispiele) Kapitel-Nr. 5 Vorgehenskonzept der zweiseitigen Profilierung am Beispiel des Pharmagrosshandels (Fallstudie) Kapitel-Nr. 6 Zusammenfassung und Ausblick für Forschung und Praxis Abbildung 1.7: Vorgehen und Gliederung der Arbeit Quelle: eigene Darstellung Im Kapitel 4 werden die Begriffe der Positionierung und der zweiseitigen Profilierung im Grosshandel abgeleitet. Die Basisthese ist, dass sich die festgestellte Zweiseitigkeit der Wertschöpfungskette des Grosshändlers auf seine Positionierung und insbesondere seine Profilierung auswirkt. Demzufolge haben die zweiseitigen Dienstleistungsbündel Ausprägungen je nach der verfolgten Positionierungsstrategie. Als Strukturierungsraster wird der Geschäftsmodellansatz nach Treacy/Wiersema (1995) und nach Rudolph (2000) eingesetzt.77 Im Rahmen von detaillierten Fallbeispielen werden Geschäftsmodelle im Schweizer Pharmagrosshandel vorgestellt. Angesichts der Dynamik der Rahmenbedingungen und der Europäisierung vervollständigen kurze Fallbeispiele aus dem europäischen Pharmagrosshandel das Bild der Positionierungsstrategien. Anschliessend wird das Geschäftsfeld „Prewholesale“ und seine Auswirkungen auf die zweiseitige Profilierung im Geschäftsmodell Grosshandel diskutiert. 77 Die Analyse erfolgreicher Geschäftsmodelle im Einzelhandel von Rudolph, 2000 wird berücksichtigt. 1.5 Vorgehen und Gliederung 37 Im Kapitel 5 werden die Erkenntnisse aus der qualitativen Forschung aus den Kapiteln 2, 3 und 4 im Rahmen von einem Vorgehenskonzept der zweiseitigen Profilierung angewendet. Nach einem theoretischen Raster wird eine ausführliche Fallstudie mit einem Pharmagrosshändler durchgeführt. Erste Erkenntnisse über das Vorgehen der Positionierung und Profilierung im Pharmnagrosshandel werden festgehalten. Die Zusammenfassung und der Ausblick für weitere Forschung und für die Praxis erfolgen im Kapitel 6. 38 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren Im Fokus des zweiten Kapitels steht die Analyse des Grosshandelsumfeldes, der stattfindenden Veränderungsprozesse und der sich abzeichnenden Trends. Die hier analysierten externen Faktoren dienen als Basis für die Bewertung Erfolg versprechender Positionierungs- und Profilierungsoptionen auf der Ebene des einzelnen Unternehmens. Das Grosshandelsumfeld wird aus zwei Perspektiven analysiert, die unterschiedliche Einblicke in die Strukturen und Wechselbeziehungen gewähren (Tabelle 2.1). Die Marketingkanalperspektive betrachtet die Rolle der Grosshandelsunternehmen im Rahmen der unternehmensübergreifenden Wertschöpfungskette, des Marketingkanals. Die Branchenperspektive behandelt die Wettbewerbsstruktur der Grosshandelsbranche und ihre Determinanten. Ziele Erste Perspektive: Analyse des Marketingkanals als unternehmensübergreifende Wertschöpfungskette Zweite Perspektive: Analyse der Pharmagrosshandelsbranche − Kenntnis der Unternehmensaktivitäten aller Mitglieder der Wertschöpfungskette und der Koordinationspotenziale; − Entwicklung von wettbewerbsfähigen Wertschöpfungsketten und neue strategische Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit Lieferanten und Abnehmern zum Ziel einer optimalen Endkundenorientierung. − Attraktivität der Grosshandelsbranche durch Analyse der Wettbewerbskräfte: Verhandlungsstärke der Lieferanten und Abnehmer, Gefahr des Markteintritts und der Substitution, Einfluss des Staates; − Brancheneigene Chancen und Gefahren analysieren zur effektiven Entwicklung von Positionierungsstrategien. Theoretische Siehe Abschnitt 2.1 Grundlagen und Methodik Siehe Abschnitt 2.2 Tabelle 2.1: Analyse des Grosshandelsumfeldes aus zwei Perspektiven Quelle: eigene Darstellung 2.1 Theoretische Grundlagen 39 Für eine detaillierte Aufstellung und Analyse der Chancen und Risiken aus Sicht des Grosshändlers wird das Modell zur Analyse von Trendveränderungen von Rudolph (1999) eingesetzt (siehe Punkt 2.3). Im Rahmen einer explorativen Fallstudie werden die theoretischen Modelle auf dem Pharmamarkt der Schweiz angewendet. Der Aufbau lässt sich in drei Abschnitte aufteilen. Der erste Abschnitt betrachtet die unternehmensüberreifende Wertschöpfungskette am Pharmamarkt und schliesst auf Hauptrends im Pharmamarkt. Im zweiten Abschnitt wird die Pharmagrosshandelsbranche analysiert und branchenspezifische Trendausprägungen werden abgeleitet. Im dritten Abschnitt werden die strategischen Chancen und die Risiken für die Pharmagrosshändler zusammengestellt. 2.1 Theoretische Grundlagen 2.1.1 Der Marketingkanal als Wertschöpfungskette Jedes Grosshandelsunternehmen stellt einen Teil einer unternehmensüberreifenden Wertschöpfungskette, eines Marketingkanals, dar. Nach Stern et al. (1996) ist der Marketingkanal “a set of interdependent organizations involved in the process of making a product or service available for use or consumption”78 oder mit anderen Worten “an orchestrated network that creates value for the user or consumer through the generation of form, possession, time, and place utilities”79. Als System interdependenter Institutionen transformiert der Marketingkanal Inputs aus anderen Systemen in bestimmte Service Outputs. Zwei Subsysteme bilden das Gefüge des Marketingkanals: der Handelssektor (Produzenten, Grosshändler und Einzelhändler) und der Konsumentensektor (Endkonsumenten und Industriebenutzer). Bei der Entwicklung von Marketingstrategien gewinnt eine erweiterte Sicht auf den Marketingkanal immer mehr an Bedeutung. So legt Porter (1985) fest: “A channel value chain is formed by the linkages between the value chains of channel members called vertical linkages. These linkages provide opportunities for competitive advantage […]”80. Er weist darauf hin, dass die Quellen für Wettbewerbsvorteile nicht nur in der internen Wertschöpfungskette der Marketingkanalmitglieder, sondern auch in der Gestaltung der vertikalen 78 Stern et al., 1996, S. 1. 79 ebenda. 80 Vgl. Porter, 1985, S. 33−53. 40 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren Beziehungen zu vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen liegen.81 Der Marketingkanal ist das Wertsystem, in dem die Wertkette der Grosshandelsunternehmen eingebettet ist.82 Der Marketingkanal bzw. das Wertsystem des Grosshandels funktionieren in einer dynamischen Umwelt (siehe Abbildung 2.1).83 Wirtschaft Umwelt im Land A Physische Geographie Distributionsstruktur Wertsystem des Grosshandelsunternehmens Distributionskanal Wertkette des Herstellers Handelssektor Konsumentensektor Grosshandel Soziale Struktur Technologie Hersteller Wertkette des Grosshandels Einzelhandel Wertkette des Einzelhandels/ der Industrie Konsument Wertkette des Konsumenten Kanalstrukturen im Wettbewerb Kultur Politisch-rechtlich Abbildung 2.1: Der Marketingkanal als das offene Wertsystem des Grosshandels Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Stern et al., 1996, S. 17, Porter, 2000, S. 64 “The evolution of channel systems is an ongoing adaptation of organizations to economic and sociopolitical forces both within the channel and in the external environment”.84 Diese treibenden Kräfte sind wirtschaftlicher, sozio-kultureller, 81 Eine Analyse der Verknüpfungen zwischen der Wertkette des Grosshandelsunternehmens und jenen seiner Lieferanten und Abnehmer wird im Kapitel 3 dieser Arbeit vorgenommen. 82 Vgl. Porter, 2000, S. 63f. 83 Vgl. Stern/Reve, 1980, S. 52−64. 84 Morris/Sirgy, 1985, S. 336−338, zitiert in Stern et al., 1996, S. 18. 2.1 Theoretische Grundlagen 41 politisch-rechtlicher und technologischer Natur. Der Marketingkanal wird auch durch die lokalen, nationalen oder internationalen Gegebenheiten beeinflusst. Die Analyse des Marketingkanals als unternehmensübergreifende Wertschöpfungskette berücksichtigt die Wertketten der einzelnen Marktteilnehmer, die Verknüpfungen zwischen ihnen und erfolgt in drei Schritten.85 In einem ersten Schritt wird die Struktur des Marketingkanals dargestellt und werden die Unternehmen identifiziert, welche auf jeder Stufe tätig sind. Jedes Mitglied des Marketingkanals führt bestimmte Funktionen im Rahmen seiner eigenen Wertschöpfungskette aus und schafft unmittelbaren Mehrwert für die nächste Wertschöpfungsstufe. In der unternehmenseigenen Wertschöpfungskette erfolgt dies durch das Zusammenspiel primärer und unterstützender Aktivitäten sowie durch die Verknüpfungen zu Lieferanten und Abnehmern.86 Im zweiten Schritt werden die Aufgaben beschrieben, welche die Unternehmen auf jeder Wertschöpfungsstufe ausführen. In einem dritten Schritt werden die Marketingflüsse analysiert, deren Kontrolle und Zugänglichkeit von den Marktteilnehmern angestrebt werden. Die Aktivitäten entlang dem Marketingkanal sind zahlreich und sehr komplex. Sie lassen sich durch das Konzept der Marketingflüsse (“Marketing Flows”) strukturieren.87 2.1.2 Die Branchenanalyse − Begriff und Methodik Die Branche, wo ein Unternehmen konkurriert, ist der Kern seines Unternehmensumfeldes.88 Nach McGahan/Porter (1997) beeinflussen die Brancheneffekte die Profitabilität des Grosshandels mehr als die jeder anderen Branche.89 Die gute Kenntnis der Branchenstruktur und -dynamik ist deshalb für den Grosshandel entscheidend, um die Chancen und Risiken durch externe Kräfte zu verstehen und entsprechende Managementmassnahmen für die Positionierung und Profilierung zu bestimmen. Die Analyse der Branchenstruktur schliesst die Identifizierung der Determinanten der Branchenstruktur und die Analyse der treibenden Kräfte für die 85 Vgl. Burns et al., 2002, S. 17 (The Wharton School Study on the Health Care Value Chain). 86 Vgl. Porter, 2000, S. 77f., das Konzept der Wertschöpfungskette wird in den Kapiteln 3 und 5 erläutert und ist einer der grundlegenden Bestandteile des Konzeptes, vorgestellt in dieser Arbeit. 87 Vgl. Stern/El-Ansary, 1992, S. 12, adaptiert von Vaile/Grether/Cox, 1952, S. 113, in der deutschsprachigen Literatur bekannt als Leistungsströme (vgl. Algermissen, 1981). 88 Vgl. Porter, 1999, S. 33. 89 McGahan/Porter, 1997, S. 16, auf Basis repräsentativer Daten aus Compustat Business Segment Reports in der Periode 1981−1994 stellen sie fest, dass die Brancheneffekte mehr als 40% der Varianz in der Grosshandelsbranche erklären unabhängig der Phasen der Konjunkturzyklen. 42 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren Branchenentwicklung ein, um anschliessend die möglichen Wettbewerbsstrategien zur Abwehr gegenüber den Wettbewerbskräften abzuleiten. Porter (1978, 1980) definiert fünf Kräfte, welche die Wettbewerbsintensität und die Branchenrentabilität bestimmen: Rivalität unter den bestehenden Unternehmen einer Branche, Gefahr des Markteintritts, Gefahr durch Ersatzprodukte (Substituten), Verhandlungsstärke der Abnehmer und Verhandlungsstärke der Lieferanten.90 Die Faktoren, welche die Wirkung der einzelnen Kräfte beeinflussen, sind in der Abbildung 2.2 veranschaulicht. Einflussfaktoren: – Eintrittsbarrieren – Erwartete Vergeltung – Kritischer Eintrittspreis – Austrittsbarrieren 2 Einflussfaktoren: – Anzahl der Wettbewerber – Branchenwachstum – Fixkosten – Differenzierung der Produkte/ Umstellungskosten – Kapazitätserweiterung – Heterogene bzw. homogene Wettbewerber – Strategische Einsätze – Austrittsbarrieren Verhandlungsmacht der Lieferanten 5 Bedrohung durch Markteintritt 1 Rivalität unter den bestehenden Unternehmen Einflussfaktoren: – Konzentration und Grösse der Einkäufe – Bedeutung des Produktes – Standardisierung – Umstellungskosten – Preisempfindlichkeit – Rückwärtsintegration – Informationstransparenz über die Produkte 2 4 3 Bedrohung durch Substituten Einflussfaktoren: – Relativer Wert/Preis des Substitutionsproduktes – Umstellungskosten – Umstellungsneigung des Abnehmers Verhandlungsmacht der Abnehmer Einflussfaktoren: – Konzentration und Grösse der Einkäufe – Bedeutung des Produktes – Standardisierung – Umstellungskosten – Preisempfindlichkeit – Rückwärtsintegration – Informationstransparenz über die Produkte Abbildung 2.2: Das Modell der fünf Wettbewerbskräfte Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Porter, 1980, 1995, 1999 Als bedeutendste Weiterentwicklung des Porter’schen Modells der Branchenanalyse wird in der Literatur das Modell von Nalebuff/Brandenburger (1996) bezeichnet. Demgemäss beeinflussen vier Kräfte den Wertschöpfungsprozess in einer Branche: “customers, suppliers, competitors and complementators”91. Die Autoren begründen die gleichwertige Bedeutung der Konkurrenten und der komplementären Anbieter mit der wachsenden Bedeutung der 90 Vgl. Porter, 1999, S. 36. 91 Vgl. Nalebuff/Brandenburger, 1996, S. 15ff. 2.1 Theoretische Grundlagen 43 Kooperationen und Allianzen. Diese Weiterentwicklung integriert Porter (1999, 2000a) in seinen neueren Beiträgen. Dabei fügt er auch die Rolle des Staates und der Endkonsumenten als Strukturdeterminanten der Wettbewerbsattraktivität hinzu. Diese Weiterentwicklungen werden in der Abbildung 2.3 veranschaulicht. Einflussfaktoren: – Gesetzliche Vorschriften – Staatliche Subventionen – Der Staat als Abnehmer Einflussfaktoren: Trends bei Kosten, Qualität und Verfügbarkeit Bedrohung durch Markteintritt Rolle des Staates 7 Rivalität unter den bestehenden Unternehmen Verhandlungsmacht der Lieferanten 5 Bedrohung durch Substituten 1 2 Komplementäre Produkte 6 Verhandlungsmacht der Abnehmer 4 Verhandlungsmacht der Endkonsumenten 8 3 Abbildung 2.3: Weiterentwicklung des Porter’schen Modells der Branchenanalyse Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Nalebuff/Brandenburger, 1996, Porter, 1999, 2000a 2.1.3 Treibende Kräfte der Veränderungsprozesse Die Veränderungen in der Branchenstruktur sind nach Porter (1999) evolutionäre Prozesse.92 Um die Branchenentwicklung zu analysieren, empfiehlt Porter (1999) die Suche nach treibenden Kräften, die dem Transformationsprozess zugrunde liegen.93 Er ist der Meinung, dass einzelne Entwicklungsmuster wie z.B. der Produktlebenszyklus keine fruchtbaren Informationen auf Branchenebene liefern können. Der ursprüngliche Zustand wird durch die zugrunde liegenden technisch-ökonomischen Merkmale der Branche, die „anfänglichen Restriktionen durch unzureichende Branchengrösse sowie Fähigkeiten und Mittel der 92 Obwohl die Evolutionsprozesse jeder Branche sehr spezifisch und deshalb situativ zu analysieren sind, beschreibt Porter einige Prozesse und ihre Bestimmungsfaktoren, die sich verallgemeinern lassen (vgl. Porter, 1999, S. 222−251). 93 Vgl. Porter, 1999, S. 221. 44 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren Pionierunternehmen” beschrieben.94 Die treibenden Kräfte verändern ein oder mehrere Strukturelemente der Branche nachhaltend. Sie ziehen weitere Veränderungen nach sich, „da eine Branche ein vernetztes System ist“.95 „Die evolutionären Prozesse treiben die Branche auf ihre potenzielle Struktur zu [...]“.96 Die Branchenstruktur ist eng mit dem Marketingkanal verbunden. Nach Porter (1999a) bestimmt die Branchenstruktur, wie „das Machtgefüge zwischen dem Unternehmen, seinen Abnehmern und Lieferanten aussieht, was sowohl im Aufbau der Wertkette eines Unternehmens als auch in der Verteilung der Gewinnspannen zwischen Abnehmern, Lieferanten und Koalitionspartnern zum Tragen kommt“.97 Bei einem Vergleich der Faktoren der Branchenentwicklung mit den treibenden Kräften der Veränderung des Marketingkanals kann festgestellt werden, dass sie mit Ausnahme der strukturellen Veränderungen in benachbarten Branchen und des Produktlebenszyklus identisch sind. Rudolph (1999) definiert drei Haupteinflussfaktoren der dynamischen Handelsentwicklung nach Auswertung der Ergebnisse aus der Trendforschung und aus qualitativen Interviews mit Handelsexperten, die eine Gewichtung der schon bekannten Faktoren aufzeigen (siehe Tabelle 2.2). Evolutionäre Kräfte der Branchenentwicklung Veränderung der Unternehmensgrösse Verhalten der Konkurrenz Evolutionäre Kräfte der Gewichtung in Bezug auf die Entwicklung des dynamische Marketingkanals Handelsentwicklung Konsolidierungsprozesse Verhalten der Wettbewerber Technologischer Wandel und Niveau der Technologie Innovationsdynamik Makroökonomische Indikatoren Staatliche Massnahmen 94 Vgl. Porter, 1999, S. 247. 95 ebenda. 96 Porter, 1999, S. 221. 97 Vgl. Porter, 2000, S. 93. Makroökonomische Indikatoren Gesetzliche Regulierung und Deregulierung Neue Informationsund Kommunikationstechnologien Liberalisierung der Märkte 2.1 Theoretische Grundlagen Evolutionäre Kräfte der Branchenentwicklung Eintritte und Austritte (neue Wettbewerber) Konsumentenverhalten Wechsel der bedienten Abnehmersegmente 45 Evolutionäre Kräfte der Gewichtung in Bezug auf die Entwicklung des dynamische Marketingkanals Handelsentwicklung Eintrittsbarrieren Stärke der Konsumenten- Veränderungen im loyalität KonsumentenGeografische Dispersion verhalten der Endkonsumenten Strukturelle Veränderungen in benachbarten Branchen Phase im Produktlebenszyklus Tabelle 2.2: Faktoren der Branchenentwicklung und der Veränderung des Marketingkanals sowie ihre Gewichtung in Bezug auf die Handelsentwicklung Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Porter, 2000, Stern/El-Ansary, 1992, Lambkin/Day, 1989 und Rudolph, 1999, S. 62 Die Analyse der Veränderungsprozesse berücksichtigt die Langfristtrends, die Trendausprägungen bei den Lieferanten und Abnehmern des Grosshandels sowie bei den Grosshändlern selbst und die Beschleunigungskräfte dieser Veränderungen.98 Sie bildet das Strukturierungsraster für die Analyse der Grosshandelsentwicklung im Allgemeinen und der Entwicklung des Pharmagrosshandels in der Schweiz im Speziellen. Die Analyse erfolgt in drei Schritten: 1. Wichtigste treibende Kräfte herausfiltern Die Langfristtrends, identifiziert im Rahmen der Analyse des Marketingkanals, werden mit den branchenspezifischen Trendausprägungen in Zusammenhang gebracht und ihre gemeinsame Wirkung analysiert. Abbildung 2.4 veranschaulicht mögliche Wechselwirkungen zwischen den einzelnen treibenden Kräften, welche sich an die Ausführungen von Porter (1999) anlehnen. 98 In seinem Modell zur Analyse von Trendveränderungen stellt Rudolph differenziert die Haupteinflussfaktoren, die Langfristtrends, die daraus abzuleitenden kurzfristigen Trendveränderungen und die Akzeleratoren oder die Beschleunigungskräfte für die Veränderungen dar (vgl. Rudolph, 1999, S. 100ff.). 46 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren Branchenspezifische treibende Kräfte Haupteinflussfaktoren Technologischer Wandel Produktivitätssteigerung Konsumentenverhalten Effizienzsteigerung Kostendynamik Branchenwachstum Veränderungen in den Abnehmer-/ Lieferantenbranchen Substitutionsprodukte Verhalten der Konkurrenz Eintritte/ Austritte Branchenkonsolidierung Staatliche Regulierung/ Deregulierung Abbildung 2.4: Wechselwirkung zwischen den treibenden Kräften Quelle: eigene Darstellung Rudolph, 1999 in Anlehnung an Porter, 1999, Die Bedeutung der einzelnen treibenden Kräfte ist in jeder Grosshandelsbranche bzw. in jedem Marketingkanal unterschiedlich. Deshalb ist ein situatives Vorgehen erforderlich.99 Nach Rudolph (1999) sind zwei zentrale Herausforderungen bei der Identifizierung und Analyse treibender Kräfte zu meistern. Zum einen sind die wichtigsten treibenden Kräfte herauszufiltern und aus ihnen „unternehmungsspezifische Trendausprägungen abzuleiten“100. Zum anderen ist es notwendig, „den Wirkungszusammenhang von Trendveränderungen zu verstehen“101. Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien wirken sich sowohl direkt auf die Grosshandelsbranche als auch mittelbar durch den Einfluss auf die Lieferanten- und Abnehmerbranchen aus. Sie führen zu Langfristtrends wie Produktivitätssteigerungen oder Effizienzsteigerungen. Sie bieten neue Möglich99 Vgl. Rudolph/Maag, 1999, S. 24. 100 Rudolph, 1999, S. 61. 101 ebenda. 2.1 Theoretische Grundlagen 47 keiten für die Endkonsumenten, die Produkte und die damit verbundenen Informationen in Anspruch zu nehmen, und führen zu Veränderungen im Endkonsumentenverhalten. Die Trends im Endkonsumentenverhalten haben nur einen indirekten Einfluss auf das Wachstum der Grosshandelsbranche, so dass zuerst Trends in den Lieferanten- und Abnehmerbranchen zu ermitteln sind. Die Endkonsumenten können auch Druck auf die staatliche Regulierung ausüben, wenn sie die Produkte zu gesellschaftswichtigen Themen machen. Die staatliche Regulierung und Deregulierung beeinflusst wiederum direkt die Ein- und Austritte in der Grosshandelsbranche und führt somit zu Konsolidierungsprozessen. Eine Konsolidierung im Grosshandel kann aber auch durch Konsolidierungsprozesse in den Lieferanten- und Abnehmerbranchen erfolgen. 2. Strategische Chancen und Risiken für den Grosshandel Die für den Grosshandel wichtigen Beschleunigungskräfte und die Trendausprägungen, welche strategische Chancen und Risiken bergen, werden zusammengefasst. Als relevant für den Grosshandel sind jene Akzeleratoren (Beschleunigungskräfte) einzubeziehen, welche die Funktionenentstehung und – substitution auslösen.102 Anders formuliert, sind das die Kräfte, welche die Bedürfnisse der Lieferanten und der Abnehmer nach Grosshandelsleistungen beeinflussen und verändern. 102 Vgl. Rudolph/Maag, 1999, S. 26. 48 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz 2.2.1 Das Medikament Das Medikament ist ein Mittel zur Behandlung von Krankheitserscheinungen und Beschwerden beim Menschen (Humanpräparate) oder beim Tier.103 Es kann Krankheiten heilen (kurative Arzneimittel), lindern (palliative Arzneimittel) oder verhüten (präventive Arzneimittel). Ein Medikament kann auch vom Körper selbst erzeugte Stoffe oder Flüssigkeiten ersetzen oder Mikroerreger, Parasiten und andere körperfremde Stoffe, welche eine Krankheit verursachen, unschädlich machen.104 Die Medikamente können in Originalpräparaten und Generika aufgeteilt werden. Die Entwicklung eines neuen Originalpräparates ist heutzutage mit erheblichen Investitionen verbunden.105 Deshalb wird der Wirkstoff oder die Darreichungsform durch ein Erfindungspatent oder eine entsprechende Lizenz geschützt. Nach Patentablauf können andere Hersteller Medikamente mit demselben Wirkstoff, aber mit anderen Hilfsstoffen, herstellen und verkaufen. Es handelt sich dabei um ein so genanntes Generikum. Eine zweite Klassifikation wird durch das Schweizerische Heilmittelinstitut, Swissmedic, vorgenommen. Aufgrund des jeweiligen Nutzen-Risiko-Verhältnisses werden die Humanpräparate in unterschiedliche Listen aufgeteilt, welche Auskunft über die Abgabeberechtigung des Präparates geben (Tabelle 2.3). Die Präparate aus den Listen A und B zählen zur Gruppe der so genannten rezeptpflichtigen Medikamente. Die Medikamente aus den Listen C, D und E werden ohne ärztliche Verschreibung verkauft, deshalb werden sie auch OTCMedikamente – over-the-counter (über den Ladentisch) – genannt. Sie dienen der eigenverantwortlichen Behandlung seitens der Patienten. 103 Im Fokus dieser Arbeit sind die Humanpräparate. 104 Pharmamarkt Schweiz 2003, www.interpharma.ch. 105 Die Forschung und Entwicklung eines neuen Medikamentes kostet rund 1 Mrd. CHF (vgl. Pharmamarkt Schweiz, 2003). 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz Liste Erläuterung Liste A einmalige Abgabe auf eine ärztliche Verschreibung hin Liste B mehrmalige Abgabe auf eine ärztliche Verschreibung hin Liste C rezeptfreie Abgabe nach Fachberatung, beschränkt auf Apotheken Liste D rezeptfreie Abgabe nach Fachberatung, beschränkt auf Apotheken und Drogerien Liste E rezeptfreie Abgabe ohne Fachberatung in allen Geschäften Tabelle 2.3: Abgabekategorien der Arzneimittel Quelle: Pharmamarkt Schweiz 2005 49 2.2.2 Der Marketingkanal für Medikamente 2.2.2.1 Abgrenzung des Pharmamarktes Der Pharmamarkt oder der Markt für pharmazeutische Produkte stellt einen Teil des Gesundheitsmarktes dar. Zum Gesundheitsmarkt zählen alle Produkte, Verfahren und Methoden, die durch Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge der Gesundheit förderlich sind.106 Zum Pharmamarkt zählen alle Institutionen, welche mit der Forschung und Entwicklung, Produktion, Marketing, Vertrieb, Abgabe und Finanzierung von Medikamenten im Sinne der im Abschnitt 2.2.1 vorgestellten Definitionen beschäftigt sind. Die Abbildung 2.5 veranschaulicht die einzelnen Wertschöpfungsstufen und eine beispielhafte Zuordnung der Institutionen am Pharmamarkt der Schweiz. Einzelne Institutionen können mehrere Prozesse integrieren. Die Regelung der Abgabeorte für Medikamente durch das Schweizerische Heilmittelinstitut (Tabelle 2.3) beeinflusst massgeblich die Struktur der Marketingkanäle und die Gestaltung der Produkt-, Finanzierungs- und Informationsströme. Je nachdem, ob es sich um rezeptpflichtige oder rezeptfreie Medikamente handelt, weisen die Marketingkanäle einige wesentliche Unterschiede auf. Sie werden in den Abschnitten 2.2.2.2 und 2.2.2.3 erläutert. 106 Vgl. Kunz, 2001, S. 38. 50 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren Krankenkassen Health Maintenance Organizations (HMO) Prewholesalers Prewholesale Rohmaterialen Produzenten chemischer Substanzen Forschung & Entwicklung Biotechnologieunternehmen Universitäten Produktion Marketing Spezialisierte ProduktionsUnternehmen unter Vertrag Pharmaunternehmen Pharmaunternehmen Generikaproduzenten Generikaproduzenten Finanzierung Abgabe Zahler Vertrieb Staat Pharmagrosshandel Arbeitnehmer Ärztelieferanten Individuen Handelsvertreter Abbildung 2.5: Wertschöpfende Prozesse und beispielhafte Zuordnung der Institutionen am Pharmamarkt der Schweiz Quelle: eigene Darstellung 2.2.2.2 Der Marketingkanal für rezeptpflichtige Medikamente Die Struktur des Marketingkanals für rezeptpflichtige Medikamente in der Schweiz ist mindestens vierstufig (siehe Abbildung 2.6).107 Grundsätzlich kann man zwischen einer Hersteller-, einer Grosshandels- und einer Abgabestufe unterscheiden. Auf der Herstellerstufe sind alle Anbieter von rezeptpflichtigen Medikamenten situiert – schweizerische Pharma- und Generikaproduzenten, Vertretungen ausländischer Pharmaproduzenten, Importeure ausländischer Medikamente. Die Vertriebsstufe schliesst die Pharmagrossisten und Agenten wie Ärztelieferanten und Vertretungen ausländischer Pharmaproduzenten ein. Zwischen der Hersteller- und der Vertriebsstufe können auch die so genannten Prewholesalers eingeschaltet werden, welche die ausgelagerte Vertriebs- und Logistikabteilung der Pharmahersteller darstellen. Die Abgabe der Medikamente ist zweistufig. Die erste Stufe bilden die zur Direktabgabe berechtigten Ärzte mit eigener Apotheke (so genannte selbstdispensierende Ärzte), die Ärzte ohne Medikamentenabgabe und die Spitalärzte mit Spitalapotheke. Die zweite Stufe 107 Der Marketingkanal hat eine vierstufige Struktur, wenn er aus vier Gruppen von Teilnehmern besteht: Herstellern, Grosshändlern, Einzelhändlern, Konsumenten (vgl. Rosenbloom, 1999, S. 23). 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz 51 bilden die stationären Apotheken und die Versand- bzw. Online-Apotheken, welche nur gegen die Vorlage eines Rezeptes das Medikament abgeben dürfen. Ein grosser Teil der rezeptpflichtigen Medikamente ist erstattungsfähig, d.h. der Preis wird vom Bundesamt für Sozialversicherungen festgelegt108 und der Betrag wird von der Krankenversicherung beglichen. Pharmahersteller Importeure Hersteller Prewholesale Grosshandel Ärztelieferant/ -grossist Grosshandel Abgabe (Fachhandel) Apotheken SD-Ärzte Spitäler/Heime Versand-/Onlineapotheken Patienten Arzt Endkonsument Krankenkasse Abbildung 2.6: Struktur des Marketingkanals für rezeptpflichtige Medikamente Quelle: eigene Darstellung Die Produktion eines Originalpräparates durchläuft drei Phasen: Grundlagenforschung und Entdeckung eines neuen Wirkstoffes, die Entwicklung und Produktherstellung sowie die Markteinführung.109 Alle drei Phasen werden durch die Pharmafirmen im Rahmen eines umfassenden Projektmanagements durchgeführt. Dabei werden alle Phasen zunehmend an spezialisierte Sublieferanten 108 Die Preise der Medikamente aus der so genannten Spezialitätenliste werden öffentlich publiziert – www.sl-preise.ch. 109 Vgl. Gassmann et al., 2004, S. 88. 52 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren ausgegliedert.110 In den ersten zwei Phasen sind vorwiegend BiotechUnternehmen und Universitäten tätig. Nachdem das Medikament vom Heilmittelinstitut zugelassen worden ist, beginnt seine tatsächliche Herstellung. Zunächst wird der Wirkstoff isoliert und synthetisiert. Dann wird mittels des Hilfsstoffes eine Darreichungsform (z.B. Tablette) hergestellt und in einer entsprechenden Verpackung konfektioniert. Jedes Los von Medikamenten erhält eine Kontrollnummer, nach der die Verpackung zurückverfolgt werden kann. Die Produktion findet zunehmend in spezialisierten Produktionsstätten unter Vertrag statt. Sämtliche Marketing- und Werbeaktivitäten bei den rezeptpflichtigen Medikamenten werden von den Pharmafirmen selbst ausgeführt. Heutzutage sind sie viel mehr Marketing- und Verkaufsspezialisten als Produzenten.111 Die Handelsvertretungen der ausländischen Produzenten sind auch im Bereich des Marketings und des Verkaufs tätig. Die Lagerung der Fertigprodukte und ihr Vertrieb finden mit Hilfe von Prewholesalern oder direkt mittels Pharmagrossisten statt. Die Prewholesaler beliefern andere Grossisten sowie Ärzte, Apotheken und Spitäler. Neben der Lagerung und dem Vertrieb übernehmen sie für ihren Auftraggeber die Bestellabwicklung, die Kontrolle der Kreditwürdigkeit der Abnehmer, die Rechnungsstellung und das Inkasso. Die Pharmagrosshändler erfüllen drei Hauptaufgaben sowohl zugunsten der Pharmahersteller als auch zugunsten der abgabeberechtigten Institutionen (Apotheken, SD-Ärzte, Spitäler, Heime). Die erste Hauptaufgabe schliesst die logistische Leistung ein – die Marktabdeckung, die Lagerhaltung, Bestellabwicklung, die Organisation von Entsorgung und Retouren, die Sicherung einer hohen Produktverfügbarkeit und die Feinverteilung der Fertigprodukte an den berechtigten Abgabeorten. Zur zweiten Hauptaufgabe zählen die Marketingleistungen wie Abdeckung des Marktverhaltens, Vertriebskontakt, Sammlung von Marktinformationen, Sortimentsbildung, Marketingunterstützung und Schulung. Die letzte dritte Hauptaufgabe enthaltet Finanzierungsdienstleistungen, welche durch die Lagerhaltung einerseits und durch vorzeitige Eigentums- und Risikoübertragung sowie durch Kreditierung andererseits erbracht werden. 110 20 bis 60% beträgt der ausgegliederte Teil der Aktivitäten (vgl. Geschäftsbericht Lonza 2004, S. 53). 111 Vgl. Experteninterview Gisler, 2004. 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz 53 Die Ärztelieferanten sind spezialisierte Unternehmen, welche einige Grosshandelsfunktionen zugunsten der Ärzte erbringen. Sie unterstützen den Arzt bei der Bestellung, Sortimentsbildung, Lagerhaltung und Kontrolle sowie der Praxiseröffnung. Die Belieferung der Arztpraxen organisieren sie selbst oder mittels eines Pharmagrosshändlers bzw. spezialisierten Transportunternehmens. Die Kernprozesse einer Apotheke sind mit der Abgabe der Medikamente gegen Rezept verbunden. Nach der Bestellung bei einem Grossisten oder Hersteller folgen die Prozesse Wareneingang, Lagerhaltung, Kontrolle der gelieferte Medikamenten und Revision der Lagerbestände. Entsprechende Kundenzufriedenheitsmessung und Erledigung von Reklamationen werden auch getätigt.112 Der Ablauf weist bei den SD-Ärzten keine Unterschiede auf. Verschiedene Marketingkanäle für rezeptpflichtige Medikamente stehen zueinander im Wettbewerb. Dieser Wettbewerb kann auf der Stufe Grosshandel betrachtet werden. Der Weg des Produktstroms wird zum Beispiel durch die Art und den Wert des Medikaments bestimmt. Wenn es um sehr teure Originalpräparate mit komplexen Spezifikationen geht, wird das Medikament vom Hersteller direkt vertrieben.113 Dafür gibt es drei Gründe. Erstens möchten die Pharmafirmen den direkten Kontakt zu den Ärzten und Apotheken und somit zu den Endkonsumenten behalten. Zweitens besitzt nur der Produzent das kritische Wissen über die Produktmerkmale und -anwendungen, um die Patientenbedürfnisse optimal zu befriedigen. Drittens besteht oft eine unzureichende Nachfrage nach teuren Medikamenten, was die Einschaltung der Pharmagrossisten nicht notwendig macht.114 Diese Medikamente werden dann durch das Prewholesale-Lager direkt an Ärzte, Ärztegrossisten und -lieferanten, Apotheken und Spitäler ausgeliefert oder im Spezialfall werden Kurierdienste eingesetzt. Wenn es um alle anderen Medikamente geht, welche durch einmal festgelegte Spezifikationen und/oder einen niedrigeren Preis charakterisiert sind, dann werden sie durch den Pharmagrossisten vertrieben. Die Grossisten kaufen in grossen Mengen ein und übernehmen das Eigentum und die Risiken über die Lagerbestände, welche in grossflächigen regionalen Lagerhäusern aufbewahrt werden. Die Bestellungen der Apotheken, Ärzte, Spitäler etc. werden auf elektronischem Wege abgewickelt. Die einzelnen Lieferungen werden auch vollautomatisiert in Mehrwegbehältern kommissioniert und in Fahrzeuge geladen. Die 112 Vgl. www.sycat.de, Zugriff: 2004. 113 Vgl. Experteninterviews Gremlich/Kleine, 2002, Gisler, 2004, Hölzle, 2004, Molnar, 2004. 114 Vgl. Burns et al., 2002, S. 45. 54 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren Pharmagrossisten besitzen eigene Fahrzeuge oder arbeiten mit spezialisierten Transportunternehmen zusammen. Der Wettbewerb findet auch auf der Stufe der Abgabe der rezeptpflichtigen Medikamente statt. Die Apotheken verkaufen die Medikamente gegen Vorlage eines Rezeptes und die SD-Ärzte können direkt die Medikamente abgeben. Dabei arbeiten die SD-Ärzte mit Online- und Versandapotheken zusammen und die Medikamente werden bis nach Hause zum Patienten geliefert. Die Versand- und Online-Apotheken organisieren die physische Belieferung mit Hilfe der Ärztelieferanten und -grossisten. Dabei wird die stationäre Apotheke ganz umgangen. Ein Finanzierungsfluss betrifft vorwiegend die privaten Haushalte und die Sozial- und Privatversicherungen.115 Weitere Finanzierungsströme sind mit der Preisbildung und den Abgeltungsmodellen verbunden und werden im Rahmen der Verträge zwischen den einzelnen Marktteilnehmern vereinbart. Der Informationsfluss fliesst in beide Richtungen entlang dem Marketingkanal. Ein Teil der wichtigen Informationen betrifft die vereinbarten Konditionen zwischen den Pharmafirmen und den Apotheken und Ärzten, welche auch im Informationssystem des Grosshändlers aufgenommen werden. Andere Informationen fliessen zusammen mit den Marketingaktivitäten der Pharmafirmen zu den Apotheken und Ärzten und nur bei einer Zusammenarbeit auch zum Pharmagrossisten. Der tatsächliche Bestellungsprozess ist ein weiterer wichtiger Informationsstrom. Üblicherweise wird er vom Fachhandel initiiert, der einen „Pull“-Prozess auslöst.116 Der Arzt kann ein Originalpräparat verschreiben, die Apotheke jedoch hat das Recht, es mit einem Generikum zu ersetzen und dieses bei dem Grossisten zu bestellen. Die Bestellungen erfolgen vorwiegend via EDI und vermehrt online im Internet, aber auch telefonisch und per Fax. Die Bestellungen des Fachhandels werden vom Grosshändler überarbeitet und entsprechend den vereinbarten Konditionen auch elektronisch an den Hersteller weitergeleitet. 2.2.2.3 Der Marketingkanal für rezeptfreie Medikamente Der Marketingkanal für rezeptfreie Medikamente ist vier- bis mehrstufig. Seine charakteristischen Merkmale sind die grosse Anzahl Abgabeorte und die fehlende Finanzierung seitens des Gesundheitssystems (siehe Abbildung 2.7). 115 Siehe Abschnitt 2.2.3.1 dieses Kapitels. 116 Vgl. Experteninterview Molnar, 2004. 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz Pharmahersteller 55 Hersteller Importeure Prewholesale Grosshandel Grosshandel Apotheken SD-Ärzte Ärztelieferanten Spitäler/Heime Drogerien Andere* Fachhandel Versand-/OnlineApotheken Patienten Endkonsument *Andere – Lebensmitteleinzelhandel, Reformhäuser, Wellness- und Tourismusstätten etc. bei freiverkäuflichen Medikamenten der Abgabekategorie E Abbildung 2.7: Struktur des Marketingkanals für rezeptfreie Medikamente Quelle: eigene Darstellung Die Produktion und Vermarktung rezeptfreier und rezeptpflichtiger Medikamente unterscheiden sich nicht wesentlich voneinander. Man unterscheidet wiederum zwischen Markenprodukten und Generika. Charakteristisch ist die grosse Anzahl Generika, Heilmittel, alternative Arzneimittel, Vitaminpräparate etc. Wiederum erfolgt der Vertrieb und die Distribution über die Pharma- oder Ärztegrossisten, aber auch durch den Prewholesaler. Im Gegensatz zu den rezeptpflichtigen Medikamenten können die rezeptfreien Medikamente von den Apotheken direkt verkauft werden. Zur Abgabe sind noch die Drogerien, die SD-Ärzte, Spitäler, Reformhäuser und andere Fachhändler berechtigt. Rezeptfreie Medikamente können auch per Internet- oder Versandhandel bestellt werden. Wichtig dabei ist die Verantwortung der Abgabestelle, ausreichende Informationen dem Patienten zu seiner Selbstmedikation bereitzustellen. So zählen zu den Kernprozessen einer Apotheke und der Drogerie in diesem Fall auch die umfassende Beratung, die Herstellung eigener Mischungen und die Kontrolle der Fertigprodukte. Der Produktfluss gestaltet sich gleich wie bei den rezeptpflichtigen Medikamenten. In Bezug auf den Finanzierungsfluss besteht die Besonderheit des 56 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren rezeptfreien Marktes darin, dass sie nicht erstattungspflichtig sind. So trägt der Patient die Kosten und die Verantwortung bei der Selbstmedikation. Dies vereinfacht die Geldflüsse, welche rückwärts zum Hersteller fliessen. Eine andere Besonderheit ist die freie Preisbildung. Preisabschläge können vom Hersteller oder von der Apotheke initiiert und in Zusammenarbeit mit dem Grossisten an den Patienten weitergegeben werden. Die Informationsflüsse weisen auch eher kleine Unterschiede zur Information im Rahmen der rezeptpflichtigen Medikamente auf. Sie sind vor allem mit dem grösseren Spielraum der Grossisten und der Apotheken und Drogerien bei der Sortimentsgestaltung und der Werbung verbunden. Der Verkauf ist auch mit intensiver Beratung begleitet. 2.2.3 Dynamik im Marketingkanal und Trends 2.2.3.1 Ausgaben der privaten Haushalte Die Gesamtkosten des Gesundheitswesens in der Schweiz verzeichnen ein Wachstum von fast einem Drittel von 36,2 Mrd. CHF auf 50,0 Mrd. CHF in der Periode 1995–2003.117 Der grösste Teil entfällt stets (gerechnet ab 1960) auf die stationäre Behandlung mit Medikamenten, welche 2002 den höchsten Stand, rund 48% der Gesamtkosten, erreicht. Relativ stabil bleiben die Ausgaben für ambulante Behandlung – ca. 30%. Im Zeitraum 1960–2002 fallen die Ausgaben für Gesundheitsgüter, hauptsächlich Medikamente, von 24,2% auf 10,3%. Diese Entwicklung ist einerseits auf das Vorhandensein effektiver Medikamente und neuerer Behandlungsmethoden, andererseits auf den Anstieg der Ausgaben für Prävention (von ca. 2% auf fast 10%) zurückzuführen, welche u.a. auf den Langfristtrend „Wellness und Gesundheit“ zurückzuführen sind. Die Gesundheitskosten werden über verschiedene Kanäle finanziert und bezahlt. Die privaten Haushalte finanzieren rund zwei Drittel in Form von Prämien, Steuern und Direktzahlungen (2003: 64,7%) und zahlen direkt rund ein Drittel (2003: 31,6%). Die Hälfte der Kosten werden über die Sozial- und Krankenversicherungen (2003: 40,5%) und die Privatversicherungen (2002: 9,0%) abgegolten. 117 Diese und die weiteren Zahlen in Punkt 3.3 werden von den Reihen Pharmamarkt Schweiz aus der Periode 1999– 2006 und Gesundheitsmarkt Schweiz 1999–2005 bezogen. Sie beruhen auf statistischen Informationen der IHAIMS, Hergriswil, des Bundesamtes für Statistik, Bern, und auf eigenen Informationen der Vereinigung der Schweizer Pharmafirmen (vgl. www.interpharma.ch, www.iha-ims.ch, www.admin.ch). Alle weiteren Quellen werden explizit aufgelistet. 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz 57 Die privaten Haushalte geben relativ wenig aus für Medikamente (2003: 1,6%) im Vergleich zu anderen Ausgabeposten wie Wohnungsmiete (15,1%), Steuern (12,2%), Nahrungsmittel (6,6%).118 So wird in der Schweiz im internationalen Vergleich viel weniger Geld für Medikamente ausgegeben. Eine Befragung des GfS-Forschungsinstitutes ergab eine positive Beurteilung des schweizerischen Gesundheitswesens.119 Bei einer stabilen Preisentwicklung steigen jährlich die Versicherungsprämien, was zum Hauptproblem im Gesundheitswesen wird. Der zweite Langfristtrend ist zu umschreiben mit dem Bedürfnis der Endkonsumenten nach Kostensenkungen, aber wenn möglich ohne persönliche Einschränkung der bezogenen Leistungen. Trotz der hohen Prämienbelastung bekennen sich die Konsumenten zu einem qualitativ hoch stehenden Gesundheitswesen. 2.2.3.2 Entwicklung des Medikamentenmarkts Abbildung 2.8 veranschaulicht die Entwicklung der Umsätze und der verkauften Anzahl Packungen Medikamente in der Periode 1999–2005. Medikamentenmarkt Schweiz 1999-2005 171 2005 4194 174 2003 3877 186 2001 3385 185 1999 2895 0 1000 in Mio.2000 Gesamtumsatz CHF 3000 4000 Anzahl Packungen in Mio. 5000 Abbildung 2.8: Medikamentenmarkt Schweiz in Mio. CHF und Anzahl verkaufter Packungen Quelle: Pharmamarkt 1999–2006 118 Vgl. Pharmamarkt Schweiz, 2006, S. 7, www.interpharma.ch. Die Ausgaben für Medikamente enthalten die Selbstmedikation und die von den Krankenkassen vergüteten Medikamente. Alle Prozentzahlen wurden von Interpharma auf Basis der Einkommens- und Verbrauchserhebung des Bundenamts für Statistik 2003 berechnet. 119 Vgl. Gesundheitsmonitor Schweiz 2004, Anzahl Befragte N=1251, zitiert im Gesundheitsmarkt Schweiz 2004, S. 30f. 58 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren Das Wachstum des Pharmamarktes wird durch die innovativen Arzneimittel und die neuen Therapien positiv beeinflusst. Die deutliche Verlangsamung des Wachstums seit 2001 ist dem massiven Anstieg der Generikaumsätze, den leicht rückläufigen Mengen und den stabilen Arzneimittelpreisen zu verdanken. 2.2.3.3 Entwicklung des Markts für rezeptpflichtige Medikamente Die Marktentwicklung in der Periode 1990–2000 begünstigte die rezeptpflichtigen Medikamente120, indem sich der Markt rezeptpflichtiger Medikamente in dieser Zeitspanne verdoppelt hat – von 937 auf 1’879 Mio. CHF (siehe Abbildung 2.9). Das Wachstum des Marktes rezeptpflichtiger Medikamente ist eng mit dem Wachstum des Marktes kassenzulässiger Medikamente verbunden.121 Der Markt kassenzulässiger Medikamente hat in der Periode 1990– 2005 fast vierfach zugelegt – von 843 auf 3’291 Mio. CHF. Dies ist mit der Aufnahme innovativer und teurer Medikamente in der Spezialitätenliste verbunden, welche sowohl Einsparungen in Kosten und Aufwand in anderen Bereichen als auch eine höhere Wirksamkeit der Behandlung versprechen. Rezeptpflichtiger Medikamentenmarkt nach Abgabekanälen in Mio. CHF 1810 1501 1413 1207 892 664 733 498 Apotheken 436 SD-Ärzte 1999 2001 2002 534 636 589 Spitäler 2005 Abbildung 2.9: Markt für rezeptpflichtige und kassenpflichtige Medikamente Quelle: Pharmamarkt 1999–2006 120 Die rezeptpflichtigen Medikamente werden in den Abgabekategorien A und B eingeordnet und werden durch Apotheken, Spitäler und selbstdispensierende Ärzte abgegeben. 121 Die kassenpflichtigen Arzneimittel sind in der so genannten Spezialitätenliste (SL) des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) aufgeführt. 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz 59 Die meisten rezeptpflichtigen und kassenpflichtigen Medikamente werden von den Apotheken abgegeben, obwohl die Apothekerbranche ein unterdurchschnittliches Wachstum aufweist. Ein stärkeres Wachstum in beiden Kategorien verzeichnen die selbstdispensierenden Ärzte (siehe Abbildung 2.9). Im Spitalsektor wirken sich die innovativen und teuren Therapien in den Bereichen Krebs, Aids, Infektionen und Transplantationen auch wachstumsfördernd aus. 2.2.3.4 Entwicklung des Generika-Marktes Eine rasante Entwicklung erfährt der Markt für Generika. Der Umsatz hat sich im Zeitraum 1999–2005 mehr als vervierfacht von 55 auf 257 Mio. CHF zu Herstellerabgabepreisen (siehe Abbildung 2.10). Generika-Markt in Mio. CHF und Wachstum in % 60,0% 300 49,8% 250 257 200 40,0% 39,6% 27,4% 30,0% 150 100 20,0% 142 55 50 50,0% 10,0% 79 -0,8% 0,0% 0 -10,0% 1999 2001 Umsätze in M io.CHF 2003 2005 Wachstum in % Abbildung 2.10: Wachstum des Generikamarkts in der Schweiz in Mio. CHF Quelle: Pharmamarkt 1999–2006 Der Markt kassenpflichtiger Generika hat in 2003 um 50% zugelegt und in 2005 – um 40%. Das Potenzial der Generika hängt von der Entwicklung am patentgeschützten Markt und von der Einführung eines Generikums zu einem Original. Zwei Trends wirken sich zugunsten eines weiteren Wachstums des Generikamarktes aus. Erstens verlieren umsatzstarke Originalpräparate ihren Patentschutz und werden durch Generika gleich ersetzt. Bis 2010 läuft der Patentschutz von über 30 umsatzstarken Originalprodukten ab.122 Immer weniger zahlreich sind die am Markt eingeführten neuen Originalmedikamente. Die forschenden Pharmaunternehmen zeigen Innovationsschwächen und zahlreiche 122 Vgl. Pharmamarkt 2004. 60 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren Medikamente verlieren ihren Patentschutz ohne dass ein Nachfolgepräparat eingeführt wird.123 Zweitens macht der Langfristtrend zum Kostendruck im Gesundheitswesen die kostengünstigen Medikamente immer wichtiger. Als Resultat werden immer mehr Generika statt Originalpräparate vom Arzt verschrieben oder in den Apotheken eingesetzt. 2.2.3.5 Entwicklung des Markts für rezeptfreie Medikamente Der Marktanteil der rezeptfreien Medikamente weist eine sinkende Tendenz auf (siehe Abbildung 2.11). Rezeptfreier Medikamentenmarkt nach Abgabekanälen in Mio. CHF 600 510 524 500 471 463 400 300 200 153 145 100 115 97 62 72 75 77 29 32 26 24 0 Apotheken Drogerien 1999 2001 SD-Ärzte 2003 2005 Spitäler Abbildung 2.11: Markt rezeptfreier Medikamente nach Abgabekanälen in Mio. CHF Quelle: Pharmamarkt 1999–2006 In der Periode 1995–2005 nimmt der Umsatz mehr als doppelt ab – von 37,7 auf 16,3%. Besonders betroffen von diesem Markteinbruch sind die Drogerien, welche einen ständigen Rückgang der Umsätze verzeichnen. Die Apotheken schreiben auch ihr niedriges Umsatzwachstum dieser ungünstigen Marktsituation zu. 2.2.3.6 Zusammenfassung der Trends im Marketingkanal 1. Die Endkonsumenten geben relativ wenig Geld für Medikamente aus. Es zeichnet sich ein Langfristtrend zum Kostenbewusstsein und Kostendruck, ohne den Umfang der beanspruchten Leistungen einzuschränken. Dies ist ein Signal 123 Vgl. Strohm, 2005, S. 16 in „Stocks“, Nr. 6, 11.–23.03.05. 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz 61 für alle Mitglieder des Marketingkanals, die Effizienz bei gleichbleibender Qualität zu steigern. Der Grosshandel wird mit niedrigeren Handelsspannen rechnen müssen. 2. Innovative und teure Medikamente werden andauernd in die Spezialitätenliste aufgenommen. Bei deren Vertrieb wird der Grosshandel zunehmend umgangen. 3. Das verlangsamte Wachstum des Pharmamarkts deutet auf die steigende Wichtigkeit der Generika und auf ein stabiles Preisniveau hin. 4. Das stetige Wachstum des Marktes rezept- und kassenpflichtiger Medikamente bestätigt die stabile Position der berechtigten Abgabeorte: Apotheken, SD-Ärzte und Spitäler. Ein stagnierendes Wachstum bei den Apotheken wird durch Umsatzzuwäche bei den SD-Ärzte begleitet. 5. Der Generika-Markt verzeichnet ein zweistelliges Wachstum aufgrund immer weniger Originalmedikamente und zunehmender Substitution bei der Abgabe durch Ärzte und Apotheken. Ein grosser Teil der Generika ist kassenpflichtig. Die Distribution zeichnet sich aus Sicht des Grossisten durch eine geringere Wertschöpfung und grössere Konkurrenz seitens spezialisierten Logistikunternehmen im Vergleich zu den Originalpräparaten ab. 6. Der Langfristtrend zur Steigung der Ausgaben für Prävention bestätigt die Gesundheits- und Wellnesstrends. Kosmetika und hochwertige Stoffe, “functional food” sowie Wellness-Therapien erweitern das Angebot in den Abgabeorten, ziehen aber auch Konkurrenz wie Wellness-Anbieter, den Lebensmittelhandel und die Gastronomie an. Der Markt rezeptfreier Medikamente schrumpft. Der Spielraum der Grossisten wird somit in einem Bereich eingeengt, wo sie Marketingstrategien mit den Herstellern und dem Fachhandel entwickeln können. 2.2.4 Branchenanalyse des Pharmagrosshandels der Schweiz In der Abbildung 2.12 sind die Determinanten der Branchenstruktur der Pharmagrosshandelsbranche dargestellt. 62 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren Softwareanbieter Gesetzliche Vorschriften CH Bilaterale Verhandlungen Andere GH Back Office Insourcing Gesetzliche Vorschriften EU Ärztelieferanten Universitäten und Hochschulen Bedrohung durch Markteintritt Komplementäre Produkte Rolle des Staates 6 Verhandlungsmacht der Lieferanten 5 1 Rivalität unter den Pharmagrosshändlern 2 Verhandlungsmacht der Abnehmer 4 Pharmahersteller Apotheken: Generikahersteller Publikumsapotheken OTC-Hersteller CH-Importeure Handelsvertretungen 7 Verhandlungsmacht der Endkonsumenten 8 Versandapotheken Bedrohung durch Substituten Online-Apotheken 3 Direktverkauf Direkteinkauf Logistik- und Transportunternehmen Kurierdienste Apothekenketten und -gruppierungen Drogerien Drogerienketten und -gruppierungen Ärzteliferanten (indirekt SD-Ärzte) SD-Ärzte Abbildung 2.12: Faktoren der Attraktivität der Pharmagrosshandelsbranche in der Schweiz Quelle: eigene Darstellung 2.2.4.1 Hohe Markteintrittsbarrieren Die bestehenden Eintritts- und Austrittsbarrieren sind einerseits gesetzlich und andererseits wirtschaftlich. Die gesetzlichen Einschränkungen werden im Abschnitt 2.2.4.6 dieses Kapitels erläutert. Das Know-how, die langfristigen Beziehungen zu Kunden und Lieferanten sowie die sehr hohen Fixkosten erhöhen die wirtschaftlichen Austrittsbarrieren und verstärken den Überlebenskampf und den Konsolidierungsprozess unter den Vollgrossisten. Die führende Position von Galenica betreffend verfügbare Finanzmittel, Einsatz neuer Technologien, Marketinginnovationen und Beziehungen zu den Teilnehmern im Gesundheitswesen stellt eine erhebliche Hürde für neu eintretende Vollgrossisten dar.124 So sind eine bestimmte kritische Unternehmensgrösse und Erfahrung notwendig, um diesen Markt zu betreten. Das Beispiel der Phoenix Pharmahandel AG, die sich an einem einheimischen Unternehmen beteiligte und so den schweizerischen Pharmamarkt betreten hat, 124 Der Begriff des Vorgrossisten wird im nächsten Abschnitt 2.2.4.2 erläutert. 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz 63 ist eine Bestätigung dafür. Jedoch als relativ niedrig erweisen sich die Eintrittsbarrieren für Spezialgrossisten, so genannte Shortliner125, die sich im Vertrieb von sehr teuren Originalpräparaten und Generika spezialisieren. Sie kommen aus Apothekerkreisen, also aus den Abnehmerbranchen des Grosshandels. Auf dem Markt sind rund 800 Grosshandelszulassungen registriert.126 2.2.4.2 Hohe Rivalität unter den Pharmagrosshändlern Eine hohe Rivalität ist durch häufige Preisreduktionen und Wettbewerbsaktionen und -reaktionen in einer Branche gekennzeichnet, was zur Immitation und Angleichung der Angebote führt.127 Diese Merkmale sind für den Pharmagrosshandel in der Schweiz charakteristisch. Die Grosshandelsbranche setzt sich aus einer kleinen Anzahl Vollgrossisten und zahlreiche Spezialgrossisten zusammen, welche einen begrenzten Teil der Grosshandelsfunktionen übernehmen. Über die Vollgrossisten wird der grössere Teil der pharmazeutischen Distribution erledigt. Sie stehen auch im Fokus dieser Branchenanalyse (und dieser Arbeit). Die am Markt tätigen Vollgrossisten sind das Ergebnis eines Konsolidierungsprozesses. Bis heute ist die Galenica Gruppe, vertreten durch Galexis AG, die Marktführerin, wobei sie an Marktanteilen eingebüsst hat (von 56% im Jahr 1999 auf ca. 50% im Jahr 2004). Die Apothekereinkaufsgesellschaften EVZA und Hageba (1991 mit einem Marktanteil von 18%) haben im Jahre 1997 das gemeinsame Unternehmen Amedis gegründet, an dem sich im Jahr 2000 der grösste deutsche Pharmagrossist Phoenix AG mit 49% beteiligte. 2002 wird auch die am Westschweizer Markt tätige Firma Uhlman Eyraud (UE) übernommen. Die neue Gruppe Amedis-UE bestätigt ihre Position als starke Nr. 2 mit einem Marktanteil von 32% (2004). Zur Nr. 3 am Markt entwickelt sich in derselben Periode das unabhängige Familienunternehmen Voigt AG. Sein Marktanteil wächst von 10% auf mehr als 15% mit Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit in der Ostschweiz. Einen rasanten Aufstieg kann das jüngste Unternehmen der Branche verzeichnen – die Zur Rose, der standeseigene Ärztegrossist mit Marktführerposition im Ärztesegment.128 Diese positive Entwicklung wurde auch durch die wachsenden Medikamentenumsätze im Kanal der selbstdispensierenden Ärzte 125 Vgl. Experteninterview Jenny, 2005. 126 Vgl. IKS-Statistik, 2000. 127 Vgl. Porter, 1999, S. 50f. 128 Vgl. Informationen auf www.zur-rose.ch, 2005. 64 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren unterstützt.129 Mit einem ständigen Marktanteil von rund 7% ist die Unione AG der führende Grossist im Kanton Tessin. Seit 2000 hält die Galenica eine Beteiligung von 20%.130 Die Pharmagrosshändler sind betreffend ihrer Grösse und Finanzmöglichkeiten sehr unterschiedlich und der Konsolidierungsprozess wird weiter andauern.131 Galenica und Amedis-UE verfügen über die Finanzstärke, weiterhin am Markt Konsolidator bzw. selbständig zu sein .132 Im Gegensatz dazu gelten die Voigt AG und die Unione bei den Branchenspezialisten als potenzielle Übernahmekandidaten.133 Obwohl der Pharmamarkt wertmässig wächst, verzeichnet der Pharmagrosshandel ein niedriges Wachstum. Die Wachstumsschwierigkeiten werden durch den begrenzten und relativ kleinen Schweizer Markt verstärkt. Die Erhöhung des eigenen Marktanteils ist nur auf Kosten der Konkurrenz zu erzielen. So sind die Grosshändler gezwungen, Wachstum in weiteren Betätigungsfeldern und Ländern zu suchen. Die meisten Vollgrossisten sind als Holding organisiert, wo sie unter demselben Dach weitere Geschäftsfelder wie Medikamentenproduktion, Einzelhandel, Dienstleistungen und Prewholesale134 entwickeln. Zum Beispiel zeichnet sich Galenica durch die stärkste Diversifizierung am Markt aus. Das Unternehmen ist in allen erwähnten Geschäftsfeldern tätig.135 Die Angebote der Vollgrossisten gleichen sich ständig an. Im Logistikbereich bieten alle eine hochmoderne, voll- oder teilweise automatisierte Logistikdienstleistung an, welche aus Sicht der Lieferanten und Kunden immer mehr austauschbar ist. Differenzierung wird im Angebot einzelner Marketingdienstleistungen gesucht, welche schnell von den Wettbewerbern nachgeahmt werden.136 Die Grossisten sind mit einer intensiven Preiskonkurrenz konfrontiert, die zu einer weiteren Erodierung der Margen führt. Dieser Trend wird auch durch 129 Vgl. Abschnitt 2.2.3.3 dieses Kapitels. 130 Vgl. Pressemitteilung vom 12.09.2000, www.pharmavista.ch. 131 Vgl. Geschäftsbericht Galenica 2002, S. 43. 132 Vgl. Experteninterview Eberle, 2003. 133 Vgl. Brancheninformation Interpharma, 2004 und Interview Hölzle, 2004. 134 Das Prewholesale-Geschäft als neues Geschäftsfeld bei den Grosshandelsunternehmen wird im Abschnitt 4.5 des Kapitels 4 analysiert. 135 Im Geschäftsfeld Prewholesale war Galenica bis Anfang 2005 durch das Unternehmen Alloga auch international tätig. Im Februar 2005 verkündet Galenica den Verkauf ihres 80%-Anteils an Alloga International an Alliance UniChem, wobei sie ein 100%-Anteil an Alloga Schweiz behält. Mit diesem Schritt setzt die Galenica-Gruppe neu den Fokus auf den Schweizer Markt (vgl. Pressemitteilung Galenica, 05.02.05). 136 Vgl. Experteninterviews Gisler, Gremlich/Kleine, Molnar, 2004. 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz 65 die niedrigen Umstellungskosten für Hersteller- und Fachhandelskunden verstärkt. Sowohl am Beschaffungsmarkt als auch am Absatzmarkt sind die Grossisten mit einem Käufermarkt konfrontiert und werden gegeneinander ausgespielt.137 Im Grosshandel übersteigen die Fixkosten oft den erwirtschafteten Mehrwert, obwohl im Vergleich zu anderen Branchen die Pharmagrosshändler den grössten Teil ihrer Gewinne durch den Einsatz von Fremdkapital erwirtschaften. Die Grossisten setzen auf eine ständige Erweiterung und Erneuerung ihrer Kapazitäten. Neue moderne Verteilzentren sind entstanden (Zur Rose, Voigt, AmedisUE), weitere werden renoviert (Galexis) und der Bau von weiteren wird angekündigt (Amedis-UE). Die Logistikkapazitäten sind Gegenstand von laufenden und aufwändigen Umstrukturierungen wie z.B. die Konzentration der Kräfte von Galexis auf drei Verteilzentren. Die Branche leidet unter Überkapazitäten.138 Die strategischen Einsätze der einzelnen Unternehmen lassen sich nach einer Strukturierung nach den Dimensionen der strategischen Gruppen beschreiben. In einem vierdimensionalen Raum können die Grossisten anhand von Kriterien wie Anzahl angesprochener Zielgruppen, Breite und Tiefe der angebotenen Sortimente, Anzahl und Art der strategischen Geschäftsfelder positioniert werden (siehe Abbildung 2.13). Bei der Anzahl der angesprochenen Zielgruppen führt Galexis AG mit der Ansprache sämtlicher Zielsegmente, dann folgen Voigt, spezialisiert auf Apotheken, Drogerien, Ärztelieferanten und Amedis und Unione, vorwiegend auf Apotheken und Drogerien. Die Zur Rose positioniert sich als ein nur auf Ärzte fokussierter Grossist. Dieselbe Aufteilung wiederholt sich bei der Anwendung des Kriteriums Breite und Tiefe der Sortimente. Galexis ist wiederum führend bei dem Grad der vertikalen Integration. Am wenigsten diversifiziert ist Unione. Ein weiteres Kriterium, nach dem eine erste Gruppierung erfolgen kann, sind die belieferten geografischen Gebiete: Galexis – Ost- und Zentralschweiz, AmedisUE – West- und Zentralschweiz, Voigt – Ost- und Zentralschweiz, Unione – Tessin, Apotheke „Zur Rose“ – Ost- und Zentralschweiz.139 137 Vgl. Experteninterview Jenny, 2005. 138 Vgl. Experteninterview Gremlich/Kleine, 2003. 139 Vgl. Experteninterview Molnar, 2004. 66 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren nur Grosshändler Unione Voigt Spezialist Generalist Apotheke „Zur Rose“ Amedis-UE Diversifiziert (vertikale Integration) Galenica Abbildung 2.13: Strategische Einsätze der Pharmagrosshändler Quelle: eigene Darstellung Ohne eine vertiefende Analyse der einzelnen Grosshandelsangebote ist es schwierig, eine Beurteilung nach den restlichen von Porter erwähnten Kriterien vorzunehmen, wie: Qualität der angebotenen Dienstleistungen, Kostenvorsprung, Dienstleistungen, Preispolitik140, Teil von einem modernen Konzern und Marktmacht. Eine ausführliche Analyse ausgewählter Unternehmen wird im Kapitel 4 dieser Arbeit vorgenommen. 2.2.4.3 Substitutionsdienstleistungen / Komplementäre Dienstleistungen Die Substitutionsgefahr für die Grosshandelsleistung ist als relativ klein einzuschätzen, obwohl sie dynamischen Veränderungen obliegt. Der grössere Teil der im Fachhandel erhältlichen Medikamente wird durch die Pharmagrossisten vertrieben. Laut Branchenspezialisten beträgt dieser Anteil zwischen 60 und 70%.141 Die restlichen 30 bis 40% werden dem so genannten Direktgeschäft zugeschrieben. Das Direktgeschäft umfasst den Direkteinkauf der Apotheken, Drogerien, Ärzte und Spitäler bei den Herstellern. Direkt eingekauft werden zum einen hochpreisige rezeptpflichtige Medikamente, bei denen der 140 äusserst unterschiedliche Konditionensysteme mit Betonung auf günstig und transparent (vgl. Experteninterview Jenny, 2005). 141 Vgl. Experteninterviews Gisler, 2004, Hölzle, 2004, Molnar, 2004. 