Focus ST-Buch

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Focus ST-Buch
Es war von Anfang an klar, dass die Einfassungen der Radausschnitte in den Kotflügeln
nicht allein dazu da sind, den mächtigen 18 Zoll-Rädern einen stilvollen Rahmen zu geben,
die 225 Millimeter breiten Reifen brauchen eine großzügigere Abdeckung.
EIN LEICHTER SIEG
Wie das Design das sportliche Profil des
Focus ST schärfte
Dave Hilton fährt leidenschaftlich gern Motorrad und Ski,
wenn er nicht gerade mit dem
flüssigen Design von Autos
beschäftigt ist, die sehr gerne
einen sportlichen Charakter
haben dürfen.
Die eher schlichte Eleganz des jungen Focus
folgt klar dem Auftrag und der Absicht von
Chris Clements, der als leitender Designer des
TeamRS die Aufgabe anstrebte, dem kompakten Ford eine besonders seriöse Linie zu kultivieren Clements wörtlich: „Es ging darum, den
goldenen Schnitt aus sportlicher Präsenz und
diskretem Auftritt zu kultivieren. Der Focus ST
darf nicht als wilder Feger erscheinen, er muss
vielmehr den Auftritt im Sakko beherrschen,
damit er zu seinem Besitzer passt.“
Sein Kollege für Exterieur-Design, der kanadisch-amerikanische David Hilton, der dies
Werk des britischen Kollegen tatkräftig unterstützt, um es für die neue Sportversion Focus ST
stilistisch anzuschärfen, erkennt darin sofort
den guten Rohstoff: „Der neue Focus hat ausgezeichnete Proportionen, so war die sportlichere
Gestaltung des Focus ST ein leichter Sieg.“
Und je intensiver sich David Hilton dieser neuen
Herausforderung widmet, desto fester wird
die Gewissheit, dass die sportliche Profilierung
des neuen Focus für ihn ein ganz besonderer
Glücksfall ist.
„Ich hatte zuvor schon den Focus RS sehr frei
gestalten können und durfte nun mit großer
Begeisterung feststellen, wie umfangreich die
Möglichkeiten sind, auch dem Focus ST ein
schärferes Profil zu geben“, stellt David nach
getaner Arbeit sehr befriedigt fest.
Ein perfektes Umfeld beschleunigt die Erfolge.
David, in dessen Lebenslauf unter anderem
eine Rennfahrer-Karriere auf Ducati steht, ist
mit den schnellen Jungs und Mädels vom
TeamRS sofort und ohne lange Diskussionen
auf der gleichen Wellenlänge, die oft den Kurven der Nordschleife des Nürburgrings folgt.
Hilton war sofort und unter kontinuierlich
hohem Zeitdruck mit ganzem Herzen dabei.
Für den Designer heißt das, seine Ideen vom
Entwurf bis ans Fließband zu begleiten und
ihnen so eine geschmeidige Karriere zu
verschaffen.
Für große Karosserieteile mit stark dreidimensionaler Ausprägung, wie eine Frontschürze
beispielsweise, bleibt der Lehm, den die
Designer Clay nennen, das erste und noch
immer beste Element der Gestaltung. Bei kleineren Details dagegen, wie den Einfassungen
der Lüftungsgitter oder den Nebelleuchten
in ihrer gerahmten Fassung, ist die moderne
Verknüpfung von Computer Aided Design
(CAD) und Computer Aided Manufacturing
(CAM) nach Davids Ansicht nicht zu schlagen,
auch wenn es nur um eine relativ kleine Serienproduktion geht.
Die unverwechselbaren Kennzeichen des Focus
ST haben neben der Signalwirkung auch immer
eine technische Funktion. Die größeren Luftöffnungen in der Frontschürze festigen nicht
allein das Überholprestige. Hinter den Gittern
Der neue Ford Focus hat ausgezeichnete Proportionen; so war die sportlichere Gestaltung des Focus ST
ein leichter Sieg. Der Focus ST darf nicht als wilder
Feger erscheinen, er muss vielmehr den Auftritt im
Sakko beherrschen, damit er zu seinem Besitzer passt.
Nur ganz am Anfang, als der erste Rohling
in die Kopierfräse rollt, sieht es für den
Außenstehenden so aus, als würden neue
Autos Stein auf Stein gebaut.
Die unverwechselbaren Kennzeichen des Focus ST
haben neben der Signalwirkung auch immer eine
technische Funktion. Die größeren Luftöffnungen
in der Frontschürze festigen nicht allein das
Überholprestige. Hinter den Gittern warten ein
Ladeluft- und ein Wasserkühler auf Frischluft.
Die Väter der Idee: Matthias Tonn, Dave Hilton
und Gunnar Herrmann (von links nach rechts)
haben das Konzept des Ford Focus ST in kurzer
Zeit zu hoher Reife gebracht und auf der IAA 2005
voller Stolz der Öffentlichkeit präsentiert.
warten ein Ladeluft- und ein Wasserkühler auf
Frischluft. Zunächst hat die Fläche der ersten
Entwürfe in extremen Fällen übrigens nicht
ganz gereicht, was durch die Maschen pfiff.
Erst ein lichteres Kühlergitter mit geringerem
Luftwiderstand brachte die Thermik perfekt
ins Lot.
Chris Clements sieht in der Gestaltung der Front
eine ganz besondere Botschaft: „Mit dem großen trapezförmigen Kühllufteinlass schlägt das
Design von Ford eine Brücke von der Gegenwart zur Zukunft.“
Klar ist natürlich auch, dass die Einfassungen
der Radausschnitte in den Kotflügeln nicht
allein dazu da sind, den mächtigen 18 ZollRädern einen stilvollen Rahmen zu geben, die
225 Millimeter breiten Reifen brauchen eine
großzügigere Abdeckung. Dass die fülligen
Schwellerleisten zwischen den Kotflügel-Verbreiterungen mehr als nur aerodynamische
Vorteile bieten, zeigte sich im verschärften Versuchsbetrieb: Die Kunststoffteile schützen das
Karosserieblech vor jenen kantigen Mineralien,
die von den Reifen hoch geschleudert werden.
Nicht ganz an das Ziel seines stilistischen Strebens gelangte David bei der Gestaltung des
Dachspoilers. Eine verstellbare Variante, die
noch etwas professioneller wirkt, wäre ihm
lieber gewesen. Gescheitert ist sie jedoch nicht
an Aufwand und Geld, sondern an den strengen Homologations-Richtlinien. Aber auch die
starre Lösung der Serie ist aerodynamisch in
hohem Maße effektiv: Sie senkt den Luftwiderstand und verringert den Auftrieb an der
Hinterachse.
Bereits in frühen Skizzen zeigt sich die dynamische
Linie auch in der Heckpartie. Ein verstellbarer Heckspoiler wurde nach kurzen Überlegungen wieder
verworfen. Geblieben sind die doppelten AuspuffEndrohre, die beidseits aus dem mächtigen
Endschalldämpfer münden.
Die Einsätze für die Zusatzscheinwerfer tragen silberne Rahmung, die vor
allem zu dunklen Karosseriefarben
eleganten Kontrast bilden – beinahe
wie Nadelstreifen auf feinem Zwirn.
Der Heckspoiler erfüllt eine doppelte
Funktion: Einmal reduziert er den
aerodynamischen Auftrieb am Heck,
zum zweiten hilft er, die Heckscheibe
bei Regenfahrten von Gischt frei zu
halten.
Die Einsätze für die Nebelschlussleuchte sind als optischer Kontrast
zu den vorderen Nebelscheinwerfern
in der Heckschürze eingelassen.
Ihr Design entstand in moderner
Verknüpfung von Computer Aided
Design (CAD) und Computer Aided
Manufacturing (CAM).
Dass die fülligen Schwellerleisten zwischen den Kotflügel-Verbreiterungen
mehr als nur aerodynamische Vorteile
bieten, zeigte sich im verschärften
Versuchsbetrieb: Die Kunststoffteile
schützen das Karosserieblech vor
jenen kantigen Mineralien, von den
Reifen hoch geschleudert werden.
David Hilton bekennt sich auch gern zu den
optischen Effekten: „Das Fastback streckt das
Heck des neuen Focus und der extreme Heckspoiler bildet dazu einen deutlichen Kontrast.
Der ST scheint optisch regelrecht abzuheben.“
Auch in die tieferen Strukturen des Blechs haben die Designer zum Wohle der Perfektion
gewirkt. Sie wollten ein Heck mit eindrucksvollen Auspuff-Endrohren. Die Techniker der
Sparte Motor wünschten sich des guten Tones
wegen einen voluminösen Endschalldämpfer.
Ein großer Topf für den Quereinbau mit Endrohren an den Außenseiten war bald gefunden
im Ersatzteil-Fundus des Konzerns. Aber im
Heck des serienmäßigen Focus war diesem
mächtigen Tieftöner die Reserveradmulde im
Wege. Also muss aus dem ST das Untergeschoss
des Kofferraums verschwinden und mit einem
Deckel verschlossen werden, und statt des Notrades gibt es serienmäßig ein Pannenset von
Continental, Tyrefit.
Solche sportlichen Spezialitäten, die einem
TeamRS wunderbar gefallen, sind für die Kollegen in der Produktion eine Herausforderung.
Sie wollen am Band in Saarlouis am liebsten
reibungslos lauter ganz normale Focus bauen.
Zu lösen ist ein solcher Zielkonflikt nur mit
charmanter Diplomatie und intelligenter Planung. Und hier beweist TeamRS seine strategische Kompetenz damit, dass diese beiden
Ressorts zum Aufgabenbereich von Susan Love
gehören, die nicht nur weiß, wie man die Dinge
richtig plant, sondern auch versteht, solche
Konzepte ganz bezaubernd zu vertreten.
Die Lösung des Problems, den sportlich ausstaffierten Focus ST in einer Linie mit dem Volumenmodell zu produzieren, scheint zu den
Lehren aus dem Rennsport zu gehören. Die Karosserie eines ST verlässt das Fließband so, als
wolle sie neben dem Band vorübergehend in
die Pit Lane zum Boxenstopp, wenn es darum
geht, die Löcher für die Befestigungsklipse der
Kotflügelverbreiterungen und Schwellerleisten
per Laser eingebrannt zu bekommen oder statt
der Reserveradmulde einen Deckel zu erhalten.
Direkt anschließend schwenkt die Karosserie
zurück an ihren Platz ins Glied ans Fließband
und geht ihrer Vollendung zum kompletten
Automobil entgegen. Je weiter dieser Prozess
fortschreitet, desto stärker unterscheidet sich
ein jeder ST von der großen Serie der anderen
Focus, denn die Designer durften viele Akzente
setzen, um Dynamik und Wertigkeit zu unterstreichen. Die mit Metalleffekt gerahmten
Einsätze für die kleinen Leuchteinheiten in den
vorderen und hinteren Kotflügeln sind, so findet David „einen Gruß aus der Premium-Class“.
Aber er bedauert etwas, dass der TÜV den
seitlichen ST-Symbolen verboten hat, in der
Nacht ein ruhiges Leuchtzeichen zu setzen.
