Praktikum bei der deutsch-französischen Wirtschaftskanzlei Baum

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Praktikum bei der deutsch-französischen Wirtschaftskanzlei Baum
Bericht über mein achtwöchiges Praktikum
in der deutsch-französischen Wirtschaftskanzlei Baum & Cie, Paris
von Christian Müller, Heidelberg
Praktikumsstelle:
SCP Runge & Cie
8 Rue César Franck
75015 Paris
Zeitraum: 29.06. bis 21.08.2015
1. Motivation
Im akademischen Jahr 2014/2015 habe ich im Rahmen des Erasmus-Programms an der
Université Panthéon-Sorbonne in Paris studiert. Da das Semester in Frankreich bereits sehr
früh endet (Mitte Mai), wollte ich die langen Sommerferien dazu nutzen, mein Auslandsjahr
mit einem Praktikum abzuschließen. Außerdem hoffte ich, so vielleicht einige Kenntnisse aus
den Vorlesungen an der Sorbonne oder noch aus meinen Kursen im französischen Recht an
der Universität Heidelberg, die ich vor meinem Auslandsaufenthalt belegt hatte, in der Praxis
anwenden zu können. Und auch ein dritter Grund war nicht ganz unerheblich: Paris ist eine so
wunderschöne Stadt, dass ich einfach die Chance ergreifen musste, meine unausweichliche
Abreise noch ein wenig hinauszuzögern.
2. Bewerbung
Mit der Bewerbung habe ich mir leider bis nach dem Ende der Klausurenphase im ersten Semester Zeit gelassen. Als ich dann im Februar 2015 anfing, Bewerbungen für ein Praktikum
ab dem Wunschtermin Mitte Mai zu verschicken, sollte ich bald merken, dass ich etwas spät
dran war…
Doch zunächst zur Suche nach einer geeigneten Kanzlei für mein Praktikum: Bei der Internetrecherche bin ich schnell auf die Seite der Deutsch-Französischen Juristenvereinigung (DFJ)
gestoßen, die sowohl die Vermittlung von Praktikumsplätzen als auch eines Stipendiums für
die Zeit des Praktikums anbietet. Nach einer ersten Kontaktaufnahme per Mail wurde mir
zügig eine Liste mit Kanzleien in Paris zugeschickt, die prinzipiell zur Aufnahme deutscher
Praktikanten bereit wären. Diese Liste hat mir die Suche wirklich unendlich erleichtert. Zum
einen wurde so die riesige Masse an Anwaltskanzleien in Paris gefiltert und zum anderen fand
sich in dem Verweis auf die DFJ ein willkommener Aufhänger für das Motivationsschreiben.
Nachdem ich einige vielversprechende Kanzleien auf der Liste entdeckt hatte, bin ich dazu
übergegangen, diesen meine Bewerbungsunterlagen, bestehend aus einem Motivationsschreiben und einem tabellarischen Lebenslauf, zu übersenden. Allerdings landeten zunächst ausschließlich Absagen in meinem Briefkasten und Mail-Postfach, sodass ich mit zunehmender
Verzweiflung tatsächlich die gesamte Liste abarbeitete und insgesamt wohl um die 50 Bewer-1-
bungen schrieb. Von diesen 50 Kanzleien hat sich etwa die Hälfte überhaupt nicht bei mir
gemeldet und insgesamt waren unter den Rückmeldungen nur 2 Zusagen dabei (wenn auch
nicht für meinen ursprünglichen Wunschzeitraum, sondern etwas später). Von einem Franzosen habe ich schließlich erfahren, dass ich sogar noch Glück gehabt hätte, da viele französische Kanzleien ihre Praktikumsplätze bereits ein Jahr im Voraus vergeben würden.
Allen deutschen Jura-Studenten, die sich für ein Praktikum bei unseren Nachbarn jenseits des
Rheins interessieren, kann ich also nur raten, die Bewerbung so früh wie möglich auf den
Weg zu bringen. Vor allem wenn die Planungen für das Auslandspraktikum bereits feststehen,
sollte man keine Scheu davor haben, die Bewerbung auch schon ein Jahr vor dem geplanten
Praktikumsbeginn zu versenden.
3. Unterkunft in Paris
Durch mein Erasmus-Studium zuvor hatte ich hier natürlich das Glück, dass ich bereits über
eine Wohnung verfügte. Schon seit meiner Ankunft im September des vorigen Jahres wohnte
ich in der Cité Internationale Universitaire ganz im Süden von Paris, wo es mir wirklich sehr
gut gefallen hat. Ich weiß, dass die Cité U für Studenten auch Zimmer für kürzere Aufenthalte
von einem oder zwei Monaten anbietet, vor allem während des Sommers. Allerdings kostet
ein Kurzaufenthalt pro Monat wesentlich mehr als bei Aufenthalten von über 6 Monaten.
