Ein Reisebericht aus Gambia

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Ein Reisebericht aus Gambia
Ein Reisebericht aus Gambia
(Roland Wieckert)
Um dem nasskalten Wetter in Deutschland zu entfliehen, sind meine Frau und ich vom 1. bis
16.12.2004 zu einem Strandurlaub nach Gambia gereist. Wegen des Schlendrians bei der
Lufthansa und ihres Tochterunternehmens Condor dauerte der Hinflug von Tegel nach Banjul
ca. 12 Stunden, die Rückkehr sogar mehr als 19 Stunden. Beim Rückflug gingen unsere beiden
Koffer verloren. Sie tauchten nach einem bzw. drei Tagen in Berlin endlich wieder auf.
Gambia ist ein ganz kleiner westafrikanischer Staat (11000 qkm) - etwa von der Größe des
Regierungsbezirks Lüneburg - mit insgesamt 1,3 Mio. Einwohnern. Das Land bildet einen vom
Atlantik ca. 300 km in den Kontinent nach Osten hineinragenden Schlauch von nur etwa 30 km
Nord-Süd-Ausdehnung, durch dessen Mitte der Länge nach der Gambia River fließt. Es heißt,
die Nord- und Südgrenze sei 1783 bei der Aufteilung von Senegambien unter Frankreich und
England der Einfachheit halber einen Kanonenschuss weit von diesem Fluss gezogen worden.
Bis 1807 waren die Gambiahäfen Ausgangspunkt für die Sklaventransporte nach Amerika.
Reste der Sklavengefängnisse sind heute Touristenattraktionen. Im Zuge der
Entkolonialisierung wird Gambia 1965 eine unabhängige Republik. Es ist heute noch englisch
geprägt. Englisch ist Amtssprache. Die meisten Touristen kommen aus Großbritannien. Auch
verstehen und sprechen die meisten der in unserem Hotel Beschäftigten Englisch außer ihrer
Muttersprache, z.B. Mandingo. Gambia ist auf drei Seiten von dem sehr viel größeren und
frankophonen Staat Senegal umgeben, mit dem es 1982 – 89 einmal eine Staatengemeinschaft
gebildet hatte.
Gambia liegt etwa auf 13°30’ nördlich des Äquators und damit in der Sahelzone, d.h. in dem
Übergangsgebiet von der Halbwüste zur Trockensavanne. Von November bis Mai ist
Trockenzeit mit Strahlungswetter und Temperaturen von 24° - 28° C an der Küste; im
Binnenland ist es viel heißer. In der Regenzeit von Juli bis September herrscht oft eine hohe
Luftfeuchtigkeit, und es fallen Starkregen (Niederschlag im August 500 mm, zum Vergleich:
Ganzjahresniederschlag in Berlin 580 mm), die zu Überschwemmungen und wegen des roten
Tonbodens zur Verschlammung führen können. Daher war der Park unserer Hotelanlage von
vielen - jetzt allerdings trockenen – Gräben durchzogen. Auch bei neuen Straßen sah man
manchmal Abzugsgräben. Der Jahresniederschlag nimmt hier in der Sahelzone von Norden
nach Süden und auch von Osten nach Westen sehr zu. Während die Hauptstadt des Senegal
Dakar einen Jahresniederschlag von 540 mm aufweist, fallen in dem nur ca. 200 km südlich
gelegenen Banjul etwa 1300 mm.
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Der Gambiafluss entstammt der viel regenreicheren Guineaschwelle. Als Fremdlingsfluss wird
er von einer Art Galeriewald und im Mündungsgebiet von einem breiten Mangrovengürtel
begleitet, dessen Vogelwelt (Möwen, Seeschwalben, Reiher und Brachvögel) wir auf einer
ornithologischen Exkursion vom Boot aus gut beobachten konnten. Jetzt im Dezember, also
kurz nach der Regenzeit, nahm das Gras bereits eine gelbgrüne Farbe an. Während Baobabs
und Frangipani keine Blätter mehr hatten und die unteren Blattfächer der im Bijilo-NP häufigen
Ronierpalmen schon völlig vertrocknet herabhingen, waren die übrigen Bäume, so die vielen
Ölpalmen, Würgefeigen und Büsche, noch völlig grün. Im größten Teil des Jahres, so auch z.Z.
unseres Aufenthaltes, kommen die Winde aus westlichen Richtungen vom Atlantik. Wenn der
Wind aber von Nordosten, d.h. von der Wüste her, weht, bringt dieser Harmattan große Wolken
feinen Staubes mit sich. Dann tragen viele Einwohner, so erzählte man uns, wie in China einen
Mundschutz und man müsse viel Staub wischen, zumal die Häuser und Hütten oft keine
Fensterscheiben besitzen.
