Multiplexkinos – moderne Freizeitgroßeinrichtungen

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Multiplexkinos – moderne Freizeitgroßeinrichtungen
Multiplexkinos – moderne Freizeitgroßeinrichtungen
Hans-Jürgen Ulbert
A
Kinobesucher 1997
nach
nach
Altersgruppen Anteil in % sozialen Gruppen
100
mind. 60 Jahre
50 bis 59 Jahre
40 bis 49 Jahre
Rentner usw.
Hausfrauen
Beamte/Selbständige
90
80
30 bis 39 Jahre
70
Angestellte
60
Arbeiter
50
20 bis 29 Jahre
Auszubildende
40
30
Schüler/Studenten
20
10 bis 19 Jahre
10
0
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000
Nachdem schon in den Achtzigerjahren
von vielen Seiten der endgültige Niedergang der herkömmlichen Kinos prophezeit worden war, erlebt die Film- und Kinowirtschaft in den letzten zehn Jahren
eine Renaissance. Der Besuch im Kino
wurde besonders für die Jugend wieder zu
einer der beliebtesten Freizeitaktivitäten.
Erlebnisort Multiplexkino
Wer heute in ein Kino geht, ist nicht
nur an einem guten Spielfilm interessiert, sondern schätzt auch das moderne
und großzügige Ambiente sowie die
Möglichkeiten zur Unterhaltung – das
gehört zum Freizeiterlebnis Kino. A Multiplexkinos sind besonders beim jüngeren Publikum als Treffpunkte und Kommunikationsorte sehr beliebt. So sind
über 60% der Kinobesucher unter 30
Jahre alt, und 50% gehören den Berufsgruppen der Schüler, Studenten oder
4
D Kinosäle und Anteil der Multiplexleinwände
1998 nach Ländern
Anzahl aller Kinosäle*
Anteil der Multiplexsäle bzw. -leinwände
Hamburg 85
Bremen 46
Sachsen-Anhalt 118
Sachsen 221
Berlin 260
Nordrhein-Westfalen 966
Thüringen 123
Brandenburg 125
Mecklenburg-Vorpomm. 94
Baden-Württemberg 582
Mittelwert
im Bundesgebiet
Schleswig-Holstein 172
Bayern 712
alte Länder
Niedersachsen 380
neue Länder
Rheinland-Pfalz 195
*Die Höhe der Balken drückt
Hessen 283
Saarland
73
Bundesgebiet 4435 0
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78
die Gesamtzahl der Kinosäle
pro Land aus.
keine
10
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30
40
Anteil in %
Auszubildenden an A. Auf dem Weg in
das neue Jahrtausend werden die Multiplexkinos die Unterhaltungs- und Freizeitlandschaft der Städte wesentlich prägen.
Entwicklungen, Marktanteile
und räumliche Strukturen
Nachdem das erste deutsche Multiplexkino 1990 in Hürth bei Köln in einem
Einkaufszentrum eröffnete, stieg die Anzahl in Deutschland bis Ende 1998 auf
92 bestehende Gebäudekomplexe einschließlich Miniplexe. 66 Multiplexkinos sind 1999 nachrichtlich in Bau und
39 in Planung B. In den Statistiken der
Filmförderungsanstalt von 1998 werden
77 Multiplexe mit insgesamt 729 Leinwänden und über 180.000 Sitzplätzen als
Bestand aufgeführt. Die Multiplexkinos
erreichen einen Marktanteil von über
30% am gesamten Kinomarkt. Das entspricht 45,1 Mio. verkauften Eintrittskarten und 537,6 Mio. DM Umsatzvolumen C. Der Anteil der Multiplexsäle/
-leinwände liegt bei 19% der insgesamt
verfügbaren Kinosäle und differiert zwischen den dicht besiedelten Stadtstaaten
(über 30%) und den Flächenländern mit
geringerer Einwohnerdichte (teilweise
unter 10%) erheblich D. Dieser Strukturwandel hat die deutsche Kinolandschaft grundlegend verändert.
Zu den bevorzugten Multiplexstandorten zählen vorrangig Städte mit über
200.000 Einwohnern. Aber auch Mittelstädte mit unter 100.000 Einwohnern,
deren Umland bzw. Einzugsbereiche über
ein entsprechendes Bevölkerungspotenzial verfügen, werden zunehmend in die
Investitionsstrategien einbezogen. Inzwischen ist festzustellen, dass an vielen
Multiplexstandorten mit mehr als
250.000 Einwohnern weitere Objekte als
Konkurrenzunternehmen gebaut oder geplant werden E.
