Romantik (Literatur), geistes- und stilgeschichtliche, vom

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Romantik (Literatur), geistes- und stilgeschichtliche, vom
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Romantik (Literatur), geistes- und stilgeschichtliche, vom ausgehenden 18. bis ins
erste Drittel des 19. Jahrhunderts reichende Epoche, die Aufklärung und Klassizismus
ablöste. Die Romantik war ein gesamteuropäisches Phänomen unterschiedlicher
nationaler Ausprägung (vor allem Frankreich, England und Italien) mit Deutschland als
Zentrum. Besonders in Frankreich gewann die deutsche romantische Literatur
prägenden Einfluss.
Der Begriff leitet sich vom altfranzösischen romanz, romant oder roman her, der
ursprünglich alle in der Volkssprache (lingua romana) verfassten Schriften, vor allem
aber den höfischen Versroman bezeichnete. Später wurde er gebräuchlich für alle (in
Versen oder Prosa verfassten) “Romane”. Aufgrund der im Roman vorherrschenden
abenteuerlich-phantastischen Sujets erfuhr der Begriff im 17. und 18. Jahrhundert
einerseits eine negative Bedeutungsverschiebung zum “Unwirklichen” und
“Überspannt-Sentimentalen” (in Deutschland erstmals 1698 belegt), andererseits
wurde er zum Synonym pathetisch-regellosen Naturerlebens und -beschreibens. JeanJacques Rousseau schließlich führte den Begriff “romantisch” als
Beschreibungskategorie bestimmter seelischer Zustände ein. Um 1770 wurde die
Gleichsetzung von romantisch mit romanisch üblich, mit der eine Unterscheidung der
antiken und der nordisch-germanischen bzw. südlich-romanischen Kultur des
Mittelalters getroffen wurde. In der Frühromantik setzten Friedrich Schlegel und
Novalis das Romantische mit der modernen Poesie bzw. dem Poetischen gleich.
Heutzutage wird der Begriff, soweit er nicht eindeutig auf die Epoche bezogen ist,
relativ diffus auf alles Sentimentale und Märchenhaft-Phantastische ausgedehnt.
Geistesgeschichtliche Grundlagen
Das geistesgeschichtliche Fundament der Romantik war eine gegen den
Rationalismus und Erkenntnisoptimismus der Aufklärung gerichtete Strömung, die
besonders in Deutschland und Frankreich transzendentalphilosophische und
okkultistische Züge gewann. Vorbereitend wirkten in Frankreich die Schriften von Abbé
Prévost d’Exiles, Denis Diderot und Rousseau, in Deutschland und England die
Gefühlskultur der Empfindsamkeit und des Pietismus. Von prägendem Einfluss auf
das Geschichtsverständnis der Romantik wurde die von Johann Gottfried von Herder
u. a. (Gottfried August Bürger, Göttinger Hain) vollzogene Hinwendung zur
Volkspoesie und der Kultur des Mittelalters. Die der Romantik unmittelbar
vorausgehende Epoche des Sturm und Drang bereitete mit ihrem Genie-Ideal den
Boden für die subjektivistische Weltsicht und einen differenzierten
Individualitätsbegriff.
Religion und Philosophie
Charakteristisch für die romantische Philosophie war die Gegenposition zum
mechanistisch-rationalistischen Welt- und Menschenbild der Aufklärung, die, wie
Julien Offroy de la Mettrie in seiner Schrift L’homme-machine (1748, Der Mensch eine
Maschine), zu extremen Standpunkten vorgedrungen war. Skepsis an der
Erkenntnissicherheit, Unbehagen an der Profanität des säkularisierten Weltbildes und
das Bestreben nach magischen Formeln und ganzheitlichen Sichtweisen führten, wie
bei Johann Gottlieb Fichte oder Friedrich Wilhelm von Schelling, zwangsläufig in den
Grenzbereich zum Religiösen.
