Stellungnahme zur Genotypisierung von transgenen Mäusen

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Stellungnahme zur Genotypisierung von transgenen Mäusen
Stellungnahme
zur
Genotypisierung von transgenen Mäusen
I. Einführung
Bei der Herstellung oder Vermehrung von transgenen Mäusen ist der genaue genetische Status der
Tiere zunächst nicht bekannt. Genetische Merkmale können oft rezessiv sein, sodass im Regelfall
alle Nachkommen auf ihren Genotyp hin untersucht werden müssen („Genotypisierung“). Eine
frühzeitige, rasche und sichere Genotypisierung ist dabei aus mehreren Gründen anzustreben, u.a.
um sicherzustellen, dass Versuche nur mit den dafür geeigneten Tieren, bzw. Kontrolltieren
durchgeführt werden, zur Zuchtplanung und Vermeidung nicht benötigter Tiere, sowie um die Tiere
herauszufinden, die besondere Beobachtung und/oder Behandlung brauchen.
Zur Feststellung des Genotyps auf molekularer Ebene stehen unterschiedliche Methoden der DNAUntersuchung zur Verfügung. Die jeweils benötigte DNA-Menge hängt dabei von der vorgesehenen
Untersuchungsmethode und der Fragestellung ab.
Als DNA-Quelle kommen Zellen verschiedener Gewebe in Betracht, wobei nicht nur die für die
Untersuchung benötigte DNA-Menge, sondern auch die mögliche Belastung des Tieres durch die
Entnahme der Gewebeprobe zu berücksichtigen ist. Die eindeutige Zuordnung zwischen Gewebeprobe und Individuum muss durch Markierung des Tieres sichergestellt sein.
Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft und Labortechnik ist für die Genotypisierung eine Reihe
von Methoden verfügbar. Bei der Wahl der „best practice“ nach den Grundsätzen der „3R" (reduce,
refine, replace) sind jeweils die Umstände des Einzelfalls, wie das Alter der Tiere, Fragestellung der
Untersuchung, Methode der Tiermarkierung, usw. zu berücksichtigen, um bei größtmöglichem
Erkenntnisgewinn die Belastung der Versuchstiere auf ein Minimum herabzusetzen.
II. Zur Genotypisierung verwendete Methoden
DNA-Untersuchung
Die bei allen DNA-Untersuchungen verwendeten Enzyme (Polymerasen bzw. Restriktionsenzyme)
können durch Verunreinigungen in den Proben gehemmt werden, sodass in jedem Fall die DNA aus
dem Gewebe isoliert und von störenden Substanzen aus diesem Gewebe gereinigt werden muss.
1. PCR:
Die PCR-Analyse1 ist ein sehr empfindliches Nachweisverfahren, mit dem durch die schrittweise
Amplifikation selbst geringste Mengen an DNA (wenige Moleküle) nachgewiesen werden können.
Das Verfahren kommt mit kleinsten Gewebeproben aus, ist aber auch sehr anfällig für Kreuzkontaminationen, entsprechende Vorkehrungen sind bereits ab der Probennahme zu treffen.
2. Southern Blot:
Für Southern Blots2 wird im Vergleich zur PCR eine größere DNA-Menge (ca. 10 µg) benötigt, auch
Zeit- und Arbeitsaufwand sind höher, zusätzlich wird meist mit radioaktivem Material gearbeitet.
Southern Blots sind erforderlich, da sie mehr und andere Informationen als PCR-Assays liefern: so
kann z.B. ermittelt werden, ob ein Tier homozygot oder heterozygot für ein bestimmtes Transgen ist,
es werden Informationen über die flankierenden Sequenzen des Integrationsortes erhalten und die
Anzahl der eingebauten Kopien des Transgens kann abgeschätzt werden.
Zur Durchführung wird genomische DNA möglichst intakt aus den Zellen isoliert, aufgereinigt und mit
Restriktionsenzymen spezifisch fragmentiert. Die Fragmente werden elektrophoretisch aufgetrennt,
auf eine Membran transferiert und fixiert. Die Identifizierung der gesuchten Sequenz erfolgt mittels
markierter DNA-Sonden, eine Archivierung und Wiederverwendung des selben Blots mit
verschiedenen Sonden ist möglich.
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Gewebegewinnung
1. Nicht-invasive Methoden
Zur Genotypisierung mittels PCR wurden in der Literatur nicht-invasive Verfahren zur Gewinnung von
Zellen aus Haarbulben, Mund- oder Darmschleimhaut beschrieben3. Diese Verfahren sind allerdings
wegen z.T. sehr geringer DNA-Ausbeute und Kontaminationsgefahr in der Praxis derzeit wenig
verbreitet.
