Leseproben - unternehmensjurist

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Leseproben - unternehmensjurist
Ausgabe 05/2012 Oktober/November
www.unternehmensjurist.net
Vertriebskennzeichen 23401
Preis: 15,-- Euro
unternehmens jurist
Magazin für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Rechtsabteilungen
SPRUCHVERFAHREN &
ANFECHTUNGSKLAGEN
Mit wenigen Euro Einsatz Millionen erlösen: Was sich anhört wie die Lottoziehung,
INHALT unternehmensjurist
KURZ &
KNAPP
TITELTHEMA
08 PRODUKTFÄLSCHUNGEN
Erste Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zeigen:
Schäden durch Fälschungen sind
größer als gedacht.
14
08 KARTELLVERFAHREN
Das OLG Düsseldorf urteilt: Dritten
bleibt Akteneinsicht in Kronzeugenanträge weiter verwehrt.
08 LEISTUNGSSCHUTZRECHT
Auch nach dem dritten Entwurf
zum Leistungsschutzrecht bleibt
das Gesetzesvorhaben umstritten.
.......................................................
82
6
Personenregister, Impressum
Ausgabe 5/2012
DIE TÜCKE DES DETAILS
Ins Visier klagefreudiger Aktionäre
kommen einer Studie nach eher
(gemessen an der Börsenkapitalisierung) kleinere Gesellschaften.
Dies könnte damit zusammenhängen, dass diesen eher – allgemeine oder provozierte – Fehler
unterlaufen. Und dann folgen
Spruchverfahren, Anfechtungsklagen und Freigabeverfahren.
20 „SELBSTÜBERSCHÄTZUNG“
Matthias Gaebler berät seit über
zehn Jahren Unternehmen in
der Vorbereitung von Hauptversammlungen. Mit Gaebler sprach
Frank Knabe über Aktionärskultur,
Klageanlässe und wie man diese
vermeiden kann sowie beratungsresistente Aufsichtsräte.
STRATEGIE &
MANAGEMENT
24 ORGANHAFTUNG
Das Haftungsrisiko der Unternehmensorgane ist gestiegen. Umso
wichtiger ist, dass sie auf ihre
Rechtsberater vertrauen dürfen.
28 PITCH
Rechtsabteilungen wählen Kanzleien häufig mittels Wettbewerbspräsentation, da liegt die Messlatte hoch – und am Ende geht es
natürlich auch ums Geld.
32 SOCIAL MEDIA
Wer sich in sozialen Netzwerken
äußert, darf sich auf die Meinungsfreiheit berufen. Doch vor
allem Mitarbeiter müssen Grenzen
beachten.
unternehmensjurist
INHALT
TRENDS &
THEMEN
JOB &
KARRIERE
VERBAND
36 WETTBEWERBSZENTRALE
Kaum jemand weiß, wer hinter der
Wettbewerbszentrale steht oder
was ihr Tun legitimiert.
58 FÜHRUNG
Vom Mitarbeiter zum Regisseur:
Um Erfolg zu haben, muss man
sich neben Fachwissen auch
Führungskompetenz aneignen.
72 BUJ IN BERLIN
Gespräch mit Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger.
40 ZEITARBEIT
Ab November werden in bestimmten Branchen spezifische Tarifzuschläge eingeführt.
44 RECHTSSYSTEM RUSSLAND
Die ehemalige Sowjet-Republik
besitzt das modernste und verlässlichste Rechtssystem der Region.
50 BRANCHENCHECK LOGISTIK
Die Branche hat einen enormen
Wandel durchgemacht, der auch
Unternehmensjuristen betrifft.
54 KANZLEI-INSOLVENZ
Mandanten können Kanzlei-Pleiten
selten verhindern, aber die damit
verbundenen Risiken minimieren.
62 INVESTITIONSRECHNUNG
Wer Patente erwerben oder Expansionen begleiten will, muss sich mit
betriebswirtschaftlichen Berechnungen auseinandersetzen.
64 PSYCHOLOGIE
Erfolg ist oft erst durch Misserfolg
möglich – den aber dürfen sich
Rechtsabteilungen nur in kleinen
Portionen erlauben.
68 BERUFSSTART
Das Bachelor-Examen sollte der
Start zur Karriere als Unternehmensjurist sein. Jetzt wollen fast
alle Absolventen weiter studieren.
73 ISO-COMPLIANCE-STANDARD
BUJ nimmt Stellung zum angestrebten ISO-Standard Compliance.
74
MUSTERSTATUTEN
Präsidium beschließt Musterstatuten für Fach- und Regionalgruppen.
76
BUJ-WORKSHOPS
Interviews zu Streitbeilegung,
Rechtsverstöße in Unternehmen
und Neuerungen im Aktien- und
Kapitalmarktrecht.
.......................................................
80 RECHTSPRECHUNG
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MITGEHÖRT
Manchmal machen Kanzleien
Angebote, die man einfach nicht
ablehnen kann.
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STRATEGIE & MANAGEMENT unternehmensjurist
PITCH
Wenn Unternehmen besonders knifflige, ressourcenintensive Rechtsfragen zu klären haben,
setzen sie gern auf externes Know-how. Die Kanzleiwahl erfolgt häufig mittels Wettbewerbspräsentation, da liegt die Messlatte hoch — und am Ende geht es natürlich auch ums Geld.
D
er Weg zum Neugeschäft ist steinig und führt oft über
Pitches, in denen in der Regel drei bis vier Kandidaten
unter Beweis stellen müssen, dass sie das Zeug haben,
das betreffende Mandat zu handeln. Obwohl auch Newcomer
und spezialisierte Rechtsberater in solchen, von der Zunft flapsig als „Beauty Contests“ titulierten Veranstaltungen wiederholt
ihre Chance erhalten, tendieren die Syndici in den Unternehmen dazu, die Kandidatenliste nach Renommee und Kompetenzbreite zusammenzustellen. „Für Großprojekte braucht
man Kanzleien mit umfassendem Know-how und Ressourcen.
Das können ,Exoten‘ oder Newcomer in der Regel nicht bieten“,
begründet Katrin Asher, Vice President Legal Services bei der
Deutschen Post DHL in Bonn die Vorauswahl.