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In spekulativer Weiterbildung der Sittenlehre Immanuel Kants gelangte Fichte zu
einem System, in dessen Mittelpunkt das absolute, sittlich freie und schöpferische Ich
stand (Wissenschaftslehre, 1794). Schelling betonte in seinem ersten Hauptwerk,
Ideen zu einer Philosophie der Natur (1797), die Einheit von Natur und Geist. Seiner
Ansicht nach war der Geist die unsichtbare Erscheinungsform der beseelten Natur,
diese wiederum eine fortschreitende Selbstentäußerung des Geistes. Seine
Auffassung der Kunst als höchster Gestaltungsform des Irdischen entsprach in großen
Zügen Fichtes Postulat von der Freiheit des Künstlers, der sich spielerisch-ironisch mit
den endlichen und unendlichen Erscheinungsformen des Seins auseinander setzt, und
kehrte wieder in Novalis’ Prämisse von der Vieldeutigkeit der Welt, die sich mit
wechselnden Facetten und Bedeutungsverschiebungen im poetischen
Schaffensprozess spiegelt. Die – jeweils auch umkehrbare – Umdeutung des
Endlichen in Unendliches und des Gewöhnlichen in Geheimnisvolles verlieh der
romantischen Philosophie einen Zug ins Paradoxe und Fragmentarische, der aber in
Vorstellungen von der Alldurchdrungenheit oder Interdependenz aller Elemente der
Schöpfung wiederum ein Korrektiv erhielt. Charakteristisch sind die – vor allem in der
Literatur wirksamen – Forderungen nach “Synästhesie”, also der Vermischung der
verschiedenen Sinnesbereiche, oder der “Sympoesie” als Ideal des Zusammenwirkens
im Kunstwerk. Die subjektivistische Position der Idealphilosophie Fichte’scher Prägung
machte sich auch Friedrich Schleiermacher, der bedeutendste romantische Theologe,
zu eigen. Kernpunkt der Religion war aus seiner Sicht das Gefühl des Individuums, mit
der gesamten Schöpfung in einem Allzusammenhang zu stehen und in “Anschaung
des Universums” das Unendliche zu spüren. Diese Haltung ging im Wesentlichen mit
Goethes pantheistischer Weltsicht konform und rückte den Aspekt des religiössittlichen Handelns in den Hintergrund (Reden über die Religion an die Gebildeten
unter ihren Verächtern, 1799). Unter religösen Vorzeichen standen auch zahlreiche
programmatische Schriften der Epoche, wie Novalis’ Die Christenheit oder Europa
(1799) oder Joseph von Eichendorffs Zur Geschichte der neueren romantischen
Poesie (1846).
Naturwissenschaft und Medizin
Die Tendenzen zum Spekulativen und Grenzüberschreitenden prägten auch die unter
dem Einfluss der transzendentalen Philosophie stehende Naturwissenschaft. Eines
der wichtigsten Werke waren die Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft
(1808) des Schelling-Schülers Gotthilf Heinrich Schubert. “Nachtseite” bezeichnete
weniger das Geheimnisvolle als das schlechthin Unbekannte. Schubert zeigte die
Mängel der rationalistischen Wissenschaft auf und setzte u. a. seine Theorie des
“kosmischen Fluidums” dagegen, das alle Wesenheiten durchdringe und so das
Unsichtbare im Sichtbaren fassbar mache.
Ein ähnliches Interesse an parawissenschaftlichen Grenzphänomenen zeichnete die
zeitgenössische Medizin aus, die in der durch Franz Anton Mesmer begründeten
Theorie des “animalischen Magnetismus” eine die Grenzen der Scharlatanerie
streifende, höchst populäre Ausprägung erfuhr. Mesmer und seine Adepten, wie der
mit E. T. A. Hoffmann befreundete David Ferdinand Koreff, wurden mit “magnetischen
Kuren”, die zum Teil allerdings als seriöse Vorläufer der Hypnotherapie gelten können,
zu gefeierten Modeärzten der oberen Gesellschaftsschicht.
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Insgesamt gesehen mündeten die Vermischung von Wissen und Glauben, Religion,
Wissenschaft und Philosophie sowie die damit einhergehende Idealisierung des
künstlerischen Schaffens zu beachtenswerten Ansätzen einer Neudefinition des
säkularisierten Welt- und Menschenbildes an der Schwelle zum bürgerlichen Zeitalter.
Sie boten jedoch auf lange Sicht wenig brauchbare Orientierung, was die Welle der
Konversionen zum Katholizismus (Clemens Brentano, Friedrich Gentz, Friedrich und
Dorothea Schlegel, Friedrich von Stolberg, Zacharias Werner) erklärt, die häufig mit
einem politischen Konservatismus patriotisch-reaktionärer Prägung einherging.