Haarbulben
Zur Probengewinnung werden den Tieren mit einer gereinigten Pinzette Haare ausgezupft4. Die
DNA-Mengen reichen für Southern Blots nicht aus. Diese Methode hat den Vorteil, dass Haare
nahezu schmerzlos und wiederholt gewonnen werden können, sie ist aber bei Neugeborenen oder
wenig behaarten Jungtieren nicht anwendbar, zudem besteht das Risiko der Probenkontamination
(z.B. durch Kreuzkontamination zwischen Wurfgeschwistern).
Mundschleimhaut
Proben können durch Spülung mit Hilfe einer Pipette5 oder durch einen Mundhöhlenabstrich mittels
Wattestäbchen6 genommen werden. Mundhöhlenabstriche sind bereits bei 10 Tage alten Tieren
möglich. Die dabei gewonnen DNA-Menge reicht für PCR (bzw. nested PCR bei sehr jungen Tieren).
Abstriche und Spülungen sind wiederholbar und an den Tieren relativ schonend vorzunehmen. Die
Probenmengen reichen nicht für Southern Blots aus, vor der PCR sollte die DNA aufgereinigt
werden. Bei Jungmäusen vor dem Absetzen besteht das Risiko einer Kontamination durch maternale
Zellen in der Mundhöhle.
Darmschleimhaut
Die Probegewinnung durch Abstrich der Darmschleimhaut mittels Einweg-Plastiköse ist bei Adulten
und Tieren im Absetzalter beschrieben7. Auch Kotpellets, die von Mäusen beim Anfassen produziert
werden, können gesammelt und nach Aufreinigung für PCRs verwendet werden8.
Die Probenahme ist relativ schonend und wiederholbar, ob der Einsatz bei Neonaten möglich ist,
wurde noch nicht untersucht. Die Probenmengen reichen nicht für Southern Blots, die notwendige
Aufbereitung der DNA ist relativ zeitaufwändig und es besteht das Risiko der Probenkontaminierung.
2. Ohrblatt
Ohrlochung oder Ohrkerbung werden zur dauerhaften, individuellen Kennzeichnung von Mäusen
eingesetzt. Das dabei anfallende Gewebe (ca. 1-2 mm Durchmesser) kann für eine Genotypisierung
mittels PCR weiter verwendet werden9, so dass Markierung und Probengewinnung im selben
Arbeitsschritt erfolgen können. Wenn zur Genotypisierung nur PCR verwendet wird ist diese Methode
der Schwanzspitzenbiopsie vorzuziehen, da aus dem Ohrblatt weniger und ausschließlich
knorpeliges Gewebe entnommen wird.
Bei der Ohrlochung besteht das Risiko der Kontaminierung über die verwendete Zange.
Bei Mäusen, die jünger als 2 Wochen sind, ist die Ohrkerbung oder Ohrlochung problematisch, da die
Entfernung eines auch nur kleinen Gewebestücks einen signifikanten Teil des Ohrblattes bedeuten
kann.
3. Schwanzspitze
Schwanzspitzenbiopsie10 ist derzeit die am häufigsten verwendete Methode zur Genotypisierung. Sie
liefert im Vergleich zu anderen Methoden eine größere Menge genomischer DNA (> 50 µg), die auch
für einige Southem Blots ausreicht.
Zur Probengewinnung wird die Schwanzspitze mit einem Skalpell oder einer Schere abgesetzt. Die
Größe des Bioptates sollte 5 mm nicht überschreiten und richtet sich nach dem Alter der Tiere
(s. Tabelle).
Bei jungen Tieren unter 14 Tagen liefern 2-3 mm der Schwanzspitze ausreichend DNA, da die Haut
noch wenig verhornt ist und die kaudalen Wirbel noch nicht kalzifiziert sind. Dabei ist zu beachten,
daß bei jüngeren Tieren ein relativ größerer Teil des Schwanzes verloren geht (dient als
Balanceorgan und zur Wärmeabgabe). Lokale Betäubung der Schwanzspitze durch z.B. Eintauchen
in eiskaltes Ethanol für 10 sec oder Kältespray wird empfohlen.
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Bei über 4 Wochen alten Tieren sind die Wirbel der Schwanzspitze verknöchert, Allgemeinanästhesie, Blut- und Schmerzstillung sind erforderlich.
Falls gleichzeitig auch Blutzellen untersucht werden sollen, so können in Verbindung mit der
Schwanzbiopsie auch noch 2-3 Tropfen Blut gewonnen werden.
