Mein Auslandssemester auf Bali

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Mein Auslandssemester auf Bali
Welcome To My Paradise –
Mein Auslandssemester auf Bali
Von Sarah Reisinger
Studiengang Master Wirtschaftspsychologie
Von März bis Juli 2014 absolvierte ich mein Auslandssemester
auf Bali in Indonesien und studierte an der Udayana University
„International Business“. Während dieser Zeit habe ich viel
über die Wirtschaft in Südostasien, die balinesische Kultur und
nicht zuletzt über mich selber gelernt. Der folgende Erfahrungsbericht soll einen kleinen Einblick in das Studentenleben
auf Bali geben.
Meine Motivation
Im Mai 2013 entschied ich mich, während meines Masterstudiums der „Wirtschaftspsychologie“ ein Auslandssemester
zu machen. Ich war zwischen meinem Bachelorstudium und
meinem Masterstudium bereits drei Monate in London und
habe dort Menschen aus aller Welt kennengelernt. Mich hat
der Austausch mit ihnen sehr fasziniert und ihre unterschiedlichen Sichtweisen haben mich sehr interessiert. Nach
meinem Aufenthalt in London wollte ich unbedingt wieder ins
Ausland gehen, aber dieses Mal weiter weg, um eine ganz
andere Kultur zu entdecken.
Ich habe mich über verschiedene Studienorte und Auslandsprogramme im Internet informiert. Dann erinnerte ich mich,
dass eine Bekannte ihr Auslandssemester auf Bali in
Indonesien gemacht hatte. Als ich das Studienprogramm im
Internet entdeckte, war es um mich geschehen: Ich wollte
unbedingt nach Bali! Die Bewerbung lief über die Fachhochschule Dortmund, die eine Kooperation mit der Udayana
University hat. Nachdem ich die Zusage bekommen habe,
hatte ich große Zweifel, ob ich das Angebot überhaupt
annehmen sollte, um mir nicht meinen Lebenslauf „kaputt“ zu
machen. „Kann man auf Bali überhaupt studieren?“ war häufig
die erste Reaktion, wenn ich Freunden von meinen Plänen
erzählte. Ich habe mich entschlossen, es trotzdem zu tun: Die
untypischste, aber wahrscheinlich beste Entscheidung, die ich
je getroffen habe.
Die Vorbereitung
Ich hatte neun Monate Zeit, um die Vorbereitungen für das
Auslandssemester zu treffen. Zuerst buchte ich die Flüge. Es
war für mich nicht einfach, abzuschätzen, wann ich wieder
nach Hause kommen wollte. Ich entschied mich deshalb,
meine Flüge erst mal nach Singapur zu buchen, um flexibel zu
sein und spontan zu entscheiden, ob ich nach dem Ende des
Semesters noch auf Bali bleiben möchte oder lieber durch
Asien reise.
Über eine Facebook-Gruppe konnte ich erste Kontakte zu
anderen Studenten meines Semesters herstellen. Darüber
lernte ich auch meine zwei zukünftigen Mitbewohner kennen.
Wir fanden über die Internetseite www.auslandssemesterbali.de vorab eine schöne Villa mit Pool in Seminyak, in der
Nähe des Double Six Beachs. Einige Studenten haben sich
die Villen vor Ort angeguckt und dort Mitbewohner gesucht.
Dies hat den Vorteil, dass man die Villen erst besichtigen
kann, aber ich würde aufgrund der hohen Nachfrage jedem
empfehlen, die Villa vorab zu buchen. In unserem Semester
waren die beliebtesten Wohnorte der Studenten Seminyak und
Kerobokan.
Im Dezember konnten wir dann auch das Studentenvisum für
Indonesien beantragen. Dies war mit viel Aufwand verbunden,
weil ich zuvor ein Empfehlungsschreiben der indonesischen
Botschaft in Deutschland benötigte. Hinzu kam, dass ich nach
meiner Klausurenphase und vor dem Auslandssemester noch
mal für sechs Wochen für ein Praktikum nach London ging,
sodass ich viel organisieren musste. Die Fachhochschule
Dortmund hat hilfreiche Leitfäden für die Beantragung des
Visums bereitgestellt.
Kurz vor meinem Praktikum in London musste ich eine
Kreditkarte beantragen, mit der ich im Ausland kostenlos Geld
abholen kann (z.B. comdirect), eine Krankenversicherung
(z.B. HanseMerkur) abschließen, eine SIM-Karte (z.B.
Telekomsel) beantragen und einen Roller mieten.
Studieren auf Bali
Ende März flog ich von Köln in Richtung Asien. Kurz nach
meiner Ankunft fand der höchste hinduistische Feiertag
„Nyepi“ statt. Es ist der Tag der Stille, an dem niemand auf der
Insel das Haus verlassen, Feuer oder Licht anzünden oder
arbeiten darf. Alle Geschäfte und der Flughafen sind geschlossen. Über 90% der Balinesen sind Hindus und die
Religion hat im Alltag einen hohen Stellenwert.