Geschichte und Politik
Die Romantik entstand in der Umbruchphase der feudalen zur bürgerlichen
Gesellschaft und bedeutete einen entscheidenden Schritt in der Entwicklung
bürgerlichen Selbstbewusstseins. Anders als der vorausgehenden Generation des
Sturm und Drang fehlte ihr jedoch der aggressiv-gesellschaftskritische Tenor. Das
Geschichtsbild basierte – vor allem in der epigonalen Spätromantik – auf einer
idyllisierenden Sicht des Mittelalters mit dem deutschen Kaiserreich als letzter intakter,
homogener Staats- und Sozialeinheit. Zwar nannte Friedrich Schlegel unter den drei
wichtigsten Strömungen der Zeit neben Goethes Wilhelm Meister und Fichtes
Wissenschaftslehre auch die Französische Revolution, doch erschien den meisten
deutschen Romantikern der individuelle Freiraum weniger eine Angelegenheit der
Bürgerrechte als der künstlerischen Freiheit, im Gegensatz etwa zu der
anarchistischen Haltung des Engländers Percy Bysshe Shelley und dem praktizierten
Heldentum seines Landmannes Lord Byron.
Große Aufmerksamkeit beanspruchte vor dem Hintergrund der politisch-historischen
Umbruchphase das Thema Europa, so bei Novalis (Die Christenheit oder Europa,
1799), der eine Erneuerung aus dem Geist des Mittelalters anstrebte, oder Joseph
Görres (Europa und die Revolution, 1821). Der Kampf gegen Napoleon I. löste zudem
eine Flut patriotischen Schrifttums aus, wie Ernst Moritz Arndts Geist der Zeit (18061818) und Der Rhein, Deutschlands Strom und Deutschlands Grenze (1813) oder die
Kriegsdichtung Theodor Körners, Max von Schenkendorfs und Friedrich Rückerts
(Geharnischte Sonette, 1814). Im selben Zusammenhang standen Fichtes Reden an
die deutsche Nation (1807-1808) sowie der streitbare Journalismus von Joseph
Görres (Rheinischer Merkur) und Heinrich von Kleists Berliner Abendblätter.
Die literarische Romantik in Deutschland
Die Romantik etablierte sich in Deutschland anfangs vor allem als ästhetischliterarische Bewegung, erfasste aber bald die Gesamtheit des geistig-kulturellen
Lebens, wobei sich drei Phasen unterscheiden lassen: die Jenaer Frühromantik (ab
1798), die Heidelberger Hochromantik und die Spätromantik mit den Mittelpunkten
Dresden, Schwaben, München und Wien. Auch Berlin war in allen drei Phasen ein
bedeutendes Zentrum.
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Als erste literarische Zeugnisse gelten Wilhelm Heinrich Wackenroders (von Ludwig
Tieck herausgegebene) Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders
(1797) und Tiecks Romanfragment Franz Sternbalds Wanderungen (1798), die in
unterschiedlicher Weise Betrachtungen über das Wesen der Kunst und des
Künstlerlebens anstellten. Als eigentlicher Beginn der literarischen Romantik wird
gewöhnlich die Vereinigung der Brüder Friedrich und August Wilhelm Schlegel,
Friedrich von Hardenbergs (Novalis), Schellings und Wilhelm von Humboldts in Jena
angesehen. In dieser bald durch Tod und Zwistigkeiten gesprengten, noch vom
Geselligkeitskult der Empfindsamkeit geprägten Freundes- und
Schaffensgemeinschaft kam auch den beteiligten Frauen, wie Dorothea Veith (spätere
Gattin F. Schlegels) und Caroline Böhmer (spätere Gattin Schellings und
A. W. Schlegels), eine bedeutsame Rolle zu. Hier entstanden die ersten
programmatischen Schriften und Dichtungen, die zum Teil in der Zeitschrift Athenäum
(1798-1800) publiziert wurden. Von großer Wirkung für die Verbreitung romantischen
Gedankengutes waren August Wilhelm Schlegels Berliner Vorlesungen Über die
schöne Kunst und Literatur (1802-1805).
Der führende Kopf der Heidelberger Romantik war neben Joseph von Eichendorff
Joseph von Görres, der mit der Herausgabe der Teutschen Volksbücher (1807),
ähnlich wie Achim von Arnim und Clemens Brentano mit ihrer Sammlung Des Knaben
Wunderhorn (1806-1808), die Volkspoesie wieder ins allgemeine Bewusstsein rief.