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz 67 Vertrieb über den Grosshandel teurer ausfällt. Zum anderen werden Medikamente, Kosmetikartikel und Konsumgüter in grösseren Mengen eingekauft, welche palettenweise transportiert werden können. Dies ist der Fall beim Einkauf seitens grosser Apotheken- und Drogeriengruppierungen, welche die Nachfrage ihrer Mitglieder und weiterer Unternehmen in ihrem Einflussbereich bündeln können. Im Spitalbereich ist auch ein grosser Teil Direktgeschäft. Die Logistik wird durch Prewholesaler oder spezialisierte Logistikunternehmen erledigt.142 In allen anderen Fällen, wie bei der Feinverteilung für kleinere Apotheken, Pflegeheime und kleinere Spitäler, aber auch im alltäglichen Geschäft, wo die Lieferung einzelner Medikamente notwendig ist, wird der Grosshandel eingeschaltet. Der Einsatz von weiteren Alternativen wie der Post und von Kurierdiensten ist nicht sehr verbreitet. Viele Medikamente brauchen eine Kühlkette, so dass ein stabiles und etabliertes Logistiksystem erforderlich ist. Dazu kommen auch die Anforderungen an fachlichem Wissen der Distributionsfirmen. Aus Einzelhandelssicht sind zahlreiche Beschaffungskanäle nicht rentabel, da sich die Konditionen jedes einzelnen Beschaffungspartners mit einem steigenden Volumen verbessern. Die Post sowie spezialisierte Transportunternehmen haben versucht, logistische Dienstleistungen für Medikamente anzubieten, aber konnten nicht Fuss fassen.143 Die Kurierdienste werden in Notfällen durch die Grossisten selbst oder durch die Apotheken und Hersteller eingesetzt. Die Logistikkosten sind aber zu hoch, um sie als eine drohende Substitution der Grosshandelsleistung zu betrachten. Eine neue Gefahr ist die Rückwärtsintegration der Apotheken. Sie drückt sich im Aufbau von Teilgrossisten aus, welche zu einem sehr niedrigen Preis die Apotheken beliefern. Beispiele sind PharmaFocus, apothektereigener Grossist, und die Apotheke „Zur Rose“, die sich vom Ärztelieferanten zum standeseigenen Ärztegrossisten gewandelt hat.144 Die Anbieter komplementärer Dienstleistungen haben bis jetzt eine eher kleinere Bedeutung. Dazu zählen Software-Anbieter wie SAP, Verrechnungskassen (insbesondere Einsatz bei den Ärzten), auf die Rechnungslegung und Datenbewirtschaftung spezialisierte Unternehmen etc. 142 Beispiel ist der Prewholesaler Globopharm, der in Zusammenarbeit mit dem Logistikunternehmen Galliker und der Post eine führende Rolle bei der Spitalversorgung spielt. Das Unternehmen spezialisiert sich auch in der LowCost-Distribution von innovativen High-Tech-Präparaten aus dem Hochpreissegment (vgl. www.globopharm.ch, Zugriff Oktober 2005). 143 Vgl. Experteninterview Hölzle, 2004. 144 Vgl. www.pharmafocus.ch und www.zur-rose.ch. 68 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren 2.2.4.4 Dynamik in der Verhandlungsmacht der Abnehmer Man kann zwischen vier Abnehmersegmenten unterscheiden, die durch spezifische Branchenstruktur und Bedürfnisse gekennzeichnet sind: Apotheken, Ärzte, Spitäler, Drogerien. Diese Heterogenität ist ein einzigartiges Merkmal für die Schweiz.145 In dieser Arbeit wird der Fokus auf die Apotheken, Ärzte und Drogerien gesetzt. Die Spitäler haben eine eigene komplexe Struktur und sind durch mangelnde Transparenz zwischen Krankenhaus- und Medikamentenkosten charakterisiert. Deshalb werden sie in dieser Arbeit nicht berücksichtigt. Die meisten rezeptpflichtigen und rezeptfreien Medikamente werden durch die Apotheken abgegeben. Sie weisen einen niedrigen Konzentrationsgrad auf. Die Apotheken unterliegen jedoch grundlegenden strukturellen Veränderungen, wie der andauernde Konsolidierungsprozess und die wachsende Anzahl Konkurse beweisen. Vor allem die unabhängigen Apotheken haben Schwierigkeiten in Bezug auf Liquidität und Rentabilität.146 Ein niedriges Wachstum, die stagnierende Anzahl Unternehmen und Überkapazitäten sind die Merkmale der gesättigten Apothekenbranche. Zahlreiche unabhängige Apotheken bilden Gruppierungen, um im schwierigen Umfeld überlebensfähig zu bleiben. Mehr als 50% der Apothekerbranche sind gruppiert oder im Einflussbereich einer Gruppierung.147 Ein weiterer Treiber der Konsolidierung sind die Apothekenketten, die gesetzlich zugelassen sind. Die grösste Apothekenkette, GaleniCare, zählt 90 Apotheken in der deutschen und französischen Schweiz, die ganz oder teilweise im Besitz der Galenica-Gruppe sind.148 Die Apothekenketten führen zu Preiskriegen und zu einer stärkeren Segmentierung des Arzneimittelmarktes. Ein relativ neuer Abgabekanal von Medikamenten ist das Gemeinschaftsprojekt von Coop Schweiz und Galenica „Coop Vitality“. Die Anzahl und die Grösse der Apothekengruppierungen und ketten in der Westschweiz ist deutlich höher als in der Ostschweiz.149 Im Bereich der rezeptpflichtigen Medikamente sind die selbstdispensierenden Ärzte (SD-Ärzte) die zweitwichtigste Abnehmergruppe. Sie sind Ärzte mit eigener Praxisapotheke oder direkter Medikamentenabgabe. Die Abgabe von rezeptpflichtigen Medikamenten durch SD-Ärzte wächst stark und somit wird 145 ebenda. 146 Vgl. Experteninterview Gremlich/Kleine, 2003. 147 Eine offizielle Statistik der Apothekengruppierungen ist nicht vorhanden (vgl. Experteninterview Gremlich/Kleine, 2004). 148 Vgl. Geschäftsbericht 2002 der Galenica-Gruppe, S. 51. 149 Vgl. Experteninterview Hofer, 2002. 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz 69 dieser Kanal zum Hauptkonkurrenten der Apotheken in der Deutschschweiz. 150 Die Belieferung der Ärzte erfolgt direkt oder durch Ärztelieferanten, welche ihrerseits beim Grosshandel einkaufen. Die Drogerien sind der zweitwichtigste Abgabekanal für rezeptfreie Medikamente. Ihr Anteil am Gesamtumsatz nimmt ständig ab. Ähnlich wie bei den Apotheken findet ein Konsolidierungsprozess statt und Drogeriengruppierungen werden gebildet. Ein Indikator für die Neuorientierung aus der schwierigen Situation ist die vermehrte Eröffnung eines neuen Geschäftsmodells – einer Mischform zwischen Drogerie und Apotheke mit einem breiten Medikamentenund Kosmetiksortiment. Der traditionelle Fachhandel mit Medikamenten hat bisher keine Konkurrenz seitens des alternativen Einzelhandels erfahren. Gesetzliche Verbote, der grosse Einfluss der traditionellen Apotheken sowie die unterschiedlichen Rückerstattungssysteme in einzelnen Ländern haben den Versand- und Internethandel (insbesondere grenzüberschreitend) verhindert. Im Unterschied zu den USA und nunmehr auch zu Deutschland sind diese Formen in der Schweiz grundsätzlich untersagt.151 Eine Ausnahme stellt das Vorhandensein einer kantonalen Bewilligung für eine Apotheke dar, die auch über eine kantonale Einzelhandelsbewilligung verfügen muss. Voraussetzung für den Versandhandel ist, dass für jedes Präparat eine Verschreibung durch einen Arzt vorliegt; d.h. auch für Medikamente, die in einer Apotheke rezeptfrei erhältlich sind (d.h. Abgabekategorien C, D oder E). Diese Möglichkeit hat die Zur Rose AG durch die Entwicklung des Versandhandels direkt an Endpatienten erfolgreich genutzt und ist zur führenden Versandapotheke der Schweiz geworden. Als standeseigener Ärztegrossist hat sie die logistische Kompetenz und gleichzeitig die Nähe zum Arzt. Das erfolgreiche Modell wird auch nach Deutschland exportiert. Die wachsende Konzentration unter den Apotheken und Drogerien erhöht ihre Verhandlungsstärke gegenüber den Pharmagrossisten. Einerseits fördern die entstehenden Gruppierungen den Direkteinkauf unter Umgehung des Pharmagrossisten. Andererseits übernehmen sie zahlreiche Funktionen wie z.B. Marketingund Managementdienstleistungen für ihre Mitglieder. Die Gruppierungen haben eine höhere Preisempfindlichkeit und können schnell den Grossisten auswechseln. Die durch alle Grossisten angebotenen logistischen Dienstleistungen sind standardisiert und so können sie gegeneinander ausgespielt werden. 150 Vgl. Pharmamarkt Schweiz 2004, www.interpharma.ch. 151 Vgl. Art. 27, HMG. 70 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren Die unabhängigen Apotheken sind eher weniger preisempfindlich. Obwohl sie oft nicht vertraglich gebunden sind, ist es für sie schwieriger, aus logistischen Gründen den Grossisten zu wechseln. Deshalb streben sie eine langfristige Zusammenarbeit an. Die Einkäufe der Apotheken, Drogerien und Ärzte bilden immer noch den grössten Anteil an den Verkäufen des Grosshandels. Insbesondere nach der Aufhebung des Margenschutzes152 ist die Marge des Einzelhandels unter Druck geraten und dieser Preisdruck wird an den Grossisten weitergegeben153. Die Apotheken und Drogerien drohen noch nicht mit Rückwärtsintegration, aber dieser Trend sollte sich in den nächsten Jahren verstärken.154 Die Medikamentenverfügbarkeit, pünktliche und produktgerechte Lieferung mehrmals pro Tag in beliebigen Kleinmengen sind entscheidend für die Qualität der Apothekerdienstleistung. Eine Out-of-Stock-Situation ist für den Apotheker undenkbar. Die Lagervorräte einer Apotheke sind nicht älter als drei bis vier Monate, so dass die Lagerhaltung und die Bestellabwicklung sehr wichtig für eine reibungslose Abgabe von Medikamenten sind. Dementsprechend ist die Qualität der logistischen Leistung der Grossisten von grosser Bedeutung. Wenn die Apotheke bzw. Drogerie sämtliche Bestellungen über den Grosshandel abwickelt, bekommt sie gute Konditionen und kann zahlreiche Medikamente im Vergleich zum Direkteinkauf kostengünstiger beziehen. Deshalb decken sogar grosse Gruppierungen ihren täglichen Bedarf über den Grosshandel und einzelne Bestellungen werden direkt zum Hersteller geschickt. Die Brancheninformationen auf Produktebene sind durch den vermehrten Einsatz des Internets transparent.155 Spezialisierte Forschungsunternehmen wie IHA-IMS stellen Auswertungen und Zahlen über Umsätze zur Verfügung. 2.2.4.5 Verhandlungsmacht der Lieferanten Die Lieferanten können ihre Verhandlungsmacht ausspielen, wenn sie drohen, die Preise der gelieferten Produkte zu erhöhen oder deren Qualität zu senken.156 Die Pharmaindustrie in der Schweiz zeichnet sich durch eine hohe Verhandlungsmacht aus, welche ihr erlaubt, die Margen auf den hergestellten Medikamente traditionell hoch zu halten und die Preise zu erhöhen. 152 siehe mehr unter Abschnitt 2.2.4.6 in diesem Kapitel. 153 Vgl. Experteninterview Gremlich/Kleine, 2003. 154 Siehe Abschnitt. 2.2.4.3 in diesem Kapitel. 155 Vgl. Experteninterviews Gremlich/Kleine, 2003 und Eberle, 2003. 156 Vgl. Porter, 1999, S. 61. 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz 71 Die Struktur der Lieferanten ist in der Schweiz äusserst heterogen und zählt 790 Unternehmen.157 Man unterscheidet zwischen Produzenten von Originalpräparaten und Generika, zwischen ausländischen Vertretungen und einheimischen Unternehmen und zwischen Grosskonzernen und kleinen und mittleren Unternehmen. Die Originalpräparate werden von der forschenden Pharmaindustrie hergestellt. Sie weist weltweit einen hohen Konzentrationsgrad auf. Megafusionen haben dazu beigetragen, dass der Anteil der Top 5 am Weltpharmamarkt in der Periode 1999–2005 von 21.1% auf 30.6% gestiegen ist (siehe Tabelle 2.4). Top 10 1999 Umsatz in Mrd. $ Merck & Co. USA AstraZeneca GB Glaxo Wellcome GB Pfizer USA Bristol-Myers Squibb USA Novartis CH Aventis F Johnson & Johnson USA American Home USA Roche CH 13 12 11 11 11 11 11 11 9 8 Top 10 2005 Pfizer + Pharmacia USA GlaxoSmithKline GB Sanofi-Aventis F Novartis CH Johnson & Johnson USA AstraZeneca GB Merck & Co. USA Roche CH Abbott USA Wyeth USA Umsatz in Mrd. $ 47 35 30 29 25 24 24 20 16 15 Tabelle 2.4: Ranking der Top-10-Pharmaproduzenten weltweit Quelle: Pharmamarkt Schweiz 1999–2006 Das ständig hohe Wachstum des weltweiten Pharmamarkts, die steigenden Kosten für Forschung und Entwicklung sowie die begrenzte Dauer des Patentschutzes haben zu mehreren Wellen von Megafusionen und Kooperationen unter den Pharmaproduzenten geführt.158 Der Konsolidierungsprozess wird durch einen Trend der Spezialisierung des therapeutischen Fokus begleitet. Die grossen Pharmaproduzenten konzentrieren sich auf die Entwicklung und Produktion einer kleinen Anzahl von Medikamenten, die einen Fortschritt bei der Bekämpfung von Krankheiten versprechen und somit einen hohen Mehrwert anbieten (so genannte “Blockbuster”). Durch diese Konzentration der Kräfte wird neben Kosteneinsparungen eine weltweit dominante Position in einem bestimmten 157 158 Vgl. Gassmann et al., 2004, S. 40. Über frühere Konzentrationswellen in der Pharmaindustrie vgl. McGahan, 1994, S. 116 und Pursche, 1996, S. 110–119. 72 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren therapeutischen Gebiet angestrebt.159 Zum einen bieten die Blockbuster eine höhere Rendite auf die investierte Zeit, das Kapital und die übernommenen hohen Risiken im Vergleich zu Medikamenten mit niedrigerem Wert. Zum anderen stellt die Entwicklung von Medikamenten mit Blockbuster-Potenzial eine nachhaltige Wachstumsstrategie dar.160 Die hohen Entwicklungskosten und die staatlichen Einschränkungen z.B. bezüglich Preis und Mengen schlagen sich auch in einem steigenden Outsourcing-Trend nieder. Die Pharmaproduzenten fokussieren sich auf den Aufbau einer starken Marketingorganisation, welche die ausgegliederten Bereiche koordiniert und die Kontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette im Rahmen eines umfassenden Portfolio- und Projektmanagements anstrebt. Die Forschung und Entwicklung werden an Forschungsorganisationen unter Vertrag wie Biotech-Firmen und Universitäten vergeben. Diese bieten sämtliche Aktivitäten von den vorklinischen Versuchen bis zur Registrierung und Zulassung an. Studien zeigen, dass Outsourcing mittels der neuen Informationstechnologien effektive Methoden zum Controlling der Kosten für Forschung und Entwicklung darstellt. Das Know-how bei der Produktion von Medikamenten wird immer weniger als Differenzierungsfaktor angesehen und die Produktion wird an auf einzelne Schritte des Produktionsprozesses spezialisierte Unternehmen ausgegliedert. Die logistischen Aktivitäten von den Produktionsstrassen sowie der Transport der klinischen Studien und Forschungsdokumentationen werden an Prewholesale-Unternehmen (Vorgrossisten) ausgegliedert. Sie sind die Schnittstelle zwischen der Industrie und dem Pharmagrosshandel. Diese Rolle wird sowohl von separaten Geschäftsfeldern des traditionellen Pharmagrosshandels als auch von spezialisierten Logistikunternehmen übernommen.161 Eine wachsende Bedeutung erhalten die Generikaproduzenten und Nischenanbieter im OTC-Bereich. Mehrheitlich sind sie kleine und mittlere Unternehmen, welche einen tiefen Konzentrationsgrad aufweisen. Die steigenden Umsätze im Generikabereich ziehen aber immer mehr neue Wettbewerber in dieser Branche an und der Wettbewerb verschärft sich.162 Eine Konsolidierungswelle und eine weitere Spezialisierung sind auch hier zu erwarten. So 159 Vgl. Reuters Business Insight 1999. 160 Vgl. Gassmann et al., 2004. 161 Das Prewholesale-Geschäft wird im Kapitel 4 erläutert. 162 Novartis hat 2004 den grössten deutschen Generikaproduzenten Hexal übernommen und sich als der führende Generikaproduzent positioniert. Weitere Unternehmen werden auch als Übernahmekandidaten gehandelt (vgl. Strom V., 2005, S. 16). 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz 73 zählt die Generikabranche weltweit ca. 200 Unternehmen. Nach Prognosen wird diese Zahl in den nächsten zehn Jahren auf 30 bis 40 zurückgehen.163 28% aller Medikamente, die in der Schweiz auf dem Markt erhältlich sind, werden von einheimischen Produzenten hergestellt.164 Die drei grössten Schweizer Produzenten Novartis, Roche und Serono haben einen Marktanteil von 15.4% am Schweizer Pharmamarkt. Die anderen Pharmaproduzenten sind kleine und mittlere Unternehmen, die regional verteilt sind. Der grössere Teil (74.5%) der pharmazeutischen Produkte wird importiert. Der Import erfolgt durch Tochtergesellschaften ausländischer forschender Unternehmen und durch schweizerische Pharmaimporteure.165 Die Pharmaproduzenten haben gegenüber dem Grosshandel eine hohe Verhandlungsmacht. Diese Tatsache kommt in der Margenentwicklung zum Ausdruck – stabil hohe oder wachsende Margen charakterisieren die Industriestufe. Obwohl die Pharmaindustrie im Vergleich zur Grosshandelsbranche weniger konsolidiert ist, finden sich für die Erzeugnisse der Pharmaindustrie keine gleichwertige Substitute. Diese Rolle könnten nur teilweise günstige Parallelimporte oder alternative Behandlungsmethoden in der Medizin wie Homöopathie, chirurgische Eingriffe etc. spielen. Die Medikamente sind der Kern im Sortiment der Apotheken und Ärzte und somit die entscheidende Ressource für die Tätigkeit der Grossisten.166 Den hohen Einfluss und die stabile Position der Pharmagrossisten bei der Distribution versucht die Industrie durch die Förderung des Direkteinkaufs zu minimieren. Durch den Einsatz von Prewholesalers droht die Pharmaindustrie glaubwürdig mit der Vorwärtsintegration. 2.2.4.6 Rolle des Staates Die wichtigsten Säulen der gesetzlichen Regulierung des Pharmamarktes sind das Heilmittelgesetz, das Wettbewerbsgesetz, das Gesetz für die Sozialversicherungen, die Verordnungen betreffend Parallelimporte und die Harmonisierungsbemühungen zwischen der Schweiz und der EU sowie den USA. Heilmittelgesetz Im Rahmen des 2001 in Kraft getretenen Heilmittelgesetzes werden die Zulassung, die Herstellung, der Grosshandel, die Abgabe, der Export und Import, 163 ebenda. 164 Vgl. Pharmamarkt Schweiz, 2002–2005. 165 www.vips.ch, 2001–2004. 166 Vgl. Experteninterview Eberle, 2003. 74 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren die Erstattung, die Werbung und der Patientenschutz durch das Schweizerische Heilmittelinstitut, Swissmedic, reguliert.167 Für den Pharmagrosshandel sind zwei Artikel von zentraler Bedeutung: Art. 18 und 19. Gemäss Art. 18 ist die Grosshandelstätigkeit in der Schweiz bewilligungspflichtig. Gemäss Art. 19 erhält jedes Unternehmen eine Grosshandelsbewilligung, welches alle „erforderlichen fachlichen und betrieblichen Voraussetzungen“ und die Richtlinien der „guten Distributionspraxis“ erfüllt.168 Die Richtlinien der guten Distributionspraxis sind ein Qualitätsmanagementsystem, das jeder Grosshändler einführen soll.169 Das System umfasst neben der Dokumentation sämtlicher logistischer Prozesse auch Anforderungen an die Lagereinrichtungen und das Fachpersonal sowie detaillierte Richtlinien betreffend Bestellabwicklung, Lagerung, Lieferungen, Retouren und Reklamationen. Das System wird vom Schweizerischen Heilmittelinstitut, Swissmedic, jährlich kontrolliert. Im Heilmittelgesetz wird zwischen Publikums- und Fachwerbung unterschieden. Die Erste ist grundsätzlich nur für rezeptfreie Medikamente erlaubt. Die Zweite betrifft die Werbung an Personen, die zur Abgabe berechtigt sind, d.h. Ärzte, Apotheker und Drogisten, und wird ausschliesslich durch die Pharmaproduzenten betrieben. Die Schranken werden vom Heilmittelgesetz und der ArzneimittelWerbeverordnung gegeben (AWV).170 Bei der Fachwerbung sind auch die Bestimmungen des Pharma-Fachwerbungskodex in Kraft.171 Wettbewerbsgesetz Per Ende 2000 wurde das einheitliche Margensystem, die so genannte SanpharMargenordnung, das limitiert Rabatte zugelassen hat, aufgelöst.172 Die Wettbewerbskommission hat die Bestimmungen der Margen- und Rabattordnung und die Grossistenbedingungen des Verbands Sanphar nach Massgabe des Kartellgesetzes (Art. 5, Abs. 1) als unzulässig erklärt und deren weitere Praktizierung verboten.173 Der Endpreis der Medikamente kann seitdem flexibel festgelegt werden. 167 Vgl. HMG, Abschnitte 3 und 4. 168 Vgl. Guidelines on Good Distribution Practice of Medical Products for Human Use (Direktive der EU 94/C 6303 und Art. 10 der Direktive der EU 92/95/EEC vom 31.12.1992). 169 Vgl. HMG, Abschnitt 3, Art. 19a. 170 Vgl. Verordnung für die Arzneimittelwerbung, 17.10.2001. 171 Vgl. Verhaltenskodex der pharmazeutischen Industrie in der Schweiz (Pharmakodex), 4.12.2003 Jahresbericht, http://www.sgci.ch/plugin/template/sgci/*/17284. 172 Vgl. Medienmitteilung, 26.06.2000, Vereinigung der Importeure pharmazeutischer Spezialitäten, www.vips.ch. 173 Vgl. IKS-Jahresbericht 2000, S. 12. 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz 75 Ein neues Abgeltungsmodell für die Abgabe von kassenpflichtigen Medikamenten wurde ab 01.01.2003 eingeführt. Demgemäss werden eine untere und eine obere Preisgrenze festgelegt. Die untere Grenze ist der Herstellerabgabepreis, der dem europäischen Durchschnitt angepasst wird. Die obere Grenze stellt den vom Bundesamt für Sozialversicherung festgelegten Publikumspreis dar. Die Differenz schliesst die Vertriebskosten wie Transport, Lagerhaltung, Abgabe, Inkasso, Pauschalzuschlag pro Packung ein und hängt vom Herstellerpreis ab. Die Apotheken-Taxen für Beratung und Dossierführung werden unabhängig vom Medikamentenpreis vergütet. Diese Preise sowie die Differenz, welche zu Gunsten der Grosshändler entfällt, sind seit September 2001 öffentlich zugänglich.174 Ein Vergleich des neuen und alten Preisbildungssystems ist aus der Abbildung 2.14 ersichtlich. Altes System Neues System Publikumspreis (gem. SL) Fachhandelsmarge Sanphar Grossistenmarge Herstellerabgabepreis inkl. Vertrieb (festgesetzt durch den Hersteller) Publikumspreis (gem. SL) Fachleistungen der Apotheke Vertriebskosten (Logistik, Transport, Kapital) Herstellerabgabepreis Ex-factory-Preis Abbildung 2.14: Vergleich zwischen dem alten und dem neuen Preisbildungsmodell für kassenpflichtige Medikamente Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an „Recht und Politik des Wettbewerbs“ 3/2000, Wettbewerbskommission, S. 325 Im neuen System ist keine Grosshandelsmarge festgelegt und gesichert, was die Situation in der Schweiz einzigartig für Europa macht. Aus dem neuen Handels- 174 Siehe vollständige Liste der Hersteller- und Publikumspreise sowie Anteile für Hersteller und Verteiler je Medikamente aus der Spezialitätenliste auf www.sl-preise.ch. 76 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren margebereich ergeben sich aber nicht nur Gefahren, sondern auch Chancen für den Grossisten durch die Entwicklung von Marketingstrategien.175 Gesetz für die Sozialversicherungen In der Schweiz sind ca. 77.5% der Medikamente kassenpflichtig. Sie sind in der Spezialitätenliste des Bundesamts für Sozialversicherungen aufgeführt. Die Aufnahme in die Spezialitätenliste erfolgt nach Bewertung der Wirksamkeit, der Zweckmässigkeit und der Wirtschaftlichkeit eines Medikamentes auf Antrag der Eidgenössischen Arzneimittelkommission.176 Die Verweigerung seitens der Krankenkasse, ein Medikament zurückzuerstatten, wirkt sich wie ein Einfuhrverbot aus. Eine wachsende Anzahl von teuren kassenpflichtigen Medikamenten erhöht die Gefahr der Umgehung des Pharmagrosshandels. Parallelimporte Durch den Parallelimport werden Medikamenten von Ländern mit einem niedrigeren Preisniveau ins Ländern mit höheren Preisen rechtlich legal importiert. Seit dem 1. Januar 2002 werden in der Schweiz Parallelimporte für Medikamente zugelassen, welche in ihrem Heimatland patentfrei sind (Generika).177 Bis jetzt konnten sich die Parallelimporte in der Schweiz nicht etablieren. Die Parallelimporteure benötigen eine Einfuhrerlaubnis, die vom Schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic ausgestellt wird. Erst dann können sie die Apotheken oder die SD-Ärzte direkt oder durch die etablierten Pharmagrosshändler mit den Medikamenten beliefern. Der Einfluss der Parallelimporte auf den Schweizer Markt ist bis jetzt als sehr gering einzuschätzen.178 Bis Ende 2004 wurde keinem Parallelimporteur die Erlaubnis gegeben, und zwar aufgrund unvollständiger Unterlagen, fehlender Qualitätszertifikate der beteiligten EU-Firmen etc. Weitere Begrenzungen und Kosten sind mit dem erforderlichen Umpacken der Medikamenten verbunden179, wozu ein Parallelimporteur eine Herstellerbewilligung für die Schweiz benötigt, mit den Auflagen hinischtlich Rückrufmöglichkeiten zweifelhafter Lose, Pharmakoviglianz (Meldepflicht bezüglich Arzneimittelrisiken) etc. Um alle diese Markteintrittsund Transaktionskosten zu decken, muss der Parallelimporteur eine Mindest- 175 Vgl. Experteninterview Jenny, 2005. 176 Vgl. Pharmamarkt 2001, www.interpharma.ch. 177 Vgl. Zenhäusern, 2004, S. 27. 178 Vgl. Experteninterview Gisler, 2004. 179 Die meisten Medikamenten in der Schweiz haben eine Packungsgrösse von z.B. 20 Stück und die im Ausland eine von z.B. 30 Stück. In der EU darf der Importeur, da er auch Hersteller ist, die Ware umpacken (vgl. Zenhäusern, 2004, S. 8). 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz 77 grösse erreichen. Deshalb sind immer noch in der EU einige wenige Unternehmen tätig.180 Versandhandel und Handel über das Internet Wie im Abschnitt 2.2.4.4 erwähnt sind der Versandhandel und der Handel über das Internet in der Schweiz nur in einem sehr begrenzten Umfang erlaubt. Der seit dem 1. Januar 2004 zugelassene grenzüberschreitende Internethandel mit Medikamenten in Deutschland wird durch Entwicklungen charakterisiert, welche auch kurz- bis mittelfristig für die Schweiz relevant sein werden und somit die Pharmagrossisten betreffen werden. Gemäss dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) können die stationären Apotheken (Offizin-Apotheke) einen eigenen Versandhandel bzw. Online-Shop starten. Dazu benötigen sie eine spezielle Zulassung. Nach Gesetz darf in Deutschland eine Apotheke nur einem Apotheker gehören, was Investoren immer noch fernhält. Wenn aber der Fremdbesitz zugelassen wird, dürfen auch Supermärkte, Kaufhauskonzerne oder Pharmagrosshändler den Markt betreten. Namen wie die Deutsche Post, grosse Drogerieketten wie Schlecker und Rossmann, KarstadtQuelle und sogar das Auktionshaus Ebay haben Interesse bekundet und eigene Projekte gestartet. Experten versprechen einen Umsatzpotenzial von 2–3 Mrd. Euro für den Versandhandel mit Medikamenten in Deutschland.181 In Deutschland besteht aber auch die Möglichkeit, Medikamente aus dem Ausland zu bestellen. Der grenzüberschreitende Handel mit zugelassenen Medikamenten ist nur in der Form eines Parallelimports möglich.182 Der Marktführer im Onlinehandel mit Medikamenten ist das in Venlo (Niederlande) ansässige Unternehmen DocMorris. Seit 2000 ist der Handel mit Medikamenten in Holland zugelassen. DocMorris hat sich zu Europas grösster Versandhandelsapotheke mit 200 Mitarbeitern entwickelt. Die Gefahr für die stationären Apotheken hat dazu geführt, dass am Anfang keiner der Pharmagrossisten in Deutschland DocMorris beliefern wollte. Dies betrifft auch zahlreiche Hersteller, welche einen Interessenkonflikt befürchten oder gar nicht logistisch dazu in der Lage sind. Nach den Worten des Gründers und Geschäftsführers von DocMorris, Ralf Däiningshaus, werden 20–25% der Medikamente direkt bei Herstellern eingekauft und der Rest über befreundete Apotheken, welche selber beim 180 Vgl. Bericht des Bundesrates zum Thema „Parallelimporte und Patentrecht“ vom 03.12.2004, S. 13. 181 Vgl. Rössling, in Financial Times Deutschland, 19.8.04. 182 Vgl. Deutsche Apotheker-Zeitung, 2004, Nr. 46, S. 68–70. 78 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren Grosshandel bestellen.183 DocMorris bietet alle in Deutschland zugelassenen Arzneimittel ohne Betäubungsmittel an. Die Lieferung erfolgt vier bis fünf Tage nach der Rezeptversendung inklusive Abholung und Zustellung. Die Bestellungen werden per Post, Fax oder Internet getätigt. Das Unternehmen rechnet direkt mit den Krankenkassen ab. Das Unternehmen ist nach DIN ISO 9001 zertifiziert. Ausserdem werden Beratungen zu Risiken und Nebenwirkungen und ein persönlicher Arzneimittel-Check angeboten.184 Harmonisierung mit der Gesetzgebung der EU und USA Die bilateralen Verträge mit der EU sind bedeutend für den Pharmamarkt. Sie regulieren die Handelshemmnisse, die Anerkennung der Herstellungskontrollen, die Personenfreizügigkeit etc. Das Heilmittelgesetz ist eine Voraussetzung für die bilateralen Verhandlungen mit der EU185 sowie für die MRA-Verhandlungen (“Mutual Recognition Agreement”) mit den USA. Im Rahmen der EU besteht ein „Spannungsfeld zwischen liberaler europäischer Arzneimittelgesetzgebung mit dem Ziel, einen gemeinsamen EU-Binnenmarkt zu schaffen, und nationaler Sozial- und Gesundheitspolitik zum Schutz heimischer Interessen“.186 Es bestehen Regulierungen betreffend die Zulassung, Marktüberwachung, den Preis, die Gewinne, Erstattungsfähigkeit, Werbung, Importverhinderungen etc. Einerseits ist die Zulassung, Herstellung und die Inbetriebnahme von Arzneimitteln harmonisiert und beruht auf dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung. Andererseits sind die Gesundheitssysteme in den Mitgliedstaaten immer noch sehr unterschiedlich. 2.2.4.7 Wachsende Verhandlungsmacht der Endkonsumenten Die Nachfrage nach den Grosshandelsleistungen ist indirekt von der Nachfrage nach Medikamenten seitens der Endkonsumenten abhängig. Somit spielen die Bevölkerungsentwicklung und die Bedürfnistrends unter den Endkonsumenten eine wichtige Rolle. Die demografische Alterung wird als eine der grössten Herausforderungen für die Schweiz angesehen. Dank der Einwanderung sei die 183 Vgl. ARD-Sendung, 17.06.2004. 184 Vgl. www.netdoctor.de, 10.02.04 für einen Vergleich zahlreicher Internetapotheken in Deutschland. 185 Das Heilmittelgesetz deckt die harmonisierten EU-Richtlinien für Humanarzneimittel, Tierarzneimittel und Medizinprodukte sowie die Europaratskonvention über die Ausarbeitung einer europäischen Pharmakopöe (eine Sammlung von Vorschriften über die Qualität von Arzneimitteln, pharmazeutischen Hilfsstoffen und einzelnen Medizinprodukten ab (vgl. HMG, Kapitel I, Art. 4g). 186 Vgl. Münich/Oberender, 1987, S. 50. Wichtige Dokumente, die den Medikamentenmarkt auf EU-Ebene regulieren, sind die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (6.11.2001), Richtlinie 91/356/EWG für die Good Manufacturing Practice (13.06.1991) und Richtlinie 89/105/EWG für die Transparenz von Massnahmen zur Regelung der Preissetzung bei Arzneimitteln (21.12.1988) (vgl. www.efpia.org, 2003). 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz 79 Schweiz gegenüber anderen Ländern wie z.B. Italien, Frankreich und Deutschland durch eine langsamere Rate gekennzeichnet. Als Gründe können einerseits die Alterung der geburtenreichen Baby-Boom-Jahrgänge und andererseits die tiefen Geburtenraten der Schweizer erwähnt werden. Gemäss dem Bundesamt für Statistik schrumpft die Erwerbsbevölkerung bereits ab dem Jahr 2015. Mit der Alterung der Bevölkerung verändert sich der Stellenwert der Gesundheit in der Bedürfnisskala. Sie wird zum zentralen Bestandteil der Lebensqualität, was zu einer wachsenden Nachfrage nach Gesundheitsleistungen führt. Die Gesundheit des Menschen ist seit Jahren zum Gesellschaftsthema Nr. 1 in der Schweiz geworden, so dass alle Akteure im Gesundheitswesen im politischen Rampenlicht stehen.187 Die steigenden Gesundheitskosten und Krankenversicherungsprämien einerseits und der Erfolg der forschungsorientierten und global agierenden Pharmaproduzenten andererseits führen zu Konflikten seitens Regierung, Behörden und nicht formeller Konsumentenkreise, was zu einer Vielzahl von Gesundheitsinitiativen führt188. Die Emanzipation des Patienten kann als treibende Kraft hinter dem Mega-Trend „Gesundheit“ bezeichnet werden. Daraus folgt eine wachsende Nachfrage nach mehr und sicheren Informationen. Die Gesundheitsinformation wird zum Produkt und führt vermehrt zu einem Ausgleich der Asymmetrie zwischen Patient und Arzt. Studien zeigen, dass mehr als die Hälfte der Informationen, welche Patienten mit dem Arzt erörtern, für den Arzt einen Neuigkeitsgrad haben.189 Aufgrund der Nachfrage nach neuen Wegen der Selbstmedikation verwischen auf der Anbieterseite die Grenzen zwischen Pharma, Food und Wellness.190 Dieser Trend resultiert auch aus dem Bedürfnis, die Lebenserwartung zu verlängern und längstmöglich jung, schön und schlank zu bleiben. Die Nachfrage nach traditionellen und alternativen medizinischen Leistungen sowie nach Wellness-Angeboten nimmt ständig zu. Neue Akteure wie Ernährungs-, Gesundheits- und Diätberater betreten den Markt und konkurrenzieren mit massgeschneiderten Leistungen Ärzte und Apotheken. Das Bedürfnis nach einer professionellen und ganzheitlichen Behandlung und Wellness verändert den Fokus im medizinischen Sektor von der Krankheitsbekämpfung auf eine 187 Vgl. Experteninterview Gremlich/Kleine, 2003. 188 Letzte Initiative in der Schweiz Mai 2003 zum Thema Gesundheitskosten. 189 Vgl. Reuters Business Insight, 1998, S. 7f. 190 Vgl. Reuters Business Insight 2001. 80 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren prophylaktische Vorsorge.191 Dienstleistungsbetriebe. So verwandeln sich die Ärztepraxen in 2.2.4.8 Zusammenfassung branchenspezifischer Trends 1. Hohe wirtschaftliche Markteintritts- und Marktaustrittsbarrieren im Vollgrossisten-Bereich verstärken den Überlebenskampf und den Konsolidierungsprozess. Im Gegensatz dazu erweisen sich die Eintrittsbarrieren für fokussierte Teilgrossisten, welche sich auf den Vertrieb von teuren Originalpräparaten und Generika spezialisieren, als relativ niedrig. 2. Hohe Rivalität unter den Vollgrossisten führt zu einem andauernden Konsolidierungsprozess. Das niedrige Wachstum wird durch eine ständige Angleichung der Angebote begleitet. 3. Die Substitutionsgefahr durch das Direktgeschäft wächst, obwohl sie gegenwärtig als relativ klein eingestuft wird. Dies betrifft insbesondere den Einkauf der Apothekenketten und -gruppierungen und den Bereich der teuren Originalmedikamente. 4. Hohe Dynamik und wachsende Gefahren verzeichnen die Abnehmerbranchen des Pharmagrossisten. Niedriges Wachstum und stagnierende Anzahl Unternehmen führen zu einer dominierenden Position der Apothekenketten und -gruppierungen. Somit wächst der Druck auf den Grosshandel seitens der Apotheken. Die selbstdispensierenden Ärzte geben immer mehr rezeptpflichtige Medikamente ab und bevorzugen eigene Beschaffungskanäle und das Direktgeschäft. Die Anzahl der Drogerien nimmt ständig ab und der ganze Drogerienmarkt ist gruppiert. Neue Abgabekanäle wie Versandhandel und Online-Handel sind erst am Anfang ihrer Entwicklung, jedoch haben sie ein grosses Potenzial. 6. Die Produzenten von Originalmedikamenten konzentrieren sich auf die Herstellung und Vermarktung einiger weniger profitabler Medikamente. Zu diesem Zweck bauen sie eine stake Marketing- und Projektorganisation. Alle restlichen Aktivitäten werden ausgegliedert. Für den Grosshandel eröffnen sich vermehrt Chancen im Bereich der Distribution. 7. Der Wettbewerb unter den Generikaproduzenten verschärft sich und eine Konsolidierungs- und Spezialisierungswelle findet statt. Ein für den Grosshandel günstiger Outsourcing-Trend wird aber weniger wahrscheinlich, da die GenerikaProduzenten keine eigene Forschung und Entwicklung betreiben, sondern die Skaleneffekte entlang der eigenen Wertkette vollumfänglich ausschöpfen. 191 Vgl. Studie „Megamarkt Gesundheit“, 2004, www.zukunftsinstitut.de 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz 81 8. Die staatliche Regulierung betrifft alle wertschöpfenden Aktivitäten im Pharmamarkt, inklusive sämtliche Grosshandelstätigkeiten. Dabei besteht ein Spannungsfeld. Einerseits wird im Rahmen der EU, aber auch durch internationale Vereinbarungen, die Schaffung eines globalen Medikamentenmarktes angestrebt. Beweis dafür ist die Zulassung und Förderung der Parallelimporte. Andererseits lässt sich die Gesetzgebung und die Interessen der beteiligten Unternehmen und Gesellschaft auf Ebene einzelner Staaten schwierig angleichen. 9. Die demografische Alterung der Bevölkerung ist mit einer wachsenden Nachfrage nach Gesundheitsleistungen verbunden. Der Endkonsument nimmt die eigene Gesundheit selbst in die Hand und sucht aktiv nach Informationen. 2.2.5 Treibende Kräfte im Pharmagrosshandelsumfeld Bei der Analyse der Langfristtrends im Marketingkanal und der branchenspezifischen Trends können Gruppen treibender Kräfte im Pharmagrosshandelsumfeld gebildet werden (siehe Abbildung 2.15). Haupteinflussfaktoren Branchenspezifische Trends Staatliche Regulierung/ Deregulierung Treibende Kräfte: 1. Regulierung 2. Deregulierung 3. Zulassung neuer Vertriebskanäle Konsumentenverhalten Hohe Eintritts-/ Austrittsbarrieren Verhalten der Konkurrenz (Angleichung der Angebote) Konzentrationsprozesse im Fachhandel Outsourcing in der Pharmaindustrie Treibende Kräfte: 1. Gestiegenes Kostenbewusstsein 2. Gesundheitsvorsorge und Wellness 3. Emanzipation Niedriges Branchenwachstum Direktvertrieb/ -beschaffung Hohe Fixkosten und Überkapazitäten Effizienzsteigerungen v.a. in der Logistik Technologischer Wandel Treibende Kräfte: 1. Effizienzpotenziale + Produktivitätssteigerungen 2. Grenzüberschreitende Informationstranparenz 3. Neue Distributionskanäle Abbildung 2.15 Haupteinflussfaktoren, treibende Kräfte und branchenspezifische Trends Quelle: Branchenkonsolidierung eigene Darstellung Produktivitätssteigerung v.a. in der logistik 82 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren Die Experten bezeichnen die staatlichen Regulierungs- und Deregulierungsmassnahmen als wichtigsten Haupteinflussfaktor im Pharmamarkt und somit auch für den Pharmagrosshandel.192 Dazu gehören treibende Kräfte, welche sowohl Chancen als auch Gefahren für den Pharmagrosshandel bergen (siehe Tabelle 2.5). Treibende Kraft Strategische Chancen für den Pharmagrosshandel Strategische Gefahren für den Pharmagrosshandel Zulassung und Zunahme der Parallelimporte Neue Möglichkeiten bei der Sortimentsbildung und neue ausländische Herstellerkundschaft. Konkurrenz durch ausländische Distributionskanäle bzw. etablierte Importunternehmen. Zulassung des grenzüberschreitenden Versand- und OnlineHandels Angebot neuartiger logistischer und Marketinglösungen an Apotheken zum Aufbau eigener Online-Shops; Konkurrenz durch spezialisierte Logistikunternehmen und Zunahme des Direktgeschäftes. Einstieg ins Versandhandel an Endkonsumenten in Zusammenarbeit mit Ärzten und Apotheken. Zulassung des Fremdbesitzes an Apotheken Markteintritt neuer Anbieter mit grosser Verhandlungsmacht und eigenem Distributionsnetz (z.B. Migros). Aufnahme innovativer und teurer Medikamente in die Spezialitätenliste Zunahme des Direktgeschäftes. Tabelle 2.5: Strategische Chancen und Gefahren aufgrund der staatlichen Regulierung und Deregulierung Quelle: eigene Darstellung Dabei wirken sich Beschleunigungskräfte193 wie weitere Öffnung der Volkswirtschaften, Kaufkraftveränderungen, tarifäre und nicht tarifäre Handelshemmnisse, 192 Vgl. Experteninterview Eberle, 2003, Experteninterview Jenny, 2005. 193 Vgl. Rudolph, 1999, S. 102. 2.2 Fallstudie: Veränderungsprozesse im Pharmagrosshandelsumfeld in der Schweiz 83 Transportbedingungen und -kosten, Annäherung internationaler Gewohnheiten in Bezug auf Gesundheit und Wellness, Entwicklung des Gesundheitstourismus, Medien etc. aus. Die zweite Gruppe treibender Kräfte kann dem Haupteinflussfaktor Veränderungen im Konsumentenverhalten zugeteilt werden (siehe Tabelle 2.6). Durch den Einfluss auf die Pharmaindustrie, auf den Fachhandel mit Medikamenten und auf die staatliche Gesundheitspolitik sind Trends bei den Endkonsumenten durch die Pharmagrosshändler zu analysieren. Treibende Kraft Strategische Chancen für den Pharmagrosshandel Strategische Gefahren für den Pharmagrosshandel Steigendes Konstenbewusstsein Notwendigkeit einer Neuorganisation des Marketingkanals – hohe Effizienz bei gleicher Qualität: Pharmagrosshandel als Motor eines neuartigen SupplyChain-Modells Margenerosion Nachfrage nach Generika Entwicklung von Eigenmarken in Zusammenarbeit mit Generika-Herstellern Margenerosion und Umgehung durch spezialisierte Logistikunternehmen Gesundheit und Wellness Sortimentserweiterungen und proaktive Marketingmassnahmen wie themenorientierte Lancierung von Produkten und Dienstleistungen Neue Abgabeorte mit eigenem Distributionsnetz Emanzipation des Konsumenten Angebot von spezialisierten Dienstleistungen für die Abgabeorte: medizinische Tests in der Apotheke oder wissenschaftlicher Informationsdienst für Ärzte und direkt für die Endkonsumenten Tabelle 2.6: Strategische Chancen und Gefahren aufgrund der Veränderungen im Konsumentenverhalten Quelle: eigene Darstellung 84 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren Wichtige Beschleunigungskräfte sind Medikamenten- und Leistungsinnovationen, reales verfügbares Einkommen, Länge der Arbeitszeit, Haushaltsgrösse, Bildungsinhalte, Arbeitlosenquote, Berufsaltersgrenze, neue gefährliche Krankheiten, Lebensstil einflussreicher Persönlichkeiten und aktiver sozialer Gruppen, Medien etc.194 Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien eröffnen auch Chancen und Gefahren (siehe Tabelle 2.7). Die Pharmagrosshändler waren eine der ersten Grosshandelsbranchen, welche die Automatisierung der Logistik und den Einsatz neuer Technologien eingeführt haben. Treibende Kraft Strategische Chancen für den Pharmagrosshandel Wirtschaftliche Effizienz- und Produktivitätssteigerung Neue Marketingkonzepte aufgrund Beziehungsmanagementlösungen und Supply-Chain-Modelle Grenzüberschreitende Informationstransparenz Angebot hochqualitativer Kennzahlen und eines wissenschaftlichen Informationsdienstes Neue Distributionskanäle Bereitstellung technischer Tools für die neuen Distributionskanäle, Integration zusätzlicher Aktivitäten der Pharmaindustrie und des Fachhandels Strategische Gefahren für den Pharmagrosshandel Informationsbasierte Dienstleistungen werden durch InternetPlattformen ersetzt Umgehung durch den Einsatz von Logistikunternehmen Tabelle 2.7: Strategische Chancen und Gefahren aufgrund der neuen Informations- und Kommuniktaionstechnologien Quelle: eigene Darstellung Die Beschleunigungskräfte sind Hardware- und Software-Innovationen, Knowhow der Mitarbeiter, Konkurrenzaktivitäten im Technologiebereich, Ausrüstungstempo der Haushalte mit PCs und Zubehör, Nutzungskompfort der neuen Technologien, Medien etc.195 194 Vgl. Rudolph, 1999, S. 74. 195 Vgl. Rudolph, 1999, S. 100. 2.3 Zusammenfassung des Kapitels 85 Zuletzt werden die zwei Haupteinflussfaktoren Veränderungen in der Pharmaindustrie und im Fachhandel mit Medikamenten erwähnt. Der Outsourcing-Trend hat für die Grosshändler die strategische Möglichkeit eröffnet, ins PrewholesaleGeschäft einzusteigen. Dort sind sie aber mit der Konkurrenz spezialisierter Logistikunternehmen konfrontiert. Die Konzentrationsprozesse bei den Apotheken und Drogerien führen nicht nur zu einem Rückgang der Anzahl Grosshandelskunden, sondern sie fördern auch die Umgehung des Pharmagrosshandels. Sie sind aber auch mit den Chancen für neue Marketingkonzepte zur Zusammenarbeit wie dem Aufbau eines Supply-Chain-Modells verbunden. Zwischen den treibenden Kräften und Einflussfaktoren bestehen zahlreiche und komplexe Wechselbeziehungen, welche durch den Pharmagrosshandel zu analysieren sind, um die jeweils treibenden Kräfte und ihre Beschleuniger rechtzeitig zu identifizieren. So z.B. übt das gestiegene Kostenbewusstsein der Endkonsumenten einen Druck nicht nur direkt auf den Fachhandel, sondern auch auf die staatlichen Massnahmen aus, die zu einer Förderung von Generikaproduktion und -verkauf geführt haben. Dieser Kostendruck zusammen mit der grenzüberschreitenden Informationstransparenz kann in Zukunft zu einer Zulassung des Online-Handels in der Schweiz führen. Dies wiederum wird die OffizinApotheken unter Druck setzen und die Konsolidierungsprozesse vorantreiben. Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien haben erheblich zur Emanzipation des Kunden beigetragen. Durch das Zulassungsverfahren, den Patentschutz und den Kostendruck wirken sich die staatlichen Massnahmen auf den Outsourcing-Trend in der Pharmaindustrie aus. Die Koordination mehrerer Aktivitäten im Rahmen eines Projektmanagements wird durch die neuen Informationstechnologien ermöglicht. 2.3 Zusammenfassung des Kapitels Im zweiten Kapitel dieser Dissertation wird eine Methodik zur Analyse der Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld vorgestellt und am Beispiel des Pharmamarktes und des Pharmagrosshandels in der Schweiz angewendet. Das Ziel ist, eine detaillierte Kenntnis der Umfeldfaktoren und ihrer Dynamik zu gewinnen, um strategische Chancen und Gefahren für die Grosshandelsunternehmen abzuleiten. Die Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld lassen sich in drei Schritten analysieren: Schritt 1: Durch die Analyse des Marketingkanals werden erstens die Struktur des Marketingkanals und die Unternehmen festgestellt, welche auf jeder Stufe 86 2 Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld – strategische Chancen und Gefahren tätig sind. Zweitens werden die Aufgaben identifiziert, die jede Gruppe von Unternehmen ausführt. Drittens wird das Konzept der Marketingflüsse zur Strukturierung der Aufgaben und zu einer unternehmensübergreifenden Prozessbetrachtung eingesetzt. Anschliessend werden die Trends identifiziert, welche sich auf den Marketingkanal auswirken. Schritt 2: Die Branchenanalyse umfasst die Untersuchung von acht Faktoren der Branchenattraktivität: Bedrohung des Markteintritts, Rivalität unter den bestehenden Unternehmen, Bedrohung durch Substituten, Verhandlungsmacht der Abnehmer, Verhandlungsmacht der Lieferanten, Rolle des Staates, komplementäre Produkte, Verhandlungsmacht der Endkonsumenten. Die Dynamik der Faktoren lässt auf branchenspezifische Trends schliessen. Schritt 3: Analyse der Trendveränderungen und Ableitung strategischer Chancen und Gefahren. Die Trends im Marketingkanal und die branchenspezifischen Trends können in fünf Gruppen von Haupteinflussfaktoren strukturiert werden. Aus der Wirkung jeder treibenden Kraft werden strategische Chancen und Gefahren für den Grosshandel abgeleitet. Die gesetzliche Regelung der Abgabeorte teilt den Marketingkanal für Medikamente in der Schweiz in zwei Substrukturen: den Marketingkanal für rezeptpflichtige Medikamente und den Marketingkanal für rezeptfreie Medikamente. Der Marketingkanal für rezeptpflichtige Medikamente zeichnet sich durch grössere Umsatzvolumina, höhere Preise, Erstattungsfähigkeit, gesetzliche Begrenzung der abgabeberechtigten Unternehmen aus. Der Wettbewerb findet auf der Grosshandels- (zwischen Grosshändlern und spezialisierten Logistikern und Prewholesalern) und Fachhandelsstufe statt (zwischen Apotheken und selbstdispensierenden Ärzten). Der Marketingkanal für rezeptfreie Medikamente wird durch eine grosse Anzahl Abgabeorte, fehlende Finanzierung seitens des Gesundheitssystems, freie Preisbildung und sinkende Umsatzvolumina gekennzeichnet. Der Wettbewerb findet vor allem auf der Fachhandelsstufe statt. Die Pharmagrosshandelsbranche ist durch eine hohe Dynamik sowie stabile bis sinkende Attraktivität gekennzeichnet. Zu dieser Schlussfolgerung tragen folgende Faktoren bei: – hohe Markteintrittsbarrieren im Vollsortimentsbereich, – hohe Rivalität unter den etablierten Vollgrossisten, – Dynamik und Zunahme der Substitutionsgefahr, – geringe Bedeutung der komplementären Dienstleistungen, – hohe Verhandlungsmacht der Pharmaindustrie, 2.3 Zusammenfassung des Kapitels – Dynamik und Zunahme der Verhandlungsmacht des Fachhandels, – hoher Regulierungsgrad und gleichzeitig Deregulierungsbemühungen, – wachsende Verhandlungsmacht der Endkonsumenten. 87 Fünf Haupteinflussfaktoren und die dazugehörenden treibenden Kräfte führen zu strategischen Chancen und Gefahren für den Pharmagrosshandel. Den grössten Einfluss hat die gesetzliche Regulierung und Deregulierung, gefolgt durch die Veränderungen im Konsumentenverhalten, den Outsourcing-Trend in der Pharmaindustrie, die Konsolidierungsprozesse im Fachhandel mit Medikamenten und die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. 88 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels Im vorherigen Kapitel 2 wurde dargestellt, wie das Markt- und Branchenumfeld systematisch analysiert werden kann, um eine detaillierte Kenntnis der strategischen Chancen und Gefahren zu gewinnen. Diese ist der erste grundlegende Baustein bei der Entwicklung Erfolg versprechender Positionierung und Profilierung. Der zweite Baustein sind die unternehmenseigenen Ressourcen und Kompetenzen. Wettbewerbsvorteile werden nur dann erlangt, wenn die Positionierung und Profilierung auf Kernkompetenzen basieren.196 Im vorliegenden Kapitel III werden theoretische Überlegungen zur Wertschöpfung und somit zu den Kompetenzen der Grosshandelsunternehmen dargestellt. Zunächst wird ein Überblick der in der Literatur bestehenden Beiträge, ihrer Erkenntnisse und Defizite gemacht – von den Theorien der Einschaltung über die Marketingkanäle-Theorie bis zur Funktionenlehre. Dann wird die Besonderheit der Grosshandelswertschöpfung bzw. ihre Zweiseitigkeit, theoretisch analysiert. Anschliessend wird versucht, die zweiseitigen wertschöpfenden Aktivitäten aus Marketingmanagementsicht so darzustellen, dass im Kapitel IV die möglichen Wettbewerbsstrategien beschrieben werden können. Mit der Hilfe der Theorie wird der Raster von Rosenbloom (1987) neu strukturiert, vervollständigt und in der Form einer zweiseitigen Wertkette dargestellt. So können anschliessend im Kapitel 4 die Quellen für Wettbewerbsvorteile nach Porter (1985) identifiziert und analysiert werden. 3.1 Die Existenzberechtigung des Grosshandels im Spiegel der Literatur Hinweise auf die Wertschöpfung des Grosshandels finden sich einerseits in der Antwort auf die Frage, unter welchen Bedingungen der Grosshandel in der Warendistribution eingeschaltet wird und andererseits in der Erklärung seiner Rolle in der Wirtschaft. Im Folgenden werden deshalb zum einen die Beiträge über die Einschaltung des Grosshandels und zum anderen jene über die Grosshandelsfunktionen dargestellt. 196 Vgl. Rudolph/Maag, 1999, S. 25. 3.1 Die Existenzberechtigung des Grosshandels im Spiegel der Literatur 89 3.1.1 Einschaltung des Grosshandels 3.1.1.1 Baligh-Richartz-Effekt und der Transaktionskostenansatz Der Baligh-Richartz-Effekt ist der Ausgangspunkt zahlreicher theoretischer Beiträge, welche die Existenz der Handelsbetriebe zu erklären versuchen.197 Dieser Effekt drückt sich in der Reduktion der Kontakte zwischen den vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen und somit in einer Effizienzsteigerung aus (siehe Abbildung 3.1). Nach Gümpel (1985) kann der Effekt als „die bisher einzig bekannte logische Struktur, mit der sich die existenzbedingte Ressourcenersparnis von Handelsbetrieben überhaupt erklären lässt“ bezeichnet werden.198 A H A H A A H A H H A GH H A A A A Abbildung 3.1: Reduktion der Kontakte zwischen Herstellern (H) und den Abnehmern (A) dank der Einschaltung des Grosshandels (GH) Quelle: Vgl. Müller-Hagedorn/Spork, 2000, S. 254 Das Modell baut auf mehreren Prämissen auf:199 – alle Hersteller und alle Abnehmer beschäftigen sich mit demselben Produkt, – die Gesamtmenge der durch das System abgewickelten Güterflüsse ist gegeben, – das Bestellvolumen, die Kosten und Transportmethode sind gegeben, 197 Eine ausführliche Darstellung des Baligh-Richartz-Effektes und seine Prämissen in Müller-Hagedorn/Spork, 2000. 198 Gümpel, 1985, S. 115. 199 Vgl. Baligh-Richartz, 1964, S. 668f. und Müller-Hagedorn/Spork, 2000, S. 255f. 90 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels – die Abnehmer streben einen Kontakt mit allen Herstellern an, – sowohl Hersteller als auch Abnehmer sind an einer Kontaktereduktion interessiert, – alle Kontakte sind mit den gleichen Kosten verbunden, – durch Preisrabatte ermöglichen die Hersteller die Kostendeckung beim Grosshändler, – die Abnehmer zahlen einen Preisaufschlag, um die Kosten des Grosshändlers zu decken, – neue Grosshändler können den Markt betreten und werden zu den marktüblichen Konditionen durch den Hersteller beliefert, – die Abnehmer verteilen ihre Bestellungen gleichmässig unter allen Grosshändlern und sind an einem Kontakt zu jedem neuen Grosshändler interessiert. Erkenntnisse: Der Baligh-Richartz-Effekt und die darauf aufbauenden Überlegungen zur Existenzberechtigung des Grosshandels liefern wertvolle Erkenntnisse. Sowohl der Hersteller als auch der Abnehmer ist in die Geschäftspolitik der Grosshändler einzubeziehen. Der Grosshändler muss die Entscheidung der Hersteller und Abnehmer über das direkte oder indirekte Geschäft analysieren. Kritik: Das Modell weist jedoch Nachteile auf. Der Fokus liegt auf einer reinen Kostenbetrachtung, wobei die Möglichkeit der Mehrwertschaffung nicht behandelt wird. Weiterhin fehlen konkrete Hinweise für das Grosshandelsmanagement, wie die Kontaktkosten zu minimieren sind. Der Begriff Kontakt ist auf Teilaufgaben herunterzubrechen, um detailliertere Gestaltungshinweise abzuleiten. Hilfreiche Raster dazu bieten die Grosshandelsfunktionen.200 Ein grosser Teil der Argumentation für den Baligh-Richartz-Effekt baut auf dem Transaktionskostenansatz auf, welcher auch oft zur Beweisführung der Existenzberechtigung der Handelsbetriebe herangezogen wird.201 Der Transaktionskostenansatz leitet sich aus dem Begriff der Transaktion ab, welcher den Prozess der Klärung und Vereinbarung eines Austausches von Leistungen beschreibt.202 Der Ansatz beruht auf der Erkenntnis, dass durch die Inanspruchnahme der Institution Markt Kosten entstehen: Kosten der Informationssuche, Kosten des 200 Vgl. Müller-Hagedorn/Spork, 2000, S. 260. 201 Vgl. Picot, 1986, S. 2. 202 Vgl. Commons, 1934, S. 4ff. 3.1 Die Existenzberechtigung des Grosshandels im Spiegel der Literatur 91 Vertragsabschlusses, Abwicklungs-, Kontroll- sowie Anpassungskosten.203 Diese Idee wird von Williamson (1975) in seinem Markt-Hierarchie-Paradigma weiterentwickelt. Demgemäss werden Austauschprozesse am Markt so lange durchgeführt, bis die dadurch entstehenden Kosten so hoch sind, dass ein Austausch innerhalb des Unternehmens (Hierarchie) kostengünstiger ist.204 Schmid/Freund (1995) lehnen sich an die Transaktionskostentheorie bei der Ableitung der Determinanten der Einschaltung an. Im Rahmen einer empirischen Untersuchung von Grosshandelsunternehmen in Deutschland identifizieren sie einzelwirtschaftliche und gesamtwirtschaftliche Determinanten. Zu den einzelwirtschaftlichen Determinanten zählen die Entscheidung der Hersteller über die Einschaltung des Grosshandels in die Warendistribution, die Vorteilhaftigkeitskriterien und die möglichen Direktvertriebsstrategien. Aus der Sicht des Herstellers lässt sich die Entscheidung als eine “make-or-buy”-Entscheidung definieren. Nach der Transaktionskostentheorie wäre eine solche Entscheidung effizient, wenn die Waren zu den geringstmöglichen Kosten vertrieben würden.205 Die Einschaltung der Handelsunternehmen ist „unter Effizienzaspekten sinnvoll, wenn hierdurch die Transaktionskosten, die auf dem Weg vom Hersteller zum Endverbraucher entstehen, gesenkt werden können“.206 Die zweite Gruppe einzelwirtschaftlicher Determinanten betrifft die Vorteilhaftigkeitskriterien. Eine Übersicht stellt Tabelle 3.1 dar.207 Die dritte Gruppe einzelwirtschaftlicher Determinanten betrifft die Vertriebsstrategien ohne Einschaltung des Grosshandels.208 Der Direktvertrieb betrifft den Vertrieb durch herstellereigene Handelsbetriebe, herstellereigenen Versandhandel, Werkhandelsunternehmen, unmittelbare Belieferung des Einzelhandels, Handelstätigkeit des Herstellers durch Zukauf von Handelsware, Kontaktmarketing – vertragliche Einbindung von Handelsunternehmen in die Vertriebskonzepte der Hersteller. 203 Vgl. Picot/Dietl/Franck, 1999, S. 67. 204 Williamson, 1975. 205 Schmid/Freund, 1995, S. 82. 206 Schmid/Freund, 1995, S. 82. 207 Die Autoren betrachten in Kürze auch Faktoren wie Risikominimierung und strategische Erwägung des Herstellers (vgl. Schmid/Freund, 1995, S. 92ff). 208 Vgl. Schmid/Freund, 1995, S. 100f. 92 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels Vorteilhaftigkeitskriterium Einschaltung des Grosshandels, wenn ... Nachfragerspezifität ... standardisierte Produkte vertrieben werden. Erklärungsbedarf ... technisch komplexe Produkte vertrieben werden und ausreichende Kenntnisse der Grosshändler vorhanden sind. Verbundnachfrage ... Produkt auf die Einordnung in einem Sortiment angewiesen ... Produkte mit hohem relativem Warenwert vertrieben werden. Relativer Warenwert = Preis X Menge je Zeiteinheit im Verhältnis zum Umsatz des Herstellers. Empfindlichkeit der Waren ... Produkte mit mangelnder Lagerfähigkeit vertrieben werden. Relativer Warenwert Je höher die Empfindlichkeit der Waren, desto grösser die Risiken und die Kosten zu deren Minimierung. Zeitliche Struktur von Angebot und Nachfrage ... Produktionsrhythmen und Nachfragezeitpunkte auseinanderfallen. Transportkosten ... Transportkosten hoch sind. Die Höhe der Transportkosten hängt von der Anzahl Abnehmer, Grösse des Absatzgebietes, regionaler Verteilung der Abnehmer, Quantität und Qualität der Verkehrswege, Regulierung der Verkehrsmärkte ab. ... keine oder wenig leistungsfähige und kostengünstige Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Produzent und Nachfrager existieren. ... Produkte mit nicht so hohem Bekanntheitsgrad (wenig bekannte Markenprodukte) vertrieben werden. ... Markenprodukte im Markt neu eingeführt werden oder ein neuer Markt mit bestehenden Produkten erschlossen wird. Kommunikationskosten Marktstellung/ Markttransparenz Tabelle 3.1: Übersicht der Vorteilhaftigkeitskriterien Quelle: Schmid/Freund, 1995, S. 85–99 3.1 Die Existenzberechtigung des Grosshandels im Spiegel der Literatur 93 Die gesamtwirtschaftlichen Determinanten sind mit der Dynamik bei den Marktpartnern und mit den Implikationen für den Grosshandel verbunden. Sie kann durch Konzentrationsprozesse209, horizontale Kooperationsformen, Veränderungen in den Wettbewerbsformen, Diversifikationsstrategien und Veränderungen der Unternehmenstypen beeinflusst werden. Erkenntnisse: Der Transaktionskostenansatz bietet einen erweiterten Einblick in die Faktoren der Einschaltung des Grosshandels und leistet einen hohen Erklärungsbeitrag. Die Studie von Schmid/Freund (1995) präsentiert eine detaillierte Analyse dieser Faktoren und bezieht dabei produktspezifische Merkmale, Ziele und Politik der Hersteller und der Grosshändler, die Dynamik der Rahmenbedingungen sowie die Wettbewerbssituation ein. Kritik: Das Hauptproblem des Transaktionskostenansatzes wie beim BalighRichartz-Effekt liegt in der rein kostenorientierten Betrachtung der Austauschprozesse, ohne dass dabei auf die unterschiedlichen Umsatz- und Gewinnmöglichkeiten eingegangen wird.210 Bei Entscheidungen im Rahmen der Marketingpolitik spielen jedoch die Auswirkungen der eingeschlagenen Strategie auf den Umsatz und auf schwer quantifizierbare Grössen wie Image und Kundenbindung eine entscheidende Rolle.211 3.1.1.2 Theorie der Marketingkanäle Die Entstehung von Marketingkanalstrukturen und vor allem die Einschaltung der auf die Distribution spezialisierten Unternehmen, genannt Intermediäre, können mit der Hilfe von vier miteinander logisch verbundenen Schritten in einem Wirtschaftsprozess erklärt werden: 212 “1. Intermediaries arise in the process of exchange because they can improve the efficiency of the process. 2. Channel intermediaries arise to adjust the discrepancy of assortments through the performance of sorting processes. 3. Marketing agencies hang together in arrangements to provide for the routinization of transactions. 4. Channels facilitate the searching process.” 209 Vgl. Schmid/Freund, 1995, S. 149. 210 Vgl. Picot et al., 1999, S. 73. 211 Vgl. Walter, 2003, S. 47. 212 Stern/El-Ansary, 1992, S. 4–9. 94 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels Zu den Intermediären zählen die Grosshändler, die Einzelhändler und diverse unterstützende Institutionen wie Transportunternehmen, Speditionen, Werbeagenturen, Banken etc. Die Entscheidung über die Einschaltung von Intermediären wird aus der Sicht der Hersteller als Entscheidung über die Länge des Marketingkanals betrachtet.213 Bei einer direkten Distribution, oder einem kurzen Kanal ohne Intermediäre, kann der Hersteller eine bessere Kontrolle über den Distributionsprozess ausüben, aber für diese Tätigkeit werden erhebliche Kapitalinvestitionen, menschliche Ressourcen und Distributionskompetenzen beansprucht. Neben den schon erwähnten Vorteilen bei einer Einschaltung von Intermediären, ergeben sich bei einem langen Marketingkanal eine Reihe Nachteile für den Hersteller, z.B. geringere Kontrolle über den Produktfluss und über die Preise, unterchiedliche Niveaus der Dienstleistung auf den verschiedenen Marketingkanalstufen und der daraus folgende Koordinationsbedarf. Stern/El-Ansary (1992) definieren drei wichtige Prinzipien für den Wertschöpfungsprozess im Marketingkanal, welche auf der Arbeit von Bucklin (1952) basieren214: “1. One can eliminate or substitute institutions in the channel arrangement. 