Die Universität befand sich in Jimbaran. Ich bin jeden Morgen
ca. 20-30 Minuten mit dem Roller dorthin gefahren. Das
typische Fortbewegungsmittel auf Bali ist der Roller. Verkehrsregeln gibt es hingegen nicht. Ein Taxifahrer hat uns erklärt,
dass Rollerfahren auf Bali ganz einfach ist, man muss nur
hupen und lächeln. Das Taxifahren ist auch sehr günstig,
dauert aber oft länger, als sich mit dem Roller durch den
Verkehr zu wuseln.
Ich habe an der Udayana University die Masterkurse besucht,
dazu gehörten Kurse in „Cross Culture Management“,
„Tourism Marketing“, „SEA Economy“, „Project Management“
und „Bahasa Indonesia“. Mein Dozent für die Vorlesung
„Tourism Marketing“ hat die Mentalität der Balinesen sehr
passend beschrieben: „In Indonesien braucht man keinen Plan
B, aber man muss sich spontan einen überlegen können, weil
immer etwas nicht klappt“. Die Sprache zu lernen war für das
Leben auf Bali sehr hilfreich. Die meisten der Balinesen in den
Urlaubsgebieten sprechen Englisch, aber wenn man sie in
ihrer Sprache begrüßt und zeigt, dass man an ihrer Kultur
interessiert ist und nicht bloß zum Urlaub machen dort ist,
waren sie offener und freundlicher. Besonders im Gedächtnis
geblieben ist mir das Fach „Project Management“, in dem wir
in Gruppen eigene Projekte zum Thema „Keep Bali green and
clean“ mit einem Kinderheim durchgeführt haben. Dabei
hatten wir Unterstützung von unseren Sponsoren „Starbucks“
und „Carrefour“ sowie von der Bali Post und dem lokalen
Fernsehsender, der über unser Projekt berichtete. Hierbei
ergaben sich nicht nur sprachliche Hürden, sondern auch
kulturelle Herausforderungen. Indonesien ist ein kollektivistisch geprägtes Land. Daher mussten wir zunächst klären, ob
ein Wettbewerb überhaupt die passende Wahl ist, um das
Thema den Kindern näher zu bringen. Wir lösten diese Frage,
indem wir ihre Betreuer fragten, die uns dazu rieten, den
Wettbewerb durchzuführen, allerdings zu betonen, dass alle
Kinder gut waren und für alle Kinder Preise zu vergeben.
Neben den Vorlesungen wurden alle Studenten „Empowerment Teams“ zugeteilt, welche eigenständig für das ganze
Semester Gastvorträge, Exkursionen, Charity- oder Sportevents planten. Ich war Mitglied des Sports-Empowerment
Teams und wir haben für unseren Masterkurs Yoga am Strand
im Sonnenuntergang, einen wöchentlichen Lauftreff am
Strand, eine traditionelle balinesische Tanzstunde und ein
Fußballturnier am Strand organisiert.
Wir hatten nicht nur Vorlesungen, sondern einmal pro Woche
einen Gastvortrag zu verschiedenen Themen und eine
Exkursion. Die erste Exkursion führte uns ins Tauchterminal
zum Schnuppertauchen, wo ich und viele andere Studenten
später ihren Tauchschein gemacht haben.
Am Anfang des Semesters durften ich und einige Studenten,
repräsentativ für das IBSN Programm, an einem Dinner mit
dem Gouverneur von Bali teilnehmen. Während dieses Events
haben wir einen ersten Einblick in die balinesische Kultur
erhalten können.
Leben und reisen auf Bali
Während des Semesters blieb viel Zeit, um die Insel zu
entdecken. Wir nutzten jede freie Minute, um uns die
verschiedenen Sehenswürdigkeiten, Strände, Tempel,
Reisfelder und Wasserfälle anzugucken. Während des
Semesterbreaks haben wir eine mehrtägige Rollertour in den
Norden Balis gemacht. Die Insel ist zwar nur doppelt so groß
wie das Saarland, aufgrund der schlechten Infrastruktur
braucht man allerdings sehr lange, um von einem Ort zum
anderen zu gelangen. Während dieser Tour haben wir ein
anderes, traditionelleres Bali kennengelernt. Fernab vom
Tourismus erstrecken sich traumhafte, einsame Strände und
beeindruckende Reisterrassen, die seit 2012 zum UNESCO
Weltkulturerbe gehören. Die Menschen leben dort in einfachen
Hütten und man sieht überall kleine Warungs (Restaurants).
