"Hybrid Parks", Anhang, Stiftung Schloss Dyck, 2015

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"Hybrid Parks", Anhang, Stiftung Schloss Dyck, 2015
Anhang
A
Forschungshintergrund
B
Situation Reports der Partner
C
Workshops, Studienreisen und Konferenzen
Workshop in Lund, Schweden
13. - 14. Juni 2012
Workshop in Schloss Dyck, NRW
15. - 16. Oktober 2012
Conference in Assisi, Umbrien,
23. - 24. November 2012
Workshop in Paola Corradino, Malta,
17. - 18. April 2013
Conference, Studytour in Chester und Cheshire West,
13. - 15. Mai 2013
Workshop in Pori, Finnland,
14. - 15. Juni 2013
Workshop in der Bretagne, Frankreich
23. – 25. April 2014
Study Tour in Linköping, Schweden,
21. – 23. Mai 2014
Conference in Rhodos, Griechenland,
26. - 28. Juni 2014
Workshop in Schlesien, Polen,
23. - 25. Juli 2014
Final Conference in Köln,
14. - 15. September 2014
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A) Forschungshintergrund
Mit der Zielsetzung nachhaltiger Stadt- und Regionalentwicklung und mit der politischen
Schwerpunktsetzung einer „Grünen Stadt“, wie sie unlängst in NRW erfolgt ist, steigen auch die
Anforderungen an die öffentlich zugänglichen Freiflächen und Parks.
Stärker als zuvor sollen sie ökologischen Anforderungen (z.B. als grüne Stadträume mit
Aufenthaltsqualität), ökonomischen Zielsetzungen (z.B. Tourismusförderung, Aufwertung von
Standorten) und sozialen/kulturellen Vorgaben (z.B. Bewohnerpartizipation, Erhaltung kultureller
Identität) dienen, ohne dabei ihre einzigartigen Qualitäten zu gefährden.
Eine neue Dimension bzw. Verschärfung der Anforderungen ergibt sich aus dem Klimawandel bzw. aus
der Aufgabe der Mitigation erkennbarer Auswirkungen des Klimawandels in den Städten.
Die Politik in Nordrhein-Westfalen steht damit im Einklang mit dem in aktuell in Europa dominanten
Leitbild der „nachhaltigen Stadt“, das sich der integrativen räumlichen Entwicklung verpflichtet, die
zugleich die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, ökologischen und klimatischen sowie ästhetischen
und baukulturellen Anforderungen berücksichtigt.
Damit finden komplexe städtebauliche, umwelt- und regionalpolitische Aufgaben, die im Grundsatz so
neu nicht sind, ihre notwendige Fortschreibung bzw. Aktualisierung sowie verstärkte Beachtung und
Unterstützung.
Dabei ist die Notwendigkeit „… den Stellenwert urbanen Grüns für eine nachhaltige Raumentwicklung
zu stärken, in der kommunalen Praxis noch nicht hinreichend bekannt, so dass es bisher häufig nur
partiell und projekthaft in die Stadtentwicklung integriert wird“, so die Verfasser der Studie „Urbanes
Grün in der integrierten Stadtentwicklung – Strategie, Projekte, Instrumente“ (Leibniz Universität
Hannover und Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung, im Auftrag des Ministeriums für
Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, 2012).
Dennoch gibt es eine Reihe von umgesetzten Praxisbeispielen sowie fortgeschrittenen kommunalen
und regionalen Planungskonzepten, die erkennen lassen, welche positiven Wirkungen eine bewusste
und nachhaltige Inwertsetzung öffentlichen Grüns, von Parks und Gärten für die Stadt- und
Regionalentwicklung haben kann bzw. entwickeln könnte. Sie finden sich punktuell quer durch Europa.
Forschungsdesign 1: Internationale Erfahrungen nutzbar machen
Dementsprechend können diese älteren und jüngeren Erfahrungen und Konzepte auch für die
Weiterentwicklung der relevanten Politikfelder und die Ausarbeitung zukunftsorientierter
Handlungsempfehlungen in Nordrhein-Westfalen und anderen Regionen sowie Kommunen genutzt
werden. Trotz z.B. unterschiedlicher Dimensionen, Rahmenbedingungen und Akzente in den
Zielsetzungen, gilt dies nicht nur für die Erfahrungen, die Akteure der verschiedenen Ebenen und
Sektoren in NRW oder anderen Bundesländern gewonnen haben, sondern insbesondere auch für die
sogenannten Best-Practice-Beispiele aus dem europäischen Ausland.
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Diese Idee des „grenzüberschreitenden“ Erfahrungsaustauschs, des Lernens von guten Beispielen - bei
denen vergleichbare Herausforderungen oftmals mit unterschiedlichen Konzepten, Budgets oder
Planungskulturen angegangen und gelöst wurden - und schließlich des effizienten Know-how-Transfers
in eigene Politiken und Programme, ist die grundlegende Idee hinter den INTERREG Programmen der
Europäischen Union.
Spätestens mit dem INTERREG-IIIB-Programm der Jahre 2000-2006 war der Schutz natürlicher
Ressourcen explizit mit der Bedeutung kulturellen Erbes verbunden, und es wurden Mittel für den
Schutz, die kreative Aufwertung und Inwertsetzung von historischen Stätten und Kulturlandschaften
sowie für die Förderung regionaler Identität bereitgestellt.
Damit nahm das INTERREG-IIIB-Programm frühzeitig Tendenzen auf, deren Wahrnehmung in Politik
und Gesellschaft erst vereinzelt begonnen hatte: Kulturelles Erbe sowie die Kulturlandschaft allgemein
sind nicht nur schützenswert an sich, sondern sie können für nachhaltige Stadt- und
Regionalentwicklung, die den Ausgleich zwischen Ökonomie, Ökologie, sozialer und kultureller
Verantwortung zur Handlungsmaxime erklärt hat, als Potenziale besonderer Qualität in Wert gesetzt
werden und positive Entwicklungen anstoßen oder stärken.
Die solcherart gewonnenen Erfahrungen und aktuelle Ergebnisse internationaler Kooperationen
können auch für die heutige nordrhein-westfälische Städtebaupolitik genutzt werden, insbesondere
dank der Projekte „European Garden Heritage Network (EGHN)“ und „Hybrid Parks“, an deren
Entwicklung und Umsetzung Nordhrein-Westfalen federführend beteiligt war bzw. beteiligt ist.
So entstand für das European Garden Heritage Network (EGHN) im Jahr 2001 am Institut für
Raumplanung der (Technischen) Universität Dortmund das erste Konzept, wie die Vorgaben,
Zielsetzungen und Möglichkeiten des INTERREG-Programms für ausgewählte Potenziale und
Anforderungen der nordrhein-westfälischen Landesentwicklungs- und Städtebaupolitik und speziell
der Projektpartner genutzt werden könnten.
Nach erfolgreicher Antragstellung konnte das EGHN Projekt im Jahr 2003 mit elf Partnern aus
Deutschland, England und Frankreich – in der Mehrheit Regionalverwaltungen (wie z.B. Surrey County
Council) und Fachverbände (wie die Landschaftsverbände für das Rheinland und Westfalen-Lippe) - an
den Start gehen. Die Projektverantwortung lag beim Lead Partner, der Stiftung Schloss Dyck, Zentrum
für Gartenkunst und Landschaftskultur, die diese Aufgabe finanziell nur dank der Unterstützung durch
die (damaligen) nordrhein-westfälischen Ministerien für Verkehr, Energie und Landesplanung als
Partner sowie für Bauen und Verkehr als Fördermittelgeber übernehmen konnte. Im Jahr 2006
konnten fünf weitere Partner aus Belgien, den Niederlanden, Deutschland und Großbritannien mit
entsprechend erhöhten Fördervolumen in das Projekt aufgenommen werden.
Im internationalen Austausch stellten die Projektpartner bis zum Projektende im September 2008 sehr
unterschiedliche Parks und Gärten mit der sie umgebenden Kulturlandschaft ins Zentrum der zu
entwickelnden Konzepte. Es wurden Maßnahmen umgesetzt, die die Rahmenbedingungen für den
Erhalt und Ausbau von Parks und Gärten verbessern. Gemeinsam wirkten die Partner darauf hin, ihre
überwiegend historischen Park- und Gartenlandschaften besser zu vermarkten und mehr Menschen
für sie zu begeistern. Dabei war stets der Blick auf die nachhaltige Entwicklung ihrer Regionen
gerichtet.
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Im Vordergrund stand die Frage nach dem bisherigen und möglichen Beitrag von Gärten, Parks und
Kulturlandschaften für die nachhaltige Entwicklung von Städten und Regionen leisten bzw. der
stärkeren Inwertsetzung ihrer Potenziale. Fallstudien für fünf „Ankergärten“ zeigen deren kulturelle,
soziale, ökonomische und damit auch regionale Bedeutung auf, und eine ausführliche Studie belegt
die wirtschaftlichen Effekte von Tatton Park für die Region mit konkreten Zahlen.
Ausgehend von der Überzeugung, dass die Chancen einer breiten Unterstützung aus Politik, Wirtschaft
und Bevölkerung steigen, wenn es gelingt, das Bewusstsein für die einmaligen Qualitäten von Parks
und Gärten - zum Beispiel durch neue Informations- und Ausbildungskonzepte - zu steigern, neue
Besuchergruppen zu gewinnen, die Erreichbarkeit und Aufenthaltsqualität zu verbessern sowie Parks
und Gärten als Teil der Kulturlandschaft und regionalen Ökonomie in lokale und regionale
Entwicklungskonzepte einzubinden, testete das European Garden Heritage Network modellhafte
Innovationen, die auf andere Regionen Europas übertragbar sind.
Im Jahre 2009 haben die Partner des INTERREG-Projektes den Beschluss gefasst, das Europäische
Gartennetzwerk EGHN weiterzuführen, für neue Partner zu öffnen und neue Projekte anzustoßen. Die
Stiftung Schloss Dyck, Zentrum für Gartenkunst und Landschaftskultur, hat auch die Leitung dieses
neuen Partnernetzwerkes übernommen. Heute sind Körperschaften und Organisationen aus acht
Ländern im EGHN zusammengeschlossen und so rund 150 Parks und Gärten partnerschaftlich
verbunden. Die Geschichte und der besondere Charakter jeder Anlage, aber auch regionale und
europaweite Gemeinsamkeiten werden durch die Zuordnung zu 12 regionalen Routen und fünf,
querschnittsorientierten Europäischen Themen deutlich.
Seit einiger Zeit verfolgen die EGHN Partner gemeinsam und grenzüberschreitend das Thema "Grüne
Stadtentwicklung". Dies findet besonders im neuen, fünften Europäischen Thema des EGHN, aber auch
in gegenseitigen Studienbesuchen und gemeinsamen Konferenzen (z.B. in Helsingborg/Schweden im
März 2012) Ausdruck.
Die Ergebnisse des EGHN (besonders des INTERREG-Projektes von 2003-2008) sind ausführlich
ausgewertet und dokumentiert (www.eghn.org/downloads) und sollen daher im Rahmen dieser Studie
nicht erneut präsentiert werden. Sie waren aber wesentlicher Anstoß zur gemeinsamen Beantragung
des Projektes "Hybrid Parks" im Kontext des Programms INTERREG IVC (2009-2014) und sind prägend
und richtungweisend für die Entwicklung und Arbeiten des Projektes „Hybrid Parks“ (zu den Details
siehe unten), mit seiner – auch geografisch - erweiterten Projektpartnerschaft (siehe Anhang) von 16
Partnern in 10 Ländern Europas.
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B Hybrid Parks Situation Reports im kurzen Überblick
Am Projekt „Hybrid Parks“ INTERREG IVC nehmen 16 Partner aus 10 Ländern teil. Die drei
Themenblöcke Wirtschaft, Soziales, Umwelt werden von allen ausgefüllt und geben die Zielrichtung
vor, eigene Erfahrungen einzubringen, eigene Problembereiche vorzustellen und gemeinsam nach
Lösungen zu suchen.
Die Vielfalt der Beiträge geht weit über die nationalen, kulturellen und geografischen Besonderheiten
hinaus. Die organisatorische Struktur reicht von Abteilungen der Landesregierung (NRW / D), Regionen
(Umbrien, Malta, Rhodos), Städten (Lund / S), bis zu Universitäten (Turku / Fi), Botanische Gärten
(Schlesien /Pl), Verbänden (A) und Stiftungen (Dyck / NRW). Die Dimensionen der aktuellen
Projekträume erstrecken sich von Sozialen Gemüsegärten in der Emilia-Romagna (I) bis zur Nationalen
Stadtpark Politik in Turku (Fi).
Die große Vielfalt der Erfahrungen ist das Kapital des Hybrid Park Projekts. Die Synergie
unterschiedlichster Lösungen und Planungen ist seine große Chance. In diesem breiten internationalen
Spektrum lassen sich einige Gemeinsamkeiten einzelner Teilnehmer
in ihren Projekten,
Problemfeldern oder Lösungsansätzen erkennen.
Botanische Gärten
Zwei botanische Gärten auf Rhodos und in Niederschlesien haben Konzepte entwickelt, die weit über
die bekannten klassischen Aufgaben botanischer Gärten hinausgehen und sie breiteren Aktivitäten
öffnen.
Schlesischer Botanischer Garten (Silesian Botanical Garden, Mikolow Region /Pl): Der erst 2003
gegründete, jüngste Botanische Garten Polens widmet sich auf 100 ha Fläche besonders dem Schutz
gefährdeter Pflanzen und ihrer schlesischen Lebensräume in - wilden und kultivierten - ganzen
Habitats. Das Gelände dient dem Pflanzenschutz, dem Schutz gefährdeter Lebensräume, Wissenschaft,
Erziehung, Erholung und kulturellen Aufgaben.
Rhodos Botanical Garden: Der aus einer Präfektur-Baumschule hervorgegangene Botanische Garten
verzahnt Produktion (250.000 Jungbäume/Jahr), Umweltschutz / Erziehung (freiwillige Pflanz-Aktionen
zur Wiederaufforstung), Aufbau einer Samenbank und die Einbeziehung lokaler Geschäftspartner. Er
ist Pilot-Beispiel einer Mediterranen Fallstudie.
Soziale Integration (Social Inclusion)
Soziale Einbindung der Bevölkerung, Integration von Randgruppen (Problem-Jugend, Alte, Arbeitslose,
Ausländer), Förderung des aktiven Engagements in Parks und Gärten (Planung, Pflege) ist zentrales
Anliegen aller Teilnehmer. Es gibt aber drei besondere Ansätze:
New District Park, Skäggetorp Housing Area / Linköping (S)
Skäggetorp ist ein vernachlässigtes Wohngebiet aus den 60er Jahren mit hoher Arbeitslosigkeit und
großen sozialen, strukturellen und ökonomischen Problemen. Der Neue Park soll unter Einbeziehung
der Bewohner zu einem inter-aktiven, integrativen Park für alle Altersstufen (spontaneous sports,
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gardening, education) gestaltet werden, der mit einer klaren Garten-Identität (garden-identity) das
Wohnareal aufwertet, Investitionen wieder anreizt und so auch Arbeitsplätze schafft.
Social Vegetable Gardens, Region Emilia Romagna (I)
Der Bestand von 18.000 sozialen Gemüsegärten in der Region, vornehmlich in den Stadtrand-gebieten,
kann einen ökologischen und städtebaulichen Wendepunkt mit starken sozialen, kulturellen und
pädagogischen Gesichtspunkten darstellen, so das Regionalbüro. Sie tragen zur Stadterneuerung,
Verbesserung der Lebensqualität, Rückgewinnung von Brachflächen und Vergrößerung des
Grünflächenareals bei. Politische Aufwertung und größere allgemeine Wertschätzung erhalten sie
durch ihre führende Bedeutung bei der Ausweisung und Schaffung grüner Korridore, die die Städte
mit der umgebenden Landschaft verzahnen sollen. Eine zeitgemäße Umgestaltung sowie
Verbesserung des öffentlichen Zugangs für Fußgänger und Radfahrer sind Planungsziel.
Slottsträdgarden, Malmö (S) (best-practice, Social Workshop, Juni 2012)
Slottsträdgarden ist ein biologisch-organischer Nachbarschaftsgarten, der seit 1997 unter der Leitung
des engagierten Gärtnermeisters John Taylor, als funktionierendes Beispiel für einen interaktiven,
offenen Produktionsgarten. Er ist der Ort praktischer Erziehung, sozialer Kontakte, Integration und
kulturellen Austauschs mit großer Präsenz in Fernsehen und Presse.
Tourismus und Regional Marketing Culture
Eine publikumswirksame Vermarktung bedeutender Gärten mit dem historisch kulturellen Potenzial
ihrer gesamten Region hat viele sozio-ökonomischen Vorteile für Gärten und Parks im Zusammenspiel
mit ihrem wirtschaftlichen Umfeld. Bestes Beispiel hierfür in Deutschland sind die Aktivitäten der
Stiftung Schloss Dyck und die Entwicklung des EGHN. Marken, Netzwerke und Organisationen tragen
zur Identitätsbildung, (inter)nationalen Wahrnehmung und Wertstellung bei und damit zur politischen
Durchsetzung nachhaltiger Ziele und finanzieller Förderung.
„Cheshire’s Gardens of Distinction“, Cheshire West & Chester (GB)
Seit 2006 vermarkten sich Gärten und Parks in Cheshire und umliegenden Regionen erfolgreich unter
der Marke „Cheshire’s Gardens of Distinction“. Die gebündelten Strategien führten zu einer
erheblichen Steigerung der Besucherzahlen und damit des ökonomischen Einflusses auf die gesamte
Region (3,75 Mio Besucher, Pfd 61 Mio Umsatz). Begleitende Events, zielgruppenorientierte
Schulungen, Konferenzen, stimulieren Vorteile für zahlreiche tourismus-nahe Geschäftsbereiche.