Die Ladedruck-Anzeige sitzt zentral auf
der Armaturentafel und zeigt selten
mehr als 0,65 bar Ladedruck an, denn
der Focus ST-Motor kommt mit milder
Aufladung aus – schließlich wurde er
auf beste Fahrbarkeit hin optimiert.
Exklusiv ist das Design des Focus ST auch im
Innenraum. Ein schwarzer Himmel unter dem
Dach und schwarze Verkleidungen um alle
Säulen, die das Dach tragen, sind ein Zitat jener
Funktionalität der sportlichen Autos aus den
Siebziger Jahren vom Schlage eines Capri RS.
Die Sportsitze begegnen Seitenkräften mit
räumlich ausgeprägter und farblich unter-
strichener Kontur. Diese Wangen sind mit besonders griffigem Textil bezogen, das macht
mit einem Fahrwerk à la Focus ST durchaus
seinen Sinn.
Die strapazierten Sitz- und Rückenflächen tragen edles Leder. Das Lenkrad selbstverständlich
auch: Seine Gestaltung beschränkt sich auf
das Wesentliche; es trägt keine Klaviatur für
Radio und Bordcomputer. Es dient allein der
schönsten Beschäftigung im Focus ST, dem
messerscharfen Lenken von Kurve zu Kurve.
Die Instrumente hinter dem Lenkrad irren
keiner Tagesmode nach, sondern zeigen ihre
Skalen in klassischem Schwarz, und wenn das
Licht eingeschaltet ist, werden die transparenten Ziffern vom klar-weißen Licht durchleuchtet. Zentral im Armaturenbrett informieren
Zusatzinstrumente ebenfalls Weiß auf Schwarz
über Öltemperatur, Ladedruck und Öldruck.
Bleibt nur noch das Schlusswort, das David
Hilton und Chris Clements im feinen Duett
singen könnten: „Der Focus ST sieht nicht nur
ganz anders aus als seine sanfteren Kollegen,
er zeigt auch ganz genau, was in ihm steckt.
Er ist sicherlich der konsequenteste ST, den wir
je gebaut haben.“
Beim Punktschweißen der Rohkarosserie unterscheidet sich der Ford Focus ST noch wenig von seinen Geschwistern.
Die Abweichungen werden im Laserschweißverfahren ausgeführt, etwa der flachere Kofferraumboden, der mehr Raum
für den riesigen Schalldämpfer unter dem Heck ausspart.
WIE EIN NEUES KONZEPT
FÜR DEN FOCUS ST ENTSTANDEN IST
Der Matthias Tonn macht die Musik
Am Ende des Fließbandes hinterlässt der Focus ST dagegen einen sehr
eigenständigen Eindruck, obwohl er im gleichen knappen Takt des
Fließbandes entstanden ist, wie seine ziviler motorisierten Geschwister.
Zu Ford nach Köln kommt Matthias Tonn 1998
als Ingenieur mit zwei Diplomen, das eine für
den Maschinenbau, das andere für das Wirtschaftswesen. Auch kennt er sich bereits ein
wenig an anspruchsvollen Arbeitsplätzen aus.
Als Mitarbeiter von BMW war er in einem Team
beschäftigt, das zusammen mit den englischen
Kollegen vom Partner Rolls Royce untersuchen
sollte, in welcher Form beide Unternehmen auf
dem Gebiet der Flugzeug-Turbinen zusammen
arbeiten können. Als das Projekt mit den
Strahltriebwerken aufgegeben wird, orientiert
sich Matthias Tonn neu, denn es beleben sich
frühere Kontakte zu Ford.
Die breite akademische Perspektive und eine
interessante praktische Erfahrung qualifizieren
ihn für einen Förderkreis, der langfristig und
gründlich junge Führungskräfte bei Ford auf
ihre späteren Aufgaben vorbereitet. So lernt
er rasch die Strukturen des weit verzweigten
Ford-Konzerns auf beiden Seiten des Atlantik
kennen, und zeigt, was die Führungsaufgaben
anbelangt, während der ersten Jahre bei der
Company um angemessene Geduld.
Als Mitarbeiter des Entwicklungs-Centers Merkenich widmet er sich zunächst soliden Auf-
gaben. Er betreut als Mitarbeiter von Gunnar
Herrmann, der die Entwicklung der Baureihe
Focus leitet, den auf der gleichen Plattform
konzipierten Ford C-MAX. Hier hat er neben
anderem die eher vorsorgliche Aufgabe, sicher
zu stellen, dass außer dem Vierzylinder auch
ein Motor mit fünf Zylindern zwischen den
Vorderrädern Platz findet. Im Februar 2003 ist
er deshalb umso überraschter, als ihn Gunnar
Herrmann fragt: „Würden Sie im TeamRS die
Projektleitung für die nächste Generation des
Focus ST übernehmen?“ – „Jeder junge Ingenieur träumt davon, einen Sportwagen zu
bauen, und ich bin unter den vielen 100.000
Mitarbeitern im Ford-Konzern derjenige, der
es darf“, freut sich der junge Projektleiter bis
heute. Auch freut es ihn, dass er seine Karriere
mit dem Topmodell einer Baureihe beginnen
darf: „Man muss da nicht ganz so konsequent
um jeden Euro knausern. Wenn hier ein Teil
um einen Euro teurer ist, macht das bei der
relativ kleinen Stückzahl von vielleicht 50.000
Autos eben nur 50.000 Euro aus. Wenn es um
eine Großserie mit drei Millionen geht, wird
der einzelne Euro zu einem siebenstelligen
Problem.“
Als er nach diesem „Kick-off“ im Februar 2003
seine erste große Aufgabe als Chef-Ingenieur
des ST-Programms sehr konsequent und analytisch startet, ahnt er noch nicht, dass für sein
zunächst auf 38 Monate Entwicklungszeit angesetztes Projekt bald eine verschärfte Marschzahl gilt. Nicht wie ursprünglich geplant zum
Frühjahr 2006 sondern bereits zur IAA 2005
soll der Focus ST nun binnen 30 Monaten in
Saarlouis vom Band laufen.
In der frühen Planungsphase müssen sich Tonn
und sein Chef-Ingenieur des TeamRS, der Schotte
Glenn Goold, zwei wesentliche Fragen stellen:
Was muss der neue Focus ST besser können als
sein Vorgänger und wie muss er sich klar von
seinen Wettbewerbern unterscheiden. Klare
Antworten auf die Frage eins hat die Marktforschung bei Ford so gleich parat. Die sportlich
orientierten Käufer wollen natürlich und wie
immer mehr Leistung. Sie kritisieren aber auch
die verhaltene Kraftentfaltung im unteren
Bereich und die Notwendigkeit, das Temperament über hohe Drehzahlen an zu locken.
„Die vermehrte Gewöhnung an durchzugsstarke Diesel hat offenbar den Anspruch der
Kunden an die Art der Leistungsabgabe neu
geprägt“, wertet der Maschinenbauer Tonn
diese Resonanz.
Mit dem Leuchtorange der ST-Serie zieht eine neue Signalfarbe in der rationellen
Fertigung von Saarlouis ein. „Speed Orange“ heißt der neue Lackton, dessen
Signalwirkung zusätzliche Arbeitsschritte in der Lackier-Abteilung erfordert,
bevor das Orange so strahlt wie ein wunderschöner Sonnenuntergang.
Auch was die Optik anbetrifft, wird das TeamRS
durch die Kritik der Kundschaft eines Besseren
belehrt. Die diskrete Sportlichkeit des voran gegangenen Focus ST 170 war in den Augen der
forschen Fordfahrer zu brav geraten. Wer so
ein Auto für die ganz persönliche Ideallinie
erwirbt, der will es auch zeigen, dass es über
satte Leistung verfügt.
Und was die Konkurrenz betrifft, muss man im
TeamRS ganz sachlich feststellen: „Es gibt unter
den kompakten Sportlern der Zweiliterklasse
bereits so gut wie jede Möglichkeit, 200 PS
In Reih und Glied: Zusammen mit den schwächer motorisierten Geschwistern der
Focus-Familie rollt der erste Focus ST durch die Trimm-Linie. Viele Unterschiede der
Varianten gibt es nicht zu beachten, denn bis auf die Leder-Ausstattung der Sitze
und die Anzahl der Türen ist fast alles serienmäßig vorherbestimmt.
Der spannende Moment, den die Produktions-Experten „Hochzeit“ nennen:
Das Fahrwerk samt Antrieb trifft zum
ersten Mal auf die Karosserie und alles
wird für ein langes, genüssliches
Autoleben fest verschraubt.
oder mehr zu erzielen. Vom kräftig aufgeladenen Benziner wie bei VW Golf GTI oder Opel
Astra OPC bis hin zum konsequenten Hochdrehzahlkonzept mit natürlicher Beatmung wie
im Honda Civic Type R reicht die Palette“.
Das TeamRS wählt hier den Mittelweg zu einer
Spitzenleistung, die sportliche Ambition und
gute Alltagstauglichkeit ideal verknüpft.
Ein fünfter Zylinder bringt den Hubraum auf
2,5 Liter, ein moderater Ladedruck sichert souveräne Kraftentfaltung und selbst bei voller
Last noch einen moderaten Verbrauch.
Sehr förderlich für die Entscheidung, dass es
beim Hubraum etwas mehr sein darf, erweist
sich eine Kostenanalyse, wie sie bei alternativen
Komponenten bei Ford grundsätzlich durchgeführt wird. Verglichen werden in diesem Fall
die Preise von zwei Turbomotoren: der eine
mit vier Zylindern und zwei Litern Hubraum,
der andere mit fünf Zylindern und 2,5 Litern
Arbeitsvolumen. Zunächst geht diese Partie klar
an den Vierzylinder. Aber im nächsten Kalkulations-Paket ist alles eingeschürt, was notwendig ist, um jeden dieser zwei Motoren auf die
angestrebte Leistung von mindestens 220 PS
(162 kW) zu bringen. Und da zeigt sich, wie ein
größerer Hubraum solche Aufgaben leichter
und dabei auch noch preiswerter macht.
Die Entscheidung für den größeren Motor ist
zum einen vorteilhaft fürs Fahrvergnügen:
Mit 220 PS (162 kW) bei 5500/min und 335 Nm
schon ab 2400/min betreibt der Fünfzylinder
Die Türen laufen beim Focus ST unabhängig von der Karosserie durch die Fertigung,
solange bis die serienmäßigen Recaro-Sitze als letzter Posten der Innenausstattung
an Bord gegangen sind.
Man sieht es dem Ford Focus
ST hier noch nicht an, dass
unter seiner vorderen Haube
mit den fünf Zylindern
annähernd doppelt so viel
Leistung und Drehmoment
zuhause sind wie bei den
Modellen mit vier Zylindern.
Die Fensterscheiben werden
heute zugunsten einer möglichst steifen Karosserie bündig verklebt. Dabei kommt für
beide Scheiben ein vollautomatischer Fertigungs-Roboter
zum Einsatz.
eine höchst entspannte Politik der Stärke. Er
qualifiziert sich damit als gelassener Teilnehmer
am Berufsverkehr und als dynamischer Partner
bei den Sonntagssprints.
