Mathematik mit TKP – Konstruktion von Körpern
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Mathematik mit TKP – Konstruktion von Körpern
Norbert Neubauer Mariengymnasium Jever 23. September 2001 Mathematik mit TKP – Konstruktion von Körpern „TKP sind die - gerade im deutschsprachigen Raum - noch am meisten unterschätzten Programme für den Mathematikunterricht.“ H.-G. Weigand in Diskrete Mathematik und Tabellenkalkulation, in: Der Mathematikunterricht, Jahrgang 47, Heft 3 /Juni 2001. Excel als typischer Vertreter von Tabellenkalkulationsprogrammen ist grundsätzlich einfach in der Handhabung und erlaubt nach kurzer Einarbeitung bereits vorzeigbare Ergebnisse. Grafiken in großer Variationsbreite können besonders einfach erzeugt werden. Die Grafiken sind dynamisch, da Excel die Darstellung sofort aktualisiert, wenn die Bezugsdaten der Grafik geändert werden. Besonders im Zusammenspiel mit Bildlaufleisten erweist sich diese Dynamik als sehr überzeugend. Die Darstellung räumlicher Drehungen wird dadurch auf elegante Weise ermöglicht. Wegen der universellen Verwendbarkeit der Bildlaufleisten gebe ich eine kurze Beschreibung der Handhabung: Die Bildlaufleisten sind wie andere Active-X Elemente in Excel in der Werkzeugleiste abgelegt. Diese kann im Menü „Ansicht Symbolleisten“ als „Steuerelement-Toolbox“ aktiviert werden. Das Symbol der Bildlaufleiste wird angeklickt und in der Tabelle an gewünschter Stelle aufgezogen. Über den Knopf „Eigenschaften“ in der SteuerelementToolbox wird eine „linked cell“ im Eigenschaften - Inspektor angegeben, in der von der Bildlaufleiste gesteuerte natürliche Zahlen abgelegt werden. Wird in der SteuerelementToolbox danach der Entwurfs-Modus verlassen, ist die Bildlaufleise sofort funktionsfähig. Der Wert der „linked cell“ kann nun direkt oder indirekt durch Abbildung auf ein gewünschtes Zahlenintervall zur Variation eines Parameters benutzt werden. Kurven-Plotter sind auf diese Weise sehr einfach herzustellen. Die hier vorgestellten Konstruktionen von Polyedern und anderen Körpern stellen durchaus anspruchsvolle Anforderungen in Form von Anwendungen sowohl vektorieller als auch algebraischer Methoden der Oberstufenmathematik. Eine genauere Aufstellung der Anforderungen in Form von damit verbundenen Lernzielen findet sich am Ende des Textes. OktaederKavalier.xls ist eine einfache Konstruktion eines Oktaeders. Bemerkenswert ist allenfalls die Einfachheit der Koordinaten des Oktaeders, die sich ergibt, wenn man die Dualität zum Hexaeder ausnutzt, indem man es in ein Hexaeder einbeschreibt und die Diagonalenschnittpunkte der Begrenzungsflächen des Hexaeders als Koordinaten wählt. Die Drehbarkeit des Oktaeders um alle drei Raumachsen erhöht den optischen Reiz und demonstriert, wie gering der mathematische Aufwand dafür ist. Weiterhin kann der für die Projektion relevante Divisor variiert werden. Oktaeder in verschiedenen Projektionen.xls zeigt ein Oktaeder in Kavielierprojektion im Vergleich zur Isometrischen Projektion, zur Dimetrischen Projektion und zur Militärprojektion. (s.a. Stachniss-Carp, Sibylle, und Weller, Hubert). Alle vier Projektionen lassen sich räumlich drehen. Das Goldene Dach.xls stellt einen Bastelbogen zur Erzeugung von Walmdächern auf quadratischem Grundriss dar. Die fünf Firste eines Walmdachs haben die Eigenschaft, alle