Erkenntnisverfahren Prof. Dr. Florian Jacoby Übungsfall 4 Fall 1
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Erkenntnisverfahren Prof. Dr. Florian Jacoby Übungsfall 4 Fall 1
Erkenntnisverfahren Prof. Dr. Florian Jacoby Übungsfall 4 Fall 1: Kläger K aus Karlsruhe reicht beim Amtsgericht Bochum eine Klage gegen den Beklagten B aus Bochum auf Kaufpreiszahlung in Höhe von 2.500 € ein. Die Klageschrift wird dem B am 1.3.2011 zugestellt. Gleichzeitig erhält B die Ladung zur Güteverhandlung am 16.3.2011 unter Anordnung des persönlichen Erscheinens der Parteien, verbunden mit einer weiteren Ladung zur mündlichen Verhandlung. B ärgert sich, dass man ihn vor Gericht zerrt und denkt nicht daran, sich gütlich zu einigen. Er erscheint deswegen nicht zum Gütetermin. Das Gericht geht unmittelbar in die mündliche Verhandlung über. Der Anwalt des K stellt den Antrag aus der Klageschrift und beantragt zudem den Erlass eines Versäumnisurteils. Wie wird das Gericht entscheiden? Lösung: Das Gericht wird ein Versäumnisurteil gem. § 331 ZPO gegen den Beklagten erlassen, wenn die Voraussetzungen eines solchen vorliegen und die Klage zulässig und schlüssig ist. I. Voraussetzungen eines Versäumnisurteils Zunächst müssten die prozessualen Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils vorliegen. 1. Prozessantrag der anwesenden Partei Die anwesende Partei müsste neben dem Sachantrag einen Prozessantrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt haben. Der Anwalt des K hat den Antrag aus der Klageschrift gestellt sowie ausdrücklich den Erlass eines Versäumnisurteils beantragt. Ein Prozessantrag der anwesenden Partei ist somit gegeben. 2. Ordnungsgemäß angeordneter Termin zur notwendigen mündlichen Verhandlung Ein Versäumnisurteil kann nur im ordnungsgemäß angeordneten Termin zur notwendigen mündlichen Verhandlung ergehen. Notwendiger Termin zur mündlichen Verhandlung können ein früher erster Termin (§ 275 ZPO), ein Haupttermin (§ 279 ZPO) oder ein Übungsfall 4 -2- Fortsetzungstermin (§ 332 ZPO) sein. Dieser muss zudem ordnungsgemäß bestimmt worden sein, § 216 I ZPO. Das Gericht hatte zunächst einen Gütetermin anberaumt, § 278 II 1 ZPO. Innerhalb dieser Güteverhandlung ist der Erlass eines Versäumnisurteils nicht möglich. Allerdings soll das Gericht gem. § 279 I 1 ZPO sofort in die mündliche Verhandlung übergehen, wenn eine Partei zum Gütetermin nicht erscheint. Einem Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils kann bei einem sofortigen Übergang in die mündliche Verhandlung bei Scheitern der Güteverhandlung jedoch nur wirksam entsprochen werden, wenn in der Ladung zum Gütetermin zugleich zur mündlichen Verhandlung geladen wird. Fehlt es an einer solchen zeitgleichen Ladung kann kein Versäumnisurteil ergehen (Greger, in: Zöller, ZPO, 28. Auflage 2010, § 278 Rn. 10, 17). Das Amtsgericht Bochum ist vom Gütetermin direkt in die mündliche Verhandlung (§ 279 I ZPO) übergegangen, als B nicht erschien. In der Ladung zur Güteverhandlung wurde zugleich zur mündlichen Verhandlung geladen. Der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils erfolgte demnach in einem ordnungsgemäß angeordneten Termin zur mündlichen Verhandlung. 