Die erklärte Absicht und die Verpflichtung, ein
einfaches, effizientes und kostengünstiges Automobil zu entwerfen, veranlasste das gesamte
TeamRS, aufwändige Antriebskonzepte zu
vermeiden. Allradantrieb ist allenfalls bei noch
mehr Leistung und Drehmoment ein Thema.
Und das herkömmliche Sechsganggetriebe mit
seiner perfekt funktionierenden Schaltung gilt
für TeamRS im Focus ST als das ideale Mittel
zum Zweck.
„Mein zweiter Studiengang hat mich gelehrt,
das wirtschaftlich Machbare zu achten“, erklärt
Matthias Tonn, „es geht in solchen Fällen nicht
allein darum, eine andere Motor/GetriebeKombination in die Produktion einzuschleusen.
Dieses Element muss binnen der relativ kurzen
Entwicklungszeit des Focus ST auf absolute Zuverlässigkeit erprobt sein. Aufwändigere Lösungen wie sequentielle Schaltgetriebe mit
automatischer Kupplung sind nicht nur deutlich
teurer, sie erfordern auch einen wesentlich
größeren Entwicklungsaufwand und sie müssen
sich schließlich harmonisch mit seinem Schaltgerät in eine elektronische Architektur einfügen, die der CAN-Bus der großen Serie vorgibt.“
Das Beispiel zeigt, der Arbeitsumfang von
TeamRS beschränkt sich nicht darauf, eine dynamische Variante des Ford Focus zu entwickeln.
Es gilt vielmehr, auch seine Fertigung unter
strengen wirtschaftlichen Aspekten in die Produktionsabläufe in Saarlouis zu integrieren.
„Ein solches Sondermodell kann nur dann zu
einem vernünftigen Preis und für die Firma den-
noch profitabel produziert werden, wenn es mit
der großen Serie auf dem gleichen Band montiert werden kann, ohne die Fertigung zu
verzögern“, beschreibt Carline-Direktor Gunnar
Herrmann einen weiteren Teil der Arbeit von
TeamRS, der grundsätzlich darin besteht, die
unverwechselbaren Merkmale des Sondermodells so zu gestalten, dass sie den harmonischen
Fluss der Fertigung nicht aufhalten. Vieles darf
anders aussehen, weil jene Logistik, die Komponenten „just in time“ an das Fließband liefert,
sehr flexibel ist. Aber alles muss passen, weil die
Endmontage nur einige wenige Ausnahmen
vom allgemeinen Ablauf duldet.
Der Wunsch vieler Kunden nach einer schärferen
optischen Profilierung ist deshalb für alle Beteiligten bei Ford in Merkenich eine intensive,
aber letztlich doch sehr gern angenommene
Herausforderung. Matthias Tonn erklärt dazu
mit einer bis heute ungebrochenen Begeisterung: „Wir hatten klar die Absicht, neue Zeichen
zu setzen, oder, wie wir sagen, einen spezifischen Footprint zu hinterlassen. Unsere Definition für den Stil des Focus ST lautet: freundliche
Aggressivität.“
Spürbar ist aber auch jene Begeisterung, die in
den Worten von Matthias Tonn liegt. Und vielleicht hat der junge Ingenieur mit den beiden
Diplomen im Februar 2003 noch viel mehr
Glück gehabt, als er damals glaubte. Er hat sein
ganz persönliches Auto bauen dürfen, und er
hat es gut gebaut.
Kaum mehr als ein starkes Dutzend Stunden vergeht von den ersten Schweißpunkten im Rohbau bis zum fertigen Produkt mit 225 PS und
durchaus ausgeglichenem Fahrverhalten. In diesen Stunden gehen die rationelle Serienfertigung und das liebevoll abgestimmte sportliche
Fahrzeug eine feste Bindung für viele 100.000 Kilometer ein.
Gut drei Kilometer lang ist der Weg, den der Focus ST ohne eigenen Antrieb in der rationell getakteten Fertigung im Werk Saarlouis
zurücklegt. Deutlich länger werden die Wege im folgenden Autoleben sein, denn das sportliche Modell der Focus-Familie wurde auf eine
Lebensdauer von 250.000 Kilometer ausgelegt.
Der Motorblock des Ford Focus ST trägt seine Zylinderbohrungen im „Open-Deck-Design“ und zeugt
mit seinen kräftigen Versteifungsrippen von der ausgeprägten Solidität der gesamten Konstruktion.
EIN GELADENER GAST
Das TeamRS, hatte fest versprochen, mit der
zweiten Generation des Focus ST die Maßstäbe
einer mit Leistung stets verwöhnten Klasse
neu und dauerhaft zu definieren. „Beim Motor
müssen wir einen klaren Schritt nach vorne und
nach oben tun.“ sagt Jost Capito, Direktor des
Ford TeamRS. „Das Ziel war, das Auto mit mehr
als 200 PS auszustatten.“ Capito verlangt von
seinen Leuten außerdem eine wirtschaftlich
vertretbare Lösung, aber die leitenden Motoren-Männer für das Projekt ST, Joerg Hoffmann
und Ross Jardine, verlangen mit scharfer Konsequenz ganz reichlich von allem, was stark und
temperamentvoll macht.
Ganz oben auf ihrer Wunschliste steht von Anfang an der größere Hubraum, der als solides
Fundament für Leistung und Drehmoment
kaum zu ersetzen ist. Statt der 2,0 Liter Hubraum bisher sollen es nun 2,5 Liter werden.
Aber verbunden ist dieses Streben nach Wachstum mit der konsequenten Überzeugung, dass
ein halber Liter ein ideales Maß für die einzelnen Zylinder eines dynamischen Ottomotors ist.
Fünf statt vier Zylinder werden damit wünschenswert. Und weil in dieser Klasse schon
diverse Wettbewerber erfolgreich unter Druck
stehen, finden Capitos Mitarbeiter auch in
diesem Focus einen Turbolader angemessen.
Wer solche Ansprüche an die Technik eines in
limitierter Stückzahl produzierten Sondermodells stellt, kann von Glück reden, in einem
Die Ein- und Auslasszeiten können mittels eines
in die beiden obenliegenden Nockenwellen integrierten Mechanismus
hydraulisch um 50 Grad
(Einlaß) und 30 Grad
(Auslaß) verstellt werden.
Die Konsequenzen kommen im breiten Drehzahlband des Motors und bei
den geringen Emissionen
zum Tragen.
Die fünf geschmiedeten Stahlpleuel des
Focus ST-Motors verfügen über einen
extrem leichten Schmiedekolben mit
graphitiertem Schaft.
Weltkonzern wie Ford zu arbeiten, der sich
einen gigantischen Metallbaukasten mit
mechanischen Komponenten leisten kann.
Ein Fünfzylinder mit 2,5 Liter Hubraum und
erwiesener Turbo-Tauglichkeit wartete hier
förmlich auf seine sportliche Hauptrolle im
Focus ST. Den nötigen Platz für den um eine
Einheit längeren Motor haben die Techniker
vorsorglich schon Jahre zuvor bei der Konzeption von Focus und C-MAX geschaffen.
Erleichtert wurde diese Arbeit durch die
spezielle Architektur dieses Fünfzylinders, die
sich durch einen sehr engen Grundriss und
einer Länge von 577 Millimetern auszeichnet
und damit die Kürze als wesentliche Voraussetzung für einen Quereinbau selbst in so kompakten Wagen wie einem Ford Focus erfüllt.
Diese Bauweise bedingt einen kurzen Zylinderabstand von 91 Millimetern. Und entsprechend
fallen hier die Grundabmessungen der Zylinder
aus: Die Bohrung bleibt mit 83 Millimetern
relativ klein, während der Hub mit 93 Millimetern eher lang ausfällt. Auf die sportliche
Dynamik hat die etwas langhubige Auslegung
hier keine dämpfende Wirkung. Denn dank der
Zusammenarbeit mit einem Turbolader gelingt
das Spiel der Kräfte ohne Hektik, weil sich die
erforderlichen Drehzahlen an zivilisierte Werte
halten. Die höchste Leistung von 225 PS (166kW)
wird schon bei 5500/min erreicht, das maximale
Drehmoment von 320 Newtonmetern steht
zwischen1600/min und 4000/min zur Verfügung.
Wenn‘s etwas mehr sein darf, hilft eine Tankfüllung mit Super plus. Beim neuen Focus ST
sind Motormanagement und Klopfsensoren so
abgestimmt, dass die nominelle Leistung mit
Super 95 absolut problemlos erreicht wird.
Wenn Kraftstoffe von anderer Qualität verabreicht werden, sind die Klopfsensoren in
der Lage, die Werte für Zündzeitpunkt und
Ladedruck entsprechend anzupassen. Das gilt
nicht nur, wenn lediglich Kraftstoff von geringerer Klopffestigkeit zur Verfügung steht.
Das Motormanagement ist auch im Stande,
die höhere Klopffestigkeit eines besseren
Kraftstoffs mit 98 Oktan (ROZ) zu erkennen
und entsprechend zu reagieren. Die mögliche
Leistungssteigerung liegt im Bereich jener fünf
Prozent plus, die im Rahmen der gesetzlichen
Bestimmungen zulässig sind.
Der neue Focus ST übertrifft damit nicht nur
die Werte seines Vorgängers ST 170, dessen
Zweiliter Vierzylinder 173 PS (127 kW) bei
6100/min leistete. Die zweite Generation ST
ist nun auch stärker als der bisherige Focus RS,
bei dem der gleiche Vierzylinder mit kräftigerer Aufladung 215 PS (158 kW) bei 5500/min
bereit stellte.
Wie bisher schon entsteht auch weiterhin die
hohe Leistung auf der sicheren Seite. Bei moderater Drehzahl bleibt die mechanische Belastung des Kurbeltriebs trotz hoher Arbeitsdrücke sehr gering, die Kolbengeschwindigkeit
ist bei 5500/min mit 18,1 Metern pro Sekunde
beruhigend moderat.
Neben souveräner Kraftentfaltung überzeugt
der Fünfzylinder auch durch ein Plus an Laufkultur. Während den Kollegen mit vier Zylindern freie Massenkräfte zweiter Ordnung
spürbar plagen können, ist ein Kurbeltrieb
Die obenliegenden Nockenwellen weisen für einen
Turbo-Sportmotor außerordentlich zahme Steuerzeiten auf. Das unterstützt
den ausgeglichenen Alltagscharakter des Motors, etwa
die Breite des Drehzahlbandes für das maximale
Drehmoment.
Der glatte Kolbenboden
sorgt in Verbindung mit dem
kompakten Brennraum für
eine rasche Verbrennung
und erlaubt die für einen
Turbomotor ungewöhnlich
hohe Verdichtung von 9,0:1.
Bei Ford hört der Fünfzylinder-Turbomotor
mit 2.5 Liter Hubraum
auf den Familiennamen
Duratec und stellt mit die
ausgeglichenste Bauart
für eine 225 PS starke
Antriebsquelle dar.
