Trilogie - University of Puget Sound

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Trilogie - University of Puget Sound
Trilogie
Die Abwiegelung
Das Bekenntnis
Der Aufstand
von Holger Teschke
o 1998, 1999
Die Ttilogie AbwiegelundBekenntnis/Aufstand ist nach dem Thema ABA komponiefi und
sollte geschlossen aufgef.ihrt werden. Das Schlu,Bstiick vatiiert die Motire der ersten
beiden Senen undfihrt sie zw Srnlhese, weswegen eike Aufriihrung aufjede Musik
|erzichten und anstatt dessen strict den Rhythmus der Dialoge und Pausen
herausar b e ite n so I I te. H.'1.
November 1 999
I{olger
gebraLrch! verden, dann mussen Sie auch nicht daruber nachdenken,
Tescbke
Die Abwiegelung
A:
Farce in einer Szene
Das ware Haben Sie noch eine Frage?
B: Nein.
Dann konnen Sie gehen.
Bi nl"zigt.
Sie werden nicht mehr gebrauchr. Im Verrraueor Batd wird man
mich auch nichr mehr brauchen. Ich werde daon €benr?ils
sehen.
B: wohin?
Das lrage ich mich jetzt noch nichi. Das ha! Zeit. bis ich nichr mebr
Br
A:
Br
Ar
Br
Wann werden Sie das wisen?
Ar
Ja. Aber dann is! es ganz unnutz, da.rjber nachzudenken. Dann muB
ich ja darliber nachdenken, wohtn ich gehe.
Br
Man wjrd es mir zu gegebener Zeit nirr€iten.
Man. Wer ist das. man)
Dariber nachzudenk€n, habe ich teider k€ine Z€it
Aber wenn Sie nichr mehr gebraucht werden, dann hab€n Sie Zen
Es wLirde Ihnen also nu! €twas nrilz€n, dariiber nachzudenken,
solange Sie gcbrauchr werdeol
J!, (Leh/.) Abet Sie wlssen ja. Die zen.
B; DaB es Ihnen abe! nur Ir diesem Fall €rvas ontzen wi!de, daniber
haben Sie doch nachgedacht.
Ja. Soviel Zeir bleibr.
B: \voher weiB,,man", dan ausgerechner ich nicht mehr gebraucht
Ar
B:
A,
Bl Aus Ihrem Mund klingt das e.sraunlich. Entschuldigen Sie Aber
Sie rvissen doch am besten, dalS nran auf Essen und Schlafen nur
einen Anspruch har, solange man gebraucht witd
Selbstversdndlich. Man mu0 auf die Suche gehen
B: Sie meinen, man mu8 GlLick haben. (Lacbt.)Mu.
Ja. Auf die Suche gehen und Glnck haben. Das ist cs
B: Ich hatre enormes Glick. Bis heute
Scheinr so.
Bl Besrie. Wenn Sie nicht mehr gebraLrcht werden, drnn st es rbsolut
egal, \'ohin Sie gehei od€r was sie sucheo, klar?l
Aber das sagten Sie b€relts.
Bl Ich habe w€gen d€r Unberechenb3rkeit d€s Glncks versucht, PIan'
voll zu lcben. Dennoch sind die meisten meiner Unrern€hmungen
vbllig andels ausg€gangen, als ich geptanr harre. Statr €ine! b€son'
ders raffinierten Varimt€ ervies sich im nachhjnein eine ganz einfallslose als erfolgreich, und setzte ich auf nuchrerne, Ljbersichtliche
Uber Derails inlormiert man mich.ie. rch hab€ Sie in Kenntnis zu
serzen, das isr ailes. Stelten Sie sich vor, ich soltre tiiglich mit den
Hunderten, die oichr meh! gebraucht verden, die Details durchgehen.