Durch die Lehrtätigkeit Schleiermachers und anderer Romantiker in Berlin und
München (Schelling) fand die Romantik allmählich weite Verbreitung und wurde zur
beherrschenden geistig-literarischen Bewegung, anfänglich mit Anteilnahme und
Unterstützung Goethes.
Zu einem Zentrum romantischer Geselligkeit in Berlin entwickelte sich der Salon der
Rahel Varnhagen, wo noch die Generation der Spätromantiker ein reiches
Diskussions- und Begegnungsfeld fand. Neben Ludwig Tieck, Heinrich von Kleist,
Adam von Müller und Friedrich de la Motte-Fouqué wurde E. T. A. Hoffmann, Initiator
und Mittelpunkt des Kreises der “Serapionsbrüder”, der führende Repräsentant der
Berliner Romantik. Weitere Wirkungszentren der Spätromantik, die sich vom
Philosophisch-Spekulativen der Frühzeit löste und auch deren politisch-visionäre Züge
zugunsten einer affirmativen Haltung aufgab, waren München (Schelling, Görres),
Schwaben (Eduard Mörike, Ludwig Uhland) und Wien (Eichendorff, A. W. Schlegel,
Friedrich Gentz).
Kunst- und Dichtungstheorie
Die Kerngedanken der romantischen Welt- und Kunstanschauung waren die Prinzipien
der Universalität und der Assimilation. Im 116. Athenäums-Fragment wird als
Prämisse der “Universalpoesie” die “Willkür des Dichters” genannt, die “kein Gesetz
über sich leide”. Die Persönlichkeit des Künstlers wurde als katalysatorische
Wesenheit aufgefasst, die synästhetisch die facettenreiche Welt in sich aufnahm und
im schöpferischen Prozess ebenso vielgestaltig “poetisiert” neu erstehen ließ. Daran
knüpfte sich der Anspruch, mit einer “progressiven Universalpoesie” die getrennten
Gattungen wieder zu vereinen und mit Philosophie, Religion und Kunsttheorie in
Beziehung zu setzen.
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Dabei standen im Gegensatz zu einer rationalistischen Dichtungsauffassung
Stimmung und Erlebnis, nicht selten Traumerfahrungen im Vordergrund. Dem Vorrang
des Unbewusst-Alogischen in Realitätssicht und Schaffensweise entsprach das oft
Fragmentarische und Aphoristische der künstlerischen Ausdrucksform. Obwohl der
Nuancenreichtum des Romans dem Universalitätsanspruch der Romantiker
entgegenkam, blieb die große Prosaform aus diesem Grunde die Ausnahme. Die an
sich ereignisbetonte Dramatik wiederum litt unter den Verschmelzungstendenzen von
Epik, Drama und Lyrik und blieb demgemäß schwach ausgeprägt. Die bedeutendsten
Leistungen erzielte die Romantik auf dem Gebiet der Lyrik als der poetischen Gattung,
die ihrer subjektivistischen Daseinshaltung und Artikulationsweise am meisten
entsprach. Zu den wichtigsten programmatischen Schriften der Romantik gehören
Friedrich Schlegels Über Goethes Meister (1798), die Athenäum-Fragmente (1798)
und Gespräch über die Poesie (1800).
Die theoretischen Ansätze und Werke der romantischen Dichtung gaben wiederum der
zeitgenössischen Kunst und Musik starke Impulse, vor allem hinsichtlich des
Naturempfindens, der Märchenmotive und der Sensibilisierung für das Mittelalter.
Sowohl die romantischen Maler, wie Caspar David Friedrich, Philipp Otto Runge oder
die Nazarener, und Musiker, wie Franz Schubert und Felix Mendelssohn, artikulierten
ihrerseits in theoretischen Abhandlungen ihre Kunstanschauung und wirkten auf die
Literatur zurück. Ein in seiner Vielseitigkeit exemplarischer romantischer Künstler war
E. T. A. Hoffmann, der neben seinen erzählerischen Qualitäten auch Beachtliches als
Musiker und Zeichner leistete.