Deshalb empfiehlt es sich, sich auf dem privaten Wohnungsmarkt umzuschauen. Insbesondere über das Internet (Seiten wie www.appartager.com, www.leboncoin.fr, www.pap.fr oder
aber auch in den einschlägigen Erasmus-Gruppen auf Facebook, selbst wenn es sich nicht um
einen Erasmus-Aufenthalt handelt) stößt man auf eine Vielzahl an Angeboten. Billig wird es
aber dennoch eher nicht. Für ein kleines Zimmer in Paris muss man auf jeden Fall mindestens
500 Euro im Monat einplanen.
4. Die Kanzlei Baum & Cie
Die Kanzlei Baum & Cie, in der ich schließlich mein Praktikum absolviert habe, ist eine mittelgroße Anwaltskanzlei. Sie besteht aus vier Partnern und fünf Mitarbeitern. Zusätzlich arbeiten jeweils bis zu drei Praktikanten zur gleichen Zeit in der Kanzlei. Da mein Praktikum jedoch in die Ferienmonate Juli und August fiel, war die Kanzlei nur äußerst selten voll besetzt.
Sie liegt im 15. Arrondissement von Paris, zwischen dem Haupttouristenziel Eiffelturm und
dem Invalidendom (der einen Besuch meiner Meinung nach aber mindestens genauso sehr
verdient hat). Dennoch liegt die Kanzlei zum Glück weit genug von diesen beiden Attraktionen entfernt, um nicht lärmenden Touristenströmen ausgesetzt zu sein. Ganz im Gegenteil ist
das Viertel eher ruhig und beherbergt insbesondere vornehme Altbauten.
Die Kanzlei beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Schadenersatzrecht bei grenzüberschreitenden Vorgängen. Zumeist geht es dabei um Produkthaftung. Die Fälle waren also alle ähnlich gelagert: Eine ausländische (meist deutsche Firma) hat ein möglicherweise mangelhaftes
Produkt nach Frankreich verkauft, wo dieses dann einen Schaden verursachte. Baum & Cie
vertritt im Prozess dann diesen ausländischen Hersteller bzw. dessen Versicherer, vom im
französischen Zivilprozess fast schon obligatorischen Vorverfahren zum einstweiligen
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Rechtsschutz über das Sachverständigenverfahren bis hin zur eigentlichen Verhandlung und
einer eventuellen Berufung. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in der Kanzlei mehrsprachig gearbeitet wird und viele Dokumente auch in Deutsch oder Englisch (ganz selten auch
Spanisch) verfasst sind oder in diese Sprachen übersetzt werden müssen.
Am Rande beschäftigt sich die Kanzlei auch mit anderen Aspekten des Vertragsrechts (vor
allem im Bereich des Unternehmensrechts), mit Arbeitsrecht, deliktischer Haftung und Versicherungsrecht. Die Bandbreite an Themen ist also recht groß.
5. Die Tätigkeit in der Kanzlei
An meinem ersten Praktikumstag, den ich schon mit Spannung erwartet hatte, wurde ich sehr
gut aufgenommen. Die Sekretärin führte mich zunächst durch die gesamte Kanzlei und stellte
mir meine Kollegen für die nächsten 8 Wochen vor. Außerdem erhielt ich meinen eigenen
Schreibtisch mit Computer im Büro einer der Mitarbeiterinnen. Zum Glück war in meiner
ersten Woche auch noch ein anderer deutscher Praktikant da, der sich ebenfalls um mich
kümmerte und meine Fragen zum genauen Ablauf des Alltags in der Kanzlei beantwortete.
Und dann konnte die Arbeit auch schon beginnen.
Insgesamt war ich die meiste Zeit während meines Praktikums gut ausgelastet. Es wurde von
den Praktikanten erwartet, dass diese sehr selbstständig arbeiteten und sich auch selbst darum
bemühten, immer etwas zu tun zu haben. Wenn also doch einmal nichts mehr auf meinem
Schreibtisch lag, machte ich einfach eine Tour durch die Kanzlei und fragte, ob jemand Arbeit
für mich hätte. Meist fand sich dann sehr schnell etwas.