B
r0
(l,i,ktha//i4: Ich werde lhnen etvas
sagen. w€nn Sje oicht mehr
wohin Sie gehen sollen. Das ist dann n;lnilich Sanz gleichgiiltig
Das merke ich jetzt.
Sie haben rech!. Es ist ganz gleichgijlrig, $o man gedemLitig!
vird. Andererseits sind Ort€ vorzuziehen, an dcnen man zu den
DemLitigungeo eine warme Mahlzeit verabr€ich! Wo mxn in d€n
kurzen nichtlichen Unt€rbrechungen einc trock€ne Schlalgelegenheir flodet.
Sie meinen, ia, Schlaf wird man nicht mehr gedemurigtT
Das will ich damit nicht gesagt habeo. Die Tr:1ume sind die eiirigsten
Hriter unserer Demrjtigungen. Vi€lleich! Allr es im Schlaf nur
schwerer, iemanden zu demutigen. Aber eiSennich muB es daran
A:
Losungen, dann hiitt€ €s unerwartet eine! bizarren, phantasjevollen
bedurft. In der Arbeit, in der Liebe. lch ledete mir €io, daB viel
Ungl0ck h;itt€ verhindert werd€n konnen, wenn ich einen hdher€n
Bildungsweg absolvierr hette. Abendkurse. Selbstsrudium Eine
Promotion. Vielleicht h:itie icb dann noch Planvolle u We!ke
gehen kon.en. Systemalischer. Ich konnte eigentlich nte das Ende
absehen. Selbst bei den simp€lsten Vorgiinsen nlcht. Sosehr ich mich
auch bemiihte.
Sind Sie moglichcrweise ao mangelnder Konperenz gescheitert?
'71
B
A:
Br
Ar
Br
Ar
Br
A:
B:
Ich meine, das ist njchts Ehrenlijhriges. Nicht jeder ist ein Genie.
Das kano man nicmandem z'rm Vorwurf machen.
(r'lbei/.t)t Die Aufgabcn wachs€, uns ijber den Kopt D€m ejnen
frlher, dcm anderen spate.. Die Verfahlensfrag€o. Die Technik.
Dabei v3r mein Aufrrag, genau besehen, eher rri"t"t. Ou, proUt"tn
var, ich hlng von zu vielen andelen ab, aufdie ich keinerlei EinfluB
hatte. Ich ,ra. zu abhnngig.
Aber deswcgen kann man Sie doch unmdglich nichr m€h! brauchen.
Nein. Daran kann es nicht liegen.
Sehen Sie. Dasselbe wljrde j€rzt j€der and€re anrworten, der hter
an Ihrer Stelle stiinde.
]ch ft.chre, da haben Sie rechr.
Dcshalb sollten Sie sich darnberauch keineGedanken mehr macben.
Aber gerade jctzt kann ich rnir doch darijber so viele Gedanken
machen wic nre zuvorl
Ja. Aber es nLjrzt Ihnen doch nichts mehr.
Nein. ( Langc Pa,r'.) 'iljahin ich jetzt geheo so wein ich noch
,
A, Daru kann ich Ihnen nichh sagen.
Br Und warum ich nicht mehr geblauchr
Ar
B:
A,
Br
A
Br
Ar
Br
w€rde, dazu krjnn€n Sie mir
auch nichrs sagcn.
Es fchl€n mi! tegliche Dctails.
Aber auf di€ Details kaime es an. Auf die winzigen Ulsachen.
V€rsr€ifen Si€ sich nichr daraut Vielleichr isr es bisser, diesen punkt
auf sich berr:hen zu laxen.
lflarunrl
(r.b/ Jre" /nh)1 Haben Sie nichr auch d.s c€frhl, da8 €in Mann
wi€ Sie, der derarr vi€lc Fragen stetlt, obwohl er genau weiB, da0
di€ Siruatioo mir Fragcn oicht zu indern ist, daB ein solcher Mann
einfach nicb! mehr gebraucht werden kann?