CASE 1: DEUTSCHE POST DHL
An einer der letzten Ausschreibungen nahmen drei etablierte Kanzleien teil: eine aus den deutschen Top Five,
eine weitere namhafte Großkanzlei und eine angesehene
rein deutsche. Das Briefing durch die Deutsche Post DHL
enthielt die wichtigsten Eckpunkte des Mandats. Im Wettbewerb darum präsentierten die Kanzleien jeweils sich selbst
mit ihren Ressourcen, skizzierten den prozeduralen Ablauf
aus ihrer Sicht, die Schwerpunkte ihrer Tätigkeit und Schätzungen zum Arbeitsaufwand. Unternehmensseitig wohnten
dem Pitch Mitarbeiter des Konzerns aus der Rechtsabteilung und den entsprechenden Fachbereichen bei. Aufgrund
der internationalen Expertise und des fachlichen
Fokus, aber auch angesichts ihrer gegenüber
den anderen beiden Pitch-Teilnehmern offenkundig wettbewerbsfähigsten Honorarvorstellungen, erhielt in dieser Ausschreibung letztlich die Top-Five-Kanzlei den Zuschlag.
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Ausgabe 5/2012
Gleichwohl ist nicht nur bei der Post, sondern auch bei Hochtief Solutions in Essen das Aufspüren exzellenter Adressen
„ausdrücklich erwünscht“. Eine gewisse Reputation müsse
aber immer schon vorhanden sein, betont Georg von Bronk,
Leiter des Ressorts Legal & Risk Governance, „je nach Projektbedeutung verjüngt sich die Palette der in Frage kommenden Kanzleien“. Weil die Vorbereitung von Pitches den
Unternehmen viel Arbeit bereitet, laden diese prinzipiell nur
Kandidaten ein, die die Syndici für das betreffende Mandat
ernsthaft in Betracht ziehen.
„Bei der Bewertung der Expertise interessiert uns weniger ein
bekannter Name als vielmehr das Know-how der Anwälte, die
für uns arbeiten“, bekräftigt Dr. Dirk Middelschulte, Leiter
Kartellrecht Beratung/Compliance bei der Deutschen Bahn,
Berlin. In Ausnahmefällen könne die renommierte Marke
eine Rolle spielen, „dann sprechen wir weniger bekannte
Kanzleien aber von vornherein nicht an“. Bei Transaktionen,
die große, internationale Teams erfordern, bleiben kleinere
Kanzleien, denen die erforderlichen Ressourcen fehlen, ebenfalls außen vor.
Diese sind jedoch nicht selten für anspruchsvolle Rechtsfragen
sehr stark aufgestellt – etwa im IT-Recht, beim Gewerblichen
Rechtsschutz oder im Strafrecht. Angesichts eines weniger
bekannten Namens, überschaubarer Mannstärke und einer
geringeren Zahl von Standorten rufen die Spezialisten oft niedrigere Stundensätze auf. „Und da wir natürlich kostenbewusst
sind, können auch weniger etablierte Kanzleien durchaus
einen Wettbewerbsvorteil haben, wenn sie fachlich gut sind“,
formuliert Middelschulte vielsagend.
Und bestätigt, was unter Großkanzleien beklagt wird: Weil
diese auf einem vergleichbar hohen Leistungsniveau arbeiten,
geraten die „Beauty Contests“ zunehmend zu KonditionenPitches. Offiziell wird dies von den Unternehmen verneint,
doch genau das offenbaren die exemplarisch dargestellten
Mandatsausschreibungen. Post und Bahn betonen zwar, für
ihre Entscheidung hätten fachliche Nuancen den Ausschlag
gegeben – um dann doch hinterher zu schieben, der Sieger
aus der Runde der zur Präsentation eingeladenen Kanzleien
habe auch durch seine Honorarvorstellungen überzeugt.
Selbst wenn Einkaufsabteilung oder Controlling nicht physisch mit am Tisch sitzen: Mit ihren Budgetvorgaben definieren sie die Spielräume bei der Ausschreibung von Mandaten.
„Unser Einkauf wird bei der Preisverhandlung eingebunden“,
bestätigt Deutsche Post DHL-Syndikus Asher stellvertretend
für ihre Kolleginnen und Kollegen. In der Konsequenz müssen externe Berater, die ein Mandat übernehmen, pauschale
Rahmenverträge, aber auch gedeckelte oder erfolgsbezogene
Vergütungen akzeptieren. So arbeitet die Deutsche Post DHL
„grundsätzlich mit Rahmenverträgen“, wie Asher betont.
Die Deutsche Bank AG hat „bereits vor Jahren einen Prozess
aufgesetzt, um eine möglichst einheitliche, professionelle
und kosteneffiziente Mandatsvergabe sicherzustellen“, erklärt
Harry Szameitat, COO der Rechtsabteilung für Deutschland
RISIKEN KLEIN HALTEN
und Zentral-/Osteuropa. Sein Haus vergebe pro Jahr „eine
beachtliche Anzahl von juristischen Mandaten“. Externe Kanzleien würden beispielsweise dann eingebunden, wenn dies
von Vertragsparteien ausdrücklich gewünscht werde oder die
eigenen Personalkapazitäten nicht ausreichten.
Die Zusammenstellung einer vorläufigen Long- und der den
Pitch letztlich begründenden Shortlist erfolgt in den Unternehmen jeweils durch die Rechtsabteilung. Maßgeblich sind
neben der gestellten Aufgabe die Erfahrungen der jeweiligen
Rechtsabteilung. Man baut gerne auf Kanzleien, mit denen
man schon einmal zu tun hatte und lässt sich ebenso gerne von
großen Namen leiten, weil damit Kompetenz und adäquate
Strukturen verbunden werden. Darüber hinaus wird aber auch
der explizite Wille bekundet, für einen Pitch auch einer eher
kleineren, weniger bekannten Kanzlei eine Chance zu geben.
Unter dem Strich ist es wie in der Kommunikationsbranche,
wie beim Einkauf, wie im Privaten: Man nimmt vor allem
das, was man kennt, um Unsicherheiten auszuräumen und
Risiken klein zu halten.
Bei der Auslese zählen Fachkunde, Leistungsfähigkeit und
Zuverlässigkeit, aber auch Referenzen, die „Verdrahtung“ einer Kanzlei. Erkenntnisse hierzu leiten die Syndici aus den
Online-Auftritten der Kanzleien, ihren Selbstdarstellungen,
der Einreichung der Pitch-Unterlagen und aus eigenen Erfahrungen ab. Ob die Chemie stimmt, deutet sich oft bereits
während der Wettbewerbspräsentation an.