Durch diese Gesamtentwicklung steigt
das Risiko des so genannten „Overscreaning“, d.h. durch den Verdrängungswettbewerb entstehen immer mehr
Multiplexleinwände und -sitzplätze in
einer Agglomeration. Hinsichtlich der
marktverträglichen Kapazitäten lassen
sich aus kinowirtschaftlichen Marktanalysen folgende Rentabilitätsschwellen
ableiten:
• Versorgungsgrad von 500 bis 700 Sitzplätzen je 100.000 Einwohner
• 240 Sitzplätze pro Leinwand als Mittelwert (Bandbreite von 200 bis 270)
• Einzugsbereich mit 30-km-Radius als
Mittelwert (für Innenstadtlagen ca.
20 km, für Stadtrandlagen ca. 30 km
und für konkurrenzlose Standorte bis
zu 60 km) bei einer Wohnbevölkerung
von 200.000 bis 300.000 Menschen.
Wenn alle Multiplexkinos, die sich derzeit in Bau oder in Planung befinden,
Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Freizeit und Tourismus
tatsächlich eröffnen sollten, muss in einigen Ländern mit einem Überangebot
gerechnet werden. In diesem Fall könnte
der Versorgungsgrad in den Stadtstaaten
Berlin, Bremen und Hamburg von derzeit ca. 600 auf über 1000 Multiplexsitzplätze je 100.000 Einwohner
ansteigen E.
Anhand der Einzugsbereiche zeigt sich
außerdem, dass im Wesentlichen die
dicht besiedelten Regionen und Großräume durch die Multiplexkinos er-
B
Multiplexkinos
in Betrieb 1990-1998
in Bau und in Planung 1998
Gebäudekomplexe
200
180
in Planung
in Bau
in Betrieb
160
140
120
100
80
60
40
20
0
Multiplexkinos
Eine einheitliche Definition der Kinoform
„Multiplexkino“ als Freizeitgroßeinrichtung hat sich bisher noch nicht durchgesetzt. In Anlehnung an die Filmförderungsanstalt (FFA) lassen sich Multiplexkinos wie folgt bestimmen:
• mindestens 7 Leinwände (Säle)
• mindestens 1500 Sitzplätze mit Komfort-/Amphitheaterbestuhlung (Reihenabstand mindestens 1,10 m)
• mindestens 100 Sitzplätze pro Saal
• moderne Tonwiedergabesysteme
• Reservierungsmöglichkeiten, InternetAngebot
• weitläufiges Foyer
• Gastronomie (Restaurant, Bar, Bistro),
Shops und weitere erlebnisorientierte
Freizeitangebote
• Parkhaus/-plätze, Anbindung an ÖPNV
Neben den Multiplexen werden auch
Mega- oder Gigaplexe (Großkinos mit
einer hohen Sitzplatzkapazität) sowie Miniplexe (kleinere Multiplexe mit bis zu 7
Leinwänden und unter 1500 Plätzen) unterschieden.
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998
kehrsaufkommen durch den Individualverkehr)
• auf die Umwelt (u.a. Bodenverbrauch
mit bis zu 5 ha pro Einrichtung, Flächenversiegelung, Lärm- und Abgasbelastungen) und
• auf die Wirtschaft (z.B. Veränderungen der bestehenden Kinostruktur und
des Arbeitsmarktes).
Das Netz der Multiplexstandorte wird
immer engmaschiger. Deshalb suchen
die Investoren und Kommunen nach geeigneten Steuerungsmechanismen, um
C Anteile der Multiplexkinos
in %
an allen Kinos 1992-1998
35
Einnahmen
Besucher
Leinwände
Kinogebäude
30
schlossen sind bzw. werden E. Es treten
bereits Überschneidungen der Einzugsbereiche auf. Unerschlossene Bereiche
liegen zumeist im ländlichen Raum, wo
die zu geringe Bevölkerungsdichte einen
Multiplexbetrieb nicht rentabel erscheinen lässt.
Auswirkungen auf das Umfeld
Aus Sicht der Städte sollen sich die
Multiplexkinos in das jeweilige Stadtbild einfügen und auch zum vielfältigen
kulturellen Leben einer Stadt beitragen.