Lyrik
Die romantische Lyrik stand im Spannungsfeld einer am Volkslied orientierten
Schlichtheit und höchster sprachlicher Virtuosität. Zu der von Herder eingeleiteten und
von Arnim und Brentano fortgeführten Rückbesinnung auf Volkslied und Volksdichtung
traten Einflüsse der u. a. von Goethe begründeten Erlebnis- und Naturlyrik sowie als
spezifisch romantische Elemente ein mystisch erfahrenes Christen- und idealisiertes
Künstlertum. Zu den bedeutendsten frühen Zeugnissen romantischer Lyrik gehören
Novalis’ Geistliche Lieder (1799) und seine Hymnen an die Nacht (1800). Anders als
Edward Young, der, hierin ein Vorläufer der Schauerromantik, in Night Thoughts
(1742-1745) seine philosophischen Betrachtungen mit dem makabren Reiz der
Friedhofsszenerie verband, ging Novalis von einem poetisch-idealisierten Bild des
Nächtlichen aus, in dem der Tod in wollüstiger Hingabe und als neues Leben im
christlich-pietistischen Sinne erfahren wird.
Volkstümlich wurde die Lyrik von Ludwig Uhland (Gedichte, 1815) Eichendorff
(Gedichte, 1837), Eduard Mörike (Gedichte, 1838), Wilhelm Müller (Die schöne
Müllerin, 1821) und Adelbert von Chamisso (Gedichte, 1831). Während bei
Eichendorff und anderen das Naturerlebnis überwog, waren bei Chamisso erstmals
soziale Themen präsent (Die alte Waschfrau). Die frühe Lyrik Heinrich Heines setzte
sich zwar ironisierend von der sentimentalen Spielart der romantischen Dichtung ab,
blieb ihr aber motivisch und hinsichtlich der Auffassung des lyrischen Ich verpflichtet
(Die Harzreise, 1827).
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Drama
Dem in den frühen Dramen A. W. Schlegels (Ion, 1802) und Friedrich Schlegels
(Alarcos, 1802) wirksamen antiken Vorbild stand bei Ludwig Tieck (Der gestiefelte
Kater, 1797; Ritter Blaubart, 1797; Leben und Tod der heiligen Genoveva, 1800;
Kaiser Oktavian, 1804) die Orientierung an Shakespeare sowie die spätere Wendung
zur Integration epischer und lyrischer Formen gegenüber, ähnlich wie bei Brentano
(Ponce de Leon, 1804; Die Gründung Prags, 1815) und Arnim (Halle und Jerusalem,
1881). Romantisch-phantastische Züge trugen die Dramen Die Familie Schroffenstein
(1803) und Das Käthchen von Heilbronn (1808) von Kleist, der später mit Der
zerbrochene Krug (1811) das moderne Lustspiel mitbegründete. Zacharias Werner
hingegen, der sich an Schiller und (wie Brentano) an Calderón orientierte,
repräsentierte die romantische Schicksalstragödie (Der vierundzwanzigste Februar,
1810) und dramatisierte, wie später auch Fouqué (Der Held des Nordens, 1810) und
Eichendorff (Der letzte Held von Marienburg, 1830), in patriotisch-idealisierender
Darstellung Themen der germanischen Vorzeit und der deutschen Geschichte (Das
Kreuz an der Ostsee, 1806).
Erzählprosa
Friedrich Schlegels in seinem Brief über den Roman (1798) geäußerte Ansicht,
romantisch sei, was “einen sentimentalen Stoff in einer phantastischen Form”
darstelle, prägte in weiten Zügen das Bild der romantischen Erzählprosa. Als Vorbild
hinsichtlich des thematischen Spektrums und der äußeren Form galt unbestritten
Goethes 1795 und 1796 erschienener Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre, außerdem
Wilhelm Heinses Ardinghello und die glückseligen Inseln (1787) sowie die Romane
von Jean Paul. Die Romanprojekte der Frühromantik, wie Novalis’ Heinrich von
Ofterdingen (1802) und Tiecks Geschichte des Herrn William Lovell (1795-1796), der
deutlich an Heinse anknüpfte, folgten dem Muster des Bildungs- und
Entwicklungsromans oder gewannen, wie Friedrich Schlegels Aufsehen erregende
Lucinde (1799), den Charakter eines Essays in epischem Gewand (bei Schlegel eine
Abhandlung über das romantische Konzept der Ehe, mit deutlichen
autobiographischen Bezügen). Das Ideenlastige sowie das Aufbrechen der Form
durch die Einlage von Gedichten, Liedern und narrativen Binnentexten beeinträchtigte
indessen (ähnlich wie im Fall des romantischen Dramas) häufig das Ergebnis, so dass
der Roman innerhalb der Erzählprosa wenig Bedeutung gewann.