Hochtief hat für diesen Prozess eigens einen Katalog mit „Bedingungen für die Beauftragung externer Rechtsanwälte“ erstellt. Kanzleien, die zu einem Pitch eingeladen werden, werden
die Kriterien mit dem Briefing mitgeteilt. Eine solche Standardisierung, wie sie auch die Deutsche Bank hat, soll Vorbereitung und Durchführung von Ausschreibungen vereinfachen,
beschleunigen und für alle Beteiligten berechenbar machen.
CASE 2: DEUTSCHE BAHN
Gegenstand des Mandats war, kartellrechtliche Spielräume
für Kundenrabatte bei einer Konzerngesellschaft auszuloten. Die Vorauswahl nahm etwa eine Woche in Anspruch.
Im Anschluss erstellte die Deutsche Bahn das Briefing
mit einer Beschreibung des Status quo und der seitens
der Konzerngesellschaft gewünschten Vorgehensweise
mitsamt verschiedener Alternativen. Sodann wurden vier
Kanzleien zum „Beauty Contest“ eingeladen. Jede durfte
30 bis 45 Minuten präsentieren, wie sie das Mandat bearbeiten würden und auf welche rechtlichen Überlegungen
es voraussichtlich ankommen dürfte. Unmittelbar nach
der letzten Präsentation traf das
Unternehmen seine Wahl. An der
Entscheidung waren Vertreter der
Kartellrechtsabteilung und des für
die laufende rechtliche Beratung
der Konzerngesellschaft zuständigen Rechtsteams beteiligt. Den Pitch gewann eine Kanzlei, die über ausgewiesene
Expertise bei der kartellrechtlichen Bewertung von Rabattsystemen verfügt. Das fachliche Know-how wurde ergänzt
durch einen ausgesprochenen „hands on“-Ansatz – und
einen günstigen Preis. Den Ausschlag gab, dass die Kanzlei im Vergleich zu einem ebenfalls sehr geeigneten Kandidaten über einschlägige Branchenerfahrungen verfügt.
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STRATEGIE & MANAGEMENT unternehmensjurist
Falles wichtigsten Informationen.
Von Bronk: „Ein Nachbriefing gibt
es nur, wenn dies gewünscht wird.“
Was es – trotz des für die Kanzleien
erheblichen zeitlichen Aufwands
für die Vorbereitung – grundsätzlich nicht gibt, ist ein Pitch-Honorar.
Der Wettbewerbsteilnahme voraus
gehen in- und externe Recherchen
zum aufgeworfenen Fall, die Aufbereitung strukturierter UnterlaGeorg von Bronk,
Dirk Weske,
Dr. Dirk Middelschulte,
gen und das Erstellen einer überLeiter Legal & Risk
Leiter Vertriebs- und
Leiter Kartellrecht –
zeugenden Präsentation. Nicht
Governance,
Wettbewerbsrecht,
Beratung/Compliance,
nur Bahn-Syndikus Middelschulte
Hochtief Solutions AG
Allianz Deutschland AG
Deutsche Bahn AG
ist sich „bewusst, dass ein gut vorbereiteter Pitch aufwendig ist“.
Kanzleien, die letztlich nicht den
Zuschlag erhielten, mit ihrer Präsentation aber einen guten Eindruck
Bei der Allianz Deutschland AG in München sind „einzelman- hinterließen, tröstet er, hätten „gute Chancen, in Zukunft in
datsbezogene Pitches die Ausnahme“, betont Dirk Weske, Lei- einer anderen Sache mandatiert zu werden“.
ter des Referats Vertriebs- und Wettbewerbsrecht: „Wenn in den Doch sich im Beauty Contest von ihrer besten Seite zu zeigen,
von uns beratenen Allianz-Gesellschaften externes Know-how fällt selbst Großkanzleien in der Praxis offenbar schwer. So
benötigt wird, müssen wir damit in aller Regel ad hoc präsent stellen nicht alle ihre Spezialisten und den Senior Partner
sein, was ein echtes Pitching
vor, der das Projekt leiten soll, und
ausschließt.“ Fallweise oder
viele machen allenfalls vage AnWeitere Informationen auf:
wenn die internen Ressourunternehmensjurist.net/05pitch gaben zu Stundensätzen und Percen nicht ausreichen – Details
sonaleinsatz – „trotz Briefings“,
nennt Weske nicht –, bittet die
wie Post-DHL-Syndikus Asher
Allianz geeignete Kanzleien um entsprechende Bewerbungen bedauert. Richtig genervt sind Unternehmen, wenn Berater
und wählt dann die für die Allianz bestgeeigneten Kanzleien nach dem Zuschlag das Honorar nachverhandeln wollen. „Das
aus. Die Bahn vergibt kleinere Mandate, die sich aus dem ist natürlich nicht der Sinn der Sache“, sagt Bahn-Syndikus
Tagesgeschäft ergeben, sogar freihändig.
Middelschulte, „das Risiko, ein nicht kostendeckendes Angebot
Wird zum Pitch gerufen, also ein auf meist drei bis vier Kan- vorzulegen, liegt nun einmal in der Sphäre der Kanzlei.“
didaten limitierter Kreis externer Rechtsberater schriftlich zur Das führt dazu, dass externe Berater die Konditionen nach
Wettbewerbspräsentation geladen, haben alle Unternehmen der Mandatsvergabe oft zu verbessern versuchen. Ähnlich
klare Vorstellungen. Wichtigste Forderung: Kanzleien sollten agieren die Einkaufsabteilungen der Unternehmen – und so
sich mit dem im Briefing dargelegten juristischen Problem ringen beide Seiten um den Preis. Die Syndici, indem sie nach
erkennbar befasst haben. Dafür bürgt auch die akribischste der Mandatsvergabe von der Kanzlei einen Pauschalabschlag
Vorauswahl nicht. Denn erst die Live-Präsentation zeigt, wie auf den berechneten Satz oder auch mal Rabattstaffeln bei
tief und sachkundig sich ein Kandidat mit dem ausgeschrie- Überschreiten bestimmter Honorarstufen fordern. Und die
benen Mandat befasst hat respektive ob er mit seinen vor der Kanzleien, indem sie den Fall dann nicht von ihrer ersten
Jury skizzierten Lösungsansätzen auch die antizipierbaren Garde – sie hatte noch präsentiert – bearbeiten lassen.
Manche Anwälte sind allerdings derart überlastet, dass sie
Probleme und Besonderheiten adressiert.