dieselbe Länge zu besitzen. Außerdem stellen sie die Lösung mit den kürzest möglichen Firstlängen dar. Die Maßzahl der Firstlänge steht dann zur Kantenlänge des Grundquadrats im Verhältnis des Goldenen Schnitts. Sechs derartige Dächer, richtig orientiert auf ein Hexaeder aufgeklebt, erzeugen ein Dodekaeder. Ein Foto eines aus Papier gebastelten Dodekaeders ist in Dodekaeder3.xls zu sehen. Die Idee dazu wird vorgestellt z. B. bei http://www.bezregduessedorf.nrw.de/schule/mathe/abitur/lkgeo/lkgeo7.htm . 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Dodekaeder1.xls zeigt ein Dodekaeder auf Grundlage dieser Konstruktion mit einbeschriebenem Hexaeder. Die Größe dieses Hexaeders ist skalierbar. Gesehen werden kann auch, dass das Dodekaeder wiederum in ein Hexaeder einbeschreibbar ist. Hier ist ein Papiermodell allerdings von größerem Nutzen. Eine Drehung um jede der drei Raumachsen kann mit einem Regler erzeugt werden. Eine Multidrehung um die drei Raumachsen wird mit Mausklick gestartet. Dodekaeder2.xls In dieser Datei sind die unterteilenden „Dachgrenzen“ in den Fünfecken des Dodekaeders weggelassen worden. Das Dodekaeder wird nun über die zentrischen Streckungen erzeugt und ist daher nur zu sehen, wenn ein Streckfaktor größer Null eingestellt ist. Hinzu kommt die Möglichkeit, die Größe des gesamten Dodekaeders zu verändern. Interessant ist die Invertierung, die durch Vorgabe von negativen (!) Maßzahlen für die Kantenlänge des einbeschriebenen Hexaeders erzeugt werden. Ein schönes regelmäßiges Gebilde entsteht, wenn der obere Regler nach links gezogen wird. Dodekaeder3.xls Hier sind die Ecken der zwölf Fünfecke des Dodekaeders miteinander verbunden. Diese Verbindungen sind dann zu sehen, wenn der Streckfaktor kleiner 1 ist. Es entstehen gleichseitige Dreiecke zwischen den Ecken und Rechtecke zwischen den Seiten der Fünfecke. Zieht man am senkrechten Regler, verwandelt sich das Dodekaeder in ein Ikosaeder. Diese Verwandlung läuft gleichzeitig mit der Multidrehung automatisch ab, wenn man sie startet. Schön ist es, wenn vor dem Start die letzten drei waagerechten Regler ganz nach links gezogen sind. Auch bei der invertierten Figur läuft der Vorgang ab. Ikosaeder.xls Das Dodekaeder ist mit einbeschriebenen dualem Ikosaeder zu sehen. Das Ikosaeder wird über eine zentrische Streckung erzeugt. Streckzentren sind die Mittelpunkte der Dodekaederfünfecke. Die Streckung ist auf jeweils fünf benachbarte Fünfeckmittelpunkte gerichtet. Durch den linken senkrechten Regler kann das umschreibende Dodekaeder, auf dem die Ecken des Ikosaeders liegen, in genau dieses Ikosaeder verwandelt werden. Durch Start der Multidrehung wird diese Eigenschaft gut sichtbar. Dazu sollten beide senkrechten Regler nach oben gezogen sein. Der rechte Regler demonstriert die Entstehung des inneren Ikosaeders durch zentrische Streckung. Beim Streckfaktor k ≈ 0,333 (warum?) taucht die Schrift Buckyball auf, um einen Rückbezug aus der nächsten Datei zu ermöglichen. Buckyball.xls zeigt ein Ikosaeder, bei dem durch zentrische Streckung von allen Eckpunkten aus regelmäßige Fünfecke erzeugt werden. Die Verbindungen zwischen den Ecken dieser Fünfecke ergeben Sechsecke, die für den Streckfaktor k ≈ 0,333 zu regelmäßigen Sechsecken werden. Diese Form entspricht dem Buckminster Fulleren C60 und einer