Visiting the Planetarium

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Visiting the Planetarium
Brian Holmes
Visiting the Planetarium
Images of the Black World
Clouds, fields, forests, country roads, empty skies: the video image shows you a landscape seen at
random, or for purposes utterly unknown. Its shifting perspectives appear through the visual overlay
of a targeting system, controlled by a distant operator. This is a drone’s eye view. The signal was
captured from a satellite transmission, maybe intended for Creech Air Base, Nevada. We see a date
and a local time, but the position remains blank—it could be in Kosovo or elsewhere in southern
Europe. [fig.1+2]
There’s something hesitant, furtive or even lost about the way the drone is scanning through the
territory. Suddenly a large wall clock flashes up on the screen. Its face is emblazoned with a dragonwinged creature, threatening and strange, but typical of the emblems used by Air Force reconnaissance teams. [fig.3] Is it supposed to mark a significant moment, a planned operation, a hit? More
likely it’s the cypher of some airman’s utter boredom, alone in a cubicle, glued to a monitor, staring
at meaningless foreign landscapes whose very banality has become part of the secret.
The video was given to Trevor Paglen by one of his collaborators—people who are intensely
curious about what goes on in the restricted zones of the Pentagon’s “black world.” It was then
edited and folded into a larger body of work, to be shown in galleries and museums. Thus it has
the status of a clue, an index, rather than a document strictly speaking. It points to a set of pressing questions that involve the uses of vision, the potentials of art and the bases of sovereignty. These
questions coalesce around a major paradox: the existence of a secret world that is increasingly palpable, increasingly present. Why has the invisible become so banal, why does it crop up everywhere?
Paglen does not answer individually. Instead, he seems intent on exploring—and, to whatever degree
possible, on reversing—the social conditions of perception that allow multibillion-dollar weapons
systems and vast clandestine intelligence networks to “hide” in the broad daylight of a democracy that
is also an empire.
The work is investigative and journalistic, producing an impressive stream of books and
articles. At the same time it is existential, leading the artist on journeys to countries like Afghanistan
to look for military prisons, or on climbs up desert mountains to scrutinize forbidden sites. More
recently it has revealed a deep involvement with the history of aesthetics, as he walks in the footsteps
of nineteenth-century frontier photographers to make technically complex images of spy satellites
against stunning natural backgrounds. The exhibition at the Vienna Secession takes this venture into
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Besuch im Planetarium
Bilder aus der schwarzen Welt
Wolken, Felder, Wälder, Landstraßen, ein leerer Himmel: Das Videobild zeigt eine zufällig erblickte oder
für völlig unbekannte Zwecke erfasste Landschaft. Die wechselnde Perspektive entsteht durch die visuelle Überlagerung eines ferngesteuerten Zielsystems. Hier blickt das Auge einer Drohne. Das bei der
Satellitenübertragung abgefangene Signal war vielleicht für die Creech Air Base in Nevada bestimmt.
Angezeigt werden das Datum und die Ortszeit, nicht aber die Position – es könnte im Kosovo sein oder
sonstwo in Südeuropa. [Abb. 1+2]
Die Art, wie die Drohne das Gebiet abtastet, wirkt etwas zögerlich, verstohlen, ja sogar verloren. Plötzlich
wird am Bildschirm eine große Wanduhr eingeblendet. Auf ihr prangt ein geflügelter Drache, bedrohlich und
irgendwie bizarr, aber typisch für die Stoffaufnäher, wie sie von den Aufklärungsteams der Air Force verwendet werden. [Abb. 3] Soll in dieser Form etwa ein bedeutender Moment markiert werden, eine geplante
Operation, ein Treffer? Es ist wohl eher die Chiffre für die absolute Langeweile irgendeines Piloten oder
einer Pilotin. Allein in einer Kontrollkabine, ist er oder sie an den Monitor gebannt und starrt auf nichtssagende fremde Landschaften, deren schiere Banalität zu einem Teil des Geheimnisses geworden ist.
Trevor Paglen erhielt das Video von einem seiner Mitarbeiter – Menschen, die unbedingt wissen möchten,
was in den Sperrgebieten der „schwarzen Welt“ des Pentagons vor sich geht. Geschnitten und in einen
größeren Werkkomplex integriert, der in Galerien und Museen gezeigt wird, hat es eher den Stellenwert
eines Schlüssels, eines Index als den eines Dokuments, lenkt es doch die Aufmerksamkeit auf eine Reihe
brisanter Fragen, die mit dem Einsatz des Blicks, den Möglichkeiten der Kunst und den Grundlagen der
Souveränität verknüpft sind. Im Zentrum der Fragen steht ein großes Paradoxon: die Existenz einer verborgenen Welt, die immer offenkundiger, immer präsenter wird. Warum ist das Unsichtbare so banal geworden, warum taucht es plötzlich überall auf? Paglen gibt keine Antwort auf die einzelnen Fragen, dafür
scheint er fest entschlossen, die gesellschaftlichen Bedingungen der Wahrnehmung zu erforschen und,
so weit möglich, ins Gegenteil zu verkehren – Bedingungen, unter denen es gelingt, Multimilliarden-DollarWaffensysteme und weitverzweigte Geheimdienstnetzwerke im Licht der Öffentlichkeit einer Demokratie,
die auch eine Weltmacht ist, zu „verstecken“.