„Charts und Ausführungen mit allgemeinen Werbeinhalten zugesagte Timelines immer wieder verschieben oder verspäsind kontraproduktiv“, mahnt Hochtief-Solutions-Syndikus tet auf E-Mails oder Anrufe reagieren. „Zuverlässigkeit und
von Bronk. Und er schiebt stellvertretend für seine Kollegen Responsiveness sind für uns aber sehr wichtig“, unterstreicht
nach: „Eine Kanzlei überzeugt nicht durch die Anzahl der Middelschulte. Berater, die mit ihren vorhandenen Kapazitäten
zum Präsentationstermin entsandten Partner, sondern nur aktuell keine weiteren größeren Mandate bearbeiten könnten,
durch die intensive Auseinandersetzung mit den maßgeblichen sollten „auch einmal den Mut haben, ein Mandat oder eine
Fragestellungen im Vorfeld.“ Dafür verwendet Hochtief laut Einladung zum Pitch abzulehnen – Realitätssinn und Ehrvon Bronk „viel Sorgfalt“ auf das Briefing – die schriftliche lichkeit sind eben wesentliche Grundlagen für eine gute ArBijan Peymani
Zusammenfassung der für eine vorläufige Einschätzung des beitsbeziehung“.
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Ausgabe 5/2012
TRENDS & THEMEN unternehmensjurist
KANZLEI-INSOLVENZ
Die Insolvenz der
amerikanischen Großkanzlei
Dewey & LeBoeuf hat Wellen
geschlagen. Mandanten
können selten verhindern, dass
eine Kanzlei insolvent wird.
Aber sie können zumindest
die mit der Pleite verbundenen
Risiken minimieren.
KEIN
„NORMALER“
WECHSEL
D
er Superlativ gab der Nachricht Pepp: Als Dewey &
LeBoeuf LLP im Mai zum Insolvenzgericht ging, war
dies die größte Kanzleipleite der USA. Kanzlei-Insolvenzen sind in Deutschland eher selten, derart spektakuläre
findet man so gut wie gar nicht. Dies wohl auch wegen der
strengeren Regeln gegen allzu kapitalistische Finanzierungsmodelle, sagt Dr. Eberhard Braun, Gründer der auf Insolvenzrecht
spezialisierten Kanzlei Schultze & Braun: „Dewey hatte ja sogar
eine Anleihe aufgelegt, das ist für den deutschen Anwaltsmarkt
auch für die Zukunft nur sehr schwer vorstellbar.“
Beantragt ein Anwalt in Deutschland Insolvenz, wird in aller
Regel die Zulassung entzogen und ein Abwickler eingesetzt,
der – unabhängig vom Insolvenzverwalter – die bestehenden
Mandate weiterführt. „Als Abwickler werden meist ganz junge
Anwälte beauftragt, die sich oft sehr engagieren, weil das eine
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Ausgabe 5/2012
Chance ist, einen eigenen Mandantenstamm zu erarbeiten“,
erläutert Braun, der selbst einige Kanzlei-Insolvenzen verwaltet hat. „Für die Mandanten ist das Modell üblicherweise keine
schlechte Lösung.“ Bereits bezahlte Anwaltsgebühren muss
der Mandant nicht nochmals überweisen – selbst wenn der
Schriftsatz noch nicht diktiert, das Kanzleikonto aber leer ist.
Den Abwickler bezahlt dann die Kammer. „Probleme gibt es
eher beim Fremdgeld, es kommt natürlich schon vor, dass das
mal weg ist“, berichtet Braun. Die Anwaltskammern Freiburg
und München haben Härtefonds eingerichtet, die eintreten
können, wenn Mandanten durch Straftaten Vermögensschäden erleiden. Diese könnten auch in der Insolvenz greifen,
seien aber nicht für Großschäden gedacht.
Auch wenn dafür gesorgt ist, dass das Mandat weiterläuft, sei
es oft eine Katastrophe, wenn der persönliche Berater wegfalle.
unternehmensjurist
„Mandanten wollen mit ihrer Sache möglichst nahtlos weiterbetreut werden“, weiß Philipp von Ilberg, ehemaliger Partner
bei Dewey & LeBoeuf in Deutschland. „Wenn sie sehen, dass
jemand zu einer guten Adresse wechselt, die auch die Ressourcen hat, laufende Projekte zu stemmen, gehen sie mit.“
In den USA kann es Partner insolventer Kanzleien teuer zu
stehen kommen, wenn sie bestehendes Geschäft in neue
Kanzleien mitnehmen: Als dies 2006 nach Insolvenz der
Coudert Brothers LLP geschah, verklagte der Insolvenzverwal-
WER STELLT WAS WOFÜR IN RECHNUNG?
ter zehn Kanzleien, die Mandanten der insolventen Sozietät
übernommen und Geschäfte fortgeführt hatten. Im Mai dieses
Jahres wies Colleen McMahon, District Judge in einem Federal
Court, einen Antrag zurück, mit dem die Beklagten versucht
hatten, per Vorabentscheidung diese Klage zu Fall zu bringen.
In Deutschland sind solche Versuche nicht bekannt. Dr. Andreas Kleinschmidt, Insolvenzrechtler bei White & Case, hält
sie auch nicht für sonderlich aussichtsreich, denn schließlich
seien Mandanten frei zu wechseln. Kleinschmidt ist als Verwalter über das in Deutschland gelegene Vermögen von Dewey
& LeBoeuf eingesetzt worden, will sich zu diesem konkreten
Auftrag aber derzeit nicht äußern.