Das Kennzeichen des
aufwändig ausgeführten
Motordesigns stellt die
Kurbelwelle dar, die
als geschmiedete Stahlkonstruktion mit zehn
Gegengewichten ausgeführt ist. So kommt
neben der enormen
Kraftentfaltung die
Laufkultur zum Tragen.
mit fünf Kolben unbehelligtvon solchen Erschütterungen und die hier auftretenden freien
Massenmomente können durch Gegengewichte an der KurbelwellezurRuhe gebracht werden.
Etwas zu ruhig ging es dem Team RS rund um
den wohl erzogenen Fünfzylinder zu. Denn
dem hatte der Kräfte spendende Turbolader
regelrecht die Sprache verschlagen, worauf er
sich mit den Ingenieuren nur noch im Dialekt
vornehmer Limousinentriebwerke unterhielt.
Also war Sound Design gefragt und mit etwas
mehr Ansauggeräusch kam schon deutlich
mehr Leben in den frechen Focus. Zorniges
Grummeln schon im Leerlauf vor dem Sprint
ließ sich durch einen späten Zündzeitpunkt in
der Ruhephase arrangieren. Aber sportlicher
Sound entsteht erst, seit ein dünner Schlauch
vom Luftfilter hinter das Armaturenbrett führt
und die Atmung der Maschine live in den
Innenraum überträgt.
Dort klingt es jetzt ein wenig wie bei den
Verwandten, von denen jenes mannigfaltige
Erbgut stammt, das sich im Laufe des letzten
Jahrzehnts aus der Rennmotoren-Technik in
der Serie angesiedelt hat.
Ganz offensichtlich ist das beim Zylinderblock
aus einer Leichtmetall-Legierung, dessen
Unterseite mit dem so genannten Bedplate –
ein leiterförmiger Rahmen aus Aluguss – wie
auf einem Fundament verschraubt ist. In
diesem Verbund finden die sechs Kurbelwellenlager eine sehr solide Unterstützung, was
wegen der hohen Arbeitsdrücke eines Turbomotors von einer wirklich fundamentalen
Bedeutung ist. Für ausgewogene thermische
Verhältnisse rund um die fünf Brennräume und
die fünf Zylinder sorgt eine bei Rennmotoren
lange schon bewährte Querstrom-Kühlung,
die den Fluss des Wassers breitseits durch den
Motor strömen lässt.
Auch der Zylinderkopf – natürlich ebenfalls aus
Leichtmetall – zeigt in der Summe seiner Details
den jüngsten Stand der Technik. Zwei oben
liegende Nockenwellen, die von einem Zahnriemen angetrieben werden, betätigen über
Tassenstößel vier Ventile pro Zylinder. Mit großzügig gehaltenen Durchmessern – Einlass 31
Millimeter, Auslass 27 Millimeter – öffnen sie
reichliche Querschnitte für effektive Gaswechsel. Hydraulische Versteller an beiden Nockenwellen erlauben es, die Ventilzeiten auf der
Einlassseite um 50 Grad und auf der Auslassseite um 30 Grad stufenlos zu verstellen.
Die Regelung dieses Vorgangs zum Wohle der
Leistungsentfaltung ist neben dem korrekten
Zündzeitpunkt und der perfekt kalibrierten
Einspritzung der dritte Job der Bosch Motorelektronik ME 9.0. Deren Rechnermodul darf
sich über ein wohl temperiertes Arbeitsklima
freuen. Denn ihm haben die Techniker einen
Platz in der allzeit frischen Luft des Ansaugsystems zugewiesen.
Den Einbau des Fünfzylinder-Turbomotors im
vergleichsweise engen Motorraum des Focus
wird durch die besondere Bauweise des Turbosystems begünstigt. Denn hier bilden der Ansaugkrümmer und das Gehäuse der Turbine
eine sehr kompakte Einheit, die zwischen dem
Motor und der Spritzwand genügend Platz hat.
Für den kräftigenden Druck aus der Einlassseite
Der Turbolader von Kühnle,
Kausch und Kopp (KKK)
ist als integriertes Bauteil
ausgeführt.
Der maximale Ladedruck des integrierten
Turboladers ist durch ein Bypass-Ventil auf ein
Maximum von 0,65 bar begrenzt. Dieser relativ
niedrige Druck ergänzt sich mit der relativ
hohen Grundverdichtung des Motors von 9,0:1
zu einem beispielhaften Ansprechverhalten.
Durch insgesamt zehn angeschmiedete
Gegengewichte ist der Kurbeltrieb vollständig
gewuchtet und sorgt für eine ausgezeichnete
Laufruhe.
Die sechs Kurbelwellen-Hauptlager ruhen in
einem einteiligen Leiterrahmen, der von unten
gegen das Kurbelgehäuse geschraubt wird.
sorgt ein Turbolader K04-2080 D von Kühnle,
Kopp und Kausch in Frankenthal.
Für die Kühlung der im Lader leicht aufgeheizten Ladeluft gibt es vor dem Wasserkühler
einen entsprechenden Wärmetauscher, der die
austretende heiße Luft von 150°C auf 60°C
abkühlt. Die hohe Leistung des Focus ST-Motors
erfordert nur einen milden Ladedruck von 0,65
bar, der über ein Wastegate limitiert wird.
Diese eher sanfte Aufladung sichert in Verbindung mit der nur auf 9:1 zurückgenommenen
Verdichtung einen guten Wirkungsgrad des
Motors und einen, gemessen an der Leistung,
günstigen Verbrauch. Eine weitere Verbrauchssenkung, die auch der Reduzierung der Schadstoff-Emissionen zugute kommt, liegt im konsequent verfolgten Lambda 1-Konzept, das bei
diesem Motor über den gesamten Bereich von
Last und Drehzahl eingehalten wird und auf
jede Anreicherung des Gemischs, wenn es um
höchste Leistung geht, verzichtet. Mit dem
Fünfzylinder des neuen Focus ST schlägt Ford
ein neues Kapitel nach einer langen TurboTradition auf. Schon in der zweiten Hälfte der
Sechziger Jahre rüstete der Schweizer Michael
May die ersten Kölner Ford-Modelle mit Turboladern aus. Und seine Turbo Capri 2.3 mit 180
PS oder mehr zählten zu den Schnellsten auf
der Autobahn.
Der neue Focus ST wird auf den Straßen von
heute in derselben Liga spielen. Jörg Hoffmann, Motoringenieur, weist aber zu recht
darauf hin, dass „wir im Hinblick auf Verbrauch
und Emission weit von den ersten Ford Turbos
entfernt sind.“
Vom Frontspoiler bis zur Heckblende steckt
der Ford Focus ST voller Details, von denen
das Spezialfahrwerk rein optisch die
unauffälligste Komponente darstellt.
BERICHT ZUR STRASSENLAGE
Das Fahrwerk des Ford Focus ST
Bereits die erste Generation des Ford Focus
setzte 1998 die seither gültigen Maßstäbe für
die Fahrwerkstechnik in der kompakten Klasse.
Ein deutlich besseres und heute gern kopiertes
Konzept gelang vor sieben Jahren so perfekt,
dass grundsätzliche Änderungen weder für die
große Serie des neuen Focus noch für die sportliche Variante ST nötig waren.
Die Umgegend der Nürburg ist die Wall Street aller
erfolgreichen Fahrwerksabstimmungen, und dabei
wird beileibe nicht nur auf der Rennstrecke getestet
und geprobt.
Dennoch steckt eine Menge intensiver Entwicklungsarbeit in der Verfeinerung des Prinzips und seiner Komponenten. Ein besonders
gutes Beispiel dafür ist die Vorderachse, mit
Querlenkern und Federbeinen nach jenem
Prinzip McPherson, das Ford als Erster in einem
Serienmodell verwirklichte und noch bis
heute kultiviert – ganz offensichtlich mit dem
bestem Erfolg.
Das sehr viel jüngere Konzept einer MultilinkSchwertlenker-Achse zur Führung der Hinterräder feierte seinen Einstand im Ford Mondeo
und zeichnete sich schon im ersten Focus aus.
Im Prinzip handelt es sich hier um eine sehr
Platz sparende Achskonstruktion mit doppelten
Querlenkern, die in ihren Führungsaufgaben
von den längs angeordneten Schwertlenkern
unterstützt wird.
Der dritte Partner auf dem Weg zu mustergültigen Fahreigenschaften ist die seit dem
Modell-wechsel im Focus installierte ElektroHydrauli-sche-Servolenkung (EHPAS = electrohydraulic power assisted steering). Zwei
wesentliche
Vorzüge zeichnen das neue System aus. Die
Unterstützung der Lenkung kann stufenlos
dem Bedarf angepasst werden. Das ergibt
angenehm niedrige Lenkkräfte beim Einparken
und mäßigem Tempo, aber bei steigender
Geschwindigkeit einen dem Fahrgefühl und der
Stabilität sehr dienlichen höheren Kraftaufwand. Da ferner der elektrische Antrieb des
Lenkservo nur so viel Leistung aufnimmt, wie
tatsächlich zur Unterstützung nötig ist, arbeitet
EHPAS effektiver und spart namentlich bei
hohem Dauertempo Sprit.
Auf dieser guten Basis, die dem in großer
Serie produzierten Focus mit Leistungen bis zu
145 PS (107 kW) ein beispielhaftes Maß an
Fahrsicherheit und Komfort verleiht, war es
für die Techniker vom TeamRS geradezu ein
Vergnügen, die Variante ST fit für 225 PS
(166 kW) zu machen.
Das Ziel der Abstimmung definiert Andreas
Wöhler, Manager für Fahrdynamik in der Abteilung für Fahrwerksentwicklung, deren Ingenieure ihre schnellen Runden eigenhändig
fahren, mit einem sehr humanen Grundsatz:
„Generell erzieht die anspruchsvollste Erprobungsstrecke der Welt zu hoher Genauigkeit,
und beileibe nicht zu großer Härte bei der
Fahrwerksabstimmung. Es war ja auch nie unser
Die Hinterachs-Konstruktion des Focus ST verfügt von Natur aus
über doppelte Querlenker, Schwertlenker zur Längsführung und
eine Stabilisator-Anlenkung mit aufwendigen Uniball-Gelenken.
Die Vorderachse verfügt über groß dimensionierte Querlenker
und MacPherson-Federbeine, die sich über progressiv gewickelten
Schraubenfedern in Stützlagern abstützen.
Ziel, die guten Zeiten auf der Nordschleife mit
gnadenlosen Komfort-Einbussen zu erzielen,
denn in unserer Technik stecken alle Voraussetzungen, mit einen angemessenen Komfort
beide Seiten glücklich zu machen also sicher
und schnell zu sein.“
Der Aufbau des Focus ST liegt im Vergleich zur Serienversion um 25 Millimeter niedriger. Um den gleichen Betrag wurde
allerdings der negative Federweg verlängert, was die Traktion auf schlechten Fahrbahnen entscheidend fördert.