Am richtigen Standort sind sie eine hervorragende Investition (Investitionsvolumen bis über 100 Mio. DM), um die
Attraktivität der innenstädtischen Bereiche – häufig die Bahnhofsnähe – oder
anderer Stadtteile zu erhalten und zu
verbessern.
Durch das Verlagern der Kinostandorte an die Stadtperipherie oder auf die
Grüne Wiese können jedoch traditionelle Funktionen der städtischen Zentren
beeinträchtigt werden, verbunden mit
möglichen Auswirkungen
• auf die Siedlungsstruktur (z.B. Zersiedelung)
• auf den Verkehr (z.B. zusätzliches Ver-
Jahr
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1997
1998
Jahr
daraus zukunftsorientierte Strategien für
die Planungsverfahren und die Wettbewerbsperspektiven der Multiplexkinos
abzuleiten.?
E
Multiplexkinos 1998
Kiel
S c hl e s w i g Ho l s t ei n
Wilhelmshaven
Bremerhaven
Me c k l e nb ur g -
Bremen
EMS
Oldenburg
V o r po mme r n
EL
Bremen
Neubrandenburg
Schwerin
Hamburg
HAMBURG
Greifswald
Rostock
Lübeck
BE
Hav
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WES
ER
OD
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Sachsen-
Braunschweig
Osnabrück
Cottbus
Halle/
Saale
Hagen
Kassel
Solingen
Fu
lda
Köln
Erfurt
H es s e n
Siegen
Aachen Düren
S a chse n
Leipzig
Leverkusen
We s tf a le n
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A n h al t
Göttingen
Dortmund
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Neuss Düssel-
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Sa
Warburg
Wuppertal
dorf
Mönchengladbach Dormagen
Hürth
Höxter
Jena
Dresden
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Marburg
Freiberg
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Bochum
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Dessau
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Essen
Mülheim
Halberstadt
Paderborn
Kamen
Duisburg
Magdeburg
Bielefeld
Hamm
Herne
Oberhausen
Krefeld
S
Br a nde nb ur g
Wolfenbüttel
N ordr h e i n-
Gelsenkirchen
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Salzgitter
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Frankfurt /Oder
Wildau
Potsdam
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Oeynhausen
Münster
Bocholt
Hannover
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BERLIN
Brandenburg/
Wust
Minden
Rheine
Gronau
Berlin
Havel
N i e d er s ac h s e n
Gera
T h ü r i n g e n
Bonn
Zwickau
Standorte der Multiplexkinos
Sitzplätze
Chemnitz
Gießen
Fulda
über 3 000
Plauen
1 500 bis 3 000
Koblenz
s
Mo
el
Wiesbaden
Aschaffenburg
Frankfurt
EIN
P f a lz
keine Angaben
Offenbach
RH
Trier
unter 1 500
Hof
Rhein la n d-
Ma
Status
in
Bayreuth
Mainz
in Betrieb
Würzburg
Main
Darmstadt
in Bau
Viernheim
Saarland
Kaiserslautern
in Planung
Erlangen
Ludwigshafen
Nürnberg
Fürth
r
cka
Ne
Mannheim
Saarbrücken
Einzugsbereiche der Multiplexkinos
30-km-Einzugsradius als standardisierte
Mittelwertbildung
Neckarsulm
Heilbronn
Karlsruhe
Standorte nach der Einwohnerzahl
HAMBURG
über 1000000
Bremen
500 000 bis 1000000
Nürnberg
250 000 bis 500000
Dessau
unter 250000
Wiesbaden
Landeshauptstadt
B ay er n
B ad en-
Regensburg
BietigheimBissingen
in Betrieb
Pforzheim
Esslingen
a. Neckar
Leonberg
Sindelfingen
Offenburg
Stuttgart
ar
ck
Ne
DO
Ingolstadt
U
NA
DO
NA
in Bau
EIN
Ulm
Neu-Ulm
Inn
Augsburg
in Planung
VillingenSchwenningen
MÜNCHEN
Freiburg
i. Breisgau
Singen
Autor: H. - J. Ulbert
Versorgungsgrad in den Ländern
Bo
de
Multiplexsitzplätze je 100000 Einwohner
ns
in Betrieb
in Bau
in Planung
ee
0
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000
U
Reutlingen
Wü rt t e m b e r g
RH
Aalen
25
50
75
Maßstab 1: 2750000
Mittelwert
im Bundesgebiet
100 km
0
500
1 000
Sitzplätze
Multiplexkinos – moderne Freizeitgroßeinrichtungen
79
1 500