Investitionen in die Parks selbst, in Infrastruktur, Erreichbarkeit und Dienstleistungen werden für lokale
und regionale Behörden interessant und fördern Entwicklungen im Sinne von Unterhalt, Nachhaltigkeit
und Landschaftsschutz.
„Gartenplattform Niederösterreich“ u. „Natur im Garten“ (A)
Die Gartenplattform ist eine Strategie einer holistischen Garten-Tourismus Politik, die seit 2007
Gartenliebhabern und Besuchern u.a. die Ideen des Biogartens näherbringen will. Alle Showgärten
basieren auf den Regeln des ökologischen Gärtnerns. Grundlegende Kenntnisse sollen vermittelt
werden. Inzwischen gibt es langjährige Erfahrungen im Aufbau einer touristischen Service-Kette von
Gärtnern, Gartenleitern, diversen Touristen-Ämtern sowie Hotels und Restauration. Inzwischen ist der
sanfte Gartentourismus ein starker ökonomischer Faktor und fester Bestandteil der Regionalpolitik.
Die Gartenplattform arbeitet Hand in Hand mit der Labelung „Natur im Garten“, die die Vorgaben für
ökologisch nachhaltiges Gärtnern attestiert und auszeichnet.
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„Regionales Netzwerk der Gärten Umbriens“, Region Umbrien (I)
In Italien sind historische Gärten und Parks seit 2004 als Orte besonderen kulturellen Werts durch den
Landschafts- und Kulturerbe Code geschützt. Allein in Umbrien sind 800 Standorte gelistet. 2010
gründete die Region Umbrien das regionale Netzwerk der Gärten Umbriens, um diese als „high-quality
Landschafts-Erbe“ auszuweisen, Erhalt, Management, Inwertsetzung zu fördern – einschließlich der
sie umgebenden Landschaft. Die umbrische Landschaft hat physikalisch-naturalistische, historischkulturelle und sozial-symbolische Werte, die ihr den eigenen erkennbaren Charakter verleihen. Dieser
territoriale Kontext der Parks und Gärten soll eine tourismusorientierte Politik stützen, die zur
nachhaltigen Entwicklung der Region beiträgt. Ein Rundweg mit 12 Gärten ist ein erster Schritt für
die regionale, nationale und europäische Vermarktung. Begleitend informiert ein detailliertes WebPortal über Parks und Projekte.
Cultural Heritage und Stadtentwicklung Paola, Malta
Die Hafenstadt Paola ist von der UNESCO Welterbe-Organisation mit ihrem reichen kulturellen Bestand
als besonders bedeutend gelistet (Statement of Significance). Der Bebauung wurde aufgrund des
ungenügenden Denkmalschutz Standards und Unterhaltsmängeln die Risikostufe 3 zugeteilt. Teil des
nun verabschiedeten Repair Action Plans sind 5 Gärten und Parks sowie 1 Friedhof von vorrangig
denkmalschutzwürdigen Werts. Ziel ist es, diese als Pilotprojekt unter Berücksichtigung der
historischen Substanz zu erneuern, um die bedenkliche Abwanderung der Bewohner aufzuhalten und
auf die alternde, unterversorgte Bevölkerung zu reagieren. Die neuen Parks sollen im Spannungsfeld
soziale Regeneration, touristische Entwicklung und ökonomische Impulse fördern.
Therapiegärten
Im ersten workshop-Treffen der Teilnehmer im Juni in Lund kristallisierte sich schon ein zusätzlicher
erster Themenkomplex heraus – der Therapiegarten. Der Terapiträdga°rd in Alnarp ( Malmö / S), die
Therapiegärten der Gartenplattform Niederösterreich und des Vereins „Natur im Garten“, das
geplante Therapiezentrum Monte Subasio in Umbrien und der Demenzgarten in der Nähe von
Manchester sind interdisziplinäre Projekte, die durch die beispielhafte Zusammenarbeit von
Medizinern, Psychiatern, Therapeuten und Gartenarchitekten entstehen konnten bzw. sollen. Die
dokumentierten Erfahrungen in den einzelnen Ländern stehen wohl am Beginn einer Bewegung mit
großem Potenzial, deren Ergebnisse und Erfolge offensichtlich, aber noch schwer in darstellenden und
ökonomischen Parametern zu erfassen sind.
Bei aller Verschiedenheit der Teilnehmer und ihrer Schwerpunkte gibt es von allen unbestrittene
gemeinsame Anliegen.
Reaktion und bestmögliche Einflussnahme auf die jeweiligen Folgen des Klimawandels durch
Inwertsetzung vorhandener Grünflächen und ihre Umgestaltung und Ausbau entsprechend sich
verändernder Ansprüche an Pflanzen und Gestaltung. Zunehmender Trockenheit (Rhodos) muss
ebenso begegnet werden wie temporären Überflutungsrisiken (Malta?, Schlesien) und allgemein
zunehmend extremen Bedingungen im innerstädtischen Raum.
Nachhaltigkeit als Grundsatz aller Aktivitäten
Schutz und Inwertsetzung von Gärten und Parks in ihrer gesamten umgebenden Kultur-Landschaft als
einzigartigem identitätsstiftenden Faktor.
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C) Workshops, Studienreisen und Konferenzen
Hybrid Parks Workshop in Lund, 13.-14. Juni 2012
Lund City Park
Lund mit ca. 100.000 Einwohnern ist seit Jahrhunderten bekannt als „Green City“. Da die Stadt
vornehmlich von landwirtschaftlichen Nutzflächen umgeben ist und der Zugang zu naturnahen
Landschaften kaum möglich ist, konzentrieren sich die Bedürfnisse der Bewohner nach Grün und
Freiraum mehr nach innen auf die städtischen Grünflächen. Dies setzt sie in den Focus von
unterschiedlichsten Ansprüchen unterschiedlichster Nutzer.
Lund City Park ist neben dem Botanischen Garten und dem Lundaga°rd der größte der drei Stadtparks.
An ihm kristallisieren sich aktuell alle Aspekte, die zentral sind für das Projekt Hybrid Parks.
Schwerpunkt des workshops waren die sozialen Bedürfnisse.
Der City Park ist der Freiraum für verschiedene, oft diametral entgegengesetzte Funktionen und
Aktivitäten: Menschen aller Altersgruppen und sozialer Schichten suchen ihn auf zum Spazieren,
Spielen, Sporteln, Feiern, Studieren, Sonnenbaden, Entspannen, Naturbeobachten. Der Park ist an die
alten Wallanlagen angelehnt, wo hohe soziale, kultur-historische und biologische Werte
ineinandergreifen.
Die eigentliche Parkentwicklung begann 1907 mit der „Industry, Handicraft und Art Exhibition“ nach
der die Stadt beschloss, Lund solle einen permanenten öffentlichen Park für „Tourismus, Status und
Gesundheit und Wohlbefinden der Bewohner“ erhalten. Seit seiner Eröffnung 1911 bis zur
Hundertjahrfeier 2011 fanden nur marginale Veränderungen statt. „A beautiful lady passed of time in
need of reconstruction “, hieß es zur Feier. Es entstand eine neue Eingangs-Plaza, alleengesäumt, mit
Springbrunnen und Restaurant. Zurzeit wird der Park erneuert und soll den aktuellen Ansprüchen
angepasst werden. Eine Erweiterung der Fläche von 10 auf 15 ha fügt das Areal der alten
Astronomischen Sternwarte (1860) und Bereiche im Westen mit Strand Volley-Ball Feld, outdoor gym
und für andere Aktivitäten, Bewegung und Gesundheit hinzu. Eine zusätzliche Nachtbeleuchtung soll
den Park auch am Abend zum sicheren Aufenthaltsort machen.
In den letzten Jahren stellt sich eine neue Frage an den Park als „Gebrauchslandschaft“: Wie geht man
mit Riesen-Events um? In Lund treffen sich z.B. zum Walpurgisfest spontan über 20.000 Menschen und
feiern die Nacht, machen große Feuer und musizieren.
Der alte Baumbestand des Parks (ca. 650 Bäume über 100 Jahre) führte zum Eintrag des FFH als
„Natura 2000“ Gebiet, was sehr selten für einen europäischen Stadtpark ist.* Die Interessen der
Gartendenkmalpflege für die historischen Wallanlagen formulieren andere Ansprüche. Z.B. will die
Umwelt-Behörde die alten Bäume auf der Wallanlage erhalten, die Denkmal-Behörde aber will sie
fällen lassen. So unterliegen die Erneuerungspläne vielfältigen, oft widersprüchlichen
Einschränkungen. Das kulturelle Erbe, wie auch die ökologischen Werte müssen geschützt werden,
gleichzeitig müssen aber auch große Festivals stattfinden können.
Das Zusammenspiel von ökonomischen, sozialen und Umweltansprüchen ist wichtig für die
Entwicklung der öffentlichen Parks in Lund. Erhalt und Erweiterung müssen in dynamischen Prozessen
ablaufen. Auch die Bewohner werden in öffentlichen Treffen in die Entscheidungsprozesse
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einbezogen. Die Stadt sucht nach Wegen, die beschränkten Mittel effizienter zu nutzen (hoher
Pflegestandard), den Zugang zu den Parks zu erleichtern und die Parks zu einer Arena für soziale
Interaktion und Events zu machen.
* 4 geschützte Skorpion-Arten, 10 Käfer
Ergänzendes Referat:
Eva Bongartz: Maslow’s Hierarchy of Needs and Social aspects of parks and gardens
Terapiträdga°rd in Alnarp
Patrik Grahn, Professor für Umweltpsychologie, Swedish University of Agricultural Sciences (SLU), stellt
den Therapiegarten in Alnarp vor.
Der Garten ist ein Projekt zum „Evidence Based Health Design & Planning“. Die grüne Infrastruktur soll
die heilende Kraft von Bäumen, Pflanzen und Tieren in zahlreichen Bereichen zur Wirkung bringen:
- Anreiz zu Bewegung und physischen Aktivitäten
- Förderung motorischer Fähigkeiten (nach Schlaganfall, Unfall)
- Vermeidung psychischer Krankheiten
- Verkürzung der Behandlungsdauer
- ergänzende Behandlung von Depression und Burn-out
- cardiovasculäre Krankheiten
- Diabetes mellitus II, Autismus
- Demenz und Alzheimer
Beim Garten ist der Außenfaktor im Gegensatz zum Innenraum von großer Bedeutung:
- frische Luft
- physische Aktivität
- Sonnenlicht, Wind , Wetter
- Gefahr / Sicherheit
- gebrochene Dimensionen (Wolken, Sand, Wellen beruhigen)
- Stimulation von 12 Sinnen
- Wiedererkennen von Erinnerungen (historicity)
Wie sind in Alnarp diese Anforderungen in der Gestaltung umgesetzt?
Der Patient tritt durch ein großes Holztor in eine andere Welt. Er lässt alles hinter sich.
Heckengesäumte Wege führen ihn in unterschiedliche Kompartimente, die eine ganz eigene
Atmosphäre haben. Je nach Stimmung kann er sich dort alleine oder mit seinem Therapeuten
bewegen. Ein kleiner Teich, von einem Patienten gebaut, mit verstecktem Sitzplatz ist beliebte
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Rückzugszone. Bunte Staudenpflanzungen, ein Obstgarten mit ungemähter Wiese und Sitzplätzen zur
Gruppentherapie. Eine offene Wiesenfläche, ein Bachlauf mit natürlich gefiltertem Wasser von
Trinkqualität, eine kleine Gärtnerei, ein Haus zur Überwinterung der Kübelpflanzen. Gemüse, Obst und
Kräuter können in einer eigenen Küche selbst verarbeitet werden.
Auch modernde Holzstapel, vernachlässigte Bereiche, werden von den Patienten entsprechend ihrer
aktuellen Befindlichkeit aufgesucht. Der knirschende Kiesbelag kündigt heran nahende Besucher an.
Die gesamte Gestaltung ist eher Angebot als Reglement, eher eine unterstützende Umgebung zur
Veräußerlichung nach innen gerichteten Verhaltens. Im besten Fall führt dies bei zunächst ganz
verschlossenen Patienten, über eine beginnende emotionale Anteilnahme zu einer aktiven Beteiligung
mit selbst gewählten Arbeiten. Auch die betroffenen Familien sollen mehr und mehr mit eingebunden
werden.
Das Thema des Therapiegartens hat in Skandinavien, wie auch in Österreich und Italien einen höheren
Stellenwert als in Deutschland. Die Praxis-Beispiele zeigen zahlreiche Wirkungen: - Verkürzung der
Aufenthaltsdauer und Rekonvaleszenzzeit, was Kostenersparnis bedeutet - Aufenthalt im Freien und
Grünen führt schon nach kurzer Zeit zu Stressabbau, Blutdrucksenkung und Muskelentspannung Stressreduktion und Milderung von Angst ermöglicht deutliche Medikamentenreduktion
Die Einsparung von Kosten im Gesundheitssektor durch Therapie im Garten und Gartentherapie sind
schwer zu erfassen. Das gilt erst recht für ihren prophylaktischen Einsatz. Und doch wagt Malmö ein
interessantes Projekt: um klinischem Burn-out vorzubeugen, werden Manager geschult, beginnende
Anzeichen bei ihren Mitarbeitern schon im Vorfeld zu erkennen. Die Betreffenden werden dann für 8
Wochen zur Therapie in den Garten geschickt. Es scheint, dass so der Ausbruch des Burn-outs
verhindert werden kann.
Aus ökonomischer Perspektive ist der gesundheitsfördernde Einfluss von Grün und Garten im
Therapiegarten, wie auch prophylaktisch im öffentlichen und privaten Grün nicht zu messen. Er hat
(noch) keine Währung. Die Ersparnisse für das Gesundheits- und Sozialwesen lassen sich nicht aus
einem einzigen Faktor ableiten sondern sind ein komplexes Beziehungsgeflecht aus visueller
Erfahrung, physischer Bewegung und emotionaler und sozialer Ansprache.
Ergänzende Referate:
DI Doris Astleitner / Stefan Streicher (A): „nature in the garden” idea and overview of therapeutical
gardens in Lower Austria
Ed Bennis (GB): “Cheadle Royal Hospital: A Garden for Alzheimer Patients”
Region Umbria: “A Therapeutic Park on the Mount Subasio”
Slottsträdgärden, Malmö
Slottsträdgärden ist ein biologisch organischer Nachbarschafts-Garten mitten in der Stadt. 1997
entstand die Idee, ungenutzte Bereiche eines ehemaligen Militärgeländes zu einem blühenden und
produktiven Garten zu gestalten. Träger war zunächst eine gemeinnützige Organisation in
Zusammenarbeit mit der Stadt. Seit 2003 hat die Stadt den Garten ganz übernommen. Leiter und
einziger fest Angestellter ist der Gärtnermeister John Taylor, der den Biogarten zu einem sozialen
Projekt machte.
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Auf ca. 2 ha entstanden ein großer Gemüse- und Schnittblumengarten und 8 Themengärten: der
Rosengarten, Insekten-Garten, der Schulgarten, der hängende Garten, Heidi’s Garten, Klettergarten,
Obstgarten und Japanischer Garten. Blickfang ist eine 150m lange Pracht-Rabatte. Die meisten
Pflanzen werden in einer kleinen Baumschule selbst angezogen. Hier findet auch der Verkauf von über
200 Staudensorten statt. Das Glashaus zum Überwintern der Kübelpflanzen ist im Sommer ein
beliebtes Café, das von der friends association „Vänförening“ geführt wird.
Slottsträdgärden ist öffentlich und immer zugänglich. Die intensive Bewirtschaftung wird von
Freiwilligen und Praktikanten geleistet – ohne Vertrag, ohne Versicherung, widmen sie sich der
gärtnerischen Arbeit, zur Gesundung, Rehabilitation, Wiedereingliederung oder aus persönlichem
Engagement. Helfende Hände sind immer willkommen. Interessierte können auch auf einem privaten
Beet (ca.3 m2) Obst und Gemüse zum eigenen Verzehr anbauen. Die Gärtner sind immer bereit Fragen
zu beantworten. Besucher können für kleines Entgelt Blumen pflücken oder Gemüse kaufen. Und
vielleicht greifen sie während ihres Besuchs den ein oder anderen gärtnerischen Tipp auf.
Tragende Figur der Idee ist die kommunikative Persönlichkeit von John Taylor. Er will den
entfremdeten Menschen spielerisch den Ablauf natürlicher Prozesse nahebringen. Seine Begeisterung
ist ansteckend. „Back to the basics“ ist sein Motto. Und er scheut sich auch nicht mit einem Arm voll
Rhabarber- oder Porree-Stangen durch die Fußgängerzone zu gehen. Zu seinem Budget von nur ca.
€18.000 generiert er weitere Einnahmen durch den Verkauf von Gemüse, Obst und Pflanzen. Eine
eigene Fernsehsendung bringt zusätzliches Geld.
Ein Treffpunkt soll der Garten sein, offen für alle, nutzbar für alle. Ort der sinnlichen Erfahrung, der
gärtnerischen Produktion, Ort der praktischen Erziehung und des sozialen Kontakts. Und Menschen
kommen, viele Menschen. „A park with people is save, the more people, the saver they feel. “ So finden
zusätzlich zu Café und Picknick während des Jahres zahlreiche kulturelle Veranstaltungen statt,
Musikkonzerte, Theater, Gärtner-Workshops, Pflanzentage und spontane Feiern.