In der ständig bewässerten Hotelanlage grünte und blühte es natürlich. Dieser Park war
deshalb für die tropischen Vögel von großer Anziehungskraft, so dass hier ein einheimischer
Ornithologe fast täglich Rundgänge zur Vogelbeobachtung durchführte. Das Hotel war
Standquartier für viele britische Ornithologen. Täglich konnte man den rosaköpfigen Geiern und
weißen Kuhreihern bei einer Fütterung zusehen. Beim Frühstück konnten wir oft die flinken
Kolibris, die an den Blüten eines nahen Hibiskusstrauches naschten, beobachten. So war es
kein Wunder, dass wir die neue digitale Kamera mit 12-fachem Zoom gerade an den
schwierigen Vogelaufnahmen ausprobierten. Das ist bei einer Reihe von Vögeln auch
gelungen.
Die eingeborene Bevölkerung setzt sich aus Angehörigen mehrerer schwarzafrikanischer
Stämme zusammen, die zwar eine eigene Sprache oder Dialekt haben, aber - wie wir in
Gesprächen erfuhren - durchaus untereinander heiraten. Es wurde uns gesagt, dass es wegen
dieser Bevölkerungsmischung durchaus üblich sei, dass man mehrere Idiome wie Wolof und
Diola (Jola) beherrsche. Der Tribalismus ist hier also nicht mehr so stark ausgeprägt wie in
Ostafrika. Dazu hat sicherlich auch beigetragen, dass sehr viele Männer als Saisonarbeiter aus
den Dörfern des Hinterlandes in die sich durch den Tourismus rasant entwickelnden
Küstengebiete bzw. in die Hauptstadt Banjul (ehem. Bathurst, ca. 60.000 E.) und in die
inzwischen sehr viel größere Nachbarstadt Serekunda (ca. 200.000 E.) gezogen sind.
Viele dieser Männer verdienen sich ihren kärglichen Lebensunterhalt im Handel. So wurden wir
am Strand ständig von sich ziemlich aufdringlich gebärdenden fliegenden Händlern
(Strandläufern) angesprochen. Diese haben viel Zeit und möchten sich mit den Touristen
unterhalten. Sie konnten es kaum verstehen, dass wir einfach unsere Ruhe haben wollten. Auf
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diese Weise bekommen die relativ häufig alleinreisenden weißen Frauen sehr schnell einen
oder mehrere ebenholzschwarze Verehrer (Bumster, Beach-Boys). Diese sind oft groß und
schlank, legen Wert auf einen muskulösen Körperbau und sind sehr kontaktfreudig, höflich und
gut aufgelegt (smiling coast). Umgekehrt trifft man nur wenige zumeist ältere europäische
Männer, die mit einer jungen afrikanischen Frau liiert sind. Auffällig ist, dass die jungen
Afrikanerinnen meist sehr sorgfältig frisiert und farbenfroh gekleidet sind. Auch sie sind sehr
kontaktfreudig. Wie wir von einer zufällig getroffenen ehem. Braunschweigerin, die hier seit 14 Jahren lebt und
mit einem Schwarzafrikaner verheiratet ist, erfuhren, ist dieses Küstengebiet erst seit etwa
einem Jahrzehnt durch die Anlage unseres Senegambia Beach Hotels und des benachbarten
Kairaba Hotels (einziges 5-Sterne-Hotel von Gambia) mit Hilfe eines von der Küstenstraße
ausgehenden rechtwinkligen Straßennetzes aufgesiedelt worden. Heute gibt es an der
Stichstraße zu den beiden großen Hotels eine ganze Reihe weiterer Hotels, Restaurants, Bars,
Wechselstuben und Supermärkte sowie Wäscherei, Autovermieter, Fahrradausleihe, Tanzdiele,
Internetcafés, Telefonzentralen, Reisebüro und Taxizentrale, Bus- und Buschtaxi-Haltestelle
sowie einen größeren Touristenmarkt mit vielen Verkaufsständen. An der Küstenstraße selbst,
die aus einem breiten Asphaltband mit einem Seitenstreifen für Radfahrer und Fußgänger
sowie einem Sandstreifen als eine Art Sommerweg besteht, haben sich in der Nähe der
Kreuzung besonders Restaurants, eine Tankstelle und mehrere Reparaturwerkstätten für die
z.T. sehr alten Autos angesiedelt. Reklameaufschriften auf den Lieferwagen, wie z.B. „Maler
Schulze aus Wolfenbüttel“, zeigen oft an, woher dieses gebrauchte Auto importiert worden ist.