Mögen solche Fragen eine Rechtsabteilung nicht direkt tangieren, die Frage, wer am Ende was wofür in Rechnung stellt,
betreffen sie schon. Bei der üblichen Abrechnung nach Zeit
sind Stunden, die bis Ende des Mandatsverhältnisses mit der
Pleite-Kanzlei geleistet wurden, an die Masse zu zahlen. Die
neue Sozietät darf nur in Rechnung stellen, was nach dem
Wechsel anfiel. Wie genau das in der Praxis gehandhabt wird,
gibt – ähnlich wie bei anderen Kanzleiwechseln – zuweilen
Anlass zu Spekulationen, weil hier ein Anreiz vermutet wird,
eher Stunden für die neue Partnerschaft aufzuschreiben. Für
Mandanten bürgt das zumindest in der Theorie die Gefahr, im
Streitfall vielleicht doch von beiden in Anspruch genommen
zu werden. Praktisch sei das Risiko jedoch gering, meint Kleinschmidt, denn der Verwalter könne so etwas selten erkennen,
geschweige denn erfolgreich geltend machen. Wachsamkeit
beim Blick auf die Rechnungen, die in der Rechtsabteilung
ankommen, schade aber auch hier nicht. „Man sollte schon
hellhörig werden, wenn für die letzte Zeit in der alten Kanzlei
praktisch nichts mehr aufgeschrieben wird, sich in den ersten
Wochen im neuen Haus aber 10.000 Stunden drängeln“, rät
Kleinschmidt. „So offensichtlich wird dies aber kaum jemals
gemacht werden.“
Vereinbarungen zwischen Anwalt und Mandant zulasten der
Insolvenzmasse sind nicht zulässig, sagt Ex-Dewey-Anwalt
Jochen Terpitz. Rechtsabteilungen können ihre Verhandlungsmacht aber durchaus nutzen, um Reibungsverluste durch den
Wechsel zu begrenzen. In einem laufenden Mandat könnten
TRENDS & THEMEN
etwa Zahlungsgrenzen (Caps) vereinbart werden, damit die
abzurechnenden Stunden nicht in die Höhe schießen, etwa
weil neue Teammitglieder sich erst einarbeiten müssen. Dazu
gehöre auch die Frage, ob – und zu welchen Kosten – die neue
Kanzlei gegebenenfalls eine Legal Opinion, die bisher in der
pleitebedrohten Sozietät bearbeitet wurde, auf ihre Kappe
nimmt – also noch mal prüft und dafür auch haftet.
Als Mandant kann ein Unternehmen auch Gläubiger der
Kanzlei sein. Eher unproblematisch ist dabei der Umgang mit
Dokumenten, die ohnehin meist elektronisch vorhanden sind.
Eigene Originalurkunden kann das Unternehmen vom Verwalter herausverlangen, Arbeitsergebnisse des Anwalts – und dazu
zählen auch Schriftsätze – nicht. In den USA stellt sich das
Sonderproblem, dass die Insolvenzverwalter gern Mandatsakten
ohne teures Schreddern einfach wegwerfen wollen. Als Mandant sollte man auf Nummer sicher gehen und gegebenenfalls
die Unterlagen an sich bringen, empfiehlt Jochen Terpitz.
KANZLEIPLEITEN IN DEUTSCHLAND
Insolvenzanträge für Kanzleien
im Jahr 2010: 78
Verfahren, die mangels Masse
nicht eröffnet wurden: 11
Die Zahlen differenzieren nicht nach Größe oder Rechtsform der Kanzlei, oft dürften Einzelanwälte betroffen sein.
Quelle: Statistisches Bundesamt
Seltener, aber dann umso wichtiger, kann eine andere Form
von Ansprüchen sein: die auf Schadenersatz wegen Schlechtberatung. Nach deutschem Recht kann man sich in Haftpflichtfällen direkt an die Versicherungsgesellschaft halten.
Bei internationalen Kanzleien kommt es auch auf die Art
der Versicherung an. Ihre Policen sind entweder „occurancebased“ (Deckung, wenn zum Zeitpunkt der Falschberatung die
Versicherung bestand) oder „claims-based“ (Deckung, wenn
die Versicherung zum Zeitpunkt besteht, an dem der Schaden
geltend gemacht wird). Gerade bei größeren Haftungssummen sind die Versicherungen meist claims-based. Werden
die Prämien nicht mehr bezahlt, laufen diese automatisch
aus. Terpitz rät zu prüfen, ob nachversichert werden sollte.
Manchmal kann es für Mandanten sinnvoll sein, bei der Insolvenz einer ausländischen Sozietät mit deutschen Büros
einen lokalen Insolvenzantrag zu stellen. Zwar kann man
die Ansprüche sowohl in Deutschland wie im Sitzland anAusgabe 5/2012
55
TRENDS & THEMEN unternehmensjurist
Dr. Eberhard Braun,
Rechtsanwalt, Schultze &
Braun
Dr. Andreas Kleinschmidt,
Insolvenzrechtler,
White & Case
melden, aber es ist oft praktikabler, im hiesigen Verfahren
vorzugehen. Wie auch sonst im Geschäftsleben, sollten alle
geschäftlichen Entwicklungsmöglichkeiten von Anfang an
bedacht werden. Und in der Tat fragen Unternehmen vor der
Mandatsvergabe immer häufiger nach der Art der Haftpflicht
(und deren Nachweis). „Wir gehen im Grundsatz davon aus,
dass die Kanzleien, mit denen wir zusammenarbeiten, einen
adäquaten Versicherungsschutz haben, über den wir bei Vergabe größerer Mandate auch intensiv diskutieren“, meint dazu
Klaus Sauerbier, Head of Legal Affairs Germany bei der Ou-
Jochen Terpitz,
Rechtsanwalt (ehemals
Dewey LeBoeuf)
Klaus Sauerbier, Head of
Legal Affairs Germany,
Outotec GmbH
totec GmbH. Für eine Rechtsabteilung sei es aber schwierig,
den Markt verlässlich zu überblicken und Kanzleien mit Insolvenzrisiken auszufiltern. Soweit in der Fachpresse darüber
publiziert werde, beobachte er aber schon aufmerksam, welche Kanzleien sich größeren Regressrisiken ausgesetzt sehen
könnten. Alle Eventualitäten lassen sich nicht auschließen.
„Man kann als Rechtsabteilung keine Maßnahmen treffen,
die verhindern, irgenwann Mandant einer Kanzlei zu sein,
die in die Insolvenz geht“, so Terpitz. „Aber man kann die
Folgen abfedern.“
Karin Matussek
MANDANTEN UND ANWÄLTE: SHOULD I STAY OR SHOULD I GO?
Der Mandant: Bei internationalen Großkanzleien wird das Mandat meist mit einer juristischen
Person, oft einer LLP, geschlossen. Der Mandant
vertraut fast immer den Personen, die seine Sache
bearbeiten. Bleiben diese erhalten, kann die
Rechtsabteilung mit ihnen ziehen.
Der Partner: Bei einer drohenden Pleite oder im
Falle der Insolvenz dürfte dies die Aufmerksamkeit
der Anwälte beeinträchtigen, fürchten Syndici:
„An sich gilt in allen Kanzleien: client first.