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Internationaler Workshop in Schloss Dyck 15./ 16. Oktober 2012
Workshop „Economy 1“
Am 15.Oktober fand in Schloss Dyck der Workshop „Economy 1“ des Projekts HYBRID PARKS statt. 16
Partner aus 10 Ländern der EU trafen sich, um ihre Erfahrungen aus der Umsetzung vielseitiger
Projekte zur Gestaltung und Entwicklung öffentlicher Parks zum Thema auszutauschen.
Nach einem Treffen der Gruppe zum Beginn des Jahres in Spoleto (I) und dem ersten Workshop in Lund
(S) zum Thema „Soziales“ war nun die Stiftung Schloss Dyck als Projektträger der Gastgeber des
Workshops mit Schwerpunkt „Ökonomie: Stadtentwicklung, Stadterneuerung, Tourismus“, Beispiel
NRW. Im Auftrag der vier nordrhein-westfälischen Partner werden mit dem Schwerpunkt
„Inwertsetzung von Parks und Gärten für die Stadt- und Regionalpolitik“ u.a. die Bundes- und
Landesgartenschauen, die REGIONALEN in NRW, regionale Gartenprojekte (z.B. „Neue „alte“ Gärten“
in Ostwestfalen-Lippe), internationale Vernetzung sowie das aktuelle Thema Garten- und
Kulturtourismus vorgestellt.
SCHWERPUNKT REGION RUHR
Der besondere Schwerpunkt war es, den internationalen Partnern die Ruhr-Region mit ihren
herausfordernden Projekten in der Umgestaltung einer industriellen Großregion mit ihren Altlasten zu
einer grünen Landschaft mit neuen Technologien, Universitäten und einem nachhaltig lebenswerten
Umfeld für ihre Bewohner vorzustellen.
Evamaria Küppers-Ulrich vom Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr in NRW
gab einen Umriss der neuen politischen Rahmenbedingungen und Vorgaben in Anlehnung an die
„Leipzig Charta“ von 2007 zur nachhaltigen europäischen Stadt. NRW hat alleine 3.500 industrielle
Kulturerbestätten, die in ein neues Image zwischen Industrie und Landidylle integriert und
umgewidmet werden müssen. Die vorliegenden Dimensionen erfordern langfristige
Planungszeiträume, interdisziplinäre Beteiligungen und intelligente Lösungen.
Michael Schwarze-Rodrian von der Regionalvereinigung Ruhr stellte zahlreiche eindrucksvolle
Beispiele von Identitätswechsel und neuen Stadtlandschaften in der metropoleruhr vor: Emscher Park,
Zollverein Essen, Industriekultur und Haldengestaltung. Im Ganzen waren es 100 Einzelprojekte in 17
Städten mit übergreifenden Rahmenprojekten von Duisburg bis Dortmund. Nach der Internationalen
Bauausstellung IBA erst zeigen sich die nachhaltigen Vorteile für Standort und Wirtschaft. Gerade
gebietsüberschreitende Planungen brauchen Zeit und sind nie abgeschlossen, müssen immer wieder
neu geschrieben werden, erfordern hierarchiefreie, vertrauensvolle Beteiligungen. Auch weiterhin
wird es alle 4 Jahre eine Bestandsaufnahme geben.
Prof. Dr. Dietwald Gruehn: „Steigerung von Grundstückswerten durch Freiräume“
Dass die Investition in die Idee der „grünen Stadt“ nicht nur soziale, klimatische und ästhetische Werte
stärkt, sondern auch messbare ökonomische Vorteile nach sich zieht, zeigte der Vortrag von Prof. Dr.
Dietwald Gruehn von der TU Dortmund über die „Steigerung von Grundstückswerten durch
Freiräume“. Der Zusammenhang von qualitativ hochwertigen Grünflächen und Bodenwerten ist
inzwischen unbestritten und spielt in der Konkurrenz der Städte untereinander eine zunehmende
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Rolle. So ist es umso wichtiger, Parameter zu finden, die den wirtschaftlichen Wert der „grünen Güter“
als NonMarketGoods erfassen. Bei zunehmender Stadtflucht und dem Wettbewerb der Städte
untereinander werden sogenannte „soft location factors“ zunehmend den Standortwert beeinflussen.
Dabei könnte die Versorgung mit Grünflächen einen Einfluss auf die Immobilienwerte haben. Es ist
bemerkenswert, dass eine Vernachlässigung der Freiflächen in Städten und ihr Schrumpfen parallel
auftreten. Im globalen Wettbewerb der Städte um größte Lebensqualität wird der Ruf der Stadt immer
wichtiger. Daher nutzen viele in ihrer Eigenwerbung „grüne Ziele“, wie Wien, Zürich, Genf, Stockholm
oder Vancouver. EU Green Capital waren 2010 Stockholm und 2011 Hamburg.
Wissenschaftlich galt es den Zusammenhang zwischen Bodenwert und Versorgung/Qualität von
Freiflächen nachzuweisen. Dabei wurde die Hypothese bewiesen, dass der Unterschied der
Bodenwerte durch Freiraum bezogene Kriterien erklärt werden kann. Der Immobilien-Marktwert wird
bestimmt durch den Wert des Gebäudes und dem offiziellen Bodenwert. Dabei können mehrere
Faktoren den Bodenwert beeinflussen: mehr oder weniger zentrale Lage, Nähe zu Wasserbereichen,
Zugang zu Grünflächen, Charakter des Viertels, Lärmbelästigung etc. Die Untersuchung wurde für
jeweils 5 unterschiedliche städtische Strukturen in 26 deutschen Städten in Test-Raumeinheiten mit
10 Straßenzügen durchgeführt. Ergebnis: Es konnte ein eindeutiger Einfluss auf die Bodenwerte bei
fehlenden öffentlichen Grünflächen nachgewiesen werden. Vergleichbare Ergebnisse erbrachten
gleiche Untersuchungen in Schweden.
Bäume zeigten einen herausragenden Einfluss auf die durchschnittlichen Bodenwerte von
Wohngebieten. Schon eine Allee in einer Straße in Berlin hebt den Bodenwert um mehr als 20% an
(keine Bäume: ca. 490€/m2, mit Allee 687€/m2). Die Nähe einer gepflegten Parkanlage im Umkreis
von 100m kann bis zu 20% des Grundstückspreises ausmachen.
Sind die Städte und Kommunen andererseits nicht mehr in der Lage, ihre Grünflächen zu unterhalten,
hat dies unmittelbare Auswirkungen auf die Wertschätzung des Umfeldes. Der Einfluss des
Pflegezustands der Grünflächen auf die Bodenwerte innerhalb eines Aktionsbereichs von 500m ist
beträchtlich. Dabei war der Einfluss für die dichtbewohnten Stadtbereiche mit Abstand am höchsten,
gefolgt von Industrie- und Gewerbereichen; erst danach die Appartmentzonen.
Prof. Gruehn kam zu folgenden Schlussfolgerungen seiner Analyse:
-
Die Ergebnisse verdeutlichen einen breiten Einfluss verschiedener wertsteigernder Effekte von
städtischen Freiräumen auf die Bodenwerte Europäischer Großstädte.
Höhere Preise privater Wohnflächen innerhalb eines „grünen Umfeldes“ sind Ausdruck einer
höheren Wertschätzung der Einwohner für ihre Umgebung.
Diese Erkenntnis sollte von Politikern bei der Festsetzung von Prioritäten in finanziellen
Steuerentscheidungen berücksichtigt werden.
Die Ergebnisse könnten auch Anregungen geben für die Diskussion um schrumpfende Städte.
Die Entwicklung und der Unterhalt von hochwertigen Freiräumen könnte ein Mittel sein,
Lebensqualität und Image anzuheben.
Dies sind starke ökonomische Argumente für die Entwicklung von innerstädtischen Grünflächen und
ihre Pflege, die in die politischen Entscheidungen einfließen müssen. Es erfordert aber lange
Planungsphasen und Rahmenbedingungen, für die der öffentliche Sektor in Vorleistung gehen muss,
um nachhaltig die sozialen, ökologischen und ökonomischen Effekte der Investitionen in Parks und
Gärten zu optimieren.
47
Diskussion und Dyck als Best-Practice
Doch langfristig zahlt sich die Investition vielfach aus. „Der Payback ist spät. Firmen kommen dann,
wenn es schön ist“, so Schwarze-Rodrian. Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die
Entwicklungen, die Projekten folgen, wie Phoenix-See in Dortmund oder BUGA in Hamburg, die von
Beginn an begleitet werden können.
Spannend war die anschließende Diskussion, die zeigte, wie unterschiedlich die Planungszeiträume im
internationalen Vergleich sind. So werden auf die Industriestadt Liverpool, mit dem Ruhrgebiet
vergleichbare Probleme zukommen. Für Planungen steht jedoch nur ein 5-Jahreszyklus zur Verfügung.
Für das Potenzial einer historischen Gesamtanlage war der Park von Schloss Dyck dann anschauliches
Best-Practice Beispiel. Jens Spanjer, Vorstand der Stiftung und Projektleiter Hybrid Parks, gab Einblick
in die praktische Umsetzung und Erfolge mit Neuentwicklungen, Events, Festivals, Gartenpädagogik
und Tourismus. Bei einem Spaziergang durch den herbstlichen Park und die modernen Gärten konnte
dann die Natur selbst ihren entspannenden Zauber entfalten.
Wie die Stiftung Schloss Dyck immer wieder neue Strömungen der Gartenkultur aufgreift und
konservatorische Initiativen für die Gegenwart neu interpretiert, zeigt der neue Spalierobstgarten.
Roswitha Arnold vom Landschaftsverband Rheinland stellte im Bereich Gartenpraxis den neuen
Obstgarten vor, in dem zwischen Gambionenwänden alte Anbaumethoden und Spalierformen
demonstriert werden. Der vom LVR geförderte Garten greift die Obstanbau-Tradition des Dycker
Ländchens auf und soll Anregung für Privatgärtner sein. Geplant ist eine Vernetzung mit weiteren
Mustergärten, damit dieses Wissen der alten Kulturlandschaft über Obstsorten und ihre Schnittformen
bewahrt bleibt.
REFERATE VON INTERNATIONALEN MITGLIEDERN: MIKOLOW, POLEN
Am Nachmittag präsentierten ausländische Partner eigene Parkprojekte. Der System-Biologe Pawel
Kojs stellte den jungen Schlesischen Botanischen Garten in Mikolow vor, der 2003 gegründet wurde.
Auf 100 ha einer aufgelassenen, ehemaligen Raketenabwehrstation beheimatet er 15 PflanzenSammlungen und hat inzwischen ca. 50.000 Besucher jährlich. Neue gartenpädagogische Programme
sollen eine integrierte Sicht auf das Leben mit der Natur fördern. 30 geschulte Ausbilder geben
Semesterkurse für Kinder und Jugendliche über den nachhaltigen Umgang mit Natur in dem direkten
Erleben ökologischer Systeme. Ökologische Workshops und Öko-Kalender ergänzen das pädagogische
Angebot.
Doch die Idee des botanischen Gartens wird noch weiter gedacht. Das mit EU-Mitteln geförderte
Programm betrifft ein Gelände im benachbarten Radzionków (Construction oft he Centre for Ecological
Education of the Botanical Garden in Radzionków). Hier wird im Winter 2012/2013 erstmals eine ganze
Vegetationsfläche von 4 ha, ein ganzes Habitat, umgesiedelt werden, das sonst bei der Erweiterung
des internationalen Flughafens Katowice zerstört werden würde. Eine große Aufgabe für die
Erforschung von Feuchtgebieten und ein Experiment, das Wissenschaftler in ganz Europa aufmerksam
verfolgen.
PAOLA, MALTA
Von Polen führte der nächste Referent in den Mittelmeerraum nach Malta. Dr. Malcolm Borg aus Paola
berichtete über die Entwicklung von öffentlichen Freiflächen im Spannungsfeld zwischen historischem
Weltkulturerbe, abwandernder Bevölkerung und sozialen Problemzonen. Ein EU-geförderter REPAIR
Action Plan in Anlehnung an die Charta von Leipzig wurde auf den Weg gebracht.
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Der Sektor Erziehung und Training entwickelt das Corradino Viertel und den typisch maltesischen
Garten Wied Blandun mit Eucalyptus, Kiefern, Feigen, Ficus als Ausbildungs-Flächen (Atelier Sites). In
diesem Puffer zwischen Durchgangsverkehr und Wohngebiet werden Green Skills und Kurse zu
Landschaftserneuerung und Management zur sozialen Wiedereingliederung und Berufsorientierung
für Schulabgänger gegeben.
Im Bereich Tourismus und Kultur sieht der REPAIR Action Plan die Ausweisung eines Geschichts-Weges
(Paola Heritage Walk) vor, der auch die Festung und Teile der alten Dockanlage mit einbezieht. Eine
besondere Bedeutung kommt dabei den ‚Corradino Lines‘ zu, die von Briten auf den Höhen angelegt
wurden (1871-1872), um potentiellen Feinden die strategischen Aussichtspunkte auf den Hafen zu
verwehren. Sie sollen in einen Kulturerbe Rahmen integriert werden. Dies könnte die Anwohner vor
Ort mehr an ihre eigenen Freiflächen binden und gleichzeitig für eine Diversifikation des Tourismus
förderlich sein.
CHESHIRE, ENGLAND
Wie durch eine gezielte Werbekampagne seit 2008 eine ganze Region ins Blickfeld eines neuen
Gartentourismus gerückt werden kann, zeigte Caroline Hoppé von „Cheshire’s Gardens of Distinction“.
Die Ernennung (der Nachbarregion) Liverpool zur Kulturhauptstadt Europas wurde als Chance genutzt,
das Image und die Besucherzahlen der Gartenregion durch ein Jahr der Parks und Gärten in Cheshire
zu steigern. Darauf aufbauend führen dieses Ziel heute ein regionales Gartennetzwerk und Marketing
Cheshire gemeinsam weiter. Die Garten-Konkurrenz speziell im Süden Englands mit seinen klassischen
Gartenregionen ist groß und es galt, zunächst auf die mehr als 30 schönsten Gärten von Cheshire
aufmerksam zu machen.
Die entwickelten Marketing Strategien finden inzwischen in der regionalen, nationalen und
internationalen Tourismus Industrie erfolgreich Beachtung. Beworben werden vier gartenbezogene
Themen, Events und Sonderprogramme in den teilnehmenden Mitgliedsgärten (Flora & Fauna, Food
& Drink, Arts & Culture, Kids & Family). Gezielte Medienkampagnen erreichen mehr als 25 Millionen
Haushalte. Durch den beliebten TV Garten-Moderator Chris Beardshaw bekam die Initiative ein
„Medien-Gesicht“. Die neue Website generierte allein 52.000 Besucher. Es gelang, die Besucherzahl
um 366.000 zu steigern, von denen fast die Hälfte sogar über Nacht blieb und zunehmend vor Ort mehr
Geld ausgibt
Was Besucherbefragungen betrifft hat Cheshire wohl die meisten Informationen über Eigenschaften,
Erwartungen und Anreisemodus seiner Gartenbesucher. Ein Austausch über die Art der Erhebungen,
Erfahrungen mit Fragebögen und Interviews wird in einem künftigen Treffen zum Hybrid Parks Projekt
interessante Anregungen für die teilnehmenden Partner bringen.
Die neue Website des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL)
Um neue Zielgruppen zu erreichen sind die neuen Medien von großer Bedeutung. Udo Woltering vom
Landschaftsverband Westfalen-Lippe stellte die neue Website „Gärten und Parks in Westfalen-Lippe“
vor. 100 ausgewählte Gärten mit besonderer Strahlkraft, Besonderheiten oder Kleinode der
Gartenkultur können über Bilder, Texte und Standort medial erkundet werden. Touristische und
praktische Informationen bis zur Anreise- und Fahrplanauskunft können angeklickt werden. Von Mai
bis Oktober nutzten schon über 12.000 Besucher die neue Seite, um sich über Gärten, Events und
Preise zu informieren. Einig waren sich alle Teilnehmer, dass e-postcards und moderne Apps das
Angebot ergänzen, man aber auf begleitende Broschüren und Karten nicht verzichten kann.
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EXKURSION INS RUHRGEBIET
Die Exkursion am zweiten Tag ins Ruhrgebiet führte die 35 Teilnehmer des Workshops zum PhoenixSee und einer Kleingartenanlage in Dortmund sowie zum Landschaftspark Duisburg Nord.
Eindrucksvoll war die Umgestaltung der ehemaligen Industrieanlage Phoenix zu einem Freizeit-See,
der an guten Wochenenden in diesem Sommer schon bis zu 20.000 Menschen lockt und Dortmund
zunehmend ein neues und modernes Image verschafft.
Duisburg Nord – als der große Park der Industriekultur im Ruhrgebiet, wurde zum herausfordernden
Spaziergang zwischen Hochöfen und gestalteten Gärten in alten Kohlebunkern, der keinen unberührt
ließ. Hier wurde der Begriff des „städtischen Parks“ neu definiert – eine unkonventionelle Lösung für
Jung und Alt. Das ganze Jahr hindurch besuchen Einheimische sowie Touristen aus aller Welt die alten
Eisenwerke, die nachts in buntes Licht getaucht werden.
Das Konzept Ruhr ist eine interdisziplinäre Erfolgsgeschichte, die zu zahlreichen Diskussionen der
Teilnehmer über die Idee des „Hybriden Parks“ anregte. Die nächste Konferenz im November in Assisi
in Italien wird wieder neue Aspekte hinzufügen. Gerade dieser internationale Erfahrungsaustausch,
das Lernen von guten Beispielen, ist die Basis des „Hybrid Parks Projekts“. Der effiziente Transfer dieses
Know-Hows in eigene Politiken und Programme ist das Ziel.