In siedlungsleerem Gelände befindet sich an einer Straßenseite ein sehr breiter Ödlandstreifen,
der wohl für einen Ausbau der Straße zur Autobahn vorgehalten wird. Auf ihm weidet dann oft
ein Hirte Rinder oder Schafe bzw. Ziegen. Als wir mal aus fotografischen Gründen in diesen mit
dichter Krautvegetation bestandenen Streifen eingedrungen sind, haben wir uns sofort Flöhe
zugezogen. Seitdem waren wir mit dem Begehen von Unland vorsichtiger. Jenseits, d.h. binnenwärts, der Küstenstraße befindet sich heute die ausgedehnte
Wohnsiedlung Kololi Beach. Die Parzellen sind unterschiedlich groß (etwa ab 500 bis mehrere
1000 qm) und immer mit einer aus Sichtschutz ca. 2 m hohen Steinmauer meist aus
Betonsteinen umgeben. Nur abgeschirmte Grundstücke gelten laut Gesetz als Privatbesitz. Im
Landesinneren und bei Ärmeren reicht auch ein Zaun aus den senkrecht aufgestellten dornigen
Blattstielen der Ronierpalme. Meist befinden sich auf dieser Parzelle außer dem meist
eingeschossigen rechteckigen Wohnhaus mit Satteldach mehrere Fruchtbäume wie Mangos
und Papayas, die mit dem Wasser des dortigen Brunnens bewässert werden. Die ursprünglich
runden Hütten aus einem Holzgerüst und verstrichenem Lehm mit dem spitzen Kegeldach aus
Gras sahen wir nur noch als Touristenattraktion, z.B. im Freiluftmuseum oder als Reklame für
gastronomische Betriebe. So ein Compound beherbergt meist eine ganze Großfamilie. Bei dem
Leiter eines Entwicklungsprojektes, den ich danach fragte, waren es 32 Personen!
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Bei zweigeschossigen Neubauten staunten wir nicht schlecht, mit was für krummen Ästen die
gegossenen Betondecken bis zum Abtrocknen abgestützt werden, weil die Stämme der Palmen
dazu nicht taugen. Man benutzt die achtteilig aufgespaltenen Palmstämme aber als
Dachsparren. Wir sahen auch, wie man ein zweigeschossiges Haus ohne Gerüst aufbauen und
verputzen kann. Man lässt in den Außenmauern in gleicher Höhe Löcher, in die man von außen
das Ende von Balken hineinsteckt, über die dann Bretter als Arbeitsbühne gelegt werden. So
arbeitet man sich an der Wand hoch. Später werden die Löcher wieder zugemauert.
Besonders in der Nähe der Küstenstraße gab es auch sehr große Parzellen, auf denen
repräsentative mehrstöckige Wohnhäuser mit interessanter Fassadengestaltung standen. Oft
wurden die oberen Stockwerke durch weiße Säulen in altägyptischem Stil getragen. Andere
Hausfronten waren mit auffälligem Putzdekor versehen. In den verschiedensten Farben
blühende Bougainvilleen ranken sich an den Gebäuden empor oder verhüllen die sonst sehr
hässlichen Grundstücksmauern.
Eine Folge dieser starken Besiedlung zeigt sich jetzt im Absinken des Grundwasserspiegels, so
dass die Brunnen in der Trockenzeit z.T. trocken fallen. Das trifft auch die staatliche
Wasserversorgung, die gleichfalls unter diesem Mangel leidet. Etwas Ähnliches gilt für die
staatliche Stromversorgung. Die häufigen Stromabschaltungen treffen aber hauptsächlich
Handwerk und Industrie, die wohlhabenderen Hausbesitzer beleuchten ihre Wohnungen
abends mittels eines Generators, so dass die Abendruhe in dieser Siedlung sehr gestört wird.