Die erste Stufe der Überarbeitung dient einer
Festigung der Struktur der ohnehin steiferen
Karosse des neuen Focus. Im Motorraum wird
zwischen den Federbeindomen dicht vor der
Spritzwand eine zusätzliche Querstrebe eingezogen. Des weiteren kommt als fundamentale Pflichtübung ein spezieller Satz Federn ins
Spiel. Diese sind in ihren Dimensionen so bemessen, dass eine Absenkung der Karosserie
um 25 Millimeter möglich ist, ohne den Federweg von rund 200 Millimeter insgesamt zu
reduzieren. Der positive Federweg (das Einfedern) wird dadurch etwas kürzer und in
seiner Charakteristik auch ein wenig straffer.
Der negative Federweg (das Ausfedern) wächst
um den gleichen Betrag, deshalb können die
Räder des Focus ST zum Wohle guter Bodenhaftung auch unter schlechten Straßenbedingungen noch weiter ausfedern als bei den
anderen Modellen.
Von deren Ausstattung unterscheiden sich auch
die Stabilisatoren beider Achsen des ST, die natürlich etwas kräftiger gehalten sind in Durchmesser und Wirkungsweise. Die elegante
Übertragung der Kräfte vom Querlenker zum
Stabi über Stangen mit Kugelgelenken frei von
unerwünschter Elastizität ist wiederum allen
starken Versionen des neuen Ford Focus eigen.
Feintuning an der Hinterachse gelingt durch
straffere Gummilager der unteren Querlenker.
Die Ingenieure um den Abstimmungs-Experten
Wolfgang Helber sprechen von einer „elelastokinematischen Vorspurkorrektur zur Stabilisierung des Verhaltens in der Kurve“. Kurz: „Die
Geometrie der Achse wird so den höheren Seitenkräften angepasst.“
„Mit dieser Auslegung des Fahrwerks schaffen
wir optimale Voraussetzungen für das schnelle
und sichere Fahren auf der Nordschleife des
Nürburgrings und damit natürlich auch für alle
denkbaren Varianten von kurvenreichen Landstraßen“, weiß nach vielen raschen Runden der
Ford RS-Teamchef Jost Capito.
Ganz ohne Feinschliff durfte auch die Lenkung
des Focus nicht in den ST aufsteigen. Die variable Übersetzung, die mit zunehmendem Lenkeinschlag direkter wird, blieb grundsätzlich
erhalten, ist aber der sportlichen Veranlagung
des stärksten Modells in der Familie entsprechend insgesamt etwas direkter ausgelegt. Die
hydraulische Unterstützung lässt bei hohem
Tempo etwas stärker nach. Der Focus ST will
etwas nachdrücklicher gelenkt werden, was
in der Praxis den Eindruck von größerer Ruhe
und Stabilität bewirkt. Die Fachleute sprechen
von einer direkteren Rückmeldung: Der Focus
ST malt es einem Fahrer förmlich in die Hand,
wie es gerade unter seinen Reifen-Aufstandsflächen aussieht. Für jeden Fahrer, der sich
hiermit auskennt, bietet so eine Auslegung
Die Fahrbahn des Nürburgrings trägt hier noch Spuren vom vergangenen 24 Stunden Rennen der Tourenwagen,
an dem auch drei Versuchsmodelle des Focus ST teilgenommen haben.
zweierlei Gründe zur Begeisterung: Zur nachempfundenen Freude über die ausgeprägte
Präzision beim Fahren kommt eine indirekte
Lebensversicherung. Man merkt es einfach,
bevor man es übertrieben hat.
Die endgültige Dimension von Reifen und Felgen ist das Produkt intensiver Versuchsarbeit.
In deren Verlauf erwies sich bald die Dimension
225/40 R 18 als optimal. Durch breitere Felgen
aber ließen sich gute Ergebnisse noch weiter
verbessern, von 7.0 Zoll kommen die Versuchsfahrer auf 7.5 und schließlich auf 8.0 Zoll. Zwar
bringt diese Dimension nun bei vollem Lenkeinschlag das große Rad und die serienmäßige
Karosserie des normalen Focus in Kontakt, aber
da gibt es keine Kompromisse: in der Produktion werden alle ST-Karossen entsprechend vorbereitet, damit kein Reifen streift.
Im vorderen Radhaus bedeckt die 8 Zoll breite 18 Zoll-Felge eine Bremsanlage
von ungewöhnlicher Größe: Mit einer 25 Millimeter breiten belüfteten Scheibe
von 320 Millimetern Durchmesser war man vor kurzer Zeit noch im Lager der
echten Rennwagen standesgemäß ausgestattet. Für die Straßenversion des
Focus sind damit ganz enorme Bremsleistungen möglich.
Die 18 Zoll-Räder schaffen natürlich reichlich
Platz für eine dem Potenzial des Focus gemäße
Bremsanlage. Die innenbelüfteten Scheiben
haben an der Vorderachse einen Durchmesser
von 330 Millimeter und an der Hinterachse 285
Millimeter. Auf diesen Bremsscheiben im Oberklasseformat beißen vorn Vierkolben-Festsättel
und hinten Zweikolben-Festsättel zu. So verzögern bis zu 500 PS starke Autos durchaus
standesgemäß und beim Ford Focus ST gelingen
ultrakurze Bremswege mit exakter Dosierung.
So sieht aktive Sicherheit par excellence aus,
und es bleiben ein paar Reserven, die sich freilich nur bei Ausflügen auf eine veritable
Rennstrecke so richtig nutzen lassen.
Mit so viel potenzieller Bremskraft ist selbst bei
wettbewerbsmäßiger Fahrweise für hohe und
dauerhafte Verzögerung gesorgt. Das Ford-ABS
garantiert den kürzesten Bremsweg auch in
kritischen Situationen, und der elektronische
Bremsassistent EBA bringt bei Notbremsungen
zusätzlichen Druck ins System.
Weil der Ford Focus ST das schnelle Fahren als
sein Lieblingsfach sehr ernst nimmt, verzichtet
er nicht auf ein ESP zur Unterstützung seiner
aktiven Fahrsicherheit. Wenn je die Fahrdynamik in der Kurve oder anderswo bedrohlich
wird, erfolgt der Regeleingriff durch gezieltes
Abbremsen einzelner Räder spät, aber in angemessener Distanz zum ernsthaften Risiko. Darum ist ESP auf öffentlichen Straßen kein Spielverderber, sondern ein verantwortungsvoller
Partner, der auch dem besten Fahrer aus der
Patsche helfen kann. Ausschalten sollte auch
ein routinierter Fahrer das ESP allein auf abgesperrter Strecke, denn der Focus ST ist auch
in diesem Punkte konsequent: Denn Aus bedeutet hier nicht nur zeitweise reduzierte Wirkung. Vielmehr ist und bleibt das System des
Focus ST gänzlich und vollkommen abgeschaltet.
Die Nordschleife des Nürburgrings stellt die hohe Schule für die Fahrwerks-Entwicklung
dar, weil der Eifel-Kurs – ganz untypisch für eine Rennstrecke – auch mit zur toleranten
Komfort-Abstimmung erzieht.
DIE REIFEPRÜFUNG
Seit der dreifache Formel 1-Weltmeister
Sir Jackie Stewart die Teststrecke in der Eifel in
den achtziger Jahren neu getauft hat, ist sie
nur noch bekannter geworden, als sie ohne hin
schon war: Die grüne Hölle, wie die Nordschleife des Nürburgring seither mit Künstlernamen
heißt, hat ein paar Nebenjobs angenommen,
mit denen sie offensichtlich ganz gut fertig wird.
Roland Asch ist Ford-Händler aus
Leidenschaft und ein erfahrener
Motorsportler. Der TourenwagenProfi kommt auch jenseits des
50. Geburtstages nicht so richtig
vom Rennsport los und war bei
seiner ersten Kontaktaufnahme
vom ausgeglichenen Wesen des
Ford Focus ST sehr angetan.
Sie spielt viele Rollen, sobald das 24-StundenRennen für Tourenwagen im Frühjahr anläuft
und rund 300 vorwiegend private Teams im
Rennen um die längsten 24 Stunden der Eifel
vor einer Viertelmillion Zuschauer zu Hochform
auflaufen lässt. Die meisten an Fans und Teilnehmern kommen ohnehin an bis zu 14 Rennwochenenden wieder in die Eifel, um den
populären Langstreckenpokal an jedem zweiten Samstag auszutragen – oder um schlicht
zu applaudieren.
Auch Vereranen-Veranstaltungen wie die
„Eifel-Klassik“ und der Deutsche Oltimer Grand
Prix haben den Nürnburgring zu ihrem Austragungsort erkoren. Und zwischendurch ist die
Nordschleife ganz Hochschule, Ingenieurskurs,
riesiger Prüfstand und strengste Abnahmestelle
der Welt. Für die meisten Ingenieure, auch von
Ford, ist klar: Was auf der Nordschleife gut
aussieht, das ist überall auf der Welt ein gutes
Auto. Aber sie glauben auch, dass es eine Menge Arbeit ist, bis alles passt.
Hierbei geht es mitnichten nur um solche Schritte, die ein Rennauto schnell machen können.
Ford RS Teamchef Jost Capito: „Es geht hier nie
darum, besonders harte Fahrwerke zu züchten,
die sich im öffentlichen Straßenverkehr dann
verstimmt und bestenfalls pseudo-sportlich anfühlen. Der Ring mit seiner vielschichtig gewundenen Fahrbahn zwingt vielmehr dazu, ein
anspruchsvolles Fahrwerk mit langen Federwegen und einem guten Talent zum Ausfedern
in die Abstimmung zu nehmen. Der Nürburgring zwingt Weichmacher ins Fahrwerk.“
Und was der Ring nicht selbst erledigt, das
schaffen die rumpeligen Seitenstrecken rund
um die Nürburg, auf denen immer wieder
Grundkomfort getestet wird. Hier oben entstehen die besten Fahrwerke der Welt. Und was
sich auf dem Ring bewährt hat, das kann überall bestehen.“ Auch auf den Nebenstrecken
der Britischen Insel zum Beispiel, die mit ihren
griffigen, doch anspruchsvollen Fahrbahnoberflächen die schärfsten Eignungsprüfung für ein
gutes Fahrwerk bereithalten.
Die grüne Hölle vergibt nichts. Keinen Fahrfehler, wovon die vielen schwarzen Reifenspuren auf der Fahrbahn der Nordschleife wie
ein gebundenes Buch Bildnis führen. Und
keinen Abstimmungsfehler. Die Folgen hiervon
sind weniger deutlich sichtbar. Sie äußern sich
in feuchten Handflächen, Schweiß auf der Stirn
und in manch einem durchgeschwitzten Fahreranzug. „Wenn das Auto stimmt“, so sagen die
Eingeweihten der Nordschleife, „dann ist die
Strecke ganz einfach und der ganze Kurs ist
wie ein betörender Walzer über 20 Kilometer.
Wenn nicht, dann hast du die Hölle unter
den Rädern“.