50
Internationaler Workshop in Assisi, Umbrien 23. - 24. November 2012
International open conference
”Generating Value Through Parks and Gardens”
In Assisi fand am 23. November die offene Konferenz „Generating Value Through Parks and Gardens“
des INTERREG IVC Projekts HYBRID PARKS statt. 16 Partner aus 10 Ländern der EU trafen sich, um ihre
Erfahrungen aus der Umsetzung vielseitiger Projekte zur Gestaltung und Entwicklung öffentlicher Parks
zum Thema auszutauschen.
Zur Begrüßung sprachen Paolo Papa und Fernanda Cecchini, Verwaltungsmanager und Stadträtin der
Region Umbrien, einführende Worte zu den über 100 Teilnehmern der Tagung. Zu den internationalen
Partnern waren Fachleute aus ganz Italien sowie Politiker und Journalisten der Region
hinzugekommen. Die Beiträge, die teils in sehr sprachschnellem Italienisch vorgetragen wurden,
übersetzten zwei Simultanübersetzer ins Englische.
Christian Grüssen, Projektkoordinator Hybrid Parks
„Präsentation des Hybrid Parks Interreg IVC Projekts 2007-2013“
In seinem einleitenden Vortrag erläuterte Christian Grüßen anschaulich und kurzweilig den weiten
Weg und die Anfänge des Hybrid Parks Projekts. Und alles begann buchstäblich mit der Vision des
„Paradiesgartens“, die bei allen Vorstellungen heutiger Gärten unbewusst weiter mitschwingt.
Dabei ging Christian Grüßen zunächst auf den Begriff „Hybrid“ ein, der in der Pflanzenzucht schon lange
existiert und unter anderem für neue Vielfalt und gesteigerte Erträge steht. In der Technik versteht
man heute unter Hybrid auch die intelligente Verknüpfung von Funktionen, um z.B. beim Auto die
Energieeffizienz zu steigern. Die Besonderheit besteht hierbei darin, dass die einzelnen Systeme schon
eine unabhängige Lösung darstellen, sie in ihrer Kombination aber nicht nur zu einer
Leistungssteigerung, sondern auch zu neuen positiven Eigenschaften führen können.
Die Kombination von unterschiedlichen Funktionen hat bei Parks und Gärten eine lange Tradition, wie
zum Beispiel beim englischen Landschaftspark in der Kombination von ästhetischen und
repräsentativen Zwecken im Park mit dem Anbau von Obst und Gemüse im durch Mauern
abgeschirmten, angrenzenden Küchengarten. Ein anderes Beispiel ist der Park von Versailles, der als
Kunstwerk nicht nur dem Vergnügen diente, sondern auch der Präsentation der absolutistischen
Macht seines Auftraggebers. Und auch das Paradies war „hybrid“, da mit dem angenehmen Leben
auch die Versuchung verbunden war und zu einer Entscheidung mit weitreichenden Folgen führte.
Heute sind die Funktionen öffentlicher Parks vielfältig: sie dienen der Erholung, dem Sport und
pädagogischen Zielen, sollen Klimainseln sein, sind Veranstaltungsorte und touristische Attraktionen.
Gemeinsam in einer Gruppe von 16 Partnern in 10 Ländern Erfahrungen mit dieser Funktionsvielfalt
zu diskutieren ist das Hauptziel des Projektes Hybrid Parks. Es gilt, die sich hieraus ergebenden
Anforderung und Gefahren, aber auch Chancen zu erkennen und zu formulieren und nach Lösungen
für gemeinsame Herausforderungen zu suchen. Ein verändertes Nutzerverhalten lässt sich
übergreifend in vielen Parks und Gärten feststellen. Bei der Einschätzung der Auswirkungen und
51
Chancen des Klimawandels, auch bedingt durch die unterschiedliche geografische Lage, sind sich die
Partner noch uneins.
Christian Grüßen stellte dann das Projekt Hybrid Parks als notwendigen und logischen Baustein in der
Entwicklung des Europäischen Gartennetzwerkes EGHN dar, das vor rund 10 Jahren ebenfalls als
INTERREG Projekt gestartet war. Schon hier stand das Nachhaltigkeitsdreieck aus Ökologie, Ökonomie
sowie Soziales/Kultur im Zentrum des Antrages und der Projektaktivitäten. Mit seiner stetig
wachsenden Zahl an Partnern und Partnerländern hat es die Vorarbeiten für das neue Projekt gestärkt.
Im Zusammenwirken mit den EGHN-Aktivitäten im Bereich des nachhaltigen Gartentourismus und
dem Europäischen Gartenpreis kann es der Partnerschaft leichter gelingen, neue Lösungskonzepte
nicht nur zu entwickeln, sondern sie auch der Fachwelt zu kommunizieren und vor Ort umzusetzen.
Im Hinblick auf die beim Projekt Hybrid Parks im Vordergrund stehende Frage der möglichen
Mehrfachnutzungen bzw. kombinierten Inwertsetzung öffentlicher Freiflächen für unterschiedliche
Ziele nachhaltiger Raumentwicklung war insbesondere der erste Beitrag von großer Bedeutung.
Lucina Caravaggi, Landschaftsarchitektin und Professorin an der Università La Sapienza, Rom
“Die neuen ‘Gärten’. Ein Blick auf die Rückgewinnung und Entwicklung von Randflächen”.
Präsentation ihres Buches „Die Verkehrskreuzung und die Artenvielfalt“
Prof. Caravaggi zeigte an einem konkreten Beispiel, wie der Landschaftsbegriff sich verändert hat und
wie sehr es bei der öffentlichen Freiraumplanung darum geht, die unterschiedlichen
Interessensbereiche und Planungsebenen zu integrieren, um zu einem synergetischen Ergebnis zu
kommen.
Trevi – eine Fallstudie Wiederverbinden – Aufwerten – Umgestalten (riconnettere, valorizzare,
rimodellare) Trevi ist eine typisch umbrische Kleinstadt, ca. 30km südlich von Assisi, steht auf der Liste
der ‚schönsten Dörfer Italiens‘ und ist berühmt für sein Olivenöl. Die historische Altstadt liegt, von
weitem sichtbar auf einem Hügel, während die neuen modernen Stadtviertel sich im Tal des Clituno
entlang der Via Flamina entwickelt haben. Parallel zu ihr verlaufen zusätzlich eine Schnellstraße und
eine Eisenbahntrasse. Aus dieser Trennung zwischen dem historischen Zentrum und der Ebene ergibt
sich inzwischen eine kulturelle, historische, ökologische und städtebauliche Problemstellung. Die
neuzeitlichen Barrieren (Infrastruktur und Siedlungen) führen zur Abgrenzung eines
Landschaftsraumes, der in der Vergangenheit immer als Ganzes wahrgenommen wurde und in dem es
zwischen Anhöhe und Ebene zu einem ständigen komplementären Austausch der Systeme von
„Wasser“, „Ökologie“, „Bewirtschaftung“ und „Besiedlung“ kam. - Der neue Rahmenplan der Region
Umbrien (regulatory framework) sieht die „Regionalen Landschaften“ als erste Annäherung zwischen
wirtschaftlicher und kulturräumlicher Entwicklung. Sie sind der kulturelle Bezugspunkt für alle Ebenen
der Verwaltung und Instrumente der Raumordnung. Das innovative Potenzial der „Regionalen
Landschaften“ liegt in der Überwindung der Partikularinteressen durch „multi-purpose-projects“. Im
Fall von Trevi wird dies als Gelegenheit gesehen, dass alle Pläne und Programme eine gemeinsame
Vision des Landschaftsraumes anerkennen, die die Beziehung zwischen Landschaft, Artenvielfalt und
ländlicher Entwicklungspolitik zusammenführt und durch gemeinsame Finanzierungsinstrumente
stärkt. Das Verstehen der historischen Entwicklung einer Region erfordert einen multidisziplinären
Ansatz, der - im Fall von Trevi - die Disziplinen Landschafts- und Geschichtsforschung wie auch Biologie
und Soziologie mit einbezog. Eine zentrale Rolle kommt im umbrischen Tal hierbei der Via Flamina mit
ihrem angrenzenden Straßennetz zu, in der sich die Siedlungsentwicklung der letzten 100 Jahre
ablesen lässt. Nun soll sie der Überwindung der heutigen Zersiedelung sowie der Integration von
Umwelt- und Landschaftswerten dienen. - Aktuelle Landschaftsprojekte (national und international)
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legen zunehmend Wert auf die sogenannten „Randgebiete“ (marginal areas) – einer wertvollen, aber
potenziell gefährdeten Landreserve von noch geringem Bodenwert. Im Fall von Trevi sind diese
Randgebiete Restflächen einer unkoordinierten Infrastrukturplanung (Straßen und Bahngleise).
Besonders im Hinblick auf den Erhalt und die Entwicklung der Artenvielfalt können diese Flächen
wertvoll sein.– Da die Trasse der Via Flamina als isolierend und gefährlich von den Bewohnern
empfunden wird, sieht das Projekt eine Gestaltung vor, bei der die Straße von einer reinen
verkehrstechnischen Verbindungslinie zu einem öffentlichen Raum wird, der auch von Anwohnern als
‚öffentliches Gut‘ (common good), als eine Gebrauchslandschaft mit Wiedererkennungs- und
Identifikationswert wahrgenommen wird. - Die Anerkennung der historischen Landschaftswerte hat
immer zu einer widersprüchlichen Haltung geführt: Erhalt einiger besonderer Gebiete einerseits, wie
dem historischen Zentrum von Trevi und den Olivenkulturen bei gleichzeitiger Zerstörung anderer
Räume, wie Flächen historischer Landnutzung in der Ebene andererseits. Die Idee der
‚(Kultur)Landschaft‘ gemäß der Europäischen Konvention führte zu der Erkenntniss , dass die
gewachsene Gesamtheit „Landschaft“ ist und dass die unterschiedlichen Nutzungen neu interpretiert
werden müssen. Im Fall von Trevi ist die Identifikation ursprünglicher landwirtschaftlicher Strukturen
von Bedeutung für die Revitalisierungs-Programme, um die neuen Planungsziele mit den wichtigsten
Landschafts-Matrixen, den Nutzungs- und Gestaltungsmustern der Vergangenheit zu verbinden. - Wie
sich dieser integrative Blick auswirken kann, zeigt die Neugestaltung einer großen Verkehrsinsel mit
den straßenbegleitenden Flächen der Via Faustana. Dieser Kreisel mit Blick auf die Altstadt bildet nun
das optische Eingangstor in die Stadt. Hier wurden durch die Anpflanzung von Baumreihen (Quercus
pubescens) im Kreisel selber, aber auch auf Nebenflächen überspringend, die historischen PflanzStrukturen in ihrer Ausrichtung aufgegriffen. Der Unterbewuchs besteht aus ortstypischen
Samenmischungen. Sanfte Terrassierungen mit Cortène-Stahl-Bändern fangen die natürliche Neigung
auf. Ein weiterer Bauabschnitt sieht sichere Straßenquerungen und für die begleitenden Flächen
Fußwege und eine einladende Möblierung vor, die den Barriere Effekt mildern und den Straßenraum
so zu öffentlichen Grünflächen machen sollen. So wird Bezug und Einfluss auf die umgebenden
Nutzungen genommen und zusätzlich der Blick der Autofahrer auf die historische Altstadt und die
Qualität der sie umgebenden Landschaft gerichtet. Entsprechend der Ziele: Wiederverbinden,
Aufwerten, Umgestalten.
Ilaria Borletti Buitoni, Präsident des FAI Fondo Ambiente Italiano
“Öffentliche/private Ansätze, das Kulturerbe von Parks und Gärten zu steigern und das Wissen zu
vermitteln”
Bewusstheit (awareness) als treibende Kraft für Entwicklung
Ilaria Borletti Buitoni stellte am Beispiel des Tempelgartens Kolymbetra auf Sizilien den internationalen
Partnern die Aufgaben und Ziele des Fondo per l’Ambiente Italiano (Italienischer Umweltfonds), kurz
FAI vor. Sie eröffnete ihren Beitrag mit einem zentralen Satz: „Historische Landschaft ist unsere
kulturelle Identität“, so Borletti. Italien ist ein Land, das über eine überwältigende Anzahl historischer
Kulturstätten verfügt. Nach dem Modell des National Trust in England widmet sich der Fond der
Aufgabe der Erhaltung und Erschließung der historischen, kulturellen und natürlichen Güter für ein
breites Publikum. Gegründet wurde er 1975 als privater Nichtregierungs- und Non-Profit-Fonds und
betreut inzwischen mehr als 45 Besitztümer in Italien, von denen 24 der Öffentlichkeit zugänglich sind.
Historische Gebäude, Schlösser, Gärten, Parks und auch Naturräume besonderer Schönheit sind dem
FAI durch Schenkung, Spende oder Stiftung anvertraut. FAI restauriert die Güter und öffnet sie für
Besucher. Dabei geht es nicht nur um die historischen Gebäude und Villen, sondern gleichwertig um
die sie umgebenden Gärten, die als wertvolle Kulturgüter in der Restaurierung einander verbunden
53
sind. FAI ist nicht nur eine Abkürzung sondern entspricht dem Imperativ des Verbs ‚fare‘ – „Mache!“,
„Setz Dich ein!“
Eines der letzten fertiggestellten Projekte ist der Garten der Kolymbetra im Tal der Tempel in Agrigent.
1999 hatte die Region Sizilien das seit Jahrzehnten vernachlässigte und verwilderte Gelände im
Schatten der weitläufigen Tempelanlage dem FAI für 25 Jahre zur Restaurierung übergeben. Die
Aufgabe war eine wissenschaftliche und technische Herausforderung für Historiker, Archäologen,
Botaniker, Geologen und die eingebundenen Institutionen. Die Ursprünge des ca. 5 ha großen Gartens
gehen auf ca. 500 v.Chr., die Zeit der griechischen Besiedlung und des Tyrannen Theron zurück. Dieser
hatte nach dem Sieg gegen die Karthager bei Himera den Bau eines Wasserbeckens – eines
„Colimbetras“- beauftragt, das sieben Stadien lang und zehn Armlängen tief war. Ein raffiniertes, teils
unterirdisches Bewässerungssystem ließ trotz der widrigen Sommerdürre die damals schon
berühmten üppigen Gärten von Kolymbetra entstehen.
Im 1.Jh.n.Chr. wurde das große Becken verfüllt und damit selbst zur erweiterten landwirtschaftlichen
Nutzfläche. Historisch belegt sind der Anbau von Zuckerrohr und vielen Obstbaumsorten. Im späten
Mittelalter als Nutzgarten für das benachbarte Kloster, wurde er mit der Einführung der ersten
Zitrusfrüchte ein viel besungener Orangenhain, der zum unbedingten Muss romantischer
Italienreisender im 19.Jh. auf ihrer Grand Tour wurde. In den 50er Jahren des 20.Jhs. verfiel der Garten
zunehmend. Durch die Übergabe an die FAI erhoffte sich die Provinz eine Wiedergewinnung der
historischen Agrarlandschaft und eine Restaurierung der antiken Bewässerungssysteme. Inzwischen
sind die unterirdischen Wasserkammern, aus denen sich heute wieder die Bewässerung speist, die
einzig öffentlich zugänglichen.
Es ist gerade die Kombination von der natürlichen Tallandschaft zwischen steil aufsteigenden
Tuffwänden mit der traditionsreichen Bewirtschaftung und ihren archäologisch technischen
Fundstücken, die das Faszinosum dieses Ortes ausmachen. Im klassischen Obst-Garten, dem
„giardino“, verbinden sich seit alters her der Nutzen der Bäume mit der Schönheit, dem lustvollen
Erleben der duftenden, schattigen Haine im Gegensatz zu der sie umgebenden ariden Landschaft. Der
Garten der Kolymbetra umfasst Hügel, Täler und Feuchtgebiete mit unterschiedlichen
Vegetationszonen. Bei der Neugestaltung ging es nicht nur darum, ein Stück verschwundenen
botanischen Reichtums wiederherzustellen, sondern die historischen, botanischen Charakteristiken
herauszuarbeiten. „Wie lässt sich die Seele, “l’anima“, des Gartens zum Vorschein bringen?“ Die
Aufgabe war groß und komplex und konnte nur mit Hilfe eines großzügigen, privaten Spenders
bewältigt werden, der sein persönliches Schicksal eng mit der Entstehung des Gartens verbunden sah.
Heute ist Kolymbetra wieder ein suggestiver Ort, ein kleines Eden, das am Fuße der Tempel von Zeus,
Castor und Pollux Duft, Stille und Schatten spendet. Auf einem Drittel der Fläche wachsen
Zitrusfrüchte in zahlreichen Sorten, die entsprechend alter arabischer Tradition kultiviert werden.