3. Säumnis B müsste auch säumig gewesen sein. Säumig ist eine Partei, wenn sie nach Aufruf der Sache am richtigen Ort (§ 219 ZPO), in richtiger Art und Weise (§ 220 ZPO) und nicht vor der festgesetzten Zeit nicht erscheint oder nicht verhandelt (§ 333 ZPO). Im Anwaltsprozess (§ 78 I 1 ZPO) gilt eine Partei als nicht erschienen, wenn kein zugelassener Rechtsanwalt für sie verhandelt. B erscheint nicht vor Gericht; von einem Aufruf der Sache am richtigen Ort und in richtiger Art und Weise ist auszugehen. B ist somit säumig. Exkurs: Ein Verhandeln im Sinne von § 333 ZPO setzt einen Sachantrag des Klägers voraus. Neben dem Stellen des Antrags muss auch eine Erörterung der Sache durch die beantragende Partei erfolgen (Mündlichkeitsgrundsatz: Entscheidungsgrundlage darf nur sein, was Gegenstand der mündlichen Verhandlung war; die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien reichen als solche nicht aus, sondern müssen in die mündliche Verhandlung eingeführt werden). Deswegen wird die bloße Antragstellung für ein Verhandeln nicht als ausreichend erachtet. Allerdings wird in der Verlesung der Sachanträge (§ 297 ZPO) Übungsfall 4 -3- regelmäßig die Bezugnahme auf das schriftliche Vorbringen (§ 137 III ZPO) gesehen, was wiederum für ein Verhandeln genügt. 4. Kein Erlasshindernis gem. § 335 ZPO Ein Versäumnisurteil darf nicht erlassen werden, soweit einer der in § 335 I ZPO genannten Gründe gegeben ist. Ein solcher Grund ist hier nicht einschlägig, insbesondere nicht der des § 335 I Nr. 2 ZPO. Die zwischen der Zustellung der Klageschrift und dem Termin zur mündlichen Verhandlung (hier des vorangeschalteten Gütetermins) liegende Einlassungsfrist (§ 274 III 1 ZPO) betrug mehr als die geforderten zwei Wochen. Auch die Ladungsfrist des § 217 ZPO wurde eingehalten. B wurde somit ordnungsgemäß geladen. 5. Keine Vertagung von Amts wegen gem. § 337 ZPO Eine Vertagung von Amts wegen muss erfolgen, wenn die vom Vorsitzenden bestimmten Einlassungs- oder Ladungsfristen zu kurz bemessen sind oder die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Hinweis: Im Fall einer zu kurz bemessenen (oben erwähnten) Einlassungsfrist (§ 274 III 1 ZPO) hätte der Beklagte zum einen ein Recht zur Rüge und auf Vertagung gem. § 337 ZPO, zum anderen darf gegen ihn kein Versäumnisurteil ergehen, § 335 I Nr. 2 ZPO. § 337 ZPO und § 335 ZPO können also gleichzeitig vorliegen. II. Zulässigkeit der Klage Die Klage des K müsste zulässig sein. Das Amtsgericht ist aufgrund des Streitwertes in Höhe von 2.500 € gem. § 23 Nr. 1, 71 I GVG, § 1 I ZPO sachlich zuständig. B hat seinen Wohnsitz in Bochum. Folglich liegt der allgemeine Gerichtsstand gem. §§ 12, 13 ZPO i.V.m. § 7 I BGB in Bochum. Zudem befindet sich der Erfüllungsort der Geldschuld als qualifizierte Schickschuld (§§ 270 IV, 269 I BGB) am Wohnsitz des Schuldners, sodass der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. § 29 I ZPO ebenfalls in Bochum begründet ist. Folglich ist das Amtsgericht Bochum gem. §§ 12, 13 ZPO und § 29 I ZPO örtlich zuständig. Die Klage ist somit zulässig. Hinweis: Das Versäumnisurteil ist ein Sachurteil, welches der materiellen Rechtskraft fähig ist. Da ein Sachurteil nur ergehen darf, soweit die Sachurteilsvoraussetzungen (jene Voraussetzungen, die bei Nichtvorliegen zu einem Prozessurteil führen) vorliegen, muss die Zulässigkeit der Klage immer vorrangig geprüft werden. Soweit die Klage bereits unzulässig ist, muss sie durch Prozessurteil Übungsfall 4 -4- abgewiesen werden. Es würde sich dann um ein sog. unechtes Versäumnisurteil handeln. Ein solches ist gegeben, wenn die Abweisung der Klage nicht aufgrund der Säumnis, sondern aufgrund der fehlenden Zulässigkeit (oder auch Schlüssigkeit) erfolgt, § 331 II 2. HS ZPO. III. Schlüssigkeit der Klage Zudem müsste die Klage schlüssig sein. Eine Klage ist schlüssig, wenn das als wahr anzusehende tatsächliche Vorbringen des Klägers den gestellten Klageantrag rechtfertigt. Der Kläger muss demnach alle anspruchsbegründenden Tatsachen behaupten. Dabei muss er darauf achten, neben den anspruchsbegründenden Tatsachen keinen für