Und Sicll Si€ habeo doch die ganze Zei zugeh6rtl
Das geh6rt zu meinen Aufgaben.
Bei jeden, d€n Sie in K€nntnis setzen?
Ja. Eine bcstimmre Zejr.
Die hab ich j€tzt woht nberschrirten?
A:
Br
Ar Nein.
B: Wohcr wisscn Sie das?
Ar Erfahrungssachc.
72
B; Und Sie vcldeo nicht wahnsinnig dabeil
Warum? Es sind fast immer die gl€ichen Fragen. Dieselben VoF
wtrf€, Es ist mir sogar frcigestellt, was ich daiautaotwort€. Wichtig
ist nur, dal di€ Leute begr€ifen, !/ie sinnlos m€in€ Antworten fr.ir
sie sind,
B: Und das schaffen Sie)
Es gjbt hln \rnd wi€der einen, der aus meinen Worten eine versteckte
Kritik an seinen Fahigkeiren zu deulen v€nucht. Ein€n Hinveis auf
kleire Verfehlungeo. Einen Sinn. Angesichts dcr Hoffnungsloslg"
keii, die die meisteo Menschen auf Grund neiner Information
beeillt, habe ich dafiir vollstes Versdndnis. Aber es zehrt an den
N€fven. Vels€tz€n Sic sich doch nu! fiir eincn Mom€nt in mcine
L^ge.
B: Denken Sie mitunter daran, daB auch Ihr Auftrag elnes Tages als
erl€digt angcseh€n werden wird?
Selbsrversdndlich. (Latbt.) trn Jringsten Gericht. Matthiil am
letzten. Dagegeo kann lch schlechterdings nicht proresri€len.
Bl Das letzte. was ich also tun koonte. \rzire, mich wilklich in ih!€
Lage 2u vers€tzen. (AE8/'!ti":) Pt^ktisch.
(;'1htt$istt)t Was viirden Sie dann tun?
B: Ichwci8 noch nicht. Dencn, die nicht mehr gebraucht werden, etwas
auf den Weg geb€n. Etwas, das sie zusammenh;ilt. \X/omit sie sich
Aber man braucht sie einfach nicht mehr, Ihre einzige waffe var
doch, gebraucht zu werden.
B: Eben. Sie sollten sjch trotzdcm zur \vehr setzen. wenn es sein rnu0,
mit Gcvalt.
Dann kommen Sie aber in Untersuchungshaft. Odcr in ein lrrenhaus, im \viederholungsfail,
Ja. Dann w00te icb wenigsteos, wohin.
(kcht hifitb)t Ja. Das wn[ten Sie dann.
Ich kann Sie also eb€nsogur auf Ihrcm Platz sitzen lassen.
Klar. Sic odct ich. Friihe! ode! sp,itcr, Was solls.
Ich hab das alles seit Jahrcn geahnt. Abcr ich konnte nichts macheo.
lndem man uos gebrlucht hrt, hat man uns schlie0lich auch am
Leben gehalten,
Und nicht schlecht.
73
B: lch l'1cjnc das nicht nur im physischen Sinne. H:itte man uns nicht
so lange g€braucht, wir liigen langst verkommen auf der Sr!3Be.
Im weiBen Hemd friih urn zehn in der Kneipe. An den Spielauro-
B,
B
Das isr anzun€hmen.
Man wird sogar davoo nberz€ugt sein, daB es im eig€ntlich€n Sione
k€in Unrecht isr, uns.ichr mehr zu brauchen. Wir haben k€in€rlei
nachweisbaren Anspruch darauf, geblaucht zu wclden.
lch wiiBte nicht, woher der sich ableit€n lic8e.
Ich habe es immer fLir iiberspannt sehalten, allein aus dem Umsrand, daB man geboren worden ist, das R€cht aLrf ein sogenannres
menschenwijrdiges Leben abzuleiren.
Logisch ist das nicht.