Knorrige Sarazenische Olivenbäume sind mit den berühmten Mandelbäumen die Leitpflanzen (18%)
am Fuß der hohen Kalkfelsen. In den letzten Jahren wurden mehr als 1.500 Mandelbäume gepflanzt,
die mit 300 Sorten die Vielfalt ihrer Art dokumentieren. Es wachsen Maulbeerbäume, Quitten, Feigen,
Granatäpfel. Den größten Teil nimmt die mediterrane Macchia ein, mit Johannisbrotbäumen, Lorbeer,
Pistazien, Faulbaum und Zwergpalmen. Die einzelnen Bereiche des Gartens sind mit Hinweisschildern
versehen. Der Eintritt beträgt €2,00. Die Finanzierung trägt sich durch Eintrittsgelder (38%), freie
Zuwendungen (36%), Bookshop (25%) und Vermietungen (1%). 74% der Gelder müssen für
Personalkosten aufgewendet werden. Das Paradies scheint wiederhergestellt. Borletti Buitoni ist
sichtlich stolz. 2012 war der Garten von Kolymbetra unter den 10 Finalisten der „Schönsten Parks
Italiens (Parco Più Bello D’Italia)“. Bisher finden noch nicht viele Touristen den Weg von den
Tempelruinen in diese Naturschönheit. Und dabei ist der Begriff ‚Tourismus‘ für die Direktorin
keinesfalls negativ belegt. Der große Gewinn ist es, diesen Garten gerettet und für die Öffentlichkeit
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bewahrt zu haben. Erhalten werden kann er nur durch zahlreiche Besucher. Wie so viele Kulturgüter
des Landes, von denen es eine unerschöpfliche Menge hat. Weltweit lag Italien mit seiner
Touristenzahl einmal an 1. Stelle, heute belegt es den 15. Platz. Buitoni ist nicht ohne Hoffnung.
Vielleicht trägt die augenblickliche Krise ja zu einer Besinnung auf die Reichtümer des Landes bei.
Judith Wade, Gründerin und Geschäftsführerin der „Grandi Giardini Italiani“
„Der Nutzen eines Netzwerks: Grandi Giardini Italiani“
“Grandi Giardini Italiani”, die „Großen Gärten Italiens“ wurde im Jahr 1979 gegründet und ist das
größte Gartennetzwerk Italiens. In der Vereinigung haben sich inzwischen mehr als 90 Gärten
zusammengefunden mit dem Ziel, dem grünen Kulturerbe Italiens Öffentlichkeit zu verleihen und es
touristisch weiterzuentwickeln. Judith Wade, die Gründerin des Netzwerks, stieß 1977 auf die
gewaltige Zahl von 1.250 registrierten Gärten in Italien und beschloss, sich öffentlichkeitswirksam für
außergewöhnliche Gärten und Parks einzusetzen. Die Auswahl wurde mit hohem Anspruch, „testa
alta“ an Qualität und Pflegezustand umgesetzt. Im sich entwickelnden Kulturtourismus (multi cultural
tourism), sah sie die privaten Gartenbesitzer in der Vermarktung ihrer Gärten ziemlich alleine stehen.
Mit ihrer Erfahrung in Werbung und Public Relation fühlte sie sich angespornt durch den Weckruf des
Umweltfonds „FAI – Setz Dich ein!“. Von Anfang an ging es nicht allein darum, die Gärten zu listen und
zu präsentieren. Die Mission ist: Private und öffentliche Gärten in einen beispielhaften ökonomischen
Kreislauf (economic curcuit) einzubinden, der Einkommen generiert und sie damit selbstfinanzierend
und unabhängig macht. Marketing und moderne Kommunikationsmittel (viel besuchte Website, Social
Networks), Promotion Events (Preise), selbst ein eigenes Verlagshaus für Gartenführer und –bücher
rücken die Gärten ins Interesse der italienischen Öffentlichkeit und des Tourismus.
Gartentourismus ist eine wichtige wachsende Größe im touristischen Sektor. Dabei geht es eher um
„slow tourism contra mass tourism“. Über 8 Millionen Besucher wurden in den Gärten des Netzwerks
2012 verzeichnet – eine nicht zu unterschätzende ökonomische Kraft für das krisengeschüttelte Land.
„Grün ist Gold“ – um schlagkräftige Slogans ist Judith Wade nicht verlegen. Das Motto „Brot und auch
Rosen“ (bread and roses, too) verwandelte sie in „Rosen und auch Brot“ (roses and bread, too) und
betont die stetig steigende Zahl der Angestellten und damit von Arbeitsplätzen, die ein
funktionierender Park braucht, vom Kassenhaus bis zu den Gärtnern und Führern. Das Team muss aber
vertrauenswürdig, Öffnungszeiten müssen verlässlich sein, Hinweisschilder sind unverzichtbar.
Frankreich und Deutschland sind ihr ein gutes Beispiel für funktionierende Organisation. Ein besonders
wichtiger Aspekt ist für Judith Wade die Preisgestaltung. Besucher von Gärten haben ein vorwiegend
kulturelles Interesse, sie wissen den Wert der Gärten zu schätzen. „Ist der Eintritt gratis, ist der Wert
gleich Null! Und damit geben wir ein falsches Zeichen!“, ist sie überzeugt. Mit viel Hartnäckigkeit und
Überzeugungskraft hat der Erfolg des Netzwerks namhafte öffentliche Sponsoren überzeugt wie Credit
Suisse, Bayer Garden, Bosch, Corradi, Torsanlorenzo, Visit Italy u.a. Sie haben mit dem Netzwerk schon
viele Projekte mit Umweltbezug gestartet, um eigene negative Umweltauswirkungen zu kompensieren
und Verantwortung für Natur und Kultur zu dokumentieren. „Wenn Italien, wie Goethe schrieb, der
Garten Europas ist, so nutzt Grandi Giardini Italiani dieses Erbe als die treibende Kraft für Wirtschaft
und Kulturtourismus in Italien.“
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Stephanie Knoblich, Landschaftsarchitektin, Stiftung Schloss Dyck – Dramaturgin Forum InterArt
„illumina und die Stiftung Schloss Dyck“
Für die Teilnehmer, die die Stiftung Schloss Dyck noch nicht kannten, gab Stephanie Knoblich einen
kurzen Abriss der Entstehungsgeschichte des Wasserschlosses und der späteren Stiftung: Fürst Josef
zu Salm-Reifferscheidt Dyck als zentrale Gründungsfigur des Parks und historische Bezugsperson für
die Idee des Pflanzensammelns, -präsentierens und der internationale Bezug der Anlage. Es folgte eine
atmosphärische Einstimmung und Beschreibung einzelner Parkbereiche. 1999 Gründung der Stiftung
für Gartenkunst und Landschaftskultur. 2002 dann, zur Landesgartenschau, die Vergrößerung des
Geländes mit modernen Schaugärten und dem Dycker Feld auf gesamt 70 ha. In den folgenden zehn
Jahren ist es durch ein ständig erweitertes Angebot gelungen, die Besucherzahl von 78.000 auf über
200.000 im Jahr 2012 zu steigern.
Eintrittsgelder machen 57% des Stiftungseinkommens aus und sind der Faktor, auf den durch aktives
Management und innovative Ideen direkt Einfluss genommen werden kann. Als Hauptveranstaltungen
haben sich bis jetzt „Gartenlust“, „Schlossweihnacht“ und „Classic Days“ als jährliche Attraktionen
etabliert. Ziel ist es dabei, Besucher anzuziehen, die den Park vielleicht auch mehr als einmal besuchen
werden. Themenführungen, Fachveranstaltungen, Seminare und Weiterbildung für Fachleute
(„Baumpraxis“) sowie naturpädagogische Veranstaltungen („Grüne Klassenzimmer“) erweitern das
Spektrum. Eines der wichtigsten Projekte der Stiftung war seit 2003 die Entwicklung des Europäischen
Gartennetzwerks EGHN, für das der Park selbst Ankergarten ist. Seit 2010 wird im Herbst der
Europäische Gartenpreis im Schloss vergeben.
Die Nachtinszenierung „illumina – Schloss Dyck“
Im Sinne des Konferenzthemas der Inwertsetzung und Mehrfachnutzung von Parks und Gärten stellte
der Beitrag von Stephanie Knoblich in seinem zweiten Teil die frühherbstliche Nachtinszenierung
„illumina“ vor, die seit zehn Jahren eine der publikumswirksamsten Veranstaltungen der Stiftung ist.
Im September 2012 kamen 33.500 Besucher in den nächtlichen Park; das sind 20% des Jahresvolumens
der Besucher.
Was illumina von anderen Events, Märkten und Festen besonders unterscheidet, ist, dass der Park
selbst Protagonist der Inszenierung ist. Damit wird er wortwörtlich in einem „neuen Licht“ präsentiert.
illumina ist mehr als nur „Beleuchtung“. illumina verlebendigt die Parkarchitektur, Sichtachsen und
räumliche Bezüge, die bei Tag nicht so wahrgenommen werden. Dabei bestimmt der Regisseur, „was“
und „wie“ gesehen wird, indem er Bäume, Baumgruppen, Sträucher und Räume mit Licht aus dem
nächtlichen Dunkel herausschält. Die Besucher folgen einem jährlich wechselnden Rundweg, der mit
Tellerkerzen vorgegeben ist. Sie „ergehen“ sich die Inszenierung selbst und werden durch das Gehen
selber Teil von ihr. Musik, Text und Klang vertiefen das jeweils leitmotivische Thema, wie
„Jahreszeiten“, „Bilderzauber“ oder „Wasserphantasien“, an 15 bis 20 Spielorten entlang des ca. 2 km
langen Rundwegs.
Besonders wichtig ist die vorbereitende und begleitende Pressearbeit der Stiftung. Regionale und
überregionale Beiträge in Fernsehen, Radio und Lokalpresse haben unmittelbaren Einfluss auf die
Besucherzahlen. Zur illumina kommen Besucher jeden Alters – Familien, Freundesgruppen,
Liebespaare. Diese Licht-Spiele sind auch eine Herausforderung für eine wachsende Foto-Community.
Hunderte Fotografen ziehen mit ihren Stativen bis Mitternacht durch den Park. Die Nacht im Park hat
ihre eigenen Regeln und bietet ein Erleben, das tief in der menschlichen Seele gründet und Phantasien
freisetzt. illumina will eine neue Sichtweise eröffnen, die auch bei zukünftigen Parkbesuchen weiter
mitschwingt.
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Zahlreiche Bilder des erleuchteten Parks begleiteten den Vortrag, um die internationalen Zuhörer in
Assisi in die Faszination und Romantik der Nacht einzustimmen. Am erfolgreichen Beispiel der illumina
Schloss Dyck sollte ein Potenzial vorgestellt werden, das von Parkmanagern noch viel zu wenig erkannt
und genutzt wird: das Erleben des Parks bei Nacht und seine Inszenierung. Da dies gerade die
Individualität des jeweiligen Parks betont, ist es eine Möglichkeit, die es für eine neue Inwertsetzung
im eigenen Park zu entdecken gilt.
Alessandra Vinciguerra, Direktorin der „Giardini La Mortella“
„Musik und Landschaft als treibende Kraft für ein kulturelles Unternehmen“
Best Practice auf Ischia: Wunderschöne Fotos entführten die Zuhörer im Beitrag von Alessandra
Vinciguerra auf die Insel im Golf von Neapel. Hier entstand über viele Jahrzehnte ein
außergewöhnlicher Park für ein außergewöhnliches Paar. 1948 zog der englische Komponist Sir
William Walton (1902-1983) mit seiner jungen, argentinischen Frau Susana an die Steilküste aus Felsen
eines Lavastroms. Sie hatten sich in die atemberaubende Lage des Ortes verliebt, wo es anfangs weder
Wasser noch Elektrizität gab. Mit großem Gartenverstand, botanischem Wissen und unerschöpflicher
Energie widmete Lady Walton sich der Urbarmachung des wilden Geländes. 1956 zog sie den
berühmten Gartenarchitekten und Bewunderer von Waltons Kompositionen Russell Page zur
Gestaltung des Anwesens hinzu. In mehr als fünfzig Jahren entstand auf 2 ha ein Garten, der in
einzigartiger Weise die Liebe zur Natur und die Schönheit von Musik und Kunst verbindet.
Der Entwurf bezieht die dramatischen Vulkanfelsen mit ein und wird getragen von der suggestiven
Landschaft, die immer wieder den Blick auf das Mittelmeer freigibt. Hier verbindet sich die Kunst der
Musik mit der Musikalität des Gartens, dem Gesang der Vögel, den Tönen des Wassers in den
zahlreichen Brunnen und Fontänen und der Harmonie von Pflanzen in ihren unterschiedlichen Farben,
Blatt- und Wuchsformen, dem Rhythmus von Licht und Schatten. Die leidenschaftliche Gärtnerin mit
ihrem legendären Enthusiasmus gab dem Garten eine exotische und malerische Note, indem sie viele
tropische Pflanzen und wertvolle botanische Sammlungen einführte. Lange Zeit diente dieses Kleinod
als Privatresidenz der illustren Waltons.
Der Komponist, dessen Asche in einem großen Lavafelsen ruht, hatte sich den Fortbestand von La
Mortella gewünscht. Unmittelbar nach seinem Tod 1983 gründete seine Frau eine Zwillingsstiftung,
den ‘William Walton Trust' in England und die ‘Fondazione William Walton e La Mortella’ in Italien.
Zur Förderung junger Musiktalente gibt es kostenlose Meisterklassen, es entstand eine Vortragshalle
und ein Museum. Zusätzlich werden zwei Konzertreihen mit über 80 Konzerten gegeben. Sie finden
teilweise im 2004 gebauten, griechischen Open-Air-Theater mit Blick über die Küste statt, das ein
ganzes Symphonieorchester aufnehmen kann. Seit 2007 besteht das Festival für Jugendorchester als
jährlicher Sommerevent im Park.
Von gleichrangiger Bedeutung wie die Musik ist die Weiterentwicklung des Parks und das Ziel, die
Kunst des Gärtnerns auf höchstem Niveau einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, um den
Respekt für Natur, Landschaft und Gartenkunst zu fördern. Entsprechend der Stiftungssatzung wurde
der Garten geöffnet. Heute kommen zwischen April und Oktober über 66.000 Besucher in den Park
(Eintritt €12,00). Eine technisch-planerische Herausforderung ist es, den Steilküstengarten mit Rampen
und Lifts behindertengerecht umzugestalten. Des Weiteren gibt es pädagogische Programme, die
Schulklassen Studienaufenthalte und Workshops anbieten, um Umweltbewusstsein und
Wertschätzung des Naturerbes zu entwickeln.
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Bis zu ihrem Tod 2010 ging es Lady Walton um die Umsetzung des Stiftungsgedankens: „ die Bedeutung
des Gartens durch die Zeit fortzuführen und seine tiefe Verbindung mit der Musik und seine
symbolische Bedeutung als Ort der Harmonie und Inspiration für Gefühle von Frieden und Einheit
anzuerkennen.“ Auch wenn die Konstellation von La Mortella einzigartig ist, zeigt sich, wie sehr große
Persönlichkeiten sich auch in ihren Gärten verwirklichen und wie diese zu Teilen des kulturellen Erbes
werden können.
Franz Gruber, Geschäftsführer „Die Garten Tulln“
„Die Gärten von Niederösterreich“
Franz Gruber hat die „Gartenplattform Niederösterreich“ entwickelt, die „Gärten Niederösterreichs“
aufgebaut und ist seit Frühjahr 2012 der Geschäftsführer der Gartenerlebniswelt „Die Garten Tulln“.
Als Tourismusexperte stellt er sein Land vor, das neben England in den letzten Jahren die wohl größten
Erfolge in der touristischen Vermarktung seiner Gärten erreichen konnte.
Das Bundesland ‚Niederösterreich‘ (NÖ) umfasst weite Teile des Donautals (Wachau) und die gesamte
Region um Wien und hat eine reiche Gartengeschichte. Römische Wurzeln, Mittelalter und Barock, bis
hin zu den Habsburgern haben zahlreiche Außenanlagen von Burgen, Klöstern und Schlössern geprägt,
die heute Grundlage des historischen Gartenerbes sind. Hinzu kommt die Tradition der Bauern- und
Hausgärten. Die Fläche aller niederösterreichischen Gärten ist größer als die Fläche der
Naturschutzgebiete des Landes.
Als es darum ging, Parks und Gärten zu promoten und touristische Konzepte zu entwickeln, entschied
man sich bewusst für einen umfassenden und innovativen ökologischen Ansatz. 1999 startete die
Aktion „Natur im Garten“. Sie bietet Information und Service rund ums Gärtnern auf der Grundlage
von drei Kernkriterien: Verzicht auf Pestizide, Verzicht auf chemisch-synthetische Dünger, Verzicht auf
Torf. Diese Initiative zum organischen Gärtnern hat sich inzwischen zu einer starken Bewegung mit
300.000 Abonnenten und privaten Gartenmitgliedern entwickelt. Das Angebot von „Natur im Garten“
reicht von Beratungen am NÖ Gartentelefon, einer ORF-Show, Broschüren, Schaugärten,
Partnerbetrieben, einem Magazin und Büchern bis zu einem umfangreichen Aus- und
Weiterbildungsangebot im Rahmen der „Natur im Garten Akademie“. Die „NÖ-Gartenplakette“ ist ein
sichtbares Zeichen für gute, nachhaltige Bewirtschaftung und ökologische Gestaltung, das für private
Gärten verliehen wird. So wurde eine beispielhafte Grundlage für die Gartenkompetenz und die
ökologische Gartenbewirtschaftung geschaffen.