Alter
3-14 Tage
Nachteile
zeitgleiche Markierung ist
wegen der geringen
Größe schwierig
(Möglichkeit: Tätowierung
der Pfotenhaut)
Vorteile
Haut wenig verhornt, kaudale
Wirbel nicht verknöchert, daher
weniger Gewebe erforderlich,
Nervensystem relativ unentwickelt, frühe Selektion möglich
14-21 Tage
Entwicklung des Nervensystems weitgehend abgeschlossen
Gewebe ist noch weich, DNA
leichter zu reinigen
maximal 5 mm Gewebe
entnehmen,
lokale Betäubung empfohlen
3-4 Wochen
Verknöcherung der
kaudalen Wirbel beginnt
zwischen 2. und 3.
Woche,
mögl. zusätzliche
Belastung zur Zeit des
Absetzens
Knochen kalzifiziert
Markierung z.B. durch
Ohrlochung möglich
lokale oder allgemeine
Betäubung erforderlich
> 4 Wochen
maximal 2-3 mm Gewebe
entnehmen
allgemeine Anästhesie
erforderlich, Blutstillung
4. Blutprobe
Aus Mausblut können je ml ca. 20 – 30 μg genomische DNA extrahiert werden11. Für PCRUntersuchungen ausreichende Mengen können aus kleinen Blutproben von ca. 20-50 µl mittels
Schwanzveneninzision oder -punktion gewonnen werden.
Bei Mäusen, die jünger als 2 Wochen sind, stellen allerdings 50 µl Blut bereits 10 % des gesamten
Blutvolumens dar, sodass die Gefahr eines hypovolämischen Schocks besteht. Daher sollten an
ihnen keine Blutabnahmen zur Genotypisierung vorgenommen werden.
Um die für Southern Blots benötigte Mengen (ca. 10 µg) zu erhalten, müsste in Zeitabständen
wiederholt Blut abgenommen werden, was ein entsprechendes Alter bzw. Gewicht der Tiere
voraussetzt. Die bei Mäusen für die Gewinnung von >100 μI Blut meist herangezogene retrobulbäre
Entnahmetechnik erfordert zudem ausgebildetes Personal und eine entsprechende Anästhesie12.
5. Zehenamputation
Zehenamputation (toe clipping) ist für das Tier mit Schmerzen verbunden und beeinträchtigt die
Mäuse beim Laufen, Fressen und Putzen. Eine Zehenamputation darf daher keinesfalls routinemäßig
verwendet werden und wäre nur als absolut letztes Mittel zur Kennzeichnung und Gewebegewinnung
zulässig, wenn keine weniger belastende Methode angewendet werden kann. In einem solchen
Ausnahmefall dürfen die Mäuse nicht älter als 14 Tage sein, es darf nicht mehr als eine Zehe
amputiert werden, lokale Betäubung ist anzuwenden.13, 14
3
III. Empfehlungen
Generelle Empfehlungen:
- Zur Entnahme von Gewebeproben sollte die am wenigsten invasive Methode verwendet werden.
- Es sollte die kleinstmögliche Gewebeprobe entnommen werden.
- Die Methoden sollten regelmäßig überprüft werden, um neuere Entwicklungen zu nutzen, die
weniger invasiv sind oder weniger Gewebe benötigen.
- Querkontaminationen zwischen Biopsieproben sind sorgfältig zu vermeiden, insbesondere wenn zur
Genotypisierung PCR verwendet werden soll.
Spezifische Empfehlungen
1. Anwendung nicht-invasiver Methoden
- Die Anwendbarkeit nicht-invasiver Methoden zur Genotypisierung (DNA-Gewinnung aus Haarbulbi,
Mund- oder Darmschleimhaut) sollte geprüft werden.
2. Ohrblatt
- Ohrkerbung oder Ohrlochung sollte als Alternative zur Schwanzspitzenbiopsie verwendet werden,
wenn zur Genotypisierung PCR verwendet werden soll.
- Ohrkerbung oder Ohrlochung sollte bei Mäusen, die jünger als 2 Wochen sind, nicht vorgenommen
werden, da die Entfernung eines auch nur kleinen Gewebestücks einen signifikanten Teil des
Ohrblattes bedeuten kann.
3. Schwanzspitzenbiopsie
- Schwanzspitzenbiopsie sollte nicht von vornherein die erste Wahl zur Genotypisierung sein. Nichtinvasiven und weniger belastenden Methoden sollte der Vorzug gegeben werden.