Wenn denen selbst das Fell brennt, ist ja klar,
dass der Fokus sich verändert.“
Wann Trennung von Kanzlei erfolgen
sollte: Wichtig sei, das Problem anzusprechen, wenn erste Meldungen auftauchen,
und den bearbeitenden Partner zu fragen, wie
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Ausgabe 5/2012
er die Projektbearbeitung weiterhin sicherzustellen
gedenke. „Wenn das nicht innerhalb einer angemessenen Frist gelöst wird, würde ich ganz leidenschaftslos die Reißleine ziehen und jemand anderes mandatieren“, erklärt ein Unternehmensjurist.
Wie gewechselt wird: Ein Mandat ist frei kündbar,
dies sei hier nicht anders als bei einem „normalen“
Kanzleiwechsel, so Philipp von Ilberg, Ex-Partner
bei Dewey & LeBoeuf in Deutschland.
Wo das Unternehmen geschützt ist: Ex-Dewey
& LeBoeuf-Anwalt Jochen Terpitz weiß, dass es
umgekehrt nicht so einfach ist, das Mandat aufzugeben: „Der Partner darf die Sache im Zweifel nicht
einfach wegen der Insolvenz hinwerfen.“ Ein Mandat dürfe nicht zur Unzeit gekündigt werden, so sei
das Unternehmen abgesichert.
JOB & KARRIERE unternehmensjurist
INVESTITIONSRECHNUNG
„Judex non calculat?“ Dieses Bonmot stimmte schon bei König Salomon nicht, für den Syndikus
wäre es sowieso fatal: Will er für sein Unternehmen Firmenkäufe gestalten, Patente erwerben,
eine nationale oder internationale Expansion begleiten, muss er sich mit betriebswirtschaftlichen
Berechnungen auseinandersetzen.
A
ls die Trumpf GmbH + Co. KG sich 1992 an einem
Unternehmen für Lasertechnik beteiligte, herrschte
im Maschinenbau die schwerste Krise seit 1945. Auch
Trumpf verzeichnete hohe Umsatzrückgänge – eigentlich kein
guter Zeitpunkt für eine Akquisition. Und doch hat Trumpf
die hohe Investition nie bereut. Die Haas Laser GmbH bot ein
Produktportfolio, das das von Trumpf in der Lasertechnik ideal
ergänzte und den Einstieg in die Festkörperlasertechnologie
ermöglichte. Heute ist Trumpf im Bereich industrieller Laser
und Lasersysteme führend.
„Nicht jede Investition ist so erfolgreich“, weiß Peter Bokelmann, der Leiter des Trumpf Zentralbereichs Recht und Gesellschaftspolitik. Sein Bereich kommt ins Spiel, wenn es um
die rechtssichere Gestaltung großer Investitionsmaßnahmen
geht, insbesondere bei M&A-Projekten. Je komplexer eine Investition ist, desto früher werden die Juristen einbezogen und
erarbeiten dann in interdisziplinären Teams in enger Zusammenarbeit mit Kaufleuten und Ingenieuren Risikoanalysen,
werten Informationen über Markt, Wettbewerb und Patente
aus, führen die Prüfung (Due Diligence) sowie Bewertung
des zu übernehmenden Unternehmens durch und wirken
schließlich an der Erstellung eines Businessplans mit, der die
Grundlage der Investitionsrechnung darstellt.
ENTSCHEIDUNGSGRUNDLAGEN VORBEREITEN
Kernaufgabe einer Investitionsrechnung ist, Annahmen zu
treffen, unter welchen Bedingungen eine Investition für ein Unternehmen vorteilhaft ist. Da Investitionen Eigen- und Fremdkapital binden, das sich über die Laufzeit verzinsen muss, ist
die Finanzierung von zentraler Bedeutung. Investitions- und
Finanzierungsentscheidungen sind immer wechselseitig voneinander abhängig. Investitionen verursachen über die gesamte
Existenz des Investitionsgegenstandes Zahlungsflüsse, die in
der Planung gedanklich vorweggenommen werden.
Für die Berechnung stehen statische und dynamische Methoden zur Verfügung. Statische Verfahren lassen die zeitliche
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Ausgabe 5/2012
Struktur der Ein- und Auszahlungen unberücksichtigt, beziehen nur periodenbasierte Erfolgsgrößen ein und enden nach
dem Kapitalrückfluss. Ein beliebtes statisches Verfahren ist
die Amortisationsrechnung, die den Kapitalrückfluss (Pay-off)
berechnet, also den Zeitpunkt, zu dem die Anschaffungskosten aus den Gewinnen refinanziert sind.
Demgegenüber bieten dynamische Verfahren einen Überblick
über die Kapitalwertentwicklung bis zum Ende des Investitionszeitraumes. „Statische Verfahren wie eine Amortisationsrechnung werden wegen ihrer Einfachheit in der Praxis
gerne angewandt. Vor allem bei komplexen Investitionsberechnungen führen sie aber häufig zu Fehlentscheidungen“,
gibt Professor Dr. André Betzer von der Bergischen Universität
Wuppertal zu bedenken.
BUSINESSPLAN BRINGT LICHT INS DUNKEL
Dynamische Verfahren wie die Kapitalwert-Methode (auch
Discounted Cashflow-Methode genannt, siehe Infokasten)
sind finanzmathematische Verfahren, die auf Ein- und Auszahlungen basieren und deren Fälligkeitszeitpunkt berücksichtigen. Gemeinsam ist allen Verfahren, dass sie einen
Kalkulationszinssatz unterstellen. Nur wenn das eingesetzte
Kapital eine Mindestrendite bringt, also den kalkulatorischen
Zinssatz übertrifft, ist die Investition vorteilhaft.
Bei Trumpf kommt vorzugsweise die Discounted CashflowMethode (DCF) zum Einsatz. Justiziar Peter Bokelmann
skizziert das Vorgehen am Beispiel einer Firmenübernahme:
„Im Businessplan werden verschiedene Szenarien zu Umsatz-,
Kostenentwicklung sowie zusätzlichen Investitionen für einen
Zeitraum von typischerweise fünf Jahren angenommen. Daraus
ermitteln wir den erwarteten Cashflow und zinsen diesen mit
einem Zinssatz, der das Risiko und die Amortisationserwartung
angemessen berücksichtigt, auf die Anfangsinvestitionskosten
ab.“ Gebräuchlich ist ein Zinssatz von 12 Prozent.