Paglens Arbeit ist investigativ und journalistisch und hat in Büchern und Artikeln reichen Niederschlag
gefunden. Gleichzeitig ist sie existenziell, führt den Künstler in Länder wie Afghanistan, um nach Militärgefängnissen zu suchen, oder zu Klettertouren auf Wüstenberge, um abgesperrte Militärgelände zu
beobachten. In jüngerer Zeit lässt sie eine intensive Auseinandersetzung mit der Geschichte der Ästhetik
erkennen, da er in die Fußstapfen der Frontier-Fotografen des 19. Jahrhunderts tritt, um technisch komplexe Aufnahmen von Spionagesatelliten vor atemberaubenden Naturkulissen zu machen. Die Ausstellung
in der Wiener Secession setzt dieses ästhetische Unterfangen fort und präsentiert eine Wolkenstudie, die
an den Avantgardefotografen Alfred Stieglitz erinnert, eine kolorierte Abstraktion, die die impulsive Desorganisation der visuellen Wahrnehmung in den Gemälden von J. M. W. Turner evoziert, oder eine Serie
von Kontaktabzügen im Stile von Eadweard Muybridge. Was aber kann solch historisierende Gestik zu
einer modernen Politik der Wahrnehmung beitragen?
Man sollte nicht vergessen, dass Paglen, der Künstler, auch Geograf ist. Die beiden Disziplinen remixt er
allerdings nicht einfach zu einer postmodernen Melange, sondern er bewegt sich ganz bewusst zwischen
ihnen, entwickelt das, was ich extradisziplinäre Praktik nenne und die beiden Ausgangspunkte modifiziert.1 In einem Katalogbeitrag mit dem Titel „Experimental Geography“ meint er dementsprechend, dass
ein guter Geograf, anstatt zu fragen: „Was ist Kunst?“ oder „Ist diese Kunst erfolgreich?“, ja auch erkunden könne, wie dieser „Kunst“ genannte Raum produziert wird, wobei er an Henri Lefebvres zentrales
Konzept erinnert: „Die Produktion des Raumes bedeutet kurz gesagt, dass der Menschen die ihn umgebende Welt schafft und seinerseits wieder von der ihn umgebenden Welt geschaffen wird.“ Und er zieht
daraus folgenden Schluss: „Wenn menschliches Handeln nicht vom Raum zu trennen ist, dann können
neue Formen der Freiheit und Demokratie nur in einer dialektischen Beziehung zur Produktion von neuen
Räumen entstehen.“2
In diesem Text fokussiere ich die geografischen und ästhetischen Räume, aus denen die Bilder der
schwarzen Welt stammen. Wie Paglen zeigt, ist unser Sehen historisch geformt, sodass eine politische
Beschäftigung mit Staatsgeheimnissen einen Kampf mit den Disziplinen der Wahrnehmung bedeutet.
Zum Schluss umreiße ich die Transformation des Kunstraums, wie sie Paglen und andere extradisziplinäre Künstler und Künstlerinnen anstreben.
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Stills aus dem Video / from the video
Drone Vision, 2010
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KEYHOLE IMPROVED CRYSTAL from Glacier Point
(Optical Reconnaissance Satellite; USA 186), 2008
C-Print
95,3 x 76,2 cm / 37 ½ x 30 inch
aesthetics even further, with a cloud study recalling avant-garde photographer Alfred Stieglitz;
a colorist abstraction that evokes the violent disorganization of visuality in the painting of Turner;
or a grid of contact prints in the manner of Eadweard Muybridge. But what can such historicizing
gestures bring to a contemporary politics of perception?
One should not forget that Paglen, the artist, is also a geographer. He does not simply remix
the two disciplines in a postmodern mélange but moves deliberately between them, developing what
I call an extradisciplinary practice that alters both departure points.1 Thus, in a catalog essay entitled
“Experimental Geography,” he suggests that a good geographer might not ask “What is art?”
or “Is this art successful?” but instead “How is this space called ‘art’ produced?” He recalls Henri
Lefebvre’s central concept: “In a nutshell, the production of space says that humans create the world
around them and that humans are, in turn, created by the world around them.” And he concludes:
“If human activities are inextricably spatial, then new forms of freedom and democracy can only
emerge in dialectical relation to the production of new spaces.”2
In this text I’m going to focus on the geographic and aesthetic spaces from which the images
of the black world spring. As Paglen shows, our vision has been shaped historically, so that a political
engagement with state secrecy involves a struggle with the disciplines of perception. In conclusion, I’ll
outline the transformation of the art space for which he and other extradisciplinary artists are striving.