Die Hüter der Hölle, das sind die Fahrwerksabteilungen der Industrie, die sich im Verein mit
Eingeweihten und Helfern von Reifen- und
Bremsindustrie am Ring das Stelldichein geben.
Industrietest, so heißt ihre liebste Übung. Das
bedeutet, dass die Nordschleife für alle Amateure, die sich sonst gerne bis zum Abwinken
mit der Auseinandersetzung zwischen Fahrwerksabstimmung, Fahrvermögen und Unberechenbarkeit der Nordschleife herumschlagen,
Pause haben.
Die Strecke gehört dann denen, die hier ernste
Aufgaben zu erledigen haben: Fahrwerke
bekommen hier ihre Hochschulreife, während
nebenan Reifen mit gehörigem Gequietsche
promovieren und Bremsanlagen geruchvoll
ihrer technischen Vollendung entgegenstreben.
Dies ist das Klima, in dem gute Autos entstehen. Die Ingenieure arbeiten mit Hochdruck,
und manch einer hat den einzigen Nachteil der
Nordschleife klar erkannt: „Sie sollte hinter
Hatzenbach bei Kilometer 2,5 einen Notausgang haben – für die vielen ungaren Lösungen,
Streckenteil Adenauer Forst, von hier an geht’s bergab: Bis zum tiefsten Teil der Strecke werden die Bremsen gefordert,
und das stabile, sture Spurverhalten bei Lastwechseln gleichermaßen.
mit denen wir immer wieder auf die Strecke
müssen.“
So aber, wie die Nordschleife nun einmal in der
Eifel liegt, mit 20 Kilometern Streckenlänge
ohne Abkürzung und einem einzigen Eingang
mitten in dem Städtchen Nürburg, muss man
eben ganz rum, auch wenn die letzte Einstellung keine gute war. Deshalb fahren sie die
Tester auch mit ungeliebten Lösungen die vollen 20 Kilometer, tasten sich über die Höhen
der Streckenteile Flugplatz und Schwedenkreuz
hinab bis Breidscheid, ziehen an Niki Laudas
Unfallstelle am Bergwerk heimlich den Hut,
erklimmen die Hohe Acht, hüten sich vor den
Eigenschaften, die der Eiskurve ihren Namen
gegeben haben, kringeln um Schwalbenschwanz
und Galgenkopf, bis die Döttinger Höhe geradeaus zurück führt zum Ausgangspunkt der
Fahrt, wo man im Fahrerlager den Technikern
sagen kann, was Sache ist: „Das war wohl nix“.
Und meistens hat man bis dahin viele Dutzend
Gründe und deftige Unterstreichungen gefunden, warum es nix war.
So und nicht anders funktioniert die gnadenlose Auslese in der grünen Hölle, und wenn
man lange genug ausgelesen hat, dann kommen allmählich die Tage, an denen die Strecke
beginnt, so richtig Freude zu machen. Meistens
ist es dann so weit, wenn das neue Auto mit
seinem Fahrwerk aus den Kinderschuhen der
Entwicklung herausgewachsen ist.
Der Focus ST ist so ein Fall. Er ist an der Nordschleife groß geworden – oder genauer gesagt:
Er ist weiter gewachsen. Denn alles, was den
serienmäßigen Ford Focus auf dem Fahrwerkssektor auszeichnet, ist auch bereits hier oben
Hier steuert der Chef: Der Teamchef Jost Capito legt bei Abstimmungsfahrten gerne selber Hand an und schätzt die Nordschleife für ihre
komplexe Aufgabenstellung: „Was hier gedeiht, ist hohe Schule der Fahrwerkstechnik.“
durch die hohe Schule der Eifel gegangen. Der
Focus mit seinem Fahrwerk hat die Fachpresse
ans Schwärmen gebracht, und wenn es darum
geht, einen stärkeren Focus aufs beste abzustimmen, dann nimmt man sich natürlich die
gleichen Lehrmeister her, die schon beim
bürgerlichen Serienfahrwerk ihre Meisterschaft
gezeigt haben.
Fahrwerks-Experte Paul Wijgaerts weiß, warum
der Focus ST besonders rund in seinen Fahreigenschaften geworden ist: „Wir konnten
mehrere Abstimmungen zu hoher Reife tragen
vergleichen, testen, neu definieren und immer
wieder untereinander kombinieren.“ Dabei
konnten alle Elemente einer perfekten Fahrwerksabstimmung immer wieder neu abgeprüft werden, also nicht nur Federn, Dämpfer,
Stabilisatoren, sondern auch deren hydraulisch
bedämpfte Lager und Gegenlager, die Stabilisator-Gehänge, die Stützlager der Federbeine
und Reifen und Felgen noch einmal dazu.
Und die Ballerina einer modernen Abstimmung
ist ohnehin ein Bauteil, das ganz unscheinbar
„Puffer“ heißt. Das sind Kunststoffklötzchen,
die wohl definiert über die zweite Hälfte des
Einfederweges mit Feder und Dämpfer zusammenarbeiten. Sooft Dämpfer, Federn und
Stabilisatoren auch geändert wurden, es war
eigentlich jedes Mal ein Pärchen neuer Puffer
fällig, sooft die Tester sich dem machbaren
Maximum näherten.
So ein Sortiervorgang fordert das Team zum
Äußersten, was die Systematik angeht. Man ist
einfach niemals ganz fertig, und darf doch vor
der Fülle der hundertfach anliegenden Zwischenergebnisse niemals den Überblick ver-
Man fährt in Sichtweite der Nürburg nicht nur auf
der Rennstrecke. Die kleinen Seitenstrassen der Eifel
halten ihre wellige Oberfläche gerne für eine
Beurteilung des Fahrkomforts hin.
Beurteilungsfahrt auf Nebenstrecken: Hier
muss sich die Abstimmung bewähren, die
auf der Rennstrecke einen guten Eindruck
hinterlassen hat. Es kommt nicht nur auf
Schnelligkeit und Sportlichkeit an, sondern
auf den ausgewogenen Komfort.
lieren. Nur so konnte der Focus ST das werden,
was ihn heute auszeichnet: ein Quell steter
Freude.
Die kleine Werkstatt im EifelDörfchen nahe der Nürburg
ist manchmal wochenlang
die Heimat der FordFahrwerksingenieure.
Helm auf zum Gebet:
Solange die Ford-Ingenieure im Industrie-Pool
testen, gehört der harte
Hut zum guten Ton.
Anstatt uns in die endlosen Versuchsreihen
einzuarbeiten, die das Team über Jahr und Tag
mit immer neuen Erkenntnissen beschäftigt
haben, wollen wir uns einfach an dem Tag ins
Fahrerlager einschleichen, wo die Reifeprüfung
abgenommen wird: Testfahrt vom feinsten.
Das Team ist bereits einigermaßen zufrieden.
Man weiß, was man hat und kann stolz drauf
sein. Dennoch hat sich RS-Teamchef Jost Capito
eine besondere Prüfung einfallen lassen, um
die Abnahme auf einem hohen Niveau zu gewährleisten. Dazu bringt er einen Kollegen mit
zur Nordschleife, der mit Vollgas lange und
ausführlich sein täglich Brot verdient hat – zumindest teilweise. Roland Asch ist Ford-Händler
aus Passion, Rennfahrer aus Leidenschaft und
mit den Eigenheiten der Nordschleife gut vertraut. Paul Wijgaerts, der den Focus ST zur
hohen Reife getrieben hat, sieht dem AbnahmeTermin mit dem versierten Kollegen gelassen
entgegen.
Beide kennen den Ring, der an diesem Morgen
in frühlingshafter Sonne liegt, und beide
achten ihn. Die Tipps vor dem losfahren
erzählen von dieser Achtung: „Die Schattenpassagen sind noch feucht, das merkt man am
Adenauer Forst besonders deutlich“ so gibt
ihnen Ford-Cheftester Stefan Wölflick mit auf
den Weg. Dann rollen sie los, zunächst im
bekannt sportlichen Focus RS, dem 220 PS
Sportwagen auf Basis der Focus-Generation
vor 2004, der unter Enthusiasten heute schon
zu Liebhaberpreisen gehandelt wird.
Daneben im direkten Vergleich der Neue. Ein
schwarzer Focus ST mit Kölner Zulassung, der
nur für Uneingeweihte wie ein Standard-Focus
aussieht.
Zufahrt zur Nordschleife, dann bergab zum
Kurvengeschlängel des Hatzenbach. Jeder der
vier Kurvenzüge ist hier anders unrund bis
eckig, hängt nach außen oder innen oder geht
zumindest einmal vom einen ins andere Extrem
über und ist zudem von Rippen und Rillen
durchsetzt. Der Focus nimmt die Passage völlig
gelassen und stürmt gelassen auf die kuppige
Gerade der Quiddelbacher Höhe. „Wow“ so tönt
es aus dem Helm von Roland Asch, als die folgende rasche Doppel-Rechts-Kombination zum
Schwedenkreuz mit einem Tempo begangen
wird, das ihm offensichtlich Achtung abnötigt.
Auf den Kuppen zum Schwedenkreuz macht
der Focus ST ganz lange Beine, hält trotz
deutlicher Neigung zum Abheben die Räder am
Boden und bleibt deshalb trotz aberwitzigem
Speed völlig sicher in der Spur und einfach
beherrschbar. Das scheidet ihn von den sportlich aufgemachten Wagen, die kurze Federwege und harte Federung vereinen. Sie kommen hier immer gewaltig ans Rudern und
manche der Radierungen eines unbekannten
Meisters auf der Fahrbahn führen im unguten
Winkel zur Leitplanke, die an manchen Stellen
erstaunlich frisch aussieht.
Fuchsröhre. Achterbahn für Erwachsene. Für
Nicht-Eingeweihte mit „Eingang zur Hölle“
fehlerfrei zu übersetzen. Steil bergab, nie ganz
gerade, kuppig, von Senken durchspickt, sauschnell und am Ende ganz eng, zwei ZweiteGang-Kurven, die sich im Übergang selbst nicht
leiden können. Dann Adenauer Forst, wo die
grüne Hölle scheinbar direkt in den Himmel
übergeht, nur leider im Zickzack. Vor uns testet
ein Vorserien-Achtzylinder von deutlich über
300 PS den Grenzbereich – doch nicht sehr
lange. Der Fahrer sieht am raschen Aufrücken
des Focus in seinem Rückspiegel, wer hier mit
größerem Schwung zur Sache gehen kann.
Er winkt uns vorbei, und wir sehen, dass die
elegante Karosserie von Leitplanken auf der
ganzen Länge schon sichtbare Nagespuren
aufweist. Der Ring vergibt nichts.
Wir verlieren den Achtzylinder rasch aus den
Rückspiegeln, strömen bergab zum tiefsten
Punkt der Strecke, stellen fest, dass die Reifen
ganz gut mithalten, obwohl es bis hierher nie
so richtig geradeaus geht, sondern in so einer
Art Auto-Slalom bergab. Dann bergauf. In den
nächsten drei Minuten stürmt der Focus ST über
400 Höhenmeter zur Hohen Acht, dem höchsten
Punkt der Strecke. Die Fahrbahn enthält alle
Gemeinheiten, die ein Auto in Verlegenheit
bringen können. Aber der Focus lässt sich von
keiner besonders beeindrucken.