Ein Schwachpunkt aller Investitionsrechnungsmethoden ist
naturgemäß, dass sie auf Annahmen basieren. Vor allem Kon-
unternehmensjurist
junkturentwicklungen lassen sich darin nur unzureichend abbilden. Die Erkenntnisse aus der DCF-Rechnung bei Trumpf
unterstützen die Investitionsentscheidung und dienen darüber
hinaus später der regelmäßigen Überprüfung. So werden die
Prämissen im Businessplan zum Steuerungsinstrument für
das Management. „In regelmäßigen Abständen gleichen wir
zwischen Plan und Ist-Zustand ab und überprüfen unsere Annahmen“, erläutert Justiziar Bokelmann. So wird die Investitionsrechnung zu einem Controlling-Instrument, das dabei hilft,
Ursachen zu identifizieren: Waren die Prämissen falsch, hat sich
der Markt geändert, liegen neue oder andere externe Faktoren
vor oder gibt es Managementfehler? Bei der Übernahme der
Haas Laser GmbH haben die Prämissen gestimmt. Früher als
gedacht hat sich die Investition amortisiert.
Großen Einfluss auf die Investitionsrechnung hat die Entscheidung, ob sich das Unternehmen mit Eigenkapital (Ausgabe von Aktien, einbehaltene Gewinne) oder Fremdkapital
(Kredite, Anleihen) finanziert. Beide Finanzierungsarten
haben in einem Unternehmen Vor- und Nachteile, die sich
vor allem in den Kosten der Kapitalbeschaffung und in der
EIGEN- ODER FREMDKAPITAL?
Risikohöhe niederschlagen. In der Praxis weniger relevant ist
dabei, ob es sich um eine Außenfinanzierung (Kredite, Aktien,
Anleihen, Beteiligungen) oder Innenfinanzierung (thesaurierte Gewinne) handelt. Ziel ist es immer, die Gesamtkosten
des Kapitaleinsatzes zu minimieren.
Bei einer Fremdfinanzierung sind die Kosten sehr transparent
anhand der Zinskosten für Kredit beziehungsweise Anleihe
zu ermitteln. Die Kosten des Eigenkapitals – konkret die
Renditeforderungen der Eigenkapitalgeber (Gesellschafter,
Aktionäre), die sich durch die Kosten entgangener Investitionsmöglichkeiten darstellen lassen – sind nicht so einfach zu
berechnen. „Die optimale Mischung aus Eigen- und Fremdkapital ist im Wesentlichen abhängig von der Stabilität der
zukünftigen Cashflows und variiert somit von Unternehmen
zu Unternehmen. Ziel muss es aber immer sein, die Gesamtkosten aus Eigen- und Fremdkapital möglichst gering
zu halten“, empfiehlt Prof. Dr. André Betzer.
Die Trumpf Gruppe erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2011/12
einen Umsatz von 2,3 Milliarden Euro (vorläufige Angaben),
hat seit 2009/10 wieder kräftig investiert und neue Arbeitsplätze geschaffen. Mittlerweile arbeiten über 9.600 Mitarbeitern für das Unternehmen – so viele wie nie zuvor. Als
wirtschaftlich unabhängiges Familienunternehmen verfolgt
Trumpf eine konservative Finanzierungspolitik. Investitionen
werden in erster Linie über Eigenmittel aus thesaurierten
Gewinnen und Abschreibungen finanziert. Die Eigenkapitalquote bei Trumpf liegt mit rund 50 Prozent so hoch wie bei
nur wenigen Unternehmen dieser Art. Justiziar Bokelmann
JOB & KARRIERE
Professor Dr. André Betzer,
Lehrstuhl für Finanzwirtschaft und Corporate
Governance, Bergische
Universität Wuppertal
Peter Bokelmann,
Leiter Zentralbereich Recht
und Gesellschaftspolitik,
Trumpf GmbH + Co. KG
hat die Philosophie der Gesellschafter verinnerlicht: „Wir
sind ein konservatives Unternehmen in Finanzierung und
Unternehmenskultur, aber hoch innovativ in Produkten, Technologien und Prozessen.“ Fremdkapital in Form normaler
Kontokorrentlinien bei der Hausbank kommt nur für die
Zwischenfinanzierung der normalen Geschäftstätigkeit zum
Einsatz. Selbst im Krisenjahr 2008, in dem Trumpf 40 Prozent
seines Umsatzes einbüßte, schossen die Familiengesellschafter lieber Privatvermögen nach, als eine Fremdfinanzierung
über Kredite zu akzeptieren oder Eigenkapital über Beteiligungen aufzunehmen.
Christian Gasche
KAPITALWERTMETHODE
Die Kapitalwertmethode unterstellt, dass freie Kapitalmittel eines Unternehmens beispielsweise in sichere Finanzprodukte angelegt werden
könnten oder durch eine andere investive Maßnahmen eine Rendite
bringen. Diese Mindestrendite muss das Kapital bei einer Investition
erwirtschaften, um vorteilhaft zu sein. Bei unsicheren Erwartungen, wie
das in der Praxis die Regel ist, muss daher der Kalkulationszinssatz
je nach Risiko deutlich höher liegen als der Kapitalmarktzins für die
Kreditaufnahme. Der Kapitalwert zeigt, welchen Wertzuwachs das
eingesetzte Kapital heute bei Durchführung der Investition erhalten
würde. Der Gewinn wird ab dem Investitionsbeginn auf den gesamten
Zeitraum der Investition bezogen und abgezinst. Zudem berücksichtigt
die Kapitalwertmethode den Zeitwert einer Zahlung durch Auf- und
Abzinsung zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit. Ist der Kapitalwert null, ist die
Renditeerwartung gerade erfüllt. Ist er negativ, ist die Investition unvorteilhaft, Unternehmensvermögen wird vernichtet.