Eine Ausnahme machte der – allerdings meist in trivialer Form auftretende –
Schauerroman, wie E. T. A. Hoffmanns durch Matthew Gregory Lewis angeregte
Elixiere des Teufels (1815-1816). Die romantische Novellistik zeichnete sich gleichfalls
durch phantastische Prägung aus. Sie lehnte sich an das Vorbild des Volksmärchens
an, wie Tiecks Der blonde Eckbert (1797), Fouqués Das Galgenmännlein (1816) und
Eichendorffs Aus dem Leben eines Taugenichts (1826), oder bewegte sich im Bereich
einer gespenstisch-verfremdeten, unheimlichen Alltagswelt, wie die Fantasiestücke in
Callots Manier (1813-1815) und die Nachtstücke (1816) von E. T. A. Hoffmann.
Hoffmann schuf mit Der Goldene Topf zugleich ein exemplarisches romantisches
Kunstmärchen, in dem sich übernatürliche Elemente mit Gesellschaftssatire und
kunstphilosophischen Betrachtungen mischen. Sehr populär war in der Phantastik das
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– auch in Goethes Faust präsente – Motiv des Teufelspaktes, das u. a. Chamisso in
seiner Meistererzählung Peter Schlemihls wundersame Geschichte (1814) aufgriff.
Ein populäres Verfahren war die Einbindung mehrerer Erzählungen oder Novellen in
einen fiktiven Gesprächsrahmen, in dem poetologische, kunsttheoretische und andere
Fragen im Zusammenhang mit den Binnentexten diskutiert wurden. Neben Boccaccios
langfristig wirksamem Muster (Decamerone, 1348-1353) waren hier Goethes
Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten (1794-1795) vorbildlich für Tieck
(Phantasus, 1812-1816) und Hoffmann (Die Serapionsbrüder, 1819-1821). In beiden
Werken ist in Text und Gespräch ein zentrales Thema das “Wunderbare in der
Literatur”, das – ausgehend von den Schriften Johann Jacob Bodmers (Kritische
Abhandlung von dem Wunderbaren in der Poesie, 1740) und Johann Jakob
Breitingers (Kritische Dichtkunst, 1740) – die gesamte Erzählkunst der Romantik
beherrschte und sich als wirkungsmächtigstes poetologisches Erbe der Epoche
erwies. Vor allem bei Hoffmann standen phantastisch-transzendentale Phänomene als
Manifestationen eines “höheren Seins” durchweg im Zusammenhang mit der Suche
nach Welterkenntnis und der Vervollkommnung des Menschen im Kunstwerk.
Übersetzungen
Zunächst angeregt durch die Beschäftigung mit älteren literarischen Vorbildern, wie
Shakespeare und Calderón, später durch die Idee einer nationenübergreifenden
Literatur, entstanden in der deutschen Romantik zahlreiche Übersetzungen von
hohem Niveau. Die bedeutendste Leistung war die Übertragung der Dramen
Shakespeares, die von Caroline und A. W. Schlegel begonnen (1797-1810) und von
Tieck, seiner Tochter Dorothea und Wolf Graf von Baudissin vollendet wurde (18251840). Schlegel übersetzte ferner die Dramen Calderóns (1803), Tieck Cervantes’ Don
Quijote (1799-1801).
Übersetzungen und Nachdichtungen der Werke von Homer, Vergil, Ovid, Horaz u. a.
durch Johann Heinrich Voß erschlossen die Literatur der griechisch-römischen Antike
erstmals breiten Bevölkerungsschichten. Mit angeregt durch Friedrich Schlegels
Beschäftigung mit der indischen Dichtung folgten Übersetzungen der chinesischen
und anderer asiatischer sowie orientalischer Literaturen. Die hierdurch ermöglichte
Verbreitung dieser Werke war von weit reichender Wirkung auf die deutsche Literaturund Theaterwelt.
Die Romantik außerhalb Deutschlands
Die Romantik in anderen europäischen Ländern fußte teils auf selbständigen
literarischen Entwicklungen, erhielt jedoch durch die deutsche Spielart – die meist in
Zusammenhang mit der deutschen Klassik gesehen wurde, vor allem in Bezug auf
Goethe – die entscheidenden Impulse. In Einzelfällen ergaben sich auch persönliche
Bekanntschaften oder zumindest eine briefliche Korrespondenz, wie zwischen Goethe
und Byron.