Bl Es bleibt dennoch ein ungutes Gefnhl, fnr den jetzigen Zustand
k€in€n dir€kr S€huidigen ermitteln zu kdnnen.
Ar Da li€gt der Hund begraben.
B: Wenigstens das System. Den MechanismLrs. Die Ges€tzmii8igkeit.
A: Ziemljch hoftnungslos.
B r Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe mich durchaus um Ubersichi b€miihr, Leklrire, Lektiile. Da gabs nichts. Ich habe seh! wohl
geglaubt, lnit v€randcrtem BewuRtsein di€ Verheknisse iindero zu
konnen, Die Demntigung€n sbschaffen. W€g mjt der Unger€chtigkcit. Aber das ist alles so unfaBbar geword€n. Keine Frage des
Standpunktes mehr. Wenn Sie velstehen, .ras ich meine.
Alte Hrite.
B: Ich giaube, Sie verstehen mich. (Parn.) vtas machen denn die
aoderen, die zu ihncn geschickr werden?
Unterschiedlich. Fluchen. Jammelo. Mlncbe spucken nach mir,
B,
And€re betteln. Je oachdem.
Das kommt mir ietzt sehr l?icherlich vor.
Nun ya. Es ix schlieBlich ein harter Schlag.
Aber Sie enragen es.
Man g€wdhn! sich an all€s. Mirunt€r ist €s erschLitt€rnd, Ich meinel
rein menschlich. Aber was hilft das. lch kann nichts daran andern.
Ich nicbt, Sie nicht. Man nicht.
Mlt dcm B€vuBts€in ertdgt man wohl eine Menge.
B:
Und ob.
Dann kann ich ia gehen.
Br
Ar
B:
Ar
74
A: Vohin, wenn man f.agen da.P
Br BiBchen umsehen Flanieren
A: Umseh€n ist gut.
B (P/iit1t,'b)t Aufwieg€in. Zusamn]enrort€n' Scharlmachen
Br
l0enns ohnehin gleichg\iltig ist
B: Vielleicht passiert dann doch mal was.
Ar Mi! wars lecht
B: Manchmal sPuck€n welche, sagen Sie?
A; Ja. Ander€ heul.n
B r Wohin spucken denn die?
Ar Ganz verschi€den. A,.rf den Tisch. Auf den FuBboden. Es gibt
\1,elche, die v€lsucben, mir ins G€sichr zu spucken
Und dann?
B:
A (irti,i'tt)t lvls A^nn?
B I Daoach?
A: Ich wische es ab.
B: Aber manchc, die v€rsucb€n es wohl immer wiedcr?
Ai Ja, Solange die Spucke reicht.
B, Ja. Nariirlich.
Ar Haben Sie noch eioe Fra8e?
Br Nein.
A: Dano konnen Si€ g€heo.
r
Holger Teschke
Das Bekenntnis
Farce in einer Szene
Sie zu dieSie sind also zu uns gekommen, um sich zu offenbaren lch begliickwiinsche
sem Schritt. Kommen Sie aus freien Stiicken ?
Nicht direkt.
Ah ja.
Man hat es mir najregelegt.
Man
?
In der Zeitung. Im Fernsehen. Auf Versammlungen Wohlmeinende Menschen mir
Weitsicht und Lebensedahrung haben mir dazu geraten.
Und diesem Rat qrnd Sie nun gefolgl
Ja. Ich
.
m6chte ein neues Leben beginnen.
Das ist eine lange Geschichte. Darf ich mit meinem Bekenntnis beginnen
?
Einen Moment bitte. Ein freiwilliger EntschluR ist uns natiirlich willkommener'
Ich habe mich jeIzt entschlossen, diesen Schritt zu tun.
Ein bi8chen spat. wie
?
Biue ?