Der nächste Schritt ist es, die touristischen Gartenangebote mit der Gartenplattform „Die Gärten
Niederösterreichs“ professionell zu vermarkten und touristisch zu erschließen. Die Idee, Gärten in das
Konzept der touristischen Angebote für die Region aufzunehmen, stieß bei den Managern der Branche
zunächst auf keine große Zustimmung. Also startete „Natur im Garten“ Eigeninitiativen: 2007 die
Gartenplattform mit dem Zusammenschluss von 35 „Gärten Niederösterreichs“, 2008 die permanente
Landesgartenschau „Die Garten Tulln“, 2010 das Gartenfestival, seit 2011 den „Gartensommer“ (mit
50 Partnern). Die Strategie: Nachhaltiger Tourismus mit einem wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen
und kulturellen Ansatz. Die Kriterien: ökologisch und ökonomisch. Nicht jeder Garten wird
aufgenommen. Grundlage: 100%ige Umsetzung der Vorgaben von „Natur im Garten“. 135
Schaugärten ziehen heute 3 Millionen Besucher im Jahr an und sind ein Faktor für die regionale
Wirtschaft und Arbeitsplätze. Die Naturgärten sind beliebte Ausflugsziele und der Beweis, dass
naturnahes Gärtnern in der Praxis bestens funktioniert. In diesen Gärten geht es nicht unbedingt um
den Garten selbst, sondern besonders um die Nutzer und Besucher, die ihre Freude und ihr neues
Wissen weitertragen.
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Ziel ist es, die Region professionell zu vermarkten und als „Land der Gartenfreude“ zu etablieren.
„Die Gärten Niederösterreich“ ist eine Plattform von 30 professionell geführten Gärten, die den
regionalen Tourismus ankurbeln und die Besucherzahl und damit verbundene Wertschöpfung steigern
möchte.
Der gemeinsame Auftritt, Angebotsentwicklung und ein bemerkenswerter
Gartenreisekatalog ermöglichen den einzelnen Gärten eine starke Präsenz, die im Alleingang nicht zu
finanzieren wäre. Das hat inzwischen auch die Tourismuszentrale erkannt. Die Plattform finanziert
sich aus den Mitgliedsbeiträgen (€500,- bis 5.000,-), eigenen wirtschaftlichen Aktivitäten und
Zuschüssen.
Franz Gruber stellte zum Abschluss noch drei Gärten der Plattform vor:
„Die Garten Tulln“ mit 50 Schau- und Mustergärten präsentieren sich als Europas erste nachhaltige
ökologische Landesgartenschau mit spannender ‚Gartenerlebniswelt‘, Baumwipfelweg, Wasserpark
und Abenteuerspielplätzen. 230.000 Besucher kommen im Jahr. Er bietet Event Locations, Seminare
und Forschung. - Das hochbarocke Stift Melk verbindet den Klostergarten mit einem barocken
Parkareal auf den Granitfelsen oberhalb der Donau. - Die Initiative ARCHE NOAH hat sich die Rettung
der bedrohten Kulturpflanzenvielfalt zur Aufgabe gemacht. In ihrem Schaugarten in Schiltern wachsen
historische Gemüseraritäten. Eine auf Nutzpflanzen spezialisierte Samenbank ist im Aufbau.
Für den Tourismusprofi Franz Gruber ist Niederösterreich die Gartenregion No.1 in Zentraleuropa, die
als solche inzwischen auch bei internationalen Reiseveranstaltern platziert wird. Ziel ist dabei stets der
Besucher („the visitor is the goal“), dem der Garten als von Menschen gemachtes Kunst-werk („a manmade piece of art) nähergebracht werden soll. Das ist der Focus der Vermarktungsstrategie und die
Botschaft für die Politiker.
Monica Botta, Landschaftsarchitektin
„Das Garten-Netzwerk RuGiaD’A und der therapeutische Park für touristische Nutzung“
Monica Botta hat sich als Landschaftsarchitektin mit ihren Projekten auf Therapie-, Heilgärten und
Gartentherapie spezialisiert. In ihrem Vortrag erweiterte sie die Idee des Naturparks um Funktionen,
die wie selbstverständlich mitgedacht werden sollten: therapeutische, sportliche und Spielfunktionen.
Damit soll dem Naturpark eine zusätzlich sozial-gesundheitliche Rolle zufallen, die auch einen sozioökonomischen Wert hat. Pilotprojekt ist die Nutzung des Naturparks des Monte Subasio als
Therapiepark („Il parco therapeutico“). Es ist in Italien der erste Park, der zu therapeutischen Zwecken
Rundwege und Einrichtungen zur Behandlung von Krankheiten und zur Rehabilitation anbieten wird .
Dies war nur möglich, durch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Natur(schutz)behörden,
Vereinigungen und Gesundheitsdienste. Das Projekt ist in mehreren Stufen geplant. Der allererste
Schritt war es, über 500 großformatige Poster mit Bildern aus den Naturschutzgebieten Umbriens in
Gesundheitseinrichtungen der Region aufzuhängen. Die Fotos haben nicht nur die Heimstätten
verschönert und die Sensibilität angeregt, sondern die Resonanz war so überwältigend, dass für die
zweite Stufe die Förderung unmittelbar bewilligt wurde. Ein Expertenteam wird Orte für
Kurzaufenthalte gestalten, die Therapien bei Herz- und Kreislauferkrankungen, Diabetes, Alzheimer
und Körperbehinderungen ermöglichen. Aktivitäten zur Rehabilitation können zeitlich begrenzt
stattfinden (Reha in Valenza und Spello) oder als tägliche Nutzung gedacht werden(Tagespflegestätte
in Assisi). Alle Gartentherapien können das ganze Jahr hindurch stattfinden, da alle Jahreszeiten mit
ihren Veränderungen ihren eigenen Reiz haben.
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Die sportliche Seite des Parks „Umbria Green Sport“ wird mit Wegen, Rundgängen und
Gebietszuweisungen gefördert. Biker, Gleitflieger, Reiter, Nordic Walker, Kletterer und viele andere
besuchen den Park.
Zentrum dieses Projekts ist die Stiftung Villa Fabri in Trevi, die von der Region Umbrien und der
Kommune Trevi gegründet wurde. Die Aufgaben der gemeinnützigen Stiftung unter der Leitung von
Paolo Papa sind ein umfassender Natur-, Arten- und Landschaftsschutz in Verbindung mit regionalen
Besonderheiten und kulinarischen Produkten. Grundlegend hierfür war eine Sichtung und Bewertung
von mehr als 800 öffentlichen Park- und Freiräumen, aus denen dann 2010 das Gartennetzwerk
RUGiard’A der Region Umbrien mit 13 Partnern hervorgegangen ist. Das Netzwerk, dem inzwischen
auch 6 private Besitzungen beigetreten sind, widmet sich der Erhaltung, Förderung und Pflege der
Parks und Gärten, die von Bedeutung für die landschaftliche Identität Umbriens sind. Der gemeinsame
Auftritt soll den nationalen und internationalen Tourismus für die oben erwähnten Zielgruppen in die
Region locken. 2012 hat sich der Garten der Villa Fabri dem europäischen Gartennetz (EGHN)
angeschlossen. Drei weitere Partnergärten sind 2013 als Start für eine eigene Gartenroute Umbrien
vorgesehen.
Luigina Giordani, Landschaftsagronomin und Beraterin der Stiftung Giustiniani Bandini
„Erfahrungen des Naturschutzgebietes Abbadia di Fiastra“
Luigina Giordani präsentierte ein best-practice Beispiel im Umgang mit vielseitiger Nutzung eines
Zisterzienser-Klosters, seiner Gärten und dem umgebenden Landschaftsraum in der Nachbarregion
Umbriens, den Marken. „Ora et labora“, „Cruce et aratro“ – diese Leitsätze des Ordens der
Zisterzienser hat seit dem 12.Jh. das Leben der Mönche und ihren Umgang mit der Natur bestimmt.
Ihnen ist es zu verdanken, dass die Klosterlandschaft noch immer vom Einklang des Menschen mit der
Natur zeugt und bis heute erstaunlich intakt ist. Im ausgehenden 18.Jh. waren Kloster und Ländereien
eine Schenkung des Papstes an die namengebende Familie der 1974 gegründeten Stiftung. Heute ist
das Gebiet als Naturreservat Teil der Fondazione Giustiniani Bandini, die mit allen beteiligten, lokalen
Behörden zusammenarbeitet. Hauptziel ist es, die Umgebung und natürlichen Ressourcen des
Geländes, in dem das Kloster liegt zu bewahren, die nachhaltige Entwicklung der Bewirtschaftung
durch die Landwirtschaft und der Schutz des Klosters, des angrenzenden Prinzenpalastes und der
Gebäude von architektur-historischem Interesse.
Das heutige Management betreut drei Bereiche, die mit unterschiedlichen Schwerpunkten betreut
werden:
1. Die ‚Riserva Naturale Orientata‘ umfasst den landschaftlichen Sektor von 1.800ha. 1997 wurden 40
ha des 100 ha großen historischen „selva“-Areals autofrei. Das Naturschutzgebiet umfasst
weiträumige Wiesen und Wälder, die teilweise als ‚Habitat‘ ausgewiesen sind. Leitbaum des „selva“ ist
die Zerreiche (Quercus cerris), begleitet von Buxus und anderen mediterranen immergrünen Gehölzen.
Ebene Fahrrad- und Reitwege, Naturwanderpfade wie auch behindertengerechte Wege, begleitet von
vielseitigen Service- Einrichtungen und Restauration, erschließen das Gelände.
2. Die ‚Riserva Antropologica‘ umfasst den Palst und die Abtei selbst, die auch heute noch von
Mönchen geführt wird. Auch ein Teil der Felder und der landwirtschaftlichen Betriebe gehören zu
diesem vom Menschen über Jahrhunderte gestalteten Bereich. Ein Weinmuseum im Kellergewölbe,
eine archäologische Sammlung, ein Bauernmuseum, umweltpädagogische Programme und der
Verkauf regionaler Produkte machen den Besuch für viele Zielgruppen interessant. Außerdem können
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Hochzeiten und Feste in Kirche und umgebendem Landschaftsgarten gefeiert werden. 25.000 zahlende
Besucher kommen jährlich (€5,-).
3. Der dritte Bereich, die ‚Protezione‘ mit den verbleibenden Flächen der Stiftung, wurde eingerichtet,
um eine ausgewogene Beziehung der Schutzgebiete und den umgebenden Besitzungen zu
gewährleisten. Luigina Giordani sieht noch viele Möglichkeiten, Abtei, Garten, landwirtschaftliche
Nutzung und Naturpark für den neuen besucherorientierten, gastfreundlichen Agritourismus
auszubauen.
Session 2: DISKUSSION „Wege zur Definition eines umweltorientierten und ökonomisch
nachhaltigen Managementmodels“
Die anschließende Diskussion zwischen Politikern und leitenden Beamten der Region Umbrien,
Referenten und Personen aus Kultur und Wirtschaft war eine Plattform zur Darstellung
unterschiedlicher Aspekte und Fragen zu den zentralen Themen der Tagung. Ed Bennis, der ehemalige
Direktor der Landschaftsforschung an der Manchester Metropolitan University leitete die Diskussion
mit treffenden Zusammenfassungen, herausforderndem Nachhaken und humorvollen Einschüben. Da
es fast unmöglich ist, die Gesamtheit der Diskussion wiederzugeben, soll die Beschränkung auf einige
Statements oder Fragen zu weiteren Überlegungen anregen.
Ben Eddis: Schlüsselwörter des Vormittags: Natur, Menschen, Events, Politik, Erbe, Besucher.
Die Besucher sind am wichtigsten. Wir vergessen die Menschen! (We forget about the people!) Der
Paradiesgarten war ein Garten der Verführung. Wir vergessen die Verführung. (We forget about
temptation!) Unsere Landschaft ist eine geborgte Landschaft.
Diego Zurli, Region Umbrien:
Die ‚schöne‘ Landschaft? In wenigen Jahren haben sich durch Landflucht und Technik jahrhundertealte
Verknüpfungen zwischen Siedlung und Land aufgelöst, Beziehungen sind verschwunden. Die ‚grünen
Kulturen‘ sind in Bewegung. Es muss wieder ans Umfeld angeknüpft werden. In dem Moment, wo
Landwirtschaft, Parks und Gärten als allgemeines Kulturgut verstanden werden, ist die Politik gefragt.
Ben Eddis: Protektionismus der Landschaft. Orientiert er sich zu sehr an der Vergangenheit oder zu
sehr an der Zukunft?
Paolo Papa, Region Umbrien, Manager Natur- und Landschaftsschutz Landschaft wird seit je vom
Menschen geformt, gestaltet und zum Ertrag gebracht. Jetzt schwindet der Ertrag. Die historische Rolle
des Bauern verändert sich. Er hat eine große Verantwortung, er wird mehr und mehr zum
Landschaftspfleger. Wie viel bekommt er dafür? Kultur und Ertrag decken sich nicht mehr!
Ed Bennis: Kulturlandschaft wird mehr und mehr zur gestalteten Landschaft (designed landscape)
Paolo Papa: In der Schweiz wird den Bauern nach einem Regulierungsplan die Differenz bezahlt. Das
schafft ein falsches Bild. Um einen ‚Wert‘ zu schaffen, braucht es einen allgemeinen Konsens. Dafür
gibt es zu wenig Öffentlichkeit. Die Medien müssen eingebunden werden.
Ed Bennis: Eigentlich predigen wir meistens zu den Bekehrten. Die große Aufgabe: wir müssen zur
Öffentlichkeit predigen (preech to the public). In England gibt es viele Fernsehsendungen über Gärten
und Gärtnern, Dokumentationen spät abends über Naturparks, aber nichts über Landschaft! Es
interessiert nicht! Erst wenn sie verschwindet. Dann ist es zu spät. Wie können wir die Öffentlichkeit
motivieren? Ich weiß es nicht. Wo ist die Leidenschaft für dieses Thema? Die Inhalte sind schwer
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vermittelbar. Wir brauchen eine leichte Lesart. Für ein EGHN-Projekt mit Kindern mussten die Inhalte
umgeschrieben werden. Das gleiche gilt für das Publikum, für unterschiedliche Altersstufen,
unterschiedliche Zielgruppen, unterschiedliche Länder.
Leonardo Gioffrè, Region Umbrien:
Was sollen wir lehren? Welches Landschaftsbild? Die Olivenhaine von Trevi stehen unter Ertragsdruck,
sie rechnen sich eigentlich nicht. Veränderungen im Anbau würden das historische Landschaftsbild
verändern. Wie verhält man sich?
Ed Bennis: Landschaft verändert sich und wird sich immer weiter verändern. In England gibt es um die
Städte Grüngürtel, die vermehrt unter Nutzungsdruck stehen. Wohin werden wir uns entwickeln?
Agrarisches Land ist wenig wert, als Bauland aber ein Vielfaches.
Marco Tamaro, Direktor der Stiftung Benetton, Teviso: Der Konflikt zwischen dem Bodenverbrauch der
Stadt und der sie umgebenden Landwirtschaft ist in Venetien nie gelöst worden. Die wirtschaftliche
Krise hat die Spekulation im Moment gebremst. Vielleicht liegt hierin die große Chance, neue Ideen zu
entwickeln.
Cecilia Liljedahl, Schweden: Es geht um zwei Punkte, 1. Wertzuweisung und 2. Diese Werte zu
kommunizieren. Aber wie? Wir müssen neue Wege finden, dürfen nicht zu ernst sein. We have to
connect! Mit Humor, mit Story-telling. Warum nicht blaue Schafe in eine Verkehrsinsel stellen?
Manchmal sind es gerade die einfachen Ideen, die mit der Bevölkerung verbinden. Urban Gardening
ist ein gutes Beispiel für eine Annäherung an die Basis mit einfachsten Mitteln. You have to act with
people!
Francesco Scoppola, Umweltministerium:
Wir haben unterschiedliche Gesetzesebenen. Überall wird der Wald unterschiedlich definiert. Was ist
ein Wald? Es gibt keine Norm. Der „Wald“ als grüne Lunge ist geschützt. Aber eine „bewaldete Fläche“
kann abgeholzt werden, sie ist nicht mehr geschützt. Die Komplexität des Problems spiegelt sich in der
verworrenen Begrifflichkeit.
Ed Bennis: Das sprachliche Problem ist landschaftsimmanent. Baum? Doch noch ein Strauch? Das
Problem ist die Sprache selbst. Wir haben keine allgemeingültigen Begriffe! Noch nicht!
Laura Zegna, Direktorin der „Oasi Zegna“ – Biella
Während der lebhaften Diskussion stellte Laura Zegna die Stiftung ihres Großvaters vor. Der bekannte
Textil-Unternehmer Ermenegildo Zegna, dem die Erziehung des Menschen im Einklang mit der Natur
immer ein großes Anliegen war, war dem Gebiet in den Bergen von Trivero im Piemont sehr verhaftet.
Mit mehr als einer halben Million Rhododendren und Hortensien gestaltete er die Bergregion zu einem
harmonischen Garten. Entlang der von ihm gebauten Panoramastraße gründete die Zegna-Gruppe in
seinem Sinne 1993 „L’Oasi Zegna“, einen 100km² großen Naturpark bei Biella. Das Symbol des Parks,
der immer noch unter privater Leitung ist, ist der geschützte Gold-Skarabäus. Neben den bekannten
Wintersporteinrichtungen werden Sportarten favorisiert, die sich in das Naturpark- Ambiente
integrieren lassen. 26 Wanderwege, 5 Treckingrouten und zahlreiche Mountainbike-und Reit-Routen
sowie Möglichkeiten für Paragliding und Klettern wurden angelegt. Für die gelungene Einfügung der
Ökosportaktivitäten unter gleichzeitiger Berücksichtigung der geschützten Flächen erhielt „L’Oasi
Zegna“ 2007 den „Prix Méditerranéen du Paysage“. Laura Zegna steht im Rahmen der Konferenz für
die Möglichkeiten beispielhafter Privatinitiativen, die viel bewegen können.