ihn nachteiligen Sachverhalt (sog. inkorporierte Einrede) vorzutragen, der seine eigene Klage unschlüssig machen könnte. Einen solchen Vortrag würde das Gericht berücksichtigen. Mangels anderweitiger Angaben ist die Schlüssigkeit vorliegend anzunehmen. Exkurs: 1. Unechtes VU: Ein unechtes Versäumnisurteil ergeht, wenn die Klage unzulässig oder unschlüssig ist. 2. Prüfungsumfang beim Versäumnisurteil gegen den Kläger: Bei einem beantragten Versäumnisurteil gegen den Kläger (§ 330 ZPO) ist die Schlüssigkeit der Klage hingegen nicht zu prüfen. Das Gericht erkennt den prozessualen Anspruch des Klägers ohne Sachprüfung ab. IV. Ergebnis Das Gericht wird folglich ein Versäumnisurteil gegen B erlassen. Fall 2: U klagt gegen B, beide wohnhaft in Bielefeld, auf Zahlung aus Werkvertrag vor dem Amtsgericht Bielefeld. In der Klageschrift beantragt U neben der Zahlung des Werklohnes in Höhe von 3.000 € den Erlass eines Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren, sofern B sich nicht zur Klage äußert. B wird die Klage zugestellt und aufgefordert innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung seine Verteidigungsabsicht anzuzeigen. Das Gericht weist ihn darauf hin, dass eine Nichtanzeige innerhalb der Frist zum Erlass eines Versäumnisurteils führen kann. B will sich gegen die Klage wehren, reagiert aber nicht, weil er mit anderen Übungsfall 4 -5- Sachen beschäftigt ist. Das Amtsgericht Bielefeld erlässt am 1.3.2011 (Dienstag) ein Versäumnisurteil gegen B. Das Versäumnisurteil wird dem U am 5.3.2011 (Samstag), dem B schon am 3.3.2011 (Donnerstag) zugestellt. B legt am 18.3.2011 (Freitag) Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein. Wie wird das Gericht entscheiden? I. Zulässigkeit des Einspruchs Das Gericht prüft zunächst die Zulässigkeit des Einspruchs. 1. Statthaftigkeit des Einspruchs, § 338 ZPO Der Einspruch ist für die säumige Partei gegen ein echtes Versäumnisurteil statthaft, § 338 S. 1 ZPO. Ein echtes Versäumnisurteil ist ein Urteil, dass aufgrund der Säumnis gegen den Säumigen ergeht. Gegen B wurde ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren gem. §§ 331 III 1, 276 ZPO erlassen, weil B nicht innerhalb der Einlassungsfrist seine Verteidigungsabsicht gem. § 276 I 1 ZPO geäußert hat. Es erging aufgrund der Säumnis des B (die Säumnis ist in diesem Fall die Nichtanzeige der Verteidigungsbereitschaft), sodass es sich um ein echtes Versäumnisurteil handelt. Der Einspruch ist somit statthaft. Merke: An dieser Stelle ist nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils vorlagen. Für die Statthaftigkeit des Einspruchs ist es unerheblich, ob das Versäumnisurteil hätte ergehen dürfen oder ob es in gesetzlicher Weise ergangen ist. Der Einspruch führt nicht zur Überprüfung des Versäumnisurteils, sondern zur Nachholung der versäumten Verhandlung. 2. Frist, § 339 ZPO Die Einspruchsfrist beträgt gem. § 339 I ZPO zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils. Es handelt sich um eine Notfrist, die nicht verlängert werden kann. Übungsfall 4 -6- Stellt man auf die Zustellung des Versäumnisurteils an B am 3.3.2011 ab, wäre Fristbeginn gem. § 222 I ZPO i.V.m. § 187 I BGB Freitag, der 4.3.2011 um 0.00 Uhr. Fristende wäre gem. § 222 I ZPO i.V.m. § 188 II BGB Donnerstag, der 17.3.2011 um 24.00 Uhr. Die Einlegung des Einspruchs am 18.3.2011 wäre somit verspätet. Bei einem Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren gem. §§ 331 III, 276 ZPO beginnt die Einspruchsfrist jedoch nicht vor Ausführung der Amtszustellung des Urteils an beiden Parteien. Die Verkündung des Versäumnisurteils wird im schriftlichen Vorverfahren durch dessen