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HimmelsvermesserInnen
Beginnen wir mit den Satellitenporträts, also den Aufnahmen, mit denen Paglen in die Fußstapfen der
Frontier-Fotografen getreten ist. Wenn er diese erweiterten Remakes der Werke von Timothy O’Sullivan
oder Carleton Watkins in Szene setzt, denkt er nicht nur an die piktorialistischen Bilder seiner Vorgänger, sondern auch an die Teams der Landvermesser, die den geologischen Expeditionen im Gefolge des
Mexikanisch-Amerikanischen Krieges angehörten und sich im Auftrag der Regierung neben den Fotografen abrackerten, als weite unbewohnte Gebiete des nordwestlichen amerikanischen Kontinents zur
Landnahme, Besiedelung und Ausbeutung freigegeben wurden. Paglen begreift Fotografie als integralen
Bestandteil eines Kolonisierungsprozesses, der bis heute nicht aufgehört hat: „O’Sullivan und die anderen
Fotografen im Westen waren für das 19. Jahrhundert, was Satelliten für das späte 20. und 21. Jahrhundert sind; die heutigen Streitkräfte und Spionagesatelliten sind ideologisch und technologisch die direkten
Nachfahren jener Männer, die einst die Wüsten und Berge durchstreiften und Orte und Regionen fotografierten, die auf den Landkarten weiße Flecken waren.“3 Indem er die Naturlandschaften erneut fotografiert
und dabei die Satelliten ins Bild rückt, positioniert sich der Künstler-Geograf zwar als Nachfolger dieser
Tradition, das imperiale Erbe will er aber nicht antreten. Wie begegnet man den bildgebenden Verfahren
der Krieger des Sehens, oder wie verlagert man sie auf der gesellschaftlichen Ebene?
Man betrachte das Bild des optischen Spionagesatelliten vom Typ Keyhole (USA 186), der über der majestätischen Silhouette des Half Dome, den auch Carleton Watkins um die Mitte der 1860er-Jahre im Yosemite-Nationalpark fotografierte, als feiner weißer Strich die Sternenbahnen halbiert. [Abb. 4] Paglen kann
dieses geheime Objekt aber nur deshalb lokalisieren und dokumentieren, weil er Zugang zu einer Datenbank geheimer US-amerikanischer Militärsatelliten hat, die von einem über die ganze Erde verstreuten
Ad-hoc-Team von HimmelsvermesserInnen zusammengetragen wurde. Wie er im Buch Blank Spots on
the Map schildert, geht dieses Beobachten „des anderen nächtlichen Himmels“ auf die „Operation Moonwatch“ zurück, ein staatlich gefördertes Programm, das enthusiastische Amateur-AstronomInnen darin
schulte, in den 1950er- bis 1960er-Jahren den Himmel nach sowjetischen Sputniks abzusuchen. Als die
USA 1983 kurzerhand aufhörten, die orbitalen Daten ihrer militärischen Spionagesatelliten zu veröffentlichen, kehrte sich die Mission der BeobachterInnen künstlicher Monde wie von selbst ins Gegenteil: Sie
verfielen mit ganzer Leidenschaft dem Hobby oder hielten es für ihre demokratische Pflicht, unbekannte
Objekte, die sie über ihren Köpfen dahinziehen sahen, zu identifizieren und ihre Umlaufbahnen zu ermitteln.4 Sie konnten also ihr von der Regierung vermitteltes Wissen für völlig andere Zwecke anwenden.
Die von ihnen durchgeführten Messungen und die weiterhin generierten Daten erlauben es Paglen, die
Bewegung der astronomischen Teleskope, mit denen er üblicherweise Satelliten auf ihrer Umlaufbahn um
die Erde fotografiert, präzise zu berechnen. Was also zunächst wie die Detektivarbeit eines Einzelnen erscheinen könnte, setzt sich tatsächlich aus vielen individuellen Wahrnehmungen zusammen.
Zum Einsatz kommt eine spezialisierte Formation der Zivilgesellschaft – spezialisiert insofern, als sie kollektiv über die technischen Kenntnisse zur Identifizierung der geheimen Programme des Pentagons verfügt. Diese Art der kritischen Formation ist nicht neu, man denke nur an die grundlegende Arbeit der Federation of American Scientists zu denselben zentralen Fragen. Bemerkenswert ist allerdings die Weise,
in der heutzutage Gruppen wie die SatellitenbeobachterInnen innerhalb eines sich selbst organisierenden
Netzwerkes etwas bewirken können, ähnlich den sogenannten plane spotters, die zum Buch Torture Taxi
die Ergebnisse ihrer Recherchen beigesteuert haben.5 Zivilen LandvermesserInnen gleich, agieren sie
heute aus Gärten und Hinterhöfen und können so die Programme des US-Geheimdienstes und die Weltraumaktivitäten des Militärs verfolgen. Paglens spezifischer Beitrag zu derartigen Netzwerken beschränkt
sich jedoch nicht auf den eines Koordinators, der die Daten anderer veröffentlicht, wie er sich auch nicht
darauf reduzieren lässt, dass er das Material nur künstlerisch verbrämt, wodurch es zu einer musealen
Kostbarkeit wird. Sein spezifischer Beitrag liegt vielmehr im jeweiligen Fokus, den er der Recherche gibt,
oder anders gesagt in der Art, wie er ihren Gegenstand bestimmt.
Um diesen Fokus – oder die Unmöglichkeit des Fokus – zu verstehen, betrachtet man am besten die
Limit Telephotography-Serie, in der Paglen versucht, unter Zuhilfenahme eines astronomischen Teleskops
Areale, ja sogar Details von Militäranlagen aus 100 Kilometer Entfernung mit der Kamera einzufangen.