'l
Und nicht ganz aus freien Stiicken' oder
entgegenzunehmen
Ist das so wichtig ? Ich dachte' Sie sind hier' um mein Bekenntnis
Ja. Und ?
mein Brscheinen
Ich bin in der Erwartung gekommen' dai mein Entschlul begriiBt und
worde
werden
rnit einem gewissen Wohlwilllen betrachtet
tiefe'die inMeine Aufgabe besteht zunechst darin, zu beufieilen' ob sie tats:ichlich die
,*." s"i.i,r-"h"t, einem Bekenntnis haben. ob Sie zum AuRersten entschlossen sind^ ausgerechnet bei uns ein Bekenntnis aul Grund von Zwang oder
Der Gedanke, dai
im
Notigung zustandekommt. waie uns ganz unertreglich Wir sizen hier schlieRlich
Aufrrag der Freiheit.
Niemand hat mich gezwungen.
jelzl. Aber was ist mit den Zeitungen, mit dem Fernsehen' ihren.
Ratgebirl? Sehen Sie I Selbsl die leiseste' unsoheinbarste ArI von Cewalt wiirde
Das sagen Sie
sich
wie ein Mehltau aul das junge Gesicht unserer Freiheir legen'
Was hafte ich denn lhrer Meinung nach tun sollen
?
Das alte ElendSehen Sie, schon diese Frage ist ein Zeichen Ihrer unfreier Denkweise'
geworSeit der Beichtstuhl und die Couch der Therapeuten derart suspekte Einrichtungen
(ien sind. kiinnen wir uns kaum retten vor Leuten. die bekennet wollen Wir m ssen
eine Auswahl treffen und zunachst jenen belfen. die aus freien Sttcken zu uns
komDten.
Aber ich bin aus freien Stiicken gekommen
Das hatten
wir
sciron.
B:Ichkannkeinneuesl,ebenbeginnen'ohnevolhereinBekenntnisabgelegtzuhaben.
Warum Dichl
?
Es ware nicht aufrichtig.
Wer sagt das
?
Meine innere Stimme
Interessant. Was sagt sie noch ?
Hiir auf. Nicht mehr weiter. Kehr um
Und seit wann sagt sie das
?
Seit wir die Freihei! errungen haben.
B;
Nun. wir. Das Volk
Interessant. Aber vorher hat sie geschwiegen ?
Nein. Vorher habe ich sie zum Schweigen gebracht.
Etwas genauer, bitte.
Ich habe ihr gesagt, laR mich in Ruhe.Mach keinen Arger. Ich habe genug am Hals Bin
ich meines Bruders Hiiter. Und was wird dann aus den Kindern Man muR sehn, wie man
mit dem Hintern an die Wand kommt. Undsoweiter.
A : lch
Leben beginnen zu miissen
verslehe- Warum glauben Sie eigentljch' ein neues
weil
war ein Midaufer
ich in meinem bisherigen Leben versagt habe lch
?
' Ein Feigling
Ein Opportunist.
Das waren die meisten.
verhohnt'
Ich habe mich mil den Machtigen arrangiert und die Ohnmachtigen
Das
war iiblich.
vor meiner
Ich habe das Elend der Welt zum Vorwand genommen' um iiber das Elend
Haustiir hinwegsehen zu k6nnen.
Hdren Sie auf.
Uber das Elend in tneinen eigenen vier s/enden
Genug.
Aber es erleichterl , wenn ich darilber sprechen kann
Erleichtern Sie sich woanders Hier ist keine Bediirfnisansmlt
Sie sind grausam.
Nein. Aber ich habe keine Zeit fiir Theater. Entweder Sie sprechen konkret iiber lhre
Schuld ,ihr Versagen, was weiB ich , oder Sie gehen wieder'
B : Eigentlich habe ich niemandem geschadet.
A ; Warum sind Sie dann
gekommen ?
Ich habe geran, was alle faten. Pairse. Was die meislen Iaten'
Und was, meinen Sie, war das
?
Wegsehen. Schweigen. Mitmachen
.