verbreiteten Ausführung von Lederfußbällen. Ein Foto eines Kantenmodells für C60 ist eingebunden, außerdem ein vergrößerbarer Bastelbogen (Albrecht Beutelsbacher: In Mathe war ich immer schlecht, S.73) für einen Fußball. Die regelmäßigen Fünfecke entstehen dabei als Aussparungen zwischen den Sechsecken. Die Handhabung beim Basteln ist sehr einfach. Buckyball.xls bietet die Möglichkeit der automatischen Demonstration der Buckyballentstehung aus einem Ikosaeder bei gleichzeitiger Rotation um die drei Raumachsen. Die unteren drei waagerechten Regler sollten dazu ganz links, der senkrechte Regler ganz oben oder unten stehen. Kleines Sterndodekaeder.xls zeigt eine weitere Variante des Dodekaeders. Im Dodekaeder werden jeweils die 5 Ecken der Begrenzungsflächen zu einem Pentagramm verbunden. Diese Pentagramme erscheinen "aus dem Nichts", wenn man den senkrechten Regler von unten nach oben schiebt. (Der untere waagerechte Regler sollte dabei ganz rechts stehen. In der Stellung ganz links wird eine Invertierung erzeugt.) Beim Streckfaktor 0,5 berühren sich die Ecken der Pentagramme in den Ecken eines Dodekaeders. Beim Streckfaktor 1 ergibt sich das kleine Sterndodekaeder. Fermat.xls ist eine Datei, die sich mit dem Körper des Buch-Covers von Simon Singh, "Fermats letzter Satz", befasst. Grundidee ist es, diesen Körper mit Excel räumlich drehbar und skalierbar darzustellen. Der Körper ist ein Hexaeder mit 6 aufgesetzten senkrechten, quadratischen Pyramiden aus vier gleichseitigen Dreiecken (halbe Oktaeder). An den 8 Ecken des Hexaeders werden 8 so bemessene kleine Hexaeder herausgenommen, dass es möglich ist, 8 gleichseitige Dreiecke mit derselben Kantenlänge wie bei den Pyramiden einzusetzen. Die Datei erfasst diese Situation als Spezialfall "g = a". Mit dem linken der beiden senkrechten Regler können alle Zustände von einem Ausgangshexaeder ohne aufgesetzte Pyramiden mit vollständigen Ecken bis zu einer Figur, die nur aus den abgeschnittenen Ecken besteht (Oktaeder), erzeugt werden. Diese Vorgang läuft über "Multidrehung hier starten" mit zusätzlicher räumlicher Drehung automatisch ab. Mit dem untersten waagerechten Regler kann stets das Ausgangshexaeder eingeblendet werden. Der Rauminhalt des Körpers ist nicht konstant, sondern hat bei einer bestimmtem Länge der Pyramidengrundkante ein Maximum. Dieses wird auf dem dritten Tabellenblatt der Datei untersucht. Der Rauminhalt wird als Funktion der Pyramidenhöhe dargestellt. Über einen "tracer" kann der Hochpunkt der Kurve ermittelt werden. Das letzte Tabellenblatt gibt ein skalier- und für das Drucken kalibriertes Netz des Körpers für den Titelspezialfall "g = a" wieder. Zum Basteln benötigt man zwei gleiche Ausdrucke, die zu einer punktsymmetrischen Figur zusammen geklebt werden. Bastelhinweise und ein Klebelaschenplan finden sich weiter unten auf diesem Tabellenblatt. Insbesondere ist durch die Angabe des Bastelbogens gezeigt, dass es prinzipiell möglich ist, den Körper vollständig plan abzuwickeln. Weitere Programmideen Geringerer Schwierigkeitsgrad (nach Fortschritten steigerbar) ♦ Gitternetze für Tetraeder, Hexaeder, Oktaeder, Rhombendodekaeder. ♦ Gitternetze für einfache halbreguläre Polyeder, z. B. abgestumpfte und entkantete Tetraeder, Hexaeder, Oktaeder. ♦ Gitternetze für ebene Parkettierungen. Höherer Schwierigkeitsgrad ♦ Räumliche Darstellungen für Tetraeder, Rhombendodekaeder, abgestumpfte und entkantete Tetraeder, Hexaeder, Oktaeder. ♦ Noch schwieriger: Gitternetze und räumliche Darstellungen für Kuboktaeder, Ikosidodekaeder, Rhombentriakontaeder, Kleine und große Sterndodekaeder, Großes Ikosaeder, Großes Dodekaeder. ♦ Drehung von Körpern um beliebige Figurenachsen. ♦ Erzeugung von räumlichen Körperdarstellungen aus ihren Gitternetzen durch räumliche Drehungen mit den Gitterkanten als Drehachsen. ♦ Räumliche Parkettierungen. Literatur: Behr, Reinhart: Drehsymmetrische Parkettierungen – neue Erkenntnisse zu einem alten Thema, in PM, Heft 6/41, Dezember 1999, Aulis Verlag Köln Bender, Peter: Die Geometrie des Leder-Fußballs – ein Optimierungsproblem, in Istron: Materialien für einen realitätsbezogenen Mathematikunterricht, Band 2, Verlag Franzbecker , Bad Salzdetfurt, ISBN 3-88120-231-5 Beutelsbacher, Albrecht: In Mathe war ich immer schlecht, Vieweg Verlag 1996, ISBN 3528-06783-7) Heinrich, Frank: Eine induzierte Parkettfolge als Unterrichtsgegenstand, in PM, Heft 3/42, Juni 2000, Aulis Verlag Köln Singh, Simon: Fermats letzter Satz, dtv 33052, München, 2000 Stachnis-Carp, Sibylle, und Weller, Hubert: Lineare Algebra Analytische Geometrie, T³ EUROPE Zeitler, Herbert et al.: Themenheft Mathematik zum Begreifen in: MU, Jahrgang 47, Heft 2, April 2001, Friedrich Verlag, Velber Internet: http://www.bezreg-duesseldorf.nrw.de/schule/mathe/abitur/lkgeo/lkgeo7.htm http://www.ics.uci.edu/~eppstein/junkyard/pent.html http://www.minet.uni-jena.de/~schmitzm/test1/doku/ Lernzielkatalog zur Erstellung der beschriebenen Dateien Innermathematische Lernziele Aufstellen von Geradengleichungen, algebraisch und vektoriell Aufstellen von Betragsfunktionen Aufstellen von problemlösenden Termen Wahl zweckmäßiger Bezeichnungssysteme Zielgerichtete Termumformungen Rechnen mit Wurzeln, Beträgen Eigenschaften von gleichschenkligen und gleichseitigen Dreiecken Eigenschaften von Parallelogrammen Satz des Pythagoras Goldener Schnitt Quadratische Gleichungen Eigenschaften der trigonometrischen Funktionen Sinus und Kosinus Anwendung von Dreh- und Projektionsmatrizen, Matrizenmultiplikation Koordinatendarstellungen im Raum Projektionen im Raum Summen, Differenzen und Vielfache von Vektoren Beträge von Vektoren Zentrische Streckung mit Vektoren Skalarprodukt von Vektoren Boolesche Entscheidungslogik Excel – Lernziele Relative und absolute Zellbezüge Ausfüllen und Kopieren von Zellen Einfügen, Löschen und Verstecken von Zeilen und Spalten Diverse Formatierungen von Zellen Erstellen und Formatieren von Diagrammen mit vielen Einzelfertigkeiten Algebraische und logische Excel – Syntax Umgang mit dem Funktionsassistenten Zielgerichteter Umgang mit dem Hilfe-System zu Excel und Visual Basic Grundkenntnisse in Visual Basic Boolesche Abfragen Übergeordnete Lernziele Globales und lokales Ordnen und Strukturieren von einfachen und komplexen algebraischen und geometrischen Situationen Ausprägung räumlichen Vorstellungsvermögens Entwicklung heuristischer Startegien, Reflexion von Lösungsstrategien Mathematische und textliche Dokumentationen von Lösungswegen Übersetzung von der Problemstellung in die mathematische Sprache, dann in die "ExcelWelt". Kritische Bewertung der Lösung, Formulierung neuer Problemstellungen.