Die auf diese Weise entstandenen Bilder, auf denen Konturen oft zu verschwimmen drohen, liefern faszinierende Einblicke in militärische Sperrgebiete. So zeigen sie unter anderem Personen, die in „schwarzen“
Anlagen beschäftigt sind und auf dem Gold Coast Terminal in Las Vegas aus ihren Zubringerflugzeugen
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Celestial Surveyors
Let’s start with the satellite portraits taken in the footsteps of the frontier photographers.
When staging these augmented remakes of works by Timothy O’Sullivan or Carleton Watkins,
Paglen has in mind not only the pictorialist images of his predecessors but also the teams of government surveyors who toiled alongside them, on geological expeditions undertaken in the wake of the
Mexican-American War, when vast inhabited territories of the northwestern American continent
were opened to conquest, settlement and exploitation. He conceives photography as an integral
part of the colonizing process, which has not ceased in our time: “O’Sullivan and the other western
photographers were to the nineteenth century what satellites are to the late twentieth and twenty-first
centuries; ideologically and technologically, today‘s military and reconnaissance spacecraft are
directly descended from the men who once roamed the deserts and mountains photographing blank
spots on maps.”3 By rephotographing the natural sites with the satellites in the frame, the
artist-geographer situates himself within a common lineage; but he attempts to twist that heritage
away from its imperial consequences. How to rival with or socially displace the imaging techniques of
the warriors of vision?
Consider the picture of the Keyhole Optical Reconnaissance Satellite (USA 186)
portrayed as a delicate white streak bisecting star trails above the majestic outline of Yosemite’s Half
Dome, [fig. 4] photographed by Carleton Watkins in the mid-1860s. If Paglen is able to locate and
record this secret object, it is only because he disposes of a database of classified American military
satellites put together by an ad-hoc team of celestial surveyors scattered across the face of the planet.
As he recounts in the book Blank Spots on the Map, these observers of “the other night sky” descend
from Operation Moonwatch, a government-sponsored program that trained amateur enthusiasts to
scrutinize the heavens for the appearance of Soviet sputniks in the 1950s to ‘60s. When the United
States abruptly stopped publishing the orbital data of its military reconnaissance satellites in 1983,
the mission of the artificial moon watchers spontaneously reversed: they became attached to the
passionate hobby, or for some, the democratic duty, of ferreting out the identities and establishing
the orbits of the unidentified objects they saw appearing above their heads.4 Thus they were able
to put their government-imparted knowledge to radically different uses. The measurements they take
and the data they continue to generate is what allows Paglen to calculate the motion of the
astronomical tracking telescopes he uses to take photographs of the orbiting satellites. What might
appear to be individual detective work is dependent in reality on a distributed assemblage
of perception.
What’s being deployed here is a specialized formation of civil society, one that collectively
possesses the technical skills to begin identifying the classified Pentagon programs. This kind of
critical formation is not new: consider the fundamental work of the Federation of American
Scientists on these same issues. What’s remarkable today, however, is the way that groups like the
satellite watchers can become effective within a self-organizing network, similar to the amateur
plane spotters who contributed their research to the book Torture Taxi.5 Civil surveyors acting from
their backyards can now track the programs of the US intelligence agencies and the military space
command. But Paglen’s specific contribution to such networks is not only that of a coordinator who
publishes other peoples’ data; nor does he merely add an artistic touch that projects the material onto
the museum circuit. Instead, his contribution lies in the particular focus he gives to the research, or if
you prefer, in the way he determines its object.
To understand this focus—or impossibility of focus—take the Limit Telephotography series,
where Paglen attempts to capture landscape views and even details of military installations through
an astronomer’s telescope at distances of up to sixty-five miles. The resulting images, often on the
verge of dissolving into atmospheric blur, provide fascinating glimpses into the restricted areas. Some
examples are the black-site workers stepping off their commuter planes at the Gold Coast Terminal in
Las Vegas; [fig. 5] the control tower at Cactus Flat, Nevada; [fig. 6] or the Reaper drone on a runway
at Creech Air Base near Indian Springs. [fig. 7] The aim here is not just to obtain sharp documentary
photos: for that, commercial satellite imagery of the kind available for the last decade would be much
more effective.6 What these works ask the viewer to perceive is something different: not just
individuals, installations or technical devices, but the larger order of systematic secrecy, the world into
which they fit. The object of the research is always the black world as such, with its strictly
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5
Workers; Gold Coast Terminal;
Las Vegas, NV; Distance ~ 1 mile;
8:58 a.m., 2007
C-Print
76,2 x 91,4 cm / 30 x 36 inch
steigen, [Abb. 5] den Tower im Cactus Flat in Nevada [Abb. 6] oder eine Reaper-Drohne auf einer Piste
der Creech Air Base in der Nähe von Indian Springs. [Abb. 7] Es geht hier aber nicht darum, die Realität
in scharfen Fotos zu dokumentieren, für solche Zwecke eignen sich kommerzielle Satellitenbilder, wie
sie seit dem letzten Jahrzehnt zur Verfügung stehen, weitaus besser.6 Paglens Arbeiten wollen unsere
Aufmerksamkeit auf etwas ganz anderes lenken: nicht nur auf Personen, Einrichtungen oder technische
Geräte, sondern mit der größeren Ordnung der systematischen Geheimhaltung gleich auf die Welt, in die
sie hineinpassen. Objekt der Forschung ist immer die schwarze Welt mit ihrer strikten Arbeits­teilung, ihren
Prinzipien der Zugangsberechtigung, ihren legalen und formellen Schranken, die das Sichtbare unsagbar,
das Konkrete nicht beweisbar und Recht nicht einklagbar machen. Es läuft auf eine systematische Behinderung hinaus, so etwas wie ein gesellschaftliches Gefälle, dessen Ursprünge auf die organisierte Geheimhaltung eines gigantischen industriellen Unternehmens zurückgehen: das Manhattan-Projekt zur Entwicklung und zum Bau der Atombombe.7 Die Entfernung, der Staub und die heiße, flirrende Luft, die das Detail
der Bilder auflösen, stehen als perzeptive Metonyme für den Widerstand gegen demokratische Kontrolle,
der die schwarze Welt und somit auch einen Großteil der aktuellen Aktivitäten des Militärs definiert.