Ausgabe 5/2012
63
REGISTER/IMPRESSUM unternehmensjurist
PERSONENREGISTER
Althaus, Dr. Marco, Technische Hochschule
Wildau (36)
Anders, Dr. Georg, Wirtschaftskanzlei Heussen
(17)
Asher, Katrin, Deutsche Post AG (28, 51)
Baums, Prof. Theodor, Goethe-Universität
Frankfurt (15)
Bayer, Prof. Walter, Universität Jena (18)
Bertram, Oliver, Taylor Wessing Deutschland (42)
Bitter, Prof. Georg, Universität Mannheim (68)
Blum, Dr. Felix, Gruner + Jahr AG & Co KG (33)
Bodler, Christian, HK2 Rechtsanwälte (42)
Bogati, Michael, Orrick, Hölters & Elsing (33)
Braun, Dr. Eberhard, Schultze & Braun (54)
Carl, Peter Steffen, Gleiss Lutz (78)
Daum, Dr. Volker, B. Braun Melsungen AG (69)
Dolderer, Uwe, Bundesverband deutscher Pressesprecher e.V. (12)
Drinhausen, Dr. Florian, Linklaters LLP (15)
Dröge, Dr. Alexander, Markenverband e.V. (8)
Durian, Ariane, Connect Personal-Service GmbH
(40)
Eck, Peter, Gastro Beteiligungs AG (15)
Frank, Sergey, Sergey Frank International
Management Consulting (46)
Franz, Dr. Kurt, Bundesministerium der Justiz (72)
Fritz, Michael, Deutsche Bahn AG (34)
Gaebler, Matthias, Aktien-, Emissions- und
Börsenberatungs AG (AEB AG, 15)
Gärtner, Dr. Wolfram, HeidelbergCement AG (44)
Gerald, Christine, Dachser GmbH & Co. KG (50)
Graf-Schlicker, Marie Luise, Bundesministerium
der Justiz (72)
Hartwig, Niels, BUJ (72)
Hempel, Dr. Sebastian, Rewe Group (45)
Henning, Dr. Michael, BUJ (72)
Hermes, Benjamin (68)
Hinrichs, Lars, Xing AG (64)
Hoenike, Dr. Mark, Taylor Wessing Deutschland
(45)
Jaeniche, Dr. Steffen, Otto Group (46)
Kapoor, Dr. Arun, Noerr LLP (12)
Keinath, Dr. Astrid, Linklaters LLP (15)
Klein, Dr. Hans-Michael, Knigge Akademie (65)
Krämer, Dr. Lutz, White & Case LLP (26)
Kremser-Wolf, Christina, Deutsche Lufthansa
AG (40)
Lantschner, Fritz, Webasto Thermo & Comfort
SE (66)
Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine, Bundesministerium der Justiz (12, 72)
Lorenz, Dr. Dirk, Taylor Wessing Deutschland (15)
Maaß, Dr. Oliver, Heisse Kursawe Eversheds (14)
Mansfeld, Thomas, Hapag-Lloyd AG (52)
Middelschulte, Dr. Dirk, Deutsche Bahn AG (28)
Molitoris, Michael, Noerr LLP (76)
Moosmayer, Dr. Klaus, Siemens AG (26, 73)
Motherby, Marianne, Deutsche Bahn AG (25)
Müller, Andreas, PerConex Personaldienstleistungen GmbH (42)
Münker, Dr. Reiner, Zentrale zur Bekämpfung
unlauteren Wettbewerbs e.V. (36)
Neufeld, Tobias, Allen & Overy LLP (34)
Paulus, Prof. Dr. Christoph, Humboldt-Universität
Berlin (19)
Pelz, Dr. Christian, Noerr LLP (26)
Ruckteschler, Dr. Dorothee, CMS Hasche Sigle
(26)
Schepke, Dr. Jan, CMS Hasche Sigle (12)
Schmidt, Prof. Karsten, Bucerius Law School
(70)
Schröder, Frank, Universal-Investment-Gesellschaft mbH (64)
Sessler, Dr. Anke, Siemens AG (26)
Stöhr, Dr. phil. habil. Hans-Jürgen, Agentur für
gescheites Scheitern (65)
Strohn, Dr. Lutz, Bundesgerichtshof BGH (25)
Szameitat, Harry, Deutsche Bank AG
Szesny, Dr. André, Heuking Kühn Lüer Wojtek
(77)
Terpitz, Jochen, Simmons & Simmons LLP (55)
Uhle, Wilhelm, Rhenus Assets & Services GmbH
& Co. KG (52)
Velte, Dr. Rainer, Heuking Kühn Lüer Wojtek (77)
von Bismarck, Prof. Alexandra, German Graduate School of Management and Law GGS (69)
von Bronk, Georg, Hochtief Solutions AG (28)
von Ilberg, Philipp, McDermoitt Will & Emery
LLP (55)
von Ruckteschell, Nicolai, BUJ (72)
Weske, Dirk, Allianz Deutschland AG (30)
Weiss, Dr. Heinrich (45)
Werner, Dr. Folke, PricewaterhouseCoopers AG
WPG (69)
Windemuth, Philipp, Orrick Hölters & Elsing (45)
Wirth, Dr. Gerhard, Gleiss Lutz (24)
Wolf, Roland, Bundesvereinigung Deutscher
Arbeitgeberverbände BDA (42)
BILDNACHWEIS:
Titel, 14, 21 Eva Kröcher / wikimedia (GNUund CC-Lizenz); Montage: Uwe Laube
06, 15 shutterstock / Eimantas Butaz
06, 29 mauritius-images / laughing-stock
07, 54, 55 plainpicture / Tom Maday
07, 58 Cinetext-Allstar-Lionsgate , Regisseur
Sylvester Stallone bei den Dreharbeiten zu
seinem Film „The Expendables“ (The Expendables, USA 2010, Regie: Sylvester Stallone),
mit Kameramann Jeffrey L. Kimball (re.)
08 Aktion Plagiarius e.V.
17 shutterstock / Roman Sotola; Montage: Uwe
Laube
18 fotolia / unpict
24, 25 dpa / INO / Malte Christians
32, 34 Fotolia / photobank kiev ua
33 wikipedia, facebook, skype, myspace,
studiVZ, XING, technorati, vimeo, reddit, twitter
36 Fotolia / shoot4u
38 Fotolia / shoot4u; Montage: Uwe Laube
40 Fotolia / fotodo
44 veer / Nadezhda Bolotina
50 dhl-pressefoto
51 Fotolia / Sapsiwei
52 Fotolia / Julián Rovagnati
53 Deutsche Bahn / Tobias Heyer
64 imago / MIS
68 imago/PanoramiC
72 Matthias Lüdecke
81 Dorothee Mahnkopf
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82
Ausgabe 5/2012
Redaktion:
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Mitarbeiter dieser Ausgabe:
Christian Gasche, Daniel Grosse,
Frank Knabe, Angelika Knop,
Karin Matussek, Thomas Münster,
Bijan Peymani, Heidi Radvilas,
Anke Stachow, Pia Weber, Frank
Wiercks, Henning Zander
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