Nicht vom holprigen Turn des Karussell, bei
dem man über 22 Betonplatten holpert wie auf
einem landwirtschaftlichen Feldweg. Nicht auf
den Wechselkurven des Wippermann, wo man
nur dann richtig schnell ist, wenn man mit zwei
Rädern knapp auf die Wiese neben der Strecke
kommt. Und erst recht nicht im kleinen Autodrom des Brünnchen, wo es darum geht, vier
nach außen hängende Wechselkurven zu einem
irgendwie fahrbaren Bogen zusammenzuschmieden.
Es folgen die Sprunghügel der kleinen Dreischanzen-Tournee bis zum Schwalbenschwanz, wo der
Focus einmal so unmerklich abhebt, dass man
Jost Capito, Ford RS-Teamchef, nennt den Grund für die ausgedehnten Testsessionen:
„Es geht hier nie darum, besonders harte Fahrwerke zu züchten, die sich im Straßenverkehr
verstimmt und bestenfalls pseudo-sportlich anfühlen“.
die Landung auf der Fahrbahn kaum bemerkt.
„Waren wir überhaupt in der Luft?“ so fragt
Roland Asch in voller Fahrt. Er ist gewohnt, hier
in wilden Bocksprüngen über die Strecke zu
fliegen und kann den Focus zunächst karg
loben: „Hier geht’s noch schneller, wenn man
will.“ Viel schneller sicher nicht, das zeigt die
Uhr nach 20 Kilometern, als wir nach knapp
neun Minuten im kleinen Fahrerlager der Industrietests einkehren. Der Wert ist Legende.
So schnell fahren sonst nur Autos, die deutlich
über 300 PS unter der Haube haben, der so
genannte Neun-Minuten-Adel.
Roland Asch öffnet die Tür und ist sich mit
Paul Wijgaerts auf Anhieb einig: „Das Auto ist
mit einem Wort sa-gen-haft.“
Roland präzisiert: „Für ein Serienauto sind die
Bremsen sehr eindrucksvoll und die Verbindung
zur Strasse ist einfach legendär.“ Paul präzisiert: „Auch wenn man ihn in eine von den
bösen Ecken bewusst hineindrischt: Der zuckt
mal kurz, das war’s dann.“ Roland, weiß genau,
was gemeint ist: „Betont gutmütig. Vergibt
alles, ist voll berechenbar. Keine Überraschung,
nirgends.“
Das Team um Paul Wijgaerts ist dann doch
gerührt. Sie kennen das Auto, wie gesagt, und
haben seine Vorteile mit viel Fleiß aufgebaut,
aber mit soviel Lob hat man nicht direkt
gerechnet.
Ein echter Fahrwerksingenieur überspielt die
Verlegenheit mit Sachfragen. Also fachsimpeln
sie drauflos: „Hat er denn auch die Spur gehalten, wenn du am Schwedenkreuz ganz außen
anfährst?“. Diese Stelle gilt als besonders anspruchsvoll. Die Fahrer nehmen das sofort als
Einladung und greifen nach dem Helm.
Der Mann vom Conti-Reifen-Service weiß jetzt
genau: so frisch bekommt er seine Reifen nie
wieder zu sehen. Dabei haben auch die ein
Lob verdient, was die Standfestigkeit im Renntempo angeht: „Unglaublich, wie die halten.“
Drüben am Schwedenkreuz quietschen die
Contis, aber der Focus bleibt in der Spur. Wie
immer eigentlich. Gelernt ist schließlich gelernt.
Die grüne Hölle hat wieder mal einen Absolventen, summa cum laude, Kennzeichen ST.
Unangenehm am Autotest nahe dem Polarkreis ist die Tatsache, dass es in der Regel ziemlich
düster zugeht. Deshalb wird bei Abstimmungsfahrten ganz einfach und konsequent die Nacht
zum Tag gemacht.
THE TOUGH CHOICE
Wie eiskalt ist dies Ländchen
Jedes Jahr, wenn die Zugvögel zum späten
Herbst hin nach Süden ziehen, bekommen die
Entwicklungsingenieure den großen Zug nach
Norden. Zum Polarkreis zieht es sie, wo in
Nordschweden dicht an der Grenze zu Finnland
zwischen den Städtchen Arjeplog und Arvidsjaur ein starr gefrorenes Entwicklungszentrum
für moderne Autos entsteht.
Jawohl, es entsteht in jedem Jahr neu, denn im
Sommer bleiben kaum Hinweise auf ein Zentrum technischer Kompetenz. Dann liegen die
beiden Städtchen matt in der Schwedischen
Sonne, und nur wer genau hinguckt, bemerkt
ein gewisses Missverhältnis im mathematischen
Sinn: Obwohl beide Städtchen gerade einmal
800 Einwohner aufweisen, die sich auf einer
Fläche so groß wie Belgien ziemlich locker
verteilen, haben die beiden Ansiedlungen
insgesamt 20 Hotels mit etwa 2000 Betten,
dazu Kneipen und Restaurants mit insgesamt
ähnlich vielen Plätzen.
Nach allen Regeln der Marktwirtschaft müssten
die Bürger hier oben dick und fett sein, oder
die Gastwirte bankrott. Es geht aber allen miteinander recht gut, und sie freuen sich auf die
grimmig kalte Jahreszeit, während in der eher
flauen Sommersaison das höchste Glück der
verweilenden Touristen in einer netten Badehütte an einem der vielen hundert Seen liegt.
Dann aber, sobald der Winterwind vom Pol her
faucht, schwillt auch die Arjeplog-Times, die im
Sommer mit vier Seiten für das Wesentliche
auskommt, auf immerhin den doppelten Umfang an. Und berichtet neben dem Stand der
Wintergäste (1800) über so erschütternde Sensationen wie das Elchbaby, das sich ganz allein
in das eingezäunte Testgelände des Bremsherstellers ATE verirrt hat, indem es einfach über
die Schranke am Zentraleingang gehopst ist.
Der Jung-Elch war in der Folge zwei Tage lang
von seiner besorgt blökenden Mutter durch einen hohen Zaun getrennt, bevor die Ingenieure
ihn wieder durch die diesmal korrekt geöffnete
Schranke nach draußen scheuchen konnten.
Mutter und Kind flohen vereint in die eisigen
Wälder und am ATE-Stammtisch schwor man
Stein und Bein, man hätte ich Sachen Elchtest
von dem Kleinen manches lernen können.
Man sieht es an der „Times“: In Arjeplog pulsiert das Leben.
Für den Winter entstehen Dutzende von Teststrecken, sobald die polare Kälte die Seen zu
tragfester Eisstärke zufrieren lässt. Wann es soweit ist, das merken die schwedischen Teststrecken-Erbauer ganz schnell daran, dass ihnen die
Baumaschinen nicht mehr so häufig durch das
Eis brechen, mit denen sie den Schnee von der
Teststrecke schieben. Sobald das Eis etwa 40
Zentimeter Stärke hat, trägt es Schneepflug
und rollende Eismaschinen, wie vom Eishockey
bekannt, einigermaßen zuverlässig. Dann ist
Arbeit angesagt, denn nachfallender Schnee
verdirbt die Strecken rasch wieder. Er isoliert
nämlich so unangenehm gut, dass das Eis nicht
viel dicker als 40 Zentimeter wird, solange es
nicht geräumt wird. Und so geht jeden Spätherbst das große Schieben, Räumen und Polieren los, bis ideale Bedingungen für die Stecken
herrschen: Die nächtliche Kälte kriecht durch
das Eis und lässt es dort, wo die Oberfläche geräumt ist, dick, fest und tragfähig werden. Im
Lauf der Winterkälte entstehen so bis über einen Meter dicke Eisschichten, und darauf kann
man getrost auch voll beladene Lastwagen zum
Test auf dem Eis bitten.
Vom Testinstinkt getrieben, ziehen auch die Ingenieure von Ford an den Polarkreis. Sie haben
vier Generationen künftiger Prototypen bei
sich, vom Siebensitzer bis zum kommenden
Transporter. Ihr Lieblingsspielzeug aber ist derzeit der neue Focus ST. Wie alle Prototypen aus
der Testflotte trägt er einen echten Namen:
„Beatrix“ klingt einfacher und unverwechselbarer als XU17-32J, wie der schneeweiße Focus
nach der kryptischen Bezeichnung der FordInventarliste eigentlich auch heißen könnte.
Beatrix heißt nach einer belgischen Märchenprinzessin, aber die Regeln sind auf diesem Gebiet locker, und so trifft Beatrix auf den Teststrecken gelegentlich auf Kollegen wie
„Grautvornix“ und „Methusalix“, die eindeutig
aus der Fachliteratur der Gallischen Befreiungsfront ausgeliehen sind.
Ein Handlingkurs schlängelt sich vom nicht ganz ewigen Eis der Seen auf das waldige Festland,
wo viele unebene Kurven einen anspruchsvollen Untergrund für die ESP-Tests hergeben.
Der Ford Focus Diesel stellt für den Focus ST einen gleichwertigen Vergleichspartner für die
ESP-Abstimmung dar – beide haben annähernd die gleiche Last auf der Vorderachse und somit
eine starke Ähnlichkeit im prinzipiellen Fahrverhalten.
Solange das Eis immer wieder
einmal kracht und gelegentlich Sprünge bekommt, hält
es, das wissen die Entwicklungs-Ingenieure. Gefährlich
wird es erst im Frühjahr,
wenn das Eis auf einmal ganz
ruhig zu werden scheint.
Beatrix gehört zum Team der Fahrdynamiker.
Sie ist akribisch genau auf den letzten Entwicklungsstand der Fahrwerksentwicklung gebracht
worden, ihr Brems- und ESP-System ist die neueste Generation bis hin zum letzten Sensor,
alles vom Feinsten. Rein äußerlich sieht Beatrix
dagegen nicht so sehr vorteilhaft aus, denn
Klebestreifen halten die Karosserieteile aus der
Vorserie sichtbar lässig zusammen, seit Beatrix
ein paar Mal Bekanntschaft mit den Schneewänden am Rand der Strecke gemacht hat.
Und der Tarnung dient diese Verkleidung natürlich auch; man möchte den Erlkönig-Fotografen, die hier oben eiskalt agieren, den Job
bei der Enttarnung neuer Modelle nicht allzu
leicht machen.
Denn eigentlich kommt Mann hier hoch, um
Autoleben im Zeitraffer zu erleben. Tief gefrorene Strecken sind dazu die beste Voraussetzung: Man rutscht oft schon beim Ausparken in
irgendeine unbeabsichtigte Richtung und kann
die Fahrzeugkontrolle auf jedem Meter gefahrener Strecke erproben. Zur exakten Erprobung
gehört freilich ein weiter Fächer von Handlingkursen, Kreisbahnen und einfachen, geraden
Strecken, die stellenweise poliert, verschneit,
gestreut und an manchen Stellen auch geheizt
sind. Jawohl geheizt, denn im Schachbrett-artigen Wechsel von griffigen und rutschigen Fahrbahnstellen liegt die besondere Kunst der
Brems- und ESP-Abstimmung.