Es bedarf einer geografischen Herangehensweise – das heißt eines kollektiven Nachzeichnens der Muster
der menschlichen Entwicklung auf der Erde –, um das unermessliche Ausmaß der US-amerikanischen
Kriegs­ma­schinerie auch nur ansatzweise zu erfassen. Zunächst werden die zentralen Elemente staatlicher
Geheimhaltung, die die Basis für diesen Apparat schaffen, einer genauen Beobachtung unterzogen, in
weiterer Folge wird die Observation auf den Raum außerhalb der Erdatmosphäre, auf die Orbits, ausgedehnt. Auf diese Art und Weise wechselt eine soziale Formation Blicke mit einer anderen. Die Meister
der Überwachung werden ihrerseits überwacht. Fotografie als technischer Prozess findet sich auf beiden
Seiten des Absperrzaunes: Einerseits ist sie eine der Schlüsselfunktionen von Satelliten und Drohnen, andererseits ist sie ein integraler Bestandteil dessen, was Paglen „experimentelle Geografie“ nennt. Gibt es
eine ähnliche Duplizität oder Ambiguität auch bei der Fotografie als künstlerischem Prozess?
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6
Control Tower (Area 52); Tonopah Test Range, NV;
Distance ~ 20 miles; 11:55 a.m., 2006
C-Print
76,2 x 91,4 cm / 30 x 36 inch
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7
Reaper Drone; Indian Springs, NV;
Distance ~ 2 miles, 2010
C-Print
76,2 x 91,4 cm / 30 x 36 inch
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DMSP 5B/F4 from
Pyramid Lake Indian Reservation
(Military Meteorological Satellite;
1973-054A), 2009
C-Print
95,3 x 76,2 cm / 37 ½ x 30 inch
compartmentalized divisions of labor, its need-to-know clearances and its legal and procedural
barriers, which act to make the visible unspeakable, the tangible unprovable, the equitable
unactionable. At stake is the apprehension of a systematic obstruction, something like a gradient in
society, whose origins go back to the organized secrecy of a huge industrial undertaking, the
Manhattan Project for the production of the atomic bomb.7 The distance, the dust in the air,
the shimmers of heat convection that break up the detail of the images are perceptual metonyms
of this resistance to democratic oversight that defines the black world, and indeed, so much of
contemporary military activity.
It takes a geographical approach—that is, a collective retracing of the patterns of human
development on earth—to even begin conceiving the immensity of the American war apparatus. This
is achieved by surveying the core elements of state secrecy that lay the basis for that apparatus, then
following their extension beyond the atmosphere, into orbital space. In this way, one social formation
comes to face another in an exchange of gazes. The masters of surveillance are in their turn surveilled.
Photography, as a technical process, is on both sides of the fence: it is one of the key functions of the
satellites and the drones, while at the same time it is integral to what Paglen calls an “experimental
geography.” Could one find a similar ambiguity in photography as an artistic process?
Technological Sublime
It comes as a shock to learn that Clarence King, leader of the Fortieth Parallel expedition and
founding director of the U.S. Geological Survey, was an admirer of Turner, a devotee of Ruskin,
and himself an art critic. King, a scientist and mountaineer who absorbed his vocation from
Alexander von Humboldt’s book Cosmos, was Timothy O’Sullivan’s patron on the expedition in
1867–69.8 So there is nothing accidental about a photograph like that of Pyramid Lake, [fig. 9] with
its bold volumes and arresting curves, reprised by Paglen in another satellite portrait. [fig. 8] What
must be understood is that the survey photographers—who brought back images of strategic rail
routes, Indian wars and future mining sites—were involved in the deliberate production of a frontier
18
19
9
Timothy H. O’Sullivan
Pyramid and Domes,
Pyramide Lake, Nevada, 1868
Albuminabzug / Albumen print
19,8 x 27 cm / 7.8 x 10.63 inch
aesthetic combining scientific precision, a virile sense of adventure and a sharply honed taste for
the sublime. A perfect example is O’Sullivan’s wilderness landscape at Shoshone Falls, also from the
Fortieth Parallel expedition. Showing a team of surveyors on a rocky outcrop that falls away into the
immensity of the cascade and the surrounding mountainscape, it is at once a document of the
expedition’s labors and a pictorialist vista, destined to become an iconic image of the American West.9
Today, when Paglen photographs the landscape and the military satellites, he cannot help but situate
himself within and against this aesthetic tradition.