2. However, the functions these institutions perform cannot be eliminated. 3. When institutions are eliminated, their functions are shifted either forward or backward in the channel and, therefore, are assumed by other members.” Das Phänomen der Funktionenverschiebung vom Hersteller zu den Grosshändlern basiert auf grundlegenden ökonomischen Kräften, wie z.B. auf der Spezialisierung, welche die Ausführung der Marketingfunktionen zu den effizientesten Teilnehmern im Marketingkanal verschiebt.215 So können die Hersteller Ersparnisse realisieren, da der Grosshändler die Fixkosten auf die Produkte von mehreren Herstellern verteilen kann. Eine Antwort auf die Frage der Funktionenverschiebung zugunsten des Grosshandels und somit auf die Frage der Einschaltung ist in den Faktoren zu finden, welche die Entscheidung über die Länge im Speziellen und über die Struktur des Marketingkanals im Allgemeinen 213 Vgl. Berman, 1996, S. 481f. 214 Vgl. Stern/El-Ansary, 1992, S. 11 und Bucklin, 1965, S. 26–29. 215 Vgl. Rosenbloom, 1987, S. 2, Berman, 1996, S. 14 und Mallen, 1973, S. 18–25. 3.1 Die Existenzberechtigung des Grosshandels im Spiegel der Literatur 95 beeinflussen.216 Tabelle 3.2 stellt die Faktoren aus der Sicht des Herstellers und aus der Sicht des Abnehmers in der Form von Heuristiken zusammen. Die spezifischen Umwelt- und Verhaltensvariablen beeinflussen die Veränderungen in der vertikalen Wertschöpfungskette am stärksten217 und haben einen situativen Charakter. Unter den Umweltvariablen spielen die Wettbewerbsvariablen die entscheidende Rolle.218 Aus den Punkten 1, 3 und 6 der Tabelle 3.2 ist ersichtlich, wie eng die Branchenstrukturen auf der Hersteller- und Abnehmerseite mit der Nachfrage nach den Grosshandelsfunktionen verbunden sind. Die Marktabdeckung, der Vertriebskontakt, die Bestellabwicklung und Spezialdienstleistungen werden vom Hersteller nachgefragt, wenn seine Kundenstruktur sehr fragmentiert ist. Bei einem hohen Konzentrationsgrad kann der Hersteller einen Teil der Grosshandelsfunktionen selbst übernehmen. Eine hohe Verhandlungsmacht des Herstellers und des Einzelhandels kann durch eine Verschiebung der Funktionen zulasten des Grosshandels zu einer neuen Gestaltung des Marketingkanals führen. Eine hohe Konzentration auf der Abnehmerseite ist mit grösseren finanziellen Möglichkeiten verbunden, was zum Beispiel zu einer niedrigen Nachfrage nach der Kredit- und Finanzierungsfunktion führen kann. Bei einer grossen Verhandlungsmacht und hoher Marktkompetenz seitens der Kunden besteht die Gefahr, dass diese selbst die Sortimentsbildung und die Sicherstellung der Produktverfügbarkeit übernehmen, indem sie direkt die Hersteller kontaktieren oder rückwärts integrieren. 216 Zusammengefasst durch Berman, 1996, S. 488, für die mit Sternchen vermerkten Faktoren vgl. Rosenbloom, 1999, S. 212–219. 217 Vgl. Rosenbloom, 1999, S. 218, Rosenbloom/Mollekopf, 1993, S. 88. und Maltz/Maltz, 1998, S. 103–129. 218 Vgl. Rosenbloom, 1999, S. 90f., Redmond, 1993, S. 121 und Kapitel 2 dieser Dissertation. 96 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels Nachfrage der Hersteller nach der Grosshandelsleistung, wenn ... Nachfrage der Einzelhändler nach der Grosshandelsleistung, wenn ... 1. Charakteristika Absatzmarkt Grosse Anzahl Kunden Grosse geografische Entfernung zum Absatzmarkt Niedrige Kundendichte Kunden kaufen saisonal ein Kleine durchschnittliche Bestellmenge 2. Charakteristika der Produkte Niedrige Volumen und Gewichte Kurze Verbrauchsdauer Niedriger Wert pro Einheit Hohe Standardisierung Niedrige technische Komplexität 3. Charakteristika der Hersteller Kleine Unternehmensgrösse Kleine Finanzkapazität Kleines Bedürfnis nach Kontrolle Wenig Managementerfahrung Wenig Kenntnisse über die Kunden Situative Ziele und Strategien 4. Charakteristika des Grosshändlers Existenz adäquater der Herstellerbedürfnisse Grosshändler Niedriger Preis der Grosshandelsleistung Hohe Qualität der Grosshandelsleistung 5. Situative Umweltfaktoren 1. Charakteristika Beschaffungsmarkt Grosse Anzahl Hersteller Grosse geografische Entfernung zum Beschaffungsmarkt Niedrige Dichte der Hersteller Kunden kaufen saisonal ein Kleine durchschnittliche Bestellmenge 2. Charakteristika der Produkte Niedrige Volumen und Gewichte Kurze Verbrauchsdauer Niedriger Wert pro Einheit Hohe Standardisierung Niedrige technische Komplexität 3. Charakteristika der Kunden Kleine Unternehmensgrösse Kleine Finanzkapazität Kleines Bedürfnis nach Kontrolle Wenig Managementerfahrung Wenig Kenntnisse über die Kunden Situative Ziele und Strategien * 4. Charakteristika des Grosshändlers Existenz adäquater der Einzelhandelsbedürfnisse Grosshändler Niedriger Preis der Grosshandelsleistung Hohe Qualität der Grosshandelsleistung 5. Situative Umweltfaktoren Gesamtwirtschaftliche und Gesamtwirtschaftliche und soziokulturelle Faktoren, Wettbewerb, soziokulturelle Faktoren, Wettbewerb, Technologie, staatliche Politik Technologie, staatliche Politik 6. Situative Verhaltensfaktoren 6. Situative Verhaltensfaktoren Macht, Rollen und Kommunikation im Macht, Rollen und Kommunikation im Marketingkanal Marketingkanal Tabelle 3.2: Faktoren der Nachfrage nach Grosshandelsfunktionen Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Berman, 1996, S. 488, Rosenbloom, 1999, S. 212–219 3.1 Die Existenzberechtigung des Grosshandels im Spiegel der Literatur 97 Erkenntnisse: Zum ersten Mal werden als Determinanten der Einschaltung auch situative Umfeld-, Wettbewerbs- und Verhaltensfaktoren einbezogen. Im Vergleich zu den schon vorgestellten Beiträgen, in denen der Grosshandel fast ausschliesslich aufgrund externer und schwierig beeinflussbarer Faktoren eingeschaltet werden konnte, wird hier ein wettbewerbsfähiger Grosshändler mit einer klaren Strategie als Faktor erwähnt. Die Zweiseitigkeit wird durch die gleichwertige Betrachtung der Hersteller- und Einzelhandelsseite angedeutet. Kritik: Wie bei der Transaktionskostentheorie stehen mehrheitlich die Kosten im Vordergrund. Trotz der Betrachtung der ganzen Wertschöpfungskette bietet dieser Ansatz auch keine konkreten Gestaltungshinweise für die Marketingmanagementpolitik des Grosshandelsunternehmens. 3.1.2 Die Grosshandelsfunktionen Konkrete Hinweise für die Gestaltung der Grosshandelsleistung bieten die Grosshandelsfunktionen. Nach Müller-Hagedorn (1990) wird deren Auflistung in der Literatur zur Erklärung von drei unterschiedlichen handelsspezifischen Problemen eingesetzt. Erstens werden dadurch die Produktivitäten und die Existenzberechtigung des Handels erklärt. Zweitens werden Ideen für Leistungsfelder gewonnen. Drittens werden davon absatzpolitische Instrumente abgeleitet.219 Um die Rolle des Grosshandels zu durchleuchten, ist es erforderlich, zwischen der fundamentalen wirtschaftlichen Funktion des Grosshandels und den spezifischen Grosshandelsfunktionen auf betriebswirtschaftlicher Ebene zu unterscheiden. Nach Seyffert (1951) beschreibt die fundamentale Grosshandelsfunktion die Rolle des Grosshandels innerhalb den gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten. Die spezifischen Funktionen erlauben eine weitere Fokussierung dieser fundamentalen Funktion und stellen die tatsächlichen Aktivitäten der Grosshandelsunternehmen dar. Nach Van Dalen (1982) können diese Funktionen durch spezialisierte Unternehmen übernommen werden; deshalb könne keine dieser Funktionen als typisch für den Grosshandel charakterisiert werden. Die fundamentale Funktion des Grosshandels liegt darin, die Bedingungen, unter denen der Hersteller bereit ist zu verkaufen, in die Bedingungen, unter denen der Abnehmer bereit ist zu kaufen, zu transformieren. “The wholesaler’s functions are shaped by the vast economic task of coordinating production and consumption, or in Anderson’s words, of matching heterogeneous demands for 219 Vgl. Müller-Hagedorn, 1998, S. 110. 98 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels assortments at various levels within distribution. Thus, wholesalers aid in bridging the gap between periods and places in which the goods are produced and those in which they are consumed or used.”220 Die eigentliche Existenzberechtigung des Grosshandels liegt in den wertschöpfenden Funktionen, die er zugunsten der Hersteller und der Abnehmer wahrnimmt. “His economic justification is based on just what it is that he can do for his clientele [...]”.221 “Production in the wholesale trade may thus be characterized as order transformation in the same way as production in manufacturing may be defined as the transformation of materials.”222 Tietz (1993) weist auf die intensive literarische Behandlung hin, welche die Wertschöpfung des Grosshandels auf der Grundlage der spezifischen Funktionen erfahren hat. Nach Oberparleiter (1930) kennzeichnet eine Handelsfunktion oder die Handelsleistung die Überwindung von Unterschieden, und zwar räumlicher, zeitlicher, quantitativer, qualitativer, kapitalmässiger und physischer Art.223 Er unterscheidet zwischen räumlichen, zeitlichen, Quantitäts-, Qualitäts-, Kredit- und Werbefunktionen. Drei Merkmale sind für die Handelsfunktion charakteristisch. Erstens hat sie „mit Wertungsunterschieden geladene Spannungen auszugleichen, wie sie im Raum, in der Zeit, an Bedarfsmengen und Bedarfsarten bestehen, aber auch in der Verfügungsmacht an den Gegenwerten und in der willensbedingten Bereitschaft zum Tauschakt“.224 Zweitens ist der logische Funktionsbegriff mit einer eigenen Wertschöpfung verbunden. Drittens zeigt die betriebliche Erscheinungswelt des Handels die Bildung von Sonder- und Spezialtypen bei vordringlichem Anteil der einen oder der anderen der Funktionen.225 Im Weiteren stellt Oberparleiter differenziert die Risiken bei jeder Handelsleistung und deren Auswirkungen auf den Ertrag des Handelsunternehmens dar. In Anlehnung an die Arbeit von Operparleiter entwickelt Seÿffert (1955) ein System der Handelsfunktionen (siehe Tabelle 3.3). Die Handelstätigkeit ist auf die Überbrückungsanforderungen der Beschaffungs- und Absatzpartner auszurichten. Der Ausdruck dieser Anforderungen sind die Handelsfunktionen, d.h. die Aufgaben, welche die Handelstätigkeit zu erfüllen hat. Jede Handelsart hat die 220 Stern/El-Ansary, 1992, S. 107f. 221 ebenda. 222 Van Dalen, 1982, S. 23. 223 Vgl. Oberparleiter, 1930, S. 8. 224 Tietz, 1993, S. 12. 225 ebenda. 3.1 Die Existenzberechtigung des Grosshandels im Spiegel der Literatur 99 ihr eigentümliche Kombination von Funktionen. Die Übernahme jeder Handelsfunktion ist mit einem Risiko verbunden. Die Bedeutung der einzelnen Funktionen wird durch die Risiken bestimmt.226 Dimension Handelsfunktion Überbrückungsfunktionen Räumliche Transportfunktion Zeitliche Lagerfunktion (dem Abnehmer gegenüber) Vordispositionsfunktion (dem Hersteller gegenüber) Kreditfunktion (Finanzierung des Handelsvorgangs für Hersteller und Abnehmer) Preisliche Ausgleich von Wertschätzungsdifferenzen Warenfunktionen Quantitätsfunktion Ausgleich von Mengenunterschieden = Funktion des Sammelns und des Teilens Qualitätsfunktion Manipulationsfunktion, Sortimentmehrung und verminderung Sortimentsfunktion Sowohl zugunsten der Hersteller als auch der Abnehmer, verbunden mit den Makleraufgaben Funktionen des Makleramtes Markterschliessungsfunktion Werbefunktion: Markt suchen und Markt finden Interessenwahrungs- und Beratungsfunktion zugunsten Hersteller und Abnehmer Tabelle 3.3: Überbrückungsdimensionen und Grosshandelsfunktionen nach Seÿffert Quelle: Seÿffert, 1972, S. 8f. Sundhoff (1965) betont den immateriellen Charakter der Handelsfunktionen, d.h. sie können als Dienstleistungen betrachtet werden.227 Der gesamtwirtschaftliche Wertschöpfungsbeitrag des Handels wird mit der Hilfe der so genannten transpositorischen Grundfunktionen erbracht (siehe Tabelle 3.4). 226 Vgl. Seÿffert, 1972, S. 11 227 Vgl. Barth, 1999, S. 25 100 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels Transpositorische Funktion Sachgüterumgruppierungsfunktionen Bedarfsanpassungsfunktionen Marktausgleichsfunktionen Sachgüteraufbereitungsfunktionen Handelsfunktion – Sortimentsfunktionen: produkt- und konsumorientierte Sortimentsbildung – Quantitätsfunktionen: Sachgütersammlung und -verteilung – Überbrückungsfunktionen: Raum und Zeit – Sicherungsfunktionen: Objekt und Subjekt – Markterschliessung: Marktuntersuchung und -beeinflussung – Umsatzdurchführungsfunktion: Umsatzakquisition und -abwicklung – Qualitätsfunktion: Sortierung und Mischung – Vollendungsfunktion: Manipulation, Montage und Wartung Tabelle 3.4: Transpositorische Funktionen des Handels nach Sundhoff Quelle: vgl. Barth, 1999, S. 29 Die Funktionen des Grosshandels im Speziellen werden in ihrer zweiseitigen Komplexität zum ersten Mal von Rosenbloom (1987) beschrieben. “The only real product the wholesale-distributors sale is the service inherent in the performance of marketing functions.”228 Die Grosshändler sind oft besser bei der Ausführung von einzelnen Marketingfunktionen, da sie durch Skaleneffekte Kostenvorteile und durch Spezialisierung überdurchschnittliche Qualität erzielen können. Diese Marketingfunktionen sind das Hauptprodukt aus der Grosshandelstätigkeit. Rosenbloom (1987) definiert 12 Grosshandelsfunktionen, von denen je 6 zugunsten des Herstellers und des Abnehmers ausgeführt werden (siehe Abbildung 3.2). Das Raster der Marketingfunktionen ist zweiseitig, spiegelartig und eng untereinander verknüpft. Zwischen den sechs Marketingfunktionen für die Hersteller und den sechs Marketingfunktionen für die Einzelhändler bestehen Verbindungen. Zum Beispiel sind die Funktionen Marktabdeckung, Lagerhaltung und Bestellabwicklung für die Hersteller gleichzeitig die Sicherung der Produktverfügbarkeit und die Feinverteilung für den Einzelhandel. Die Abdeckung des Absatzmarktverhaltens (Funktion Marktabdeckung) und die Kauf- und Verkaufskompetenz (Funktion Vertriebskontakt) für die Hersteller sind die Voraussetzungen für die Bildung kundengerechter Sortimente für den Einzelhandel. Die 228 Rosenbloom, 1987, S. 2 3.1 Die Existenzberechtigung des Grosshandels im Spiegel der Literatur 101 Kennzahlen, Auswertungen und anderen Marktinformationen bilden nicht nur die abgewickelten Bestellungen ab, sondern sind ein Teil der Marketingkompetenz des Grosshändlers, Herstellern und Einzelhändlern kompetente Beratung und Managementunterstützung anzubieten. Wertschöpfung des Grosshandelsunternehmens gegenüber dem Hersteller Wertschöpfung des Grosshandelsunternehmens gegenüber dem Einzelhandel Marktabdeckung Produktverfügbarkeit Vertriebskontakt Sortimentsbildung Lagerhaltung Bestellabwicklung Mehrwert zugunsten zwei Seiten Feinverteilung Kredit+Finanzierung Marktinformation Kundenservice Kundensupport Beratung und technische Unterstützung Abbildung 3.2: Wertschöpfung der Grosshandelsunternehmen durch die Ausführung der Marketingfunktionen Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Rosenbloom, 1987, S. 26 Durch ihr spezifisches Wissen und ihre Erfahrung profilieren sich die Grosshändler als Distributionsspezialisten. “The performance of each or all of these marketing functions results in value added to distribution for both manufacturers and customers.”229 Wie in anderen Dienstleistungsbranchen sind sie mit der Schwierigkeit konfrontiert, den geschaffenen Mehrwert zu kommunizieren. “[...] the common focus of your business (e.g. wholesaler’s) should be solving distribution problems for suppliers and customers through superior knowledge and capabilities in performing marketing functions.”230 Eine weitere Bestätigung der Zweiseitigkeit findet sich in der Aufstellung der Anforderungen der Hersteller und Einzelhändler an die Grosshandelsleistung, die McKalley (1992) präsentiert. “As a company between the supply source und the retailer, the wholesaler must satisfy unique marketing channel requirements in two directions, down to the retailer und up to the manufacturer […]”.231 Der 229 Rosenbloom, 1987, S. 3. 230 Rosenbloom, 1987, S. 6. 231 McKalley, 1992, S. 20. 102 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels Autor spricht nicht explizit über die Handelsfunktionen, sondern listet die Bedürfnisanforderungen auf, welche die vor- und nachgelagerte Stufe an den Grosshandel stellen (siehe Abbildung 3.3). Erwartungen der Hersteller an die Grosshandelsleistung Erwartungen der Einzelhändler an die Grosshandelsleistung Lagerhaltung/Transport Lieferung Marktabdeckung Auswahl Produkte-Mix Kauffähigkeiten Produktverfügbarkeit Verkaufsfähigkeiten Kompetitive Preise Finanzkraft Kreditkonditionen Managementfähigkeiten Managementberatung Operative Programme Bestellabwicklung Feinverteilung Sortimentssammlung Werbeunterstützung Richtige Informationen Kompetitive Werbeprogramme Schulung Schulung Technische Fähigkeiten Technische Leistungen Recht/Compliance Recht/Compliance Abbildung 3.3: Gegenseitig abhängige Erwartungen (interdependent expectations) der Hersteller und Einzelhändler an die Grosshandelsleistung Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an McKalley, 1992, S. 21 Nach Kotler/Bliemel (2001) bringen die Grosshandelsunternehmen Vorteile in der Warendistribution, wenn sie bestimmte Funktionen wirtschaftlicher wahrnehmen können.232 Dabei werden diese Funktionen sowohl zugunsten der Hersteller als auch zugunsten der Abnehmer ausgeführt: – Verkauf und Absatzförderung (zugunsten Hersteller) – Einkaufserleichterung durch Sortimentszusammenstellung (zugunsten Abnehmer) 232 Vgl. Kotler/Bliemel, 2001, S. 1155. 3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels – Mengenauflösung (für beide) – Lagerhaltung (für beide) – Transport (für beide) – Finanzierung (für beide) – Risikoübernahme (für beide) – Bereitstellung von Marktinformationen (für alle) – Betriebsschulung und Beratung (für beide) 103 Im Fazit lassen sich folgende Charakteristika der Grosshandelsfunktionen definieren: – beschreiben die Überwindung von Unterschieden; – sind mit einer Wertschöpfung verbunden; – ihre Bedeutung wird durch die bei der Ausführung entstehenden Risiken bestimmt; – können als Dienstleistungen betrachtet werden; – werden sowohl zugunsten der Hersteller als auch zugunsten der Abnehmer ausgeführt, d.h. sie haben einen zweiseitigen Charakter; – der Fokus auf eine oder mehrere Funktionen bestimmt den Betriebstyp (oder die Grosshandelspositionierung).233 3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels 3.2.1 Zweiseitige oder zweistufige Wertschöpfungskette? Es stellt sich die Frage, ob die Wertschöpfung des Grosshandels zweiseitig oder zweistufig ist. Das Wort „zweiseitig“ (englisch „dual“) bedeutet auf zwei Seiten234 und impliziert die gleichzeitige, kombinierte Berücksichtigung zweier Perspektiven. So wird es auch in der Strategie und Marketingliteratur angewendet, wie z.B. zweiseitige Kernkompetenzen wie Markt- und Technologieorientierung235, zweiseitiger Strategiefokus auf Differenzierung und Effizienz236, Zweikanalstrategien237, zweiseitige Orientierung von Geschäftseinheiten238 etc. 233 Auf diesen Punkt wird detailliert im Kapitel 4 eingegangen. 234 Wahrig Deutsches Wörterbuch. 235 Vgl. Ritter/Gemunden, 2004. 104 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels Das Wort „zweistufig“ bedeutet „mit zwei Stufen versehen“ 239 (englisch „twolevel“), d.h. die Erlangung der zweiten Stufe bedingt das Erreichen der ersten Stufe. Das Wort impliziert sowohl Hierarchie als auch zeitliche Reihenfolge der einzelnen Stufen. Auch für diesen Begriff finden sich Beispiele in der Marketingliteratur, wie zweistufige Distributionskanäle240 oder die von Hochuli (1994) beschriebene zweistufige Positionierung und Profilierung im Grosshandel – zunächst des Unternehmens und dann der Produkte.241 Die Ausführungen von Rosenbloom (1987), McKalley (1992) und Kotler/ Bliemel (2001) sowie die vorher vorgestellten Theorien deuten auf eine vorwiegend zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels hin. Die zweistufige Wertschöpfung ist auch möglich.242 Dabei sind die Grosshandelsaktivitäten auf einen spezifischen Marktsegment ausgerichtet oder ein räumlich beschränkter Absatzmarkt wird intensiv bearbeitet. Im ersten Fall werden im Markt Nischen gesucht, wie z.B. die Zielgruppe Arzt. Im zweiten Fall werden die Kunden in räumlicher Näher intensiver betreut und eine regionale Partnerschaft wird angestrebt, z.B. die Ausrichtung an die Apotheken und Drogerien in der Ostschweiz. „Auf der Beschaffungsseite ergeben sich entsprechend – jedoch nicht unbedingt parallel mit der jeweiligen Lösung am Absatzmarkt – ein weltweiter Einkauf, teilweise mit wenig intensiven Lieferantenbeziehungen, oder die starke Bindung an einen oder wenige Beschaffungspartner.“243 3.2.2 Zweiseitige Wertschöpfungsbündel Die primären wertschöpfenden Aktivitäten in der Wertkette des Grosshändlers entsprechen den übernommenen Marketingfunktionen. Einerseits wird durch die Ausführung jeder Marketingfunktion Wert geschaffen. Andererseits ist jede Marketingfunktion mit einer Kompetenz verbunden. Die im Abschnitt 3.1.2 beschriebene Zweiseitigkeit der Marketingfunktionen lässt sich somit auf die Wertschöpfung des Grosshandels übertragen. Die folgende Analyse wird mit dem Ziel durchgeführt, die zweiseitige Wertschöpfung und somit die Kompe- 236 Vgl. Johnson, 2004. 237 Vgl. Gabrielsson/Kirpalani/Luostarinen, 2002. 238 Vgl. Wright/Kroll/Pray/Lado, 1995. 239 Wahrig Deutsches Wörterbuch. 240 Vgl. Rosenbloom, 1999, S. 23. 241 Vgl. Hochuli, 1994, S. 215. 242 Vgl. Tietz, 1993, S. 43. 243 Tietz, 1993, S. 43. 3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels 105 tenzen des Grosshandels transparent und nachvollziehbar darzustellen. “Wholesale-distributors will [...] need to focus increasing attention on their capabilities for providing customer service levels that make their presence in the marketing channel a vital one and their absence a conspicious one.”244 3.2.2.1 Aufteilung der Marketingkanalaufgaben Das Marketingkanalkonzept basiert auf der Annahme, dass zwei Hauptgruppen von Aufgaben zu erledigen sind. Die erste Gruppe ist mit dem Aufbau eines Systems der physischen Distribution verbunden und die zweite mit dem Management der Marketingziele bezogen auf Produkte, Preise, Programme und Personal.245 “All the marketing planning and channel actions take place with the four elements of the marketing mix […] product source, marketing programms, price management, motivate people in the channel to perform their functions […] The physical distribution activities are integrated into marketing planning and channel management to ensure the provision of the physical distribution activities needed to support the marketing goals.”246 Tabelle 3.5 veranschaulicht die zahlreichen Aktivitäten im Rahmen der physischen Distribution. Diese Aktivitäten basieren auf der logistischen Kompetenz des Grosshandels. Dabei ist ersichtlich, dass es sich um Aktivitäten für den Hersteller und für den Abnehmer handelt. Stern et al. (1996) Rosenbloom (1999) McKalley (1992) Transport Lagerhaltung Kontrolle der Lagerbestände Be-, Um- und Entladen Bestellabwicklung Kundenservice Verpackung Ersatzteile und Service Beschaffung Retouren Transport Lagerhaltung Kontrolle der Lagerbestände Be-, Um- und Entladen Bestellabwicklung Verpackung Transport Lagerhaltung Kontrolle der Lagerbestände Produkteingang Bestellabwicklung Feinverteilung Kundenservice Verpackung und Transportverpackung Retouren und Ersatz 244 Rosenbloom/Mollenkopf, 1993, S. 87. 245 Vgl. McKalley, 1992, S. 9. 246 ebenda. 106 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels Stern et al. (1996) Gebrauchtwarenlogistik Prognosen über die Nachfrage Distributionskommunikation Rosenbloom (1999) McKalley (1992) Order tracing Sortimentsbildung Reklamationen Statistiken Tabelle 3.5 Komponenten der physischen Distribution Quelle: eigene Zusammenstellung in Anlehnung an Stern et al., 1996, S. 145, Rosenbloom, 1999, S. 404, McKalley, 1992, S. 44 Die Marketingtätigkeiten entsprechen dem Einsatz der Marketing-MixInstrumente Produkt, Preis und Promotion. Sie sind mit der Marketingkompetenz des Grosshandels verbunden und werden im Rahmen von Marketingprogrammen zusammengefasst.247 Die Vertriebsprogramme für den Hersteller enthalten die Produktpalette, Produktpreise, Zahlungs- und Lieferkonditionen, Rabattsysteme, Werbeaktivitäten. Die Einkaufsprogramme der Abnehmer sind erweiterte Vertriebsprogramme auf der Beschaffungsseite oder werden selbst entwickelt und enthalten zusätzlich Verkaufsunterstützung für den Einzelhändler. Die Werbeprogramme sind separat vom Ein- und Verkauf und werden sowohl für die Hersteller als auch für den Einzelhandel entwickelt. Sie enthalten neben Produktund Unternehmenswerbung auch die Imagebildung, Pflege der Handelsbeziehungen, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. In der Theorie über den Marketingkanal werden die Finanzierungsaktivitäten teilweise im Bereich der physischen Distribution und teilweise im Bereich der Marketingaktivitäten behandelt. Durch die Lagerhaltung werden die Hersteller und Einzelhändler finanziell entlastet und müssen kein Risiko für nicht verkaufte Waren tragen. Die Zahlungskonditionen weisen auf eventuell vorhandene Kreditlinien für Hersteller und Einzelhändler hin. Dieser Aufteilung entsprechen auch die drei Kategorien von Kanalkosten, welche vom Grosshandel übernommen werden:248 1. Physische Distribution: Auftragsakquisition, Bestellabwicklung, Transport, physische Ent-, Um- und Beladung, Lagerhaltung 2. Kundenkommunikation: Einkauf, Vertrieb, Werbung, Marketing, Messen 247 Vgl. McKalley, 1992, S. 188f. 248 Vgl. Berman, 1996, S. 31. 3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels 107 3. Übernahme finanzieller Risiken: Kreditierung, Finanzierung der Lagerbestände, Papierfluss verbunden mit der Verrechnung und Forderungen Die drei Hauptgruppen von Aufgaben im Marketingkanal – physische Distribution, Marketing und Finanzierung – lassen die Grosshandelsfunktionen in zweiseitigen Wertschöpfungsbündeln gruppieren. Basierend auf dem Raster der Marketingfunktionen von Rosenbloom (1987) ist jedes Bündel zweiseitig, d.h. es enthält Aufgaben sowohl für den Hersteller als auch für den Einzelhandel. Jedes Bündel ist aber auch mit einer Kernkompetenz des Grosshändlers verbunden: des Warendistributors, des Marketingintermediärs und des Finanzierers. Indem die Aufteilung nach den Instrumenten im Marketing-Mix erfolgt, erleichtert sie im zweiten Schritt die Identifizierung möglicher Profilierungsinstrumente. 3.2.2.2 Logistische Dienstleistungen Das zweiseitige Wertschöpfungsbündel „Logistische Dienstleistungen“ beschreibt die traditionelle Rolle des Grosshandels als Warendistributor (Abbildung 3.4). Für die Herstellerkunden werden Marktabdeckung, Lagerhaltung, Bestellabwicklung, Spezialdienstleistungen und Beratung angeboten. Wertschöpfung für die Herstellerkunden Marktabdeckung – geografische, Volumen, Vielfalt Wertschöpfung für die Einzelhandelskunden Produktverfügbarkeit Lagerhaltung Bestellabwicklung Logistische Dienstleistungen Feinverteilung, Bestellabwicklung und Lagerhaltung Spezialdienstleistungen: Retouren, Entsorgung, Reklamationen Spezialdienstleistungen: Retouren, Entsorgung, Reklamationen Beratung Logistikmanagement Beratung Logistikmanagement Abbildung 3.4: Wertschöpfungsbündel „logistische Dienstleistungen“ Quelle: eigene Darstellung Marktabdeckung – geografisch und in Bezug auf Volumen und Vielfalt Die physische Distribution enthält die drei Dimensionen der Marktabdeckung nach Geografie, Grösse und Vielfalt. Die geografische Abdeckung ist mit der realen Distanz zwischen dem Hersteller und den Absatzmärkten für seine Produkte verbunden. Das Volumen richtet sich nach der Höhe der Marktnachfrage und der Fähigkeit, die richtige Menge Produkte auf den Markt zu 108 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels bringen. Die Vielfalt bezieht sich auf die Fähigkeit, verschiedene Kundensegmente mit Produktsortimenten in der richtigen Breite und Tiefe zu versorgen. Aufgrund der hohen Komplexität und der beträchtlichen Kosten werden diese Aufgaben an den Grosshändler delegiert. Durch die geografische Nähe zum Absatzmarkt und die Lagerhaltungskompetenz können die Grosshändler diese Marketingfunktion kostengünstiger und qualitativ besser ausführen. Lagerhaltung Die Lagerhaltung ist eine zentrale logistische Funktion. Die Übertragung des Eigentums an der Ware ist mit finanziellen, physischen (Warenverlust) und Marktrisiken verbunden. Der Produkteingang, die produktgerechte Lagerung, das Be-, Um- und Entladen der Ware sind kostspielige Tätigkeiten, die bis zu 25% vom Warenwert erreichen können.249 Inzwischen sind sie in vielen Grosshandelsbranchen vollständig automatisiert. Durch die Übernahme dieser Funktion werden die Absatzrisiken minimiert und die Kosten für den Unterhalt eigener Lagereinrichtungen für den Hersteller eingespart. Durch den Kauf in Grossmengen in vereinbarten Zeiträumen erleichtern die Grosshändler die Produktionsplanung. Je nach vertraglicher Vereinbarung kann diese Dienstleistung auch den Transport ex factory einschliessen. Bestellabwicklung Die Grosshändler sind darauf spezialisiert, täglich eine grosse Anzahl von Bestellungen in verschiedenen Grössen für verschiedene Kunden abzuwickeln. Wenn sie beim Hersteller gross einkaufen und anschliessend in kleineren Mengen an zahlreiche Kunden verkaufen, dann minimieren sie die Abwicklungskosten für den Hersteller und erleichtern seine Produktionsplanung. Spezialdienstleistungen Das Angebot spezieller Dienstleistungen wie Abwicklung von Retouren, Reklamationen und Ersatz defekter Produkte minimiert weitere Kosten für die Hersteller und erhöht den Warenwert für den Einzelhandel. In technischen Grosshandelsbranchen zählen dazu auch Reparaturen, Installationen, Montage und technische Unterstützung. Beratung Logistikmanagement Die hohe Logistikkompetenz des Grosshandels erlaubt das Angebot von Beratungsdienstleistungen wie Lagercontrolling und -buchhaltung, rechtliche Beratung, Erstellung von Lager- und Bestellungsstatistiken. 249 Vgl. Rosenbloom, 1999, S. 406. 3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels 109 Für den Einzelhandelskunden werden Produktverfügbarkeit, Feinverteilung inkl. Lagerhaltung und Bestellabwicklung, Spezial- und Beratungsdienstleistungen angeboten. Produktverfügbarkeit Die Produktverfügbarkeit ist das Angebot der richtigen Produkte in der richtigen Menge am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt. Das Bedürfnis des Einzelhandels nach einem effizienten Lagermanagement hat zu einer Aufwertung dieser Funktion geführt. Durch die Kundennähe und die Sensibilität für die Kundenbedürfnisse ist der Grosshändler imstande, ein sehr hohes Niveau der Produktverfügbarkeit anzubieten. Feinverteilung Für die Einzelhandelskunden, die in kleinen Mengen einkaufen und oft bestellen, ist die Feinverteilung eine weitere wertvolle Grosshandelsfunktion. So müssen sie nur jene Mengen kaufen, die sie kurzfristig brauchen. Die Feinverteilung schliesst die Warendisposition, die Bestellabwicklung, die Kommissionierung und Verpackung, den Warenausgang, den Transport und die Lieferung kleiner Mengen ein. Die Funktion kann erweitert werden, wenn der Grosshändler auch den Wareneingang und die Lagerhaltung beim Einzelhändler übernimmt. Spezialdienstleistungen Neben der Abwicklung von Retouren, Reklamationen und dem Ersatz defekter Produkte bietet der Grosshändler auch spezielle Lieferungen ausserhalb der schon vereinbarten Konditionen, Tiefkühlservice sowie Garantieübernahme an. In den technischen Grosshandelsbranchen werden Reparaturen und technische Unterstützung angeboten. Beratung Logistikmanagement Die Beratungsdienstleistungen im Bereich des Logistikmanagements, die der Grosshändler für die Hersteller erbringt, sind auch für die Einzelhändler von grosser Wichtigkeit. Neben der Lagerbewirtschaftung kann der Grosshändler auch computergestützte Logistiksysteme für die Einzelhandelskunden entwickeln und implementieren. 3.2.2.3 Marketingdienstleistungen Durch das Wertschöpfungsbündel „Marketingdienstleistungen“ wird die Rolle des Grosshandels als Marketingintermediär beschrieben (Abbildung 3.5). Für die Herstellerkunden werden die Abdeckung des Marktverhaltens, Sortimentsaufbereitung, Vertriebskontakt und Vertriebskonditionen, Werbeunterstützung und Marketingmanagementberatung angeboten. 110 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels Wertschöpfung für die Herstellerkunden Wertschöpfung für die Einzelhandelskunden Abdeckung des Marktverhaltens Sortimentsbildung und Produktion Sortimentsaufbereitung Sortimentsaufbereitung Vertriebskontakt und Vertriebskonditionen Marketingdienstleistungen Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen Werbeunterstützung Werbeunterstützung Marketingmanagementberatung Marketingmanagementberatung Abbildung 3.5: Wertschöpfungsbündel „Marketingdienstleistungen“ Quelle: eigene Darstellung Abdeckung des Marktverhaltens Die Abdeckung des Marktverhaltens beruht auf der Marktforschungs- und Marktanalysekompetenz des Grosshandels. Als Aussendienst der Hersteller kann er analysieren, wie und wann die Einzelhandelskunden und indirekt die Endkonsumenten kaufen sowie welche Ziele und Einflussfaktoren das Buying Center im Einzelhandel bewegen. Diese Informationen können vom Hersteller bei der Entwicklung seiner Marketingstrategien, bei der Produktplanung und Preissetzung eingesetzt werden. Empirische Studien aus Grosshandelsbranchen bestätigen die Marktkompetenz des Grossisten, die Bedürfnisse der Endkonsumenten zu analysieren und zu kennen.250 Die Marktintelligenz (Market Intelligence) des Grosshändlers wird mit der Hilfe des Vertriebspersonals und neuer Informations- und Kommunikationstechnologien weiter professionalisiert. Sortimentsaufbereitung Traditionelle Dienstleistungen des Grosshandels für die Hersteller sind mit der handelsüblichen Manipulation und Veredelung verbunden. Sie ermöglichen eine Kostenreduktion für den Hersteller, der dadurch seine Produktion standardisieren kann. Je nach Branche werden darunter unterschiedliche Aktivitäten verstanden: massgerrechte Anpassung im Stahlhandel, Trennung von Metallen im Metallhandel, Destillieren, Verdünnen und Mischen im chemischen Handel, Waschen, Bügeln, Reinigen und Färben im Textilhandel.251 250 Vgl. Lockshin, 1993, S. 92. 251 Vgl. Tietz, 1993, S. 287f. 3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels 111 Vertriebskontakt und Vertriebskonditionen für den Hersteller Der Grosshandel übernimmt die Rolle des Aussendienstes für den Hersteller und minimiert er so seine Kosten, verbunden mit dem Unterhalt einer eigenen Verkaufsabteilung. Insbesondere gilt das bei grossen geografischen Absatzgebieten und bei einer hohen Anzahl von Einzelhandelskunden. Dann hat der Hersteller nur den Kontakt zu einem oder wenigen Grosshändlern. Sehr wertvoll ist diese Funktion bei Markteintritt des Herstellers in risikobehafteten Märkten. Die Aufgaben des Aussen- und Innendienstes im Grosshandel sind stark marketingorientiert.252 Der Aussendienst beschäftigt sich nicht nur mit Kundenanrufen und Warenbestellungen, sondern übernimmt auch Verantwortung bei Kundenakquisition, Produkteempfehlungen für die Sortimentsgestaltung etc. Der Innendienst ist in einem ständigen Kontakt mit dem Einzelhandel, betreut Key Accounts und ist somit der primäre Sammler von Marktinformationen und Anbieter von Problemlösungen. Die Gestaltung der Vertriebskonditionen und die Verbindung zu den Einkaufskonditionen des Einzelhandels, Liefer- und Zahlungsmodalitäten sowie Preisgestaltung und Rabattierung sind auch Bestandteile dieser Dienstleistung. Zu dieser Funktion zählt die für den Grosshandel immer wichtigere Pflege des Herstellerkunden. Werbeunterstützung Der Grosshändler unterstützt in zwei Hinsichten die Werbeaktivitäten des Herstellers. Einerseits durch Werbung des Herstellers und seiner Produkte, z.B. durch Aufstellung von Displays in den eigenen Showrooms, Werbeslogans auf den Transportmitteln, Werbung in grosshandelseigenen Katalogen, Zeitungen und Zeitschriften. Andererseits erstellt er im Auftrag des Herstellers Broschüren, Displays, Plakate am effektiven Point of Sale und führt Telefonmarketing durch. Marketingmanagementberatung Kleineren oder neu eintretenden Herstellerunternehmen bietet der Grosshandel Unterstützung bei der Planung und Organisation von Marketingprogrammen, Neuprodukteinführungen etc. an. Das Angebot kann durch Schulungsprogramme abgerundet werden. Für die Einzelhandelskunden werden Sortimentsbildung und Produktion, Sortimentsaufbereitung, Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen, Werbeunterstützung und Marketingmanagementberatung angeboten. Sortimentsbildung und Produktion 252 Vgl. Narus/Anderson, 1986, zitiert in Rosenbloom, 1999. 112 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels Eine weitere zentrale Dienstleistung bei der Überbrückung der marketingmässigen Diskrepanz zwischen dem Angebotsprofil der Hersteller und dem Nachfrageprofil des Einzelhandels ist die Sortimentsbildung. Die Kombination aus den Produkten zahlreicher Hersteller erleichtert erheblich das Bestellwesen bezüglich Zeit-, Ressourcen- und Kostenaufwand. Aufgrund ausgezeichneter Produkt- und Marktkenntnisse hat sich der Grosshändler darauf spezialisiert, auf die Wünsche des Einzelhandels zugeschnittene Sortimente zusammenzustellen. Die gute Kenntnis der Konsumententrends erlaubt es, die nachgefragten Produkte oder Themen bei den Herstellern proaktiv einzukaufen und somit die Profilierungsmöglichkeiten des Einzelhandels gegenüber dem Endkonsumenten zu erweitern. In einzelnen Branchen kann eine Bündelung der Sortimentsbildungsfunktion mit begleitenden Marketing-, Logistik- und Finanzdienstleistungen erfolgen. Dann wird über Warensystem und Systemvermarktung gesprochen. „Systemgeschäfte bedeuten oft eine sehr hohe Kundenbindung“.253 Im Rahmen von Systemgeschäften können Kooperationen mit spezialisierten Anbietern eingegangen werden. Die Koordinations- und Dienstleistungskompetenz des Grosshändlers können dabei profilgebend sein. Im Zuge der Erweiterung des Wertschöpfungsprotezials des Grosshandels erhalten neue, handelsunübliche Funktionen wie die Produktion ein verstärktes Gewicht.254 Dabei treten die Grosshändler als Anbieter von eigenen Markensortimenten auf. Die ausgezeichneten Markt- und Produktkenntnisse sowie das aufgebaute Lieferantennetzwerk erlauben es, Eigenmarken zu entwickeln und zu vermarkten. Die Übernahme der Produktionsfunktion ist ein strategischer Schritt, um durch Kooperationen mit bzw. durch Akquisition von Lieferanten zusätzliche Ertragsoptimierung zu erzielen.255 So zum Beispiel treten in der Textibranche die sogenannten Manipulaten auf, welche dank eigener Designerabteilungen Kollektionen in Betrieben unter Vertrag herstellen lassen. Die Kollektion kann dann die Marke des Grosshändlers oder des Einzelhandelskunden tragen. Sortimentsaufbereitung Eine traditionelle produktbasierte Grosshandelssaktivität zugunsten des Einzelhandels ist mit der handelsüblichen Manipulation der Produkte verbunden. 253 Vgl. Tietz, 1993, S. 302. 254 Vgl. Fuchs, 1999, S. 520. 255 Vgl. Rovit/Sweder/Buchanan, 2002, S. 35 für erfolgreiches Beispiel aus dem Stahlhandel; Rudolph/Busch, 2002, S. 115 für Beispiele aus dem Textilhandel. 3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels 113 Bedürfnigerecht werden Produkte individuell angepasst. Beispiele sind auf Seite 114 erwähnt. Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen Der Einzelhändler entlastet seine Beschaffungsorganisation erheblich, indem er nur bei einem oder einigen wenigen Grosshändlern einkauft. Neue Technologien erlauben die Gestaltung von individualisierten Konditionen zwischen dem Einzelhändler und dem Hersteller, indem der Grosshandel in seiner Mittlerrolle die Konditionen koordiniert. Die Pflege der Einzelhandelskunden ist ein zentraler Bestandteil dieser Dienstleistung, welche in Kundenbindungsprogrammen zum Ausdruck kommt. Werbeunterstützung Wie bei der Werbeunterstützung für den Hersteller erstellt der Grosshändler im Auftrag des Einzelhändlers Displays, Ladendekorationen, Kataloge, Broschüren, die Organisation von Werbekampagnen, die Point-of-Sale-Gestaltung, Ladeneinrichtung. Marketingmanagementberatung Die Marketingmanagementberatung umfasst eine breite Palette von Dienstleistungen – Produktberatung, Planung und Prognosen der Verkäufe, Computerhardware und -software, Personalmanagement, Schulungen, Entwicklung von Marketingstrategien. 3.2.2.4 Finanzdienstleistungen Das Wertschöpfungsbündel „Finanzdienstleistungen“ beschreibt die Finanzierungsrolle des Grosshandels sowohl im Rahmen der Warendistribution als auch als eigenständige Dienstleistung (siehe Abbildung 3.6). Für den Hersteller und Einzelhändler werden Kreditunterstützung und Finanzierung sowie Beratung im Bereich des Finanzmanagements angeboten. Wertschöpfung für die Herstellerkunden Wertschöpfung für die Einzelhandelskunden Kreditunterstützung Finanzierung Kreditunterstützung Finanzierung Finanzdienstleistungen Beratung Finanzmanagement Beratung Finanzmanagement Abbildung 3.6: Wertschöpfungsbündel „Finanzdienstleistungen“ Quelle: eigene Darstellung 114 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels Die Finanzdienstleistungen sowohl für die Hersteller- als auch für die Einzelhandelskunden sind traditionell mit der Warenkreditierung verbunden. Die Vorauszahlung der Waren zugunsten der Herstellerkunden und die Kreditgewährung auf die bestellte Ware zugunsten der Einzelhandelskunden sind Beispiele für die Vorwärtsfinanzierung.256 Die Grosshändler reduzieren durch Lagerhaltung und Produktverfügbarkeit die Last der Lagerbestände für beide Kundengruppen und erhöhen die Effizienz entlang des gesamten Marketingkanals (Rückwärtsfinanzierung).257 Zugunsten der Herstellerkunden werden Finanzierungssysteme geschaffen, welche sich im Handel mit Finanzinstrumenten, im Leasing und in der Finanzierung des Anlagevermögens spezialisieren. Dabei wird eng mit Banken und Versicherungen zusammengearbeitet.258 Für die Einzelhandelskunden können für einzelne Projekte Kredite gewährt werden wie z.B. Ladeneröffnung, Einführung neuer Produkte, Saisonfinanzierung, Erstausstattung von Warenlagern usw.259 Finanzierung kann auch durch Vermietung, Leasing, Mietserviceverträge erfolgen. Eigen Treuhandabteilung kann die Finanzierung des und die Beteiligungen an dem Einzelhandels steuern. Im internationalen Handel übernehmen die Grosshändler auch weitere Finanzgeschäfte wie Devisengeschäfte, Tauschgeschäfte, Kompensationshandel. Wenn das Bedürfnis vorhanden ist, steht der Grosshändler sowohl den Herstellerals auch den Einzelhandelskunden mit Finanzmanagementberatung und Controllingunterstützung zur Seite. Es besteht die Möglichkeit, den Warenverkehr ganz durch den Grosshandel verrechnen zu lassen sowie sämtliche Buchhaltungstätigkeit an ihn auszugliedern. 3.2.3 Verknüpfungen innerhalb der Wertschöpfungskette Zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen sind nicht nur die wertschöpfenden Aktivitäten eines Unternehmens von Bedeutung, sondern auch die Verknüpfungen zwischen den Aktivitäten. „Die Verknüpfungen sind die Beziehungen, die zwischen einer Wertaktivität und den Kosten und der Durchführung einer anderen bestehen.“260 Sie sind sowohl innerhalb der eigenen Wertkette als auch 256 Vgl. Berman, 1996, S. 156. 257 ebenda. 258 Vgl. Tietz, 1993, S. 336. 259 Vgl. Tietz, 1993, S. 334f. 260 Porter, 2000, S. 80. 3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels 115 in den Berührungspunkten zu den Wertketten von Lieferanten und Abnehmern zu identifizieren. Die Optimierung und die Koordination der Verknüpfungen führen zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen. Zu diesem Zweck ist die ständige Suche und Analyse nach neuen Verknüpfungen für jedes Unternehmen zentral. Insbesondere bergen die Verknüpfungen zwischen den primären Aktivitäten Quellen für schwer imitierbare Wettbewerbsvorteile. Die Verknüpfungen lassen sich durch Informationsflüsse nutzen, deshalb spielen auch die Informationssysteme und technologien eine zentrale Rolle. Im Grosshandel bieten sich mehrere Wege, die zahlreichen internen Verknüpfungen zu identifizieren und zu analysieren (siehe Abbildung 3.7). Primäre Wertaktivitäten Unterstützende Wertaktivitäten gegenüber dem Hersteller Primäre Wertaktivitäten gegenüber dem Einzelhändler Unternehmensinfrastruktur Physische Distribution Physische Distribution Personal Marketingdienstleistungen Finanzdienstleistungen Technologie Allgemeine Beschaffung Marketingdienstleistungen Finanzdienstleistungen Qualitätsmanagement Zweiseitige Wertschöpfung im Grosshandel Verknüpfungen zwischen den unterstützenden und primären Wertaktivitäten Verknüpfungen zwischen den unterstützenden Wertaktivitäten Verknüpfungen zwischen den primären Wertaktivitäten Abbildung 3.7: Zweiseitige Wertschöpfungskette eines Grosshandelsunternehmens und interne Verknüpfungen Quelle: eigene Darstellung Erstens sind es die Beziehungen zwischen den primären Wertaktivitäten und den unterstützenden Aktivitäten, welche schnell zu erkennen sind und keine grosshandelsspezifischen Merkmale tragen. Komplexer gestalten sich zweitens die Verknüpfungen zwischen den primären Wertaktivitäten. Einerseits bestehen Beziehungen innerhalb der Wertschöpfungsbündel logistische Dienstleistungen, Marketing- und Finanzdienstleistungen. Andererseits bestehen Verknüpfungen innerhalb jedes Bündels, was auch die vorgestellte Aufteilung rechtfertigt. Argumente dazu bietet die Zerlegung der Bündel in Teilaufgaben je nach der 116 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels Ordnung in einem Marketingfluss eine noch detailliertere Analyse. Zum Beispiel können die logistischen Dienstleistungen in Teilaufgaben zerlegt werden, die entlang den Produkt- und Informationsflüssen eingeordnet werden. Drittens sind die vertikalen Verknüpfungen zu den Hersteller- und Abnehmerkunden zu analysieren. 3.2.3.1 Horizontale Verknüpfungen innerhalb eines Wertschöpfungsbündels Die Betrachtung der wertschöpfenden Aktivitäten des Grosshändlers aus der Perspektive der einzelnen Marketingflüsse erlaubt es, die horizontalen Verknüpfungen im Rahmen der Wertschöpfungsbündel aus einer Prozessperspektive zu erörtern. So ist eine flexible Reaktion auf Veränderungen bei den Herstellerund Einzelhandelskunden möglich und Kosten und Risiken werden für alle Beteiligten minimiert. Der Marketingfluss (“flow”) ist “a set of functions performed in sequence by channel members […] Marketing flows embrace both the actual movements and the accompanying agency activities which engender them.”261 Nach dem zentralen Konzept der Marketingflüsse “various marketing activities or functions should be arranged in a manner that results in customer satisfaction.”262 Vaile et al. (1952) hat acht Basisflüsse identifiziert, welche für die Performance des Marketingkanals eine Rolle spielen (siehe Abbildung 3.8). Hersteller Produktfluss Eigentumsfluss Werbefluss Verhandlungsfluss Finanzierungsfluss Risikoübertragungsfluss Bestellung Zahlung Grosshandel Produktfluss Eigentumsfluss Werbefluss Verhandlungsfluss Finanzierungsfluss Risikoübertragungsfluss Bestellung Zahlung Einzelhandel Abbildung 3.8: Acht Marketingflüsse sind für die Performance eines Marketingkanals wichtig Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Vaile et al., 1952 in Bowersox/Morash, 1989, S. 58 Einzelne Autoren heben die Bedeutung unterschiedlicher Flüsse hervor. So z.B. betrachtet Rosenbloom (1999) fünf Flüsse aus Managementperspektive als 261 Vgl. Stern et al., 1996, S. 10. 262 Bowersox/Morash, 1989, S. 58f. 3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels 117 besonders wichtig.263 Der Produktfluss umfasst alle Aufgaben, deren Verrichtung die physische Bewegung des Produktes vom Hersteller bis zum Endkonsumenten ermöglicht. Der Verhandlungsfluss betrifft den interaktiven Kontakt zwischen den Käufern und Verkäufern mit dem Ziel eines Eigentumstransfers. Der Eigentumsfluss stellt den tatsächlichen Eigentumstransfer dar. Am Informationsfluss nehmen alle Mitglieder im Kanal teil, wobei die Informationen wie die Verhandlungen in beide Richtungen ausgetauscht werden. Der Werbefluss bezieht sich auf die Werbung, die Verkaufsförderungsaktivitäten und die Öffentlichkeitsarbeit.264 Nach Bowersox/Morash (1989) sind aus Marketingperspektive drei Ströme von Bedeutung: der Produktfluss, Eigentums- und Informationsfluss.265 Eine zentrale Bedeutung für die Marketingmanagemententscheidungen im Grosshandel sollten also die Aufgaben haben, welche entlang dem Produkt-, Verhandlungs-, Eigentumsübertragungs-, Informations- und Werbefluss ausgeführt werden. Nach Algermissen (1981) sind drei Marketingflüsse die wichtigsten Systematisierungskriterien für die Handelsaufgaben. Er gruppiert die Aufgaben je nach ihrer Zugehörigkeit zum Produktfluss, Kommunikationsfluss und Wertfluss. „Sie ergeben sich als Zusammenfassung gleichartiger Vermittlungsleistungen (warenbezogene Leistungen, kommunikative Leistungen, wertmässige Leistungen)“.266 Als zweites Systematisierungskriterium wendet der Autor die schon bekannten Kategorien Qualität, Quantität, Raum und Zeit an (siehe Tabelle 3.6). Leistungsfluss Kategorie Produktfluss Qualität Quantität Raum Zeit 263 Vgl. Rosenbloom, 1999, S. 16ff. 264 Vgl. Rosenbloom, 1999, S. 16. 265 Vgl. Bowersox/Morash, 1989, S. 59. 266 Algermissen, 1981, S. 17. Grosshandelsaufgabe Sortimentsbildung: Assortierung und Sortimentszusammenstellung nach Bedarf Warenveredlung: physische Verbesserung und Ingangsetzung und -erhaltung Distribution: Feinverteilung Kollektion: Zusammenfassung kleinerer Produktionsmengen zu grossen Verwendungsmengen Warentransport Lagerhaltung 118 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels Leistungsfluss Kategorie KommunikaQualität tionsfluss Quantität Raum Zeit Wertfluss Qualität Quantität Raum Zeit Grosshandelsaufgabe Produkt- und Marktinformationen, Auswertungen und Statistiken Produkt- und Marktinformationen, Auswertungen und Statistiken Persönliche Kommunikationsleistungen und technische Kommunikationsmittel; Werbung und Beratung Spekulation: Ausnutzen zeitlicher Preisdifferenzen Vordisposition: Einkaufen im Voraus Zahlungs-, Kreditart Umfang der Zahlung, Kredithöhe Direkter Lieferanten- bzw. Abnehmerkredit Indirekter Kredit via Bank Abnehmervorauszahlung Zahlungsziele der Lieferanten Tabelle 3.6: Synoptische Zusammenstellung der Handelsaufgaben Quelle: Algermissen, 1981, S. 25 Die Aufteilung nach Algermissen (1981) bestätigt die schon angedeuteten Beziehungen innerhalb der Bündel. Eine Ausnahme stellt nur die Sortimentsbildung dar, die von Algermissen zwischen dem Produkt- und Kommunikationsfluss aufgeteilt wird. Einerseits gehört die technische Sortimentszusammenstellung nach Bedarf zur logistischen Kompetenz des Grossisten, da sie optimale Bestellabwicklung und Produktverfügbarkeit erlaubt. Andererseits ist diese Aufgabe eine Folge der Marketingkompetenz, proaktiv kundengerechte Sortimente zu bilden. Diese Funktion weist auf die enge Beziehung zwischen beiden Kompetenzen hin. Weitere Beziehungen werden im folgenden Punkt erläutert. 3.2.3.2 Horizontale Verknüpfungen zwischen den Wertschöpfungsbündeln Die Basisleistungen sind traditionell die logistischen Dienstleistungen. Als Zusatzdienstleistungen etablieren sich historisch betrachtet zuerst die Finanzdienstleistungen und dann die Marketingdienstleistungen. Logistische Dienstleistungen und Marketingdienstleistungen Ohne die direkte oder indirekte Teilnahme an der Warendistribution und an den sie begleitenden Informationsflüssen sind die Grosshändler nicht imstande, die Marketingdienstleistungen zu erbringen. Einerseits ist die Gestaltung der 3.2 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels 119 Konditionen eng mit den logistischen Kapazitäten verbunden. Andererseits ergeben sich aus dem Informationsfluss zwischen Hersteller- und Einzelhandelskunden Dienstleistungen wie Produktinformationen, Marktforschung, Beratung, Unterstützung bei Absatzförderungsaktivitäten, Administration und Planung usw. Die Manipulations- und Sortimentsbildungsdienstleistungen entsprechen dem Bedürfnis, das Produkt in einen verbrauchsfertigen Zustand zu bringen, also durch “[...] assembling, washing, cutting, sorting, mixing, packing and pricing”.267 Bei einigen Produkten sind sie mit der Montage, Wartung und Reparatur sowie mit der Möglichkeit zu dringenden Lieferungen verbunden. Eine ausgewogene Sortimentspalette erlaubt dem Abnehmer, die Qualität ähnlicher Produkte zu vergleichen und Substitutionsprodukte zu kaufen. Logistische Dienstleistungen und Finanzdienstleistungen Wie oben erwähnt, entstammt die Finanzierungsrolle des Grosshandels aus der Rolle als Warendistributor und Lagerhalter im Marketingkanal. Die Lagerhaltung und die Finanzierung sind eng durch die Differenz zwischen dem Zeitpunkt der Lieferung und dem Zeitpunkt der Zahlung verbunden. Somit wird die Kreditfunktion in der Form von gewährten Kreditlinien oder anderen Bedingungen wahrgenommen. Andererseits stellen die Lagerbestände eine Art finanzielles Sparen und eine Risikominimierung für Hersteller- und Einzelhandelskunden dar. Marketing- und Finanzdienstleistungen Die Beziehung hier ist eher indirekt. Sie kann in der Form von Finanzierung von Marketingprogrammen oder von kombinierten Angeboten von Beratungsdienstleistungen im Marketing und Controllingbereich erfolgen. 3.2.3.3 Vertikale Verknüpfungen Eine Besonderheit der Grosshandelsunternehmen ist es, dass die Hersteller und die Einzelhändler gleichzeitig auch Abnehmer der Grosshandelsleistung sind. Die Produkte der Hersteller durchlaufen die Wertkette des Grosshandels und werden anschliessend in der Wertkette des Einzelhändlers eingesetzt. Dabei entsteht eine Vielzahl an Verknüpfungen. Die Koordination der vertikalen Verknüpfungen, wie z.B. zu den Wertketten der Hersteller- und Einzelhandelskunden, ist wie bei den internen Verknüpfungen eine Quelle für nachhaltige, schwer imitierbare Kosten- und Differenzierungsvorteile.268 Die Koordination 267 Vgl. Van Dalen, 1982, S. 26. 268 Vgl. Porter, 2000, S. 83. 120 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels kann sowohl die gemeinsame Durchführung einzelner Projekte als auch eine langfristige Kooperation umfassen.269 Müller-Hagedorn (2001) stellt vier konkrete Beispiele für Vorteile aus der Kooperation mit Herstellern oder den Einzelhändlern vor: Kostensenkung dank gemeinsamer Optimierung der Auftragsabwicklung, Umsatzsteigerung durch Zusammenarbeit im Bereich des Qualitätsmanagements oder der Produktentwicklung, Reduzierung der Qualitäts- und Lieferrisiken durch feste, verlässliche Partnerschaften sowie Zeitersparnisse bei der Implementierung neuer Technologien.270 Aus Sicht des Grosshändlers stellt sich die Frage, welche Funktionen die Kooperation umfassen sollte, um seine Profilierung zu stärken und Umgehungsrisiken zu minimieren. Die Betrachtung der wertschöpfenden Aktivitäten des Grosshändlers aus der Perspektive der einzelnen Marketingflüsse ist auch bei der Analyse der vertikalen Verknüpfungen hilfreich. In jedem Marketingfluss nehmen sowohl der Hersteller als auch der Einzelhändler teil. In einer detaillierten Darstellung der einzelnen Aktivitäten lassen sich die Berührungspunkte der Wertketten feststellen. Zum Beispiel sind am Produktfluss sowohl der Grosshandel als auch die Hersteller und die Einzelhändler beteiligt. Wenn der Grosshändler die Transportfunktion ab Lager des Herstellers bis zum Lager des Einzelhändlers übernimmt, dann berühren sich die Wertketten beim Warenausgang des Herstellers und beim Wareneingang des Einzelhändlers (siehe Abbildung 3.9). Die Kosten, die Qualität und die Termineinhaltung beim ganzen Prozess hängen zunächst von der Bestellabwicklungs- und Informationsaustauschtechnologie aller Beteiligten ab, welche Auslöser für den Produktfluss sind. Weitere Einflussfaktoren sind die Notwendigkeit geeigneter Verpackungen (senkt oder erhöht die Transportkosten), Anzahl und Positionierung vor- und nachgelagerter Warenkontrollen (mehr vorgelagerte Kontrollen machen in der Regel die folgenden Kontrollen obsolet und somit werden Zeit und Kosten minimiert), Automatisierung und Niveau der Lagertechnologie (entscheidend für die Schnelligkeit, Pünktlichkeit und Genauigkeit der Auftragsausführung) etc. Durch einen computergesteuerten Datenaustausch und wertkettenübergreifende Zusammenarbeit können sämtliche vertikalen Verknüpfungen so synchronisiert und optimiert werden, dass Kostenersparnisse und Qualitätssteigerungen für alle Beteiligten erreicht werden. Dies ist die zentrale Idee des Supply-Chain- 269 Für strategiesche Kooperationen zwischen Hersteller und Handel siehe Schmickler, 2001, Rudolph/Schmickler, 2002. 270 Vgl. Müller-Hagedorn, 2001, S. 491. 3.3 Zusammenfassung des Kapitels 121 Management-Konzeptes, das immer mehr Verbreitung im Grosshandel findet.271 Die Supply-Chain-Management-Philosophie umfasst ein integriertes Verhalten, Austausch von Informationen, Risiken und Prämien, Kooperation, gleiche Ziele und Fokus auf Endkundenbedürfnisse, Prozessintegration und Partner für den Aufbau langfristiger Beziehungen.272 Produktfluss Produktfluss Hersteller Warenausgang Grosshandel Transport Wareneingang Lagerhaltung Verknüpfungen mit der Wertkette des Herstellers Einzelhandel Warenausgang Transport Wareneingang Verknüpfungen mit der Wertkette des Einzelhändlers Abbildung 3.9: Verknüpfungen zwischen der Wertkette des Grosshändlers und den Wertketten des Herstellers und des Einzelhändlers im Rahmen des Produktflusses Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Porter, 2000, S. 84 3.3 Zusammenfassung des Kapitels Gegenstand dieses Kapitels ist die theoretische Analyse der Wertschöpfung der Grosshandelsunternehmen. Transaktionskostenorientierte theoretische Beiträge bieten einen ausführlichen Einblick in die Faktoren der Einschaltung des Grosshandels, aber sie liefern eine rein kostenorientierte Betrachtung. Die Marketing-Channels-Theorie erweitert die Faktoren durch situative Umfeld-, Wettbewerbs- und Verhaltensfaktoren und deutet auf eine zweiseitige Betrachtung der Hersteller- und Einzelhandelsseite hin. Für das Marketingmanagement liefert auch dieser Ansatz wenige konkrete Gestaltungshinweise. Die Funktionenlehre stellt den Rahmen für die Analyse der möglichen wertschöpfenden Aktivitäten dar. Eine zentrale Rolle für diese Arbeit spielt dabei der zweiseitige Raster der Marketingfunktionen nach Rosenbloom (1987). 271 Vgl. Kotler/Bliemel, 2001, S. 1169. 272 Vgl. Mentzer, 2001, S. 11 122 3 Zweiseitige Wertschöpfung des Grosshandels Die primären wertschöpfenden Aktivitäten in der Wertkette des Grosshändlers entsprechen den zweiseitigen Marketingfunktionen. Einerseits wird durch die Ausführung jeder Marketingfunktion Wert geschaffen. Andererseits ist jede Marketingfunktion mit einer Kernkompetenz verbunden. Die Wertschöpfungskette der Grosshändler gestaltet sich zweiseitig. Je nach der zugrunde liegenden Kernkompetenz lassen sich die primären Wertaktivitäten in drei zweiseitige Wertschöpfungsbündel gruppieren. Das erste Bündel „logistische Dienstleistungen“ präsentiert die Kernkompetenz des Grossisten als Warendistributor, das zweite Bündel „Marketingdienstleistungen“ die Kernkompetenz eines Marketingspezialisten und das dritte Bündel „Finanzdienstleistungen“ die Kernkompetenz des Finanzspezialisten. Die zweiseitige Bündelung erlaubt nicht nur, die Wertschöpfung und die Kompetenzen transparent und nachvollziehbar darzustellen, sondern auch die Analyse der zahlreichen Verknüpfungen als Quellen von schwer imitierbaren Wettbewerbsvorteilen. Sie sind traditionell zwischen den primären und unterstützenden Aktivitäten zu finden. Speziell für den Grosshandel existieren Verknüpfungen innerhalb der Wertschöpfungsbündel, die sich aus der Prozessperspektive der Marketingflüsse identifizieren lassen. Weiterhin sind Verknüpfungen unter den Wertschöpfungsbündeln zu finden, wobei die logistischen Dienstleistungen die Basis bilden. Die Gestaltung der vertikalen Verknüpfungen zu den Hersteller- und Einzelhandelskunden vervollständigt die möglichen Quellen für Wettbewerbsvorteile. Die zweiseitigen Wertschöpfungsbündel sind die Basis für die Entwicklung von Positionierungs- und zweiseitigen Profilierungsstrategien, welche im folgenden Kapitel 4 vorgestellt und durch Praxisbeispiele aus der Pharmagrosshandelsbranche beschrieben werden. 