Zustellung an die Parteien ersetzt, § 310 III 1 ZPO. Um die Verkündung vollständig zu ersetzen, müssen also beide Parteien das Versäumnisurteil erhalten haben, sodass die letzte der beiden Zustellungen maßgeblich ist. Dies gilt selbst dann, wenn die Zustellung an den obsiegenden Kläger erst nach der Zustellung an den Beklagten erfolgt. Das Versäumnisurteil wurde K zeitlich später, nämlich am 5.3.2011, zugestellt. Als letzte der beiden Zustellungen ist diese für den Beginn der Einspruchsfrist entscheidend. Fristbeginn ist gem. § 222 I ZPO i.V.m. § 187 I BGB Sonntag, der 6.3.2011 um 0.00 Uhr. Das Fristende fällt gem. § 222 I ZPO i.V.m. § 188 II BGB auf Samstag, den 19.3.2011 um 24.00 Uhr. Wegen § 222 II ZPO endet die Frist sogar erst mit Ablauf des nächsten Werktages, also Montag, den 21.3.2011 um 24.00 Uhr. Der am 18.3.2011 eingelegte Einspruch wurde somit noch innerhalb der Frist eingelegt. 3. Form, § 340 ZPO Die Einlegung des Einspruchs muss bei dem Gericht erfolgen, das das Versäumnisurteil erlassen hat, § 340 I ZPO. Der Inhalt der Einspruchsschrift richtet sich nach § 340 II ZPO und muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde, enthalten. Mangels anderweitiger Angaben ist von einem formgerechten Einspruch auszugehen. 4. Kein Verzicht, keine Rücknahme, § 346 ZPO Zudem dürfte kein Verzicht auf die Einlegung eines Einspruchs oder eine Rücknahme des Einspruchs gem. § 346 ZPO gegeben sein. Vorliegend sind weder ein Verzicht noch eine Rücknahme ersichtlich. Übungsfall 4 -7- 5. Wirkung des zulässigen Einspruchs, § 342 ZPO Der Einspruch des B ist zulässig. Der Prozess wird dadurch in die Lage vor Eintritt der Säumnis zurückversetzt, § 342 ZPO. Das Versäumnisurteil selbst wird durch den Einspruch jedoch nicht beseitigt. Das Gericht wird einen Termin zur mündlichen Verhandlung gem. § 341a ZPO bestimmen. II. Zulässigkeit der Klage Durch die Zurückversetzung des Prozesses in die Lage vor Eintritt der Säumnis ist nun die Zulässigkeit der Klage zu prüfen. Von dieser ist mangels Angaben auszugehen. Hinweis: Die Zulässigkeit (und unten auch die Begründetheit) der Klage ist hier ausnahmsweise zu unterstellen, um den Ablauf der Einspruchsprüfung zu erläutern und darzustellen. Der Sachverhalt kann an dieser Stelle selbstverständlich gut mit materiellen Fragestellungen versehen werden, um vom Prüfling eine anschließende umfassende Prüfung der Klage zu erhalten. An dieser Stelle sind wie gewohnt erst die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage und dann die Begründetheit zu prüfen. III. Begründetheit der Klage Ebenso müsste die Klage auch begründet sein. Auch dieses ist aufgrund fehlender Anhaltspunkte zu unterstellen. Merke: An dieser Stelle (Zulässigkeit und Begründetheit der Klage) darf keine Prüfung der Begründetheit des Einspruchs erfolgen. Die Zulässigkeit des Einspruchs führt zur Zurückversetzung des Prozesses in die Lage vor Eintritt der Säumnis. Die Einspruchsprüfung ist damit beendet. Es wäre falsch mit der Begründetheit des Einspruchs weiter zu machen. IV. Ergebnis Das Gericht wird ein Urteil erlassen, in dem B zur Zahlung von 3.000 € an U verurteilt wird. Fall 3: Gegen B wurde ein Versäumnisurteil erlassen, welches ihm am 5.3.2011 zugestellt wird. Er legt am 10.03.2011 Einspruch ein. Daraufhin beraumt das Gericht einen neuen Übungsfall 4 -8- Verhandlungstermin an. In diesem Termin erscheint B erneut nicht, weil er den Termin schlicht vergessen hat. Der Anwalt des Klägers K beantragt den Erlass eines 2. Versäumnisurteils. Wie wird das Gericht entscheiden? Das Gericht wird ein zweites Versäumnisurteil erlassen, soweit die Voraussetzungen für ein solches vorliegen (insb. § 345 ZPO). I. Prozessantrag Für den Erlass eines zweiten Versäumnisurteils müsste ein Prozessantrag der anwesenden Partei gestellt worden sein. Der Anwalt des K beantragt ausdrücklich ein solches zweites Versäumnisurteil. II. Zulässiger Einspruch Das zweite Versäumnisurteil setzt einen zulässigen Einspruch gegen das erste Versäumnisurteil voraus. Ist ein Einspruch bereits unzulässig, wird dieser ungeachtet der Säumnis als unzulässig verworfen. § 345 ZPO käme dann nicht mehr zur Anwendung. 