Let’s look back at its development. The taste for overwhelming natural spectacles emerged
in England in the early eighteenth century, at a time when the Grand Tour across the Alps to Italy
was de rigueur and sailing ships could convey the adventurous tourist to the furthest corners of the
earth. A towering mountain, an immense cataract, a terrifying storm at sea [fig. 10] viewed from an
unshakable perch in a lighthouse became objects of aesthetic delectation for imperial subjects intent
on discovering new capacities of wonder at the limits of their own expanding powers of control.
Artists then sought to translate this sequence of fear and pleasure into pictorial terms. The landscape
painting that resulted was brought to its peak by artists like Turner, then pursued in photography by
O’Sullivan‘s generation, who found ample material in the natural features of the frontier, so different
from anything in Europe. But the taste for a sense of self-loss and self-overcoming has its culturally
instituted forms, which change across the continents and the generations. As historian David Nye
observes, the American public tended to abandon the natural sites and vistas in favor of successive
versions of the technological sublime, based primarily on spectacular feats of engineering: railroads,
dams, bridges, skyscrapers, factories, electrified cities—all of which, of course, could also be portrayed
artistically. [fig. 11] Nye’s study culminates with a chapter on rocketry and the atom bomb showing
how the public experience of awe before the moon shots lifting off from Cape Canaveral became a
way to tame the feelings of terror generated by the threat of nuclear warheads mounted on intercontinental ballistic missiles.10 Today’s air and space magazines are still full of such “nostalgic” substitutes
for national transcendence.
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Das technisch Sublime
Zu erfahren, dass Clarence King, der Leiter der Expedition entlang des 40. Breitengrades und erste Direktor von U.S. Geological Survey, ein Bewunderer von Turner, Anhänger von Ruskin und darüber hinaus
auch Kunstkritiker war, das kann schon schockieren. Der Wissenschaftler und Bergsteiger King, der
durch Alexander von Humboldts Buch Kosmos zu seiner Berufung fand, wurde mit der Expedition in den
Jahren 1867–69 auch zum Förderer von Timothy O’Sullivan.8 Eine Fotografie wie jene vom Pyramid Lake
mit ihren kühnen Formen und faszinierenden Rundungen, [Abb. 9] Vorbild
für ein weiteres Satellitenporträt Paglens, [Abb. 8] ist also nicht zufällig
entstanden. Man darf nicht außer Acht lassen, dass die Expeditionsfotografen – die mit Bildern von strategischen Bahnstrecken, Indianerkriegen
und zukünftigen Bergwerken zurückkehrten – bei der Herausbildung einer
Frontier-Ästhetik ihre Finger mit im Spiel hatten, als sie wissenschaftliche Präzision, den maskulinen Sinn für Abenteuer und einen feinen
Geschmack für das Sublime verbanden. Ein perfektes Beispiel dafür ist
O’Sullivans Landschaftsaufnahme der Shoshone Falls, die ebenfalls von
der Expedition entlang des 40. Breitengrades stammt. Sie zeigt ein Team
von Landvermessern auf einem Felssporn, der steil gegen die mächtige
Kaskade und die Berglandschaft ringsum abfällt. Als Dokument der mühsamen Expeditionsarbeit in einem piktorialistischen Panorama sollte es
ein ikonisches Bild des amerikanischen Westens werden.9 Wenn Paglen
heute die Landschaft und die Militärsatelliten fotografiert, kann er eigentlich gar nicht anders, als sich in und gegen diese ästhetische Tradition zu
stellen.
Blicken wir zurück auf die Entwicklung dieser Tradition, die im England
des frühen 18. Jahrhunderts ihren Anfang nahm. Zu einer Zeit, als die
Grand Tour über die Alpen nach Italien obligatorisch war und Segelschiffe
die abenteuerlustigen Reisenden zu den entlegensten Winkeln der Erde
befördern konnten, begann man auch Geschmack an überwältigenden
Naturschauspielen zu finden. Ein steil aufragender Berg, ein gewaltiger
Katarakt, ein furchtbares Unwetter auf See,[Abb. 10] das man von einem
hohen, sicheren Sitz in einem Leuchtturm betrachtete, wurden zu Objekten des ästhetischen Genusses für Subjekte der britischen Krone,
die fest entschlossen waren, bei der Suche nach neuen unfassbaren
Wundern an die eigenen wie auch politisch-geografischen Grenzen zu
gehen. Im Medium der Kunst versuchte man, dieses Zittern vor Angst
und Vergnügen in eine Bildsprache zu übersetzen. Führten zunächst
Künstler wie Turner die Landschaftsmalerei zu einem Höhepunkt, wurde
später das Material, das die natürlichen Gegebenheiten des Grenzlandes,
der Frontier, im Übermaß bereithielten und in Europa in der Art nicht zu
finden war, von der Generation O’Sullivans mit fotografischen Mitteln
verarbeitet. Aber auch der Sinn für Selbstverlust und Selbstüberwindung
hat seine kulturell anerkannten Formen und ist von Kontinent zu Kontinent
und Generation zu Generation verschieden. Wie der Historiker David Nye
anmerkt, tendierte die amerikanische Öffentlichkeit dazu, die natürlichen
Landschaften und den freien Blick darauf gegen sukzessiv entstehende
Versionen des technisch Sublimen einzutauschen. Sie basierten vor allem auf spektakulären Großtaten
der Ingenieurskunst: Eisenbahnen, Dämme, Brücken, Wolkenkratzer, Fabriken, elektrifizierte Städte – und
konnten natürlich ebenfalls künstlerisch dargestellt werden. [Abb. 11]
Nyes Untersuchung gipfelt in einem Kapitel über Raketentechnik und die Atombombe, in dem er ausführt, dass das kollektiv erlebte, ehrfürchtige Staunen angesichts der Mondflüge, die von Cape Canaveral
starteten, die Angst vor den mit nuklearen Sprengköpfen bestückten Interkontinentalraketen bändigen
konnte.10 Die Luftfahrt- und Weltraum-Magazine der Gegenwart werden noch immer mit „nostalgischen“
Substituten für die nationale Transzendenz gefüllt.