Am Rande einer dieser von Mauern eingefassten Sandstraßen, die beim Durchfahren eines
Autos in einer Staubwolke verschwinden, standen kleine Hütten, in denen Frauen wie auch auf
den Märkten üblich Kleinsthandel betrieben. Das war das eigentliche Zentrum der Siedlung.
Hier gab es auch einen Beauty Salon mit auf Reklametafeln groß aufgemalten Porträts.
Wir kamen auch an einer Schule vorbei. Die zweigeschossigen Gebäude hatten zur Hofseite
einen schmalen schattigen Arkadengang. Die Fenster waren zwar wegen der Lüftung ohne
Scheiben, aber vergittert. Über einem zur Straße hin zeigenden Klassenfenster stand auf
Englisch „Konstanzer Nähstube“. Als wir einen flüchtigen Blick dort hinein wagten, sahen wir
ältere Mädchen an einfachen Nähmaschinen. Wie wir später erfuhren, war dies eines der
Entwicklungsprojekte der schon oben genannten ehem. Braunschweigerin aus Konstanz. Den
jungen Frauen sollte das Reparieren und Schneidern der eigenen Kleidung sowie Handarbeiten
beigebracht werden; etwas, was hier unbekannt ist. Der Schulbesuch – sehr oft im
Schichtbetrieb - ist für die armen und oft sehr kinderreichen Familien (Bevölkerungswachstum: 3,5 %) ein großes Problem, da er Schulgeld kostet und eine Schuluniform sowie Geld für
Lernmittel erfordert. Aus diesem Grunde werden, wenn überhaupt, wie in anderen islamischen
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Ländern auch, vorwiegend Jungen zur Schule geschickt Laut Reiseführer sind in Gambia 70 %
der Bevölkerung Analphabeten. Unser aufgeweckter Raumpfleger im Hotel versicherte uns,
dass er nur vier Kinder haben und sie in jedem Fall zur Schule schicken wolle.
Laut Reiseführer sind 90 % der Bevölkerung sunnitische Moslems. Auch an der zu
unserem Hotel führenden Stichstraße steht eine kleine Moschee, in der Hauptstadt Banjul gibt
es dagegen mehrere, darunter eine sehr große und prächtige, die im Jahr 1988 mit Hilfe
Saudi-Arabiens errichtet wurde. Anscheinend aber werden in Gambia die Riten nicht so
orthodox befolgt wie in anderen islamischen Ländern. Das Fotografieren von Frauen bedarf
zwar deren Einverständnis, das häufig aber durch eine Geldzahlung erwirkt werden kann. Auch
haben wir nur sehr wenige Schülerinnen mit dem weißen, Kopf und Hals bedeckenden
Kopftuch gesehen. Viele Frauen tragen zwar irgendeine Kopfbedeckung, aber es gibt auch
andere, die ihre schön geflochtenen Haare offen zeigen. Aus der Kolonialzeit hat man den
Sonntag als Feiertag übernommen, der Freitag ist vormittags normaler Arbeitstag, nur der
Nachmittag ist zum Moscheebesuch frei. Zwar ist bei den Moslems die Ehe mit bis zu vier
Frauen erlaubt, doch bedeutet jede Hochzeitsfeier wegen ihrer Größe eine ungeheure
finanzielle Belastung für den Bräutigam (20.000 Dalasi – 600 €), so dass die jungen Männer
erst sehr spät (mit 25 – 30 Jahren) heiraten. Der Brautpreis von 1000 Dalasi (ca. 30 €) an die
Brauteltern spielt dagegen kaum eine Rolle. Scheidungen werden durch die Übergabe eines
Scheidungsbriefes an die Ehefrau recht unbürokratisch geregelt. Inwieweit die Mehrehe in den
verstädterten Küstengebieten überhaupt noch eine Rolle spielt, ist schwer zu ermitteln. Die
Tendenz geht dort, wie man mir sagte, zur Einehe.