1. Statthaftigkeit des Einspruchs, § 338 ZPO Der Einspruch ist für die säumige Partei gegen ein echtes Versäumnisurteil statthaft, § 338 S. 1 ZPO. Das Versäumnisurteil erging gegen B aufgrund seiner Säumnis, sodass der Einspruch der statthafte Rechtsbehelf ist. 2. Frist, § 339 ZPO Die Einspruchsfrist beträgt gem. § 339 I ZPO zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils. Die Zustellung erfolgte am 5.3.2011, die Einlegung des Einspruchs am 10.3.2011, also deutlich innerhalb der Zwei-Wochen-Frist. Übungsfall 4 -9- 3. Form, § 340 ZPO Die Einlegung des Einspruchs muss bei dem Gericht erfolgen, das das Versäumnisurteil erlassen hat, § 340 I ZPO. Die Einspruchsschrift muss den in § 340 II ZPO genannten Inhalt haben. Von einem formgerechten Einspruch ist hier auszugehen. 4. Kein Verzicht, keine Rücknahme, § 346 ZPO Anhaltspunkte für einen Einspruchsverzicht oder eine Rücknahme liegen nicht vor. 5. Zwischenergebnis Der Einspruch war folglich zulässig. III. Säumnis im Einspruchstermin Die Partei, die den Einspruch eingelegt hat, müsste in der vom Gericht daraufhin anberaumten mündlichen Verhandlung nicht erschienen sein oder nicht verhandelt haben, § 345 ZPO. B ist in dem vom Gericht neu anberaumten Verhandlungstermin nicht erschienen, da er es schlicht vergessen hatte. Er war somit im Einspruchstermin erneut säumig. IV. Kein Erlasshindernis gem. § 335 ZPO Anhaltspunkte für ein Erlasshindernis nach § 335 ZPO liegen nicht vor. V. Kein Vertagungsgrund gem. § 337 ZPO Ein Grund für eine Vertagung gem. § 337 ZPO ist nicht gegeben. VI. Prüfungsumfang des Gerichts Es ist umstritten, ob das Gericht vor dem Erlass eines zweiten Versäumnisurteils prüfen muss, ob das erste Versäumnisurteil in gesetzlicher Weise ergangen ist. Übungsfall 4 -10- 1. Prüfung der Gesetzmäßigkeit des 1. VU Nach einer Ansicht muss das Gericht die Gesetzmäßigkeit des ersten Versäumnisurteils im Interesse einer materiell richtigen Entscheidung prüfen. Sie begründet dies mit der Restitutionswirkung des § 342 ZPO. Diese beinhaltet die Zurückversetzung des Prozesses in die Lage vor Eintritt der Säumnis. Ein erneutes Versäumnisurteil dürfe nach dieser Zurückversetzung aber nur dann ergehen, wenn die Klage auch zulässig und schlüssig sei. Dieser Ansicht folgend müsste das Gericht prüfen, ob die Klage des K zulässig und schlüssig ist. 2. Keine Prüfung der Gesetzmäßigkeit des 1. VU Der BGH hingegen fordert von den Gerichten keine Prüfung der Gesetzmäßigkeit des ersten Versäumnisurteils (BGH NJW 1999, 2599). Er stützt seine Ansicht auf einen Umkehrschluss aus § 700 VI ZPO. Danach darf ein Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid (der Vollstreckungsbescheid steht einem ersten Versäumnisurteil gem. § 700 I ZPO gleich) durch zweites Versäumnisurteil nur verworfen werden, wenn die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen und der mit dem Vollstreckungsbescheid verfolgte Anspruch schlüssig ist. Bei einem ersten Versäumnisurteil habe das Gericht die Zulässigkeit der Klage und die Schlüssigkeit des Anspruchs bereits geprüft, bei einem Vollstreckungsbescheid habe der gem. § 20 I RPflG zuständige Rechtspfleger