Dem technisch Sublimen nähert sich Paglen aus verschiedenen Blickwinkeln, und er bedient sich kunsthistorischer Modelle, um die Konfrontation mit dem militarisierten Raum emotional aufzuladen, während
er gleichzeitig versucht, die politischen Wertigkeiten ästhetischer Erfahrung zu unterminieren oder gleich
zu verkehren. Ein Beispiel dafür ist seine Wolkenfotografie, die Alfred Stieglitz’ Equivalent-Serie [Abb. 12]
evoziert – eine abstrakte Version des Sublimen und Ausdruck der Dynamik innerer Zustände, für die es
10
Joseph Mallord William Turner
Snow Storm – Steam-Boat off a
Harbour’s Mouth, 1842
Öl auf Leinwand / Oil on canvas,
91,4 x 121,9 cm / 35.98 x 48 inch
11
Joseph Mallord William Turner
Rain, Steam and Speed –
The Great Western Railway, 1844
Öl auf Leinwand / Oil on canvas,
91 x 122 cm / 35.82 x 48 inch
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Paglen approaches the technological sublime from several different angles, using art
historical models to seek an affective confrontation with militarized space while at the same time
trying to undermine or redirect the political valences of aesthetic experience. An example is his cloud
photography, evoking Alfred Stieglitz’s Equivalents—an abstractionist version of the sublime, gesturing
toward the dynamics of inner states for which there are no objective referents. For Stieglitz the clouds
formed an uncoded space, a reserve of free visuality. [fig. 12] In Paglen’s photograph, the vastness
of the image is punctuated by two tiny Predator drones that catch your gaze like technological
hornets. [fig. 15] In their presence the rippling abstractions of the clouds no longer evoke
subjective freedom, but remind us instead of a more pragmatic “equivalent”: the electromagnetic
waves of encrypted information that pulse through the atmosphere, maintaining precise contact with
the unmanned aerial vehicle.
Another example is a large print looking for all the world like a sunset by the sea, with its
undulant yellows and ochers sinking into somber reds and blacks. Entitled The Fence (Lake Kickapoo,
Texas), [fig. 14] it is the electromagnetic image of a section of the radar perimeter surrounding the
United States, which Paglen calls “the earth’s largest galactic footprint.” The shift of the microwave
frequencies into the visible spectrum (and thus, the translation from invisible to visible) creates a field
of wavering atmospheric color that recalls the nineteenth-century
painting of J.M.W. Turner, the premier exponent of the maritime
sublime. [fig. 13] By abandoning representational elements in his later
oil sketches, Turner seemed to set consciousness adrift in its own
capacities of perception.
In the book Techniques of the Observer, art historian Jonathan Crary
draws an historical link between this painter of sensory intensities and
his contemporary, physiologist Gustav Fechner. The latter sought to
quantify such intensities, determining thresholds of perceptual awareness and thus inaugurating the discipline of psychophysics, now crucial
to the design of radar screens and all other informational monitors.11
The understanding of perception as a physiological response to
fluctuating intensities is what made possible the measurement of such
responses in human beings tethered to the screens of electronic devices.
It is in the gap between embodied consciousness and the scientific
management of perception that Paglen, perhaps intuitively, situates
his portrait of the radar fence.
Last example: a series of digital photographs, again of Predator
drones, [fig. 16-23] arrayed in a grid that echoes the motion studies
of Eadweard Muybridge. [fig. 24] In an article, Paglen recalls how
Muybridge’s studies were picked up in the mid-twentieth century
by a man named Edgerton, who invented the stroboscopic camera and used it under military
contract to take high-speed photos of exploding atom bombs. Edgerton later turned his photographic
triggers into detonators for the weapons themselves, looping the loop between photography and
war-making.12 To approach this historical sequence that leads on to the visualization technologies
used in the drones, Paglen has chosen to realize his grid of contact prints just as Muybridge did, using
albumen-coated paper in a painstaking process that can take up to a month for each image. From
today’s perspective, Muybridge’s stop-action technique acquires a new valence: it appears within an
archaic phylum of images, stretching back to the tempera works of medieval painters. Here, against
all the automatisms of technology, Paglen wants to make time slow down—as though holding off the
split-second release of the photographic trigger.