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Zwei Parks in Umbrien, 24.November
Bosco di San Francesco, Assisi
„Sei gelobt, Mein Gott, durch unsere Schwester Mutter Erde, die uns nährt und lenkt, und uns
vielfältige Früchte schenkt, bunte Blumen und Kräuter.“ Hl. Franziskus, Sonnengesang
Der Besuch beginnt an einem unscheinbaren Eingang an der Piazza der berühmten Basilika San
Francesco. Ein Führer stellt das ungewöhnliche Projekt vor. Hier ging es nicht um die Restaurierung
eines Gartens oder Parks, sondern um das Herausschälen einer typisch italienischen, bäuerlichen
Landschaft aus einem vollständig verwilderten Gebiet von 64ha. 2008 wurde das Gelände dem Fondo
Ambiente Italiano FAI übergeben. Ein Wald sollte wiederhergestellt werden - in diesem Fall nicht durch
Neuanpflanzung sondern vielmehr durch Auslichten und Aufräumen. Doch dieser Ort war mehr als
das. Die unmittelbare Nähe zur Pilgerstätte des Heiligen Franziskus legte eine weitere Dimension nahe.
Es sollte kein einfacher Spaziergang durch Wälder werden, auch keine einfache Naturwanderung,
sondern der Wanderweg sollte zu einer neuen Form des Pilgerns in der Natur, in der Geschichte und
dem Sakralen einer Franziskanischen Landschaft werden.
2011 wurde der erste Abschnitt eröffnet. Ein ritueller Spaziergang soll zur Entdeckung jener Botschaft
von perfekter Harmonie zwischen Mensch und Schöpfung werden, die San Franziskus von Assisi aus
die Welt lehrte. Der Wald ist nun wieder wie zu seinen Zeiten ein Niederwald mit großen Flächen wilder
Cyclamen, Ruscus, Farnen und Asperagus als Unterwuchs. 1,5km geht es auf gewunden Pfaden bergab,
Bänke laden zur Rast ein und diskrete Tafeln informieren über Hintergründe für die „landschaftliche“,
die „historische“ und „spirituelle Route“. Im Flusstal des Tescio führt der Weg durch landwirtschaftlich
genutzte Bereiche, vorbei an teils alten revitalisierten Olivenbäumen zum ehemaligen
Benediktinerinnen Kloster Santa Croce aus dem 12. u. 14.Jh. Hier befindet sich das multimediale
Besucherzentrum mit Olipads (Tablet-Pc’s) und Wi-Fi Points, wo auch digitale Apps heruntergeladen
werden können. Der Eintritt zum Park ist kostenlos, um eine Spende (€3,00) wird gebeten.
Der weitere Weg führt nun 1km am romantischen Fluss entlang zu einer großen Lichtung mit einem
für diesen spirituellen Ort geschaffenen Land Art-Projekt des international renommierten Bildhauers
Michelangelo Pistoletti, dessen Geburtsort im nahen Gubbio liegt. Er pflanzte das „Dritte Paradies“ in
Form eines erweiterten Unendlichkeitszeichens. Eine Doppelreihe von 121 Olivenbäumen beschreibt
einen großen Kreis in der Mitte, der von zwei kleineren flankiert wird. Im Zentrum steht ein glänzender
12m hoher Stahlmast, der wie ein Nabel die Verbindung von Himmel und Erde symbolisiert. Der
Wanderer kann zwischen den Olivenreihen die Kreise abschreiten – die kleineren, die für Natur und
Fortschritt stehen, und den großen Kreis, der eine nachhaltige, moderne, naturbezogene Entwicklung
darstellt, die aus einer verantwortlichen Verbindung der beiden kleineren hervorgehen kann. Einen
Überblick über die Form als Ganzes bekommt man vom historischen Annamaria Turm am Rand der
Lichtung. Das Projekt des Bosco di San Francesco, für das die FAI zwanzig Jahre anberaumt, verbindet
naturhistorische, wissenschaftliche und pädagogische Aktivitäten. Es ist der erste Versuch einen
Pilgerweg des 21.Jhs. zu schaffen, der ruhige Momente des Nachdenkens über Mensch und Natur
fördert wie auch die Frage der eigenen Verantwortung. Ein Ort, dessen Suggestion sich keiner
entziehen kann.
Park Villa Fassia, Gubbio
Auf einer bewaldeten Hügelkuppe über dem Eugubinischen Becken liegt der Landsitz der Villa Fassia.
Wir nähern uns hügelan zu Fuß durch eine alte Cypressen-Allee, die vorbei an Bauernhof, Stallungen
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und Remisen von hinten zum Eingangsbereich führt. Die Villa aus dem 18.Jh., ursprünglich im Besitz
der Fürsten Ruspoli, wurde um 1937 von Senator „Cicci“ Borletti aus der gleichnamigen lombardischen
Industriellendynastie als Landresidenz erworben. Dieser beauftragte den damals jungen
Landschaftsarchitekten Pietro Porcinai mit der Umgestaltung des Parkgeländes.
Pietro Porcinai (1910-1986)
Vor der Besichtigung des Parks gab die Landschaftsarchitektin Marina Fresa von der Stiftung Pietro
Porcinai in Florenz einen kurzen Überblick über die Vita und internationalen Projekte des vielseitigen
Gartenarchitekten. Pietro Porcinai (1910-1986), dessen Vater schon Gärtner in der Villa Gamberaia
(Florenz) war, war Mitbegründer der IFLA (International Confederation of Landscape Architects),
erhielt zahlreiche Preise (u.a. 1979 Ludwig Sckell-Ring der Bayer. Akademie der Schönen Künste),
schrieb viele Veröffentlichungen und setzte sich sehr für die Einführung eines umfassenden Studiums
für Landschaftsarchitekten ein. Charakteristisch für seine Entwürfe, gleich welchen Maßstabs, ist es,
dass der Garten die Individualität des Geländes und der Besitzer spiegelt. Besonders wichtig waren ihm
der Bezug des Gartens zum Haus wie zur umgebenden Landschaft, und die Auswahl natürlicher
Pflanzengesellschaften. Dabei gelang es ihm, die Formensprache historischer Gärten in die Moderne
umzusetzen und neue Elemente wie Swimmingpools, Sonnenschutz oder technische Innovationen
unauffällig zu integrieren.
Der Park
Elena Mancini Griffoli, die heutige Eigentümerin des Landguts, erzählte kurz von den Planungstreffen
Porcinais mit Bertolli, ihrem Vater, in denen Porcinai sich für einen Garten im „Italian Style“ einsetzt;
mit Cypressen, Rosmarin und Pflanzen der Region ohne – wie damals modern - fremde Gartenstile zu
zitieren. Dann führte sie in den Park. Porcinai erweiterte die zentrale gewaltige Auffahrtsallee aus
Laubbäumen, sodass sie wie ein Ypsilon die Villa umschließt. Der gestaltete Bereich von ca. 2 ha um
die Villa teilt sich in den sogenannten ‚giardino‘ und einen umgebenden landschaftlichen Park. Der
intensiv gestaltete ‚giardino‘ in Hausnähe beschreibt vier abfallend terrassierte Bereiche in der Achse,
die streng geometrisch von breiten Buchshecken und Schnittformen gefasst werden. Vier große
Buchskugeln betonen quadratische Flächen. Seitlich erstreckt sich eine großzügige Pergola auf
Steinsäulen - wie ein Belvedere mit Blick in die Landschaft. Auch im November nicht ohne Reiz, muss
man sich die blühenden Rosen und Glycinien nun vorstellen. Die einzelnen Bereiche erschließen sich
wie Gartenzimmer über Treppen und Rampen. Unerwartet versteckt sich ein romantischer
Seerosenteich. Der umgebende Park mit großen Steineichen, Libanonzedern, Schirmkiefern und
Linden ist freier gestaltet und spielt gezielt mit Durchblicken auf die Villa, die Ebene und das
gegenüberliegende Gubbio. Die alten Bäume sind frisch ausgelichtet und gepflegt. Signora Mancini
bedauert den Zustand der Mauern und Treppen, umfassende Restaurierungen sind vorgesehen. Der
Park der Villa Fassia ist eines der ersten Projekte von Porcinai und findet sich noch nicht einmal in der
Aufstellung seiner Biografie. Doch schon hier sind prinzipielle Gestaltungsmerkmale zu erkennen: die
Neuinterpretation des traditionellen Gartens, der Bezug zur Landschaft und die einfache,
schnörkellose Form. Bis in die achtziger Jahre waren Park und Villa Bühne für la bella vita der Mailänder
Gesellschaft. Hier trafen sich Politiker, Industrielle und Künstler wie Toscanini. Von hier aus ging man
zur Jagd in die umgebenden Wälder des 500 ha großen Besitzes. Die Zeiten haben sich geändert. Heute
wird die Villa für Hochzeiten, Events, Tagungen und naturpädagogische Kurse vermietet. Und das
Landgut ist Genuss versprechendes Ziel des Agritourismus mit 16 Zimmern und eigenem Restaurant,
in dem nur Produkte aus eigener nachhaltiger Landwirtschaft angeboten werden. Die Gäste können
Reiten, Wandern, in den eigenen Seen baden, oder auf die Jagd gehen - heute auf die Jagd nach
Trüffeln. Die magischen Preziosen des heimischen Waldes hat Emanuele, der Enkel von Signora
Mancini, zu seiner Leidenschaft gemacht. Wie an einer Börse hat er einen weltweiten Handel mit den
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weißen Trüffeln aufgebaut, die innerhalb einer Woche ihr Ziel in Amerika oder Hongkong erreicht
haben müssen. Ist diese Saison vorbei, vertreibt er die umbrischen Spezialitäten aus eigenem Anbau.
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Internationaler Workshop in Paola Corradino, Malta 17. - 18. April 2013
“Combining abilities, creating synergies, enhancing performances”
In Paola auf Malta fand am 17. April die offene Konferenz „Combining abilities, creating synergies,
enhancing performances“ zum Thema ENVIRONMENT des INTERREG IVC Projekts HYBRID PARKS statt.
Zum vierten Mal trafen sich 16 Partner aus 10 Ländern der EU, um ihre Erfahrungen aus der Umsetzung
vielseitiger Projekte zur Gestaltung und Entwicklung öffentlicher Parks zum Thema auszutauschen.
Ronnie Calleja, Chairman der Fondazzjoni WIRT Paola, sprach erste einleitende Worte und stellte die
anwesenden Politiker und Teilnehmer der Einführung vor. Die Anwesenheit von Bürgermeistern,
Minister und Ratsmitgliedern zeigte schon beim Auftakt der Veranstaltung mit Journalisten und
Fernsehen, wie wichtig das Hybrid Parks Projekt für den Staat Malta ist, wie stark es von politischer
Seite wahrgenommen wird und das Bestreben, seine Ziele in aktuelle Programme zu integrieren.
Der Bürgermeister von Paola, Perit Roderick Spiteri, stellte die erfolgreiche Zusammenarbeit der
Stadtverwaltung mit der Paola Heritage Foundation vor, deren Ziel es ist, zwei Weltkulturerbestätte
mit den Befestigungsanlagen und ihrem geschichtlichen Kontext in einem Heritage Trail zu verbinden.
Dies soll nicht nur die Bevölkerung vor Ort stärker einbinden sondern auch den Wert des „Paola
Torismus Pakets“ erhöhen. Das Hybrid Parks Projekt
wie auch andere internationale
Forschungsprogramme geben die Möglichkeit, Planungen auf einem europäischen Level anzustoßen.
2013 unterzeichnete Paola die UN Global Cities Convention.
Auch Dr. Konrad Mizzi B.Sc., Minister für Energie und Wasserwirtschaft, sieht im Hybrid Parks Projekt
die Chance, nationale Ziele in einem europäischen Kontext zu sehen. Malta ist eines der am dichtesten
bevölkerten Länder Europas. In diesem Jahr wurde der Energieplan radikal von Erdöl auf Gas
umgestellt. Wassermanagement und -recycling sind auf der Insel ein zentrales Thema. Umso wichtiger
ist es Wasser nicht nur als Ressource sondern auch als Teil der Landschaft zu sehen. Hybrid Parks als
Forum für internationalen wissenschaftlichen Austausch unterschiedlichster Experten, kann helfen,
neue Strategien für die Parks vor Ort zu entwickeln. Vielleicht leisten ja die Beispiele auf Malta einen
Beitrag dazu, „best practice“ Richtlinien für die Parks der Zukunft zu entwickeln.
Charles Deguara, ist der Vize Chairman der erst 2009 gegründeten Paola Heritage Foundation. Er
setzte die Arbeit der Stiftung in Zusammenhang zu Projekten der Hybrid Parks Partner, in denen es um
die Inwertsetzung vernachlässigter oder fehlgenutzter Flächen geht. Über den schon erwähnten
Heritage Trail handelt es sich in Paola im Ganzen um einen 28km langen Ring verschiedener
Festungsanlagen, die unter Einbeziehung der Bewohner als Freiflächen für soziale, öffentliche und
sportliche Aktivitäten gestaltet werden sollen (REPAIR Action Plan, 2010). Eine Herausforderung, die
auch Thema eines anderen EU-Projekts, des AT FORT Projekts, mit 8 internationalen Teilnehmern ist.
Christian Grüssen, Projektkoordinator Hybrid Parks
„Präsentation des Hybrid Parks Interreg IVC Projekts 2007-2013“
Christian Grüssen gab zunächst einen kurzen Überblick über die Entstehungsphasen und die
vorausgegangenen Workshops. In seiner Einleitung betonte er, dass Malta einer der ersten
beitretenden Partner zum Hybrid Parks Projekt war. Ein Partner dessen Geschichte, Kultur und
historisches Erbe den meisten Teilnehmern wohl nicht so bekannt sei. Zum Thema Environment biete
es sich als best practice Forum für trockene, heiße Temperaturen an.
66
Den zentralen Einstieg zum Thema ENVIRONMENT des Workshops brachte die simple und zugleich
provokante Frage: „Was ist ‚die‘ oder ‚eine‘ Umwelt?“ Wie sollte sie sein? Wir assoziieren folgende
Eigenschaften: sauber, gesund, gebaut, kreativ, feucht, natürlich, sozial, grün, nachhaltig und vieles
mehr. Und „Umwelt“ für die EU? Der Vorschlag für ein generelles Union Environment Action
Programme lautet: Gut leben, innerhalb der Grenzen unseres Planeten. Und wie ist das zu erreichen?
Indem man sich auf die 4 ‚i’s ausrichtet: eine bessere Umsetzung (implementation) der
Rechtsprechung, bessere Information bei gleichzeitiger Verbesserung der wissenschaftlichen
Beweisgrundlagen, höhere Investitionen für die Umwelt und vollständige Integration der Umwelt in
andere Politikfelder. „Dieses Programm soll EU-Städten helfen nachhaltiger zu werden, indem es den
örtlichen Behörden die Möglichkeit gibt, ihren Einwohnern die ‚grüne Gesetzesvorlage für
Umweltschutz‘ vorzuweisen, in Übereinstimmung mit einem allgemeinen Kriterienkatalog, der es
ihnen erleichtert, ihre Umweltschutzleistung festzusetzen.“ – so der EU-Umwelt-Beauftragte Janez
Poto^cnik. „Umwelt“ innerhalb des INTERREG IVC hat zwei Vorrang-Kategorien. Priority 1: Innovation
& Wissens Ökonomie, Priority 2: Umwelt & Risiko Vermeidung. Erst in letzter Position dieser Kategorie
wird Kulturerbe und Landschaft gelistet.
Für die Partner von Hybrid Parks gilt der folgende, zielweisende Begriff von „Umwelt“:
-
-
-
„ Der Park mit seinen neuen Zielvorgaben soll zu einem ganzjährigen Treffpunkt entwickelt
werden, mit der allgemeinen Ausrichtung (Zielrichtung) Architektur und Design mit
Umweltbewusstsein und Gartenbau zu verbinden.
Wir können feststellen, dass es sich um ein neues, aufregendes Konzept im Bereich gebauter
Umwelt und Stadtplanung handelt, in dem weiche, harte und grüne Werte eine Rolle spielen. In
diesem Erneuerungsprozess müssen private und öffentliche Organisationen eine möglichst
fruchtbare Zusammenarbeit entwickeln
In jedem Fall ist es wichtig, dass die Vielfalt der Aktivitäten (in einem Hybrid Park) eine Einheit für
sich darstellen und nicht einfach eine Form unkoordinierter Aufgaben. Es ist kein einfaches Ziel
und erfordert zusätzlich zu harter Arbeit und Flexibilität der beteiligten Personen, eine
Vorstellung, die ihnen hilft alle Aktivitäten zusammenzuführen.
Gibt es ein Hybrid Parks Modell? Für den schlesischen Botanischen Garten ist diese verbindende Idee
die der nachhaltigen Zukunft. Pawel Kojs versteht darunter den Zustand eines Systems, der es ihm
erlaubt, ohne weiteres Wachstum langzeitig zu funktionieren.
Christian Grüssen verdeutlichte mit diesen konkreten Zielvorgaben den hohen Anspruch des Hybrid
Parks Projekts. Und er bettete die Agenda für die zwei Tage des Workshops mit Vorträgen,
Besichtigungen und Beiträgen der unterstützenden Stiftungen und Institutionen in den Themenfokus
Environment/Umwelt ein. (Was für die konkrete Situation auf Malta in Bezug auf Risikovermeidung
den Schwerpunkt auf den Klimawandel und seine konkreten Auswirkungen auf die Insel legt. ?? Liste
höhere Temperaturen, heftige Niederschläge, längere Winter etc. ??)