Anders sieht es wohl im Binnenland aus. Wie ich hörte, haben die zum Geldverdienen an die
Küste gezogenen Männer Ehefrauen in verschiedenen Ortschaften des Inneren, die sie mehr
oder weniger regelmäßig besuchen und ihnen und ihren dortigen Kindern, z.B. für deren
Schulbesuch, evtl. Geld mitbringen. Aus der Entwicklungshilfe-Literatur wissen wir, dass es
diesen unter schwierigen Bedingungen Selbstversorgungswirtschaft betreibenden Frauen oft
sehr schlecht geht. Die an der Küste und in den Städten lebenden Männer scheinen aber auch
dort nicht zu vereinsamen, da man dem Sexualleben gegenüber wohl generell sehr
aufgeschlossen ist.
Trotz des Bekenntnisses zum Islam ist der Aberglaube bei manchen Eingeborenen noch recht
lebendig. So hielt z.B. der Ehemann der ehem. Braunschweigerin nur deswegen Perlhühner auf
seinem Hof, da diese ihn vor dem bösen Blick der Nachbarn schützen sollten.
Trotz der großen Fortschritte durch Anschluss an den internationalen Tourismus ist die Inflation
enorm. Die Preise der Grundnahrungsmittel sollen sich in den letzten vierzehn Jahren
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vervielfacht haben, so dass sich arme Familien kaum noch Fisch- oder Fleischstückchen in
dem mit durch Erdnusssoße schmackhaft gemachten Reis leisten können. Man isst dieses
Gericht, wir haben es in einer mit Kürbis und Bittertomaten angereicherten Version probiert, in
Ermangelung anderer Lebensmittel in den Familien dreimal am Tag. Während man früher den
Reis mit der Hand aus einer in der Mitte stehenden Emailleschüssel nahm, setzen sich
angeblich neuerdings Löffel selbst im Hausgebrauch immer mehr durch. Da der Obst- und
Gemüseanbau in Gambia, besonders auch der von Bananen, unter Wassermangel leidet und
durch die kurze Regenzeit saisonal begrenzt ist, fehlt es an einer ganzjährigen autochthonen
Versorgung damit. Der Grund für die Inflation des Dalasi sei angeblich die Verschuldung des Staates. Der sehr
junge Präsident, der 1994 durch einen militärischen Putsch an die Macht kam und 2001 gewählt
wurde, ist anscheinend recht beliebt. Er hat wohl zu viel geliehenes Geld in den Straßenbau
gesteckt. Ob z.B. der Bau einer Autobahn kurz vor Banjul notwendig war, wage auch ich zu
bezweifeln. Da es in Afrika viele Bürgerkriege gibt, hatte Gambia vor einiger Zeit auch Flüchtlinge aus
Ghana aufgenommen und, um sie unter Kontrolle zu haben, in einem geschlossenen Dorf
angesiedelt. Dort lebten sie hauptsächlich von der Trocknung von Fischen. Da die meisten
Christen sind, haben sie auch eine Kirche. Trotzdem wurde in Verbindung mit der Anlage eines
öffentlichen Brunnens mit Geld aus Saudi-Arabien eine kleine Moschee errichtet. Interessant
war hier auch das Anwesen eines „herbal doctors“, dessen Mauern über und über mit
primitiven, aber leicht identifizierbaren Skizzen von menschlichen Krankheiten versehen sind.
Dies erinnerte stark an die bestimmte Krankheiten symbolisierenden Holzmasken von Sri
Lanka oder mittelalterliche Krankheitsdarstellungen bei uns. Der noch recht junge „Arzt“ baute
um sein Haus auch Heilkräuter an und empfing uns in seinem Sprechzimmer inmitten einer
Unmenge von getrockneten Pflanzen, Gläsern, Schachteln und Pulvern. Er wollte die Malaria
unserer Begleiterin durch eine Trinkkur mit einer bitteren Flüssigkeit beseitigen. Da dies aber
die enorme Summe von 1000 Dalasi kosten sollte, sagte sie, sie müsse deshalb erst ihren
Ehemann um Erlaubnis fragen. Das sah er ein.
Im Übrigen ist die Übertragung der Malaria hier tatsächlich eine große Gefahr, die wir in der
ersten Zeit doch unterschätzt hatten, weil wir abends bei Lampenlicht auf der Terrasse sitzend
nie Mücken zu Gesicht bekommen hatten. Erst als ich einmal bei einem Stich ins Bein schnell
zugeschlagen hatte, entdeckte ich statt der vermuteten Ameise eine winzige schwarze Mücke.