Ich hatte zuvor natürlich den Reiseführer gelesen, aber ich
hätte nie gedacht, dass Bali so viel zu bieten hat und so
vielseitig ist. Deshalb finde ich es sehr schade, dass viele
Touristen häufig nur den Strand und das Nachtleben von Kuta
sehen, denn die Insel der Götter hat einen wahren Schatz an
kulturellen Highlights, Aktivitäten und beeindruckenden
Landschaften zu bieten. Ein ganz besonderes Erlebnis war die
Vulkanbesteigung des 3142 Meter hohen Vulkans Agung. Wir
begannen um 10 Uhr abends den Aufstieg, der uns durch
Wald, über Stock und Stein, über erloschene Asche und den
Vulkankamm führte. Nach einem 6-stündigen Aufstieg kamen
wir zum Sonnenaufgang oben an. Nachdem die Sonne
aufgegangen war, begannen wir ohne Schlaf den 6-stündigen
Abstieg. Wir waren uns danach alle einig: Die
Vulkanbesteigung war das anstrengendste, was wir jemals
gemacht haben, aber der Blick über die ganze Insel Bali bis
hin nach Lombok, Java und auf die Gili Islands war das
faszinierendste, was wir jemals gesehen haben und die
Anstrengung wert. Während der freien Zeit sind wir mit dem
Boot nach Java, Lombok und auf die Gili Islands gefahren. Wir
haben außerdem einen mehrtägigen Bootstrip nach Komodo
Island und Flores gemacht.
Der steigende Tourismus auf Bali führt leider dazu, dass auch
die Kriminalität auf Bali wächst. Daher habe ich versucht, nie
alleine im Dunklen raus zu gehen. Obwohl wir sehr vorsichtig
waren, sind vielen Studenten Taschen, Geldbörsen oder
Smartphones geklaut worden. Da Europäer als reich angesehen werden, muss man beim Wechselgeld immer gut nachzählen, da dies oft nicht stimmt.
Beim Rollerfahren wurde uns ausdrücklich empfohlen, wegen
der „Rollerschubser“ keine Handtaschen zu tragen. Diese
schubsen vorzugsweise Touristen vom Roller und bestehlen
diese dann oder reißen ihnen die Handtasche während der
Fahrt von der Schulter. Durch den chaotischen Verkehr hatten
viele Studenten Unfälle mit ihren Rollern.
Die meisten Menschen dort sind sehr hilfsbereit und freundlich. Man muss sich dran gewöhnen, dass man häufig angesprochen wird, weil sie ein Foto mit einem machen wollen.
Besonders ans Herz gewachsen sind mir meine „LaundryFrauen“. Die zwei Frauen konnte ich beispielsweise fragen,
wie ich mich in verschiedenen Situationen richtig verhalte oder
wie viel Trinkgeld ich geben soll. Sie baten mir sogar ihre
traditionelle Kleidung für einen Besuch bei einer traditionellen,
balinesischen Hochzeit an. Ich denke, es war wichtig, sich auf
die Mentalität einzulassen. Jetzt weiß ich, dass Zeitangaben
auf Bali keinen exakten Zeitpunkt darstellen und ich kann
abschätzen, ob ein „ja“ wirklich „ja“ bedeutet. Ich habe gelernt,
wie wichtig es ist, die Sprache zu sprechen um zu verhandeln
und nicht den Touristenpreis zu zahlen. Vor allem habe ich mir
angeeignet, gelassener zu sein und Situationen, die nicht so
reibungslos funktionieren, wie man es in Deutschland gewohnt
ist, mit einem Lächeln hinzunehmen.
Mein Fazit
Ich habe während meines Auslandssemesters neue Erkenntnisse über die Wirtschaft in Südostasien erlangt, wöchentlich
Case Studies bearbeitet und eine neue Sprache gelernt. Doch
das sind nicht die Ereignisse, die mich während dieser Zeit
geprägt haben. Mehr als die unzähligen Modelle in der Vorlesung „Tourism Marketing“ werden mir die Diskussionen mit
den Balinesen in Erinnerung bleiben, in denen es darum ging,
wie der Tourismus für sie zugleich Fluch und Segen ist. Die
Sprache werde ich irgendwann weniger gut können, aber das
Lächeln, wenn man die Einheimischen in ihrer Sprache
begrüßt hat, wird mir immer in Erinnerung bleiben. Ich habe
erlebt, dass Asien nicht gleich Asien und selbst Indonesien
nicht gleich Indonesien ist. Ich habe gelernt, dass man nicht
immer einen festen Plan A, B, C und D braucht, sondern sich
flexibel auf die Situation einlassen muss. Die Arbeitsweise auf
Bali ist ein bisschen wie der Verkehr: Unglaublich chaotisch
und riskant, aber durch Rücksicht und ein Lächeln wuselt sich
doch jeder an sein Ziel.
Es ist schwer, die vielen Eindrücke, die tollen Begegnungen
und die unvergessliche Zeit in Worte zu fassen. Diese vier
Monate voller Sonnenschein, Freiheit und prägender
Erlebnisse werden mir immer in Erinnerung bleiben.
Sarah Reisinger, Master Wirtschaftspsychologie