Byron zählte mit Shelley, William Wordsworth und Samuel Taylor Coleridge zu den
bedeutendsten Repräsentanten der englischen Romantik, die in der Lyrik von John
Keats zu kühneren Positionen vordrang als die deutsche. In Frankreich regte François
René de Chateaubriand mit seinem Roman René (1802) die romantische Bewegung
mit an. Doch erst nach der Begegnung mit der zeitgenössischen deutschen Literatur,
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die vor allem durch die persönliche Mittlerschaft von Germaine de Staël (die zeitweise
mit A. W. Schlegel liiert war) und ihr Werk De l’Allemagne (1813, Über Deutschland) in
Frankreich bekannt wurde, setzte ihre Blütezeit ein. Die nachhaltigste Wirkung auf
Autoren wie Alfred de Musset, Théophile Gautier, Gérard de Nerval, Alphonse de
Lamartine, Alfred de Vigny und andere erzielten die Werke E. T. A. Hoffmanns, der
hier oftmals als bedeutendster deutscher Autor über Goethe gestellt wurde. Die
gesamteuropäische Romantik erhielt wiederum richtungweisende Impulse durch die
Poetologie Victor Hugos, die er in der Vorrede zu seinem Drama Cromwell (1827)
niederlegte.
Während sich die Entwicklung zur romantischen Poesie in Italien (Giacomo di
Leopardi, Alessandro Manzoni), Spanien (Gustavo Alfredo Bécquer) und Portugal
(Alexandre Herculano de Carvalho e Araújo) relativ selbständig vollzog, wurde sie in
Skandinavien durch die häufigen Deutschlandreisen des Dänen Adam Oehlenschläger
und des Schweden Per Daniel Otterbom sowie den in Jena wirkenden Norweger
Henrik Steffens befördert. In Russland war die französische Literatur neben der
(oftmals in französischer Übersetzung verbreiteten) deutschen von größtem Einfluss
auf die Generation von Aleksandr Puschkin und Michail Lermontow. Die Romantik in
den USA orientierte sich vorrangig an englischen Vorbildern und brachte so
bedeutende Autoren wie James Fenimore Cooper, Washington Irving, Nathaniel
Hawthorne und Herman Melville hervor.
Nachwirkung
Die Romantik relativierte das Gedankengut der Aufklärung mit
tranzendentalphilosophischen Ansätzen, in denen sich die Philosophie des deutschen
Idealismus vollendete, und bereicherte entscheidend die Ausdrucksskala von
Dichtung, Kunst und Musik. Darüber hinaus initiierte ihr Interesse an der deutschen
Vergangenheit (besonders am Mittelalter) erste systematische Forschungen auf den
Gebieten der Geschichtswissenschaft (Leopold von Ranke), Germanistik (Jakob und
Wilhelm Grimm), vergleichenden Sprachwissenschaft (Jakob Grimm), Romanistik
(Friedrich Christian Diez), Religionsgeschichte (Görres, Johann Jakob Bachofen) und
Rechtsgeschichte (Friedrich Karl von Savigny, Bachofen).
Der zunächst kosmopolitisch-universale politische Horizont der Romantik wich in den
Befreiungskriegen endgültig einem national-konservativen Staatsverständnis, das
zwar das Bewusstsein für den Volkscharakter schärfte, jedoch im Zuge der politischökonomischen Umwälzungen des Vormärz im Verein mit einer subjektivistischen
Welthaltung scheitern musste. Die sich bereits bei Kleist, Nikolaus Lenau und Georg
Büchner andeutende Problematisierung der poetischen Subjektivität wandelte sich bei
Heinrich Heine und den Autoren des Jungen Deutschland zum gesellschaftlich
engagierten Dichtertum.
Andererseits wirkten viele kunsttheoretische Innovationen, wie das Prinzip des Gesamtkunstwerks, auf
folgende Generationen (Richard Wagner, Thomas Mann), ebenso die zivilisations- und
erkenntniskritische Haltung. Innerhalb der Dichtung fand die Romantik starken Widerhall im
Symbolismus und Surrealismus, sowie in zahlreichen neuromantischen Strömungen.