Darum also geht es. Zu Rutschen, dass die Sensoren glühen, und dabei stets ein Auge darauf
zu haben, wie die Abstimmung der verschiedenen Systeme, die den Sommer über für den
neuen Focus ST entwickelt wurden, im Winter
funktionieren. Zwei Männer nehmen Beatrix
gerne in den Schwitzkasten. Es sind die Dynamik-Experten Andreas Woehler und Geert van
Noyen, die dem normalen Focus bereits das
Federn beigebracht haben, dass die Fachpresse
von der genialen Kreuzung aus Komfort und
Lenkpräzision ganz hingerissen war. Nicht zu
reden von der Fahrsicherheit in jedem denkbaren Zustand. Und dazu gehören auch diejenigen Fahrsituationen, die einem normalen
Autofahrer vielleicht dreimal in seinem Leben
vorkommen: Rutschen, Schleudern, Driften und
grimmiges Schieben über die Vorderräder gehören hier oben zur Tagesordnung.
Andreas Woehler lobt die Möglichkeiten, die
diese Gegend am Polarkreis bietet: „Es ist beinahe unglaublich, was man innerhalb weniger
Stunden an verschiedenen Abstimmungen
alles erproben kann. Manchmal liegen Minuten
zwischen den Fahrversuchen am Grenzbereich
unter völlig verschiedenen Bedingungen, und
so sind klare Vergleiche mit enormer Präzision
der Ergebnisse möglich.“
Eigentlich ist er der Chef der FahrdynamikAbteilung, aber im Dialog um die beste Abstimmung merkt man nicht viel von der Hierarchie
innerhalb der Abteilung. Es geht schließlich
auch absolut fachlich zu, wenn Andreas
Woehler und Geert van Noyen die Ansätze zur
nächsten Testreihe durchdiskutieren. Geert
Keiner kennt die genaue Anzahl der Slalom-Kurven, die im Zuge einer Wintertest-Saison gefahren werden.
Sicher geht ihre echte Zahl in die Hunderttausende, doch am Ende zählt nur das sauber ausbalancierte Fahrverhalten
des neuen Focus ST.
Ein wahrlich sonniger Moment: Die überaus schwierige Abstimmung des ESP-Systems
für den neuen Ford Focus ST scheint gelungen, und so strahlen die Fahrwerks-Experten
Geert van Noyen (links) und Andreas Woehler (rechts) gemeinsam in
den kalten Wintermorgen.
Immer dann, wenn die Strecke wieder allzu stark zerwühlt und zerfurcht wurde,
sorgt der Räumdienst mit schwerem Gerät für ausgeglichene Ausgangbedingungen
für weitere Tests.
spricht dann Sätze wie „Wir sollten hinten
den Achtzehner probieren, vorne auf die
Dreier umstellen und checken, wie das mit der
X7 harmoniert.“
Als Laie steht man dann erstmal dumm daneben und muss sich erklären lassen, dass der
Achtzehner der hintere Stabilisator ist, der im
sommerlichen Testbetrieb besonders begeistern
konnte. Die Dreier, das ist eine Federkombination vom Experten Thyssen, die besonders
weich, doch tonnenförmig und progressiv
gewickelt wurde und zur Unterscheidung von
zwei anderen Möglichkeiten einfach durchnumeriert wurde. Und X7, das ist die vorletzte
Software-Generation im Kontrollsystem des
ESP, die bisher immer ein wenig zu abrupt in
der Wirkungsweise empfunden wurde. Deshalb
erproben sie bisher die Version X8, auch wenn
sie leichte Nachteile im feinfühligen Ansprechverhalten aufweist.
Die Werkstatt im Tiefschnee der schwedischen
Wälder, in der sich Brems- und Fahrwerksexperten aus aller Welt ein Stelldichein geben,
nimmt Beatrix zur fälligen Modifikation auf die
Hebebühne. „Kommt in einer Stunde wieder,
dann ist inklusive Achtzehner, Dreier und X7
alles erledigt“.
Grautvornix muss draußen bleiben. Das ist der
grüne Focus-Diesel, der als rollender Urmeter
hier oben seinen Dienst tut. Er ist ein in Ehren
ergrauter Testwagen mit vielen tausend Testkilometern auf dem grünen Lack. Aber fahrwerkstechnisch ist er praktisch im Neuzustand,
repräsentativ für die Serie der zigtausend verkauften Focus, die in Europa bereits verkauft
wurden. Grautvornix ist gefragter Vergleichstest-Gegner von Beatrix, sooft eine neue Kombination ausprobiert wird. Was bei Beatrix gefällt, muss sich mit Grautvornix vergleichen
lassen. Und wenn es sich im direkten Vergleich
nicht besser anfühlt, dann wird es nichts aus
der Kombination von Achtzehner hinten,
Dreier vorn und X7 im Sinn.
Was wie ein unfairer Vergleich wirkt, ist einkalkuliert: 220 Turbo-PS hier, plus Sportfahrwerk
und Riesenbremse. Grautvornix dagegen, der
sparsame Diesel mit komfortablem Serienfahrwerk und Serienbremse. Die Dynamik-Experten
jedoch können die Eigenheiten der Autos, die
sie nicht besonders interessieren, einfach ausblenden. Sie haben an der Stelle, wo dem normalen Fahrer der Unterschied zwischen Diesel
und Sport-Turbo ins Auge sticht, so eine Art
gewollte Passiv-Empfindung, wenn sie es so
wollen. Andreas Woehler erklärt die Absicht:
„Der Diesel und der ST-Motor kommen in
etwa auf die gleiche Vorderachslast, die bei
Fahrversuchen hier oben die Fahreigenschaften
dominant beherrscht. Wenn sich Beatrix und
Grautvornix im Kurvenverhalten grundsätzlich
ähneln, dann können wir die Eingriffspunkte
von ABS, ESP und Lenkung besonders vorteilhaft vergleichen.“
Das Umgangsverhalten des Focus ST soll von Sicherheit geprägt sein, von guter Beherrschbarkeit und eindeutig definiertem Fahrverhalten
bis tief in den Grenzbereich hinein. Dann erst
soll das ESP-System den Fahrer bei allzu rascher
Kurvenfahrt unterstützen. Auch hier ist wieder
sanftes Eingreifen oberste Parole; erst wenn ein
Abdriften in die nächste Schneewand beinahe
unvermeidlich ist, dann darf das ESP so fest
zupacken, wie das der gefrorene Untergrund
so eben noch erlaubt.
In der Abstimmung liegt die Würze. Und die
Abstimmung eines 220 PS starken Autos mit
wohl balanciertem Sportfahrwerk ist eigentlich
der größte Rückschritt, den man einem SerienFocus unter den hiesigen Fahrbedingungen
zumuten kann. Andreas Woehler doziert aus
der hohen Schule der Fahrwerksabstimmung:
„Mehr Federhärte vorn und mehr Stabilisator
hinten bedeutet zunächst mehr Traktion, aber
eben auch mehr giftiges Übersteuern bei Lastwechseln und insgesamt ein weniger berechenbares Fahrverhalten.“ Wer die großzügigen
Drifts der Testingenieure auf den hiesigen
Eisfahrbahnen erleben konnte, der weiß ein
Lied von der Richtigkeit der Aussage zu singen.
Dazu Geert van Noyen: „Der Stabilisator, der
nach den Sommer-Fahrversuchen als bester
Kompromiss feststand, wirft uns hier um
Meilen zurück. Also müssen wir aus den anderen bekannten Komponenten die besten
heraussuchen und neue Versuche ausführen.
Denn soviel ist klar: Auf Glätte soll ein starker
Focus den schwächer motorisierten Versionen
sicher nicht unterlegen sein, was Handling und
Gutmütigkeit im Fahrverhalten angeht.”
Also rücken sie wieder einmal aus, Beatrix und
Grautvornix, und nehmen die Eispisten der
Versuchsgelände gemeinsam unter die Räder.
Es wird gebremst, gedriftet, geslalomt, danach
gekreisbahnt auf griffigem und poliertem Eis.
Dazwischen geht es immer wieder darum, die
eigenen Meinungen und Analysen zu vergleichen und abzusprechen, was die beiden im
direkten Vergleich hergeben. Am einfachsten
stellt man dazu die beiden Testwagen
Wenn es wieder mal so wild zuging, dass die Pylone über das
Eis geflogen sind, dann geht es darum, beim Aufräumen der
Teststrecke die Sitzheizung nicht im Stich zu lassen.
Der Wind schneidet mit 23 Grad minus über den See und man
muss gut aufpassen, dass Schaufel und Abschlepphaken nicht
an den Händen festfrieren.
umgekehrt nebeneinander und spricht von
Fahrersitz zu Fahrersitz. Dabei wird es einem
nicht ganz so kalt, als wenn bei 20 Grad
minus die Konferenzen im Stehen abgehalten
werden müssen.
Und ganz langsam wird klar, dass da eine
Kombination von Federn, Dämpfern und Stabilisatoren heranreift, die den Kompromiss der
straffen Sportabstimmung nur wenig auf die
Serienabstimmung durchschlagen lässt. Es
kommt zwar nicht so weit, dass der Focus ST
in einem ähnlichen Maß Kreise um den Focus
Diesel fahren kann, wie dies auf einer trockenen und abgesperrten Rennstrecke unter
sommerlichen Bedingungen der Fall wäre.
Aber im direkten Vergleich kommt Beatrix
zunächst so weit, dass sie Grautvornix das
Wasser reichen kann.
Und nach ein paar weiteren Abstimmungsschleifen mit Feder-Dämpfer-Kombinationen,
die nicht besonders vielversprechend im
Sommer getestet wurden, wird klar, dass der
Focus ST ein heißes Talent für kalte Fahrbahnoberflächen hat.
Darüber vergehen Tage und Wochen in polarer
Kälte. Bei Temperaturen unter Null klagt hier
oben noch niemand. Nachts, wenn die Temperaturen nochmals fallen, werden die Motoren
der Testwagen mit elektrischen Zusatzheizungen verwöhnt. Nicht nur die Starterbatterien,
auch die elektronischen Auswertungs-Computer könnten bei allzu klirrendem Frost
Schaden nehmen.
Erst im fortschreitenden Frühjahr lässt die
emsige Test-Tätigkeit langsam nach. Die Eingeweihten erkennen, dass man langsam vorsichtig auf dem Eis werden muss, wenn es
aufhört zu krachen und immer wieder Risse zu
kriegen. Dann taut es von unten her langsam
weg. Das letzte, das bleibt, sind die Teststrecken, die man vom Flugzeug aus noch
lange beobachten kann. Sie treiben oft noch
monatelang als schwimmende Kringel über
die Seen, wenn der Sommer schon langsam
in Land zieht. Dann sitzen gelegentlich einsame Möwen und Enten auf den riesigen
Kringeln und Kreisen aus Eis, und wundern
sich, was die Autoindustrie so alles anstellt.