Größe der Schwanzspitzenbiopsie
- Die Biopsie sollte auf höchstens 5 mm der Schwanzspitze beschränkt bleiben. Wiederholung der
Schwanzspitzenbiopsie ist zu vermeiden.
Alter bei der Schwanzspitzenbiopsie
- Das Entfernen der Schwanzspitze dürfte in jedem Alter Schmerzen verursachen, die durch
Betäubung (Anästhesie und Analgesie) minimiert werden sollten.
- Das Alter für eine am wenigsten schmerzhafte Schwanzspitzenbiopsie liegt zwischen 3 und 4
Wochen. Außer bei Vorliegen zwingender wissenschaftlicher Gründe sollten Schwanzspitzenbiopsien
bei Mäusen, die deutlich jünger als 3 oder älter als 4 Wochen sind, nicht vorgenommen werden.
- Die angewendeten Verfahren zur Schwanzspitzenbiopsie sollten regelmäßig hinsichtlich der Art,
Dosis und Dauer der Schmerzbehandlung überprüft werden.
4. Blutproben
- 20–50 μl Blut sollten ausreichend DNA für eine Genotypisierung mittels PCR liefern.
- Bei einer einzelnen Blutabnahme sollten nicht mehr als 10 % des gesamten Blutvolumens
entnommen werden, und innerhalb von 28 Tagen nicht mehr als 15 %.
- Blutabnahmen zur Genotypisierung sollten an Mäusen, die jünger als 2 Wochen sind, nicht
vorgenommen werden.
5. Zehenamputation
- Zehenamputation darf nicht routinemäßig angewendet werden. Ausnahmen wären nur als letztes
Mittel in gut begründeten Einzelfällen zulässig, wenn keine der weniger belastenden Methoden
angewendet werden kann.
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IV. Literatur
1 Saiki RK, Scharf S, Faloona F, Mullis KB, Horn GT, Erlich HA, Arnheim N. (1985). Enzymatic amplification of
beta-globin genomic sequences and restriction site analysis for diagnosis of sickle cell anemia.
Science 230:1350-1354.
2 Maniatis, T. ; Fritsch, E.F. ; Sambrook, J.: Molecular cloning: a laboratory manual. Cold Spring Harbour
(1982).
3 Robinson, V., Morton, D. B., Anderson D., Carver, J. F. A., Francis, R. J., Hubrecht R., Jenkins, E., Mathers,
K. E., Raymond R., Rosewell, 1., Wallace, J., Wells, D. J. (BVAAWF/FRAME/RSPCA/UFAW Joint Working
Group on Refinement. 2003): Refinement and reduction in production of genetically modified mice.
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4 Schmitteckert, E. M., Prokop, C-M., Hedrich, H. J. (1999). DNA detection in hair of transgenic mice - a simple
technique minimizing the distress on the animals. Lab Animals 33: 385-389.
5 Irwin MH, Moffatt RJ, Pinkert CA (1996) Identification of transgenic mice by PCR analysis of saliva.
Nat. Biotechnol. 14: 1146-1148.
6 Meldegaard, M., Bollen, P. J., Finsen, B. (2004). Non-invasive method for sampling and extraction of mouse
DNA for PCR. Lab Animals 38: 413-417.
7 Lahm, H., Hoeflich, A., Rieger, N., Wafrke, R., Wolf, E. (1998): Identification of transgenic mice by direct PCR
analysis of lysates of epithelial cells obtaine from the inner suface of the rectum. Transgenic Research 7: 131134.
8 Broome, R. L., Feng, L., Zhou, Q., Smith, A., Hahn, N., Matsui, S. M., Omary, M. B. (1999): Non-invasive
transgenic mouse genotyping using stool analysis. FEBS Letters 462: 159-160.
9 Ren, S., Li, M., Cai, II., Hudgins, S., Furth P. A. (2001): A simplified method to prepare PCR Template DNA
for Screening of transgenic and knockout mice. Contemporary Topics 40(2), 27-29.
10 NIH (2002): Guidelines for the Genotyping of Rodents
(http://oacu.od.nih. gov/ARAC/FinalGenotyping0602.pdf)
11 Hofstetter, J. R,, Zhang, A., Mayeda, A. R., Guscar, T., Nurnberger, J. Jr., Lahiri DK. (1997): Genomic DNA
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12 Blutentnahme bei Labornagetieren und Kaninchen zu Versuchszwecken. Empfehlungen des Bundesamts
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13 Guide for the Care and Use of Laboratory Animals (1996). National Research Council. National Academy
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14 NIH (2004): Guidelines for Toe Clipping of Rodents (http://oacu.od.nih.gov/ARAC/FinalToeClip0504.pdf)
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