4.1 Die Entscheidung über Positionierung und Profilierung 123 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Basierend auf den Erkenntnissen aus Kapitel 2 und Kapitel 3 werden in der Praxis auftretende Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen vorgestellt und analysiert. Im Fokus steht die Basisthese, dass die zweiseitige Wertschöpfung einerseits und die zweiseitigen strategischen Chancen und Gefahren andererseits die Zweiseitigkeit der Positionierung und der Profilierung bedingen. Zur Strukturierung der Strategien werden die generischen Wettbewerbsstrategien von Porter (1985) und der Geschäftsmodellansatz nach Treacy/Wiersema (1995) und nach Rudolph (2000) angewendet. Der Geschäftsmodellansatz erlaubt eine ganzheitliche Betrachtung: markt-, kompetenzen- und prozessorientiert. Drei Strategien und ihre zweiseitige Profilierung werden analysiert – die Strategien des Kostenführers, des Produktführers und des Problemlösers. Mit detaillierten Fallbeispielen aus dem schweizerischen und mit kurzen Beispielen aus dem europäischen Pharmagrosshandel werden die theoretischen Modelle in einem situativen Kontext beschrieben und vervollständigt. Die grosse Herausforderung liegt bei der Wandelbarkeit des Grosshandels und dem grossen Einfluss der Rahmenbedingungen – Branche und Land – und somit in der schwierigen Strukturierung der Profilierung im Grosshandel. So werden situative Unterschiede zwischen Profilierungsstrategien des Pharmagrosshandels in der Schweiz und in benachbarten Ländern wie Deutschland festgestellt. Neue strategische Chancen für den Pharmagrosshandel bietet der OutsourcingTrend in der Pharmaindustrie. Eine neue Geschäftseinheit „Prewholesale“ entsteht in fast jedem Pharmagrosshandelsunternehmen. Drei kurze Beispiele, wie die Pharmagrosshändler in der Schweiz ein Geschäftsmodell im Prewholesale aufbauen, werden analysiert. Die Möglichkeiten und Hindernissen bei der Erlangung von Wettbewerbsvorteilen auf Unternehmensebene werden dargestellt. 4.1 Die Entscheidung über Positionierung und Profilierung Im Grosshandel lassen sich wie in jedem Handelsunternehmen drei Entscheidungsebenen in Bezug auf die Positionierung und Profilierung unter- 124 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel scheiden (siehe Abbildung 4.1).273 Die drei Ebenen bilden eine konzeptionelle Einheit, was eine vertikale und horizontale Abstimmung zwischen den einzelnen Ebenen voraussetzt. Zunächst werden die Vision und die Kernstrategie festgelegt, in der das Unternehmen Marketingziele formuliert und damit die Frage des „Was“ bzw. „Wohin“ konkretisiert274. Um die Ziele oder anders formuliert die Wunschorte bzw. -zustände275 zu definieren, werden die Unternehmensfähigkeiten bewertet und die relevanten Branchen bzw. Märkte analysiert. Die sich aus der internen Analyse ergebenden Stärken und Schwächen werden den externen Chancen und Gefahren gegenübergestellt. Der Entscheid über das Portfolio von Geschäftsfeldern wird getroffen. Für das Grosshandelsunternehmen bezieht sich diese Entscheidung auch auf die Wahl der Betriebsform.276 Die Betriebsform beschreibt, „welche Stellung ein Handelsbetrieb in der Distributionskette zwischen Produktion und Konsum einnimmt“.277 Auf der zweiten Ebene wird die Positionierung der einzelnen Geschäftseinheit getroffen.278 Auf der Hersteller- und Einzelhandelsseite werden Zielgruppen bzw. -segmente identifiziert. Die Kunden und die Konkurrenten sind die zentralen Dimensionen des Raumes, wo das Unternehmen konkurrieren will. Aus den Unternehmensstärken lässt sich der Wettbewerbsvorteil ableiten. Im Rahmen einer Positionierungsstrategie bestimmen die Grosshändler den Differenzierungsvorteil gegenüber anderen Grosshändlern, den Herstellern und Einzelhändlern, basierend auf Kernkompetenzen279 und Überbrückungsbedürfnissen der Hersteller und Einzelhändler. “The most successful differentiations are those that use core skill, competence or marketing asset of the company that competitors do not possess and will find it hard to develop.”280. Ein stetiger Dialog mit den Kunden ist die Voraussetzung für die Nachhaltigkeit und ist mit einem vertieften Verständnis der Kundenbedürfnisse verbunden. Bei der 273 Vgl. Rudolph, 1993, S. 150, am Beispiel des Einzelhandels wird die so genannte Positionierungspyramide im Handel dargestellt. 274 Theis, 1992, S. 9. 275 ebenda. 276 Vgl. Liebmann/Zentes, 2001, S. 345; Woratschek, 1992, S. 5. 277 Vgl. Müller-Hagedorn, 1998, S. 31; vgl. Barth, 1999, S. 81. 278 Auf den Positionierungsentscheid und auf die möglichen Positionierungsstrategien wird im Abschnitt. 4.2 dieses Kapitels detaillierter eingegangen. 279 Vgl. Rudolph/Maag, 1999, S. 27. 280 Hooley/Saunders, 1993, S. 215. 4.1 Die Entscheidung über Positionierung und Profilierung 125 Positionierung spielen zwei Fragen eine zentrale Rolle: Wie erziele ich Wettbewerbsvorteile, d.h. welche Positionierungsstrategie und welche Marktpartner werde ich wählen, um die richtigen Kunden anzusprechen. Je klarer auf bestimmte Kundensegmente fokussiert wird, desto grösser sind die Erfolgschancen der Positionierungsstrategie. Die ausgewählte Positionierungsstrategie ist der „Rote Faden“, welche die Ausrichtung des weiteren unternehmerischen Handelns im Allgemeinen und der Profilierung im Speziellen vorgeben. Die Beziehung zwischen der Positionierung und der Profilierung im Grosshandel kann mit der Beziehung zwischen Betriebstyp und Handelsleistung verglichen werden. Als Betriebstyp werden die „einzelnen Erscheinungsformen“ mit eigener Struktur, eigenem Leistungsspektrum und Marktauftritt innerhalb einer Betriebsform bezeichnet.281 Die Betriebstypen des Grosshandels werden durch die erbrachte Handelsleistung beschrieben. „Das Set der Handelsfunktionen [...] beschreibt das theoretische Konstrukt der Handelsleistung in seinen verschiedenen Dimensionen der Überwindung von Marktspannungen.“282 Wird durch den Betriebstyp die Handelsleistung geändert, so ändern sich auch die Handelsfunktionen. Nach der Wahl der Kunden und der Erfolg versprechenden Positionierungsstrategie folgen die Massnahmen zu ihrer Umsetzung. Das Ziel der Profilierung im Grosshandel ist das Erzielen von Wettbewerbsvorteilen durch konkrete zweiseitige Profilierungsmassnahmen gegenüber den Hersteller- und den Einzelhandelskunden.283 „Profilierungspotenziale befinden sich in den primären und unterstützenden Aktivitäten der Wertschöpfungskette.“284 Die Zweiseitigkeit bei der Wertschöpfung des Grosshandels führt zur Zweiseitigkeit der Profilierungsinstrumente und -massnahmen.285 Für den Grosshandel lassen sie sich auch in den zahlreichen Verknüpfungen innerhalb der Wertkette und zu den Wertketten von Herstellern und Einzelhändlern identifizieren.286 Bei der Wahl der Massnahmen ist das Gesetz der Profilierungsdynamik zu berücksichtigen.287 281 Vgl. Ausschuss für Begriffsdefinitionen aus der Handels- und Absatzwirtschaft (Hrsg.), 1995, S. 29. 282 Vgl. Woratschek, 1992, S. 28f. 283 Adaptiert von Rudolph, 1993a, S. 19. Der Begriff Profilierung entspricht dem in der englischsprachigen Literatur verwendeten Begriff “differentiation” und zählt zu den am längsten diskutierten Konzepte in der Marketingliteratur (vgl. Smith, 1956, Maggard, 1976, Dikson/Ginter, 1987). 284 ebenda. 285 Profilierungsinstrumente und -massnahmen werden in der Literatur auch als Marketing-Mix im Grosshandel beschrieben. Vgl. Tietz B., 1993, Tietz W., 2002, Kotler/Bliemel, 2001, Algermissen, 1981. 286 Siehe Kapitel 3 dieser Arbeit. 287 Vgl. Rudolph, 1993, S. 286. 126 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Demgemäss können Wettbewerbsvorteile dann erzielt werden, wenn keiner der Konkurrenten die Massnahme einsetzt bzw. die Massnahmen besser als die Konkurrenz durchgeführt werden. Besser heisst zu niedrigeren Kosten, dank einzigartigen und innovativen Dienstleistungen und Produkten und mittels ihrer Zusammenführung in einer Gesamtlösung. Wenn aber intensive Konkurrenzaktivitäten vorhanden sind, gleichen sich die Angebote an und die Massnahme gehört zum Basisangebot der Brache. I. Vision und Unternehmensstrategie II. Positionierung Differenzierungsvorteile definieren und Nutzenstrategie auswählen III. Zweiseitige Profilierung: Wie werden Differenzierungsvorteile erzielt? Profilierungsaktivitäten gegenüber den Herstellerkunden Marktabdeckung Lagerhaltung Bestellabwicklung Spezialdienstleistungen Beratung Logistikmanagement Abdeckung Marktverhalten Sortimentsaufbereitung Vertriebskontakt und -konditionen Werbeunterstützung Marketingmanagementberatung Kreditunterstützung und Finanzierung Beratung Finanzmanagement Profilierungsaktivitäten gegenüber den Einzelhandelskunden Logistische Dienstleistungen Produktverfügbarkeit Feinverteilung, Lagerhaltung Bestellabwicklung Spezialdienstleistungen Beratung Logistikmanagement Marketingdienstleistungen Sortimentsbildung und Produktion Sortimentsaufbereitung Einkaufskontakt und -konditionen Werbeunterstützung Marketingmanagementberatung Finanzdienstleistungen Kreditunterstützung und Finanzierung Beratung Finanzmanagement Abbildung 4.1: Positionierung und zweiseitige Profilierung im Grosshandel Quelle: eigene Darstellung Eine neue Strategie bringt auch neue Anforderungen an die Organisationsstruktur, das Verhalten der Mitarbeiter und die sich etablierten Abläufe und Routinen mit sich. Jede Positionierungsstrategie ist mit dem Aufbau eines bestimmten Geschäftsmodells verbunden. Dessen Komponenten sind die Unternehmenskultur, das Managementsystem und die Personalpolitik, die Einsatzbereiche der Informationstechnologie, die Konfiguration der wertschöpfenden Unternehmensprozesse. 4.2 Theoretische Grundlagen 127 4.2 Theoretische Grundlagen 4.2.1 Generische Positionierungsstrategien Porter (1985) definiert drei generische Positionierungsstrategien, welche unterschiedliche Wege zum Erlangen von Wettbewerbsvorteilen darstellen (siehe Abbildung 4.2). Kostenvorsprung Branchenweit Strategisches Zielobjekt Beschränkung auf ein Segment Strategischer Vorteil Einmaligkeit Umfassende Kostenführerschaft Differenzierung (Qualitätsführerschaft) Konzentration auf Schwerpunkte (Fokus) A. Fokus auf Kostenvorteile B. Fokus auf Qualitätsvorteile Abbildung 4.2: Drei generische Strategietypen Quelle: vgl. Porter, 1999, S. 75 Die Strategie der umfassenden Kostenführerschaft basiert auf dem relativen Kostenvorteil. Dieser ist vorhanden, wenn die Summe der Kosten aller Unternehmensaktivitäten im Vergleich zu den Konkurrenten niedriger ist, d.h. die Position des kostengünstigsten Anbieters wird branchenweit erreicht. Dies setzt einen hohen Marktanteil und einen exklusiven Zugang zu günstigen Ressourcen voraus. Die Kostenführerschaft birgt Schwierigkeiten und Risiken.288 Die diese Strategie anstrebenden Unternehmen konzentrieren sich oft nur auf eine Kostengruppe wie z.B. Produktionskosten oder Logistikkosten. Die Optimierung vereinzelter Aktivitäten bietet kurzlebige Kostensenkungen im Vergleich zu einer strategischen Rekonfigurierung sämtlicher Aktivitäten und ihrer Verknüpfungen, die zu einem qualitativ neuen Kostenniveau führen können. Das Verfolgen einer Kostenstrategie kann auch die Quellen für die Qualitätsvorteile untergraben. Zusätzlich ist es schwierig, die Nachhaltigkeit der Kostenvorteile zu sichern. Empirische Studien zeigen, dass sich einer bzw. wenige Kostenführer am Markt behaupten können.289 Die Positionierungsstrategie der Differenzierung basiert auf dem Differenzierungsvorteil. Dieser drückt sich in der Fähigkeit des Unternehmens aus, einzelne oder Gruppen von Aktivitäten einmalig in den Augen der Kunden im Vergleich 288 Vgl. Porter, 1985, S. 115f. 289 Vgl. Porter, 1999, S. 72. 128 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel zur Konkurrenz auszuführen. Das Ziel dieser Strategie ist “to create the largest gap between the buyer value created (and hence the resulting price premium) and the cost of uniqueness in the firm’s value chain”.290 Die Differenzierung ist auch mit Risiken behaftet. Die Einmaligkeit ist wertlos, wenn sie nicht zu einem überlegenen Abnehmernutzen führt. Eine mangelhafte Kenntnis der am Markt bestehenden Abnehmersegmente kann zum Angebot nicht abnehmergerechter Leistungen führen. Ein Unternehmen kann aber auch einen höheren Nutzen als nachgefragt anbieten und so durch Anbieter des richtigen Nutzens verwundbar sein. Oft vergessen die Unternehmen, den Wert zu kommunizieren, oder verlangen für ihn einen zu hohen Preis. Weitere Risiken bergen der einseitige Fokus auf die Einmaligkeit und die Vernachlässigung der Kosten, was die Einmaligkeit oft unbezahlbar macht. Sowohl die Kostenführerschaft als auch die Differenzierung lassen sich erreichen, wenn die Quellen der Kosten bzw. der Einmaligkeit kontrolliert werden, aber auch wenn die gesamte Wertkette rekonfiguriert wird, um den gezielten Wettbewerbsvorteil zu erreichen. Die Konzentration auf Schwerpunkte oder die Strategie Fokus (Kostenfokus und Differenzierungsfokus) basiert auf der Wahl eines engeren Wettbewerbsumfangs, d.h. eines Segments, auf dessen Bedürfnisse exklusiv die Strategie zugeschnitten wird. Das Segment kann eine bestimmte Abnehmergruppe, ein bestimmter Teil des Produktprogramms oder ein geografisch abgegrenzter Markt sein. Die Wahl einer Fokusstrategie ist nur unter bestimmten Bedingungen sinnvoll. Erstens ist der Erfolg der Fokusstrategie mit der Heterogenität des Markts verbunden, d.h. mit einer hohen Anzahl unterschiedlicher Segmente mit verschiedenen Bedürfnissen. Zweitens müssen diese Segmente durch die Konkurrenz unzureichend oder nicht bedient werden.291 Abbildung 4.3 stellt empirische Ergebnisse über die Bedingungen dar, welche eine fokussierte Strategie begünstigen. Die Wahl des bedienten Segmentes ist entscheidend, da der Erfolg der Fokusstrategie von der Attraktivität des Segmentes erheblich beeinflusst wird. 290 Porter, 1985, S. 153. 291 Vgl. Murray, 1988, S. 393. 4.2 Theoretische Grundlagen 129 Anzahl der Leistungsangebote ein breit Homogener Markt Heterogener Markt mit positiven Synergien zwischen den Segmenten Heterogener Markt mit negativen Synergien zwischen den Segmenten Heterogener Markt mit negativen Synergien zwischen Segmentgruppen und positiven Synergien in den Segmentgruppen Strategie fokussiert einige Abbildung 4.3: Marktcharakteristika, welche eine fokussierte Strategie unterstützen Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Murray, 1988, S. 393 Nach Wright (1987) wird die Wahl der generischen Strategie durch die Unternehmensgrösse, den Zugang zu Ressourcen, die Branchen- und Konkurrenzanalyse eingegrenzt. Für kleinere Firmen ist nur eine Fokusstrategie möglich, da sie einen begrenzten Zugang zu Ressourcen haben.292 Grössere Firmen können auch der Fokusstrategie folgen, aber nur in Kombination mit einer Differenzierung. Mittlere und grosse Unternehmen haben generell niedrigere Kosten u.a. aufgrund eines besseren Zugangs zu Ressourcen und Finanzierungsmöglichkeiten, durch günstigeren Einkauf, stabilere Führungs- und Personalkosten. So sind sie in der Lage, entweder einer klaren Kostenführerstrategie zu folgen oder basierend auf einer guten Kostenposition mit einer Differenzierungsstrategie zu konkurrieren.293 Nach Porter (1985) verspricht jede der Positionierungsstrategien beste Resultate. “Each generic strategy is a fundamentally different approach to creating and sustaining a competitive advantage.”294 Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Unternehmung durch Konkurrenten mit einer klaren Strategie überholt wird. Diese Situation wird “stuck in the middle” genannt.295 Um nicht in die Situation 292 Vgl. Wright, 1987, S. 94. 293 Vgl. Wright, 1987, S. 95. 294 Vgl. Porter, 1985, S. 17. 295 Vgl. Porter, 1985, S. 16f. 130 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel “stuck in the middle” zu geraten, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Erstens ist das möglich, wenn zwei organisationell unabhängige Geschäftseinheiten im Rahmen eines Unternehmens unterschiedliche generische Strategien verfolgen. In diesem Fall muss die Unternehmensführung die Unabhängigkeit aufrechterhalten, damit beide Geschäftseinheiten Wettbewerbsvorteile erzielen können. Zweitens ist das der Fall, wenn alle Wettbewerber “stuck in the middle” sind. So hat das Unternehmen keinen externen Druck, eine der Strategien auszuwählen. Eine solche Situation hat einen eher temporären Charakter. Drittens: Wenn die Kostenposition durch den Marktanteil erheblich bestimmt wird, kann das Unternehmen gleichzeitig beide Strategietypen wählen. Dasselbe gilt auch beim Vorhandensein wichtiger Wechselbeziehungen zwischen den Branchen, von denen ein Wettbewerber allein profitieren kann. Viertens kann die Einführung einer neuen Technologie dem Unternehmen ermöglichen, die Kosten zu senken bzw. die Quellen der Einmaligkeit zu erweitern. Empirische Untersuchungen zeigen, dass die gleichzeitige Verfolgung der Kostenführerschaft und der Differenzierung unter bestimmten situativen Bedingungen möglich ist. Nach Hill (1988) kann die Strategie der Differenzierung zum Erzielen von Kostenvorteilen genutzt werden.296 Dies ist in wachsenden und jungen Industrien möglich. Wenn der Markt in die Sättigungsphase297 übergeht, wird die Einmaligkeit weniger wichtig für das Erzielen des Kostenvorteils, mit Ausnahme einer technologischen Veränderung. In gesättigten oligopolistischen Märkten können die Kostenvorteile des Unternehmens nicht einmalig sein. Dann ist die Verteidigung der eigenen Kostenposition nicht mehr durch Skalenvorteile und Lernkurveneffekte, sondern nur durch Differenzierung möglich. Gilbert/Strebel (1987) stellen auch fest, dass sich die Kosten und der Mehrwert einer Leistung im Übergang einer Branche von einer Lebenszyklusphase in eine andere verändern. Als Erfolg versprechend erweist sich die sogenannte Outpacing-Strategie, definiert als “the explicitly developed capacity, depending on the competitive situation, to switch strategic emphasis between perceived product value and process cost reduction, in order to outdistance the competition”.298 Wie bei Hill stehen zwei Phasen der Branchenentwicklung im Zentrum der Betrachtungen: die Standardisierung (Sättigung) und die 296 Vgl. Hill, 1988, S. 411. 297 Gesättigte Märkte sind durch ein niedriges Wachstum, oligopolistische Strukturen, gut etablierte Marken und gut entwickelte Prozesse charakterisiert (vgl. Hill, 1988, S. 409). 298 Gilbert/Strebel, 1987, S. 29, zum Wechsel der generischen Strategien siehe auch Zajac/Shortell, 1989. 4.2 Theoretische Grundlagen 131 Verjüngung (rejuvenation) einer Leistung. Wenn die Phase der Standardisierung beginnt, etablieren sich die bestehenden einmaligen Leistungen vermehrt als Standard. Unter diesen Konditionen orientieren sich die Unternehmen an Prozessoptimierung und Kostensenkung, da die folgende Phase durch Preiskämpfe gekennzeichnet ist. Ein stagnierendes Wachstum in gesättigten Branchen kann der Indikator sein, dass die Zeit für einen Wechsel von der Strategie der Kostenminimierung zur Strategie der Differenzierung gekommen ist, d.h. die Phase der Verjüngung beginnt. Das Ziel der Outpacing-Strategie ist es, Wettbewerbsvorteile zu erreichen, indem die Leistung schneller als bei der Konkurrenz standardisiert oder verjüngt wird. Die Outpacing-Strategie stellt an das Management eines Unternehmens drei Anforderungen. Erstens ermöglicht ein vertieftes Verständnis der Branchenstrukturen die Wahrnehmung der Übergänge von einer Phase in die andere. Zweitens ist der Aufbau einer Wettbewerbsposition entweder basierend auf Kostenführerschaft oder auf Differenzierung die Grundlage für die Outpacing-Strategie. Drittens sind die aus dem aufgebauten Wettbewerbsvorteil resultierenden positiven Cashflows in Ressourcen zu investieren, welche einen Wechsel des strategischen Fokus ermöglichen. Die Diskussion über den Einfluss der externen Rahmenbedingungen auf die Wahl einer oder mehrerer generischen Strategien wird von Murray (1988) weitergeführt. Er baut seine Überlegungen auf der Feststellung von Porter (1980) auf, dass die Wirkung der generischen Strategien von der Branchenstruktur abhängig ist. Berücksichtigt werden auch die Untersuchungen von Day (1984), nach denen diese Abhängigkeit mit spezieller Rücksicht auf die Kundenwahrnehmungen als situative Determinanten bestätigt wird. Eine nachhaltige Kostenführerschaft beruht auf Skaleneffekten und skalenunabhängigen Ersparnissen, wie Zugang zu Rohstoffen, Produkt- oder Prozesstechnologien und Distributionskanälen. Produkt- und Marktcharakteristika sowie die eingesetzten Produktions- und Marketingtechnologien bestimmen dabei die für die Branche optimale Produktionsgrösse.299 Die Voraussetzungen für die Qualitätsführerstrategie sind sowohl Kunden, welche die Leistungsangebote nach anderen Kriterien als dem Preis bewerten, als auch das Vorhandensein einer Leistungsinnovation und einer hohen Leistungsqualität. Die Voraussetzungen für beide generischen Strategien sind unterschiedlicher Art und lassen sich kombinieren. Der entstehende Konflikt zwischen den Kulturen und Organisationsstrukturen sollte mittels integrierender Managementbemühungen minimiert werden. 299 Vgl. Murray, 1988, S. 393. 132 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel 4.2.2 Der Geschäftsmodellansatz Basierend auf den Porter’schen generischen Wettbewerbsstrategien beschreiben Treacy/Wiersema (1995) und Rudolph (2000) drei Erfolg versprechende Positionierungsstrategien auf der Geschäftsfeldebene: Kostenführerschaft (operational efficiency), Produktführerschaft (product leadership) und Kundenpartnerschaft oder Problemlösung (customer intimacy).300 Sie entsprechen im weitesten Sinne den von M. Porter beschriebenen generischen Positionierungsstrategien der Kostenführerschaft, der Differenzierung und der Konzentration auf Schwerpunkte. Der Ansatz von Treacy/Wiersema (1995) zeichnet sich durch eine Marktund Ressourcenorientierung sowie durch eine Prozessorientierung aus.301 Die Positionierungsstrategien entstehen aus einer erweiterten Betrachtung des Wertangebots. Hohe Qualität und niedriger Preis sind nicht mehr ausreichend, um die Bedürfnisse der Kunden zu beschreiben. Weitere Komponenenten wie Bequemlichkeit beim Kauf und Kundenservice runden vermehrt ein Wertangebot ab.302 Die klare Positionierung ist ein zentraler Erfolgsfaktor für das Unternehmen insbesondere bei einem steigenden Konzentrations- und Internationalisierungsgrad im Handel.303 Die führenden Unternehmen einer Branche fokussieren sich auf eine so genannte Wertdisziplin und erreichen den Branchendurchschnitt in den anderen Wertdisziplinen. Dabei sind sämtliche Aktivitäten an den Prinzipien der gewählten Wertdisziplin auszurichten. Die operative Effizienz oder die Kostenführerschaft entspricht einem Wertangebot, das aus zuverlässigen Produkten oder Dienstleistungen zu Wettbewerbspreisen und Lieferung mit einer minimalen Unbequemlichkeit zusammengesetzt ist. Die Produktführerschaft ist mit dem Angebot von einmaligen und hochqualitativen Produkten verbunden, welche die Nutzungsmöglichkeiten der Kunden erheblich erweitern und ihre latenten Bedürfnisse ansprechen. Die Kundenpartnerschaft setzt eine präzise Segmentierung des Markts und Ansprache der ausgewählten Zielsegmente mit auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Angeboten voraus. Die führenden Unternehmen in dieser Disziplin kombinieren das Wissen über die Kunden mit einer operativen Flexibilität, sodass sie schnell auf neue und veränderte Kundenbedürfnisse reagieren können. 300 Vgl. Treacy/Wiersema, 1995, S. xiv; Rudolph, 2000; für weitere empirische Untersuchungen zum Thema der Geschäftsmodelle und -systeme vgl. Belz/Bieger, 2004, S. 391ff. 301 Vgl. Rudolph, 2000, S. 26. 302 Vgl. Treacy/Wiersema, 1993, S. 84. 303 Vgl. Rudolph/Busch, 2002, S. 110 und Rudolph, 2000, S. 1. 4.2 Theoretische Grundlagen 133 Die Wertdisziplin wird aufgrund der eigenen Kompetenzen, der Unternehmenskultur, aber auch aufgrund der Stärken und Schwächen der Konkurrenz bestimmt. Nach der Wahl besteht die Herausforderung, die Positionierung durch geeignete Profilierungsmassnahmen umzusetzen und auf Dauer das Profil nicht zu verlieren. Die Umsetzung ist mit dem Aufbau eines bestimmten Geschäftsmodells verbunden. Dessen Komponenten sind die Unternehmenskultur, das Managementsystem, die Personalpolitik, die Einsatzbereiche der Informationstechnologie sowie die Konfiguration der wertschöpfenden Unternehmensprozesse. Tabelle 4.1 veranschaulicht die Gestaltung der einzelnen Geschäftsmodelle je nach der gewählten Nutzenstrategie (Treacy/Wiersema, 1995). Element des Geschäftsmodells Strategische Positionierung Kostenführer (operational excellence) Angebot zu niedrigsten Gesamtkosten und Wettbewerbspreis Unternehmens- hoch motivierte kultur Teamplayer Produktführer (product leadership) ständige Pipeline von einmaligen Produkten und starken Marken kreative Individualisten Wertschöpfende Prozesse effiziente und optimierte Prozesse vertikal und virtuell integrierte Logistikprozesse fehlerfreie Basisdienstleistungen Einsatz IT zur Automatisierung der Dienstleistung stabile Prozesse flexible Organisation eng fokussiert schnelle Vermarktung neuer Produkte Managementsystem Teams einfache und klare Vorschriften und Regeln Talent und Individuum Enterpreneure Problemlöser (customer intimacy) Produkte und Dienstleistungen massgeschneidert zu den Bedürfnissen einer kleinen Zielgruppe lösungsorientierte Dienstleister Koordination zwischen den eigenen Prozessen und den Kundenprozessen Netzwerk und Kooperationen mit Sublieferanten breites Produktsortiment Erfahrung im Angebot von Lösungen Enterpreneure und Manager 134 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Produktführer (product leadership) ermöglicht Innovation, schnelle Vermarktung neuer Produkte und Kontrolle der Risiken Element des Geschäftsmodells Einsatz der IT Kostenführer (operational excellence) ermöglicht Effizienz, hoch automatisiert Tabelle 4.1: Elemente der Geschäftsmodelle Quelle: vgl. Treacy/Wiersema, 1995 Problemlöser (customer intimacy) ermöglicht Sammlung und Analyse vom Wissen über den Kunden Im Folgenden wird der theoretische Rahmen für die Beschreibung der Geschäftsmodelle im Grosshandel geschaffen. Die einzelnen Nutzenstrategien werden anhand des Wertkettenansatzes beschrieben.304 Dabei werden theoretische Hinweise für die Ausgestaltung der primären Aktivitäten des Grosshandelsunternehmens, wie sie im Kapitel 3 strukturiert wurden, dargestellt. Diese Hinweise werden anschliessend im Rahmen der Fallstudien für die Pharmagrosshandelsbranche geprüft und vervollständigt. 4.2.2.1 Positionierungsstrategie „Kostenführer“ „Der Kostenführer verfolgt eine konsequente Discountstrategie [...]. Das vorrangige Ziel dabei ist das Ausschöpfen von Kostensenkungspotenzialen, nicht das Angebot einmaliger Leistungen.“305 Die Kosten betreffen nicht nur die Kosten für die Dienstleistungserbringung, sondern auch die Kosten, die bei der Inanspruchnahme und Nutzung beim Kunden entstehen. Die Dienstleistungen sind standardisiert und werden zuverlässig, schnell und fehlerfrei erbracht. Keine kostentreibende Vielfalt, keine Individualisierung oder Innovation werden dabei angestrebt, sondern Kostenminimierung und hohe Effizienz bei der Ausführung sämtlicher Prozesse. Die Erlangung der Kostenführerschaft bedingt die Durchführung von geeigneten Managementmassnahmen.306 Zum einen sind die Kostenantriebskräfte in jedem Prozess in der Wertkette und an den Schnittstellen zu den Lieferanten und Abnehmern zu überwachen. Die wertschöpfenden Prozesse werden so konfiguriert, dass sie effizient und fehlerfrei funktionieren. Zum anderen arbeitet das 304 Vgl. Rudolph, 2000, S. 23. 305 Rudolph/Busch, 2002, S. 113. 306 Vgl. Porter, 1999, S. 143. 4.2 Theoretische Grundlagen 135 Unternehmen ständig an Rationalisierung und Automatisierung bestehender Prozesse. Dies wird durch den Einsatz neuer Technologien unterstützt. Der Erfolg der Kostenführerschaft hängt von drei Bedingungen ab.307 Erstens ist ein konstantes Volumen der Aufträge zu sichern, um eine optimale Kapazitätsauslastung zu erreichen. Zweitens sind immer neue Marktsegmente zu suchen, wo die bestehenden Dienstleistungen angeboten werden. Drittens wird der Erfolg in anderen Märkten repliziert. Um die Profilierungsaktivitäten des Kostenführers im Grosshandel zu bestimmen, wird die Wirkung der Kostentreiber in den einzelnen Aktivitäten analysiert. So können die Aktivitäten herausgefiltert werden, in denen der Grosshändler einen Kostenvorteil aufbauen kann. Porter (1999) hat zehn Kostentreiber identifiziert, welche sich in unterschiedlichem Ausmass im Grosshandel auswirken. Die Analyse wird tabellarisch dargestellt (Tabelle 4.2). Primäre Kostentreiber Beispiele für die Ausgestaltung der wert(“drivers of cost Profilierungsaktivität im Grosshandel schöpfende leadership”) Aktivität Logistische Dienstleistungen 307 grössenbedingte Kostendegressionen – grosses Auftragsvolumen; – kleine Anzahl standardisierter Dienstleistungen; – ein regionales Unternehmen sollte den Wert seiner regionalen Abdeckung hervorheben, während national ausgerichtete Unternehmen, die aber regional untervertreten sind, ihre nationale Präsenz kommunizieren sollten. Lern- und Erfahrungskurveneffekte – bessere Terminplanung und Organisation, wichtige Messgrösse ist die Betriebszeit bei Bestellabwicklung; Kapazitätsauslastung – Auslastung des logistischen Systems durch hohe Auftragsvolumen. Verknüpfungen in der Wertkette und – bessere Koordination zwischen der Eingangsund Ausgangslogistik verringert die Zeit und der Volumen bei der Lagerhaltung Vgl. Treacy/Wiersema, 1995, S. 58. 136 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Primäre Kostentreiber Beispiele für die Ausgestaltung der wert(“drivers of cost Profilierungsaktivität im Grosshandel schöpfende leadership”) Aktivität Vertikale Verknüpfungen – Qualitätssicherungsverfahren; – Auslieferung vom Hersteller und Eingangslogistik; – Kostensenkende Koordinierung der Produktspezifikationen, Lieferung und andere Aktivitäten. Integration – Kosten des Auftragsabwicklungssystems sind niedriger, wenn sie das Unternehmen in demselben IT-System hat. Zeitwahl – Technologieführer beim Einsatz kostengünstiger Methoden; – Technologiegefolgschaft heisst die Kosten zu senken, indem man von Technologieführer lernt, Entwicklungskosten werden durch Nachahmung vermieden. Standort – bei geografisch organisiertem Aussendienst sinken die Kosten mit der Zunahme des regionalen Absatzvolumens; – Standortwahl in Bezug auf Lieferanten beeinflusst die Kosten des Wareneingangs und Standortwahl nah zum Einzelhandel – die Kosten des Warenausgangs; – – Standorte der Verteilzentren untereinander beeinflussen die Umschlags-, Lagerhaltungs-, Transport- und Koordinationskosten. Staatliche Regulierung gesetzliche – Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems und zahlreiche Regulierungen und Kontrollen bei der Distribution erhöhen die Kosten; 4.2 Theoretische Grundlagen 137 Primäre Kostentreiber Beispiele für die Ausgestaltung der wert(“drivers of cost Profilierungsaktivität im Grosshandel schöpfende leadership”) Aktivität Anforderungen Marketingdienstleistungen – flexible Importbestimmungen ermöglichen Kostensenkung. Grössenbedingte – bei geografisch organisiertem Aussendienst Kostensinken die Kosten mit Anwachsen des degressionen regionalen Absatzvolumens. Unternehmenspolitische Entscheidungen Finanzdienstleistungen – – keine grosse Vielfalt beim Produkt- und Dienstleistungsangebot und/oder Angebot kostengünstiger Eigenmarken; – spezielle Lieferzeiten ausser dem Standardangebot erhöhen die Kosten; – niedriger Personal- und Verwaltungsaufwand, Standardniveau des Kundendienstes; – Wahl der Anzahl und Zusammensetzung der Lieferanten; Informationen über Kosten und Verfügbarkeit von Lieferanten; Jahresverträge statt Einzelkauf; – umfassendes Prozessmanagement zur Kostenminimierung; – Profilierung mittels niedriger Margen. – Tabelle 4.2: Theoretische Analyse der Profilierungsaktivitäten des Kostenführers Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Porter, 1999, S. 106–128, S. 133f., S. 240, S. 244; Treacy/Wiersema, 1995, S. 47–60, Rudolph/Busch, 2000, S. 113, Seÿffert, 1972, S. 184 Die theoretischen Ausführungen lassen sich in Hinweisen zur Ausgestaltung der primären wertschöpfenden Aktivitäten zusammenfassen, welche eine Profilierung als Kostenführer versprechen (siehe Abbildung 4.4). Bei der Wahl der Profilierungsaktivitäten ist zu berücksichtigen, dass sie mit einem optimalen Preis-Leistungs-Verhältnis aus Kundensicht auszuführen sind. Profilierung versprechen kostensenkende Dienstleistungen, welche kein anderer Konkurrent anbietet. Die Aktivitäten des Kostenführers richten sowohl an die Hersteller- als 138 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel auch an die Einzelnhandelskunden, d.h. eine zweiseitige Profilierung ist vorhanden. 1. Profilierungsaktivitäten und Profilierungsmassnahmen a) Logistische Dienstleistungen: – Marktabdeckung: Eine starke nationale oder regionale Marktabdeckung ermöglicht hohe Handelsvolumina, welche zu einer hohen Auslastung des Logistiksystems und somit zu Kostendegressionen führen. – Lagerhaltung, Bestellabwicklung, Transport, Produktverfügbarkeit und Feinverteilung: Die logistischen Basisdienstleistungen sind standardisiert und rationalisiert, damit eine kostengünstige, fehlerfreie und zuverlässige Ausführung gewährleistet wird. Zur laufenden Optimierung und Automatisierung der wichtigsten Logistikprozesse werden Prozessmanagement und neueste Informations- und Lagertechnologien eingesetzt. Durch kostenorientiertes Management der Verknüpfungen beim Warenein- und ausgang wird eine bessere Terminplanung und Logistikorganisation erreicht: Wichtige Messgrösse dabei ist die Betriebszeit bei der Bestellabwicklung. Lernbedingte Verfahren werden zur besseren Auslastung des Logistiksystems eingesetzt. Der Kostenführer kann dabei sowohl die Rolle des Technologieführers als auch des Technologiefolgers je nach Unternehmensgrösse und finanziellen Ressourcen übernehmen. b) Marketingdienstleistungen: – Sortimentsbildung und Produktion: Schwerpunktsetzung, keine grosse Vielfalt der angebotenen Sortimente, hohe Standardisierung und somit eine hohe und tadellose Lieferfähigkeit; bei Import- und Produktionsmöglichkeiten ist das Angebot kostengünstiger Eigenmarken und Sortimente möglich. – Vertriebskontakt und Vertriebskonditionen sowie Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen: Der Kostenführer arbeitet mit niedrigen Margen und kommuniziert explizit seine Discounterpositionierung. Die Dienstleistungsvielfalt ist begrenzt und standardisierte Konditionen abhängig vor allem vom Handelsvolumen und Umsatz werden angewendet. Jahresverträge mit fixen Konditionen werden angestrebt. Die Beziehung zum Hersteller wird durch das Bestreben gepräft, Kostensenkungspotenziale in der Beschaffung zu erzielen. Die Beziehung zum Einzelhandel wird durch das Vorhandensein preissensibler Segmente beeinflusst. Der Kostenführer minimiert den Personalaufwand für Aussen- und Innendienst, d.h. die quantitative Dimension des Vertriebs- und Einkaufskontaktes wird angesprochen. Kostensenkungspotenziale finden sich in einem regional organisierten Aussendienst bei steigendem Handelsvolumen in der Region. 4.2 Theoretische Grundlagen 139 2. Die anderen Aktivitäten heben das Unternehmen von der Konkurrenz nicht ab. Profilierungsaktivitäten gegenüber den Herstellerkunden Profilierungsaktivitäten gegenüber den Einzelhandelskunden Marktabdeckung – geografische, Volumen, Vielfalt Produktverfügbarkeit Logistische Dienstleistungen Lagerhaltung Bestellabwicklung Vertriebskontakt und Vertriebskonditionen Marketingdienstleistungen Feinverteilung, Bestellabwicklung und Lagerhaltung Sortimentsbildung und Produktion Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen Abbildung 4.4: Zweiseitige Profilierungsaktivitäten des Kostenführers im Grosshandel Quelle: eigene Darstellung 3. Anforderungen an das Geschäftsmodell a) Die Technologie wird für die Automatisierung der Logistik eingesetzt. Der Kostenführer kann als Erster die kostengünstige Dienstleistungsgestaltung und -lieferung einführen und als Erster die Lernkurve durchlaufen. Die Technologiegefolgschaft kann auch die Kosten senken, indem man vom Technologieführer lernt und Entwicklungskosten durch Nachahmung einspart; b) Der Standort beeinflusst die Kosten diverser Profilierungsaktivitäten. Der Standort in Bezug auf Lieferanten beeinflusst die Kosten des Wareneingangs, der Standort in Bezug auf den Einzelhandel beeinflusst die Kosten des Warenausgangs, die Standorte der Verteilzentren untereinander beeinflussen die Umschlags-, Lagerhaltungs-, Transport- und Koordinationskosten. Der Standort bestimmt auch die zugänglichen Transportmittel. c) zur Umsetzung der Kostenführerstrategie ist eine kritische Unternehmensgrösse erforderlich. 4.2.2.2 Positionierungsstrategie „Produktführer“ „Ein Produktführer profiliert sich nicht über den Preis, sondern über die Qualität seiner – zum Teil exklusiv vertriebenen – Produkte und Dienstleistungen.“308 Der Produktführer zeichnet sich aus durch die Fähigkeit, überlegene Produkte bzw. 308 Rudolph/Busch, 2000, S. 114. 140 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Dienstleistungen zu kreieren und diese meisterhaft im Laufe ihres Produktlebenszyklus zu verwalten. Die Produkte bieten den Kunden einen einmaligen Nutzen und auf diese Art und Weise wird immer ein Preispremium erwirtschaftet. Oft führen die Bemühungen zum Aufbau und zur Pflege einer starken Marke als Versprechen für diesen einmaligen Nutzen. Eine professionelle Marktforschung, um neue Marktnischen zu finden, und eine darauf basierende inspirierende Vision eines Neuprodukts sind die Voraussetzungen für die Herstellung des Produktes. Eine weitere überlegene Fähigkeit ist, das Produkt den Konsumenten schmackhaft zu machen und dieses mit grossem Marketingaufwand auf dem Markt einzuführen. Die potenziellen Kunden werden geschult und auf die innovativen Produkte vorbereitet, so dass die Innovation eine optimale Verbreitung findet.309 Somit wird der Produktführer auch zum Technologieführer. Neue IT-basierte Tools erlauben auch die Intensivierung der Marktforschung auf der Suche nach neuen Marktsegmenten und die Organisation grossflächiger Werbekampagnen. Wenn die Phase der Sättigung erreicht wird, werden Produkterweiterungen lanciert, um geänderte Bedürfnisse bestehender neuer Kunden anzusprechen. In der letzten Phase wird das Produkt sehr schnell vom Markt abgelöst und durch ein neues ersetzt. Die Produktführer sind ständig mit dem Trade-off zwischen dem Schutz der bestehenden Produkte und der Einführung neuer Produkte konfrontiert. Die Förderung einer hohen Produkt- und Dienstleistungsqualität, die Entwicklung von Verfahren zur Unterstützung der Qualitätskontrollen, zuverlässige Zeitplanung etc. werden durch den gezielten Einsatz der neuesten Technologien ermöglicht. Analog dem Kostenführer werden hier die einzelnen Profilierungspotenziale in den primären wertschöpfenden Aktivitäten des Grosshändlers gesucht, welche zur Produktführerschaft führen könnten. Tabelle 4.3 folgt den Raster von Porter (1985, 1999): Profilierungsaktivität Logistische Dienstleistung 309 ProfilierungsBeispiele für die Ausgestaltung der potenziale Profilierungsaktivität im Grosshandel (drivers of differentiation) Lernkurveneffekte – Einheitliche Qualität der Produkte und bei der Lagerhaltung kann lernbedingt und Verbreitung sein; Vgl. Treacy/Wiersema, 1995, S. 87. 4.2 Theoretische Grundlagen Profilierungsaktivität Nationale/internationale Marktabdeckung Vertriebskontakt und Einkaufskontakt Lagerhaltung Profilierungspotenziale (drivers of differentiation) Unternehmensgrösse UnternehmensMarketingdienstleistungen politische Sortimentsbildung Entscheidungen und Produktion Werbeunterstützung Vertriebs- und Einkaufskontakt Abdeckung des Marktverhaltens Vertikale Verknüpfungen: – mit Herstellern – mit dem Einzelhandel 141 Beispiele für die Ausgestaltung der Profilierungsaktivität im Grosshandel – Unternehmensgrösse erlaubt, die Aktivitäten einmalig durchzuführen; – international oder national ausgerichtete Grösse: hohe Entwicklungskosten werden optimal verteilt und eine Vielzahl von Marktsegmenten werden durch Niederlassungen und Verteilzentren identifiziert und bearbeitet; – moderne Lagerhaltung und hohe Versorgungsqualität für Nachbestellung der Sortimente, minimale Beschädigungen und Qualität bei der Handhabung der Produkte. – qualitativ hochstehende und innovative Dienstleistungen; – einmalige Sortimente aus starken Marken bzw. Eigenmarken; – hoher Werbeaufwand und wirkungsvolle Werbe- und Verkaufsförderungsunterstützung; – hohe Reichweite und Qualität des Aussendienstes und breite Palette hochqualitativer Lieferanten; – intensive Marktforschung und Marktintelligenz; – Sammlung und Transfer von Marktinformationen. – Zusammenarbeit bei Produktentwicklungen und -einführungen, Produktauswahl und -selektion; – Schulung über neue Sortimente und gemeinsame Werbekampagnen. 142 Profilierungsaktivität Finanzdienstleistungen Alle Aktivitäten 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Profilierungspotenziale (drivers of differentiation) Zeitwahl – Beispiele für die Ausgestaltung der Profilierungsaktivität im Grosshandel – Vorreitervorteile durch innovative Sortimente und Dienstleistungen, verbunden mit der Rolle des Technologieführers. – Ausserbetriebliche – Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems sichert eine hohe Qualität Faktoren entlang der gesamten Wertschöpfung. Standort – Eine hohe Attraktivität für talentierte Arbeitskräfte wird angestrebt, da das gut qualifizierte Personal eine zentrale Voraussetzung für den Erfolg des Produktführers darstellt. Tabelle 4.3: Theoretische Analyse der Profilierungsaktivitäten des Produktführers Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Porter, 1999, S. 109, S. 114, S. 173–177, S. 240, S. 244, Treacy/Wiersema, 1995, S. 83–96, Rudolph/Busch, 2000, S. 114, Seÿffert, 1972, S. 185 Die theoretischen Ausführungen lassen sich in Hinweisen zur Ausgestaltung der primären wertschöpfenden Aktivitäten zusammenfassen, welche eine Profilierung als Produktführer versprechen (siehe Abbildung 4.5). Bei der Wahl der Profilierungsaktivitäten ist zu berücksichtigen, dass sie einzigartig und innovativ auszuführen sind. Höchste Profilierung versprechen auf Produkt- und Marketingkompetenz beruhenden Dienstleistungen, welche kein anderer Konkurrent anbietet. Die Aktivitäten des Produktführers richten sowohl an die Hersteller- als auch an die Einzelhandelskunden, d.h. eine zweiseitige Profilierung wird betrachtet. 4.2 Theoretische Grundlagen 143 1. Profilierungsaktivitäten und Profilierungsmassnahmen a) Logistische Dienstleistungen – Marktabdeckung: Der Produktführer im Grosshandel hat eine ausgebaute nationale und übernationale Präsenz und stellt somit eine nationale bzw. grenzüberschreitende Marktabdeckung sicher. – Lagerhaltung für Hersteller und Einzelhandelskunden: Grosse und moderne, auf das Minimieren der Qualitätsverluste und auf Vielfalt ausgerichtete Lagerflächen und -organisation dienen zu einer optimalen Versorgungssicherheit. b) Marketingdienstleistungen – Abdeckung des Marktverhaltens: Der Produktführer ist auf der ständigen Suche nach neuen Marktsegmenten und sorgt für eine optimale Abdeckung des Marktverhaltens. Die Marktforschung und eine umfassende Marktintelligenz über Entwicklungen und Trends zählen zu seinen Kernkompetenzen. Sie werden durch Koordination von Aussen- und Innendienst und durch den Einsatz neuer Technologien erreicht. – Vertriebskontakt und Einkaufskontakt: Hohe Reichweite (viele Niederlassungen und Verteilzentren) und Qualität des Aussendienstes und breite Palette hochqualitativer Lieferanten – Sortimentsbildung und Produktion: Basiert auf der hohen Marktintelligenz werden innovative, qualitätsmässig hochstehende und einmalige Sortimente zusammengestellt. Der Nutzen wird oft mittels Sortimenten aus wertvollen Markenprodukten kommuniziert. Ein professionelles Sortimentsmanagement findet statt – von den Neuprodukteinführungen bis zur Ablösung der nicht mehr nachgefragten Sortimente. Der Produktführer kreiert auch Kollektionen und Sortimente aus einmaligen und hochqualitativen Eigenmarken. – Werbeunterstützung für Hersteller und Einzelhandelskunden: Der Produktführer verfügt über eine starke Marketingorganisation, die es ihm erlaubt, wirkungsvolle Werbekampagnen zur Lancierung der innovativen Sortimente auf die Beine zu stellen. Die Hersteller und der Einzelhandel werden auch bei der Verkaufsförderung unterstützt. 2. Alle weiteren Aktivitäten heben das Unternehmen von der Konkurrenz nicht ab. 144 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Profilierungsaktivitäten gegenüber den Herstellerkunden Marktabdeckung – geografische, Volumen, Vielfalt Profilierungsaktivitäten gegenüber den Einzelhandelskunden Logistische Dienstleistungen Lagerhaltung Abdeckung des Marktverhaltens Feinverteilung, Bestellabwicklung und Lagerhaltung Sortimentsbildung und Produktion Marketingdienstleistungen Vertriebskontakt und Verkaufskonditionen Werbeunterstützung Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen Werbeunterstützung Abbildung 4.5: Zweiseitige Profilierungsaktivitäten des Produktführers im Grosshandel Quelle: eigene Darstellung 3. Anforderungen an das Geschäftsmodell a) besitzt Vorreitervorteile durch innovative Sortimente und Dienstleistungen verbunden mit der Rolle des Technologieführers und setzt somit den Standard für alle anderen Unternehmen. b) Eine hohe Attraktivität für talentierte Arbeitskräfte wird angestrebt, da das gut qualifizierte Personal eine zentrale Voraussetzung für den Erfolg des Produktführers darstellt. c) Ein grosses Unternehmen erlaubt es, die Aktivitäten einmalig durchzuführen und sie in vielen Niederlassungen und Verteilzentren für die Kunden zu erbringen. Bei einer international oder national ausgerichteten Unternehmensgrösse werden die hohen Marketing- und Logistikkosten optimal verteilt und eine Vielzahl von Marktsegmenten wird durch Niederlassungen und Verteilzentren identifiziert und bearbeitet. d) Der Aufbau und Umsetzung eines Qualitätmanagementsystems sichert eine hohe Qualität entlang der gesamten Wertschöpfung. 4.2.2.3 Positionierungsstrategie „Problemlöser“ Das Geschäftsmodell der Kundenpartnerschaft ist nach dem Motto aufgebaut: “Own success is the clients’ success.”310 Die wertschöpfenden Prozesse orientieren sich ausschliesslich an einer oder einiger weniger Zielgruppen. 310 Treacy/Wiersema, 1995, S. 130. 4.2 Theoretische Grundlagen 145 Die Basisdienstleistungen werden auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten und eine grosse Vielfalt an einmaligen Zusatzdienstleistungen erbracht. Um die Vielfalt anbieten zu können, werden Netzwerke von Sublieferanten gebildet und koordiniert. Nicht die innovativsten und hochqualitativsten Produkte und Dienstleistungen spielen eine Rolle, sondern die einzigartige Konfigurierung und die beste Gesamtlösung für den Kunden. Um dies zu erreichen, investieren die Problemlöser in die am besten geschulten Verkaufspersonal und Kundendienst, die durch den direkten Kundenkontakt Know-how über seine Bedürfnisse sammeln. Dieses Know-how wird mit der Hilfe neuer Technologien verarbeitet, so dass spezifische, detaillierte und integrierte Kundeninformationen jederzeit verfügbar werden. Die Prozesse sind proaktiv und veränderungsfähig gestaltet, um die sich ändernden Kundenbedürfnisse begegnen zu können. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die langfristige Kundenbindung und -pflege. Für den Erfolg der Problemlöserstrategie ist der Aufbau und die Pflege langfristiger Beziehung zur anvisierten Zielgruppe entscheidend. Das erfordert die Kundenselektion nach drei Aspekten. Erstens sollten diese Kunden offen für eine Beziehung sein, in der sie Teile ihrer Unabhängigkeit verlieren können. Zweitens sollte das fehlende Wissen des Kunden auf Kompetenz und Professionalität treffen. Drittens sollte der Kunde ein grosses unentwickeltes Potenzial und somit eine hohe Attraktivität für den Problemlöser haben. Nachdem die Kundenauswahl getroffen wird, werden die Bemühungen auf die Positionierung und auf die Verstärkung der Kundenabhängigkeit konzentriert. Diese Nutzenstrategie kann auf zwei Wegen zu Erfolg führen. Zum einen ist das Wachstum innerhalb der bestehenden Kundensegmente möglich. Nachdem eine massgeschneiderte Lösung vom Unternehmen selber erbracht worden ist, sucht der Problemlöser nach immer neuen Bereichen, wo eine Zusammenarbeit stattfinden kann. Zum anderen sind die Problemlöser gezwungen, bei Ausschöpfung des Potenzials bestehender Kunden neue Zielgruppen anzusprechen. Wie bei den beiden schon beschriebenen Geschäftsmodellen werden im Folgenden die einzelnen Profilierungspotenziale analysiert, welche zu einer Problemlöserprofilierung führen können. Die Strategie der Kundenpartnerschaft trägt die Merkmale der Differenzierungsstrategie und der Strategie der Konzentration auf Schwerpunkte nach Porter (1985, 1999) (siehe Tabelle 4.4). 146 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Profilierungsaktivität ProfilierungsBeispiele für die Ausgestaltung der potenziale (drivers Profilierungsaktivität of differentiation in focus) – Angebot individueller Dienstleistungen UnternehmensLogistische inkl. Internetbasierter Informationspolitische Dienstdienstleistungen (Online-Abfragen der Entscheidungen leistungen Lagerbestände und der Transportflüsse); – geografische Nähe zum Kunden; Standort – direkte Kommissionierung und Lieferung Integration an Endkunden. – grosse Vielfalt an Produkten und UnternehmensMarketingSortimenten; politische dienst– individualisierte Sortimente aus einer Entscheidungen leistungen Vielzahl Produkte; Sortimentsauf – bestgeschulter Aussendienst und bereitung Kundendienst zur Erarbeitung von Kundenlösungen; – intensive Schulungs- und Beratungsaktivitäten; – Konzentration auf das Wissen über die Kunden. Verknüpfungen: innerhalb der Wertkette Vertikale Verknüpfungen –mit Herstellern –mit Einzelhandel – enge Zusammenarbeit von Aussendienst und Kundendienst zur reaktionsschnellen Bedienung des Kunden und Erarbeitung von Kundenlösungen; – enge Zusammenarbeit bei Produktauswahl und -selektion zur Aufrechterhaltung breiter Sortimente und bei Erbringung einer hohen Vielfalt von Dienstleistungen; – Bildung von Dienstleistungsnetzwerken; – via Interneteinsatz Dokumentenaustausch und computergestützte Teamarbeit. – enge Zusammenarbeit bei der Optimierung der Logistik, Marketing, Finanzierung, Entwicklung neuer 4.2 Theoretische Grundlagen Profilierungsaktivität Finanzdienstleistungen 147 ProfilierungsBeispiele für die Ausgestaltung der potenziale (drivers Profilierungsaktivität of differentiation in focus) Dienstleistungen; – via Interneteinsatz Dokumentenaustausch Zeitwahl und computergestützte Teamarbeit. Unternehmepolitische Entscheidungen Alle Dienst- Lernkurveneffekte leistungen und Verbreitung Integration Unternehmensgrösse – Vorreitervorteile durch innovative Kundenbindungsinstrumente und Datenmanagement; – auch Technologiegefolgschaft möglich, Anpassung der Kundenbindungsinstrumente, indem man vom Technologieführer lernt. Finanzierung der Kundeninvestitionen. – ganzheitliche Ausrichtung auf Lernen über den Kunden: durch Lernen erzielte Einblicke in die kundeninternen Prozesse; – Einsatz neuer Technologien für integriertes Datenmanagement. – vermehrte Integration von Aktivitäten des Lieferanten und Kunden in allen Bereichen; – Angebot einer Gesamtlösung für die Probleme der Kunden/Lieferanten. – durch Netzwerkbildung ist die Unternehmensgrösse kein entscheidender Faktor zum Angebot einzigartiger Lösungen; – kleine und mittlere Unternehmen; – lokale oder zielgruppenspezifische Grösse zur hohen Anpassungsfähigkeit und Kundennähe. 148 Profilierungsaktivität 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel ProfilierungsBeispiele für die Ausgestaltung der potenziale (drivers Profilierungsaktivität of differentiation in focus) – hohe Flexibilität erlaubt die schnelle UnternehmensEinführung eines TQM-Systems; grösse – flache Organisationsstrukturen und kurze Entscheidungswege. Tabelle 4.4: Theoretische Analyse der Profilierungsaktivitäten des Problemlösers Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Porter, 1999, S. 173–177, S. 240, S. 244, Treacy/Wiersema, 1995, S. 121–137, Rudolph/Busch, 2000, S. 115 Die theoretischen Ausführungen lassen sich in Hinweisen zur Ausgestaltung der primären wertschöpfenden Aktivitäten zusammenfassen, welche eine Profilierung als Problemlösers versprechen (siehe Abbildung 4.6). Bei der Wahl der Profilierungsaktivitäten ist zu berücksichtigen, dass sie als massgeschneiderte Kundenlösung angeboten werden können. Höchste Profilierung versprechen Kundenlösungen, welche kein anderer Konkurrent anbietet. Die Aktivitäten des Problemlösers richten sich vor allem an den Einzelhandel und eher selten gleichermassen auch an den Hersteller. Deshalb ist die Profilierung eher zweistufig als zweiseitig. 1. Profilierungsaktivitäten und -massnahmen a) Logistische Dienstleistungen: – Spezialdienstleistungen: Durch seine Kundennähe ist der Problemlöser in der Lage, sich durch spezielle logistische Dienstleistungen wie Lieferung ausserhalb der vereinbarten Konditionen, umfassendes Retourenangebot, Lieferung und Montage von POS-Materialien etc. zu profilieren. Der Einsatz neuer Technologien erlaubt dem Problemlöser, Online-Abfragen der Lagerbestände und der Transportflüsse sowie spezialisierte Software-Lösungen anzubieten. – Beratung Logistikmanagement: Komplexe Beschaffungs- bzw. Absatzprobleme werden gelöst sowie regelmässige Lagerinventur und Controlling vorgenommen. b) Marketingdienstleistungen – Abdeckung des Marktverhaltens: Durch seine Kundennähe ist der Problemlöser optimal positioniert, um die Veränderungen auf den Absatzmärkten zu 4.2 Theoretische Grundlagen 149 analysieren. Höchsten Stellenwert wird dem Lernen über den Kunden und dem Einsatz neuer Technologien für integriertes Kundendatenmanagement gelegt; – Sortimentsaufbereitung: sowohl gegenüber der Hersteller als auch gegenüber dem Einzelhandel wird die Umverpackung, Manipulation und handelsübliche Anpassung der Produkte vorgenommen; – Sortimentsbildung und Produktion: eine grosse Vielfalt an Produkten, die zum grössten Teil den Bedarf der Kundschaft decken sowie auf die Kundenbedürfnisse zugeschnittene Sortimente. Das Know-how über das Marktverhalten und die gesammelten Marktinformationen erlauben ihm, proaktiv Sortimentslösungen zu gestalten; – Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen: Um das Know-how über den Kunden zu akkumulieren und weiter auszubauen sowie um die Beziehung langfristig zu pflegen, setzt der Problemlöser auf die bestgeschulten Aussen- und Kundendienste, d.h. auf die qualitative Dimension des Verkaufs- und Einkaufskontakts. Ein persönliches Kontakt hat einen hohen Stellenwert. Eine enge Zusammenarbeit von Aussen- und Innendienst führt zur reaktionsschnellen Bedienung des Kunden und zur Erarbeitung von Kundenlösungen. Das gesammelte Wissen wird mit moderstem Datenmanagement ausgewertet und für immer wieder neue Bereiche der Zusammenarbeit mit den Kunden eingesetzt. Der Problemlöser zeichnet sich durch den Einsatz zahlreicher Kundenbindungsinstrumente aus. Individualisierte Konditionengestaltung zwischen Hersteller und Einzelhändler rundet das Angebot ab. – Marketingmanagementberatung: Der Problemlöser kennt das Optimierungspotenzial der internen Prozesse des Kunden bzw. Lieferanten am besten und bietet umfassende Beratungsdienstleistungen im Bereich des Marketingmanagement an: Schulung, Marketingpläne, Werbekampagnen sowie gemeinsame Durchführung von Projekten, z.B. Aufbau neuer Verkaufsstellen etc. c) Finanzdienstleistungen: – Kreditunterstützung und Finanzierung: Um die Kundenbindung zu erhöhen und langfristig zu sichern, leistet der Problemlöser die Finanzierung und vergibt Kredite an seine Kunden und Lieferanten. – Beratung Finanzmanagement: Von Controlling- und Buchhaltungsberatung bis zur ganzheitlichen Integration dieser Tätigkeiten in der eigenen Wertkette wiederum zwecks einer langfristigen Kundenbindung. 2. Alle weiteren Aktivitäten heben das Unternehmen von der Konkurrenz nicht ab. 150 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Profilierungsaktivitäten gegenüber den Herstellerkunden Profilierungsaktivitäten gegenüber den Einzelhandelskunden Spezialdienstleistungen: Retouren, Entsorgung, Reklamationen Spezialdienstleistungen: Retouren, Entsorgung, Reklamationen Beratung: Logistikmanagement Logistische Dienstleistungen Beratung: Logistikmanagement Abdeckung des Marktverhaltens Sortimentsbildung und Produktion Sortimentsaufbereitung Sortimentsaufbereitung Vertriebskontakt und Vertriebskonditionen Marketingdienstleistungen Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen Marketingmanagementberatung Marketingmanagementberatung Kreditunterstützung Finanzierung Kreditunterstützung Finanzierung Beratung: Finanzmanagement Finanzdienstleistungen Beratung: Finanzmanagement Abbildung 4.6: Zweistufige Profilierungsaktivitäten des Problemlösers im Grosshandel Quelle: eigene Darstellung 3. Anforderungen an das Geschäftsmodell a) Der Problemlöser kann Vorreitervorteile durch innovative Kundenbindungsinstrumente und Datenmanagement haben, aber die Technologiegefolgschaft ist üblich. Der Einsatz neuer Technologien ermöglicht den elektronischen Dokumentenaustausch sowie eine computergestützte Teamarbeit und unterstützt somit die Bildung von Dienstleistungsnetzwerken b) Die geografische Nähe zum Kunden wird angestrebt. c) Die geschickte Bildung von Netzwerken schliesst die Unternehmensgrösse als Faktor zum Angebot von Gesamtlösungen weitgehend aus. Das Geschäftsmodell wird mit Erfolg von kleinen und mittleren Unternehmen aufgebaut. Der lokale Fokus und die zielgruppenspezifische Grösse verstärken die hohe Anpassungsfähigkeit und die Kundennähe. d) Die Prozessorganisation zeichnet sich durch hohe Flexibilität, flache Organisationsstrukturen und kurze Entscheidungswege aus. Qualitäts- und Prozessmanagementsysteme (TQM) werden schnell eingeführt. Eine vermehrte Integration von Aktivitäten der Kunden in allen Bereichen ist charakteristisch für 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel 151 das Geschäftsmodell, d.h. eine offene Prozessarchitektur. Zum Angebot von Gesamtlösungen werden Systeme von Dienstleistungen zusammengestellt. 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel 4.3.1 Vorgehen Die nachfolgend beschriebenen Fallbeispiele stellen die Positionierungsstrategien und die Profilierungsmassnahmen führender und erfolgreicher Grosshandelsunternehmen in der Schweiz und in Europa dar (siehe Tabelle 4.5). Drei Pharmagrosshändler aus der Schweiz werden detailliert vorgestellt, da der Fokus der Dissertation auf den Pharmagrosshandel der Schweiz liegt. Führende Unternehmen in Europa werden nur im Rahmen von kurzen Fallbeispielen beschrieben mit dem Ziel, mögliche Ähnlichkeiten und Unterschiede bei den Positionierungsstrategien zu identifizieren sowie neue Profilierungsideen zu präsentieren. Die detaillierten Fallbeispiele beginnen mit allgemeinen Informationen über das Unternehmen. Dann werden die allgemeine Positionierung, die Zielgruppen und die wertschöpfenden Aktivitäten im Geschäftsfeld Pharmagrosshandel analysiert. Die profilierenden Aktivitäten werden identifiziert. Basierend auf primären Daten aus qualitativen Checklisten werden die bereits vorgestellten Informationen validiert und die profilgebenden Aktivitäten nach dem Gesetz der Profilierungsdynamik klassifiziert. Dabei zählen die Dienstleitungen zur Sicherheitszone, welche das analysierte Unternehmen von der Konkurrenz nicht abheben. In der Profilierungszone kann zwischen Dienstleistungen mit bestem PreisLeistungs-Verhältnis (charakteristisch für den Kostenführer), innovativen Dienstleistungen (charakteristisch für den Produktführer) und Gesamtlösung (charakteristisch für den Problemlöser) unterschieden werden. Dienstleistungen, welche kein anderes Unternehmen in der Branche anbietet, gehören der Früherkennungszone an. Im Anschluss werden das operative Modell, die Unternehmenskultur, die Personalpolitik etc. aufgrund sekundärer Literatur charakterisiert. Die kurzen Fallbeispiele fokussieren sich ausschliesslich auf die Positionierung, die Zielgruppen und die Profilierungsmöglichkeiten. 