What emerges from these encounters with the technological sublime is the double status
of the artistic image in its relation to the black world. By bringing an element of pleasure into fear
and by tracing a wavering line between the capacities of mastery and the forces of destruction, the
sublime can naturalize technological terror. Thus the artistic gaze that seeks to reveal the vastness of
the military apparatus can itself come to participate in veiling the raw facts of power. How to work
beyond the aesthetics of the sublime? And how to stop or at least slow down the trend toward a
pervasive militarization of society, after its extreme acceleration by the last American president?
12
Alfred Stieglitz
Equivalent
(Set H, Print 1), 1923
Silbergelatineabzug /
Gelatin silver print
11,8 x 9,2 cm /
4.65 x 3.62 inch
22
keine objektiven Bezüge gibt. Für Stieglitz bildeten die Wolken einen unkodierten Raum, ein geschütztes
Feld freier Visualität. In Paglens Fotografie durchbrechen zwei winzige Predator-Drohnen die Weite des
Bildes und ziehen, mechanischen Hornissen gleich, die Aufmerksamkeit auf sich. [Abb. 15] Mit einem Mal
evozieren die wogenden Abstraktionen der Wolken nicht mehr subjektive Freiheit, sie erinnern vielmehr
an ein pragmatischeres „Äquivalent“: elektromagnetische Wellen mit verschlüsselten Informationen, die
durch die Atmosphäre pulsieren und den Kontakt zu den unbemannten Fluggeräten aufrechterhalten.
Ein weiteres Beispiel ist der großformatige Abzug, der mit seinen wogenden Gelb- und Ockertönen, die in
düsteres Rot und Schwarz versinken, für alle Welt wie ein Sonnenuntergang am Meer aussieht. Das The
Fence (Lake Kickapoo, Texas) [Abb. 14] betitelte Werk ist das elektromagnetische Abbild eines Stückes
des Radarzaunes, der die Vereinigten Staaten umschließt und von Paglen als „der größte galaktische
Fußabdruck der Erde“ bezeichnet wird. Die Verschiebung der Mikrowellenfrequenzen in das sichtbare
Spektrum (und somit die Umwandlung von Unsichtbarem in Sichtbares) lässt ein schimmerndes Farbfeld
entstehen, das Gemälde von J. M. W. Turner, dem vollendetsten Vertreter des maritim Sublimen im 19.
Jahrhundert, in Erinnerung ruft.[Abb. 13] Indem er sich in seinen späteren Ölskizzen immer weiter vom
Gegenständlichen entfernte, schien Turner auch Bewusstsein und
Sehen dem offenen Meer der Wahrnehmung zu überantworten. In
seinem Buch Techniques of the Observer stellt der Kunsthistoriker
Jonathan Crary eine historische Beziehung zwischen diesem Maler
der sinnlichen Intensität und seinem Zeitgenossen Gustav Theodor
Fechner, einem Physiologen, her. Letztgenannter arbeitete daran,
solche Intensitäten zu quantifizieren und visuelle oder auditive
Wahrnehmungsschwellen zu definieren, und wurde so zum Begründer der Psychophysik, die heute für das Design von Radarschirmen
wie auch allen anderen Informationsmonitoren äußerst wichtig ist.11
Das Verständnis von Wahrnehmung als einer physiologischen Reaktion auf fluktuierende Intensitäten ermöglichte die Messung solcher
Reaktionen bei Menschen, deren Aktionsradius auf die Bildschirme
elektronischer Geräte beschränkt ist. Genau in diesem Konfliktbereich zwischen verkörpertem Bewusstsein und wissenschaftlichem
Wahrnehmungsmanagement positioniert Paglen, vielleicht intuitiv,
sein Bild des Radarzaunes.
Letztes Beispiel: eine Serie digitaler Fotografien (wieder von Predator-Drohnen) [Abb. 16-23], die in ihrer systematischen Gliederung
an die Bewegungsstudien von Eadweard Muybridge denken lassen.
[Abb. 24] In einem Artikel erinnert Paglen daran, wie Muybridges
Studien in der Mitte des 20. Jahrhunderts von einem gewissen
Edgerton aufgegriffen wurden. Als Erfinder der Stroboskop-Kamera war er vom Militär verpflichtet worden, Hochgeschwindigkeitsfotografien von explodierenden Atombomben zu machen. Mit seinen fotografischen Auslösern wurden später die Waffen selbst gezündet, womit Edgerton ein Looping zwischen
Fotografie und Kriegsführung drehte.12 Inspiriert von der historischen Serienfotografie, die zu den Visualisierungstechnologien in Drohnen führt, hat sich Paglen dafür entschieden, seine Kontaktabzüge auf die
gleiche Weise wie Muybridge zu realisieren, also in mühevoller Arbeit mit albuminbeschichtetem Papier,
die pro Bild bis zu einem Monat dauern kann.
13
Joseph Mallord
William Turner
Moonlight,
a Study at
Millbank, 1797
Öl auf Holz /
Oil on wood
31,4 x 40,3 cm /
12.36 x 15.87 inch
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