So ist es verständlich, dass man außer in mit Klimaanlagen versehenen Zimmern möglichst
unter einem über dem großen Bett aufgehängten Moskitonetz schläft. Unsere dortige Bekannte,
die auch in der schwül-heißen Zeit in Gambia lebt, hat sich in 13 der 14 Jahre ihres
Gambia-Aufenthaltes jeweils eine neue Malaria zugezogen. Wir nahmen das vom Berliner
Tropeninstitut zur Vorbeugung empfohlene (aber für die dortige Bevölkerung viel zu teure)
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Lariam ein und benutzten abends Autan.
Wir haben neben unserem Sonnenbaden einiges über dortige Entwicklungshilfeprojekte gehört
und uns auch mehrere angesehen. So war von einer Gruppierung aus dem Rheinland ein
Kindergarten für 70 Kinder z.T. in Eigenarbeit errichtet worden. Wir haben auch ein anderes
Projekt unserer Bekannten, eine Werkstatt zur Herstellung von Batiken und Batik-Tragetaschen
sowie von Marmelade und Seifenpulver, besichtigt. Wir besuchten Jugendliche, die auf
Brachland Sasmil, eine Ölpflanze, die nicht bewässert werden muss, angebaut hatten und nun
abernteten. Die fehlenden Ausbildungs- und Arbeitsplätze der Jugendlichen sind wohl das
größte gesellschaftliche Problem dieses Landes. Derartige Projekte von
Ausländern sind bewundernswert, besonders weil es so schwierig ist, geeignete einheimische
Projektleiter zu finden, die über die Finanzen verlässlich Buch führen und Verantwortung
übernehmen. Da auch auf das Bankwesen wenig Verlass ist, ist es wohl am besten, wenn
jemand von dem ausländischen Förderverein alle paar Monate zur Kontrolle und weiteren
Förderung des Projektes sowie zur Auszahlung der Gelder nach Gambia fliegt.
Zum Abschluss dieser Reiseerfahrungen möchte ich noch über ein gut gemeintes, aber
misslungenes Hilfeprojekt berichten: Um der Verdreckung in der Siedlung Kololi Beach Herr zu
werden, hatte man vor Jahren eine bescheidene Abfallentsorgung organisiert. Dabei hatten
Metallhandwerker aus alten Dosen kleine Mülleimer zusammengebastelt, die für wenig Geld an
die Grundstückbesitzer verkauft wurden. Dadurch bekamen die Metallhandwerker Arbeit und
bescheidene Einkünfte Der in diesen Müllbehältern gesammelte Abfall wurde regelmäßig von
einem Bauern mit einem Rindergespann abgeholt. Da dies nicht so ganz hygienisch war,
schenkte eine europäische Kommune dieser Gemeinde ein modernes Müllauto. Die
Eingeborenen staunten, wie gut die Müllentsorgung in Europa funktioniert. Leider aber wurden
für dieses neue Müllfahrzeug die großen Kunststoffbehälter benötigt, wie auch wir sie kennen.
Da für die meisten Anwohner der Kauf dieser Mülltonnen viel zu teuer war, wurde das neue
Entsorgungssystem bald ineffizient und schlecht verrottbarer Müll wurde in altbewährter Manier
wieder auf die Straße gekippt. Als dann bei dem Müllauto Schwierigkeiten bei der
Ersatzteilbeschaffung auftraten, wurde die Abfallentsorgung ganz eingestellt. Aus diesem
Grunde erlebten wir die Sandwege der Siedlung voll von Müll, besonders von Plastikabfall. Um
die Verwendung und das Wegwerfen der beim Einkaufen kostenlos mitgegebenen Plastiktüten
einzuschränken, hat unsere Bekannte ein Projekt gestartet, von Frauen durch Batiken bunt
gefärbte, wiederverwendbare textile Einkaufstaschen sehr billig herstellen zu lassen. Ein
Industrieunternehmen zum Recyceln von Plastikabfällen wie die Firma Alba gibt es in Gambia
nicht und wird es wegen der geringen Größe des Staates vielleicht auch nie geben.
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