152 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Unternehmen Umsatz im Heimatmarkt I. Schweiz in Mio. CHF Galenica 1’622.5 Amedis 1’000 UE Zur Rose 340 II. Europa Phoenix in Mio. EUR 5’000 GEHE 3’500 Anzag 3’160 Alliance UniChem 8’800 Sanacorp AG 1’200 Noweda eG 2’000 Marktstellung Mitarbeiter Rechtsim Heimat- form markt 50% Schweiz 32% Schweiz 40% Apotheken 12% Drogerien führender Ärztegrossist 880 500 Holding Holding 210 Holding 28%, Marktführer in Deutschland und Nr. 2 in Europa 19% Nr. 2 in Deutschland (Celesio ist Marktführer in Europa) 16.5% Nr. 3 in Deutschland Nr. 3 in Europa (17.1% Nordeuropa, 15.3% Südeuropa) 13%, grösste Apothekergemeinschaft und Nr. 4 in Deutschland Zweitgrösste Apothekergemeinschaft 3’358 AG & Co. KG 2’900 2’361 GmbH, Teil von Celesio Holding AG 33’000 Holding 1’881 Apothekengenossenschaft 1’900 Apothekengenossenschaft Tabelle 4.5: Übersicht der analysierten Fallbeispiele, Daten 2005 Quelle: eigene Darstellung 4.3.2 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel der Schweiz 4.3.2.1 Amedis-UE Amedis entstand 1997 aus dem Zusammenschluss der apothekennahen Grossisten HAGEBA und EVZA. Im Jahr 2000 beteiligte sich der grösste 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel 153 deutsche Pharmagrosshändler Phoenix AG zu 49% im Rahmen eines JointVenture – die Amedis-Holding wurde gegründet. Zwei Jahre später übernahm Amedis die in der Westschweiz tätigen Grossisten Uhlmann Eyraud Distribution SA und Oreynam SA. Das Unternehmen trägt seitdem den Namen Amedis-UE SA. Amedis-UE Pharmagrosshandel ist das Kernstück der Amedis-UE-Gruppe und stellt die Basis für die Entwicklung der anderen Geschäftsfelder dar (siehe Abbildung 4.7). Das Geschäftsfeld „Prewholesale“ bietet mit dem im 2005 abgeschlossenen neuen Verteilzentrum in Puidoux bei Lausanne logistische Dienstleistungen für Pharmaindustrie und Importeure. Im neuen Geschäftsfeld „Selbstdispensation“ sind die Dienstleistungen der Servimed AG und der Multipharm Gruppe AG organisiert, welche sich an selbsdispensierende Ärzte richten. Die 100-prozentige Tochtergesellschaft Amedis Pharma-Fit, welche bis 2004 Finanzierungsmodelle für Apotheken angeboten hat, ist zu einer Minderheitsbeteiligung geworden.311 Amedis-UE-Gruppe Prewholesale Pharmagrosshandel Amedis-UE AG Selbstdispensation ServimeD AG MultipharmGruppe Abbildung 4.7: Struktur der Amedis-UE-Gruppe Quelle: Geschäftsbericht 2005–2006, S. 17 Positionierung im Geschäftsfeld „Grosshandel“ Das Unternehmen richtet sich an unterschiedliche Zielgruppen – Apotheken, Drogerien, SD-Ärzte, Heime, Spitäler, Lieferanten, wobei die Apotheken- und Drogeriengruppierungen eine zentrale Stellung haben. Das Unternehmen sieht sich als nationaler Partner in der Gesundheitslogistik, als ein marktorientierter, innovativer Volldienstleister und eine stark gewachsene neue Kraft im Gesund- 311 Vgl. Geschäftsbericht Amedis-UE-Gruppe 2004/2005. 154 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel heitswesen. Zentrale Erfolgsfaktoren der Unternehmensstrategie sind das Kostenmanagement, der Einsatz neuer Technologien zur Automatisierung der Logistik sowie die kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeiter. Zweiseitige Profilierungsaktivitäten312 Amedis-UE positioniert sich als Vollgrossist, der sich sowohl an den Bedürfnissen der Apotheken und Drogerien als auch an den Bedürfnissen der Lieferanten orientiert. Die Profilierung erfolgt somit zweiseitig. a) Logistische Dienstleistungen – Marktabdeckung: Amedis-UE bietet eine nationale Marktabdeckung durch die drei Verteilzentren in Unterentfelden (Zentralschweiz), Chavannes (Romandie und Wallis) und Fehraltorf (Region Zürich und Ostschweiz). – Lagerhaltung: Die Lager sind mit modernster Automaten- und Regaltechnik ausgestattet, die eine grossflächige Hochregallagerhaltung ermöglicht. Die Bestellabwicklung ist mehr als 70% automatisiert. – Bestellabwicklung: Alle Verteilzentren sind im Rahmen eines integrierten Warenwirtschaftssystems online verbunden. Dies erlaubt die optimale Sicherstellung der nationalen Distribution. – Produktverfügbarkeit zu 98% sichergestellt – Feinverteilung, Lagerhaltung und Bestellabwicklung: Zweimal täglich und einmal Nachlieferungen; Weiterentwicklungen in Zusammenarbeit mit dem Lieferspezialisten Transmed Transport GmbH – Spezialdienstleistungen: Mit der Unterstützung der Phoenix AG wird der Internet-Auftritt des Unternehmens laufend ausgebaut. Online-Bestellungen sowie die Funktionen „e-shopping“ und „Lagerauskunft“ kommen sowohl den Abnehmern als auch den Herstellern zugute. Dies betrifft auch einige wenige Spezialdienstleistungen wie Retouren und Entsorgung, welche einfach gestaltet sind, sich aber dank der modernen Logistik durch eine hohe tägliche Fertigkeit auszeichnen. b) Marketingdienstleistungen – Abdeckung des Marktverhaltens: Durchführung von Fachhandelsumfragen, die auch detaillierte Informationen über das Kaufverhalten und Anforderungen und über Trends geben. 312 Eine Analyse nach dem Gesetz der Profilierungsdynamik war aufgrund fehlender Daten nicht möglich. 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel 155 – Vertriebskontakt und Vertriebskonditionen: Die nationale Abdeckung bedeutet für die Hersteller einen attraktiven Vertriebspartner. – Sortimentsbildung: Für die Apotheken und Drogerien sind rund 40’000 Artikel jederzeit verfügbar, insgesamt 100’000 Artikel sind im Informationssystem erfasst und abrufbereit. Die Artikel sind in Basis- und Zusatzsortimenten organisiert. Das Basissortiment schliesst Pharmazeutika, Medikamente, OTC, Homöopathika, Parapharmazeutika, Nahrungsmittelergänzungen ein. Das Zusatzsortiment beinhaltet Beauty-Kosmetik, Gesundheit, Hygiene, Medizinprodukte. – Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen: Der Preis wird an die Anzahl der Lieferungen und Einkaufsvolumen gebunden. Man kann zwischen vier unterschiedlichen Konditionenmodellen auswählen.313 Im ersten Modell wird eine Nachtlieferung und somit die günstigsten Konditionen angeboten. Das zweite Modell, ein so genanntes Basispaket, wird am meisten gebraucht und enthält eine Nacht- und eine Tageslieferung. Am wenigsten nachgefragt wird das dritte Modell – eine Nacht- und zwei Tageslieferungen. Am teuersten ist das vierte Modell mit mehreren Tages- und Nachtlieferungen. Eine Vergünstigung kann z.B. eine Apotheke bekommen, wenn sie mehr als die vereinbarten Jahresmengen bestellt, wenn sie über 80% des Einkaufsvolumens bei Amedis-UE bezieht (d.h. Amedis-UE wird ihr Exklusivlieferant) und wenn sie über Lastschriftverfahren zahlt. Entsprechend teurer wird es, wenn die Apotheke weniger als vereinbart einkauft, wenn sie eine zusätzliche Tageslieferung wünscht und wenn sie alles per Fax bestellt. Abbildung 4.8 zeigt auf einen Blick die zweiseitige Profilierung der Amedis-UE AG als Kostenführer. Operatives Modell Kundenfokussiertes Sortiment, Service und Support zu fairen Preisen, ein starkes Mitarbeiterteam und eine offene Kommunikation gegenüber allen Teilnehmern im schweizerischen Gesundheitswesen sind die leitenden Werte von Amedis-UE. Diese werden durch eine prozessorientierte Organisationsstruktur umgesetzt. Zentrale Ziele der Personalpolitik von Amedis-UE sind der Aufbau starker Teams mit einer hohen Sozialkompetenz und die Investitionen in die interne und externe Weiterbildung. Amedis-UE zeichnet sich auch durch den Einsatz modernster Technologien in der Logistik aus, was v.a. durch die Partnerschaft mit der Phoenix AG 313 Vgl. Experteninterview Hofer, 2002. 156 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel intensiviert wird.314 Das Unternehmen verfügte schon im Jahr 2000 über das modernste Logistikzentrum in der Schweiz. Neben der Erfüllung der Anforderungen der Guten Distributionspraxis werden die Unternehmensabläufe im Rahmen eines Qualitätsmanagementsystems ständig optimiert. Profilierungsaktivitäten gegenüber den Herstellerkunden Profilierungsaktivitäten gegenüber den Fachhandelskunden Nationale Marktabdeckung Produktverfügbarkeit zu 98% gewährleistet Modernste Lagerhaltung Automatisierung 70% Logistische Dienstleistungen 3 Verteilzentren im Warenwirtschaftssystem Verkaufskonditionen: Nationale Abdeckung Marketingdienstleistungen Lieferungen 2 x Tag, 1 x Nacht in Zusammenarbeit mit Transmed Transport GmbH Einkaufskonditionen: Vier Konditionenmodelle gebunden an Volumen und Anzahl Lieferungen Abbildung 4.8: Zweiseitige Profilierung von Amedis-UE Pharmagrosshandel als Kostenführer Quelle: eigene Darstellung 4.3.2.2 Galexis AG Pharmagrosshandel Das Unternehmen Galenica entsteht im Jahr 1927 als Einkaufszentrale von 16 Apothekern. Den Namen Galenica bekommt es 1932. In den folgenden fünfzig Jahren wird die Tätigkeit erweitert – ein wissenschaftlicher Dokumentationsdienst (1938), Absatzförderung pharmazeutischer Artikel für Ärzte und Apotheken (1957) sowie kosmetischer Artikel (1972) werden betrieben. In der Periode 1977–1987 erfolgt die Übernahme von Pharmaproduzenten und das Unternehmen bekommt eine Holding-Struktur. 1996 wird eine umfassende Restrukturierung eingeleitet. Nach der strategischen Neuausrichtung ist Galenica in der ganzen Wertschöpfungskette tätig – „[...] von der Produktion über die Distribution bis hin zum Retailgeschäft“.315 2001 wird die neue Corporate Identity der Galenica-Gruppe eingeführt und die bis anhin bestehende Galenica Distribution wird in Galexis umbenannt. Die Galenica-Gruppe ist ein breit diversifiziertes Unternehmen (siehe Abbildung 4.9). 314 Siehe im Abschnitt 4.3.3.1 dieses Kapitels das Fallbeispiel „Phoenix“. 315 Vgl. Geschäftsbericht 1999. 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel 157 Abbildung 4.9: Struktur der Galenica-Gruppe Quelle: www.galenica.ch, 2005 Galexis AG Grosshandel präsentiert das Geschäftsfeld „Logistik“ der Direktion „Santé“ zusammen mit dem Prewholesale-Unternehmen Alloga.316 Die Direktion „Santé“ schliesst ausserdem die Geschäftsbereiche „Health Care Information“ und „Retail“ ein. Galenica bietet eine breite Palette von Dienstleistungen, welche dem Geschäftsfeld „Healthcare Information“ zugeordnet sind. Dazu zählen z.B. Basisinformationssysteme (e-mediat), Identifikations- und Sicherheitssysteme (ePrica), medizinischer Fachverlag (Documed), Software zur Integration von Prozessen in der Apotheke und in der Ärztepraxis (Triamun). Eine weitere führende Rolle im Schweizer Pharmamarkt hat GaleniCare Holding (Geschäftsbereich „Retail“), die ein Netzwerk aus Apotheken darstellt. Dazu zählen ca. 190 Apotheken, unter anderem die eigene Kette von Apotheken, Drogerien und Parfümerien, das Gemeinschaftsprojekt mit Coop „Vitality“ und Minderheitsbeteiligungen an Apotheken aus der Westschweiz. Der Geschäftsbereich „Pharma“ schliesst die bisherigen Geschäftsfelder Pharma Schweiz und Pharma International ein. Pharma Schweiz beschäftigt sich mit der Produktion von OTC, Verschreibungsspezialitäten, Phytopharmaka, Parapharmazie. Pharma International wird von Vifor International vertreten und ist weltweit führend in der Produktion von Eisenpräparaten. Positionierung im Geschäftsfeld „Grosshandel“ „Alles aus einer Hand“ und „Der Vital-Link im Schweizer Gesundheitswesen“ sind zwei der Slogans, welche die Unternehmensstrategie von Galexis zusammenfassen.317 Galexis AG sieht sich auch als schweizweiter Partner, indem 316 www.galenica.ch, 2005. 317 Vgl. www.galexis.ch, Zugriff: Dezember 2004. 158 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Partnerschaften mit Anbietern von Spezialleistungen eingegangen werden. Beispiele dafür sind CAP (Fachpartner bei Aus- und Weiterbildung), Mediscope (Online-Literatur-Dienst), Spiromed (Spezialist in Entsorgungsaufgaben), Tripol (umsetzungsorientierte Weiterbildung für Apotheken), Indesign (Praxisplanung, Auf- und Umbau), Medipa (Abrechnungskasse für Ärzte), Wiroma (Röntgenund Strahlenschutz), Drogerie-Marketingzentrale, ESD (Höhere Schule für Drogisten und Drogistinnen) etc. Das Unternehmen positioniert sich als Gesamtdienstleister für Hersteller- und Einzelhandelskunden mit qualitativ hochstehenden Services und einem Höchstmass an medizinischer Kompetenz.318 Die Profilierung gestaltet sich zweiseitig. Dabei erzielen einzelne Profilierungsaktivitäten unterschiedlichen Kundennutzen (bestes Preis-Leistungs-Verhältnis, inovative Dienstleistungen, gesamte Kundenlösung) und andere werden von keinem anderen Konkurrenten angeboten.319 a) Logistische Dienstleistungen für Hersteller und Einzelhändler – Marktabdeckung (bestes Preis-Leistungs-Verhältnis): Galexis bietet eine nationale Marktabdeckung durch die drei Distributionszentren in BernSchönbühl (Mittelland), Zürich-Schlieren (Region Zürich und Ostschweiz) und Lausanne-Ecublens (Westschweiz und Wallis). (prüfen ob aktuell) – Bestellabwicklung (innovative Dienstleistung): Galexis AG zeichnet sich durch das hohe Niveau der Qualitätslogistik aus. Die Warenabholung erfolgt durch 120 eigene Fahrzeuge und die Lagerräumlichkeiten werden ständig modernisiert und ausgebaut. Die Einführung neuer Technologien zur Prozessunterstützung hat sich zusätzlich positiv ausgewirkt. Heute wird in den meisten Zentren das Gewicht jeder Lieferung kontrolliert und der Wareneingang mit drahtlosen Scannern registriert. So gelingt es, die Fehlerquote markant zu senken (im Logistikzentrum bei Zürich auf unter 1 Promille). Die Bestellungen können via Internet über den ersten Online-Bestelldienst auf www.e-galexis.com sowie mit Internet-Pen, über Telefon und Fax erledigt werden. – Spezialdienstleistungen (innovative Dienstleistung): Die Logistikleistung der Galexis zeichnet sich aus durch ihre zahlreichen und innovativen Spezialdienstleistungen. Die Bestellungen werden elektronisch übermittelt, Lieferscheine heruntergeladen sowie Verfügbarkeit, Preise etc. abgerufen werden. Die XMLTechnologie, die bei www.e-galexis.ch im Einsatz ist, erlaubt die OnlineAbwicklung von Fakturen. Neben der üblichen Leerbidon- und Retourenent- 318 Vgl. Geschäftsbericht 2004. 319 Vgl. Checkliste Jenny, 2005. 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel 159 sorgung werden Programme in Zusammenarbeit mit Entsorgungsspezialisten entwickelt, welche das ökologische Verhalten der Kunden unterstützen. Die Fachhandelskunden können auf die Geschichte der persönlichen Einkaufslisten zugreifen und somit laufend die Einkäufe optimieren. Die offenen Bestellungen und Notas können online verfolgt werden. Die Lieferscheine zu einem automatischen Wareneingangsprozess werden elektronisch übermittelt. b) Marketingdienstleistungen – Abdeckung des Marktverhaltens (kein Konkurrent bietet sie an): Galexis hat umfassende Kenntnisse über den Gesundheitsmarkt. Diese werden durch die Marktnähe, den Einsatz neuer Technologien und Synergien mit den anderen Geschäftsfeldern, insbesondere mit dem Geschäftsbereich „Healthcare Information“. Die Plattform www.e-galexis.com dient als Anlaufstelle bei der Suche nach aktuellen Marktinformationen. – Vertriebskontakt und Vertriebskonditionen (innovative Dienstleistung): Die nationale Abdeckung bedeutet für die Hersteller einen attraktiven Vertriebspartner. Als erstes Unternehmen am Markt hat Galexis die individuellen kundenspezifischen Konditionen (KUKO) eingeführt. Die Einzelhandelskunden von Galexis vereinbaren dabei mit ihren Lieferanten Konditionen, welche dann vom Lieferanten im System von Galexis eingetragen werden. Diese individuellen Konditionen sind für die anderen Kunden nicht ersichtlich. Die Konditionen können einzeln oder kombiniert hinterlegt werden. Die Elemente des Konditionensystems sind der vereinbarte Einkaufspreis für den Einzelhandelskunden, der Bonus, die vereinbarte Reduktion der Logistikkosten. Die Konditionen können auch an Bestellmengen gebunden oder zeitlich begrenzt sein. Ende Monat erfolgt gegenüber dem Herstellerkunden eine detaillierte Abrechnung der gewährten Konditionen (Differenz Basispreis zu vereinbartem Einkaufspreis pro Kunde, Boni, Logistikkosten). Ein weiteres Element des Vertriebskontaktes sind die Plattformen Pharma-Hit, OTC-Hit und Para-Hit. Sie ermöglichen den Zusammenschluss mehrerer Lieferanten zwecks gemeinsamer Lancierung von Sonderangeboten. Umsatztreue Kunden werden mit Premiumpaketen belohnt. – Verkaufsförderungsprogramme (Kundenlösung): Galexis bietet Verkaufsförderungsinstrumente zur Unterstützung der Marketingaktivitäten der Industrie an. Zum Beispiel im Rahmen des Verkaufsförderungsprogramms GalExklusiv werden die Lieferanten via Flyer, Telefonmarketing und Internet bei Aktionen und Produkteinführungen aktiv unterstützt.320 „Einige Kunden aus der Pharma320 Vgl. Geschäftsbericht 2002. 160 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel industrie kombinieren heute ihre Marketingaktivitäten mit Instrumenten der Verkaufsförderung von Galexis und arbeiten bezüglich der Marktaktivitäten eng mit uns zusammen.“321 Galexis profiliert sich weiterhin durch die zahlreichen Werbemöglichkeiten für die Herstellerkunden in den Fachzeitschriften für Apotheken, Ärzte und Drogerien und in den Themenbulletins und Katalogen, in Minikarten, Fahrzeugwerbung und Online-Werbung auf der B2B-Plattform www.e-galexis.com. Weitere Möglichkeiten für die Herstellerkunden, mehr über den Einzelhandel und die Ärzte im Speziellen zu erfahren und die eigenen Produkte entsprechend zu platzieren, bietet der Praxiseröffnungsservice: Informationen über Teilnehmer der Galexis-Praxis-Eröffnungsseminare; Informationen über zukünftige Praxiseröffnungen (nach Erstgespräch); Empfehlung von Präparaten bei der PraxisApotheken-Beratung; Positionierung der Präparate beim Einrichten der Praxisapotheke, Mailing-Service (an Apotheken, Arztpraxen, Drogerien). Im Rahmen der Messe „vitawell“ werden Anlässe für die zuliefernde Industrie organisiert. Galexis AG übernimmt auch Exklusivvertretungen bei Medizintechnik. – Sortimentsbildung und Produktion (Kundenlösung): Das Sortiment von Galexis wird ständig an die Kundenbedürfnisse angepasst. Für die Apotheken und Drogerien sind 65’000 Artikel im System erfasst, davon 42’000 Artikel jederzeit auf Lager verfügbar. Die Artikel sind nach Kategorien organisiert und je nach Kundengruppe in einem Grund- und ergänzenden Sortiment eingeteilt. Für Apotheken z.B. schliesst das Basissortiment die Kategorien Medikamente, Chemikalien, Gesundheit & Wellness ein, das ergänzende Sortiment chemischtechnische Produkte, Praxis- und Laborbedarf, Medizintechnik und Servicesortiment. Spezialsortimente werden den Ärzten und Spitälern angeboten. Die Synergien mit dem Geschäftsbereich „Pharma“ ermöglichen den Bezug der hochqualitativen Eigenmarke Vifor zu Vorzugsbedingungen. – Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen (innovative Dienstleistung): Die kundenspezifischen Konditionen (Kuko) werden durch das innovative Fakturierungssystem Nova (Modell „Fee for service“) vervollständigt. Nova basiert auf drei Elementen: Warenwert zum Basispreis (Einflussfaktoren des Warenwertes: Einkaufspreis, Sortiment, Lagerumschlag etc., abzüglich Sonder-, Galexclusiv-, Permanent- und KUKO-Konditionen), Logistikdienstleistungen und gewünschte Dienstleistungen wie Management Support, Fachinformationen, 321 Vgl. Geschäftsbericht 2003. 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel 161 Bestellsysteme etc.322 Der Vorteil von Nova besteht in der Möglichkeit, die Grosshandelsleistungen nicht pauschal, sondern individuell und modular zusammenzustellen und nur die tatsächlich bezogenen Leistungen zu bezahlen. So werden erhebliche Einsparungspotenziale erzielt. Nova ist das einzige Fakturierungssystem am Markt, das Führungskennzahlen wie Absatz- und Lieferstatistiken sowie kantonale und schweizweite Benchmarkvergleiche ermöglicht. Die Kundenbindung wird durch die Mitgliedschaft am MyNovaClub gestärkt. Dies ist eine Kommunikationsplattforn exklusiv für die Galexis-Kunden. Sie können von den Angeboten namhafter Partner (z.B. Tourismus- und Finanzdienstleistungen, Kraftstofflieferanten etc.) profitieren und an exklusiven Anlässen teilnehmen. – Werbeunterstützung (innovative Dienstleistung): Umfassende Werbeunterstützung durch zahlreiche Fachzeitschriften. – Marketingmanagementberatung (innovative Dienstleistung und Kundenlösung): Informationsunterstützung beim Marketingmanagement bekommen die Einzelhandelskunden durch die zahlreichen Sortiments- und Artikelinformationen, die in den Galexis-eigenen Kommunikationsmedien (Fachzeitschrift pharm), aber auch in den Angeboten des Partners E-Mediat (wissenschaftlicher Auskunftsdienst, Fachauskunftsdienst etc.) und des Partners Mediscope (OnlineLiteratur-Dienst und Zugang über www-e-galexis.ch) enthalten sind. Durch SAV akkreditierte Weiterbildungsseminare für Apothekerinnen, Apotheker, Ärztinnen, Ärzte und Praxisassistentinnen in der ganzen Schweiz; Logistik-, Team- und Führungskurse. Die Ausbildung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Berufsverbänden wie dem Schweizerischen Apothekerverband SAV, der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH, der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Medizin SGAM und der höheren Fachschule für Drogisten und Drogistinnen ESD. Besonders erfolgreich gestalten sich die in enger Zusammenarbeit mit Lieferanten angebotenen Pharm-Update-Kurse mit jeweils 200 bis 300 Teilnehmenden. Die Praxiseröffnungs-Workshops werden zusammen mit der Pharmaindustrie und Softwareherstellern organisiert. Die Fachandelskunden werden bei Apotheken-, Praxen- und Drogerieneröffnung persönlich beraten und unterstützt. 322 Vgl. www.galexis.ch, Zugriff: Dezember 2004. 162 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel c) Finanzdienstleistungen für die Fachhandelskunden (kein Konkurrent bietet sie an): Die Galexis-eigene Treuhandabteilung betreut 90 Apotheken und bietet zahlreiche Finanzdienstleistungen bei der Praxisübernahme; Praxisfinanzierung, Apothekenübernahme; Apothekenfinanzierung. Betriebswirtschaftliche Beratung im Bereich des Controllings und der Buchhaltung rundet das Angebot ab. Abbildung 4.10. veranschaulicht die zweiseitige Profilierung der Galexis als Produktführer. Neben den innovativen Diensteistungen werden in den Bereichen mit Produkt- und Marketingkompetenz Dienstleistungen angeboten, welche bei keinem der Konkurrenten zu treffen sind. Galexis AG kann als Produktführer bezeichnet werden. Das Unternehmen hat auch eine Reihe profilgebender Kundenlösungen entwickelt. Einerseits können sie den Profil schwächen und zur Situation „stuck in the middle“ führen. Andererseits können sie unterstützt durch gezielte Investitionen als Schritt in einer Transformation in Richtung Problemlöser betrachtet werden. Operatives Modell Zentrale Erfolgsfaktoren für die Galexis AG sind die Zugehörigkeit zur erfolgreichen Galenica-Gruppe, die leistungsstarken Abläufe, der Einsatz neuester Technologie zum Angebot hochqualitativer und innovativer Dienstleistungen sowie die Mitarbeiterteams. In der Galexis werden die Werte der GalenicaGruppe gelebt: Vertrauen, Ehrlichkeit, gegenseitiger Respekt, gesellschaftliche Verantwortung und hohe Qualitätsansprüche. Diese werden durch eine prozessorientierte Organisationsstruktur umgesetzt, unterstützt durch modernste EDVInfrastruktur dank ständiger Investitionen.323 Die Prozessorganisation von Galexis ist nach den Anforderungen der Guten Distributionspraxis zertifiziert. 323 Galenix AG gehört zu den Pharmagrosshändlern, welche die neuen Technologien als „eine wichtige Investition in die Zukunft“ betrachten, um innovative Funktionen anzubieten und zukünftige Marktentwicklungen zu antizipieren (vgl. Stocks-Interview mit E. Jornod, 2002). 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel Profilierungsaktivitäten gegenüber den Herstellerkunden 163 Profilierungsaktivitäten gegenüber den Fachhandelskunden Nationale Marktabdeckung Produktverfügbarkeit Verteilzentren online im Verbund Logistische Dienstleistungen Verteilzentren online im Verbund Umweltfreundliche Entsorgung, OnlinePlattform e-galexis.com Umweltfreundliche Entsorgung, OnlinePlattform e-galexis.com Umfassende Marktabdeckung aufgr. Synergien mit „Healthcare Information“ 42’000 Artikel auf Lager 65’000 Art. abrufbar Kundenspez. Sortimente KUKO, PharmaHit Verkaufsförderungsprogramm Galexclusiv Starke Eigenmarke Vifor Marketingdienstleistungen KUKO+NOVA MyNOVACLUB Werbeunterstützung in Fachzeitschriften Produktinformationen Legende: Weiterbildung Praxiseröffnungen Bestes Preis-Leistungs-Verhältnis Innovative Dienstleistung Treuhanddienstleistungen Kundenlösung Kein Konkurrent bietet die Dienstleistung an Finanzdienstleistungen BWL-Beratung Controlling, Buchhaltung Abbildung 4.10: Zweiseitige Profilierung von Galexis AG Pharmagrosshandel als Produktführer Quelle: eigene Darstellung 4.3.2.3 Zur Rose AG Die Zur Rose AG ist der Kern der „Zur Rose“-Gruppe (siehe Abbildung 4.11). Das Unternehmen ist in zwei Geschäftsfeldern tätig. Der Bereich Business-toBusiness schliesst die Belieferung der Arztpraxen und Praxisapotheken mit Medikamenten und Praxisbedarf ein. Der Bereich Business-to-Consumer schliesst den Medikamentenversand direkt an Patienten und den Betrieb einer Publikumsapotheke ein. Der Medikamentenversand, in dem die Apotheke „Zur Rose“ in der Schweiz eine führende Rolle innehat, wird seit 2004 auch in 164 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Deutschland aufgebaut.324 Als dritter Standbein der Zur Rose Gruppe wird nach der vollständigen Übernahme der Generikaproduzent Helvepharm augebaut.325 Abbildung 4.11: Struktur der „Zur Rose“-Gruppe Quelle: www.zur-rose.ch, Zugriff: Juli 2006 Das Unternehmen richtet sich an eine klar definierte Zielgruppe: die selbstdispensierenden Ärzte. Rund 3’000 praktizierende Ärztinnen und Ärzte zählen heute zu den Kunden. Zentraler Erfolgsfaktor für das Unternehmen ist die Beteiligungspolitik, gemäss der jeder Arzt Aktien des Unternehmens erwerben und somit sich am Erfolg beteiligen kann. Dadurch wird eine sehr hohe Kundenbindung erreicht. Die Aktionärschaft zählt 1’700 Ärzte. Die Zur Rose positioniert sich als unabhängiger Ärztegrossist mit einer klaren Fokussierung auf den Arzt und ein maximales Dienstleistungsniveau. Die Positionierung lässt sich kurz fassen: „Alles für den Arzt aus einer Hand“. Hohe Qualität, Arztnähe, Flexibilität und innovative Problemlösungen sind die leitenden Werte der Zur Rose. Um ihren Kunden eine grosse Vielfalt von Dienstleistungen anbieten zu können, geht das Unternehmen strategische Kooperationen ein. Die Tochtergesellschaft Neue Klosterapotheke in Muri hat eine Allianz mit der Firma Omniprax geschlossen, einem Medizintechnik- und Praxisbedarfsspezialisten. Strategische Beteiligungen hat die Zur Rose am Immobilienspezialisten ImmoRose AG, am Logistikunternehmen PolyRose AG (betreibt die Auslieferungslogistik), an der Blue Care AG (Spezialist in der Management- und Technologieberatung, Aufbau von Managed-Care-Prozessen für Verbände und Ärztepraxen326). Weitere Partnerschaften erlauben das Angebot von Admini324 Seit 2005 beliefert Zur Rose von Halle aus den deutschen Markt (vgl. Strohm D., NZZ am Sontag, 5. Juni 2005). 325 Vgl. Medienmitteilung der Zur Rose-Gruppe, 18.7.06, www.zur-rose.ch. Keine Änderung im Organigramm (Abbildung 4.11 ), da das Geschäftsfeld im Aufbau ist. 326 Vgl. www.bluecare.ch, Zugriff: 09.12.2004. 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel 165 stration und Organisationsunterstützung, wie Verrechnungen, Zahlungsservice, Kreditunterlagen (Partnerschaft mit der Ärztekasse327), von Medizintechnik und Praxiseinrichtungen sowie alles für den Praxis- und Laborbedarf (Partnerschaft mit Polymed Medical Center328) und moderne Entsorgungskonzepte (Partnerschaft mit Rethmann Suisse329 und Zusammenarbeit mit Spiromed AG330). Positionierung im Geschäftsfeld „Ärztegrossist (B2B)“ Die Apotheke „Zur Rose“ positioniert sich als Spezialgrossist, der sich auf die Bedürfnisse der Ärzte fokussiert. Als logistische Grundleistung betrachtet die Apotheke „Zur Rose“ das Grosseinkaufen und das Verkaufen in kleineren Mengen. Das Unternehmen sieht sich aber viel mehr als der rückwärtige Dienst für den Arzt als der vorwärtige Dienst für den Lieferanten.331 Durch die Erbringung zahlreicher Dienstleistungen für den Arzt arbeitet das Unternehmen auch indirekt zugusten der Hersteller. Die Profilierung ist zweistufig. a) Logistische Dienstleistungen – Spezialdienstleistungen (innovative Dienstleistung, Kundenlösung und keiner Konkurrent bietet sie an): In Zusammenarbeit mit Spezialisten wie Rethmann Suisse und Spiromed AG ist es möglich, hochqualitative Spezialdienstleistungen zur Erleichterung sowohl des Arztes als auch indirekt des Herstellers anzubieten. Grosszügige Retourenregelung, die Entsorgung von Röntgenapparaten und medizinischem Abfall sowie das Angebot von Bestellhilfsmitteln wie Rosenpen, Bestellsoftware, Strichcodekatalog, Minikärtchen etc. sind Spezialdienstleistungen, welche die „Zur Rose“ für die Arztpraxis anbietet und nach Bedarf flexibel gestaltet. Für Modem- und Online-Bestellung mit oder ohne Strichcodeerfassung steht die Bestellsoftware RosenStudio und ihre OnlineVersion eStudio zur Verfügung. Um höchste Sicherheitsstandards in der OnlineKommunikation zu sichern, arbeitet „Zur Rose“ mit dem Health-Info-Net (HIN) zusammen, der Internet-Organisation für Ärztinnen und Ärzte. Wenn der Arzt ein HIN-Mitglied ist, kann er die für eine sichere Online-Kommunikation nötige Sicherheitssoftware ASAS nutzen. Die Möglichkeiten der Online-Bestellungen werden auch für das Verschicken von Rezepten an die Versandapotheke 327 Vgl. www.aerztekasse.ch, Zugriff: 09.12.2004. 328 Vgl. www.polymed.ch, Zugriff: 09.12.2004. 329 Vgl. www.rethmann.ch, Zugriff: 09.12.2004. 330 Vgl. www.spiromed.ch, Zugriff: 15.12.2004. 331 Vgl. Experteninterview Eberle, 2003. 166 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel eingesetzt. Diese beliefert die Patienten direkt nach Hause mit rund 13’000 Artikeln. – Beratung Lagermanagement (Kundenlösung): die Arztpraxis wird auch durch die Inventur der Lagerbestände und die Verfalldatenkontrolle sowie diverse Auswertungen und Einkaufsstatistiken unterstützt. b) Marketingdienstleistungen – Sortimentsbildung und Produktion (Kundenlösung): „Zur Rose“ bietet ein Sortiment von 6’000 Artikeln für den Arzt- und Praxisbedarf auf Lager an, das 98% der Kundenwünsche deckt; die restlichen 2% sind auch kurzfristig verfügbar. Das Sortiment schliesst auch eine Vielfalt an Generikaprodukte dank dem Kauf der Helvepharm ein. Die Neue Kloster Apotheke bietet auch weitere 3’500 Artikel an und Omniprax mehr als 10’000 Artikel des Praxis- und Laborbedarfs. – Sortimentsaufbereitung (Kundenlösung): Dem Konsumentenbedarf nach Alternativen zu den traditionellen Medikamenten begegnet die Apotheke „Zur Rose“ mit der Entwicklung einer eigenen Vitalstoff-Therapie in Zusammenarbeit mit Hepart AG. Die Vitalstoffe können bei der Zur Rose AG bestellt werden, ihre Beimischung und Verpackung erfolgt in der Offizinapotheke in Steckborn TG. – Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen (Kundenlösung): Die Ärzte schätzen die Unabhängigkeit und die Kundennähe der Zur Rose AG und sie ist ein bevorzugter Beschaffungspartner. Nicht nur werden die für die Praxisbeschaffung notwendigen Kontakte minimiert, sondern es wird auch mit umfassenden, aber transparenten Konditionen gearbeitet. Der Arztpreis setzt sich aus dem „Rose“-Basispreis und dem Dienstleistungs- und Logistikzuschlag (DLK) zusammen. Faktoren wie der Jahresumsatz, der Umsatz pro Lieferung und die Nutzung von Online-Bestellungen beeinflussen auch die Konditionen. Zu den Dienstleistungen, die mit dem DLK abgegolten werden, gehören Bestellhilfsmittel, Sortiments- und Preisinformationen (Preis- und Produkte-Updates, Sortimentsberatung, Rosenkompendium, Roseninfo), die Retourenregelung und die Entsorgung sowie die Inventur der Praxisapotheke. Spezielle Konditionen werden auch beim Kauf von Büromaterial und der entsprechenden Lieferung wirksam. Die Aktionäre der „Zur Rose“-Gruppe erhalten auch die exklusive Mitgliedschaft im „Lounge“-Club, der durch zahlreiche Spezialangebote die Kundenbindung erhöhen soll. – Marketingmanagementberatung (innovative Dienstleistungen): Die Apotheke „Zur Rose“ profiliert sich durch vielfältige Beratungsdienstleistungen. Eine Gruppe von Dienstleistungen umfasst die Errichtung einer neuen und die 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel 167 Revision einer bestehenden Arztpraxis: Montage, Installationen, Einrichtung (Einbausystem und Raumplanung), Lagerräumlichkeiten, Qualitätskontrollsystem. Eine zweite Gruppe schliesst das breite Fortbildungsangebot für Ärzte und Praxismitarbeiter ein. Dazu zählen z.B. zweitägige Seminare in Kleingruppen zu fachspezifischen, aber auch allgemein gesundheitsrelevanten Themen. Die dritte Gruppe betrifft das Begleitmaterial, die Software und Patientenbroschüre, was notwendig beim Angebot der Vitalstofftherapie ist. Viertens wird durch die „Zur Rose“ ein Medikamentenkompendium (RosaeCompendium Medicamentorium) entwickelt und umgesetzt, das Auswertungen von Medikamenten durch eine unabhängige Ärztegruppe enthält. c) Finanzdienstleistungen – Finanzdienstleistungen (keiner Konkurrent bietet sie an): Sie sind mit dem innovativen Konzept der Ärztebeteiligung verbunden. Mit der Zeichnung von Aktien beteiligen sich die Ärzte am Unternehmensgewinn und sichern sich ein Mitspracherecht. So gehört die Aktiengesellschaft „Zur Rose“ ihren Kunden. Damit ein genossenschaftlicher Charakter und somit Unabhängigkeit und Kundennähe erreicht werden, wird pro Aktionärin oder Aktionär nur ein kleines Aktienpaket ausgegeben. Die Profilierungsaktivitäten der Apotheke „Zur Rose“ zeichnen das Bild eines Problemlösers. Dieses Profil wird zusätzlich durch innovative Kundenlösungen und Aktivitäten zur Kundenbindung in der Früherkennungszone gestärkt. Der Aufbau eines neuen Geschäftsfeldes für Generikaproduktion um Helvepharm wird es ermöglichen, die produktbasierte Marketingkompetenz zu stärken und somit einen Übergang zum Geschäftsmodell „Produktführer“ vorbereiten. Abbildung 4.12 veranschaulicht die Profilierung der Apotheke „Zur Rose“ als innovativer Problemlöser. Operatives Modell Die offene und geradelinige Politik drückt sich im Managementsystem und in der Personalpolitik aus. Flache Hierarchien, klare Aufgabenteilung und offene Kommunikation tragen zur Flexibilität des Unternehmens, aber auch zu einer hohen Mitarbeiterzufriedenheit bei. Alle Mitarbeiter partizipieren am Erfolg des Unternehmens. Das Unternehmen hat als Erstes in der Branche 2001 die Anforderungen der Guten Distributionspraxis erfüllt. Seit 2002 sind diese Anforderungen auch Teil des Heilmittelgesetzes und für alle Pharmagrosshändler verbindlich. 168 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Profilierungsaktivitäten gegenüber den Fachhandelskunden Logistische Dienstleistungen Spezialdienstleistungen: Retouren, Entsorgung, Reklamationen Versandhandel Sortimentsbildung und Produktion Marketingdienstleistungen Legende: Bestes Preis-Leistungs-Verhältnis Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen Einrichtung Ärztepraxis Weiterbildung für Ärzte Medikamentenkompendium Innovative Dienstleistung Kundenlösung Kein Konkurrent bietet die Dienstleistung an Sortimentsaufbereitung Finanzdienstleistungen Ärzte werden Aktionäre Abbildung 4.12: Zeistufige Profilierung der Apotheke „Zur Rose“ als Problemlöser mit Fokus Arzt Quelle: eigene Darstellung 4.3.3 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen führender Pharmagrosshändler in Europa 4.3.3.1 Phoenix Pharmahandel AG und Co. KG Phoenix Pharmahandel Aktiengesellschaft und Co. KG in Mannheim ist der grösste Pharmagrosshändler in Deutschland und der zweitgrösste in Europa. Der Grosshandel ist das Kerngeschäft des Unternehmens. Eine europaweite Positionierung als marktorientierter Kostenführer hilft dabei, kosteneffizient zu arbeiten und Best-Practices-Lösungen zu internationalisieren (siehe Abbildung 4.13). Neben einer effizienten landesweiten Versorgung der Patienten wird das Profil des Unternehmens durch Zusatzdienstleistungen unterstützt. Beispiele sind länderspezifische logistische Systempartnerschaften, Marketingkonzepte, Organisationsberatung und Fortbildungsangebote. Phoenix richtet seine Aktivitäten gleichermassen an die Herstellerkunden und Apotheken, sodass eine zweiseitige Profilierung332 vorliegt. 332 Informationen aus der Internetseite www.phoenix-ag.de und den Geschäftsberichten 2003–2004 und 2004–2005. 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel 169 Bei der Profilierung wird das Grundprinzip „Null Fehler mit hoher Flexibilität und geringen Kosten“ verfolgt. Zu diesem Zweck hat Phoenix ein ausgeklügeltes Warenlager- und Logistiksystem aufgebaut. Eine effiziente Gestaltung der logistischen Prozesse führt zu einer laufenden Senkung der Transportkosten und der Kommissionierungsstellen. Durch 19 Vertriebszentren deutschlandweit wird eine optimale Marktabdeckung erreicht. Die Niederlassungen befinden sich in der Nähe der Apotheken, sodass eine Medikamentenversorgung zu niedrigsten Kosten erfolgen kann. Um weitere Kostenpotenziale zu erzielen, werden zahlreiche Projekte zur Effizienzsteigerung umgesetzt, wie z.B. kostengünstigere Sortimentsbewirtschaftung und Zusammenführung der regionalen Einkaufsbereiche zu einem Zentraleinkauf. Die Rationalisierungsprogramme werden durch den Einsatz neuer Technologien unterstützt. Dabei setzt Phoenix auf etablierte Eigenentwicklungen und renommierte externe Lösungen. Die IT-Lösungen werden national zentralisiert und in mehreren Regionen als Standard etabliert. Zum Beispiel eignet sich das Warenwirtschaftssystem Pharmos für Märkte mit einem sehr hohen Zeilenaufkommen. Für die restlichen Märkte wird das zum Branchenstandard gewordene System Enterprise 1 von Oracle eingesetzt. Der Gesamtaufwand wird so gesenkt, Skaleneffekte entstehen und das Unternehmen kann seine IT-Kosten kontinuierlich unter dem Branchendurchschnitt von 0.4% des Nettoumsatzes halten. Durch eine integrierte und zentralisierte Wiederbevorratung der Apotheken werden die Sortimentssteuerung, die Koordination der Marketingaktivitäten, der Wareneinkauf und somit die Produktverfügbarkeit in den Apotheken qualitativ verbessert. Der Einkaufs- und der Vertriebskontakt werden ständig optimiert. Virtuelle Kunden-Service-Zentren wurden aufgebaut. Der Apotheker ruft wie gewohnt seinen Kundenservice bei Phoenix an. Dank der Vernetzung der Kommunikationssysteme kann sich der Mitarbeiter dabei an einem beliebigen PhoenixStandort befinden. Auf diese Weise wird eine deutliche Verbesserung der Erreichbarkeit erzielt, die zu einer höheren Kundenzufriedenheit geführt hat. Kundenbeziehungen werden im vertrieblichen Informationssystem VIS dokumentiert. Diese Anwendung ist ein zentrales Werkzeug der Marktanalyse für den Vertrieb, das die schnelle Reaktion auf Marktveränderungen ermöglicht. Das Marketingkonzept für Apotheken „Midas“ ist am Markt gut etabliert. Seit der Einführung sind mehr als 2’700 Apotheken Mitglied geworden. Das Konzept stellt ein Paket von Servicedienstleistungen dar, welche sich an die unabhängige Apotheke richten. Dazu zählen Verkaufsförderung, Spezialangebote, ApothekenHomepage und Online-Shop, Category Management und Aus- und Weiter- 170 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel bildung für das Apothekenteam. Diese Dienstleistungen aber bieten kein Profilierungspotenzial, weil sie von allen anderen Grosshändlern am deutschen Markt angeboten werden. Profilierungsaktivitäten gegenüber den Herstellerkunden Marktabdeckung – geografische, Volumen, Vielfalt Lagerhaltung Profilierungsaktivitäten gegenüber den Fachhandelskunden Produktverfügbarkeit Logistische Dienstleistungen Bestellabwicklung Vertriebskontakt und Vertriebskonditionen Marketingdienstleistungen Feinverteilung, Bestellabwicklung und Lagerhaltung Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen Abbildung 4.13: Zweiseitige Profilierung von Phoenix Pharmahandel als Kostenführer Quelle: eigene Darstellung 4.3.3.2 GEHE Pharmahandel GmbH GEHE ist die Nummer 2 im deutschen Pharmagrosshandel. GEHE positioniert sich als Volldienstleister mit führenden Qualitätsstandards in der Logistik und im Bereich des innovativen Apothekenmarketings und -managements. Das Unternehmen sieht sich als Motor eines innovativen Supply-Chain-Modells und verfolgt die Nutzenstrategie eines Produktführers (siehe Abbildung 4.14). Im Zentrum der Profilierung von GEHE steht „Commitment“, das innovative Supply-Chain-Modell begleitet durch Marketingdienstleistungen.333 Das Modell zielt auf die enge Zusammenarbeit zwischen der Markenindustrie, dem Grosshandel und der inhabergeführten Apotheke („3-Punkte-Programm“). Mit dem Supply-Chain-Prozess werden vier Ziele verfolgt: Umsetzung markengerechter Preise und Spannen, Erhöhung der Marktanteile für gemeinsame Sortimente, Kundenbindung über den Markenartikel-Mehrwert, gemeinsame Entwicklung einer starken Qualitätsmarke für den Endverbraucher. Im Rahmen des Programms werden die logistische Dienstleistung, die Marketingdienst- 333 Vgl. Mähr, 2003, S. 1 in der Unternehmenszeitung EinBlick 2/2003. 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel 171 leistungen und die Finanzdienstleistungen gegenüber den Hersteller- und den Apothekenkunden profiliert. So gestaltet sich die Profilierung zweiseitig.334 Die logistischen Aktivitäten bei GEHE werden deutschlandweit von 19 Niederlassungen ausgeführt, welche in einem Verbundsystem organisiert sind. So werden gleichzeitig eine nationale Marktabdeckung zugunsten der Pharmaindustrie und eine hohe Lieferfähigkeit mit 24-Stunden-Liefergarantie zugunsten der Apotheken sichergestellt. Zu den logistischen Spezialdienstleistungen mit Profilierungspotenzial gehört das Konzept HausGebracht mit RezeptPlus.335 Es ermöglicht die elektronische Lösung von Rezepten, die Bestellung der benötigten Medikamente und die Lieferung direkt an Endkonsumenten. Zum Branchenstandard gehört der Online-Zugriff auf das gesamte Warensortiment und die Online-Bestellung über das Portal GEHE Point.336 Ein elektronisches Rechnungsarchiv steht auch zur Verfügung. Wie bei allen anderen Anbietern am deutschen Markt wird den Apotheken eine Lösung angeboten, einen eigenen Online-Shop mit elektronischer Bestellung und allen Zahlungsarten. Der Profilierungsschwerpunkt im Bereich der Marketingdienstleistungen liegt eindeutig auf der Absatzseite gegenüber den Apotheken. Eine Profilierung gegenüber der Pharmaindustrie findet implizit im Rahmen des Supply-ChainModells statt. Die enge Zusammenarbeit mit den Markenherstellern ermöglicht das Angebot von innovativen Lösungen in der Sortimentsbildung. So wird ein modernes Category Management umgesetzt, bei dem Markenproduktsortimente gemeinsam entwickelt und lanciert werden.337 GEHE Balance heisst die Eigenmarkenlinie, die einen hohen Qualitätsanspruch im Bereich der Vitamine, Mineralstoffe und Heilkräutertees hat.338 Unter dem Namen Galeria bekommt die Apotheke bei der Sicht- und Freiwahlmanagement Unterstützung. Dabei liegt das Ziel darin, das Sortiment betriebswirtschaftlich und marketingorientiert an die Nachfrage anzupassen, Produktprioritäten festzulegen, Regalflächen optimal zu nutzen und die Anzahl der Impulskäufe zu steigern. Attraktive Werbemöglichkeiten werden dabei der Pharmaindustrie angeboten. 334 Sämtliche Informationen stammen aus der Internetseite www.gehe.de und den Geschäftsberichten der CELESIOGruppe, 2003–2004. 335 Vgl. Pressemitteilung 2/04 vom 18.02.2004, www.gehe.de. 336 Vgl. Presseinformation 5/03 vom 26.02.2003 www.gehe.de. 337 Vgl. Engleder, 2004, S. 1 in der Unternehmenszeitung EinBlick Nr. 2/2004. 338 Vgl. Kahleys, 2004, S. 4 in der Unternehmenszeitung EinBlick Nr. 1/2004. 172 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel GEHE AG bewirtschaftet das führende Apothekenportal für Endkonsumenten in Deutschland – Apotheke.com. Daran sind rund 6’000 Apotheken angeschlossen. Neben Gesundheitsinformationen werden ein breites Sortiment und ein Bestellservice angeboten. Eine weitere Marktführerposition hat das Unternehmen im Bereich der Weiterbildung für Apotheker. Nicht nur die Anzahl der Themen, Veranstaltungen und Teilnehmer (entsprechend 100, 700 und 14’000), sondern auch die eingesetzten innovativen Lernmethoden, wie E-Learning, E-LiveLearning, E-Meeting sind Beweise dafür. Wachsende Popularität und damit Profilierungspotenziale weist die themenorientierte Lancierung von Produkten und Dienstleistungen auf. Beispiele sind die Konzepte „Richtig essen“ und „QuadroCheck“339 (vier Gesundheitschecks in einem Paket). Zum Branchenstandard werden eine individuelle Verkaufsförderung und Warenpräsentation am Point of Sale (Programm XXL), Beratung für Marketingplanungen, Umbau/Neubau, Werbung und Kommunikation (Programm GEHE Apothekerberatung) und Förderung des Apothekennachwuchses in Zusammenarbeit mit Universitäten und Forschungsinstituten (Programm WIS). Profilierungsaktivitäten gegenüber den Herstellerkunden Profilierungsaktivitäten gegenüber den Fachhandelskunden Produktverfügbarkeit Nationale Marktabdeckung Verbundsystem und 3-Punkte-Programm Logistische Dienstleistungen Verbundsystem und 24-StundenLiefergarantie HausGebracht mit Rezept Plus 3-Punkte-Programm Marketingdienstleistungen Galeria Category Management GEHE Balance GEHE-Apothekenberatung Apotheke.com Homepage-Service GEHE-Akademie WIS Abbildung 4.14: Zweiseitige Profilierung der GEHE AG als Produktführer Quelle: 339 eigene Darstellung Vgl. Presseinformation 4/04 vom 03.03.2004 www.gehe.de. 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel 173 4.3.3.3 Alliance UniChem Grossbritannien Alliance UniChem konzentriert sich auf die Entwicklung und Internationalisierung von zwei Geschäftsfeldern: Pharmagrosshandel und Fachhandel340 durch eigene Apothekenketten. Die Positionierung des Geschäftsfelds „Pharmagrosshandel“ schliesst das Angebot effizienter logistischer Dienstleistungen und innovativer Marketingdienstleistungen ein. Die Zielgruppen schliessen die Herstellerkunden sowie unabhängige Apotheken und Drogerien und die eigene Apothekenkette ein. Alliance UniChem positioniert sich als ein Produktführers und profiliert sich zweiseitig (siehe Abbildung 4.15).341 Durch die 212 Lagerhäuser in 12 europäischen Ländern wird eine optimale Marktabdeckung sowohl lokal als auch grenzüberschreitend erreicht. Die laufende Optimierung der Prozesse vom Wareneingang bis zum Warenausgang führt unter dem Einsatz neuester Technologie zur höchstmöglichen logistischen Effizienz (Projekt „Warehouse Best Practice“). Aus Sicht der Pharmaindustrie bietet Alliance UniChem eine optimale Abdeckung des Kaufverhaltens der Apotheken u.a. auch durch das Management der eigenen Apothekenketten an. Der Profilierungsschwerpunkt gegenüber der Pharmaindustrie ist das Konzept „Pressuma“. Es kombiniert Lösungen für die Verkaufsförderung, die Informationsbeschaffung und das Beziehungsmanagement. Es basiert auf der Zusammenarbeit zwischen dem Aussendienst und dem Innendienst, um bestmögliche Informationen und Dienstleistungen im Bereich Verkauf, Werbung, Sonderaktionen, Produktinformationen und Beratung bei der Durchführung von Studien und gezielte Bearbeitung einzelner Konsumentensegmente zu erreichen. „Pressuma“ ermöglicht auch die Profilierung gegenüber den Apotheken. Dank der engen Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie werden innovative Sortimente lanciert. So ist auch Almus entstanden, die führende Generikamarke auf dem britischen Markt. Unter dieser starken Eigenmarke wird das Generikasortiment von Alliance UniChem angeboten. Den Apotheken steht auch das innovative Konzept „Your Portfolio“ zur Verfügung, das aus Dienstleistungen in drei Bereichen besteht: einer breiten 340 Im Oktober 2005 verkündeten Alliance UniChem und Boots ihre Fusion im Drogerie-Bereich. Der neue Pharmaund Drogerie-Konzern mit mehr als 3000 Drogerien und einem Jahresumsatz von mehr als 13 Mrd. Pfund wird zum führenden Medikamentenfachhändler in Europa. Die Fusion stärkt die Marktposition des Geschäftsfeldes Grosshandel durch Skaleneffekte in der Logistik und neue starke Eigenmarken wie Boots, No 7, Soltan (vgl. Wirtschaftswoche, www.wiwo.de, 03.10.2005, Präsentation und Pressemitteilung www.allianceunichem.com, 03.10.2005). 341 Die Informationen stammen aus der Internetseite www.allianceunichem.co.uk, 2004–2005, und aus den Geschäftsberichten 2002–2004. 174 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Palette von patientenorientierten Gesundheitsdienstleistungen, Verkaufsförderung und Werbemassnahmen zum Ausbau des Apotheken-Image sowie Managementberatung zu allgemeinen Organisations-, Projekt-, Personal- sowie Finanzfragen. Profilierungsaktivitäten gegenüber den Herstellerkunden Europaweite Marktabdeckung Profilierungsaktivitäten gegenüber den Fachhandelskunden Produktverfügbarkeit Effizienteste Lagerhäuser Umfassende Kenntnisse aufgr. Synergien mit anderen Geschäftsfeldern Logistische Dienstleistungen Marketingdienstleistungen Konzept „Pressuma“ Feinverteilung, Bestellabwicklung und Lagerhaltung Partnerschaft mit der Industrie zur Lancierung innovativer Sortimente; führende Eigenmarke Almus für Generika Konzept „Pressuma“ Konzept „Your Portfolio“ Finanzdienstleistungen Konzept „Your Portfolio“ Abbildung 4.15: Zweiseitige Profilierung von Alliance UniChem als Produktführer Quelle: eigene Darstellung 4.3.3.4 Anzag AG Die Anzag AG ist der drittgrösste Pharmagrosshändler in Deutschland. Im Mittelpunkt der allgemeinen Positionierung stehen der Erfolg und die Sicherung der selbständigen Apotheken. Zusätzlich zum klassischen Pharmagrosshandel wird ein Zukunftskonzept für selbständige Apotheken aufgebaut. Bei der Positionierung von Anzag kann ein Übergang von einem Produktführer zu einem Problemlöser und von einer zweiseitigen zu einer zweistufigen Profilierung. Die Gestaltung der logistischen Dienstleistungen trägt die Merkmale eines Produktführers und diese der Marketingdienstleistungen – die Merkmale eines Problemlösers (siehe Abbildung 4.16). Die logistische Leistung der Anzag AG hat eine marktführende Position in Deutschland. Das Unternehmen verfügt mit 23 Niederlassungen landesweit über das dichteste Auslieferungsnetz aller Pharmagrosshändler. Die logistische 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel 175 Dienstleistungen kommen sowohl der Apotheken als auch der Pharmaproduzenten und -importeure zugute. Das Mikrologistik-System wurde im 2001 mit dem Deutschen Logistik-Preis und dem European Logistics Award ausgezeichnet. Das System besteht aus: – einem einheitlichen und voll vernetzten Warenwirtschaftssystem mit einem hohen Automatisierungsgrad und einheitlichen Qualitätsstandards dank ISO-Zertifizierung und Benchmarking-System; – regionalen Leistungs- und Serviceverbünden: Die 23 Niederlassungen werden in 6 Verbünden miteinander vernetzt. Jede Niederlassung kann für eine andere in demselben Verbund sämtliche logistische Dienstleistungen übernehmen; – Zentraleinkauf und Disposition: Mittels der Optimierung der Prozesskette und dem Aufbau eines Lieferanten-Informationssystems wurde die Wiederbeschaffungszeit von 9,2 Tagen in 1992 auf gegenwärtig 3,6 Tage gesenkt; – Transportgesellschaft AS Logistik beliefert mehrmals täglich und nachts in beliebigen Lot-Grössen bis zu 12’000 Apothekenkunden und tauscht die Ware im Rahmen des Verbundsystems aus; – Zentrallager als integrierte Beschaffungsdrehscheibe; – integrierte und internetbasierte Kundenservicesysteme im Logistikbereich: Portal für Apotheken mit Zugriff auf das Warenwirtschaftssystem, Gesundheitsportal für Endverbraucher, Auswertungen für Apotheken und Pharmahersteller dank der Anzag-Tochtergesellschaft Gesdat (Gesellschaft für Informationsmanagement). Aufgrund der gesetzlichen Veränderungen im Gesundheitsbereich setzt Anzag vermehrt den Fokus auf den Aufbau kundennaher Systeme im Marketingbereich. Dabei richten sich die Dienstleistungen explizit an die unabhängigen Apotheken und eher implizit an die Pharmahersteller. Drei Schritte zeichnen die Neuausrichtung an individuelle Kundenlösungen. Erstens wird das Dienstleistungspaket vivesco® eingeführt, welches die Apotheken in den Bereichen Finanzmanagement, Einkauf, Category Management, Online-Versandhandel sowie durch Informationen und Schulungsmaßnahmen unterstützt. Die Apotheken erhalten die Möglichkeit, sich an vivesco® finanziell zu beteiligen. Zweitens erlauben ein Informations- und Vertriebssystem DIVA sowie die Optimierung der IT-Strukturen das Angebot von Anzag-Online, internetbasierte Dienstleistungen für die Apotheke, das Betreiben vom Gesundheitsportal www.gesundheit.de für Endkonsumenten und die Initiative „Apotheken im 176 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Internet“. Drittens strebt das Unternehmen die enge Kooperation mit apothekennahen Pharmagrosshändlern. Die Erfassung der über 38% des Umsatzes der deutschen öffentlichen Apotheken via Grosshandel (Anzag, Noweda und Sanacorp) ermöglicht die optimale Abdeckung des Marktverhaltens und die systematische Sammlung, Bearbeitung und Auswertung topaktueller Informationen. Das Sortiment zählt 120’000 Artikel mit einer grossen Sortimentstiefe. Die Werbeunterstützung hat ein starkes Profilierungspotenzial. Das Verkaufsförderungskonzept „SAM – Sales and more“ bringt jährlich sieben professionelle Verkaufsförderungs-Aktionen. Im Rahmen des Programms „Anzag Partner aktiv“ werden die Apotheken bei der Jahresplanung, der Durchführung von Aktionen und bei der Erfolgskontrolle der Verkaufsförderung beraten. Profilierungsaktivitäten gegenüber den Herstellerkunden Profilierungsaktivitäten gegenüber den Fachhandelskunden Marktabdeckung – geografische, Volumen, Vielfalt Produktverfügbarkeit Lagerhaltung Logistische Dienstleistungen Bestellabwicklung Feinverteilung, Bestellabwicklung und Lagerhaltung Spezialdienstleistungen: Retouren, Entsorgung, Reklamationen; Anzag Online Spezialdienstleistungen: Retouren, Entsorgung, Reklamationen Sortimentsbildung und Produktion Abdeckung des Marktverhaltens Marketingdienstleistungen SAM – Sales and more Anzag Partner aktiv Vivesco Finanzdienstleistungen Vivesco Abbildung 4.16: Profilierung der Anzag AG im Übergang vom Produktführer zum Problemlöser Quelle: eigene Darstellung 4.3.3.5 Noweda Apothekergenossenschaft Das Unternehmen positioniert sich als Apothekengenossenschaft (die Apotheken sind Eigentümer) und Pharmagrosshändler und richtet sich ausschliesslich an die Bedürfnisse der Genossenschaftsmitglieder. Noweda verfolgt die Strategie des 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel 177 Problemlösers, einseitig ausgerichtet auf die Apotheken und nur implizit auf die Pharmaproduzenten (siehe Abbildung 4.17). Die Profilierung gestaltet sich zweistufig. Die Problemlöser- und Kundenbindungskompetenz drücken sich in einer breiten Palette an Lösungen aus. Die Kunden werden durch den Aussendienst und den Vertriebsinnendienst betreut. Jedem der 40 speziell geschulten Aussendienstmitarbeiter wird eine Gruppe von Apotheken zugewiesen, die er individuell vor Ort betreut. Der Vertriebsinnendienst beantwortet u.a. Fragen zur Monatsrechnung, zu Anruf- und Lieferzeiten, zu Seminaren und nimmt Reklamationen entgegen. Im Bereich der Sortimentsbildung unterstützt Noweda ihre Mitglieder mit Informationen über Produktneueinführungen und sorgt für die entsprechende Warenpräsentation am Point of Sale. Für eine bedürfnisgerechte Gestaltung der Sortimente sorgt die Aktionsgemeinschaft Sprechstunden- und Praxisbedarf. Sie positioniert sich an der Schnittstelle zwischen der Apotheke und der Arztpraxis und liefert Sortiments-, Preis- und Werbeempfehlungen. Noweda profiliert sich auch als der qualifizierte Hilfsmittelversorger. Die Themen Hilfsmittel und häusliche Pflege sind Wachstumsbereiche und sehr beratungsintensiv. So werden neben diesem Spezialsortiment ein Dienstleistungspaket (Beratungs-Hotline, Dauergenehmigungen, Vertragswerkstätten, examinierte Krankenschwester) und ein Werbeservice (Präsentations- und Dekorationsunterstützung) angeboten. Um ihren Kunden Einkaufsvorteile und Sonderkonditionen sowie einen Informationsvorsprung anzubieten, werden mehrere verschiedene Börsen geschaffen, an denen die Apotheken teilnehmen können: Noweda-Blitzinfobörse (aktuelle Informationen über Produkte und Angebote), Noweda-Faxbörse (Sonderangebote), Noweda-Generikabörse, Noweda-Novitätenbörse, NowedaTreuebörse und Noweda-Terminbörse. Eine themenorientierte Lancierung von Preisaktionen von der Konzeption bis zur Erstellung der begleitenden Werbematerialen und Broschüren wird im Rahmen des Programms Apo-Print angeboten. Weitere Marketingunterstützung findet die Apotheke bei der Planung und Durchführung von kundengruppenspezifischen Marketingaktionen im Bereich Lifestyle- und Wellness-Sortiment – wie z.B. Weihnachtspäckchen für Senioren, Fitnesspäckchen vor dem Sommer, DiabetesKonzept etc. Mit Hilfe des Programms Noweda-Dialogservice Kundenmanagement können die Apotheken ein professionelles Beziehungsmanagement betreiben.342 Das 342 Vgl. www.noweda-dialog-service.de. 178 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Angebot schliesst das Kundenadressenmanagement, die Erstellung und den Versand von Geburtstags- und anderen Begrüssungskarten bis zur Anpassung des Marketingkonzepts ein. Ein breites Programm betrifft den Neu- und Umbau sowie die Übernahme einer Apotheke. Darunter fallen Architekten und Inneneinrichter, Bürotechnik, Büromöbel, Dekoartikel, Laborgeräte, Etiketten und Verpackungsmaterial, Dekoration etc. Unterstützung bei der Erarbeitung des Corporate Designs der Apotheke von den Logos bis zur Schaufenstergestaltung bietet der NowedaDesign-Service. Die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems in der Apotheke wird durch die Lösung ApoQMS ermöglicht. Sie besteht aus einem Qualitätsmanagement-Beratungspaket und einer Software-Lösung. Ein Spezialistenteam aus Apothekern und Software-Spezialisten erarbeitet individuelle Qualitätsmanagementsysteme. Profilierungsaktivitäten gegenüber den Fachhandelskunden Aktionsgemeinschaft Hilfsmittelversorger Marketingdienstleistungen Individuelle Betreuung der Apotheke Einkaufsbörsen Apo-Print Noweda-Dialogservice Neu-/Umbau einer Apotheke ApoQMS Finanzdienstleistungen Apotheken BWL Abbildung 4.17: Zweistufige Profilierung der Noweda eG Apothekengenossenschaft als Problemlöser Quelle: eigene Darstellung Die Finanzmanagementberatung erfolgt mit Hilfe des betriebswirtschaftlichen Serviceteams. Neben den Lösungen zur Verbesserung der Liquidität und Rentabilität erarbeitet das Team spezielle Versicherungsangebote und steht bei Übernahmen beratend zur Seite. 