Meine Hauptaufgabe während dieser 8 Wochen war sicherlich das Übersetzen zahlreicher
Gerichtsdokumente und Anwaltsschreiben, meist vom Französischen ins Deutsche (zwei Mal
auch ins Englische). Insbesondere die Übersetzung von Sachverständigengutachten erwies
sich als eine große Herausforderung, da das verwendete Vokabular oft sehr technisch und mir
die Begriffe daher absolut nicht geläufig waren. Aber mit einem technischen Wörterbuch und
einigen Wikipedia-Lektionen zum Aufbau von Bahnschienen oder zum Schweißverfahren in
der Automobilproduktion ließen sich auch diese Schwierigkeiten bewältigen. Außerdem waren die Anwälte jederzeit offen für Nachfragen zu einem bestimmten Thema und haben gerne
bei Verständnisschwierigkeiten nachgeholfen.
Weiterhin zählte zu meinen Aufgaben als Praktikant das Durchführen von juristischen Recherchen, insbesondere über die Internet-Datenbänke LexisNexis und Lamyline. Gelegentlich
werden Praktikanten auch damit beauftragt, Literatur und Urteile direkt in der Bibliothek im
Gerichtspalast nachzuschlagen, aber diese Aufgabe fiel während meines Praktikums stets den
französischen Praktikanten zu, da ich meistens bereits mit Übersetzungen eingedeckt war.
Einige Male durfte ich sogar selbst Anschreiben an die Mandanten verfassen, vor allem in
Rechtssachen, in die ich mich schon eingelesen hatte. Ganz besonders interessant fand ich in
diesem Zusammenhang die Aktualisierung einer Zusammenfassung mit allen laufenden Verfahren für einen Mandanten, eine große Versicherungsgesellschaft für Hersteller landwirtschaftlicher Geräte. Dabei musste ich mich über mehrere Tage lang in die verschiedenen Akten einlesen. So erhielt ich einen guten Überblick über den Ablauf eines französischen Zivilprozesses und lernte zugleich auch viel über die Kommunikation einer Kanzlei mit ihren
Mandanten. Rückblickend betrachtet hat mich diese Aufgabe sicher am meisten weitergebracht und mir das meiste praktische Wissen vermittelt.
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Schließlich fiel in den Aufgabenbereich der Praktikanten auch das Abholen der Gerichtspost
im „Palais de Justice“ auf der Île de la Cité. Die weitläufigen Gänge dieses Gebäudes sind in
der Tat beeindruckend und so stellte dies stets eine willkommene Abwechslung vom Arbeitsalltag dar. Außerdem nahm uns eine der Anwältinnen einmal zu einem Gerichtstermin in einer Kleinstadt vor den Toren von Paris mit.
Neben der Arbeit herrschte in der Kanzlei stets eine freundschaftliche und kollegiale Atmosphäre. In der Mittagspause aßen immer alle Anwälte zusammen mit den Praktikanten im
Konferenzraum. Auffallend war dabei, dass sich die Gespräche, anders als man es in Deutschland gewohnt ist, nur ganz selten um die Arbeit drehten. Stattdessen wurde wirklich über alles
Mögliche geredet und gescherzt und auch die Praktikanten wurden wie selbstverständlich ins
Gespräch einbezogen. So konnte man während der Mittagspause wirklich vollkommen von
der Arbeit abschalten.
Die Arbeitszeit begann im Übrigen für mich stets um 9.30 Uhr und endete um 17.30 Uhr, weil
ich das Glück hatte, dass die Université Panthéon-Sorbonne in meinen Praktikumsvertrag
einbezogen wurde und es diese nicht zuließ, dass Studenten mehr als 35 Stunden in der Woche arbeiteten. Die anderen Praktikanten mussten hingegen immer bis mindestens 18.30 Uhr
bleiben. Die Anwälte hingegen kamen – typisch französisch – sogar oft erst gegen 10 Uhr in
die Kanzlei, blieben dafür aber am Abend auch deutlich länger als die Praktikanten.
6. Die Freizeit in Paris
Das Leben in dieser Metropole ist geprägt von Gegensätzlichkeit. Zwar scheinen die Pariser
einerseits generell stets im Stress zu sein und vor allem in den Metrostationen geht es sehr
hektisch zu, aber andererseits kann man viele Franzosen auch während der Bürozeiten dabei
beobachten, wie sie in einem kleinen Straßencafé ihren Espresso genießen oder sich im Park
an der Sonne erfreuen. Und so sind auch die verschiedenen Stadtviertel reich an verschiedenen Facetten und oft sind pompöse Luxusappartements nicht weit entfernt von den Wohntürmen der weniger betuchten Bevölkerung. Auf jeden Fall ist Paris so unglaublich vielfältig,
dass wirklich jeder während seines Aufenthalts in dieser Stadt auf seine Kosten kommen
kann.