: Erwas konLreter. bitie.
Kleine Erbarmlichkeiten
Heraus damil.
Ich habe nicht protestie.t, wenn mejne Mitarbeiter Opfer niedertrichtiger Intrigen
wurden . die ihr Leben ruinierten .lch habe die Hand gehoben' wenn tiber ihre
ihnen
Abschiebung abgestimmt wurde. lch habe die Stra,qenseite gewechseh, wenn ich
begegnete.
: Sie tilhlten sich schuldig
?
lch tiihlte mich elend. Ich hatte Angst.
: Angst wovor
?
Vor ihren Blicken. Vor ihren Fragen.
Aber bei den Abstimmungen. da hatten Sie Angsl vor den Blicken der anderen
-
Aher
Ja. PdLte. Die M;ichtigen konnten uns die Existenz nehmen- rnit einem Federsirich
die Ohnm:ichtigen nahmen uns auch noch die Selbstachtung Pause'
Wenn ich es recht bedenke, hatte ich immer Angst.
Und deshalb beschlossen Sie. wegzusehen
B
Ja. Es schien mir der einzige Ausweg.
Und wohin hat er Sie gefthrt
B
?
An den Abgrund meiner Erbarmlichkeit.
Ach ? Und was sehen Sie da, in ihrem Abgrund
B
Basilisken.
Wie bifie
B
?
?
Die Erde hat ihr Maul aufgetan . Eine Mordergrube voll Basilisken und Schlangen.
We.den Sie nicht poetisch.
B
lch erinnere mich nichl mehr. Es eascheinl mir. als lage das alles lange zuriick. Unstet
und iliichtig.
Ausreden.
B
Es tut mir leid, Ich schame mich.
Das sagen alle. Aber das reicht nicht.
Was soll ich denn tun ? Wenn ich nicht bekenne, bin ich verloren. Aber wenn ich
bekenne, dann bin ich doch erst recht verloren.
Spitzfindigkeiten. Gehen Sie in sich. Hdren Sie auf. sich mit Ausfliichten zu trdstenGraben Sie nach der Wurzel Ihrer Schuld. ReiBen Sie Sie heraus aus dem Sumpf Ihier
Tr:igheit. Erst dann wird ihre Reue echt sein. Tief empfunden und alfrichtig .
6
Aber ich erinnere mich nicht mehr' Ich habe es vergessen lch will endlich einen
SchluBsirich ziehn.
Guter Mann. so wird das nichts
B
Wie kann ich Sie nur iiberzeugeD, da8 ic'r tief und aufrichtig bereuen will
woher soll ich das wissen
B
?
?
Meine Strafe jst zu schwer, als daR ich sie tragen kiinnle
a4crl
So geht's einem dann.
Stc $ollen \o \ eiler machen wie biqher.
Ach ? und Sie ? wer sind Sie denn.dall Sie so zu mir reden kdnnen ? Ein unbefleckter
Engel ? Eine Lichtgestait ? Haben Sie nie etwas zu bekennen gehabt ?
Und ob. Aber ich habe es hinter mir.
Und hat lbnen
niemand geholfen ?
Doch. weil jch bereut habe. tief innen und voller Demut. Es war ein schwerer Kampf.
Aber ich habe mich libe.wundeD. Dafiir man hat mich dann auch auf diesen Stuhl gesetzt.
Ich weil], was Sie durchmachen. Aber ich weilJ auch, was Ihnen fehlt.
So. Und was fehlt mir
?
Ihnen fehlt Demut. Sie wollen nicht bereuen. Sie wollen Mitleid.
Wie kdnnen Sie das behaupten.
Erfahrungssache,
Aber wenn es mir gelingen sollte, aufrichtig und iiberzeugend zu bereuen, dann
konnte sogar ich eines Tages auf diesem , Ihrem Stuhl sitzen ?