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel 179 4.3.3.6 Sanacorp Pharmahandel AG Sanacorp positioniert sich als unabhängiger Partner und Förderer eines starken und leistungsfähigen Apothekenwesens. Das Unternehmen positioniert sich als Problemlösers, wobei sich die Profilierungsaktivitäten ausschliesslich auf die Problemlösungsangebote für die Apotheken beziehen (siehe Abbildung 4.18). Sanacorp profiliert sich zweistufig. Im Bereich der logistischen Dienstleistungen zeichnet sich das Unternehmen durch eine sehr hohe Lieferfähigkeit aus: dank dem Verbundsystem, in dem alle Niederlassungen organisiert sind. Für einen Problemlöser bietet Sanacorp eine gute Marktabdeckung. Bei den Spezialdienstleistungen bestehen keine Unterschiede gegenüber der Konkurrenz, wie z.B. Online-Zugang zum Bestellsystem und zum Warenbestand aller Niederlassungen, digitales Archiv aller Rechnungen. Die Marketingdienstleistungen bündelt Sanacorp AG in Problemlösungspaketen zusammen. Als sehr erfolgreich wird das Programm „meine apotheke“ bezeichnet.343 Es schliesst neben attraktiven Einkaufskonditionen ein Verkaufsförderungsprogramm ein, das von der Sortimentsgestaltung in der Frei- und Sichtwahl über die gemeinsame Flächenvermarktung bis zur Gemeinschaftswerbung mit Hilfe von Displays, Broschüren und Handzetteln geht. Umfangreiche Schulungen sowie Unterstützung bei der Geschäfts- und Personalführung runden das Angebot ab. Leanstore ist ein betriebswirtschaftliches Beratungskonzept für die Apotheken. Dieses bezieht sich auf die Optimierung der Prozesse innerhalb der Apotheke. Mit der Hilfe von Beratungsteams können individualisierte Programme ausgestellt werden. Unterstützung bietet auch das apothekenspezifische Warenwirtschaftssystem „SIP“, das in Kooperation mit Stahl GmbH entwickelt wurde. Horizonte ist das Weiterbildungs- und Wissensvermittlungssystem, das den Apotheker als Berater des Patienten unterstützt. Regelmässig finden in allen Niederlassungen sowie in allen Lieferregionen Seminare zu den pharmazeutischen und gesundheitlichen Themen sowie zur Verkaufsförderung in den Apotheken statt. 343 Vgl. Pressemitteilung vom 22.02.05, www.sanacorp.de. 180 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Profilierungsaktivitäten gegenüber den Fachhandelskunden Logistische Dienstleistungen Beratung Warenwirtschaftssystem SIP Meine Apotheke Marketingdienstleistungen Leanstore Finanzdienstleistungen Meine Apotheke Abbildung 4.18: Zweistufige Profilierung der Sanacorp AG als Problemlöser Quelle: eigene Darstellung 4.3.4 Zusammenfassende Betrachtung 4.3.4.1 Der Kostenführer Als Kostenführer positionieren sich je ein Unternehmen am schweizerischen und deutschen Markt. Es bestätigt sich die theoretische Überlegung, dass nur wenige grosse Unternehmen mit Erfolg diese Strategie verfolgen können. Amedis-UE ist die Nr. 2 in der Schweiz und Phoenix AG ist die Nr. 1 in Deutschland und die Nr. 2 in Europa. Die beschriebenen Fallbeispiele weisen grosse Ähnlichkeiten auf, da sie entsprechend eine Tochter- und eine Muttergesellschaft in demselben Konzern darstellen. Die Kostenführer im Pharmagrosshandel sind die Meister der Logistik, die sämtliche Kosten entlang der Prozesskette im Griff haben. Ihre Marketingkompetenz besteht in der Fähigkeit, Markteveränderungen und die dadurch entstehenden Kosten frühzeitig zu antizipieren und schnell standardisierte Lösungen durchzusetzen. Aufgrund der Analyse und des Vergleichs mit den theoretischen Ausführungen können folgende Merkmale der Profilierung eines Kostenführers im Pharmagrosshandel festgehalten werden (siehe Abbildung 4.19): 1. Der Kostenführer hat eine zweiseitige Profilierung. 2. Die regionale und nationale Abdeckung der Absatzmäkte ist aus Sicht der Hersteller sehr gut. Sie erlaubt auch eine hohe Produktverfügbarkeit (bis zu 98%) zugunsten des Fachhandels. 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel 181 3. Das logistische System (Lagerhaltung, Bestellabwicklung, Kommissionierung, Verpackung, Transport und Auslieferung) ist standardisiert, unterliegt ständigen Rationalisierungsbemühungen und zeichnet sich durch den Einsatz modernster Informationstechnologie aus. Das ständige Bestreben, die logistischen Kosten zu senken, kann auch zur Einschaltung von spezialisierten Transportunternehmen führen. 4. Alle Verteilzentren sind im Verbund organisiert und ein zentrales und integriertes Warenwirtschaftssystem wird umgesetzt. 5. Beim Vertriebs- und Einkaufskontakt werden die Konditionenmodelle ans Handelsvolumen und an den Umsatz gebunden. Niedrigste Preise werden angestrebt. Der Aussen- und der Innendienst sind regional organisiert. Sie zeichnen sich durch einen reduzierten Personalaufwand – auch dank dem Einsatz neuer Technologien – aus (z.B. virtuelles Kunden-Service-Center bei Phoenix). 6. Aufgrund der gesetzlichen Regulierung im Sortimentsbereich bieten sich keine Möglichkeiten, Sortimentsschwerpunkte zu setzen. Der Kostenführer kann sich in diesem Bereich von der Konkurrenz nicht abheben. 7. Finanzdienstleistungen werden nicht angeboten. Bei Amedis-UE sind sie in einem separaten Geschäftsfeld organisiert. 8. Eine Stärkung des Profils des Kostenführers erfolgt durch die Ausführung der Aktivitäten zu günstigsten Konditionen, durch die Standardisierung der Dienstleistungen und somit durch das Erreichen eines besten Preis-Leistungsverhältnis aus Sicht der Kunden. Skaleneffekte und Kostenersparnisse lassen sich in der Logistik erzielen, deshalb fokussieren die Kostenführer ihre Profilierungsbemühungen in diesem Bereich. 9. Im Laufe der Zeit können die Kostenführer ihre Marktposition nicht nur mit der Logistikexcellenz verteidigen, sondern bieten auch Dienstleistungen im Marketingbereich (Amedis-UE) an. Dabei erreichen sie jedoch keine Profilierung gegenüber der Konkurrenz der Produktführer und der Problemlöser. 10. Die Kostenführerstrategie erfordert eine kritische Unternehmensgrösse. Die neuen Technologien werden zur Automatisierung und Stanardisierung sämtlicher Prozesse eingesetzt. 182 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Profilierungsaktivitäten gegenüber den Herstellerkunden Profilierungsaktivitäten gegenüber den Einzelhandelskunden Marktabdeckung – geografische, Volumen, Vielfalt Produktverfügbarkeit Lagerhaltung Logistische Dienstleistungen Bestellabwicklung Feinverteilung, Bestellabwicklung und Lagerhaltung Spezialdienstleistungen: Retouren, Entsorgung, Reklamationen Spezialdienstleistungen: Retouren, Entsorgung, Reklamationen Beratung Logistikmanagement Beratung Logistikmanagement Abdeckung des Marktverhaltens Sortimentsbildung und Produktion Sortimentsaufbereitung Sortimentsaufbereitung Vertriebskontakt und Einkaufskonditionen Marketingdienstleistungen Einkaufskontakt und Verkaufskonditionen Werbeunterstützung Werbeunterstützung Marketingmanagementberatung Marketingmanagementberatung Kreditunterstützung Finanzierung Kreditunterstützung Finanzierung Finanzdienstleistungen Beratung: Finanzmanagement Beratung: Finanzmanagement Dienstleistungen mit Profilierungspotenzial Abbildung 4.19: Zweiseitige Profilierung des Kostenführers im Pharmagrosshandel Quelle: eigene Darstellung 4.3.4.2 Der Produktführer Die Produktführer sind in den Fallstudien durch mehrere Fallbeispiele vertreten. Alle Unternehmen sind gross oder ein Teil von einem grossen Konzern mit mehreren Geschäftseinheiten. Die für die Innovationen notwendigen Investitionen und das Know-how entstehen durch Synergien mit den anderen Geschäftsfeldern. Aufgrund der Analyse und des Vergleichs mit den theoretischen Ausführungen und unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede können folgende 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel 183 Merkmale der Profilierung eines Produktführers im Pharmagrosshandel festgehalten werden (siehe Abbildung 4.20): 1. Bei dem Produktführer handelt es sich um eine zweiseitige Profilierung. 2. Der Produktführer strebt eine aktive Rolle im Distributionsprozess an und zielt auf eine bessere Koordination zwischen Herstellern und Fachhandel ab. Der Aufbau eines integrierten Supply-Chain-Management-Modells wird umgesetzt (wie bei GEHE) oder geplant (wie bei Galexis). 3. Eine logistische Systemführerschaft drückt sich in einer sehr hohen Produktverfügbarkeit, in niedrigen Fehlerquoten bei der Lagerhaltung, der Kommissionierung und den Belieferungen bzw. Abholungen mehrmals täglich und nachts aus. Dabei werden sowohl eigene Fahrzeuge als auch spezialisierte Transportunternehmen einbezogen. Niedrige Kosten und hohe Qualität in der logistischen Basisleistung schliessen sich nicht aus; deshalb streben auch Produktführer durch Rationalisierungen nach Effizienz in der Prozesskette. Jedoch erreichen sie nicht dieselbe Logistikexzellenz wie die Kostenführer, da sie mit einer grösseren Dienstleistungsvielfalt in der eigenen Wertkette konfrontiert sind. 4. Im Bereich der logistischen Spezialdienstleistungen werden innovative Lösungen angeboten, welche schnell durch die Problemlöser und durch die Kostenführer kopiert und zum Branchenstandard werden. So bietet Galexis als erstes Unternehmen elektronische Bestellungen und Lagerauskunft über die Plattform galexis.com sowie umweltfreundliche Entsorgungsprogramme an. In Deutschland, wo der Versand- und der Online-Handel zugelassen sind, sind es die Produktführer, welche die ersten Portal- und Online-Shop-Lösungen inkl. Belieferung direkt an Endkonsumenten zugunsten der Fachhandelskunden entwickeln. 5. Die Produktführer erreichen eine optimale Abdeckung des Marktverhaltens. Ihre Informationsführerschaft ist dank dem Einsatz neuester Technologien, Synergien mit anderen Geschäftsfeldern (Galexis, Alliance UniChem), Marktforschung durch eigene Tochtergesellschaften (Anzag) und der koordinierenden Rolle im Supply-Chain-Modell (GEHE) garantiert. Dies erlaubt das Angebot hoch qualitativer Informationen. 6. Trotz der gesetzlichen Regulierung des Sortiments sind die Produktführer das einzige Geschäftsmodell, das eine Profilierung in diesem Bereich hat. In Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie werden hoch qualitative Eigenmarken im Generika- und OTC-Bereich (GEHE und Alliance UniChem) und themenbezogen innovative Sortimente aus Markenprodukten (GEHE). Ein professionelles Category Management wird umgesetzt. 184 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel 7. Beim Vertriebs- und Einkaufskontakt sowie im Konditionenbereich werden innovative Konzepte basierend auf der Zusammenarbeit und Koordination zwischen Innen- und Aussendienst erarbeitet. Sie sind die Basis für die professionelle Verkaufsförderung, welche sowohl den Herstellern als auch dem Fachhandel angeboten wird. Neuartige Konditionenmodelle wie „service for fee“ (Galexis) werden durch entsprechende Fakturierungsysteme begleitet. 8. Im Marketingbereich werden einzelne oder eine Gruppe von Dienstleistungen als Konzept mit eigenem Markennamen vermarktet. Beispiele dafür sind das Verkaufsförderungsprogramm für die Pharmaindustrie GalExclusiv, lanciert durch Galexis, und das Konzept Pressuma wiederum für die Pharmaindustrie, eine Kombination von Verkaufsförderung, Informationsbeschaffung und Beziehungsmanagement. Die Produktführer sind die Ersten, welche Kundenbindungsprogramme für Stammkunden starten (z.B. MyNovaClub von Galexis). 9. Die Marketingmanagementberatung wird entweder in einem Gesamtkonzept verpackt oder einzelne Dienstleistungen werden als Marktführer angeboten. 10. Finanzdienstleistungen werden nicht angeboten. Ausnahmsweise kann ein separates Geschäftsfeld ein Angebot zum Branchenstandard unterbreiten. 11. Eine Stärkung des Profils des Produktführers erfolgt durch die Weiterentwicklung der Produkt- und Marketingkompetenz, d.h. innovative Dienstleistungen in der Sortimentbildung und Produktion sowie in der Werbung und Verkaufsförderung. 12. Einzelne Produktführer, konfrontiert mit einem verschärften Konkurrenzkampf und Veränderungen in der Gesetzgebung, planen den Übergang von Produktführer zu Problemlöser (z.B. Galexis und Anzag). 13. Die Produktführer sind Technologieführer. Sie sind grosse Unternehmen oder Teil von einem Holding. Alle Unternehmen haben einen Qualitätsmanagementsystem umgesetzt. 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel Profilierungsaktivitäten gegenüber den Herstellerkunden 185 Profilierungsaktivitäten gegenüber den Fachhandelskunden Marktabdeckung – geografische, Volumen, Vielfalt Produktverfügbarkeit Lagerhaltung Logistische Dienstleistungen Bestellabwicklung Feinverteilung, Bestellabwicklung und Lagerhaltung Spezialdienstleistungen: Retouren, Entsorgung, Reklamationen Spezialdienstleistungen: Retouren, Entsorgung, Reklamationen Beratung Logistikmanagement Beratung Logistikmanagement Abdeckung des Marktverhaltens Sortimentsbildung und Produktion Sortimentaufbereitung Sortimentaufbereitung Vertriebskontakt und Vertriebskonditionen Marketingdienstleistungen Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen Werbeunterstützung Werbeunterstützung Marketingmanagementberatung Marketingmanagementberatung Kreditunterstützung Finanzierung Kreditunterstützung Finanzierung Finanzdienstleistungen Beratung: Finanzmanagement Beratung: Finanzmanagement Dienstleistungen mit Profilierungspotenzial Abbildung 4.20: Zweiseitige Profilierung des Produktführers im Pharmagrosshandel Quelle: eigene Darstellung 4.3.4.3 Der Problemlöser Die Problemlöser im Pharmagrosshandel orientieren sich an einer Zielgruppe oder an komplementären Zielgruppen in einer geografisch abgegrenzten Region. Diese Zielgruppe steht vorwiegend auf der Absatzseite, ist eng mit der Entstehung des Pharmagrossisten verbunden und beeinflusst seine Entwicklung massgeblich. Unter den beschriebenen Fallbeispielen ist die Apotheke „Zur Rose“ aus Ärztekreisen entstanden, Noweda und Sanacorp sind immer noch Apothekergenossenschaften. Selten positioniert sich der Problemlöser als 186 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel unabhängiges Unternehmen (wie Voigt AG in der Schweiz344). Die Ausrichtung auf die Bedürfnisse einer spezifischen Zielgruppe hat dazu geführt, dass die Problemlöser einseitig den Profilierungsfokus setzen, indem sie immer mehr Aktivitäten der anvisierten Zielgruppe integrieren. Aufgrund der Analyse und des Vergleichs mit den theoretischen Ausführungen und unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede können folgende Thesen zur zweiseitigen Profilierung eines Problemlösers im Pharmagrosshandel festgehalten werden (siehe Abbildung 4.21): 1. Bei dem Problemlöser handelt es sich um eine zweistufige Profilierung. 2. Das logistische System ist modular aufgebaut, um eine grosse Flexibilität beim Angebot von Spezialdienstleistungen zu erreichen, wie z.B. Sonderlieferungen, hoch qualitative Retouren und Entsorgung. Durch das breite Angebot an Spezialdienstleistungen und an Logistikberatung versuchen die Problemlöser, ihre Kunden langfristig zu binden und mehrere Aktivitäten zu integrieren. 3. Die Nähe zur Kundengruppe führt zu einer sehr guten Abdeckung ihres Marktverhaltens. Jedoch wird diese Kenntnis in der eigenen Profilierungsstrategie eingesetzt und nicht an die Hersteller weitergeleitet. 4. Der Problemlöser versucht auch, trotz der gesetzlichen Regulierung die Sortimentsbildung profilierend zu gestalten. Die Sortimente werden zu 100% an die Bedürfnisse der Zielgruppen angepasst. Dazu gehören auch Sortimente, welche beratungsintensiv sind und nur im Rahmen einer ganzheitlichen Lösung angeboten werden können. Eine Profilierung via Eigenmarken ist eher selten. 5. Im Pharmagrosshandel ist die handelsübliche Manipulation der Produkte aufgrund gesetzlicher Regulierung nicht erlaubt. Die Sortimentaufbereitung wird als Dienstleitung nicht angeboten. 6. Im Einkaufs- bzw. Vertriebskontakt wird eine individuelle Betreuung mit hoher Flexibilität angeboten. Die Konditionengestaltung ist individuell und wird mit Kundenbindungsprogrammen (z.B. der exklusiven Mitgliedschaft im Club „Lounge“ der Zur Rose AG) verknüpft. Spezielle Plattformen wie Börsen werden geschaffen, damit die Kunden von Einkaufsvorteilen und Sonderaktionen profitieren (z.B. Noweda). 7. Die Profilierung des Problemlösers zeichnet sich durch den hohen Anteil an Lösungen aus, die teilweise von den Produktführern, teilweise aus eigenen 344 siehe Fallstudie im Kapitel 5 dieser Arbeit. 4.3 Fallbeispiele: Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Pharmagrosshandel Profilierungsaktivitäten gegenüber den Herstellerkunden Profilierungsaktivitäten gegenüber den Einzelhandelskunden Marktabdeckung – geografische, Volumen, Vielfalt Produktverfügbarkeit Lagerhaltung Bestellabwicklung Logistische Dienstleistungen Feinverteilung, Bestellabwicklung und Lagerhaltung Spezialdienstleistungen: Retouren, Entsorgung, Reklamationen Spezialdienstleistungen: Retouren, Entsorgung, Reklamationen Beratung Logistikmanagement Beratung Logistikmanagement Abdeckung des Marktverhaltens Sortimentsbildung und Produktion Sortimentaufbereitung Sortimentaufbereitung Vertriebskontakt und Vertriebskonditionen Marketingdienstleistungen Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen Werbeunterstützung Werbeunterstützung Marketingmanagementberatung Marketingmanagementberatung Kreditunterstützung Finanzierung Kreditunterstützung Finanzierung Beratung: Finanzmanagement 187 Finanzdienstleistungen Beratung: Finanzmanagement Dienstleistungen mit Profilierungspotenzial Abbildung 4.21: Zweistufige Profilierung des Problemlösers im Pharmagrosshandel Quelle: eigene Darstellung Entwicklungen stammen. Sie können selbständig oder in Zusammenarbeit mit spezialisierten Anbietern angeboten werden. Die Lösungen begegnen einzelne Bedürfnisse der Zielgruppe, wie z.B. Managementlösungen für die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems in der Apotheke oder professionelles Beziehungsmanagement mit den Endkonsumenten. Sie können aber auch mehrere Marketingdienstleistungen als eine Paketlösung schnüren, in der das Sortimentsmanagement mit der Konditionengestaltung, der Werbeunterstützung und dem Umbau der Apotheke kombiniert wird. 188 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel 8. Die Problemlöser zählen zu den wenigen Pharmagrossisten, welche ihren Kunden Kredite gewähren und Finanzberatung anbieten. Diese Dienstleistung wird selbständig angeboten oder mit einer Marketingmanagementlösung kombiniert. 9. Der Problemlöser kann sein Profil stärken, in dem er möglichst viele Dienstleistungen als modular aufgebaute ganzheitliche Lösungen und individualisierte Einzelleistungen anbietet. 10. Mit Investitionen in die Produkt-, Marktforschungs- und Kommunikationskompetenz können die Problemlöser einen Übergang zum Produktführer beginnen. Dies wird auch durch das Angebot innovativer logistischer Dienstleistungen unterstützt (z.B. Versand an Endkonsumenten bei der Apotheke zur Rose). 11. Der Problemlöser sind kleine und mittlere Unternehmen. Die Technologiegefolgschaft ist die Regel. Die Standorte sind nah zur anvisierten Zielgruppe, vorwiegend auf der Absatzseite. Um eine breite Dienstleistungspalette anbieten zu können, schliessen sie Kooperationen mit spezialisierten Anbietern. Flache Organisationsstrukturen und kurze Entscheidungswege charakterisieren die meisten Unternehmen. Alle haben auch ein Qualitätsmanagementsystem umgesetzt. 4.3.4.4 Dynamik der Geschäftsmodelle Die Fallbeispiele aus dem schweizerischen und europäischen Pharmagrosshandel zeigen, dass die beschriebene idealtypische Profilierungsmodelle selten in ihrer reinen Form existieren. Die Erscheinungsformen werden vielmehr durch die Branchenstruktur und die lokalen Gegebenheiten beeinflusst. Im Hintergund dynamischer Rahmenbedingungen kann eine laufende Anpassung der Profilierung beobachtet werden (siehe Abbildung 4.22). In einer gesättigten Branche wie der Pharmagrosshandel345 kann die Position des Kostenführers sehr schwierig verteidigt werden. Deshalb kann z.B. bei Amedis-UE Schweiz das zunehmende Angebot von Lösungen für Ärzte beobachtet werden. Das stagnierende Wachstum in der Branche bewegt die Pharmagrosshändler innovative Dienstleistungen anzubieten. So hat z.B. die Apotheke zur Rose dank der Marktführerschaft bei den Ärzten den Medikamentenversand entwickelt und erfolgreich etabliert. Durch den Aufbau eines neuen Geschäftsfeld Generikaproduktion wird eine Transformation von Problemlöser zum Produktführer 345 Vgl. Branchenanalyse im Kapitel 2 dieser Arbeit. 4.4 Neue strategische Chancen durch Prewholesale 189 möglich. Eine etablierte Produkt- und Marketingkompetenz kann durch die Spezialisierung auf einzelne Kundengruppen zum Angebot individueller Lösungen führen. Solche Zeichen des Übergangs von Produktführer zu einem Problemlöser sind bei Galexis und Anzag zu beobachten. Kostenführer Phoenix Amedis-UE Sanacorp Alliance Unichem GEHE Galexis Anzag Produktführer Apotheke zur Rose Noweda Problemlöser Abbildung 4.22: Dynamik der Geschäftsmodelle Quelle: eigene Darstellung 4.4 Neue strategische Chancen durch Prewholesale 4.4.1 Der Begriff „Prewholesale“ Der “Prewholesale” oder der Vorgrosshandel umfasst alle logistischen Aktivitäten vom Ende der Produktionsstrassen der Pharmaindustrie bis zur Lieferung an Grossisten, Spitälern und Fachhandel. Das Geschäftsfeld Vorgrosshandel ist infolge des langfristigen Trends bei der Pharmaindustrie entstanden, sich auf die eigenen Kernkompetenzen (Forschung und Entwicklung, Produktion und Marketing) zu konzentrieren und alle anderen Aktivitäten der Wertkette auszugliedern.346 346 Der Trend wird im Rahmen der Analyse des Grosshandelsumfeldes erläutert. Der Trend wird als strategische Chance für die Grosshandelsunternehmen bezeichnet. Siehe Abschnitt 2.2.4.5 dieser Arbeit. 190 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Die Besonderheiten des Prewholesale lassen sich durch die Erläuterung der Unterschiede zum klassischen Grosshandel darstellen.347 Erstens übernimmt der Prewholesaler (Vorgrossist) kein Eigentum an die Medikamenten, d.h. er agiert als Agent im Auftrag, im Namen und auf Rechnung der Pharmaindustrie. „Client Branding“ ist der Begriff, der das „unsichtbare“ Auftreten des Vorgrossisten unter der Markte des Herstellers beschreibt. Der Prewholesale-Lager ist eine Art Konsignationslager. Der klassische Grosshandel kauft die Medikamente bei der Industrie ein und verkauft sie an dem Fachhandel im eigenen Namen und auf eigener Rechnung weiter. Zweitens ist die Palettenlogistik, d.h. die Grossvolumenlogistik und der Wochenrhytmus, ein weiteres zentrales Merkmal. Im Gegensatz dazu betreibt der klassische Pharmagrossist sowohl Grossvolumenals auch Kleinvolumenlogistik (Mikrologistik). Die letzte ist durch den Transport kleinerer Packungen und die täglichen Bestellabwicklungen charakterisiert. Die Nähe zur Pharmaindustrie hat es den klassischen Pharmagrosshändlern erlaubt, als erste die strategische Chance im Outsourcing-Trend vollumfänglich wahrzunehmen. Gegenwärtig sind die drei führenden Phramagrossisten in der Schweiz mit eigenen Geschäftsfeldern im Prewholesale tätig. Neben spezialisierten Dienstleistern wie Globopharm AG (seit 1984)348 gehört Voigt AG (1995) zu den Pionieren. Danach folgte Galenica, die im 2000 ein international tätiges Joint-Venture mit Alliance UniChem, namens Alloga, gegründet hat.349 Der neueste Marktteilnehmer ist Amedis-UE, der seit 2004 eigene PrewholesaleAktivitäten betreibt und ein grosses Potenzial dank der Zugehörigkeit zum Phoenix Pharmagrosshandel hat. Das Branchenwachstum in der Schweiz zieht ständig neue Wettbewerber an und die Konkurrenz verschärft sich. Markteintrittsprojekte haben der führende Pharmagrossist Celesio und grosse Logistikunternehmen, wie die Deutsche Post und Exel gestartet. Dies hat unter anderem Galenica dazu bewegt, sich 2005 aus dem Joint-Venture mit Alliance Unichem zurückzuziehen und sich auf die Alloga-Aktivitäten in der Schweiz zu konzentrieren.350 347 Zu den Besonderheiten im Prewholesale vgl. Experteninterview Jenny, 2005. 348 Globopharm AG positioniert sich als spezialisiertes Prewholesale-Unternehmen in den Bereichen Pharmazeutika, Diagnostika, veterinärmedizinische Spezialitäten und Dentalprodukte. Das Unternehmen nimmt eine führende Position bei der Versorgung der Spitäler mit Medikamenten, insbesondere aus dem Hochpreissegment. vgl. www.globopharm.ch, Zugriff Oktober 2005. 349 Vgl. Medienmitteilung Galenica 02.02.2005 www.galenica.ch. 350 Vgl. Medienmitteilung Galenica 02.02.2005 www.galenica.ch. 4.4 Neue strategische Chancen durch Prewholesale 191 4.4.2 Positionierung und Profilierung im „Prewholesale“ 4.4.2.1 Zweistufige Wertschöpfung im Prewholesale Im Zentrum der Wertschöpfung des Prewholesalers steht die logistische Dienstleistung. Sie wird durch zahlreiche Spezialdienstleistungen vervollständigt. Zum Basisangebot gehören auch die Finanzdienstleistungen, so dass sich ein “Orderto-cash-cycle” bilden kann. Als zusätzliche Mehrwertdienstleitungen werden die Marketingdienstleistungen angeboten. Die Wertkette des Vorgrossisten richtet sich primär an die Werkette des Pharmaherstellers und es handelt sich um eine zweistufige Profilierung (siehe Abbildung 4.23). Deshalb kann die als die erste Stufe der Wertschöpfung bezeichnet werden. Eine sekundäre Ausrichtung erfolgt durch die Wertschöpfung zugunsten der Kunden der Pharmaindustrie, wobei das Profil des Auftraggebers gestärkt wird. Stufe 1 Wertschöpfung zugunsten der Pharmaindustrie Pharmaindustrie Stufe 2 Wertschöpfung zugunsten der Kunden der Pharmaindustrie Geografische Marktabdeckung Lagerhaltung Bestellabwicklung Spezialdienstleistungen Beratung Logistische Dienstleistungen Finanzierung Finanzverwaltung Finanzdienstleistungen Vertriebskontakt und -konditionen Sammlung und Auswertung von Marktinformationen Werbeunterstützung Marketingdienstleistungen Produktverfügbarkeit Lagerhaltung Bestellabwicklung Spezialdienstleistungen Pharmagrosshandel Spitäler Vertriebskontakt und -konditionen der Pharmaindustrie Client Branding Beziehungsmanagement Werbeunterstützung Gruppierter Fachhandel Abbildung 4.23: Zweistufige Wertschöpfung des Vorgrossisten Quelle: eigene Darstellung Tabelle 4.6 veranschaulicht ein beispielhaftes Dienstleistungskatalog im Prewholesale. Dienstleistungen Logistische – Geografische Marktabdeckung; Dienstleistungen – Produktverfügbarkeit bei den Kunden; – Temperaturkontrollierte und feuchtigkeitsüberwachte Lagerung, Spezialbehandlung von technischen Produkten, von Produkten mit kurzer Haltbarkeit, von Quarantäneprodukten, Klinikmustern und Dokumentation, 192 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Dienstleistungen Management des Lagerbestandes ; – Zusammenstellung, Verpacken und Versenden von Bestellungen, Kühltransporte und validierte Verpackung, Sendungsverfolgung und Protokollierung vom Einzelpaket bis hin zur Massendistribution, Zurückverfolgung von Lieferungen, Preisbindungsregelungen und Preiskontrolle, Lieferkontrolle; – logistikbasierte Spezialdienstleistungen: A. Retouren, Speziallieferungen und Entsorgung, B. Logistik der klinischen Versuche, C. Logistik von Marketingunterlagen und Dokumentationen, D. Export- und Importdokumentation und -verpackung, Frachtlieferung und Zoll- und Steuerabwicklung vor Ort, E. Produktionsunterstützung mit sekundären und tertiären Verpackung; – Logistikberatung. Finanz dienstleitungen – Durch den Einkauf in grossen Mengen und durch die Lagerung finanziert der Prewholesaler seine Auftraggeber. Er übernimmt die Kapazitäts-, Transport- und Lagerungsrisiken sowie finanzielle Risiken verbunden mit der Bestellabwicklung und Inanspruchnahme weiterer Dienstleistungen; – Fakturierung, Kreditkontrolle, Inkasso. Debitorenmanagement. Marketingdienstleistung – Zugunsten der Pharmaindustrie: Marktforschung, Bericherstattung über Verkäufe, Vorräte, Leistungsindikatoren, Konditionengestaltung und -pflege; – Mit den Kunden: Unterstützung der Auftraggebermarken: Client Branding, Beziehungsmanagement und Konditionenpflege, Informationsdienst; – Werbeunterstützung: Zusammenstellung von Werbepaketen, Pharmazeutische Muster. Tabelle 4.6: Beispielhaftes Dienstleistungskatalog eines Vorgrossisten Quelle: www.amedis.ch, www.alloga.ch, www.voigt.ch, Zugriff 2005 4.4 Neue strategische Chancen durch Prewholesale 193 4.4.2.2 Drei Prewholesale-Unternehmen im Vergleich Tabelle 4.7 stellt eine Bestandesaufnahme der Positionierung und Profilierung von drei Prewholesale-Unternehmen sowie der Hauptelemente ihres Geschäftsmodells. Jedes dieser Unternehmen gehört zu einer Holding, die sich durch ein gut aufgebautes Geschäftsmodell im traditionellen Pharmagrosshandel auszeichnet, d.h. es handelt sich um Mehrpunktkonkurrenten.351 Element des Geschäftsmodells Amedis-UE Prewholesale (Amedis-UE Gruppe) Alloga (Galenica Gruppe) Voigt Industrieservice (Voigt Gruppe) 1. Allgemeine Positionierung Zuverlässige FullService-Logistik mit grossen Kapazitäten und von einer hohen Qualität aufgrund Partnerschaft mit der Phoenix-Gruppe. Praktikable und kostengünstige Lösungen Alloga ist auf qualitativ hochwertige logistische Dienstleistungen europaweit spezialisiert. Integrierte Gesamtlösungen aus breitgefächerten und zielgerichteten Dienstleistungen europaweit Breitester Angebot in Zusammenarbeit mit Kühne & Nagel Kein Unterschied zur Konkurrenz Breitestes Angebot Unabhängige und flexible Dienstleistungen mit einer individuellen Betreuung. 2. Profilierung 2.1 Logistische Dienstleistungen Order-To-CashCycle; Prozessdurchgängigkeit und hoher Automatisierung 2.2 Finanzdienstleistungen 2.3 Marketing- Kein Unterschied dienstleistungen zur Konkurrenz 351 Hohe Flexibilität aufgrund flacher Hierarchien, rascher Entscheidungen und individueller Betreuung Kein Unterschied zur Konkurrenz Kein Unterschied zur Konkurrenz Individuelle Betreuung und Beziehungsmanagement „Mehrpunktkonkurrenten sind Unternehmen, dich nicht nur in einem, sondern in vielen verwandten Unternehmenseinheiten miteinander konkurrieren.“, Porter, 2000, S. 415. 194 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Element des Geschäftsmodells Amedis-UE Prewholesale (Amedis-UE Gruppe) Alloga (Galenica Gruppe) Voigt Industrieservice (Voigt Gruppe) 3. Prozessorganisation Einsatz der Informationstechnologie Kein Unterschied zur Konkurrenz Internetbasiertes BusinessInformationssystem Kein Unterschied zur Konkurrenz Führende IBSSoftware im Bereich Supply Chain Management Kein Unterschied zur Konkurrenz Offene SAPArchitektur und Kompatibilität mit den EDVSystemen der Kunden Organisationsstruktur PrewholesaleGeschäftsfeld völlig getrennt vom Grosshandel, mit eigener Infrastruktur, aber keine eigene Corporate Brand PrewholesaleInfrastruktur separat vom Grosshandel und eigene Corporate Brand PrewholesaleGeschäftsfeld und Grosshandels in denselben Gebäuden jedoch physisch getrennt; keine eigene Corporate Brand Geschäftsmodell im Geschäftsfeld „Grosshandel“ Kostenführer Produktführer Problemlöser Tabelle 4.7: Drei Prewholesale-Geschäftsmodelle im Vergleich Quelle: Produktebroschüre „Prewholesale auch bei Amedis-UE“, 03/2005; Produktebroschüre „Phoenix: Prewholesale europaweit“ 2005, Alloga Newsletter 01/2003; Geschäftsbericht Galenica 2004, S. 54–56; Produktebroschüre „Voigt Industrieservice“, 2005 Bei der Analyse des Vergleichs können einige Besonderheiten im Prewholesale festgehalten werden. Die Positionierung im Prewholesale weist zahlreiche Ähnlichkeiten zum Grosshandel auf. Deshalb versuchen die Pharmagrosshändler die schon etablierten Stärken aufs neue Geschäftsfeld zu übertragen und kommunizieren dies explizit (Amedis-UE und Voigt) oder implizit (Alloga). Eine auf einzelnen Dienstleistungen basierte Profilierung ist immer noch schwierig festzustellen, 4.4 Neue strategische Chancen durch Prewholesale 195 inbesondere im Logistik- und Finanzbereich.352 Innovationen werden schnell immitiert. Neue Wege zu einem integrierten Supply-Chain-Modell sucht Alloga in der Zusammenarbeit mit einem der führenden Logistikunternehmen Kühne & Nagel. Dank finanzieller Mittel und Synergien mit den anderen Geschäftsfeldern kann Alloga immer neue Lösungen und Dienstleistungen anbieten. Einzelne Profilierungsmöglichkeiten werden im Marketingbereich wahrgenommen. So zum Beispiel bietet Alloga ein breites Angebot an Marketingdienstleistungen und Voigt eine individuelle Betreuung jedes Kunden. Unübersichtliche Dienstleistungskataloge und mangelnder Kommuniktaion der spezifischen Stärken erschweren die Analyse zusätzlich. Der wachsende Konkurrentdruck wird aber die bestehenden Wettbewerber dazu zwingen, klarere Positionier und Profilierung zu definieren und umzusetzen. Standardisierte und durch alle Unternehmen umgesetzte Prozessorganisation mit allen für die Tätigkeit notwendigen Zertifikaten. Alle drei Unternehmen setzen Informationstechnologie der letzten Generation ein. Die Potenziale der einzelnen Software-Lösungen könnten in der Zukunft zum Angebot profilierender Dienstleistungen und Lösungen genutzt werden. Auf Anforderung der Pharmaindustrie sind die Prewholesale-Aktivitäten finanziell, organisatorisch und personell von diesen im Grosshandel zu trennen. Insbesondere betrifft diese Trennung die Kommunikation und die Marketingaktivitäten.353 Die drei Unternehmen haben unterschiedliche Lösungen für die Anforderung: eine neue Infrastruktur wird völlig separat zur Verfügung gestellt (z.B. Amedis-UE und Alloga) oder die gleiche Infrastruktur, aber physisch geteilt, wird eingesetzt (z.B. Voigt). Zwei von den Unternehmen treten mit dem Holding-Namen auf, d.h. sie bauen keine separate Corporate Brand (z.B. Amedis-UE und Voigt Industrieservice). Im Gegenteil dazu positioniert Alloga eine eigenständige Corporate Brand, welche auf die strategische Partnerschaft mit AllianceUniChem hinweist. 4.4.3 Aufbau Erfolg versprechender Geschäftsmodelle im Prewholesale Aufgrund der bestehenden zahlreichen Ähnlichkeiten kann ein etablierter Grosshändler seine Stärken auf das neue Geschäftsfeld übertragen, beide Geschäftsfelder koordinieren und somit seine Wettbewerbsposition stärken. Das 352 Vgl. Experteninterview Jenny, 2005. 353 ebenda. 196 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Vorhandensein einer expliziten Horizontalstrategie und ihre Umsetzung bergen Chancen und Risiken, welche bei dem Aufbau und Positionierung des neuen Geschäftsfeldes Prewholesale berücksichtig werden müssen. Die zentrale These hinter der Verfolgung einer expliziten Horizontalstrategie ist es, dass dadurch ein Unternehmen Synergien und damit schwer immitierbare Wettbewerbsvorteile erzielen kann. Die Synergien lassen sich nur dann realisieren, wenn ein Unternehmen die zwischen den Geschäftseinheiten bestehenden Verflechtungen kennt und zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen nutzen kann.354 Die Verflechtungen können in drei Gruppen aufgeteilt werden. Die erste Gruppe der materiellen Verflechtungen entsteht, wenn mehrere Unternehmenseinheiten Wertaktivitäten gemeinsam durchführen. Dabei werden auch Kosten verursacht: Koordinationskosten (Koordination der Unternehmenseinheiten), Kompromisskosten (sind kleiner wenn die Unternehmenseinheiten die gleiche Strategie verfolgen) und Inflexibilitätskosten (schwierige Reaktion auf Wettbewerbsmassnahmen und hohe Austrittsbarrieren).355 Diese Kosten lassen sich durch den Einsatz neuer Technologien senken. Die Differenz zwischen den Wettbewerbsvorteilen und den Kosten ergibt den Nettowettbewerbsvorteil, dem die Konkurrenz wenig aussetzen kann.356 Tabelle 4.8 zeigt Beispiele für materielle Verflechtungen zwischen Pharmagrosshandel und Prewholesale.357 Die gemeinsame Durchführung ist mit Begrenzungen verbunden.358 Erstens können das Management und die Koordination zwischen den Unternehmenseinheiten in der Realität sehr schwierig sein und mit der Zunahme der Bürokratie verbunden sein. Zweitens kann die Fähigkeit des Unternehmens begrenzen, die spezifischen Wünschen einer Kundengruppe zu begegnen. So z.B. entsprechen gemeinsame Werbeaktivitäten im Prewholesale und Pharmagrosshandel den Bedrüfnissen der Pharmaindustrie nicht. Drittens können die Anwendung der gleichen Corporate Brand und die Übertragung der Reputation von einer Unternehmenseinheit auf einer anderen auch negative Folgen haben. 354 Vgl. Porter, 1987, S. 55. 355 Vgl. Porter, 2000, S. 426. 356 Vgl. Porter, 2000, S. 431. 357 Für die möglichen Wettbewerbsvorteile und Kompromisskosten vgl. Porter, 2000, S. 440f. 358 Vgl. Barney, 2002, S. 413–414. 4.4 Neue strategische Chancen durch Prewholesale Materielle Verflechtung 1. Technologische Verflechtungen: gleiche Prozesstechnologie 2. Infrastrukturverflechtungen 3. Produktionsverflechtungen 4. Marktverflechtungen: gleiche Abnehmer, gleicher geografischer Markt 197 Mögliche Formen gemeinsamer Durchführung Gemeinsame Technologieentwicklung und Schnittstellendefinition Beispiele Gemeinsame Personaleinstellung und -ausbildung Gemeinsame Eingangslogistik Gemeinsame Anlagen zur Qualitätskontrolle Gemeinsame Betriebsinfrastruktur Gemeinsamer Markenname Gemeinsamer Auftragsabwicklungssystem Gemeinsames physisches Distributiosnsystem Voigt und Amedis-UE Alle Voigt Voigt Voigt und Amedis-UE Tabelle 4.8: Mögliche materielle Verflechtungen zwischen Pharmagrosshandel und Prewholesale Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Porter, 2000, S. 436f. Immaterielle Verflechtungen sind mit dem Transfer vom Management-Knowhow verbunden. Sie entstehen aus den Ähnlichkeiten zwischen den Unternehmenseinheiten: einer gleichen Strategie, gleichen Abnehmern, einem ähnlichen Aufbau der Wertkette, ähnlichen wichtigen Aktivitäten etc.359 Am Beispiel von Prewholesale und Pharmagrosshandel lassen sich alle diese Ähnlichkeiten feststellen, was ein Beweis für die starken immateriellen Verknüpfungen ist. Entscheidend ist es, die gleiche Wettbewerbsstrategie in beiden Unternehmenseinheiten zu folgen. Die dritte Gruppe schliesst die Konkurrenzverflechtungen ein, welche auf das Vorhandensein von Mehrpunktkonkurrenten zurückzuführen sind. Jede Reaktion auf die Konkurrenz sollte diese zahlreichen Punkte berücksichtigen. 359 Vgl. Porter, 2000, S. 449. 198 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Wenn eine explizite Horizontalstrategie fehlt, dann werden die Verflechtungen schwächer, findet kein Know-how-Transfer statt, werden Kooperationen mit externen Unternehmen eingegangen, anstatt die internen Verflechtungen auszunutzen. Die explizite Horizontalstrategie bietet zahlreiche Chancen zur Stärkung der Wettbewerbsposition durch die Ermittlung aller Verflechtungen, durch strategische Koordination verwandter Unternehmenseinheiten, durch formelle Know-how-Austauschprogramme, durch Angriffs- und Verteidigungsstrategien gegen Mehrpunktkonkurrenten. Um diese Chancen wahrzunehmen, sind horizontale Organisationsmechanismen erforderlich. Zum Beispiel hat die Galenica Gruppe Anfang 2005 ihre Organisationsstruktur neu konfiguriert, um die zwischen den Unternehmenseinheiten bestehenden Verflechtungen zu stärken. Die Einheiten Prewholesale und Pharmagrosshandel sind im neuen Bereich „Santé“ zusammen positioniert, damit die zahlreichen Synergien genutzt werden können.360 Weiterhin werden auch horizontale Systeme der Planung, der Kontrolle, der Personalpolitik und für Konfliklösungsverfahren aufgebaut wie Finanzen & Corporate Services, Corporate Development, IT & Prozesse.361 Die Implementierung der expliziten Horizontastrategie ist auch mit Gefahren verbunden362. Dazu zählen falsche Kommunikation der Strategie, wahlloses Anstreben von Verflechtungen, falsches Verständis der Wettbwerber etc. Die Implementierung kann auch durch interne Widerstände gegenüber den Verflechtungen begleitet werden.363 Dies geschieht, wenn Verlust an Autonomie und Kontrolle empfunden wird, wenn beide Geschäftsfelder in unterschiedlichen Entwicklungsstadien sind und somit durch unterschiedliche Bedingungen und Leistungsprämien charakterisiert sind. Zusammenfassend lassen sich einige zentrale Voraussetzungen für den Aufbau eines Erfolg versprechenden Modells im Prewholesale festhalten: – in den Geschäftsfeldern „Grosshandel“ und „Prewholesale“ wird die gleiche Wettbewerbsstrategie verfolgt; – neue Technologien sind zur Senkung der Koordinationskosten und zur Verbesserung der Kommunikation einzusetzen; – situativ und unter Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse entscheiden, welche Tätigkeiten gemeinsam durchgeführt werden; 360 Vgl. Experteninterview Jenny, 2005. 361 Vgl. www.galenica.ch, Zugriff: Oktober 2005. 362 Vgl. Porter, 2000, S. 483f. 363 Vgl. Porter, 2000, S. 489f. 4.5 Zusammenfassung des Kapitels 199 – zur Implementierung der Horizontalstrategie geeignete Organisationsstrukturen schaffen; – laufend gemeinsame Analyse der Mehrpunktkonkurrenten durchführen. 4.5 Zusammenfassung des Kapitels Das vierte Kapitel dieser Dissertation hat zum Ziel, die möglichen Positionierungs- und Profilierungsalternativen für den Grosshandel aufzuzeigen und zu strukturieren. Vor diesem Hintergrund wird der Begriff der zweiseitigen und zweistufigen Profilierung erläutert und unter den Marketingentscheidungen des Grosshandelsunternehmens positioniert. Bei der Positionierung wird der Differenzierungsvorteil gegenüber anderen Grosshändlern, den Hersteller- und Einzelhandelskunden, basierend auf Kernkompetenzen und Überbrückungsbedürfnissen der Hersteller und Einzelhändler, festgelegt. Die Positionierung oder die Wahl der Nutzenstrategie ist somit der „Rote Faden“ für den Einsatz der Profilierungsinstrumente. Da sich die Profilierungspotenziale in den zweiseitigen primären und unterstützenden Aktivitäten der Wertschöpfungskette sowie in den Verknüpfungen befinden, ist die Profilierung zweiseitig. So liegt das Ziel der Profilierung im Grosshandel im Erzielen von Wettbewerbsvorteilen durch zweiseitige Profilierungsmassnahmen, welche nach dem Gesetz der Profilierungsdynamik eingesetzt werden. Die festgelegte Positionierungs- und Profilierungsstrategie wird durch den Aufbau eines Geschäftsmodells umgesetzt. Als Basis für die Strukturierung der Positionierungs- und Profilierungsoptionen dienen die generischen Wettbewerbsstrategien nach Porter (1985) und empirische Untersuchungen, welche auf Anpassungen je nach Phase der Branchenentwicklung und je nach Unternehmenscharakteristika hinweisen. Eine ganzheitliche Betrachtung ermöglicht der Geschäftsmodellansatz, der neben der Wettbewerbsstrategie und der Ausgestaltung der wertschöpfenden Aktivitäten Anpassungen in der Organisationsstruktur, im Managementsystem, in der Personalpolitik und beim Technologieeinsatz vorsieht. Bei der Anwendung des Geschäftsmodellansatzes auf den Grosshandel lassen sich drei idealtypische Modelle für Positionierung und zweiseitige Profilierung identifizieren: der Kostenführer, der Produktführer und der Problemlöser. Die Verfolgung einer klaren Positionierungsstrategie führt zur Auswahl der Profil gebenden Aktivitäten und zu ihrer konsequenten Ausgestaltung gegenüber dem Hersteller und gegenüber dem Einzelhändler. Die zweiseitige Profilierung berücksichtigt dabei die Kompetenzen und Ressourcen des Grosshändlers, seine Beziehungen zu Herstellern und Einzelhändlern und das Gesetz der Profilierungsdynamik. 200 4 Positionierungsstrategien und Profilierungsmassnahmen im Grosshandel Die drei idealtypischen Modelle werden am Beispiel des Pharmagrosshandels der Schweiz und führender Pharmagrosshändler in Europa untersucht. Dabei lassen sich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede feststellen, was eine Validierung der theoretisch abgeleiteten Geschäftsmodelle bedeutet. Die Geschäftsmodelle im Pharmagrosshandel weisen einige wenige branchenspezifische Unterschiede auf: Der Kostenführer im Pharmagrosshandel verfolgt eine explizite zweiseitige Profilierung. Er profiliert sich durch eine starke nationale Marktabdeckung und eine sehr hohe Produktverfügbarkeit, durch standardisierte und automatisierte Logistikprozesse und durch bestes Preis-Leistungs-Verhältnis. Seine Profil gebenden Aktivitäten unterscheiden sich am wenigsten vom idealtypischen Modell. Aufgrund der gesetzlichen Regulierung bestehen keine Profilierungsmöglichkeiten in der Sortimentsbildung. Der Produktführer verfolgt wie der Kostenführer eine explizite zweiseitige Profilierung. Die Profilierung zeichnet sich durch ein hohes Niveau der Qualitätslogistik, ausgezeichnete Marktkenntnisse, laufende Lancierung innovativer Dienstleistungen und Technologieführerschaft aus. Im Bereich der Marketingdienstleistungen ist die Profilierung mit dem theoretischen Modell identisch. Dabei spielen die Produkt- und Marketingkomptenzen eine zentrale Rolle. Der Problemlöser hat eine zweistufige Profilierung, wobei der Fokus vorwiegend auf die Absatzseite und indirekt auf die Endkonsumenten gesetzt wird. Dabei baut er sein Angebot aufgrund der engen Beziehung mit einer Zielgruppe oder Zielgruppen mit komplementären Bedürfnissen in einer begrenzten Region aus. Um diese Zielgruppe mittels umfassenden Lösungen anzusprechen, bündelt er die Angebote der Hersteller und spezialisierter Dienstleister. Im logistischen Bereich gestalten sich die Profilierungsaktivitäten wie im theoretischen Modell. Die Marketingdienstleistungen werden als Lösungen verpackt. Die analysierten Fallbeispiele zeigen, dass keiner der theoretisch beschriebenen Geschäftsmodelle in der Praxis zu treffen ist. Eine durch die Landes-, Branchenund lokalen Gegebenheiten bedingte Dynamik der Positionierung und der Profilierung kann beobachtet werden. Durch das Outsourcing-Trend in der Pharmaindustrie hat sich die strategische Chance für die Pharmagrosshändler eröffnet, die Aktivitäten im Bereich der Ausgangslogistik zu übernehmen. Im Rahmen dieses neuen Geschäftsfeldes „Prewholesale“ agiert der Grosshändler als Agent im Namen und auf Rechnung der Pharmaindustrie. Die Profilierung gestaltet sich zweistufig: durch eine 4.5 Zusammenfassung des Kapitels 201 primäre Ausrichtung auf den Auftraggeber (die Pharmaindustrie) und eine sekundäre auf seine Kunden. Alle grossen Grosshändler bauen ein eigenes Geschäftsfeld „Prewholesale“ auf. Die Konkurrenz verschärft sich auch infolge der Markteintritte von spezialisierten Logistikunternehmen. Die einzelnen Angebote zeichnen sich in der Zeit der Untersuchung immer noch durch wenig Profilierung aus. Unter den etablierten Pharmagrosshändlern ist das Bestreben sichtbar, die Stärken aus dem Geschäftsfeld Grosshandel auf das Geschäftsfeld Prewholesale zu übertragen. Dabei werden die Verflechtungen zwischen den beiden Geschäftsfeldern wirksam. Die gute Kenntnis dieser Verflechtungen und die Berücksichtigung der Chancen und Risiken verbunden mit einer expliziten Horizontalstrategie sind die Voraussetzungen, einen Wettbewerbsvorteil auf Unternehmensebene zu erlangen. 202 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung Im Kapitel 4 wurden die Begriffe der Positionierung und der Profilierung im Grosshandel vorgestellt. Drei Geschäftsmodelle mit den dazugehörenden Profilierungsmöglichkeiten wurden anhand von Fallbeispielen aus dem Pharmagrosshandel beschrieben. Die Frage „Welche Strategie?“ wurde beantwortet. Im vorliegenden Kapitel 5 werden Antworten auf die Frage „Wie gehe ich bei der zweiseitigen Profilierung vor?“ gesucht. Somit wird das vierte und letzte Ziel dieser Dissertation erreicht. Dabei werden zwei Subziele verfolgt: Erstens werden Erkenntnisse über die Herausforderung der zweiseitigen und insbesondere der zweistufigen Profilierung angestrebt. Zweitens werden erste Hinweise auf Stärken und Schwächen des Rasters aufgezeigt. Nach der Vorstellung eines theoretisch abgeleiteten Rasters wird das Vorgehen ausführlich am Beispiel der Voigt AG präsentiert – des drittgrössten Pharmagrossisten in der Schweiz. Das Unternehmen positioniert sich als Problemlöser und hat eine zweistufige Profilierung. 5.1 Theoretische Grundlagen Der Ursprung der Marketingplanung liegt in der Forschungsrichtung der Unternehmensplanung (Ansoff, 1965), die sich mit der Planung als Manageraktivität im Allgemeinen beschäftigt. Demgemäss werden die Strategien in einem Unternehmen im Rahmen eines logischen und analytischen Prozesses entwickelt. Nach McDonald (1996) besteht keine Differenz zwischen der strategischen Unternehmensplanung und der strategischen Marketingplanung, da die Erste den strategischen Marketingplan für das Unternehmen darstellt. Zahlreiche empirische Studien weisen auf den Einfluss der strategischen Unternehmensplanung für den finanziellen Erfolg hin.364 In Erfolgsbeispielen kann eine Marketingstrategie in drei Phasen beobachtet werden: Festlegung der Unternehmensstrategie, Aufbau einer wettbewerbsfähigen Positionierung und Implementierung der Positionierung.365 Die einzelnen Schritte in jeder Phase der 364 Vgl. McDonald, 1996, S. 9f. 365 Siehe Abschnitt 4.1 des Kapitels 4. 5.1 Theoretische Grundlagen 203 Marketingplanung werden durch unterschiedliche Autoren durchleuchtet. Die Tabelle 5.1 fasst sie zusammen. Prozessphase und Ziele Schritt 1. Unternehmens- 1.1 Vorgaben und Analyse der Rahmenbestrategie dingungen im Unternehmen 1.2 Markt- und Konkurrenzanalyse 1.3 Unternehmensanalyse: Stärken und Schwächen 2. Positionierung 2.1 Zielmarkt und Zielgruppen: Umfang festlegen 3. Profilierung Autoren DiMingo, 1988; Belz, 1991; Hooley/Saunders, 1993; Rudolph, 1993; McDonald, 1996 Aaker/Shansby, 1982; DiMingo, 1988; Shooten/ McAlexander, 1989; Belz, 1991; Hooley/Saunders, 1993; Rudolph, 1993; McDonald, 1996; Kotler/Bliemel, 2001 DiMingo, 1988; Shooten/McAlexander, 1989; Belz, 1991; Hooley/Saunders, 1993; Rudolph, 1993; McDonald, 1996; Kotler/Bliemel, 2001 Aaker/Shansby, 1982; DiMingo, 1988; Hooley/Saunders, 1993 2.2 Strategische Ziele und alternative Positionierungsstrategien Wettbewerbsvorteil wählen DiMingo, 1988; Shooten/McAlexander, 1989; Belz, 1991; Hooley/Saunders, 1993; Rudolph, 1993; McDonald, 1996; Kotler/Bliemel, 2001 3.1 Profilierung durch den Marketing-Mix DiMingo, 1988; Shooten/McAlexander, 1989; Belz, 1991; Hooley/Saunders, 1993; Rudolph, 1993; McDonald, 1996; Kotler/Bliemel, 2001 3.2 Unternehmensorganisation anpassen Belz, 1991; Hooley/Saunders, 1993; Rudolph, 1993 3.3 Umsetzung: Fehler Vorbeugemassnahmen Belz, 1991; Rudolph, 1993; Bonoma, 1984; McDonald, 1996 204 Prozessphase und Ziele 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung Schritt Autoren 3.4 Controlling: Kosten/Nutzen Aaker/Shansby, 1982; Shooten/McAlexander, 1989; Belz, 1991; Hooley/Saunders, 1993; Rudolph, 1993; Kotler/Bliemel, 2001 Tabelle 5.1: Phasen und Schritte der strategischen Marketingplanung in der Literatur Quelle: eigene Darstellung Die generischen Vorgehenskonzepte der Positionierung und Profilierung werden mit den Überlegungen von Porter (1985) über die Quellen und die Gewinnung von Wettbewerbsvorteilen und über die sich daraus ergebenden Positionierungsstrategien verbunden. Im Zentrum des Vorgehens steht die Wertkettenanalyse. Die Grundidee der Wertkettenanalyse ist, die wertschöpfenden Prozesse in konkurrierenden Unternehmen zu vergleichen, um ein besseres Verständnis der Kosten und der Differenzierungsmöglichkeiten zu gewinnen.366 Als analytisches Instrument findet sie eine breite Anwendung bei Fragestellungen im strategischen Management (siehe Tabelle 5.2). Autor Fragestellung Forschungsgebiet Porter M. (1985) Analyse der Quellen für Wettbewerbsvorteile, Definition von Wettbewerbsstrategien Strategisches Management Kogut B. (1985) Entwicklung globaler Strategien Strategisches Management Thompson / Analyse der Kostenstruktur im Strickland (1986) Vergleich zu den Konkurrenten Strategisches Management Jarillo (1988) Strategisches Management Strategische Netzwerke Hergert / Morris Aufbau von Wettbewerbsvorteilen (1989) und Herausforderungen bei der Suche nach finanziellen Informationen für die Wertkettenanalyse 366 Vgl. Kuss/Tomczak, 1999, S. 37. Strategisches Management 5.1 Theoretische Grundlagen 205 Autor Fragestellung Forschungsgebiet Reimann (1989) Aufbau von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen Strategisches Management Day (1990) Entwicklung von Marketingstrategien Strategisches Marketing Gardener (1990) Suche nach strategischen Perspektiven für Bankkonglomerate Strategisches Management Vilen L. (1990) Entwicklung von InternationalisieStrategisches rungsstrategien und ihre Auswertung Management Bergeron/Buteau/ Raymond (1991) Entwicklung von Informationssystemen Management Belz, 1991 Ansätze zur Indetifizierung und Gestaltung erfolgreicher Leistungssysteme Strategisches Marketing Moore (1992) Einbeziehen der Umwelt in die Entwicklung der Strategie Strategisches Management, Umweltmanagement Leutenegger (1994) Entwicklung von wettbewerbsfähigen Informationssystemen für die Pharmaindustrie Technologiemanagement Normann Ramirez (1994) / Entwicklung interaktiver Strategien Strategisches Management Rudolph (2000) Beschreibung erfolgreicher Geschäftsmodelle im europäischen Handel Strategisches Handelsmanagement Tabelle 5.2: Ausgewählte strategische Fragestellungen mit Einsatz der Wertkettenanalyse Quelle: eigene Darstellung Hergert/Morris (1989) definieren drei Vorteile der Wertkettenanalyse, welche auch für den Grosshandel gelten: 367 1) Als erster Schritt bei der Strategieformulierung gilt, alle Aktivitäten zu identifizieren und dann jene zu wählen, die ein Profilierungspotezial haben und somit Wirtschaftserfolg versprechen. Im klassischen Wertkettenmodell kann zwischen neun Wertaktivitäten unterschieden werden, fünf primären (Eingangs367 Vgl. Hergert/Morris, 1989, S. 178. 206 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung logistik, Produktion, Ausgangslogistik, Marketing und Kundendienst) und vier unterstützenden Aktivitäten (Bereitstellung von Infrastruktur, menschliche Ressourcen, Technologien und andere Ressourcen).368 Gemäss der Analyse im Kapitel 3 und Kapitel 4 handelt es sich bei der Wertkette des Grosshandels um drei Bündel von primären wertschöpfenden Aktivitäten, logistische, Marketingund Finanzdienstleistungen und fünf unterstützende Aktivitäten: Unternehmensinfrastruktur, Personalwirtschaft, Technologie, allgemeine Beschaffung und Prozess- bzw. Qualitätsmanagement und Controlling (siehe Abbildung 5.1). In dieser ganzheitlichen Betrachtung liegt der grosse Unterschied zu PIMS-369 und den Portfoliomodellen370, wo der Fokus primär auf den Marktanteil bzw. die Branchenstruktur gelegt wird. 2) Im Rahmen der Grosshandelswertkette bestehen Verknüpfungen nicht nur zwischen den unterstützenden und primären Aktivitäten sondern auch zwischen den Aktivitäten innerhalb eines Bündels und zwischen den einzelnen Bündeln.371 Weitere Verknüpfungen sind auch an den Schnittstellen zu den Wertketten der Hersteller- und Einzelhandelskunden zu identifizieren. Sie ermöglichen die kooperative Optimierung der Wertkette und die Lösung von Koordinationsproblemen. 3) Die Konfigurierung und die Wirtschaftlichkeit der Wertkette hängen auch von dem Wettbewerbsumfang (“competitive scope”) ab. Dieser wird später im Rahmen der Positionierungsentscheidung berücksichtigt. Vier Dimensionen beschreiben den Wettbewerbsumfang: Segmentumfang, vertikaler Umfang, geografischer Umfang und Branchenumfang.372 Der Segmentumfang charakterisiert die Ausrichtung auf bestimmte Kunden- und Produktsegmente und ist mit der Entscheidung über eine hohe Segmentzahl oder den Fokus auf einen oder wenige Segmente verbunden. “Just as differencies among segments favor narrow scope, however, interrelationships between the value chains serving different segments favor broad scope.”373 Der vertikale Umfang ist eng mit dem Grad der vertikalen Integration verbunden, d.h. wie die Aktivitäten unter dem Unter- 368 In der Literatur sind als Synonyme Leistungskette, Geschäftssystem, Value Chain zu finden. Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, 2001, S. 3487. Die unternehmensübergreifende Wertschöpfungskette, der Marketingkanal, wird im Kapitel 2 dieser Arbeit beschrieben. 369 Vgl. Buzzel/Gale, 1987. 370 Bekannte Portfoliomodelle sind die Marktwachstum-Marktanteil-Matrix der Boston Consulting Group und die Multifaktoren-Methode von General Electric, vgl. Kotler/Bliemel, 2001, S. 112. 371 Vgl. Abschnitt 3.2.3 des Kapitels 3 dieser Dissertation. 372 Vgl. Porter, 1985, S. 53f. 373 Porter, 1985, S. 55. 5.1 Theoretische Grundlagen 207 nehmen, seinen Lieferanten, Abnehmern und Vertriebskanälen aufgeteilt sind. Der geografische und der Branchenumfang bestimmen weitere Dimensionen der Geschäftstätigkeit. Logistische Dienstleistungen Unternehmensinfrastruktur Logistische Dienstleistungen Personalwirtschaft Marketingdienstleistungen Technologie Marketingdienstleistungen Allgemeine Beschaffung Finanzdienstleistungen Prozessmanagement / Controlling Finanzdienstleistungen Wertschöpfung für die Herstellerkunden Wertschöpfung für die Einzelhandelskunden Marktabdeckung Lagerhaltung Bestellabwicklung Spezialdienstleistungen Beratung Lagermanagement Abdeckung Marktverhalten Sortimentsaufbereitung Vertriebskontakt und Vertriebskonditionen Werbeunterstützung Marketingmanagementberatung Kreditunterstützung und Finanzierung Beratung Finanzmanagement Logistische Dienstleistungen Marketingdienstleistungen Finanzdienstleistungen Produktverfügbarkeit Feinverteilung, Lagerhaltung Bestellabwicklung Spezialdienstleistungen Beratung Lagermanagement Sortimentsbildung und Produktion Sortimentsaufbereitung Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen Werbeunterstützung Marketingmanagementberatung Kreditunterstützung und Finanzierung Beratung Finanzmanagement Abbildung 5.1: Modell der Wertkette und drei Bündel der primären wertschöpfenden Aktivitäten im Grosshandel Quelle: eigene Darstellung 4) Anschliessend wird die Positionierungsstrategie und die Profilierungsmassnahmen festgelegt. Die Wahl einer Strategieoption und ihre Implementierung durch den Aufbau eines Geschäftsmodells hängen erheblich von der guten Kenntnis der Struktur der gesamten Wertkette ab. 208 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung 5.2 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung Das Vorgehen der zweiseitigen Profilierung lehnt sich an dem generischen Vorgehen zur Erlangung von Differenzierungs- und Kostenvorteilen an, ausgearbeitet von Porter (1985).374 Die Zweiseitigkeit der Wertschöpfung des Grosshandels führt zu Anpassungen in diesem Konzept. Mit Hilfe der bestehenden Literatur und mittels Anwendung in einer auführlichen Fallstudie werden Erkenntnisse angestrebt, wie diese Anpassungen vorzunehmen sind. Abbildung 5.2 gibt einen Überblick über die Vorgehensschritte. Zweiseitig Zielkunden definieren 1 Einfluss auf die Wertketten der Kunden bestimmen 2 Rangfolge der Kunden3 bedürfnisse erstellen Profilierungspoteziale und Kostentreiber eruieren 4 Positionierungsstrategie und Profilierungs5 massnahmen wählen Nachhaltigkeit der Positionierungsstrategie sichern 6 Wertkette und Geschäftsmodell anpassen bzw. 7 neu konfigurieren Abbildung 5.2: Vorgehen der Profilierung im Grosshandel Quelle: eigene Darstellung Der Vorgehensraster erfüllt im Rahmen der Positionierung und der Profilierung im Grosshandel zahlreiche Aufgaben:375 – sensibilisiert das Grosshandelsmanagement für die Notwendigkeit einer marktorientierten Profilierung (Sinnfunktion), 374 Vgl. Porter, 1985, S. 118 und S. 162. 375 Vgl. Rudolph, 1993a, S. 33. 5.2 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung 209 – kommuniziert die Zielsetzungen der Profilierung in jedem Schritt (Zielfunktion), – konzentriert die Bemühungen auf die Schaffung eines überlegenen Kundennutzens (Fokussierungsfunktion), – schafft Übersicht über die vorhandenen Methoden und Instrumente in jedem Schritt (Ordnungsfunktion), – trägt zum Verständnis der Notwendigkeit laufender Profilierungsbemühungen bei, die zu einer ständigen Anpassung der Wertkette und des Geschäftsmodells führen (Schrittmacherfunktion), – führt zu einer besseren Abstimmung zwischen den einzelnen Entscheidungsebenen im Unternehmen (Harmonisierungsfunktion). 5.2.1 Zweiseitig Zielkunden definieren Im ersten Schritt wird der Zielkunde der Grosshandelsleistung identifiziert. Diese Rolle spielen zwei Gruppen von Unternehmen: Hersteller und Einzelhändler bzw. Weiterverarbeiter. Sie sind voneinander abhängig, da sie Mitglieder des Marketingkanals als Netzwerk interdependenter Institutionen sind.376 Bei der Analyse der Zielkunden werden zwei Betrachtungsweisen einbezogen. Zum einen sind es die Charakteristiken der Unternehmen, welche erste Annahmen bezüglich ihrer Nachfrageprofile nach der Grosshandelsleistung ermöglichen. Zum anderen sind es die Segmentierungskriterien, welche die Grosshändler bei der Kategorisierung und Auswahl der Zielkunden anwenden. Im Kapitel 3 wurden die Kriterien der Einschaltung des Grosshändlers seitens der Hersteller und der Einzelhändler beschrieben.377 Die Kriterien können auch als Charakteristika der potenziellen Grosshandelskunden betrachtet werden, insbesondere Unternehmensgrösse, Finanzkapazität, Bedürfnis nach Kontrolle, Managementerfahrung, Kenntnisse über die Kunden, situative Ziele und Strategien.378 Der Hersteller wird die Grosshandelsleistung nachfragen, wenn er eine kleine Unternehmensgrösse, kleine Finanzkapazität, wenig Kenntnisse über den Einzelhandel, ein kleines Bedürfnis nach Kontrolle über den Marketingkanal und wenig Managementerfahrung hat. Der Einzelhändler wird die Grosshandelsleistung nachfragen, wenn er eine kleine Unternehmensgrösse, kleine Finanz- 376 Vgl. Stern/El-Ansary, 1992. 