Durch die oben beschriebenen Arbeitszeiten blieb unter der Woche allerdings nicht mehr allzu viel Zeit zur freien Verfügung. Zum Glück kannte ich aus der Cité Universitaire noch einige wenige Leute, die nicht wie meine Erasmus-Freunde mittlerweile schon wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt oder in den Urlaub abgereist waren. Denn insbesondere laue Sommerabende lassen sich meiner Meinung nach in Paris am besten in guter Gesellschaft bei einem
Picknick irgendwo an der Seine oder auf dem Marsfeld mit einer grandiosen Aussicht auf den
Eiffelturm verbringen.
Am Wochenende kann man dann natürlich voll und ganz all die unterschiedlichen Freizeitangebote auskosten, die Paris zu bieten hat. Mit dieser Vielzahl an Parks, Sehenswürdigkeiten,
Museen, Opern, Theatern und Kinos sollte wirklich für jeden Geschmack etwas dabei sein.
Außerdem ist es besonders zu empfehlen, stets ein Auge darauf zu haben, welche Events ansonsten in Paris gerade stattfinden. Ich konnte z.B. ein Leichtathletik-Meeting der Weltklasse
im Stade de France und den französischen Nationalfeiertag am 14. Juli miterleben, der wirklich ein einmaliges Erlebnis war. Insbesondere das Feuerwerk am Eiffelturm war
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„magnifique“. Allerdings muss man bei solchen Gelegenheiten stets auch einen entsprechenden Andrang einplanen und daher deutlich im Voraus ankommen, wenn man noch gute Plätze
bekommen möchte.
Und wenn man Paris schon ausreichend kennt, bieten sich von dort auch Besichtigungstouren
ins Umland an. So gibt es in der Region Île-de-France beispielsweise zahlreiche Schlösser, die
alle mit dem Regionalzug schnell zu erreichen sind. Mit seinen verschiedenen Großbahnhöfen
eignet sich Paris aber auch als Ausgangspukt für weitere Reisen, wie z.B. nach London, Brüssel, in die Normandie oder an die Côte d‘Azur. Auch hier kann man, wenn man denn will, von
einigen Angeboten, die eigentlich für Erasmus-Studenten gedacht sind, profitieren. So gibt es
mehrere Agenturen wie z.B. die Internetseite www.tobeerasmusinparis.com, die Wochenendausflüge zu verschiedenen Zielen innerhalb und außerhalb Frankreichs anbieten. Diese Angebote haben gleich mehrere Vorteile: Sie sind nicht teuer, man kann sich meist noch recht
kurzfristig anmelden, man muss sich außer um das passende Gepäck um nichts Weiteres
kümmern und man lernt dabei auch noch viele Gleichaltrige aus der ganzen Welt kennen.
7. Fazit
Insgesamt war mein Praktikum in der Kanzlei Baum & Cie ein gelungener Abschluss meines
Auslandsjahres in Paris. Die Tätigkeiten in der Kanzlei waren sehr abwechslungsreich und
zumeist auch recht kurzweilig und insbesondere über den Ablauf des französischen Zivilprozesses und den Kontakt einer Kanzlei zu ihren Mandanten konnte ich einiges lernen.
Allerdings sollte man nicht die Illusion haben, dass man allzu viele seiner Kenntnisse aus einem eventuellen Studium des französischen Rechts während des Praktikums zur Anwendung
bringen kann. Dies ist allerdings nicht weiter schlimm, da die Rechercheaufträge, die man von
den Anwälten erhält, stets so zugeschnitten sind, dass man sich leicht in die Thematik einlesen kann. Und auch mein gesprochenes Französisch hat sich während der Zeit meines Praktikums nicht merklich verbessert. Zwar bietet sich in der Mittagspause die Gelegenheit zu Gesprächen, aber ansonsten läuft die Arbeit eher still vor dem Computer ab. Allerdings habe ich
in puncto juristisches Vokabular trotz der zwei Semester an der Sorbonne zuvor noch einiges
Neues dazulernen können.
Alles in allem habe ich das Praktikum also durchaus als Bereicherung empfunden und ich
fand es spannend, auch mal in den französischen Arbeitsalltag einzutauchen. Ein Praktikum
bei der Kanzlei Baum & Cie kann ich also nur weiterempfehlen. Und wenn man schon die
Gelegenheit hat, für eine gewisse Zeit in der französischen Hauptstadt zu leben, sollte man
diese Möglichkeit unbedingt nutzen. Denn wie schon die Pariser wissen: Paris est magique!
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