'7
Sichef.JenseitsvonEden.lnderFreiheitistnichtsunmdgtich'VersuchenSiesichzu
und Stunde um Stunde
?"t""" S;e wierler und bekennen Sie: Tag fiir Tag
der Feigheit und der Niederiracht
"rir"".".
wi.'i..Ji"" ffti" g,innerungen auf Aus dem Archiv
geben Sie Ihren falschen
rv;.i J" el"rtft *."tchlicher'Gr6Be' Uberwinden Sie sich und
Stolz auf.
verralen lch habe nur
lch bit nicht slolz. Aber ich habe weder denuMier! noch
Arbeit gegangen'ich habe
zur
fn,tn".ucht.Tae fiir Tag und Stunde um Stunde lch bin
l".ifr* i.n.n. ,iir t'rue i'.n um rnetne Familie gekijmmerl lch war ein Nichts
*tll keine Angsr mehr haben Verstehen Sie ?lch will nicht liinger ein
Titti ii
NichLs sein.
wichtig ist daft Sie
Beruhigen Sie sich. Wichtig ist nicht in erster Linie lhr Bekenntnis
ist wichtig'
J"n WJg ru un, g"funden haben. Wichtig ist' daJ] Sie gekommen sind Demut
ihre
um
Wir
wjssen
Wir habJn Ihren Namen, Ihre Adresse. lhre Telefonnummer'
verzwejflung. wir vergessen Sie nicht. ln der Freiheit wird niemand vergessen'
Also darf ich wiederkommen ?
Ich dart
es noch einmai versuchen ?
Sicher- Dafiir sind wir hier.
Sie werden auf mich wafien ?
Bis zur Stunde Ihres Todes .
Sie werden mit mir mein Leben durchgehen,Tag fiir Tag und Stunde um Stunde?
Sooft Sie es wiinschen.
Ja. Ich wiinsche es. Ich werde wiederkommen. Ich bin gliicklich , gekommen zu seinIch danke lhnen. Fliistefi Danke.
A
:
f" t-
Ich werde auf Sie warrcn.
Holger I eschke
Der Aufstand
Szenenwechsel, zehn Jahre spaeter
A sitzt vor seinem Computer und arbeit€t, als B eintritt' Beide sind merklich
gealt€rt, ihr B€wegungen langsamer und mueder. B setzt sich auf den Stuhl
gegenueber von A's Arbeitstisch. A steht auf, geht zu dem hohen eisernen
Aftenschrank , zieht B's Akte heraus und setzt sich wieder- Er blaettert eine
Weile in der Akte und oeffnet schliesslich den Mund, um etwas zu fragen'
B legt den Finger an den Mund, schliesst die Augen und schweigt. Dann
stehi er auf, nimmt den Computer vom Arbeitstisch und wirft ihn durch das
geschlossene Fenster. Er nimmt dem starren A seine Akte aus der Hand ,
iuendet sie mit einem Feuerzeug an und legt Feuer and den Aktenschrank.
A spdngt aus dem Fenster. B selzt sich mit seiner brennenden Akte in der
Ha;d auf A's Stuhl. Das Telefon beginnt zu klingeln. B nimmt ab, haelt die
knisternde Akte an den Hoerer und legt ihn auf den Tisch zurueck' Er
blaeftert in seiner brennenden Akte, Seite fuer Seite, lautlos lesend.
Polizei- und Feuerwehrsirenen, waehrend die Buehne abbrennt.
Die Trilogie Abwiegelung/Bekenntnis/AuJstand ist nach dem Thema ABA
komponierl und sollte geschlossen aufgefuehrt werden- Das Schlussstuet:k
variiert die Motive der erslen beiden S:enen und fuehrl sie :ur Synthese,
weswegen eine AufJuehrung aufiede Musik ver:ichten und anslatt dessen
strikt den Rhythmus tler Dialoge und Pausen herausarbeiten solLle. H'T'
November 1999