377 Vgl. Berman, 1996, Rosenbloom, 1999. 378 Vgl. Abschnitt 3.1 im Kapitel 3. 210 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung kapazität, wenig Kenntnisse über den Hersteller, ein kleines Bedürfnis nach Kontrolle über den Marketingkanal und wenig Managementerfahrung hat. Weitere Kriterien sind die situativen Vertriebsstrategien der Hersteller und die Beschaffungsstrategien des Einzelhandels, insbesondere in Bezug auf Direkteinkauf und -verkauf unter Umgehung des Grosshandels. In der Literatur finden sich nur wenige empirische Untersuchungen zum Prozess, wie die Grosshändler ihre Kunden segmentieren. Aus der Business-to-BusinessLiteratur lassen sich jedoch Kriterien wie Profitabilität, Sortiment, Nutzen für den Endkonsumenten, Anzahl Neuprodukteinführungen, Preis und Konditionen, Erfordernisse des Distributionssystems, aber auch strategische und taktische Überlegungen des Grossisten ableiten.379 Die Kriterien haben in jeder einzelnen Grosshandelsbranche unterschiedliche Anwendung und Gewichtung. Das Ziel an dieser Stelle ist nicht die Ausarbeitung eines Katalogs der Segmentierungskriterien, sondern die Beschreibung der in im Pharmagrosshandel angewendeten Kriterien. 5.2.2 Einfluss auf die Wertketten der Kunden bestimmen Der Grosshändler kann die Wertkette seiner Zielkunden beeinflussen, indem er ihre Kosten senkt oder ihre Wertschöpfung steigert. Alle Berührungspunkte zwischen den Wertaktivitäten des Grossisten und diesen der Kunden bergen Profilierungspotenziale. Die Veränderungen in der Wertkette der Kunden wirken sich auch auf die Profilierungsmöglichkeiten aus und deshalb sind Analysen der Trends im Grosshandelsumfeld durchzuführen.380 Hinweise, wie und wo sich die Wertkette des Grosshandelsunternehmens und die Wertketten seiner Zielkunden berühren, geben die wertschöpfenden Bündel, welche im Kapitel 3 vorgestellt wurden. In diesem Schritt sind drei Fragen zu beantworten: − Welches sind die Aktivitäten, in denen der Zielkunde Kernkompetenzen innehat? − In welchen Bereichen leistet der Grosshändler einen Beitrag zur Kostensenkung bzw. Qualitätssteigerung bei den Kunden? − Welche konkreten Dienstleistungen bietet er an? 379 Vgl. McGodrick/Douglas, 1983, S. 14f., siehe auch Kohli, 1989 und Sheth, 1996. 380 Vgl. die Analyse der Veränderungen im Grosshandelsumfeld im Kapitel 2 dieser Arbeit. 5.2 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung 211 5.2.3 Rangfolge der Kundenbedürfnisse erstellen Die Bedürfnisse der Zielkunden können in zwei Gruppen aufgeteilt werden: Kundennutzen und Unternehmensidentität. Die erste Gruppe betrifft die unmittelbar generierten Kostenminimierung oder Qualitätssteigerung und ihre faktenbasierte Begründung. Eine einmalige Unternehmensidentität beeinflusst die Wahrnehmung des geschaffenen Nutzens im Sinne der von DiMingo (1988) beschriebenen psychologischen Positionierung. Sie baut auf den Faktoren der Marktpositionierung auf und bewegt den Kunden mit Hilfe der Marketingkommunikation zum Kauf. Beispiele dafür sind die Reputation, das Erscheinungsbild in den Medien und beim Kundenkontakt, die Gebäudeeinrichtung, ein gerade neu entwickeltes oder traditionsreiches Geschäft, der bestehende Kundenstamm, das Image der Muttergesellschaft usw. Die Rangfolge dieser Bedürfnisse kann durch eine Analyse der Wertkette des Abnehmers basierend auf internem Know-how und durch Interviews mit Zielkunden bestimmt werden. Diese Analyse lässt sich in vier Schritten durchführen: − Die für den Markt relevanten Bedürfnisse herausfiltern Die Wertschöpfung des Grosshandels entsteht aufgrund eines bestimmten Bedürfnis seitens des Herstellers und / oder des Einzelhändlers. Tabelle 5.3 veranschaulicht eine Zusammenstellung der in der Literatur meist erwähnten Bedürfnisse. Hersteller Kundennutzen oder Bedürfnis nach ... Marktabdeckung grosser Zielmärkte Marktabdeckung risikoreicher Zielmärkte zuverlässigem Transport Abholungen ab Haus grossen Lagerräumlichkeiten Preis und Konditionen Grösse der Bestellungen des Einzelhandels Mengenauflösung schneller Bestellabwicklung Kauf- und Verkaufskompetenz qualitativen Marktinformationen technischer Kompetenz Unternehmensidentität oder Bedürfnis nach ... Reputation Werbung und Absatzförderung Erscheinungsbild Gebäude Erscheinungsbild Aussendienst Erscheinungsbild Innendienst Erscheinungsbild Transportpersonal Kundenstamm Tradition Unabhängigkeit Länge der Kundenbeziehung 212 Einzelhandel 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung Kundennutzen oder Bedürfnis nach ... Rücknahme und schneller Auswechslung defekter Produkte Beratung und Schulung Finanzierung pünktlichen Lieferungen schneller Bestellabwicklung grossen Lagerräumlichkeiten Einkaufserleichterung durch Sortimentszusammenstellung Wahl des Produkte-Mix Lieferung in individualisierten Mengen Kreditkonditionen und Finanzierung konkurrenzfähigen Preisen Garantieleistungen Reparaturen Rücknahme defekter Produkte Entsorgung Beratung Werbeprogrammen Marketingunterstützung Managementunterstützung Ladeneinrichtung Rechnungslegung Rechtsberatung Unternehmensidentität oder Bedürfnis nach ... Image Werbung und Verkaufsförderung Verpackung Erscheinungsbild Lieferpersonal Erscheinungsbild Innen- und Aussendienst Lieferantenliste Unabhängigkeit Länge der Beziehung Tabelle 5.3: Mögliche Bedürfnisse der Grosshandelskunden Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Porter, 1985, Rosenbloom, 1987, McKalley, 1994 – Eine Gewichtung der Bedürfnisse (niedrigste Bedeutung = 1, höchste Bedeutung = 10) ist sowohl durch den Grosshändler als auch durch seine Abnehmer (Hersteller und Einzelhändler) vorzunehmen. – Sowohl der gestiftete Kundennutzen als auch der Aufbau und Stärkung der Unternehmensidentität können ein Basis- oder ein Zusatzbedürfnis darstellen. Die Basisbedürfnisse betreffen die Grundanforderungen aller Kunden an die Wertschöpfung des Grosshandels. Die so empfundede Grosshandelsleistung 5.2 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung 213 unterscheidet sich nicht von der Konkurrenz. Die individuellen Zusatzbedürfnisse einzelner Zielgruppen bieten im Gegensatz dazu Profilierungsmöglichkeiten für den Grosshändler. Es gilt in diesem Schritt, die Bedürfnisse nach den Kriterien „Basis“ und „Zusatz“ zu klassifizieren. 5.2.4 Profilierungspoteziale und Kostentreiber eruieren Die Profilierungspotenziale und die Kostentreiber lassen sich in zwei Unterschritten identifizieren. – Profilierungs- und kostenrelevante Aktivitäten analysieren Personal Technologie Allgemeine Beschaffung X X X X Prozessmanagement Unternehmensinfrastruktur Finanzdienstleistung Marketingdienstleistung Logistische Dienstleistung In einem ersten Schritt werden Aktivitäten mit Profilierungspotenzial identifiziert, in dem die primären und unterstützenden Wertaktivitäten zu Kundenbedürfnissen zugeordnet werden (Abbildung 5.3). Kundennutzen Normenkonform Normenkonform X Lieferzeit Lieferzeit X Produktmerkmale Produktmerkmale X Qualitätder derVerkäufer Qualität Verkäufer X X X X X Werbung X X Attraktives Gebäude X X X Unternehmensidentität X X X Abbildung 5.3: Beispiel für die Beziehung zwischen den Bedürfnissen und den Wertaktivitäten Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Porter, 1985, S. 151 214 – 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung Profilierungspotenziale und Kostentreiber identifizieren Da eine erfolgreiche Positionierungsstrategie auf unternehmenseigenen Kompetenzen basiert, ist die Analyse der Profilierungspotenziale und der Kostentreiber in der Grosshandelswertkette zentral für die Wahl des Wettbewerbsvorteils. Spezielle Aufmerksamkeit sollte dabei den unternehmenspolitischen Entscheidungen, den internen Verknüpfungen und den Verknüpfungen zu den Wertketten der Hersteller und Einzelhändler geschenkt werden. Neue Profilierungsmöglichkeiten können durch den Vergleich mit der Konkurrenz und durch Analogien mit anderen Branchen gewonnen werden, welche eine ähnliche Dienstleistung erbringen oder welche an denselben Endabnehmer verkaufen. Die aktuelle Positionierungsstrategie und ihre Umsetzung werden erheblich durch die Managemententscheidungen in der Vergangenheit beeinflusst. Die Wahl der einzelnen Grosshandelsaktivitäten, die Intensität und der Aufwand bei ihrer Ausführung sowie die Zusammenstellung eines Wertangebots sind die zentralen Fragen. Mehr Investitionen in indirekte Aktivitäten führen in der Regel zu einer besseren Leistung und niedrigeren Kosten bei der Ausführung der primären Aktivitäten. So z.B. wurden durch die Einführung neuer Informationstechnologien die logistischen Prozesse revolutioniert. Der richtige Einsatz neuer Technologien wird positiv durch eine Prozessorganisation unterstützt. Das Vorhandensein von Verfahrensbeschreibungen kann auch das Know-how im Unternehmen sichern und die Einhaltung von Qualitätsstandards gewährleisten, z.B. im Rahmen der Guten Distributionspraxis. Nicht zuletzt beeinflussen die Massnahmen in Bezug auf das Kompetenzniveau der Mitarbeiter die Qualität der erbrachten Dienstleistungen massgeblich. Enge Beziehungen mit den Lieferanten eröffnen Profilierungspotenziale gegenüber dem Einzelhandel und umgekehrt. Beste Resultate können bei der gemeinsamen Optimierung der Aktivitäten erreicht werden, wie z.B. durch Schulungen, gemeinsame Verkaufsinitiativen, Unterstützung in Personal-, Infrastruktur-, Management-, Controllingfragen etc. Die Koordination der Spezifikationen, Bestellungen und Lieferungen können die Gesamtkosten erheblich senken.381 Die Integration zusätzlicher Hersteller- oder Einzelhandelsaktivitäten erleichtert das Management der Verknüpfungen, senkt die Beschaffungskosten und steigert die Kundenbindung für den Grosshandel. Die Integration wird durch den koordinierten Einsatz neuer Technologien ermöglicht, wie z.B. durch ein einheitliches EDV-System für Bestellung und Berichterstattung beim Hersteller, 381 Die gemeinsame Optimierung und die Koordination der Verknüpfungen zwischen den Wertketten sind Gegenstand des Supply Chain Managements. 5.2 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung 215 Grosshändler und Einzelhändler. Desintegration kann auch zu Profilierung führen. Dank der Ausgliederung der physischen Distribution an Logistikspezialisten können mehr Ressourcen für wertschöpfende Dienstleistungen und die Koordination der restlichen Aktivitäten eingesetzt werden. Im Rahmen von Holdingstrukturen führt die gemeinsame Nutzung des Aussendienstes sowohl zur Kostensenkung als auch zur Qualitätssteigerung. Weitere Synergien sind im gemeinsamen Einkauf zu finden. Detaillierte Vorstellung der Profilierungsmöglichkeiten und Kostentreiber je gewählter Positionierungsstrategie ist in den Tabellen 4.2, 4.3 und 4.4 dieser Arbeit enthalten. 5.2.5 Positionierungsstrategie und Profilierungsmassnahmen auswählen Aufgrund der Analyse der Profilierungspotenziale in der Wertkette und der IstPositionierung ergeben sich für den Grosshändler zwei Möglichkeiten: – Die Profilierungspotenziale in der Wertkette und die Ist-Positionierung stimmen überein. Die Massnahmen zur Profilstärkung sind aufzuzeigen und – die Profilierungspotenziale in der Wertkette entsprechen nicht der IstPositionierung. In diesem Fall ist eine Umpositionierung erforderlich. Die Wahl der Profilierungsmassnahmen berücksichtigt den Kundennutzen und die für ihre Umsetzung benötigten Investitionen.382 Zunächst gilt die Massnahmen zu eruieren, welche durch eine kurzfristige Optimierung der eigenen Wertkette ohne erhebliche zusätzliche Investitionen getroffen werden. Zweistens ist der Verbundnutzen zwischen mehreren Massnahmen zu beachten, d.h. Profilierungsmassnahmen mit geringem Kosten-/Nutzenverhältnis können zu einer Profilstärkung führen und sind nicht auszuschliessen.383 Drittens führt der Versuch, die eigenen Aktivitäten einmalig auszuführen, zur Reduktion der anfallenden Kosten. Dies geschieht bei einer besseren Koordination zwischen Aktivitäten und Wertketten, bei einer engen Kundenbeziehung, bei der Integration einer Tätigkeit oder wenn eine neue Technologie eingesetzt wird, welche die Konkurrenz nicht kennt. 5.2.6 Nachhaltigkeit der Positionierungsstrategie sichern Gemäss Porter (1985): “Most successful differentiation strategies cumulate multiple forms of differentiation throughout the value chain, and address both 382 Vgl. Rudolph, 1993a, S. 58. 383 Vgl. Rudolph, 1993a, S. 60. 216 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung use and signalling criteria.”384 Übertragen auf den Grosshandel bedeutet dies, sich mittels mehrerer Wertaktivitäten und Verknüpfungen zu differenzieren. Hooley/Saunders (1993) lehnen sich an Porter (1985), Levitt (1982) u.a. an und erweitern die Liste der Erfolgsfaktoren beim Aufbau und beim Schutz einer Wettbewerbsposition.385 Von entscheidender Bedeutung ist das Angebot einer einmaligen Leistung, die einen Kundennutzen darstellt. Dabei ist die Identifizierung der Profilierungsmassnahmen wichtig, welche eine nachhaltige Einmaligkeit gegenüber der Konkurrenz versprechen. “The most successful differentiations are those that use core skill, competence or marketing asset of the company that competitors do not possess and will find it hard to develop.”386 Barrieren wie Lernen, Verknüpfungen, Verflechtungen und First-Mover-Vorteile sichern einen höheren Schutz gegen Imitation seitens der Konkurrenz. Je klarer auf bestimmte Kundensegmente fokussiert wird, desto grösser sind die Erfolgschancen der Positionierungsstrategie. Ein Weg, die aufgebaute Position zu schützen, ist die Pflege einer engen Beziehung zu den Kunden durch das Angebot zahlreicher Dienstleistungen. Sowohl die langfristige Kundenbindung als auch die Kundenakquisition werden durch den Aufbau einer starken Marke und einer einmaligen Unternehmensidentität unterstützt. 5.2.7 Wertkette und Geschäftsmodell anpassen bzw. neu konfigurieren Sowohl bei einer Stärkung des Profils als auch bei einer Umpositionierung werden die Investitionen zu den profilgebenden Aktivitäten alloziert und gleichzeitig wird der Aufwand in den nicht profilierungsrelevanten Aktivitäten reduziert. “A successful differentiator reduces cost aggressively in activities that are unimportant to buyer value.”387 Dies können Kernaktivitäten, unterstützende Aktivitäten, Verknüpfungen und Verflechtungen sein. Eine solche Veränderung des operativen Modells sollte auch zu Anpassungen in den anderen Elementen des bestehenden Geschäftsmodells führen.388 Eine Neukonfigurierung der wertschöpfenden Aktivitäten führt zum Aufbau eines neuen Geschäftsmodells. Eine Orientierung über den idealtypischen Aufbau der unterschiedlichen Geschäftsmodelle findet sich im Kapitel 4 dieser Arbeit. 384 Vgl. Porter, 1985, S. 163. 385 Vgl. Hooley/Saunders, 1993, S. 218f., Dan, 1978, Fisher, 1991. 386 Hooley/Saunders, 1993, S. 215. 387 Vgl. Porter, 2000, S. 163. 388 Vgl. Shostack, 1987. 5.3 Fallstudie Voigt AG 217 5.3 Fallstudie Voigt AG 5.3.1 Ausgangssituation Die Voigt AG mit Hauptsitz in Romanshorn ist im Pharmagrosshandel tätig und beschäftigt etwa 330 Mitarbeiter. Das Unternehmen hat seit 2002 eine Holdingstruktur, welche aus drei Geschäftsfeldern besteht: Pharmagrosshandel als Kerngeschäft, Prewholesale-Dienstleistungen für Hersteller und internationaler Beschaffung (siehe Abbildung 5.4). Voigt Holding AG Romanshorn Voigt AG Voigt Instrie Service AG Voigt International AG Pharma Grosshandel Pharma Prewholesale Pharmaceutical Sourcing Abbildung 5.4: Organisationsstruktur Voigt AG Quelle: Voigt AG, 2006 Die Voigt AG gehört zu den drei führenden Pharmagrossisten der Schweiz (Marktanteil 2005: 15%). Das Unternehmen bietet Dienstleistungen für Apotheken und Drogerien sowie Ärztelieferanten auf der Absatzseite und Dienstleistungen für Lieferanten auf der Beschaffungsseite an. Die Positionierung lässt sich in drei Schlagwörtern ausdrücken: „kundennah“, „verlässlich“ und „unabhängig“. Die Voigt AG wurde in 1904 als Handelsgeschäft mit Pharmaprodukten gegründet. Seitdem wächst das Unternehmen und übernimmt immer grössere Geschäftsräumlichkeiten – in 1947, 1971 ein neues Hochregallager, 1995 ein neues Logistikzentrum in Romanshorn, 1998 ein neues Verteilzentrum in Wangen bei Olten. 2005 erfolgt die Eröffnung ein weiteres Verteilzentrums in Neuendorf und die Ablösung des Standortes in Wangen. 1996 wird der Kommissionierbereich automatisiert und seit 2000 verfügt das Unternehmen über ein leistungsfähiges Informatiksystem (SAP R/3). Ab 2006 werden neue einheitliche Erscheinungsbild und Corporate Design präsentiert. 218 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung 5.3.2 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung 5.3.2.1 Zweiseitig Zielkunden definieren Sowohl auf der Beschaffungsseite als auch auf der Absatzseite arbeitet Voigt mit Unternehmen von unterschiedlicher Grösse. Auf der Beschaffungsseite gehören die Partner auch zu verschiedenen Branchen, wie z.B. Pharma, Konsumgüter und Kosmetik, und bieten komplementäre Sortimente an. Die grossen und global agierenden Pharmahersteller zeichnen sich durch eine professionelle Marketingund Verkaufsorganisation, durch gute Kenntnisse über den Medikamentenmarkt und solide Managementerfahrung aus. Auf der Absatzseite sind es Unternehmen, welche beim Vertrieb der Medikamente im intensiven Wettbewerb zueinander stehen, wie z.B. Apotheken, Drogerien, Ärztelieferanten und Spitäler. Ihre Besitzverhältnisse beeinflussen die Finanzkraft und das Bedürfnis nach Kontrolle über die Beschaffung und somit den Bedarf nach der Grosshandelsleistung. Im Rahmen einer Gruppierung können die Apotheken oder Drogerien ihre Selbständigkeit beibehalten und in derselben Zeit vom gemeinsamen Einkauf und anderen Dienstleistungen profitieren. Der Bedarf nach Marketing- und Managementberatung ist aber weiterhin vorhanden. Die Ketten sind im Besitz eines einzelnen Unternehmens und die Grosshandelstätigkeit wird im Rahmen der Holdingstruktur erbracht. Die Art der durch den Grosshändler beschaffenen Sortimente wird weitgehend von der Nachfrage der Apotheken und anderer Fachhändler bestimmt. Der Auslöser für die Beschaffung sind die Bestellungen des Fachhändlers. Die Segmentierung der Lieferanten nach bestimmten Kriterien findet aus drei Gründen nicht statt. Erstens ist das Medikamentensortiment als Ganzes sehr eingeschränkt – ca. 18’000 unterschiedliche Darreichungsformen. Zweitens ist jeweils nur ein Lieferant für den Verkauf von Originalmedikamenten und Generika berechtigt. Zweit- und Drittlieferanten gibt es meistens nicht. Das ist eine weitere Bestätigung für die grosse Verhandlungsmacht der Lieferanten. Drittens finden die gesetzlich zugelassenen Parallelimporte immer noch eine eingeschränkte Verbreitung. Die Apotheken stellen die wichtigste Kundengruppe auf der Absatzseite dar und die Analyse richtet sich speziell auf diese Gruppe. Unter dem Begriff Fachhandelskunden werden die Apotheken verstanden. Weitere Kundengruppen sind Drogerien, Ärztelieferanten und Reformhäuser (siehe Abbildung 5.5). 5.3 Fallstudie Voigt AG 219 11% 1% Apotheken Drogerien Ärztelieferanten Reformhäuser 21% 67% Abbildung 5.5: Fachhandel und Weiterverkäufer als Kunden von Voigt AG Quelle: Voigt AG, 2006 Obwohl in der Realität ein Käufermarkt herrscht, werden bei der Akquisition neuer Apothekenkunden einige Segmentierungskriterien angewendet: – Tiefe logistische Kosten. Priorität haben die Neukunden, welche sich in der Nähe festgelegter Touren befinden. Neue Touren zahlen sich erst dann aus, wenn eine genügend hohe Anzahl Abladeadressen vorhanden ist. – Zukunftsträchtigkeit des Geschäftsmodells. Apotheken werden vor Drogerien und Ärztelieferanten leicht bevorzugt, da sie in Bezug auf die Abgabekompetenz von Medikamenten rechtlich abgesichert sind. – Zugehörigkeit zu einer Apothekengruppierung. Mehr als 50% der Apotheken und zwei Drittel der Drogerien389 sind gruppiert oder gehören zum Einflussbereich einer Gruppierung. Die Akquisition von Gruppierungen wird für den Erfolg von Voigt als sehr wichtig eingestuft. – Standorte in Einkaufszentren, z.B. in der Nähe von Migros und Coop, werden attraktiver. – Bonität. Dieses klassische Kriterium wird auch berücksichtigt. Sowohl auf der Beschaffungsseite als auch auf der Absatzseite ist Voigt in Teilbereichen mit einer Umgehung konfrontiert. Die Pharmahersteller vertreiben die Medikamente durch den Grosshandel und zu 30% direkt an die Apotheken und Ärzte. Einerseits fördern die Pharmahersteller den Direkteinkauf bzw. -vertrieb durch spezielle Rabattsysteme. Andererseits kann die Apotheke nach dem Gesetzt direkt einkaufen. Die Praxis etabliert sich, Direkteinkauf (insbesondere bei neuen und teuren Produkten) mit dem Einkauf über den Grosshandel (für die täglichen Einkäufe) zu kombinieren. Eine weitere Strategie des 389 Vgl. www.drogistenverband.ch, 2005. 220 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung Fachhandels ist, beim Direkteinkauf die Verrechnung durch den Grosshandel zu erledigen. 5.3.2.2 Einfluss auf die Wertketten der Kunden bestimmen Die Kernfunktionen der Produzenten von Orginalpräparaten liegen in der Organisation der Forschung und Entwicklung, der Produktion und Vermarktung. Bei den Generika- und OTC-Produzenten verlagern sich die Kompetenzen auf die Produktion, Vermarktung und die Verteilung der Medikamente. Unter den Fachhändlern, insbesondere Apotheken, liegen die Kernaktivitäten in der Abgabe von Medikamenten und der Beratung des Patienten. In der Ausgestaltung dieser Bereiche liegen die Quellen für Wettbewerbsvorteile der Grosshandelskunden. Sie werden deshalb danach streben, diese Bereiche selber unter Kontrolle zu halten.390 Die Voigt AG senkt die Kosten der Lieferanten durch die Übernahme sämtlicher Aktivitäten verbunden mit der Ausgangslogistik (Abbildung 5.6). Marktabdeckung Verteilzentrum in Romanshorn und seit 2005 in Neuendorf. Lagerhaltung Die Ware wird direkt beim Lieferanten abgeholt und in das eigene Lager ausgeliefert. Bestellabwicklung Die Ware kann bei Voigt via Internet bestellt werden. Diese Bestellungen sind nicht nur für die Apotheke, sondern auch für den Lieferanten sichtbar. Voigt leitet die Bestellung an den Lieferanten weiter und bekommt elektronische Überweisungsaufträge von ihm zugestellt. Weiterhin übernimmt Voigt bei Lieferungen, welche der Hersteller direkt an Voigt-Apothekenkunden ausführt, die Verrechnung an der Apotheke und die Zahlung an den Hersteller. Somit entlastet Voigt seine Lieferanten durch die Übernahme der LogistikArbeitsleistungen, der Kommissionierung und der Beschriftung sowie der Feinverteilung inkl. der Zustellung von Gratiswaren. Spezialdienstleistungen Eine Artikelliste aller Produkte, welche bei Voigt auf Lager geführt werden, kann erstellt werden. Die Retourenabteilung erledigt alle Retouren bei Fabrikations- 390 Vgl. Belz, 1991, S. 40. 5.3 Fallstudie Voigt AG 221 fehlern, für die der Hersteller die Verantwortung übernimmt, sowie auch bei Fehllieferungen und Transportschäden. Vorgelagerte Wertschöpfungsstufe: Pharmaindustrie Unternehmensinfrastruktur Personalwirtschaft Allgemeine Technologie, Forschung und Entwicklung Beschaffung Controlling, Umweltverträglichkeit Eingangslogistik Operationen: Chemische Produktion Galenische Produktion Ausgangslogistik: Transport Lagerhaltung Bestellabwicklung Marketing & Kundenservice Vertrieb: Produkt Kommunikation Preis Distribution Nachgelagerte Wertschöpfungsstufe: Fachhandel Wertschöpfungsstufe: Pharmagrosshandel Logistische Dienstleistungen Unternehmensinfrastruktur Logistische Dienstleistungen Technologie Marketing dienstleistungen Allgemeine Beschaffung Finanzdienstleistungen Qualitätsmanagement/ Controlling Allgemeine Technologie Beschaffung Personal Marketing dienstleistungen Unternehmensinfrastruktur Personalwirtschaft Controlling, Umweltverträglichkeit Eingangs- Operationen: logistik Lagerung Verpackung Finanzdienstleistungen Marketing Verkauf Patientenberatung Ladenlayout Werbeaktionen und -unterlagen Abbildung 5.6: Berührungspunkte zwischen der Wertkette des Grosshändlers und den Wertketten der vor- und nachgelagerten Kunden im Bereich der logistischen Dienstleistungen Quelle: Experteninterviews Voigt, 2004 und 2005 Die Berührungspunkte zu den Wertketten der Apotheken sind in der Eingangslogistik. Da werden sowohl Kostensenkung im Bereich der Infrastruktur, des Personals und der Beschaffung als auch Qualitätssteigerung erzielt. Produktverfügbarkeit Im Standard-Angebot sind zwei Lieferungen täglich enthalten. In der Deutschschweiz werden Apotheken auch dreimal beliefert. Einmal täglich bis zu mehrmals wöchentlich werden die Drogerien und Reformhäuser beliefert. Lagerhaltung, Bestellabwicklung, Feinverteilung Die Kommissionierung ist automatisiert in Mehrwegtransportbehältern und Kühlboxen, welche zu den Kunden transportiert werden. Der Transport erfolgt durch die 40 eigenen Fahrzeuge für Kunden, die je nach Standort innerhalb von zwei Stunden erreicht werden können. Online-Bestellungen sind auch für die Apotheken möglich. Bei Expressbestellungen werden Kurierdienste und die Post eingeschaltet. 222 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung Spezialdienstleistungen Eine Retourenabteilung erledigt alle Retouren aufgrund von Fehllieferungen, Fabrikationsfehlern, Falschbestellung etc. Zusätzlich wird auch die Entsorgung von Leergebinden, Altmedikamenten und übrigen Artikeln angeboten. Mit Ausnahme des Vertriebskontaktes leistet Voigt einen eher kleinen Beitrag zu Kostensenkung und Qualitätssteigerung bei der Pharmaindustrie im Bereich des Marketings (Abbildung 5.7). Abdeckung des Marktverhaltens Voigt bietet zahlreiche Informationen zur aktuellen Marktentwicklung und Auftragsvolumina an. Dazu zählen z.B. die Entwicklung der Lagerbestände, der Bestellmengen und der Umsätze pro Artikel und Kunden. Weitere nützliche Informationen sind in der Form von Internet-Links abrufbar. Vertriebskontakt Der Lieferant kann via KUKO (kundenspezifische Konditionen) individuelle Konditionen mit einer Mehrzahl von Kunden vereinbaren. So erhält der Kunde bei jeder Bestellung die vereinbarten Rabatte. Die Lieferung und die Verrechnung erfolgen durch Voigt. Auf jeder Rechnung besteht dann die Möglichkeit, einen Rechnungstext zu platzieren, der während einer Woche auf jede Rechnung an die Apotheken gedruckt wird. Nicht nur der Vertriebskontakt selbst, sondern auch die Verkaufsförderung der Lieferanten wird unterstützt. Zum Beispiel durch Werbung auf den VoigtFahrzeugen kann der Lieferant die bestehenden und potenziellen Kunden erreichen. Eine weitere Möglichkeit bietet die Voigt-Broschüre „Profit“ an, die an Apotheken, Drogerien, Reformhäuser und Ärztelieferanten verteilt wird. Die Broschüre stellt Sonderofferten vor und wird neunmal pro Jahr herausgegeben. Für Marketingaktionen und Mailings stellt Voigt Kundenadressen (Apotheken, Drogerien, Reformhäuser, Ärztelieferanten) als Datei oder in Form fertig gedruckter Adressetiketten zur Verfügung. Der Schwerpunkt im Bereich der Marketingdienstleistungen liegt bei Voigt eindeutig auf der Fachhandelsseite. Durch die Bereitstellung von Infrastruktur, Personen und durch Produktaktionen und vereinfachte Beschaffungswege werden Kostenersparnisse und vor allem Qualitätssteigerungen erreicht. Durch Sortimentsbreite und Lieferfähigkeit wird bei der Patientenberatung mittelbar die Qualität beeinflusst. 5.3 Fallstudie Voigt AG 223 Vorgelagerte Wertschöpfungsstufe: Pharmaindustrie Unternehmensinfrastruktur Personalwirtschaft Allgemeine Technologie, Forschung und Entwicklung Beschaffung Controlling, Umweltverträglichkeit Eingangslogistik Operationen: Chemische Produktion Galenische Produktion Ausgangslogistik: Transport Lagerhaltung Bestellabwicklung Marketing Kundenservice & Vertrieb: Produkt Kommunikation Preis Distribution Nachgelagerte Wertschöpfungsstufe: Fachhandel Wertschöpfungsstufe: Pharmagrosshandel Logistische Dienstleistungen Unternehmensinfrastruktur Logistische Dienstleistungen Technologie Marketing dienstleistungen Allgemeine Beschaffung Finanzdienstleistungen Qualitätsmanagement/ Controlling Allgemeine Technologie Beschaffung Personal Marketing dienstleistungen Unternehmensinfrastruktur Personalwirtschaft Finanzdienstleistungen Controlling, Umweltverträglichkeit Eingangs- Operationen: logistik Lagerung Verpackung Marketing Verkauf Patientenberatung Ladenlayout Werbeaktionen und -unterlagen Abbildung 5.7: Berührungspunkte zwischen der Wertkette des Grosshändlers und den Wertketten der vor- und nachgelagerten Abnehmer im Bereich der Marketingdienstleistungen Quelle: Experteninterviews Voigt, 2004 und 2005 Sortimentsbildung Auf Lager werden 33’000 Artikel geführt und darüber hinaus können 10’000 weitere Artikel bestellt werden. Die Sortimentsergänzungen erfolgen aufgrund der Wünsche der Fachhandelskunden. Einkaufskontakt Eine weitere sehr wichtige Dienstleistung sind die kundenspezifischen Konditionen (KUKO), welche jeden Kunden mit jedem Lieferanten verbinden und welche im Informatiksystem des Grosshändlers erfasst werden. Sie erlauben die individuelle Konditionengestaltung zwischen dem Hersteller und der Apotheke, wobei der Grosshändler die Verrechnung übernimmt. Beratung Im Rahmen des Dienstleistungspakets ApoPlus werden Marketing- und Werbeberatung für Apotheken und Drogerien angeboten. Neben der Beratung in Bezug auf das Erscheinungsbild und die Warenpräsentation werden auch die Produktion von Marketing- und Werbeunterlagen, die Aufstellung von 224 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung Marketingplan und -budget sowie die Organisation und Durchführung von Werbekampagnen angeboten. Die Werbekampagnen enthalten zusätzlich die Schaufenster- und Ladendekoration, zahlreiche Kundenmagazine, Ständer, Flyer, Inseratevorlagen sowie Schulung für das Apothekenteam. Die Kampagnen sind themenbezogen (betreffend Saisonkrankheiten, chronische Krankheiten, Zielgruppen in unterschiedlichem Alter und mit unterschiedlichen Hobbies etc.) und nicht produktbezogen. Die Themen werden in Zusammenarbeit mit den Apotheken festgelegt. Im Rahmen des ApoPlus-Programms, aber auch separat, wird zudem Unterstützung beim Controlling und bei der strategischen und taktischen Einkaufsplanung angeboten. Kennzahlen und Auswertungen werden zur Verfügung gestellt, welche einen optimalen Einkauf erlauben. Historische Daten werden durch Empfehlungen und Prognosen für die nächsten Monate vervollständigt. Es werden keine Kredit- und Finanzierungsdienstleistungen angeboten. 5.3.2.3 Rangfolge der Kundenbedürfnisse erstellen Die Kunden der Voigt AG auf der Beschaffungs- und Absatzseite stellen unterschiedliche Anforderungen an die Grosshandelsleistung. Tabelle 5.4 stellt einen Vergleich zwischen der Beurteilung der Bedürfnisse der Herstellerkunden durch Voigt und durch die Pharmahersteller selbst dar. Bei den Bedürfnissen der Pharmahersteller liegt der Schwerpunkt im Bereich der Logistik. Die Marktabdeckung, der zuverlässige Transport, das moderne Lager und die schnelle Bestellabwicklung geniessen höchste Priorität und gehören zum Basisangebot des Grossisten. Dies wird auch gesetzlich durch die Einführung der obligatorischen Guten Distributionspraxis gesichert. Das Volumen der Bestellungen des Fachhandels hat indirekt einen Einfluss auf die logistische Kapazität des Grosshändlers und ist ein Signal für die Basiserwartung der Hersteller. In dieser Hinsicht gewährt Voigt einen höheren Wert als die Hersteller. Unterschiedliche Bewertungen haben auch die beiden Bedürfnisse mit Zusatznutzen – nach einer Abholung ab Lager des Herstellers und nach der Rücknahme und Auswechslung defekter Produkte. Aus Herstellersicht gewinnen sie an Bedeutung, während sie aus Sicht der Voigt kaum Bedeutung haben. Die Abholung ab Lager des Herstellers ist mit den vereinbarten Einkaufsbedingungen verbunden. 5.3 Fallstudie Voigt AG 225 Bedürfnisse/Kaufkriterien Nutzenkriterien – Bedürfnis nach ... Voigt Gewich- Basis-/ tung Zusatz und 10 Basis Marktabdeckung grosser risikoreicher Märkte zuverlässigem Transport Abholung ab Lager des Herstellers Modernem Lager Grossen Bestellungen des Fachhandels schneller Bestellabwicklung Rücknahme und Auswechslung defekter Produkte Preisen und Konditionen fachlicher Kompetenz Qualität der Marktinformationen Werbung und Absatzförderung Beratung/Schulung Finanzierung Signalkriterien Gute Reputation Unabhängiger Geschäftspartner Geschäftspartner mit Tradition Langfristige Geschäftsbeziehung Breites Fachhandelskundennetz Pharmahersteller Gewich- Basis-/ tung Zusatz 10 Basis 10 1 10 10 10 1 Basis Zusatz Basis Basis Basis Zusatz 10 5 10 5 10 8 Basis Zusatz Basis Basis Basis Zusatz 10 5 5 10 0 0 Gewichtung 10 5 1 2 10 Basis Basis Basis Zusatz Basis-/ Zusatz Basis Zusatz Zusatz Zusatz Basis 10 10 5 5 1 1 Gewichtung 10 10 10 10 10 Basis Basis Basis Zusatz Zusatz Zusatz Basis-/ Zusatz Zusatz Basis Zusatz Zusatz Basis Tabelle 5.4: Bedürfnisse der Herstellerkunden aus Sicht der Hersteller und der Voigt AG Quelle: Experteninterviews Voigt und Vereiningung der Schweizer Pharmafirmen VIPS, 2004 Die Preise und die Konditionen stellen ein Basisbedürfnis der Hersteller im Marketingbereich dar und werden so durch Voigt wahrgenommen. Die fachliche Kompetenz des Pharmagrossisten wird von den Pharmaherstellern erwartet und sehr hoch eingeschätzt. Dies ist eine Bestätigung des Grosshändlers als ein exklusiver Vertriebspartner der Pharmaindustrie. Jedoch variiert die Wahrnehmung dieser Anforderung gemäss Voigt je nach Hersteller. Es bestehen auch Herstellergruppen, für welche der Preis die grösste Rolle spielt und die sich an spezialisierte Speditionsunternehmen ohne Spezialkenntnisse wenden. Marktin- 226 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung formationen werden mit der Verbreitung von internetbasierten Informationsdiensten und der Entstehung von spezialisierten Marktforschungsunternehmen wie IHA-IMS immer weniger über den Grosshandel bezogen. In Hinsicht auf die steigenden Anforderungen an die Sicherheit und die Qualität der Informationen bleibt dies eine Basisanforderung. Da die öffentliche Werbung mit verschreibungspflichtigen Medikamenten gesetzlich verboten ist, beschränken sich die Bedürfnisse der Hersteller auf Imagewerbung.391 Voigt sieht dabei grosse Profilierungsmöglichkeiten, währenddessen die Pharmaindustrie eine eher mittlere Bewertung abgibt. Im Bereich der frei verkäuflichen Medikamente wird Unterstützung bei der Lancierung neuer Produkte und bei Sonderaktionen erwartet. Die Generikaproduzenten fokussieren sich auf die Preise und die Konditionen. Der Bedarf nach Beratung, Schulung und Finanzierung ist auf der Herstellerseite minim mit Ausnahme von kleineren und mittleren Nischenanbietern und den schweizerischen Markt neu betretenden Unternehmen. Die meisten Pharmahersteller sind selber profitabel und zeichnen sich durch eine starke Marketingorganisation aus. Der Aufbau und die Stärkung der Unternehmensidentität haben auf der Herstellerseite einen sehr hohen Stellenwert. Im Gegenteil dazu werden sie durch Voigt als weniger wichtig wahrgenommen. Die gute Reputation wird von beiden Seiten als sehr wichtig empfunden. Die höchste Bewertung bekommt auch das breite Fachhandelskundennetz, das einen indirekten Hinweis auf die Wichtigkeit der Marktabdeckung gibt. Die Unabhängigkeit des Grossisten aus Sicht des Herstellers ist nicht zuletzt auch mit der Gefahr einer möglichen Rückwärtsintegration verbunden und geniesst eine sehr hohe Bedeutung. Die Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung ist für die Hersteller sehr wichtig, im Gegensatz dazu für Voigt minim. Tabelle 5.5 präsentiert den Vergleich zwischen der Beurteilung der Bedürfnisse der Apotheken durch Voigt und durch die Apotheken selbst. 391 Für die gesetzliche Regulierung der Medikamentenwerbung siehe Kapitel 2 dieser Dissertation. 5.3 Fallstudie Voigt AG Bedürfnisse/ Kaufkriterien Nutzenkriterien – Bedürfnis nach ... Voigt Gewichtung pünktlichen Lieferungen 10 schneller Bestellabwicklung 10 modernem Lager 2 Lieferung in individualisierten Mengen 10 Garantieleistungen 2 Rücknahme defekter Produkte 7 Entsorgung und Retouren 8 Einkaufserleichterung durch Sortiments- 8 bildung Breitem und tiefem Sortiment 10 Preise und Konditionen 10 Ladeneinrichtung 2 Marketingunterstützung 7 Managementunterstützung 6 Beratung/Schulung 5 Rechnungslegung 8 Rechtsberatung 1 Kreditierung und Finanzierung 7 Signalkriterien Gewichtung Gute Reputation 10 Unabhängiger Geschäftspartner 6 Geschäftspartner mit Tradition 2 Langfristige Geschäftsbeziehung 8 Breites Lieferantennetz 10 227 Basis-/ Zusatz Basis Basis Basis Basis Zusatz Basis Basis Zusatz Apotheken Gewich- Basis-/ tung Zusatz 10 Basis 10 Basis 10 Basis 5 Zusatz 1 Basis 5 Basis 10 Basis 5 Zusatz Basis Basis Zusatz Zusatz Zusatz Zusatz Basis Zusatz Zusatz Basis-/ Zusatz Basis Zusatz Zusatz Zusatz Basis 10 10 1 5 5 3 10 1 5 Gewichtung 10 10 10 10 10 Basis Basis Zusatz Zusatz Zusatz Zusatz Basis Zusatz Zusatz Basis-/ Zusatz Zusatz Basis Basis Basis Basis Tabelle 5.5: Bedürfnisse der Apotheken aus Sicht der Apotheken und der Voigt AG Quelle: Experteninterviews Voigt und Apothekenverein der Kantone SG/AI/AR, 2004 Ganz hoch in der Bewertungsskala steht die logistische Basisdienstleistung des Grossisten. „Out-of-stock“ ist eine Situation, die nicht stattfinden darf. Die pünktliche Lieferung bestimmt erheblich die Beziehung zwischen der Apotheke und dem Endkonsumenten. Die gleiche Bedeutung aus Apothekersicht geniessen die Bestellabwicklung und die Lagerhaltung, da die Lagervorräte einer Apotheke in der Regel nicht älter als 3–4 Monate sind. Die Automatisierung der 228 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung Lagerhaltung wird von den Apotheken hoch bewertet, da dies eine hohe Verfügbarkeit von neuartigen und bestehenden Sortimenten gewährleistet. Da alle Grossisten über eine vollständig oder teilweise automatisierte Logistik verfügen, hat dieses Bedürfnis aus Sicht der Voigt AG ein kleineres Profilierungspotenzial. Die Einkaufserleichterung durch Sortimentsbildung ist für die selbständige Apotheke weniger relevant als zum Beispiel für eine Apothekenkette oder -gruppierung, deshalb die neutrale Wertung von 5 Punkten. Aus Sicht von Voigt hat dieses Bedürfnis einen höheren Wert, da die Gruppierungen eine wachsende Bedeutung haben. Die Kommissionierung und die Lieferung in individualisierten Mengen zählen zu den wichtigsten Basiserwartungen an die logistische Leistung des Grossisten. Bei der Bestellung kann der Grossist vorschlagen, eine grössere Menge zu einem günstigeren Preis abzunehmen, aber wenn die Apotheke nur eine Packung braucht, wird sie auch nur diese bestellen. Qualitätsgarantien werden von den Pharmaproduzenten erwartet und nicht vom Grossisten. Das Bedürfnis nach Entsorgung zählt zu den wichtigen Basisbedürfnissen. Teilaufgaben werden auch von den Behörden auf kantonaler Ebene übernommen.392 Noch höhere Bedeutung haben die Retouren und sie werden von den Grossisten angeboten. Breites und tiefes Sortiment sowie Preise und Konditionen sind die wichtigsten Basisbedürfnisse im Marketingbereich. Marketing- und Managementunterstützung werden situativ bewertet und haben deshalb eine neutrale Wertung aus Sicht der Apotheken. Allgemeine Beratung inkl. Rechtsberatung zum Beispiel wird nicht vom Grosshandel erbracht, sondern vom Apothekerverband und von Swissmedic. Aus Sicht von Voigt besteht ein grösserer Bedarf. Dasselbe betrifft auch die Ladeneinrichtung, wo die Displays und die Informationen vom Hersteller zur Verfügung gestellt werden, und der Grosshändler transportiert sie lediglich zum Point of Sale. Eines der wenigen Basisbedürfnisse aus der Sicht der beiden Seiten ist die Rechnungslegung. Finanzdienstleistungen werden situativ nachgefragt je nach Grösse der Apotheke. Sie geniessen den Status wichtiger Zusatzdienstleistungen. Bei dem Aufbau einer Unternehmensidentität stehen die gute Reputation und das breite Lieferantennetz an erster Stelle für beide Seiten. Die Wertungen der Voigt deuten auf eine kleinere Bedeutung der Tradition, eine neutrale Wertung des Unabhängigkeit je nach Fachhandelskunden. Apothekerkreise sind daran 392 Dies ist z.B. der Fall im Kanton St. Gallen. 5.3 Fallstudie Voigt AG 229 interessiert, dass mehrere Grossisten am Markt bleiben. Die Langfristigkeit ist auch aus Sicht der Voigt AG ein entscheidendes Bedürfnis insbesondere in Bezug auf die Partnerschaft und das Angebot von Lösungen. Daran sind vorwiegend selbständige Apotheken interessiert. Eine Gruppierung wechselt schneller die Distributionspartner. 5.3.2.4 Profilierungspotenziale und Kostentreiber eruieren Tabelle 5.6 veranschaulicht, mit welchen Dienstleistungen (Wertaktivitäten) Voigt den Bedürfnissen der Herstellerkunden begegnet. Klar zu unterscheiden sind die Basis- (in weiss) und die Zusatzbedürfnisse (in grau) sowie die Aktivitäten, welche am meisten durch die Zusatzbedürfnisse betroffen sind (in grau). Im Bereich der Dienstleistungen für die Herstellerkunden unterscheidet sich Voigt unwesentlich von der Konkurrenz. Die Basisdienstleistungen im Bereich der Logistik sind nicht zuletzt dank der Zertifizierung nach der Guten Dustributionspraxis auf einem hohen Niveau. Aus Sicht der Voigt AG wird jede neue Dienstleistung von den Konkurrenten kopiert. Jedoch unterscheidet sich Voigt in der Art, wie die Dienstleistungen erbracht und kombiniert werden. Eine hohe Flexibilität, Persönlichkeit und Kundennähe erlauben es, die Kundenprobleme schnell und effektiv anzugehen. Dies weist auf eine höhere Bedeutung bei der Unternehmensidentität hin. Es stellt sich die Frage, wie sich diese Qualitäten von Voigt in den erbrachten Dienstleistungen und in der Kommunikationspolitik umsetzen lassen. Die detaillierte Analyse weist auf einige Profilierungspotenziale hin: – Ausbau des Angebots im Bereich der Rücknahme und Auswechslung defekter Produkte, – kombinierte Massnahmen bei der Verkaufsförderung der Pharmaindustrie, – Aufwertung der fachlichen Kompetenz der Mitarbeiter, – Kommunikation der Unabhängigkeit, – Kommunikation einer stabilen Positionierung als langfristger Partner, X X X GDP und Controlling X Technologie Personal X Werbung in Broschüren X KUKO Infrastruktur Marktinformationen Internet-Links Werbung Adressen für Direktmarketing Werbung auf LKW Verrechnung Retouren Eigene Transportmittel und Kooperation mit Transporteuren Artikelliste aller Produkte Bestellabwicklung 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung Verteilzentren 230 Kundennutzen – Bedürfnis nach ... Marktabdeckung grosser und risikoreicher Märkte X Zuverlässigem Transport Abholung ab Lager des Herstellers Modernem Lager Grossen Bestellungen des Fachhandels Schneller Bestellabwicklung Rücknahme und Auswechslung defekter Produkte Preise und Konditionen Fachlicher Kompetenz Qualität der Marktinformationen Werbung und Absatzförderung Beratung/Schulung Finanzierung Unternehmensidentität – Bedürfnis nach... Guter Reputation Unanhängigem Geschäftspartner Geschäftspartner mit Tradition Langfristigen Geschäftsbeziehungen Breitem Fachhandelskundennetz X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X Tabelle 5.6: Profilierungspotenziale gegenüber der Pharmaindustrie Quelle: eigene Darstellung X X 5.3 Fallstudie Voigt AG 231 Tabelle 5.7 veranschaulicht, mit welchen Dienstleistungen (Wertaktivitäten) Voigt den Bedürfnissen der Apothekenkunden begegnet, und präsentiert gleichzeitig die Profilierungspotenziale dar. Alle Pharmagrossisten bieten dieselben Basisdienstleistungen an. Wie bei den Dienstleistungen für die Hersteller wird jede Innovation schnell von der Konkurrenz kopiert. Ein Konkurrenzvergleich ist z.B. bei einer quantitativen Komponente wie dem Preis sehr schwierig, da die Preisbildungsmodelle äusserst unterschiedlich sind. Voigt bietet jedoch ein einmaliges modular aufgebautes Dienstleistungspaket an, genannt ApoPlus. Insbesondere das individuelle Eingehen auf die Kundenwünsche sowie attraktive Einkaufspreise und ein Konditionenmodell sind die Stärken dieses Leistungsangebotes. Die nachstehende Tabelle 5.7 weist auch auf Profilierungspotenziale hin: – Möglichkeiten durch das Angebot von Gesamtlösungen für Apotheke und Drogerie im Bereich der Marketingkommunikation und der Beratung, – Möglichkeiten durch das Angebot von Spezial- und Nischensortimenten, – Kommunikation der Unabhängigkeit, – Massnahmen zu Kundenbindung und langfristige Geschäftsbeziehung, – Kommunikation einer stabilen Positionierung mit Tradition. Unternehmenspolitische Entscheidungen in der Vergangenheit Seit 100 Jahren schafft es Voigt AG als unabhängiges Familienunternehmen, sich an die wechselnden Marktbedingungen anzupassen und sich als Partner im schweizersichen Gesundheitswesen zu etablieren. Das Unternehmen fokussiert sich konsequent auf das Grosshandelsgeschäft, welches es als die eigene Kernkompetenz betrachtet. Die logistischen Kapazitäten werden kontinuierlich ausgebaut, laufend optimiert und durch Swissmedic zertifiziert. Voigt steht für eine schlanke Unternehmensstruktur und kompetente Mitarberiter, welche schnelle und proaktive Lösungen für die Kundschaft erarbeiten. Interne Verknüpfungen in der Wertkette des Grosshändlers Unter den primären Aktivitäten, welche Voigt zugunsten der Hersteller ausführt, sind sämtliche logistischen Aktivitäten eng miteinander verknüpft. Diese logistischen Aktivitäten sind die Basis für die angebotenen Marktinformationen. Kundennutzen – Bedürfnis nach ... Pünktlichen Lieferungen X Schneller Bestellabwicklung X Modernem Lager Lieferung in individualisierten Mengen X Garantieleistungen Rücknahme defekter Produkte Ensorgung und Retouren Einkaufserleichterung durch Sortimentsbildung Breitem und tiefem Sortiment Preise und Konditionen Ladeneinrichtung Marketingunterstützung Managementunterstützung Beratung/Schulung Rechnungslegung Kreditierung und Finanzierung Unternehmensidentität – Bedürfnis nach... Gute Reputation Unanhängiger Geschäftspartner Geschäftspartner mit Tradition Langfristige Geschäftsbeziehung Breites Lieferantennetz X X X X X X X GDP und Controlling Technologie Personal Infrastruktur APOPLUS KUKO X X X X X X X X X X X X X X X X Sortimentsergänzung auf Wunsch X X X X X 33'000 Artikel, 10'000 auf Anfrage Entsorgung Retouren Bestellabwicklung Verteilzentren Eigene Transportmittel und Kooperation mit Transporteuren 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung 2-3 Lieferungen täglich 232 X X X X X X X X X X X X X Tabelle 5.7: Profilierungspotenziale gegenüber dem Fachhandel Quelle: eigene Darstellung X X X X X X X 5.3 Fallstudie Voigt AG 233 Zugunsten der Fachhandelskunden hängen wiederum alle logistischen Aktivitäten eng zusammen. Eine weitere Verknüpfung besteht zwischen der Logistik und den kundenspezifischen Konditionen. Ohne Verknüpfungen zu den anderen primären Aktivitäten und deshalb unabhängig kann das Dienstleistungspaket ApoPlus angeboten werden. Die engsten Verknüpfungen bestehen zwischen den logistischen Aktivitäten zugunsten der Pharmahersteller und des Fachhandels. Einerseits sind sie untereinander eng verknüpft (auf der Abbildung 5.8 nur die linke Seite oder nur die rechte Seite) und andererseits stellen sie die einzelnen Schritte eines die Wertketten übergreifenden Prozesses dar, welcher rückwärts (Retouren und Retrologistik), aber auch vorwärts (Bestellabwicklung und Belieferung) stattfindet (in der Abbildung 5.8 von links nach rechts und von rechts nach links). Voigt AG Verteilzentren Abholung der Ware beim Lieferanten Pharmaindustrie 43’000 Artikel verfügbar Flexible Belieferung Bestellabwicklung Kommissionierung Internetbestellungen Transport Fachhandel Marktinformationen und Statistiken Artikelliste der Produkte Retouren Retouren Abbildung 5.8: Verknüpfungen zwischen den primären logistischen Aktivitäten zugunsten der Pharmaindustrie und des Fachhandels Quelle: eigene Darstellung Weitere verknüpfte Aktivitäten sind die kundenspezifischen Konditionen. Sie stellen die Pflege der Kundenkonditionen gleichzeitig auf beiden Seiten dar. Zwischen der Verkaufsförderung für die Pharmahersteller und jener für die Apotheken bestehen auch Beziehungen. Vertikale Integration Eine gute Beziehung mit der Pharmaindustrie erweist sich als die Voraussetzung, dass mehrere Dienstleistungen in Anspruch genommen werden. Bei einer langjährigen Beziehung delegieren die Apotheken zahlreiche Aktivitäten an den Grossisten. Durchgespielte Prozesse wie die genaue Ausführung einer Bestellung 234 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung gemäss den Vorgaben jedes einzelnen Apothekenkunden senken die Kosten der Eingangskontrolle. Der Grossist profitiert von der Nähe, indem er sich an die Kundenbedürfnisse anpasst und bei Trendveränderungen gemeinsam mit ihnen reagiert. So hat Voigt zum Beispiel sehr schnell nach der Zulassung von Tierarzneimitteln zum Verkauf in den Apotheken mit einer Erweiterung seiner Sortimentspalette reagiert. Die Verkaufsförderung, die Werbung und sämtliche weitere Marketingmanagementaktivitäten sind weitere Tätigkeitsbereiche der Apotheken, welche Voigt erfolgreich integriert. Dies erfolgt mittels dem Dienstleistungspaket ApoPlus. Beziehungsmanagement Grundsätzlich wird kein Unterschied zwischen dem Angebot für Stamm- und Neukunden gemacht. Stammlieferanten erhalten Statistiken, was bei Neulieferanten aufgrund fehlender Historie der Bestellungen nicht möglich ist. Mit Stammlieferanten werden auch Aktionen getätigt. Neue Apotheken sind mit einem höheren Betreuungsaufwand verbunden. Die Kenntnis der individuellen Bedürfnisse ist bei den Stammkunden besser und sie können von massgeschneiderten Lösungen profitieren. Spezielle Massnahmen zur Bindung der Stammkunden werden nicht angeboten. Einsatz neuer Technologien Der logistische Prozess hat eine elektronische Basis und ist in Teilbereichen ganzheitlich automatisiert. Auf der Lieferantenseite werden die Bestellvorschläge und die tatsächlichen Bestellungen automatisch abgewickelt und elektronisch übermittelt. Nur die Überprüfung läuft immer noch manuell ab. Die Möglichkeiten der neuen Technologien werden aber zu wenig bei der Erstellung von Statistiken und Auswertungen eingesetzt. Im Bereich Internet wurden die OnlineBestellung und die Online-Bestellverfolgung eingeführt. Weitere Funktionalitäten sind noch nicht verfügbar. Verfahrens- und Prozessbeschreibungen Die Einführung der Guten Distributionspraxis (GDP) als gesetzliche Anforderung hat zur Erstellung von Prozessbeschreibungen (SOP = Standard Operating Procedure) und Richtlinien geführt (siehe Tabelle 5.8). Diese Art von Qualitätsmanagementsystem in der Pharmadistribution umfasst alle Aktivitäten des Grossisten. Die Einhaltung der Guten Distributionspraxis wird durch Swissmedic mittels jährlichen Audits geprüft. 5.3 Fallstudie Voigt AG SOP-Nr. Bezeichnung 235 Autor in Planung Bearbeitungs- Freigabe Entwurf Vernehmlassung start geplant erstellt Lagerung der Arzneimittel im Lager Retouren Warenannahme und Eingangskontrolle Umgang mit Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen Sekundärverpackung Warenausgabe Chargenrückruf Neu am Lager Pflege der Kundenstammdaten Vernichtung pharmazeutischer Produkte Tabelle 5.8: Beispiele für Standard Operating Procedures Quelle: Voigt AG, 2004 Informations- und Kennzahlensysteme Voigt hat das moderne Informationssystem SAP eingeführt. Es erlaubt, Kennzahlen und Auswertungen zu jeder Tätigkeit zu erstellen. Ein weiteres Informations- und Know-how-System sind die Prozessbeschreibungen, welche auch die Basismodule für SAP bilden. Voigt pflegt individualisierte Kundenstammdaten. Regelmässig werden Berichte vom Aussendienst verfasst und Lieferantengespräche geführt. Kompetenzniveau der Mitarbeiter Eine der Anforderungen der Guten Distributionspraxis ist die Beschäftigung seitens des Grossisten von Fachpersonen. Bei Voigt werden Fachpersonen sowohl im Einkauf als auch im Verkauf beschäftigt. Ausserdem wird zwischen einem betrieblichen (logistischen) Bereich und einem administrativen Bereich unterschieden. Im betrieblichen Bereich sind Fachmitarbeiter und angelerntes Personal tätig. Im administrativen Bereich treffen sich Leute mit unterschiedlichem Hintergrund – Drogisten, Pharmaassistenten, kaufmännische Angestellte mit Vertiefung Marketing, Finanz- und IT-Fachleute sowie Hochschulabsolventen. Weitere Hochschulabsolventen können insbesondere im Bereich der Entwicklung neuer Dienstleistungen eingesetzt werden. Voigt bietet zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten. Es wird ein pragmatischer Ansatz verfolgt, d.h. ein individuelles und bereichsspezifisches Angebot. Nach Beurteilung des Mitarbeiters und Festlegung der Jahresziele wird ein Antrag für Weiterbildung gestellt, der bis zu 100 Prozent von Voigt finanziert werden kann. 236 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung Wenn weitere Profilierungspotenziale und ihre Wirkung im Einkauf und Verkauf verglichen werden, lassen sich einige Besonderheiten im Pharmagrosshandel feststellen.393 Die Grössenvorteile wirken sich kostensenkend sowohl im Einkauf als auch im Verkauf aus. Im Einkauf haben sie aber auch eine Qualität steigerne Wirkung. Im Logistikbereich führt ein wachsender Handelsvolumen zu einer günstigen und qualitativ besseren Dienstleistung. Damit lassen sich die relativ kleinen Unterschiede in diesem Bereich bei den einzelnen Geschäftsmodellen erklären. Eine nationale Präsenz spielt im Einkauf keine Rolle und im Verkauf senkt die Nähe zu den Kunden die Kosten. 5.3.2.5 Positionierungsstrategie und Profilierungsmassnahmen wählen Ist-Positionierung Die Unternehmensidentität von Voigt wird durch drei Elemente geprägt: die Unabhängigkeit, die Flexibilität und die Kundennähe. Die Unabhängigkeit unterscheidet das Familienunternehmen von Wettbewerbern wie Galexis AG und Amedis-UE, welche in den Holdings eigene Hersteller bzw. Apothekenketten haben. Voigt positioniert sich als der Partner der unabhängigen und gruppierten Apotheken und Drogerien. Die Flexibilität ist dank der übersichtlichen Grösse und den kurzen Entscheidungswegen möglich. Die Kundennähe ist die dritte Stärke von Voigt. Hinter jeder Dienstleistung stehen Personen, welche die Kunden kennen und so wird auch das Motto des Unternehmens „Sympatisch anders“ täglich gelebt.394 Voigt AG positioniert sich als Problemlöser. Das Unternehmen versteht sich als „logistisches Bindeglied“ zwischen dem Fachhandel und der Pharmaindustrie. Die angebotenen logistischen Dienstleistungen heben sich jedoch nicht vom Angebot der Konkurrenz ab. Im Bereich der Marketingdienstleistungen kann der Fokus auf den Fachhandelskunden beobachtet werden, sodass Voigt hier eine zweistufige Profilierung hat. Vor dem Unternehmen steht die Herausforderung, Möglichkeiten zu finden, sein Profil als Problemlöser zu stärken. Stärkung des bestehenden Profils als Problemlöser Im ersten Schritt ergeben sich Möglichkeiten zur Stärkung des Profils aus der im Abschnitt 5.3.2.4 durchgeführte Analyse der Profilierungspotenziale. Im zweiten Schritt ist das eigene Profil mit dem Soll-Profil des Problemlösers im Pharmagrosshandel zu vergleichen. Im letzten Schritt werden alle Möglichkeiten zusammengestellt und strukturiert. 393 Vgl. Experteninterviews Voigt im Anhnag V. 394 Vgl. Experteninterview Gremlich/Kleine, 2004. 5.3 Fallstudie Voigt AG 237 In der Tabelle 5.9 werden zweiseitig die Profilierungspotenziale dargestellt. Die Aktivitäten unter der Bezeichnung „Allgemein“ werden in den folgenden Abschnitten 5.3.2.7 und 5.3.2.8 analysiert. Profilierungspotenziale gegenüber der Pharmaindustrie 1. Logistik: Ausbau des Angebots im Bereich der Spezialdienstleistungen 2. Marketing: kombinierte Massnahmen oder Lösungen bei der Werbung und Verkaufsförderung 3. Allgemein: Aufwertung der fachlichen Kompetenz der Mitarbeiter 4. Allgemein: Kommunikation der Unabhängigkeit 5. Allgemein: Kommunikation einer stabilen Positionierung mit Tradition Profilierungspotenziale gegenüber den Apotheken 1. Marketing: Angebot von Spezial- und Nischensortimenten auch mit hoher Beratunsgintensität 2. Marketing: Angebot von Lösungen im Bereich der Marketingkommunikation und der Beratung 3. Finanzen: Kommunikation der Rechnungslegungsmöglichkeiten 4. Allgemein: Kommunikation der Unabhängigkeit 5. Allgemein: Kommunikation einer stabilen Positionierung mit Tradition 6. Allgemein: Massnahmen zur Kundenbindung und einer langfristigen Geschäftsbeziehung Tabelle 5.9: Profilierungspotenziale bei Voigt AG Quelle: eigene Analyse auf Basis Experteninterviews Voigt AG Die Profilierung des Problemlösers ist zweistufig, d.h. sein Aktivitäten orientieren sich an einer klar definierten Zielgruppe oder einigen wenigen Zielgruppen mit komplementären Bedürfnissen in einem geografisch abgrenzbaren Region.395 Für Voigt umfassen die Zielgruppen Apotheken und Apothekengruppierungen und Drogerien und Drogeriengruppierungen in der Zentral- und Ostschweiz. Eine Profilierung gegenüber der Pharmaindutsrie wird nicht explizit verfolgt. Deshalb sind die Profilierungspotenziale gegenüber den Apotheken und Drogerien zu priorisieren. Wenn die Ist-Profilierung von Voigt und die zweistufige Soll-Profilierung des Problemlösers im Pharmagrosshandel verglichen werden, dann sind schnell die Bereiche sichbar, wo Voigt das Angebot weiterentwickeln könnte (siehe Abbildung 5.9). 395 Siehe Kapitel 4 dieser Dissertation. 238 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung Pharmaindustrie Soll-Profilierung Ist-Profilierung Ist-Profilierung Marktabdeckung Marktabdeckung Produktverfügbarkeit Produktverfügbarkeit Lagerhaltung Lagerhaltung Bestellabwicklung Bestellabwicklung Feinverteilung, Bestellabwicklung und Lagerhaltung Feinverteilung, Bestellabwicklung und Lagerhaltung Spezialdienstleistungen: Retouren, Entsorgung, Reklamationen Spezialdienstleistungen: Retouren, Entsorgung, Reklamationen Beratung: Logistikmanagement Beratung: Lagermanagement Beratung: Lagermanagement Beratung: Logistikmanagement Abdeckung des Marktverhaltens Abdeckung des Marktverhaltens Sortimentsbildung und Produktion Sortimentsbildung und Produktion Sortimentsaufbereitung Sortimentsaufbereitung Vertriebskontakt und Vertriebskonditionen Vertriebskontakt und Vertriebskonditionen Werbeunterstützung Logistische Dienstleistungen Apotheken Soll-Profilierung Spezialdienstleistungen: Spezialdienstleistungen: Retouren, Entsorgung, Retouren, Entsorgung, Reklamationen Reklamationen Sortimentsaufbereitung Sortimentsaufbereitung Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen Einkaufskontakt und Einkaufskonditionen Werbeunterstützung Werbeunterstützung Werbeunterstützung Marketingmanagementberatung Marketingmanagementberatung Marketingmanagementberatung: ApoPlus Marketingmanagementberatung: ApoPlus Kreditunterstützung Finanzierung Kreditunterstützung Finanzierung Kreditunterstützung Finanzierung Kreditunterstützung Finanzierung Beratung: Finanzmanagement Beratung: Finanzmanagement Beratung: Finanzmanagement Beratung: Finanzmanagement Marketingdienstleistungen Finanzdienstleistungen Abbildung 5.9: Vergleich der Ist-Profilierung von Voigt und der SollProfilierung eines Problemlösers im Pharmagrosshandel Quelle: eigene Darstellung Wenn die Möglichkeiten zur Stärkung des Profils zusammengefasst werden, ergeben sich drei Profilierungsmassnahmen: 1) Ausweitung der logistischen Spezialdienstleistungen insbesondere diejenigen, welche auf dem Internet basiert sind; 2) Bündelung weiterer Marketingdienstleistungen als Lösungspakete, auch verknüpft mit den Finanzdienstleistungen; 3) Weiterentwicklung der Sortimentsbildung- und Sortimentsaufbereitungsaktivitäten zum Angebot massgeschneiderter und beratungsintensiver Sortimente. Dazu ist neben der Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter auch die Zusammenarbeit mit Spezialisten erforderlich. Als Problemlöser ist Voigt angewiesen, immer mehr Aktivitäten seiner Kunden zu integrieren, neuartige Lösungen für ihre Probleme zu entwickeln und sie langfristig an sich zu binden. Aufgrund begrenzten Ressourcen sind die einzelnen Massnahmen je nach dem erwarteten Kosten/Nutzenverhältnis zu evalieren. 