diese Prüfung nicht vorgenommen. § 700 VI ZPO ließe sich nicht erklären, wenn vor Erlass des zweiten Versäumnisurteils nochmals die Zulässig- und Schlüssigkeit des ersten Versäumnisurteils untersucht werden müsste. Zudem werde der die Restitutionswirkung anordnende § 342 ZPO durch § 345 ZPO als speziellere Norm verdrängt. Mit der erneuten Säumnis verzichte die säumige Partei gerade auf eine Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache. Ebenso sei der Fortbestand des möglicherweise sachlich falschen ersten Versäumnisurteils die vom Gesetzgeber gewollte Sanktionswirkung des § 345 ZPO. Denn eine Partei sei nach einem gegen sie erlassenen Versäumnisurteil im Interesse der Verfahrensbeschleunigung zu besonders sorgfältiger Prozessführung angehalten. Nach Ansicht des BGH wäre die Zulässig- und Schlüssigkeit des ersten Versäumnisurteils nicht mehr zu prüfen. Übungsfall 4 -11- 3. Stellungnahme Die aufgeführten Ansichten kommen zu einem unterschiedlichen Ergebnis, sodass es einer Stellungnahme bedarf. Insbesondere § 700 VI ZPO mit dem für den Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheids angeordneten Prüfungsumfang verlöre seinen Sinn, würde man eine Zulässigkeits- und Schlüssigkeitsprüfung auch vor Erlass eines zweiten Versäumnisurteils mit vorangegangenem ersten Versäumnisurteil fordern. Zudem entspricht es nicht dem Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung, eine bereits durch das Gericht vorgenommene Prüfung bzgl. des ersten Versäumnisurteils zu wiederholen. Es ist daher der Ansicht des BGH zu folgen (a.A. vertretbar). VII. Ergebnis Die Voraussetzungen für ein zweites Versäumnisurteil liegen vor. Das Gericht wird ein solches erlassen. Exkurs 1: Wie kann B gerichtlich gegen ein 2. Versäumnisurteil vorgehen? Statthafter Rechtsbehelf ist die Berufung gem. § 511 ZPO. § 514 I ZPO hält fest, dass ein Versäumnisurteil weder mit der Berufung noch mit der Anschlussberufung angefochten werden kann. Maßgeblicher Rechtsbehelf ist vielmehr der Einspruch gem. § 338 ZPO. Davon macht § 514 II ZPO jedoch bei Versäumnisurteilen, gegen die der Einspruch nicht statthaft ist, eine Ausnahme. Gegen zweite Versäumnisurteile ist der Einspruch gem. § 345 ZPO nicht mehr möglich, sodass sie unter die Ausnahme des § 514 II ZPO fallen. Dieser schränkt jedoch die Berufung dahingehend ein, dass sie nur darauf gestützt werden kann, dass ein Fall der schuldhaften Säumnis nicht vorgelegen habe. B kann also nur Berufung einlegen, wenn er darlegt, dass er nicht schuldhaft säumig war. Da er den Termin schlicht vergessen hat, wird ihm das nicht gelingen. Übungsfall 4 -12- Exkurs 2: Was wäre, wenn gegen B ein Vollstreckungsbescheid erlassen wurde, er gegen diesen Einspruch eingelegt hätte und im daraufhin anberaumten Verhandlungstermin nicht erschienen wäre? Soweit ein Vollstreckungsbescheid dem Einspruch vorausgeht, bestimmt § 700 VI ZPO ausdrücklich, dass der Einspruch nur verworfen werden darf, soweit die Voraussetzungen des § 331 I, II 1. HS ZPO für ein Versäumnisurteil vorliegen. Das Gericht muss also vor Erlass eines zweiten Versäumnisurteils sowohl die Sachurteilsvoraussetzungen als auch die Schlüssigkeit des Anspruchs prüfen. Zudem ist zu untersuchen, ob der allgemeinen geltend gemachten Vollstreckungsbescheid verfahrensfehlerfrei erlassen wurde. Grund der Regelung des § 700 VI ZPO ist, dass bei einem Vollstreckungsbescheid das Bestehen des Anspruchs nicht geprüft wird. Der Rechtspfleger, der gem. § 20 Nr. 1 RPflG für den Erlass zuständig ist, prüft nur, ob der Antragsgegner nicht rechtzeitig Widerspruch gegen den vorgeschalteten Mahnbescheid eingelegt hat, § 699 I 1 ZPO.