5.3 Fallstudie Voigt AG 239 Die Profilierungsmassnahmen versprechen Erfolg, da sie Voigt gegenüber der Konkurrenz abheben (siehe Abbildung 5.10) und auf bestehenden Kompetenzen aufbauen. Der Hauptkonkurrent ist die Galexis AG, welche in denselben Regionen tätig ist, dieselben Zielgruppen anspricht und zahlreiche Kundenlösungen anbietet.396 In der Zukunft ist zu beobachten, ob Galexis die Transformation von einem Produktführer zu einem Problemlöser verfolgen wird. Die konsequente Ausrichtung aller Aktivitäten zugusten der Apotheken und Drogerien werden den Profil von Voigt zusätzlich stärken. Weitere Massnahmen zur Sicherung der Nachhaltigkeit der Problemlöserstrategie werden im Punkt 5.3.2.7 erwähnt. Kostenführer Amedis-UE Galexis Produktführer Voigt Apotheke zur Rose Problemlöser Abbildung 5.10: Positionierung der Voigt AG gegenüber der Konkurrenz Quelle: eigene Darstellung 5.3.2.6 Nachhaltigkeit der Positionierungsstrategie sichern Der gewählte Wettbewebsvorteil und somit auch die gewählte Positionierung sind wenig nützlich, wenn sie nicht nachhaltig sind. Ihre Kurzlebigkeit ist insbesondere für ein Grosshandelsunternehmen ein existentielles Problem. Für ein Problemlöser wie Voigt ergeben sich konkrete Massnahmen, um die Nachhaltigkeit des Wettbewerbsvorteils sicherzustellen. Ein laufender Dialog mit den Hersteller- und Fachhandelskunden ist entscheidend für das Angebot bedürfnisgerechter Dienstleistungen und zur 396 Siehe das detaillierte Fallbeispiel im Kapitel 4. 240 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung weiteren Integration neuer Aktivitäten. Hier hat Voigt erste Massnahmen mit Erfolg getroffen. Zum Beispiel werden gemeinsame Lösungen im Rahmen periodischer Treffen mit den Apotheken- und Drogeriengruppierungen erabeitet und Umfeldveränderungen analysiert. Die Kundenkenntnis sollte im Rahmen eines internen Wissensmanagementsystems verarbeitet und laufend aktualisiert werden. Ein erster Schritt sind die Verfahrensbeschreibungen im Rahmen des Qualitätsmanagementsystems. Alle im Unternehmen vorhandenen Informationen, Berichte des Aussendienstes, Kundenstammdaten, Protokolle aus den gemeinsamen Sitzungen sowie die üblichen Bestellstatistiken sollten in einer integrierten Lösung verfügbar sein. Je nach erforderlichen Investitionen empfehlen sich Kundendaten-Software mit Schnittstellen mit dem Informationssystem SAP oder die Erweiterung dieses Informationssystems um ein weiteres Modul. Der Problemlöser zeichnet sich durch den Fokus auf einem bestimmten Kundensegment aus. Im Portfolio der Handelskunden sind bei Voigt vier Segmente vertreten. Ein klarer Fokus auf die unabhängigen Apotheken, den Apotheken- und Drogeriegruppierungen sollte gesetzt werden und den restlichen Zielgruppen sollten schrittweise an Bedeutung verlieren. Voigt hat z.B die Anteile der Apotheken und Apothekengruppierungen in der Periode 2003–2006 von 60% auf 67% zu Lasten der Ärztelieferanten und der Reformhäuser erhöht.397 Die Anzahl der Drogeriekunden nimmt in der selben Periode leicht ab, aber vor allem aufgrund des Konsolidierungsprozesses. Weitere Möglichkeiten zur Erhöhung der Immitationsbarrieren bietet das Management der Verknüpfungen zu den Wertketten der Pharmaindustrie und der Fachhandelskunden an. Strategische Kooperationen können die Nutzung von Verknüpfungen ermöglichen. So lancierten die vier führenden Pharmagrosshändler einen gemeinsamen wissenschaftlichen Informationsdienst für ihre Fachhandelskunden.398 Weiterhin sind auch bestehende Verflechtungen mit den anderen Geschäftsfeldern, Voigt Industrie Service AG und Voigt International AG, zu ermitteln und auf Synergiepotenziale zu prüfen. Unterstützung dabei bieten wiederum das moderne Informationssystem SAP und ihre zahlreichen Schnittstellenmöglichkeiten. 397 Vgl. www.voigt.ch, Zugriffe 2003 und 2006. Durch den Verkauf von Binkert Pharma AG per 31.12.2005 hat sich das Unternehmen aus der direkten Ärztebelieferung zurückgezogen. 398 Vgl. www.pharmalog.ch, Zugriff 2006. 5.3 Fallstudie Voigt AG 241 Der Problemlöser ist der Meister des Beziehungsmanagements. Dabei setzt er auch spezielle Kundenbidnungsinstrumente ein.399 Zahlreiche Instrumente der Sortiments-, Konditionen- und Kommunikationspolitik werden schon von Voigt erfolgreich angewendet wie die individuelle Sortimentsgestaltung, die kundenspezifischen Konditionen (KUKO), die massgeschneiderte Marketinglösung ApoPlus. Weitere Potenziale befinden sich beispielsweise in der Kommunikations- und Kontaktpolitik. Dabei geht es wie bei den anderen Instrumenten durch Kundenselektion und -priorisierung (Neukunden mit grossem Potenzial, Stammkunden etc.), den Ressourceneinsatz am Kundenpotenzial auszurichten.400 Beispiele wären Kundenclubs401, spezifische Kommunikation und Anlässe pro Kundengruppe, Kontaktkettenplanung402, gemeinsame Anlässe und Kundenforen etc. Eine langfristige Kundenbindung kann auch durch den Aufbau einer starken Unternehmensidentität und die Profilierung der Marke „Voigt“ erreicht werden. Symbole wie das Logo, die Fusszeile und die professionelle Gestaltung sämtlicher Unterlagen und der Internetseite sollten für einen einheitlichen Auftritt und eindeutige Kommunikation mit den Kunden sorgen. Ein entscheidender Schritt in dieser Richtung ist die Lancierung des neuen Corporate Design von Voigt. Schwerpunkte in der Kommunikation der Marke „Voigt“ sollten die Unabhängigkeit, die Stabilität der Positionierung als Partner und Problemlöser sowie die Tradition im Grosshandelsgeschäft sein. 5.3.2.7 Wertkette und Geschäftsmodell anpassen bzw. neu konfigurieren Die Wertkette von Voigt AG bedarf keine Neukonfiguration, sondern lediglich Anpassungen in einzelnen Bereichen. Zur Stärkung der Profilierung sind zusätzliche Investitionen in die externe und interne Weiterbildung der Mitarbeiter, insbesondere im Problemlösungvermögen des Innen- und Aussendienstes zu tätigen. Diese Fähigkeiten sollten auch beim Einstellungsprozess berücksichtigt werden. Bis jetzt nutzt Voigt wenig die Profilierungsmöglichkeiten, welche sich durch die Kooperationen mit spezialisierten Anbietern ergeben. In einem Kundendatensystem sollte zusäzlich zum Informationssystem der unternehmensweit akkumulierte Wissen über die Kunden verfügbar sein und weiterentwickelt werden. 399 Eine detaillierte Analyse der Kundenbindungsinstrumente im Grosshandel findet sich bei Tietz W., 2002. 400 Vgl. Tietz, 2002, S. 132. 401 Siehe die Fallbeispiele im Kapitel 4. 402 Die Kontaktkette ist „... die gezielte Schaffung einer zeitlichen Abfolge festgelegter Kontaktpunkte im Rahmen der kommunikativen Ansprache einzelner Kunden ...“, Tietz, 2002, S. 141. 242 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung 5.3.3 Zusammenfassende Betrachtung Erkenntnisse zum Vorgehen der zweiseitigen Profilierung Da der Grosshändler eine Überbrückung der Unterschiede zwischen Pharmaindustrie und Fachhandel gewährleistet, ist die Betrachtung der beiden Kundengruppen erforderlich. Wenn die Angebots- und Nachfrageprofile mit einer Grosshandelsleistung zu niedrigsten Kosten oder mit höchster Qualität begegnet werden können, dann ist die zweiseitige Segmentierung von zueinander passenden Zielgruppen vorzunehmen. Die Aktivitäten gestalten sich in diesem Fall zweiseitig. Wenn jedoch ein Bedürfnis nach umfassenden Lösungen in einer Zielgruppe besteht, dann setzt der Grosshändler den Fokus auf dieser Zielgruppe. In diesem Fall werden die Aktivitäten zweistufig organisiert. Voigt AG richtet sich an klar abgegrenzten Zielgruppen von Fachhändlern, vorwiegend unabhängigen und gruppierten Apotheken und Drogerien. Ihr Nachfrageprofil zeichnet sich durch den Bedarf nach Marketing- und Managementberatung sowie nach einer Reihe Spezialdienstleistungen im logistischen Bereich. Ausser dem Nachfrageprofil und der Zugehörigkeit zu den erwähnten Zielgruppen werden auch weitere Segmentierungskriterien eingesetzt wie logistische Kosten, Standorte in den Einkaufszentren und Bonität. Im Fall von Voigt werden die Zielkunden zweiseitig analysiert, aber zweistufig segmentiert. In einer ersten Stufe werden die Fachhandelskunden segmentiert, da Art der durch Voigt beschaffenen Sortimente weitgehend durch die Bedürfnisse der Endkonsumenten bestimmt wird. Die Lieferanten werden in einer zweiten Stufe ausgewählt. Voigt arbeitet mit einer Vielzahl unterschiedlicher Lieferanten. Eine hohe Verhandlungsmacht der Pharmaindustrie, gesetzliche Regulierung der Sortimente und kleine Bedeutung der Parallelimporte führen dazu, dass der Pharmagrosshändler seine Herstellerkunden noch nicht segmentiert. Die Berührungspunkte zu den Wertketten der Kunden und die damit verbundenen Profilierungspotenziale sind für den Grosshändler immer zweiseitig. Im Bereich der logistischen Dienstleistungen bestehen zweiseitige Berührungspunkte. Sie sind entsprechend in der Ausgangslogistik und in der Eingangslogistik und bei den Operationen. Im Marketingbereich beeinflusst der Pharmagrosshändler zweiseitig das Marketing und den Vertrieb bei der Pharmaindustrie und das Marketing und den Verkauf bei den Apotheken. Eine wichtige Dienstleistung mit Berührungspunkten zur unterstützenden Aktivität „Controlling“ ist die Verrechnung sowohl zugunsten der Hersteller als auch zugunsten der Apotheken. 5.3 Fallstudie Voigt AG 243 Tabelle 5.10 veranschaulicht die Basis- und die wichtigen Zusatzbedürfnisse der Hersteller- und der Einzelhandelskunden nach den Grosshandelsdienstleistungen in der Pharmagrosshandelsbranche. Kunden Basisbedürfnisse nach ... Pharmaindustrie allen logistischen Dienstleistungen Preisen und Konditionen und sicheren Marktinformationen allen logistischen Dienstleistungen Marketing: nach Preisen und Konditionen und einem breiten und tiefen Sortiment Finanz: Rechnungslegung Apotheken Zusatzbedürfnisse mit hoher Gewichtung nach ... Werbung und Verkaufsförderung Marketing: Marketingmanagementunterstützung und Einkaufserleichterung durch Sortimentsbildung Finanz: Kreditierung und Finanzierung Tabelle 5.10: Basis- und Zusatzbedürfnisse der Grosshandelskunden Quelle: eigene Darstellung Der Grosshandel ist ständig mit der Umgehungsgefahr auf beiden Seiten konfrontiert. Die Bedürfnisse aller bestehenden und potenziellen Kunden sind deshalb laufend zu ermitteln. Die Profilierungspotenziale im Grosshandel befinden sich in den zweiseitigen Wertschöpfungsbündeln. Ihre heutige Gestaltung ist Resultat der unternehmenspolitischen Entscheidungen in der Vergangenheit. Die logistischen Dienstleistungen zugunsten der Pharmahersteller und der Fachhändler hängen eng zusammen. Die Weiterentwicklung einer Dienstleistung wie Retouren und fachmännische Entsorgung oder der Einsatz neuer Tecnologien kommt den beiden Seiten zugute. Dies betrifft auch die gesetzliche Verankerung der Guten Distributionspraxis, die zu einer Umsetzung von Qualitätsnormen und zur konsequenten Prozessoptimierung in der Logistik führt. Im Marketingbereich ergeben sich sowohl zweiseitige als auch einseitige Profilierungspotenziale. Zweiseitig gestalten sich die kundenspezifischen Konditionen, welche jedem Lieferanten und Fachhändler die Möglichkeit geben, individuelle Konditionen miteinander zu vereinbaren. Allein angeboten werden die auf die Apotheken- und Drogerienbedürfnisse zugeschnittenen Marketinglösungen. Sie umfassen die Sortimentsbildung und -aufbereitung, die Werbeunterstützung, Marketingmanagementberatung, Personalschulung und Buchhaltung etc. 244 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung Voraussetzung für die Problemlöserstrategie sind die Bedürfnisse der Fachhandelskunden nach Gesamtlösungen sowie die bestehenden einseitigen Profilierungspotenziale. Mögliche Profilierungsmassnahmen sind auch bei dem vergleich der Ist- mit der Soll-Positionierung des Problemlösers sichtbar. Zentral für die Sicherung der Nachhaltigkeit der Strategie ist die Kundenbindung. Durch die Bindung der Apotheken und Drogerien wird indirekt eine Stärkung des Profils gegenüber der Pharmaindustrie erreicht. Durch eine einheitliche Unternehmensidentität wird zusätzlich eine emotionale Bindung erreicht. Bei der Anpassung der Wertkette bzw. Geschäftsmodells ist auch der Zweiseitigkeit Rechnung zu tragen, unabhängig davon, ob eine zweiseitige oder zweistufige Profilierung vorhanden ist. Die Zweiseitigkeit ist am stärksten im logistischen System, bei der Sortimentsbildung und Konditionengestaltung. Das Angebot von Marketingmanagementberatung und Werbeunterstützung kann zugeschnitten an einer Zielgruppe auf der Absatzseite erfolgen, unabhängig vom Angebot für die Lieferanten. Methodische Erkenntnisse zum Vorgehensraster Das ausgearbeitete Raster weist folgende Stärken auf:403 – organisiert und strukturiert das im Unternehmen vorhandene Wissen über die eigene Wertkette und über die Wertkette der Hersteller- und Einzelhandelskunden; – erlaubt eine schnelle und zutreffende Potenzialidentifizierung; – durch Einfachheit und Transparenz Benutzerfreundlichkeit erreicht; – erlaubt den Einsatz relativ weniger Personalressourcen bei Sammlung und Bearbeitung der Daten. – Das Raster hat jedoch einige Schwächen, welche gleichzeitig die Voraussetzungen für seine Anwendung sind. wird ein hoher Grad an ohne eine Umfeld- und Konkurrenzanalyse nach dem Vorgehen, vorgestellt im Kapitel 2, kann das Raster keine umfassende Ergebnisse liefern, d.h. die Analyse ist Basis für die Positionierungs- und Profilierungsentscheidung und ist vor dem Einsatz des Rasters durchzuführen; Analyse der Kundenbedürfnisse im Rahmen der Umfeldanalyse und spezifisch zu den Profilierungsvorhaben des Unternehmens ist durchzuführen; 403 Vgl. Rudolph, 1993a, S. 67f. 5.4 Zusammenfassung des Kapitels 245 Die unmittelbare Übertragung der idealtypischen Ausgestaltung der Geschäftsmodelle kann irreführend sein. Deshalb ist mittels Konkurrenzanalyse die branchentypische Ausgestaltung der einzelnen Geschäftsmodelle zu analysieren (wie in Kapitel 4 vorgenommen). 5.4 Zusammenfassung des Kapitels Im Kapitel fünf wurde das Vorgehen der zweiseitigen Profilierung erarbeitet und am ausführlichen Beispiel von einem Grosshandelsunternehmen angewendet. Der theoretische Raster basiert auf der strategischen Marketingplanung im Allgemeinen und auf dem Porter’schen Vorgehen zur Erlangung von Kostenund Differenzierungsvorteilen im Speziellen. Die allgemeinen Ausführungen wurden durch die Grosshandelsspezifika vervollständigt, wobei die Grosshandelsliteratur berücksichtigt wurde und die Erkenntnisse aus der qualitativen Forschung dieser Arbeit integriert wurden. Das Vorgehen der zweiseitigen Profilierung im Grosshandel verläuft in sieben Schritten: – Zweiseitig werden die Zielkunden analysiert und kategorisiert. Die für den Grosshändler relevanten Zielgruppen unter den Herstellern und Einzelhändlern werden in zwei Schritten analysiert. Erstens geben ihre Charakteristika erste Annahmen über ihre Bedürfnisse. Zweitens werden Segmentierungskriterien zur Kategorisierung der Kunden angewendet. – Zweiseitig wird der Einfluss auf die Wertketten der Kunden bestimmt. Durch die Erbringung von logistischen, Marketing- und Finanzdienstleistungen seine Zielkunden senkt der Grosshändler ihre Kosten und / oder erhöht die Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen. Dies erfolgt in den Bereichen, welche die Kunden nicht als ihre Kernkompetenz betrachten. – Für jede Grosshandelsbranche können situativ spezifische Bedürfnisse der Hersteller- und Einzelhandelskunden beobachtet werden. Diese Bedürfnisse beziehen sich auf die Kostensenkung, Qualitätssteigerung oder Lösung (so genannte Kundennutzen) und auf die Reputation und das Image (so genannte Unternehmensidentität). Die für den analysierten Markt relevanten Bedürfnisse werden herausgefiltert, eine Gewichtung durch die Kunden und durch den Grosshändler wird vorgenommen und anschliessend werden die Basis- und Zusatzbedürfnisse identifiziert. – Durch eine Gegenüberstellung der wertschöpfenden Grosshandelsaktivitäten und der Bedürfnisse der Hersteller- und Einzelhandelskunden 246 5 Vorgehen der zweiseitigen Profilierung werden die profilierungsrelevanten Aktivitäten identifiziert. Dabei ist wichtig, die Frage zu beantworten, in welchen Aktivitäten sich der Grosshändler von seiner Konkurrenz unterscheidet. Anschliessend werden die Profilierungspoteziale und Kostentreiber untersucht. Sie sind in den unterstützenden und in den primären wertschöpfenden Aktivitäten sowie in den zahlreichen Verknüpfungen zu finden. – Positionierungsstrategie und Profilierungsmassnahmen werden gewählt. Bei der Positionierungsstrategie geht es um die Wahl zwischen einem Kostenführer, Produktführer oder Problemlöser. Jede dieser Strategien wird durch ausgewählte Profilierungsmassnahmen umgesetzt. Bei den ersten zwei Strategien handelt es sich um zweiseitige Profilierungsmassnahmen und bei dem Problemlöser – um zweistufige Profilierungsmassnahmen. Die Profilierungspotenziale im Unternehmen und die Ist-Positionierung werden verglichen. Bei einer Übereinstimmung werden Wege zur Profilstärkung gesucht und bei einem Unterschied wird der Grosshändler umpositioniert. – Die Nachhaltigkeit der gewählten Positionierungsstrategie wird durch den Aufbau von Imitationsbarrieren, durch den Einsatz von Kundenbindungsinstrumenten und durch eine starke Unternehmensidentität sichergestellt. – Die Auswahl der Positionierungsstrategie und die zweisetigen oder zweistufigen Profilierungsmassnahmen führen zu einer Allokation der Unternehmensressourcen zu den Profil gebenden Aktivitäten. Dabei ergeben sich Anpassungen nicht nur in der Wertkette, sondern auch in allen Elementen des Geschäftsmodells. 6.1 Zusammenfassende Gestaltungshinweise 247 6 Zusammenfassende Gestaltungshinweise und Ausblick Im folgenden letzten Kapitel 6 werden die Erkenntnisse aus der qualitativen Forschung zusammengefasst und die zukünftigen Forschungsmöglichkeiten sowie die Potenziale für die Praxis werden im Ausblick festgehalten. 6.1 Zusammenfassende Gestaltungshinweise In der vorliegenden Arbeit wurden die Besonderheiten der Positionierung und der zweiseitigen Profilierung im Grosshandel am Beispiel des Pharmagrosshandels in der Schweiz untersucht. Das Hauptziel dieser Dissertation ist, ein Konzept der Positionierung und zweiseitigen Profilierung im Grosshandel zu erarbeiten, welches einen Beitrag zur Beantwortung von zwei Fragen im Grosshandel zu leisten versucht: „Welche Positionierungs- und Profilierungsmöglichkeiten bestehen?“ und „Wie wird bei der Positionierung und bei der zweiseitigen Profilierung vorgegangen?“ Dabei handelt es sich gleichzeitig um eine langfristige und eine kurzfristige Zielsetzung. Die kurzfristige Zielsetzung bezieht sich auf die Probleme und Spezifika des Pharmagrosshandels und langfristig wird ein Beitrag zur Schliessung der theoretischen Forschungslücke allgemein für den Grosshandel geleistet. Um das Hauptziel zu erreichen, hat sich die Dissertation vier Subziele gesetzt: – Die Veränderungsprozesse im Pharmamarkt der Schweiz als grundlegende Voraussetzung für die Entwicklung von Positionierungs- und Profilierungsstrategien zu analysieren, – die Besonderheiten der Wertschöpfung des Grosshandels, insbesondere deren Zweiseitigkeit, theoretisch herauszuarbeiten, – den Begriff der zweiseitigen Profilierung im Grosshandel abzuleiten, strategische Optionen der Positionierung und zweiseitigen Profilierung aufzuzeigen und anhand von Beispielen zu beschreiben und – ein Vorgehenskonzept der zweiseitigen Profilierung auszuarbeiten. Durch die Erreichung dieser Subziele strebt die Dissertation einen theoretischen Erkenntnisfortschritt und eine hohe Praxisrelevanz an. 248 6 Zusammenfassende Gestaltungshinweise und Ausblick Im Kapitel zwei wurden die Veränderungsprozesse im Grosshandelsumfeld als Grundlage für die Entwicklung Erfolg versprechender Positionierungs- und Profilierungsstrategien analysiert. Diese wurden aus der Perspektive der unternehmensübergreifenden Wertschöpfungskette, des Marketingkanals und aus der Perspektive des unmittelbaren Umfeldes, der Grosshandelsbranche wo ein Grosshändler konkurriert, untersucht. Der Marketingkanal und die Branche sind eng miteinander verbunden. Einerseits strebt der Grosshändler eine Positionierung in einem wettbewerbsfähigen Marketingkanal an, den er in Zusammenarbeit mit den Herstellern und Einzelhändlern zu einer optimalen Endkundenorientierung gestaltet. Andererseits spielen dabei die Attraktivität der Grosshandelsbranche und die Möglichkeit, auf Ebene des einzelnen Grosshandelsunternehmens einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen, eine entscheidende Rolle. Nur durch die Berücksichtigung dieser zwei Perspektiven lassen sich vertiefende Einblicke in die Konkurrenzverhältnisse und Wechselbeziehungen unter den Marktteilnehmern gewinnen. Die Identifizierung der Trends und der Faktoren der Dynamik einerseits im Marketingkanal und andererseits innerhalb der Branche erfasst die Veränderungsprozesse in ihrer Komplexität und in allen Facetten. Zu den drei Haupteinflussfaktoren der Handelsentwicklung, identifiziert von Rudolph (1999) für den Einzelhandel, sind im Grosshandel zwei weitere Haupteinflussfaktoren einzubeziehen: die Trends in den Branchen der Hersteller- und Einzelhandelskunden. Die Kräfte, welche sich auf die im Rahmen des Marketingkanals wahrgenommenen Aufgaben und auf die Faktoren der Branchenattraktivität auswirken, bergen strategische Chancen und Gefahren für die Grosshandelsunternehmen. Das Vorgehen lässt sich in drei Schritten beschreiben: – Durch die Analyse des Marketingkanals werden erstens die Struktur des Marketingkanals und die Unternehmen festgestellt, welche auf jeder Stufe tätig sind. Zweitens werden die Aufgaben identifiziert, die jede Gruppe von Unternehmen ausführt. Drittens wird das Konzept der Marketingflüsse zur Strukturierung der Aufgaben und zu einer unternehmensübergreifenden Prozessbetrachtung eingesetzt. Anschliessend werden die Trends identifiziert, welche sich auf den Marketingkanal auswirken. – Die Branchenanalyse umfasst die Untersuchung von acht Faktoren der Branchenattraktivität: Bedrohung des Markteintritts, Rivalität unter den bestehenden Unternehmen, Bedrohung durch Substitute, Verhandlungsmacht der Abnehmer, Verhandlungsmacht der Lieferanten, Rolle des 6.1 Zusammenfassende Gestaltungshinweise 249 Staates, komplementäre Produkte, Verhandlungsmacht der Endkonsumenten. Die Dynamik der Faktoren lässt auf branchenspezifische Trends schliessen. – Die Trendveränderungen werden analysiert und zweiseitig strategische Chancen und Gefahren abgeleitet. Die Trends im Marketingkanal und die branchenspezifischen Trends können in fünf Gruppen von Haupteinflussfaktoren strukturiert werden. Aus der Wirkung jeder treibenden Kraft werden zweiseitig strategische Chancen und Gefahren für den Grosshandel abgeleitet. Im dritten Kapitel wurde die zentrale Besonderheit des Grosshandels, die Zweiseitigkeit seiner Wertschöpfung, theoretisch analysiert und konzeptionell strukturiert. Als mögliche Ausprägung der Zweiseitigkeit wird auch die Zweistufigkeit der Wertschöpfung vorgestellt. die Die theoretischen Ausführungen über die Einschaltung der Grosshandelsbetriebe sowie auch die zahlreichen Kataloge der Grosshandelsfunktionen deuten auf die zweiseitige Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Grosshandels hin. Der Grosshandel schafft durch Ausführung der Marketingfunktionen für Hersteller und Einzelhändler einen Mehrwert. Basierend auf dem zweiseitigen Raster der Marketingfunktionen von Rosenbloom (1987) und weiteren theoretischen Beiträgen werden folgende Charakteristika der Grosshandelswertkette festgehalten: – die primären wertschöpfenden Aktivitäten in der Grosshandelswertkette entsprechen den zweiseitigen Marketingfunktionen; – jede Marketingfunktion ist mit einer Kernkompetenz verbunden; – je nach der zugrunde liegenden Kernkompetenz lassen sich die primären Aktivitäten in zweiseitige Wertschöpfungsbündel gruppieren: Das Bündel „logistische Dienstleistungen“ präsentiert die Kompetenz des Warendistributors, das Bündel „Marketingdienstleistungen“ die Kompetenz des Marketingspezialisten und das Bündel „Finanzdienstleistungen“ die Kompetenz des Finanzierers; – vier Gruppen von Verknüpfungen können idetifiziert werden, welche Quellen für schwer imitierbare Wettbewerbsvorteile sind: zwischen den unterstützenden und den primären Aktivitäten, innerhalb der Wertschöpfungsbündel, unter den Wertschöpfungsbündeln und vertikal zu den Wertketten von Hersteller- und Einzelhandelskunden. Diese konzeptionelle Strukturierung erlaubt nicht nur die nachvollziehbare Darstellung der Kernkompetenzen der Grosshandelsunternehmen, sondern auch 250 6 Zusammenfassende Gestaltungshinweise und Ausblick die transparente Analyse der zahlreichen spezifischen Verknüpfungen in der Grosshandelswertkette. Im Kapitel vier werden die Erkenntnisse aus dem ersten Schritt, d.h. die strategischen Chancen und Gefahren, mit den Erkenntnissen aus dem zweiten Schritt, d.h. der zweiseitigen Wertschöpfung des Grosshandels, kombiniert. Anders formuliert: Die zweiseitigen strategischen Chancen und Gefahren werden den zweiseitigen Stärken und Schwächen der Grosshändler gegenübergestellt. Dabei wurden zwei Ziele verfolgt: erstens den Begriff der zweiseitigen bzw, zweistufigen Profilierung zu definieren und zweitens Erfolg versprechende Profilierungsoptionen je nach gewählter Positionierungsstrategie aufzuzeigen und zu strukturieren. Bei der Positionierung im Grosshandel wird der Differenzierungsvorteil gegenüber anderen Grosshändlern, den Hersteller- und Einzelhandelskunden, basierend auf Kernkompetenzen und Überbrückungsbedürfnissen der Hersteller und Einzelhändler, festgelegt. Die Positionierungsstrategie ist somit der „Rote Faden“ für die Umsetzung durch den Einsatz der Profilierungsinstrumente. Da sich die Profilierungspotenziale in den zweiseitigen primären und in den unterstützenden Aktivitäten der Wertschöpfungskette sowie in den Verknüpfungen befinden, ist die Profilierung des Grosshändlers zweiseitig. So liegt das Ziel der Profilierung im Grosshandel im Erzielen von Wettbewerbsvorteilen durch zweiseitige Profilierungsmassnahmen. Als Basis für die Strukturierung der Positionierungsoptionen dienen die generischen Wettbewerbsstrategien nach Porter (1985) und der Geschäftsmodellansatz, der neben der Positionierungstrategie und den zweiseitigen Profilierungsmassnahmen Anpassungen in der Organisationsstruktur, im Managementsystem, in der Personalpolitik und beim Technologieeinsatz vorsieht. Bei der Anwendung des Geschäftsmodellansatzes auf den Grosshandel lassen sich drei idealtypische Modelle identifizieren: der Kostenführer, der Produktführer und der Problemlöser. Die Verfolgung der Positionierungsstrategie der Kostenführer und der Produktführer ist mit der zweiseitigen konsequenten Ausgestaltung der Profilierungsaktivitäten gegenüber dem Hersteller und gegenüber dem Einzelhändler verbunden. Die Strategie des Problemlösers ist durch den Fokus auf einer oder einigen wenigen Zielgruppen, vorwiegend auf der Einzelhandelsseite, und durch eine zweistufige Ausgestaltung der Profilierungsmassnahmen gekennzeichnet. Dabei liegt der Wettbewerbsvorteil sowohl in der Kombination der Aktivitäten als auch in der Art und Weise, wie sie ausgeführt werden. Die strategischen Chancen im Umfeld eröffnen für die etablierten Grosshändler Möglichkeiten, neue Geschäftsfelder aufzubauen. Die Analyse wurde am 6.1 Zusammenfassende Gestaltungshinweise 251 Beispiel des neuen Geschäftsfeldes „Prewholesale“ durchgeführt, welches jedes grössere Grosshandelsunternehmen in der Schweiz im zeitlichen Rahmen dieser Untersuchung aufgebaut hat oder aufzubauen beabsichtigte. Als Erfolg versprechend erweisen sich dabei die Strategien, welche auf dem im Geschäftsfeld „Grosshandel“ erlangten Wettbewerbsvorteil basieren. Dabei werden die Verflechtungen zwischen den Geschäftsfeldern wirksam. Die gute Kenntnis dieser Verflechtungen und die Berücksichtigung der Chancen und Risiken verbunden mit einer expliziten Horizontalstrategie sind die Voraussetzungen, einen Wettbewerbsvorteil auf Unternehmensebene zu erlangen. Im Kapitel fünf werden in einem Vorgehensmodell der zweiseitigen Profilierung die Erkenntnisse aus der qualitativen Forschung in den vorherigen Schritten integriert. Am ausführlichen Beispiel eines Pharmagrosshändlers werden zusätzliche die Besonderheiten bei einer zweistufigen Profilierung vorgestellt. Das Vorgehen der zweiseitigen Profilierung im Grosshandel verläuft in sieben Schritten: – Die für den Grosshändler relevanten Zielgruppen unter den Herstellern und Einzelhändlern werden zweiseitig analysiert und kategorisiert. – Durch die Erbringung von logistischen, Marketing- und Finanzdienstleistungen für die Hersteller- und Einzelhandelskunden senkt der Grosshändler ihre Kosten und / oder erhöht die Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen. – Für jede Grosshandelsbranche können unterschiedliche Bedürfnisse der Hersteller- und Einzelhandelskunden beobachtet werden. Diese Bedürfnisse beziehen sich auf die Kostensenkung und Qualitätssteigerung (Kundennutzen) und auf die Reputation und das Image (Unternehmensidentität). – Durch eine Gegenüberstellung der wertschöpfenden Grosshandelsaktivitäten und der Bedürfnisse der Hersteller- und Einzelhandelskunden werden die Profilierungspotenziale und die Kostentreiber identifiziert. Sie sind in den unterstützenden und in den primären wertschöpfenden Aktivitäten sowie in den zahlreichen Verknüpfungen zu finden. – Die Profilierungspotenziale und die Ist-Positionierung werden verglichen. Bei einer Übereinstimmung werden Wege zur Profilstärkung gesucht und bei einem Unterschied wird der Grosshändler umpositioniert. – Die Nachhaltigkeit der gewählten Positionierungsstrategie wird durch den Aufbau von Imitationsbarrieren, durch den Einsatz von Kundenbindungsinstrumenten und durch den Aufbau einer starken Unternehmensidentität sichergestellt. 252 – 6 Zusammenfassende Gestaltungshinweise und Ausblick Die Auswahl einer Positionierungsstrategie bzw. die Massnahmen zur Profilstärkung führen zu einer neuen Allokation der Unternehmensressourcen zu den Profil gebenden Aktivitäten. Dabei ergeben sich Anpassungen in allen Elementen des Geschäftsmodells. Das Ziel des Vorgehensmodells besteht darin, die Entscheidungen und kritischen Fragen bei einer Positionierungs- und Profilierungsentscheidung im Grosshandel aufzuzeigen. Besondere Aufmerksamkeit wird dem situativen Charakter dieser Entscheidungen geschenkt. Wichtige Voraussetzungen für den Einsatz des Vorgehensmodells sind deshalb eine umfassende Umfeld- und Konkurrenzanalyse, keine Übertragung der Resultate aus anderen Branchen, Analyse der Kundenbedürfnisse im Rahmen der Umfeldanalyse und spezifisch zu den Profilierungsvorhaben des Unternehmens. Mittels Konkurrenzanalyse ist die branchentypische Ausgestaltung der einzelnen Geschäftsmodelle zu analysieren. Die unmittelbare Übertragung der idealtypischen Ausgestaltung kann irreführend sein. 6.2 Ausblick 6.2.1 Ausblick für die weitere Forschung Die in dieser Dissertation entwickelten Handlungsempfehlungen wurden im Rahmen einer Grosshandelsbranche validiert. Dies hat erlaubt, theoretisch wenig behandelte Phänomene und Begriffe vertieft in einem situativ abgegrenzten Umfeld entsprechend zu analysieren und zu definieren. Damit die Erkenntnisse der Arbeit breite wissenschaftliche Akzeptanz und Anwendung in der Praxis finden, ist eine zusätzliche Forschung notwendig. Mögliche Schwerpunkte dieser Forschung sind: 1. Die wertschöpfenden Aktivitäten sowie die zweiseitige Profilierung der Geschäftsmodelle wurden in einer Branche untersucht. Für eine weitere Validierung ist die Durchführung von Fallstudien in weiteren konsumgüterorientierten Branchen sowie im technischen Grosshandel erforderlich, wo Dienstleistungen anstatt für den Einzelhandelskunden für den industriellen Weiterverwender erbracht werden. 2. Die Erkenntnisse aus dieser Arbeit beziehen sich auf einen begrenzten Zeitraum und stellen aus strategischen Gesichtspunkten Momentaufnahmen der Positionierungs- und Profilierungsstrategien dar. Durch umfassende historisch unterlegte Fallstudien von Einzelunternehmen und Branchen kann der in dieser 6.2 Ausblick 253 Arbeit angedeutete Wandel der Grosshandelsstrategien und -geschäftsmodelle untersucht werden. 3. Die Besonderheiten beim Vorgehen der zweiseitigen und zweistufigen Profilierung sind durch die Durchführung von geeigneten Fallstudien weiter zu untersuchen, zu vergleichen und zu präzisieren. Sie können mittels quantitativen Erhebungen validiert werden und allgemeingültige Erkenntnisse können erreicht werden. 4. Diese Arbeit umfasst den Einfluss des Umfeldes und der unternehmenseigenen Kompetenzen auf das Erlangen von Wettbewerbsvorteilen. Dies erfolgt durch Unternehmensentscheidungen der Positionierung und der zweiseitigen Profilierung. Im Rahmen von quantitativen Erhebungen kann der Einfluss der gewählten Positionierungsstrategien und Geschäftsmodelle auf den finanziellen Erfolg untersucht werden. Die besonders erfolgreichen Positionierungs- und Profilierungsstrategien können für einzelne Branchen identifiziert werden und die Effektivität und die Effizienz einzelner Profilierungsmassnahmen können gemessen werden. 6.2.2 Ausblick für die Praxis Die Idee für diese Arbeit ist durch die festgestellte schwierige Situation in zahlreichen Grosshandelsbranchen und aus dem Mangel an anwendungsorientierten Beiträgen entstanden. Die Konsolidierungsprozesse unter den Grosshandelskunden werden weiter stattfinden, die Umgehung wird weiter die Grosshandelsgewinne gefährden, die Konsumentenbedürfnisse werden sich noch dynamischer ändern und die Zeit für strategische Entscheidungen wird immer kürzer. Die Dissertation hat sich zum Ziel gesetzt, das Grosshandelsmanagement für die grundlegenden Entscheidungen der Positionierung und der zweiseitigen Profilierung zu sensibilisieren und zu begeistern. Die vorhandene gute Kenntnis der eigenen Wertkette und der Wertketten der Kunden eröffnet zahlreiche Möglichkeiten zu einer Profilstärkung und Umpositionierung im Einklang mit den Kundenbedürfnissen. Die Positionierung und die zweiseitige Profilierung sollten zu einem zentralen und festen Traktandum in der Agenda des Grosshandelsmanagers werden. Damit man nicht nur über die sinkenden Margen, sondern auch über die Erfolgsgeschichten im Grosshandel spricht. Dann hat diese Arbeit ihre Aufgabe für die Praxis erfüllt. Literaturverzeichnis Aaker D. A. / Shansby J. G., 1982, Positioning Your Product, in: Business Horizons, Vol. 25, S. 56–62 Algermissen J., 1981, Das Marketing der Handelsbetriebe, Band V Sonderprobleme des Marketing Teil 2, in Gerth E. (Hrsg.) Modernes Markting, Physica-Verlag, Würzburg-Wien Anderson J., Betancourt R., The Distribution Sector and the Development Process: Are there Patterns? 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Wie beurteilen Sie die heutige Situation des Grosshandels im Allgemeinen und in Ihrer Grosshandelsbranche im Speziellen? Welches sind die aktuellen Probleme, mit denen der Halbleitergrosshandel aus Ihrer Sicht am stärksten konfrontiert ist? Welche Grosshandelsdienstleistungen sind von Ihren Kunden und Lieferanten nachgefragt? Welche Funktionen können bzw. wollen Sie nicht selbst übernehmen? Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer Aktivitäten – auf der Kunden- oder auf der Lieferantenseite? Welche Dienstleistungen sind im Laufe der Zeit weniger attraktiv für Ihre Kunden und Lieferanten geworden? Welche Trends sehen Sie für die Zukunft? Wie begegnet Ihr Unternehmen diesen Trends? Welche konkreten Massnahmen erwiesen sich in den letzten Jahren als besonders erfolgreich? Wie ist Ihr Unternehmen dabei vorgegangen? Welche konkreten Misserfolge können Sie nennen? Wo sind die meisten Schwierigkeiten entstanden? Kennen Sie andere Erfolgsunternehmen im Grosshandel im Allgemeinen und in Ihrer Branche im Speziellen? 1.2 Liste der Gesprächspartner Unternehmen/Standort Gesprächspartner/Funktion Datum Interview Amedis-UE AG, Pharmagrosshandel Herr Andreas Hofer, Vorsitzender der Geschäftsleitung Vereinigung des Schweizerischen Importund Grosshandels (VSIG) Voigt AG, Romanshorn Pharmagrosshandel Herr Dr. Jürg Zeller, Direktor Frau Gabriela Felix, Assistentin des Direktors Herr Fredy Gremlich, Mitglied der Geschäftsleitung Frau Gabriele Kleine, Leiterin Verkaufsinnendienst Herr Kurt Eberle, CEO 11.04.02, Unterentfelden 04.04.03, Basel Apotheke zur Rose AG Pharmagrosshandel Kiener & Wittlin AG Technischer Grosshandel Spoerle Vertriebs GmbH Halbleitergrosshandel 30.04.03, Romanshorn 25.04.03, Frauenfeld 05.05.03, Zollikofen Herr Dieter Tschan, Teilhaber und Mitglied der Geschäftsleitung (kein offizieller Protokoll geführt) Herr Erwin Folini, Area Sales Manager 09.05.03, (kein offizieller Protokoll geführt) Rümlang Anhang 2: Problemzentrierte Experteninterviews mit Verbandsvertretern 2.1 Leitfaden Herstellerverband 1. Welches sind die aktuellen Trends und Herausforderungen, mit denen der Pharmahersteller aus Ihrer Sicht am stärksten konfrontiert ist? (z.B. bezogen auf Technologieinnovationen, Konsumentenbedürfnisse, gesetzliche Veränderungen, Pharmamarken und Generika, Outsourcing) 2. Wie werden die Distributionspartner gewählt? Welchen Anteil haben dabei der Verkauf über den Grosshandel und der Direktverkauf? 3. Welche Grosshandelsdienstleistungen werden von den Herstellern in Anspruch genommen? 4. Welche Unterschiede bestehen dabei zwischen den Herstellern patentgeschützter Medikamente, den Generikaproduzenten und den Herstellern freiverkäuflicher Medikamente? 5. Welche sind die wichtigen Herstellerbedürfnisse? Welche stellen ein Basis(B) und welche ein Zusatzbedürfnis (Z) dar? 6. Wie unterscheiden sich die Bedürfnisse der Hersteller patentgeschützter Medikamente, der Generikaproduzenten und der Hersteller freiverkäuflicher Medikamente? 7. Wenn Sie aus Herstellersicht die Dienstleistungen der verschiedenen Pharmagrosshändler in der Schweiz beurteilen würden, wie unterscheiden sich die Grosshändler voneinander? Welchen Marktanteil am Vertrieb der Hersteller haben sie? 8. Welche Alternativen zur Grosshandelsleistung bestehen? Wie oft werden sie in Anspruch genommen? (spezialisierte Logistikunternehmen, die Post, Kurierdienste etc.)? 9. Wie gebunden ist ein Hersteller, wenn er über den Grosshandel die Medikamente vertreibt? Wie gestaltet sich die Beziehung zum Pharmagrossisten? 2.2 Leitfaden für das Gespräch mit dem Apothekerverband 1. Welches sind die aktuellen Trends und Herausforderungen, mit denen der Apotheker aus Ihrer Sicht am stärksten konfrontiert ist? (z.B. bezogen auf Technologieinnovationen, Konsumentenbedürfnisse, gesetzliche Veränderungen, mögliche neue Konkurrenz wie Versand- und Online-Apotheken) 2. Wie werden die Lieferanten gewählt? Welchen Anteil haben dabei der Einkauf über den Grosshandel und der Direkteinkauf? 3. Welche Grosshandelsdienstleistungen werden von den Apotheken in Anspruch genommen? 4. Welche Unterschiede bestehen dabei zwischen einer unabhängigen Apotheke und einer Apothekenkette? 5. Welche sind die wichtigen Apothekenbedürfnisse? Welche stellen ein Basis(B) und welche ein Zusatzbedürfnis (Z) dar? 6. Wie unterscheiden sich die Bedürfnisse einer unabhängigen Apotheke von jenen einer Apothekenkette? 7. Wenn Sie aus Apothekersicht die Dienstleistungen der verschiedenen Pharmagrosshändler in der Schweiz beurteilen würden, wie unterscheiden sich die Grosshändler voneinander? 8. Welche Alternativen zur Grosshandelsleistung bestehen? Wie oft werden sie in Anspruch genommen? (spezialisierte Logistikunternehmen, die Post, Kurierdienste etc.) 9. Wie gebunden ist eine Apotheke, wenn sie über den Grosshandel einkauft? Wie gestaltet sich die Beziehung zum Pharmagrossisten? 2.3 Leitfaden für das Spezialitätengrossisten Gespräch mit dem Verband der Schweizer 1. Welches sind die aktuellen Trends und Herausforderungen, mit denen die Pharmagrossisten aus Ihrer Sicht am stärksten konfrontiert sind? (z.B. bezogen auf gesetzliche Veränderungen, Technologieinnovationen, Konsumentenbedürfnisse) 2. Wie entwickelt sich der direkte Vertrieb bzw. die direkte Beschaffung unter Umgehung des Grosshandels? 3. Wo bestehen die weiteren Gefahren für den Pharmagrosshandel? (z.B. Substitution durch spezialisierte Logistikunternehmen, Markteintritt) 4.1 Nachstehend werden Herstellerbedürfnisse aufgelistet, welche durch einen Grosshändler zu erfüllen sind. Welche sind aus Herstellersicht besonders wichtig? Welche stellen ein Basis- (B) und welche ein Zusatzbedürfnis (Z) dar? 4.2 Nachstehend werden Fachhandelsbedürfnisse aufgelistet, welche durch einen Grosshändler zu erfüllen sind. Welche sind aus Apothekersicht besonders wichtig? Welche stellen ein Basis- (B) und welche ein Zusatzbedürfnis (Z) dar? 5. Wo liegen die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zwischen dem Grosshandels- und dem Prewholesale-Geschäft? 6. Welche Konsequenzen für die Strategie, die Organisationsstruktur und das Dienstleistungsangebot ergeben sich für ein Unternehmen, das gleichzeitig Grosshandel und Prewholesale betreibt? 7. Wie unterscheiden sich die Pharmagrossisten in der Schweiz? (Strategie, Dienstleistungsangebot) 8. Wie lassen sich die Unternehmen unterscheiden, welche Prewholesale betreiben? (Strategie, Dienstleistungsangebot) 9. Welche von den aufgezählten Profilierungsinstrumenten werden im Pharmagrosshandel genutzt? Welche von denen sind am wichtigsten? Benutzen Sie die Skala von 1 bis 10. 2.4 Liste der Gesprächspartner Verband/Ort Gesprächspartner/Funktion Datum Interview Geschäftsstelle Vereinigung der Pharmafirmen in der Schweiz (VIPS) Walter Hölzle, Geschäftsführer 06.12.04, Zug Apothekenverein der Kantone Marion Molnar, Vorsitzende SG/AI/AR, St. Gallen 09.12.04, St. Gallen Verband schweizerischer Spezialitäten-Grossisten 09.02.05, Bern René Jenny, Vorsitzender Anhang 3: Qualitative Auswertungen zur Bestimmung des Geschäftsmodells 3.1 Kriterien zur Auswertung Kriterium I. Allgemeines 1. Unternehmensgrösse 2. Marktanteil 3. Zielgruppen und Zielmärkte 4. Allgemeine Positionierung 5. Leitbild und Werte 6. Organisationsstruktur 7. Personalpolitik 8. Technologie 9. Prozessorganisation II. Geschäftsfelder Grosshandel - Dienstleistungen für Lieferanten - Dienstleistungen für den Fachhandel Prewholesale Produktion Retail Andere International III. Ausgestaltung der Wertschöpfungsbündel (Geschäftsfeld Grosshandel) Logistische Dienstleistungen Marketingdienstleistungen Finanzdienstleistungen 3.2 Analysierte Unternehmen Phoenix Pharmahandel AG, Deutschland Amedis-UE AG, Schweiz Anzag AG, Deutschland Alliance UniChem, Grossbritannien Galexis AG, Schweiz GEHE Celesio AG, Deutschland Zur Rose AG, Schweiz Voigt AG, Schweiz Noweda eG Apothekengenossenschaft, Deutschland Sanacorp Pharmahandel AG, Deutschland Anhang 4: Qualitative Checklisten zur Validierung der Positionierung und der zweiseitigen Profilierung 4.1 Checkliste zur Validierung der Positionierung und der zweiseitigen Profilierung des Geschäftsmodells Kostenführer – Amedis-UE 1. Für die heutige Strategie von Amedis-UE AG sind folgende Dienstleistungen wichtig (kreuzen Sie das Zutreffende an): Dienstleistungen für die Lieferanten – – – – – – – – – – – – – – – – nationale Marktabdeckung drei Verteilzentren online im Verbund – integriertes Warenwirtschaftssystem Lager mit modernster Automaten- und Regaltechnik automatisierte Bestellabwicklung bis zu 70% Spezialdienstleistungen wie Speziallieferungen (ausserhalb der üblichen Arbeitszeiten) Spezialdienstleistungen wie Reklamationen und Retouren Spezialdienstleistungen wie Entsorgung Online-Bestellung, E-Shopping und Online-Lagerauskunft Abdeckung des Marktverhaltens der Apotheken, Drogerien etc. und Fachhandelsumfragen attraktive Vertriebskonditionen für die Lieferanten Sammlung von Marktinformationen Werbeunterstützung des Lieferanten Marketingberatung für den Lieferanten Kreditunterstützung und Finanzierung des Lieferanten Beratung des Lieferanten in Finanzfragen Weitere Bemerkungen Dienstleistungen für die Abnehmer – – – – hohe Produktverfügbarkeit (98%) Feinverteilung mehrmals täglich und einmal in der Nacht Online-Bestellungen, E-Shopping und Online-Lagerauskunft Spezialdienstleistungen wie Speziallieferungen (ausserhalb der üblichen Arbeitszeiten – Spezialdienstleistungen wie Reklamationen und Retouren – Spezialdienstleistungen wie Entsorgung – Logistik- und Lagermanagementberatung – breites Sortiment (40'000 Artikel auf Lager, 100'000 Artikel im Informationssystem) und klare Schwerpunkte aus Kundensicht – transparente Einkaufskonditionen, verpackt in Konditionenmodellen je nach der Anzahl der Lieferungen und nach dem Einkaufsvolumen – Werbeunterstützung für den Fachhandel – Marketingmanagementberatung: Schulungen – Kreditunterstützung und Finanzierung des Fachhandels – Beratung des Fachhandels in Finanzfragen – Weitere 2. Beurteilen Sie das Profilierungspotenzial der in Frage 1 aufgelisteten Dienstleistungen (nur eine Antwort aus vier untenstehenden Alternativen ist möglich): Bieten alle anderen Bieten alle anderen Bieten alle anderen Bieten alle Noch kein Pharmagrossisten Pharmagrossisten Pharmagrossisten anderen Pharma- Pharma- an; Amedis-UE an; Amedis-UE an; Amedis-UE grossisten an; grossist bietet weist keinen weist das beste erbringt diese Amedis-UE diese Dienst- Unterschied zu den Preis-Leistungs- Dienstleistung bietet komplette leistung an. anderen auf. Verhältnis auf. innovativ. Kundenlösungen an. 3. In welchen in der Frage 1 aufgelisteten Dienstleistungen möchten Sie Ihre Kompetenzen in der Zukunft weiterentwickeln und entsprechende Investitionen tätigen? 4.2 Checkliste zur Validierung der Positionierung und der zweiseitigen Profilierung des Geschäftsmodells Produktführer – Galexis AG 1. Stimmen Sie den folgenden Aussagen zu: Für die heutige Strategie von Galexis AG sind folgende Dienstleistungen wichtig Dienstleistungen für die Lieferanten – nationale Marktabdeckung – drei Verteilzentren online im Verbund – integriertes Supply-ChainManagement-System – automatisierter Wareneingang durch drahtlose Scanner – automatisierte Bestellabwicklung – Warenabholung mit eigenen Fahrzeugen – Online-Bestellung auf www.e-galexis.com – Spezialdienstleistungen wie Speziallieferungen (ausserhalb der üblichen Arbeitszeiten) – Spezialdienstleistungen wie Reklamationen und Retouren – umweltfreundliche Entsorgungsprogramme mit Spezialisten – Spezialdienstleistungen auf www.e-galexis.com wie Lieferscheine, Rechnungen, Verfügbarkeit, Geschichte der Einkaufslisten etc. – umfassende Kenntnisse über den Gesundheitsmarkt (Synergien mit anderen Geschäftsfeldern) – kundenspezifische Konditionen (Kuko) – Plattformen für gemeinsame Lancierung von Sonderangeboten PharmaHIT, OTC-Hit, Para-Hit – Exklusivvertretungen im Bereich der Medizintechnik – Marktinformationen via e-galexis.com und Geschäftsfeld „Healthcare Information“ – Werbemöglichkeiten online, Fachzeitschriften, bei Praxiseröffnungen – Mailings an Kundengruppen – Verkaufsförderungsprogramm „GalExklusiv“ – Kreditunterstützung und Finanzierung des Lieferanten – Beratung des Lieferanten in Finanzfragen – Weiteres/Bemerkungen Dienstleistungen für die Abnehmer – hohe Produktverfügbarkeit – integriertes Supply-Chain-Management-System – Feinverteilung mehrmals täglich und in der Nacht – Spezialdienstleistungen wie Speziallieferungen (ausserhalb der üblichen Arbeitszeiten) – Spezialdienstleistungen wie Reklamationen und Retouren – umweltfreundliche Entsorgungsprogramme mit Spezialisten – Online-Bestellungen via e-galexis.com – Spezialdienstleistungen auf www.e-galexis.com wie Lieferscheine, Rechnungen, Verfügbarkeit, Geschichte der Einkaufslisten etc. – Lagermanagementberatung – Sortimentsgestaltung (42’000 Artikel auf Lager, 65’000 Artikel im Informationssystem) und Bildung innovativer Sortimente – Angebot starker Eigenmarken wie „Vifor“ – Kundenspezifische Konditionen (Kuko) – Abrechnungssystem Nova und myNovaClub – Werbeunterstützung durch zahlreiche Fachzeitschriften und Publikationen – Fachinformationen und Spezialdienstleistungen in Zusammenarbeit mit dem Geschäftsfeld „Healthcare Information“ – akkreditierte Weiterbildungsseminare – Beratung bei Apotheken-, Drogerien- und Arztpraxiseröffnung – Kreditunterstützung und Finanzierung durch eigene Treuhandabteilung – Beratung in Finanzfragen durch die eigene Treuhandabteilung – Weiteres/Bemerkungen 2. Beurteilen Sie das Profilierungspotenzial der in Frage 1 aufgelisteten Dienstleistungen (nur eine Antwort aus vier untenstehenden Alternativen ist möglich): Bieten alle anderen Bieten alle anderen Bieten alle anderen Bieten alle Noch kein Pharmagrossisten Pharmagrossisten Pharmagrossisten anderen Pharma- Pharma- an; Amedis-UE an; Amedis-UE an; Amedis-UE grossisten an; grossist bietet weist keinen weist das beste erbringt diese Amedis-UE diese Dienst- Unterschied zu den Preis-Leistungs- Dienstleistung bietet komplette leistung an. anderen auf. Verhältnis auf. innovativ. Kundenlösungen an. 3. In welchen in der Frage 1 aufgelisteten Dienstleistungen möchten Sie Ihre Kompetenzen in der Zukunft weiterentwickeln und entsprechende Investitionen tätigen? 4.3 Checkliste zur Validierung der Positionierung und der zweiseitigen Profilierung des Geschäftsmodells Problemlöser – Zur Rose AG 1. Stimmen Sie den folgenden Aussagen zu: Für die heutige Strategie der Apotheke zur Rose sind folgende Dienstleistungen wichtig Dienstleistungen für die Lieferanten – – – – – starke nationale Marktabdeckung der Zielgruppe SD-Ärzte Lagerhaltung im modular aufgebauten Logistikzentrum automatisierte und elektronisch gesteuerte Bestellabwicklung Waren beim Hersteller mit der Hilfe der PolyRose abholen Spezialdienstleistungen wie Speziallieferungen (ausserhalb der üblichen Arbeitszeiten) – Spezialdienstleistungen wie Reklamationen und Retouren – Spezialdienstleistungen wie Entsorgung – Spezialdienstleistungen wie Medikamentendirektversand an Endkonsumenten – – – – – – Lieferung von Bestellsoftware hohe Abdeckung des Kaufverhaltens der Ärzte Sammlung von Marktinformationen über den Ärztemarkt Vertriebskontakt für die Lieferanten Vertriebskonditionen für die Lieferanten Weiteres bzw. Bemerkung Dienstleistungen für die Abnehmer – Produktverfügbarkeit einen Tag nach der Bestellung – Lieferung einmal täglich bis mehrmals wöchentlich – ASAS-Software in Zusammenarbeit mit Health-Info-Net zu hohen Sicherheitsstandards bei der Online-Kommunikation – Spezialdienstleistungen wie Speziallieferungen (ausserhalb der üblichen Arbeitszeiten) – Spezialdienstleistungen wie Reklamationen und Retouren – Spezialdienstleistungen wie Entsorgung von Röntgenapparaten und medizinischem Abfall – Lieferung von Bestellsoftware, Rosenpen, Strichcode-Katalog, Minikärtchen – Inventur der Lagerbestände, Verfalldatenkontrolle, Einkaufsstatistiken – Sortiment auf Lager, das 98% der Kundenwünsche deckt – Angebot eigener Vitalstofftherapie – attraktiver Beschaffungspartner für die Ärzte – transparente Konditionen: Basispreis und Dienstleistungs- und Logistikzuschlag (DLK) – Fortbildungsangebot für Ärzte – Errichtung einer neuen und Revision einer bestehenden Praxis – Unterlagen und Software zum Angebot der Vitalstofftherapie – Fachinformationen in Form eines Medikamentenkompendiums – Beratung des Fachhandels in Finanzfragen – finanzielle Beteiligung der Ärzte durch Kauf von Aktien – Weiteres bzw. Bemerkungen 2. Beurteilen Sie das Profilierungspotenzial der in Frage 1 aufgelisteten Dienstleistungen (nur eine Antwort aus vier untenstehenden Alternativen ist möglich): Bieten alle anderen Bieten alle anderen Bieten alle anderen Bieten alle Noch kein Pharmagrossisten Pharmagrossisten Pharmagrossisten anderen Pharma- Pharma- an; Amedis-UE an; Amedis-UE an; Amedis-UE grossisten an; grossist bietet weist keinen weist das beste erbringt diese Amedis-UE diese Dienst- Unterschied zu den Preis-Leistungs- Dienstleistung bietet komplette leistung an. anderen auf. Verhältnis auf. innovativ. Kundenlösungen an. 3. In welchen in der Frage 1 aufgelisteten Dienstleistungen möchten Sie Ihre Kompetenzen in der Zukunft weiterentwickeln und entsprechende Investitionen tätigen? 4.4 Liste der Personen, welche die qualitative Checklisten ausgefüllt haben Unternehmen Gesprächspartner/Funktion Amedis-UE AG, Pharmagrosshandel Zur Rose AG, Frauenfeld Pharmagrosshandel Galenica Gruppe Andreas Hofer, Vorsitzender der Geschäftsleitung Kurt Eberle, CEO Datum Auswertung wurde nicht retourniert. Juli 2005 René Jenny, August 2005 Anhang 5: Leitfäden Fallstudie „Voigt“ 5.1 Leitfaden zum Expertengespräch mit dem Leiter Einkauf 1. Wie lassen sich Ihre Lieferanten charakterisieren (Typ, Grösse)? Bezüglich Kenntnissen über den Medikamentenabsatz und den Fachhandel? Bezüglich Managementerfahrung? 2. Wie gehen Sie bei der Lieferantenselektion vor? Nach welchen Kriterien erfolgt die Selektion? 3. Welche Vertriebsstrategien verfolgen Ihre Lieferanten? 4. In welchen Bereichen leistet Ihr Unternehmen Beitrag zur Kostensenkung und/oder zur Qualitätssteigerung bei den Lieferanten (Pharmaindustrie und Importeure)? (Bitte vermerken Sie auf der unten dargestellten Wertkette eines Herstellers die von Ihnen angesprochenen Bereichen mit K und Q) 5. Nachstehend werden Lieferantenbedürfnisse aufgelistet, welche durch einen Grosshändler zu erfüllen sind. Welche sind aus Ihrer Sicht besonders wichtig? Welche stellen ein Basis- (B) und welche ein Zusatzbedürfnis (Z) dar? 6. Wie positionieren Sie die Dienstleistungen für Lieferanten? 7. Bei welchen von Ihnen angebotenen Dienstleistungen (siehe unten) unterscheidet sich Ihr Unternehmen von der Konkurrenz? 8. Welche Einflussfaktoren wirken sich in Ihrem Bereich qualitätssteigernd und/oder Kosten senkend aus? (In der Literatur werden Einflussfaktoren beschrieben, welche sich auf die Art und Weise auswirken, wie eine Dienstleistung erbracht wird. Sie können zu Kosteneinsparungen und/oder zu Qualitätssteigerungen führen.) 9. Welches Angebot von Dienstleistungen für die Lieferanten ist vom Angebot anderer Dienstleistungen abhängig? Welche Dienstleistungen können nur zusammen angeboten werden? Welche können allein angeboten werden? 10. In welchen Bereichen bestehen Berührungspunkte zwischen den Dienstleistungen für Lieferanten und den Dienstleistungen für die Apotheken, Drogerien etc.? (z.B. gemeinsame Nutzung der Lagerflächen, des Informationssystems etc.) 11. Welche Dienstleistungen für die Lieferanten können günstiger oder qualitativ besser erbracht werden aufgrund einer engeren Lieferantenbeziehung? Welche Lieferantenaktivitäten könnten noch integriert werden? 12. Welche Unterschiede bestehen zwischen den Dienstleistungsangeboten für Stammlieferanten und jenen für Neulieferanten? 13. Welche Aktivitäten sind im Einkauf automatisiert und dank der Technologien möglich? (z.B. elektronischer Einkauf) 14. Bei welchen Aktivitäten oder Gruppen von Aktivitäten bestehen Verfahrens-/ Prozessbeschreibungen? (z.B. Bestellungsabwicklung, Kundensupport etc.) 15. Welche Informations-/Kennzahlensysteme sind vorhanden? 16. Wie ist das Kompetenzniveau der Mitarbeiter und welche Weiterbildungsmöglichkeiten bietet Voigt an? 5.2 Leitfaden zum Expertengespräch mit dem Leiter Verkauf 1. Wie lassen sich Ihre Handelskunden charakterisieren (Typ, Grösse)? Bezüglich Kenntnissen über die Medikamentenbeschaffung und die Pharmaindustrie? Bezüglich Managementerfahrung? 2. Wie gehen Sie bei der Handelskundenselektion vor? Nach welchen Kriterien erfolgt die Selektion? 3. Welche Beschaffungsstrategien verfolgen Ihre Handelskunden (Apotheken, Drogerien, Reformhäuser etc.)? 4. In welchen Bereichen leistet Ihr Unternehmen einen Beitrag zur Kostensenkung und/oder zur Qualitätssteigerung beim Fachhandel (Apotheken, Drogerien etc.)? (Bitte vermerken Sie auf der unten dargestellten Wertkette einer Apotheke die von Ihnen angesprochenen Bereiche.) 5. Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Fachhandelsbedürfnisse? Welche stellen ein Basis- (B) und welche ein Zusatzbedürfnis (Z) dar? 6. Wie werden die Dienstleistungen für den Fachhandel positioniert? 7. Bei welchen von Ihnen angebotenen Dienstleistungen (siehe unten) unterscheidet sich Ihr Unternehmen von der Konkurrenz? 8. Welche Einflussfaktoren wirken sich im Verkauf qualitätssteigernd und/oder Kosten senkend aus? (In der Literatur werden Einflussfaktoren beschrieben, welche sich auf die Art und Weise auswirken, wie eine Dienstleistung erbracht wird. Sie können zu Kosteneinsparungen und/oder zu Qualitätssteigerungen führen.) 9. Das Angebot welcher Dienstleistungen ist vom Angebot anderer Dienstleistungen abhängig? Welche können nur zusammen angeboten werden? Welche können allein angeboten werden? 10. In welchen Bereichen bestehen Berührungspunkte zwischen den Dienstleistungen für Apotheken, Drogerien etc. und den Dienstleistungen für die Lieferanten? (z.B. gemeinsame Nutzung der Lagerflächen, des Informationssystems etc.) 11. Welche Dienstleistungen für den Fachhandel können günstiger oder qualitativ besser erbracht werden aufgrund engeren vertikalen Beziehungen? Welche Apothekenaktivitäten z.B. könnten noch integriert werden? 12. Welche Unterschiede bestehen zwischen den Dienstleistungsangeboten für Stammkunden und jenen für Neukunden? 13. Welche Aktivitäten sind im Verkauf automatisiert und dank der neuen Technologien möglich? (z.B. elektronische Kommissionierung) 14. Bei welchen Aktivitäten oder Gruppen von Aktivitäten bestehen Verfahrens-/ Prozessbeschreibungen? (z.B. Bestellungsabwicklung, Kundensupport etc.) 15. Welche Informations-/Kennzahlensysteme sind vorhanden? 16. Wie ist das Kompetenzniveau Weiterbildungsmöglichkeiten bieten Sie an? der Mitarbeiter und welche 5.3 Tabelle der Interviewpartner Gesprächspartner Voigt Funktion Alfred Plammer, Projektleiter AG Gesprächsthema Allgemeine Informationen über Voigt AG und Pre-Test der Leitfaden zu den Expertengesprächen (kein offizieller Protokoll geführt) Hans Giesler, Leiter Einkauf und Experteninterview zur Mitglied der Geschäftsleitung Positionierung und Profilierung gegenüber den Herstellern zur Fredy Gremlich, Leiter Verkauf und Experteninterview Positionierung und Profilierung Mitglied der Geschäftsleitung gegenüber den Apotheken und Gabriele Kleine, Leiterin Drogerien Verkaufsinnendienst Datum Interview Mehrere Treffen Juni-Juli 2004 23.11.04, Romanshorn 13.11.04, Romanshorn Lebenslauf Persönliche Daten: Name: Albena Björck, geb. Uzunova Geburtsdatum: 6. Juni 1974 Geburtsort: Sofia, Bulgarien Nationalität: Bulgarin Schul- und Hochschulausbildung: Sept. 1988 – Juni 1993 Deutsches Gymnasium „K. Galabov“, Sofia Sept. 1993 – Juli 1997 Universität für National- und Weltwirtschaft, Sofia Fachrichtung: Internationale Wirtschaftsbeziehungen mit deutschsprachiger Vertiefung Okt. 1999 – Febr. 2000 Gastsemester an der Universität St. Gallen im Rahmen des Management-Ausbildungsprojekts Ost – West (MAPOW), AIESEC Okt. 2000 – Okt. 2006 Doktorandenstudium an der Universität St. Gallen Berufliche Erfahrung Febr. 1995 – Okt. 1998 Praktikum bei Scorpion Shipping Ltd. International Forwarders, Sofia, Bulgarien Okt. 1998 – Sept. 1999 RUEN AG Internationaler Textilhandel und -produktion, Sofia, Abteilung: Eurotransport - Spedition und Transport Febr. 2000 – Aug. 2005 Wegelin & Co. Privatbankiers, St. Gallen Abteilung: Qualitätsmanagement Tätigkeitsgebiet: Qualitätsmanagement-Projekte Sept 2000 – Okt 2000 Praktikum am Gottlieb-Duttweiler-Lehrstuhl für Internationales Handelsmanagement, IMH, Universität St. Gallen Tätigkeitsgebiet: Projekt „Grosshandel mit Heimtextilien“ seit Nov 2000 Wegelin & Co. Privatbankiers, St. Gallen Abteilung: Corporate Identity & Marketing Tätigkeitsgebiet: Abteilungsleiterin und Leiterin Qualitätsmanagement