Workshop SESSION 1
Planning for Gardens
Planung und nachhaltige Entwicklung - Fallstudien auf der Insel Malta
René Attard, Heritage Planning Unit, Planning Directorate MEPA
“Raumplanung und Schutzmaßnahmen”
67
Die Malta Environment and Planning Authority MEPA ist die Raumordnungsbehörde des Landes mit
den allgemein bekannten Aufgaben. Im speziellen Fall von Malta ist sie darüber hinaus mit Planung,
Schutz, Entwicklung und Integration von 2666 gelisteten Grundstücken auf den maltesischen Inseln
befasst, die zum kulturellen Erbe und Naturerbe gehören, in Bezug auf: Archäologie, Kulturlandschaft,
Architektur, Bewirtschaftung, Ökologie, Geologie, Geomorphologie und (halb)natürlichen
Landschaften.
Am Beispiel des historischen Tal Kmand Gartens wurden entstehende Interessenkonflikte bei
raumplanerischen Vorgaben zum Schutz des historischen Grundstücks anschaulich verdeutlicht. Um
das eigentliche Gelände innerhalb eines heutigen Wohnsiedlungsbereich zu schützen, musste ein
zusätzlicher Freiflächenring als Pufferzone um den historischen Park gelegt werden. Dieser soll einen
Schattenfall durch eventuell höhere Gebäude auf den Garten verhindern. Diese tiefen Eingriffe lösen
Bewegung in der Preisbewertung der umliegenden Grundstücke aus. Wichtigste Handhabe nach der
Listung der Grundstücke ist der Conservation Order, der den Eigentümer verpflichtet, bei Schäden
oder schlechtem Zustand einzugreifen, damit das Grundstück nicht noch weiter verfällt. Gelistet
wurden bisher knapp vierzig Parks und Gärten. Der einzige hybride Park mit einem CO sei vorerst
Buskett Park (2000).
René Attard schlägt vor, Restaurierungsarbeiten möglichst vor dem Beginn von Bauarbeiten im Umfeld
durchzuführen. „Wachhunde“ (öffentliche und private) sichern, dass illegale Eingriffe schnell bemerkt
werden. „Wir lernen meistens aus Fehlern. Gute Beispiele sind manchmal weniger auffallend. Eine
gelungene Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten sichert Erfolg. Nur braucht das Endresultat Zeit,
um überhaupt sichtbar zu werden.“
Dr. Malcolm Borg, Heritage Enterprise Consultancy
„Verfolgen der Idee einer grüneren Insel: Realisierbarkeit und Nachhaltigkeit“
(Schlüsselwörter: Historische Gärten, nachhaltige Landschaftsplanung, Stadtbäume, nachhaltige
Schutzmaßnahmen)
Dr. Malcolm Borg gab einen kurzen Abriss der Entstehungsgeschichte der ersten Parks auf Malta bis
zur Grünflächenpolitik nach der Unabhängigkeit und Aktivitäten und Investitionen der letzten zwanzig
Jahre. Die Inseln von Malta haben seit dem 16.Jh. zwei Wellen der Kolonialisierung und Urbanisierung
erlebt. Die Ritter des Ordens von San John und später die Gouverneure des Britischen Empires fanden
bloße, karge Felsen vor und schufen grüne Refugien, Gartensysteme und Aufforstung. Die Präsentation
analysiert die Entwicklung des Ideals der grüneren Insel durch die Geschichte Maltas und beschreibt
aktuelle Investitionen in Grünflächen, Entwicklung und Unterhalt von Parks und Gärten in einem ariden
Land, das in den letzten Jahrzehnten durch Reversive Osmose-Anlagen bewässert wurde.
Das maltesische Wort für Garten „Gnien“ oder „Jannah“ hat seine Ursprünge im arabischen Eden als
Synonym für den Paradiesgarten. Noch heute weisen mehr als 100 Platznamen daraufhin, wie 200
weitere Namen Quellen („bir,bjar“) bezeichnen, was auf Bewässerung und damit auf Gartenbau und
Rebenkultur hindeutet. Erste namentlich bekannte Gartenanlagen gibt es seit dem 16.Jh.: Il-Buskett
im Nord Westen, eine von natürlichen Quellen gespeiste Obstplantage als Sommer- Und Jagdresidenz
des Großmeisters Hugh de Verdalle. Ein Garten als ‚oasis‘. San Anton Palastgärten in Anlehnung an
Versailles und der Gnien is-Sultan als erhabene Terrasse mit Blick auf den Großen Hafen. Diese und
einige der auch nachstehend erwähnten Gärten konnten später während der Exkursionen besichtigt
werden.
68
In der Britischen Periode entstanden zahlreiche Gärten durch Erlasse. Das Militär wurde zum Bau von
Gärten und Baumschulen eingesetzt. Der ‚orto botanico‘ wurde zum Herrschaftssymbol, das die
zahlreichen Importe von Bäumen durch die zahlreichen Kolonien ausstellte. Der erste öffentliche
Garten, ein bepflanztes Glacís wurde von Sir Alexander Ball (1800-1815) an die Bevölkerung von
Valletta übergeben, mit dem Hintergedanken, Massenversammlungen zu verhindern. Er war mit
Pinien, Pfefferbäumen (Schinus molle) und Palmen bepflanzt und wurde später zu seinem eigenen
Memorial Garden. Die Colonial Silk Company pflanzte große Bereiche mit Tausenden, asiatischen
Maulbeerbäumen als Nahrung für die Seidenraupen. Tief unten in die Festungsgräben gepflanzt waren
sie wenig erfolgreich und mußten gerodet und verbrannt werden. Die frühe viktorianische
Stadtgestaltung führte Baumpflanzungen entlang der Straßen ein, wie die repräsentative Allee der
Princess Street zum Stadtzentrum. Als ideal hierfür, da schnell wachsend und Schatten spendend
waren Ficus-Bäume. Während der viktorianischen und edwardianischen Zeit entstanden zahlreiche
Gärten auf Brachland, von denen viele geöffnet wurden – wie der von San Anton, der bis 1880
begehrter Rückzug für Großmeister und nachfolgende Gouverneure war. In diese Zeit fällt auch der
Gartenfriedhof Maria Addolorata auf einem Hügel im neogotischen Stil mit symmetrischen Reihen und
von Zypressen beschatteten Wegen. Mit der Industrialisierung und Verstädterung entstanden erste
Probleme mit der Wasserversorgung. Das britische Konzept der begrünten Insel wird am stärksten
greifbar in der Gartenstadt-Anlage Santa Lucia von 1950.
Mit der Unabhängigkeit 1967 hat die neue Regierung von Malta weiterhin viel in Aufforstung,
Baumschulen, öffentliche Parks und Gärten investiert. Neuanlagen entstanden vorwiegend zu einem
historischen Ereignis oder waren einer großen Persönlichkeit gewidmet wie 1964 der Kennedy-Hain.
Eine erfolgreiche Aufforstungen waren die des Il-Mizieb und Ghadira Naturparks. Diese Pflanzungen
haben typische maltesische Landschaften und Habitats erhalten und erneuert: die Macchia und die
sehr seltenen Feuchtgebiete und Salzmarschen Maltas. Negative Folgen für Ökologie und Bevölkerung
hatte eine Schenkung von Goldakazien (Golden Wattle, Acacia pycnantha) in den 60er und 70er
Jahren. Aufforstungen mit dem australischen Nationalbaum führten zu starken
Gesundheitsproblemen wie Asthmaanfällen, so dass die Bäume wieder entfernt werden mussten.
Eines der größten Projekte ist der Ta‘ Qali National Park. Seit 1994 wurde der verlassene Flughafen aus
dem 2.Weltkrieg in Etappen mit 21.000 Bäumen aufgeforstet. 2011 wurden € 5,5 Mio. für eine neue
Erweiterung mit 1.000 Bäumen bereitgestellt. Ein weiteres Landmark Project ist der Garden of
Serenity, eine Schenkung der Regierung Chinas 1996, der noch am selben Tag ausgiebig besichtigt
werden konnte.
Investitionen der Regierung in Grünflächen sind beträchtlich: € 7Mio. / jährlich für Entwicklung und
Unterhalt. Davon werden € 520/m2 für Restaurierung und Umgestaltung ausgegeben. Kosten für
Baumpflanzungen liegen bei € 100 bis € 5.000 für Jung- und Großbäume. Behebung von Schäden durch
Vandalismus kostet € 100/m2 , Großbaumfällungen €2.500/Baum.
Investitionen in Grünflächenentwicklung und –Erneuerung haben einen hohen Stellenwert auf Malta.
Der öffentliche Nutzen überwiegt die Kosten und ist ein unbezahlbarer Erziehungswert. „Der Einsatz
von über 500 Jahren in die Idee einer grüneren Insel sollte in Ehren gehalten und an die nächste
Generation weitergegeben werden“, so Malcolm Borg. . In der aktuellen Situation sind diese grünen
Anwesen wie auch das kulturelle Erbe im Unterhalt für die kleine Volkswirtschaft des Landes schwer
zu bewältigen. Doch er fragt auch: “Kann es sich das Land erlauben, diesen ‚angewachsenen‘ Schatz zu
verlieren?“
69
Mr. Martin Galea, Executive Committee of Din I-Art Helwa
“Die NGO Din I-Art Helwa und ihre Projekte”
Die Din I-Art Helwa wurde 1965, ein Jahr nach der Unabhängigkeit Maltas, als NGO gegründet. Nach
dem Vorbild des National Trust in Großbritannien, soll das überreiche Kulturerbe der Inseln Malta,
Gozo und Comino geschützt, wiederhergestellt und seine Wahrnehmung in Politik, Gesellschaft und
Gesetzgebung gestärkt werden. Neben dem architektonischen, städtebaulichen und künstlerischen
Schätzen setzt sie sich auch für den Erhalt von „Orten von Naturschönheiten und natürlichen
Besonderheiten sowie für Tier- und Pflanzenleben dieser Orte“ ein – besonders in Bezug auf Probleme
durch moderne Stadtentwicklung und Baupolitik. Sie nimmt beispielhafte Restaurierungen vor,
übernimmt das Management von Stätten historischer Bedeutung, und fördert die Erziehung zur
Erkenntnis ihrer identitätsstiftenden Rolle für die Bewohner Maltas. Von der Regierung gibt es keine
Zuschüsse. Gelder werden durch Mitgliedschaft, Schenkungen oder Sponsoren erworben. 1967 war
die Din I-Hart Helwa eines der ersten Mitglieder der Europa Nostra, hält Kontakt zu vergleichbaren
europäischen Organisationen und arbeitet eng mit weiteren Umwelt-NGO’s der Insel zusammen. Auch
besteht eine gegenseitige Mitgliedschaft mit dem British National Trust.
Floriana – Msida Bastion Cemetery
Von 1806 bis 1856 war Msida Bastion Cemetery der größte protestantische Friedhof der Insel. Das
Gelände in der St.Philip Bastion ist Teil des äußeren Befestigungsrings, gebaut 1635 von Großmeister
Antoine de Paule. Hier wurden vorwiegend Mitglieder des Militärs, Beamte und Geschäftsleute mit
ihren Familien begraben. Mit 528 Gräbern war der Friedhof voll belegt und es entstand in Folge der
neue Ta‘ Braxa. Wildwuchs, Wind und Wetter sowie Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg
verwüsteten das Gelände des Msida Friedhofs, Grabsteine waren unleserlich. 1988 wurde die Fläche,
vorwiegend von Freiwilligen, gesäubert, der Friedhof wiederhergestellt und für Besucher als ‚Garden
of Rest‘ geöffnet. 2002 erhielt die Restaurierung die Silbermedaille der Europa Nostra. 2004 wurde ein
kleines Museum über Begräbniskultur auf Malta angegliedert.
Foresta 2000 – Mellieha
Zusammen mit Umweltorganisationen und Ministerien von Malta ist die Din I-Art Helwa seit 2002
Joint-Manager des Naturpark-Projekts auf dem Marfa Höhenkamm, das sich über 300.000m2 an der
Westküste bis zum Cumnija Kliff erstreckt. Das Areal sollte geschützt und Spekulation verhindert
werden. Das Gelände war zerstört und man versuchte die Ästhetik eines natürlichen mediterranen
Waldgebiets wiederherzustellen, die Biodiversität zu fördern und es für Besucher zu erschließen.
Ortsfremde Pflanzen werden entfernt – in Etappen, um Erosion zu verhindern - und durch indigene
ersetzt. 20.000 Bäume und Sträucher wurden bisher gepflanzt. In sanften Übergängen entstehen
erneut Habitats wie die Macchia, Garrigue und Tonsteppen mit großer Artenvielfalt. Nördlich des Parks
liegt auf einem Felsvorsprung St. Agatha’s Tower, wegen der Farbe auch als Red Tower bekannt. 1649
erbaut, war er eine Hauptverteidigungsposition der Ritter von St. John. Viereckig, mit vier gewaltigen
Ecktürmen und vier Meter dicken Mauern wurde er auch von den Briten und im zweiten Weltkrieg
genutzt. Er war mit Kanonen ausgerüstet und mit 30 Männern besetzt, die Munition und Vorrat für 40
Tage hatten. Im Jahr 2000 wurde er von der Armee übernommen und in zwei Jahren vorwiegend von
Freiwilligen restauriert. Vom Dach haben Besucher heute einen atemberaubenden Blick über die Küste
bis zu den Inseln.
70
Al-Majgistral
Natur- und Historischer Park
Al-Majgistral mit seinen malerischen Küstenriffen im Nordwesten der Insel wurde von der Regierung
von Malta 2007 zum Naturschutzpark erklärt. Schon vorher war er in die Liste von Natura 2000
aufgenommen worden. Der Park enthält zahlreiche historische und archäologische Stätten und ist Ort
unterschiedlicher Freizeitaktivitäten wie Reiten und Wandern. Eine zusätzliche Attraktion sind die
wunderbaren Sandstrände, die Golden Sands. Die Direktiven fordern zur Entwicklung des Geländes
geregelte Management-Pläne, die von drei NGOs aufgestellt werden. Widerstreitende Nutzungen
müssen organisiert werden. So müssen z.B. die Tarnsitze für die Vogeljagd entfernt werden, da sie mit
Touristenbesuchen unvereinbar sind. Langfristig sollte das Schutzgebiet über die gesamte Westküste
erweitert und Bauentwicklung gestoppt werden. Die Vision ist es, einen Park zu gestalten, der die
unterschiedlichen Elemente des Parks verbindet und gleichzeitig das natürliche, kulturelle und
landschaftliche Erbe bewahrt und einheimischen und internationalen Besuchern ein bereicherndes
Erlebnis bietet. Eigentlich das perfekte Beispiel für die Idee eines Hybrid Parks!
Workshop SESSION II
Partner Presentations in the Orangerie of the President’s Kitchen Garden
Alina Mzyk, Stadtverwaltung Mikolow
Das schlesische Projekt
Mikolow ist eine Kleinstadt mit 38.000 Einwohnern, südwestlich von Katowice mit guter Anbindung
an wichtige Wirtschafts- und Wissenschaftszentren der Region. Von den 82 km2 werden über die
Hälfte landwirtschaftlich genutzt. Zur Verbesserung der Luftqualität investierte ein umfangreiches EU
co-finanziertes Projekt in den Umbau öffentlicher Gebäude, in moderne Infrastruktur und den Ausbau
von Grünflächen. Schulgebäude, Kindergärten wurden Energie effizient umgebaut, eine biologische
Kläranlage, eine Müllverarbeitungsanlage und eine Boiler Station neu erstellt, um im Rahmen eines
Umweltschutzprogramms Emissionen und Verschmutzung zu reduzieren. Hierzu gehörte auch die
Rekultivierung der örtlichen Müllhalde (2,7ha).
Eine der größten öffentlichen Grünflächen von Mikolow ist der Planty Park aus dem 18.Jh., der seit
Generationen Ort der Erholung und Treffpunkt für die Bürger der Stadt ist. 2001 wurde der gut
erhaltene Park in landschaftsnaher Gestaltung in die Denkmalliste der Provinz Schlesien
aufgenommen. Zur Revitalisierung der historischen Anlage wurde ein altes Pfadfinderhaus durch ein
neues, multifunktionales Zentrum ersetzt, das nun Treffpunkt unterschiedlicher Gruppen und Vereine
für Pfadfinder, Erziehung, Ehrenamt u.a. ist. 2004 wurde der Park als bester erneuerter öffentlicher
Raum in Schlesien ausgezeichnet.
Der Schlesische Botanische Garten von Mikolow wurde mit über € 2,2 Mio. finanziert. Auf über 100ha
bietet er eine große Vielfalt an Flora und Fauna in einer abwechslungsreichen Landschaft und
malerischen Umgebung. Wissenschaftler schätzen die Pflanzen auf 650 Arten, von denen 20 geschützt
und 7 gefährdet sind. 40 Pflanzengesellschaften wurden unterschieden. 51 gewaltige Bäume auf dem
Fiolkowa Berg und um die Fischweiher sind ausgewiesene Naturdenkmäler, 14 weitere sind fast
gleichen Ranges. Wegen der günstigen Lage ist es nun Ziel, den Botanischen Garten zu einem Zentrum
für Umwelterziehung auszubauen, um die Biodiversität und das Landschaftserbe Schlesiens zu
bewahren und das Umweltbewusstsein der Bevölkerung zu stärken. So entstand ein moderner
Gebäudekomplex und 12 Pflanzensammlungen in Verbindung mit Lehrpfaden, die durch das Gelände
71
führen. Der hufeisenförmige Bau mit einem Turm ist Ort für Umwelterziehung, Treffen Unterhaltung,
in den Außenanlagen finden Kinderspiel, sportliche Wettkämpfe, kulturelle Events und Open-air Kino
statt. In einer zweiten Bauphase (€ 2,2Mio) soll ein Umweltzentrum für Kinder entstehen und das Areal
der Pflanzensammlungen ausgebaut und mit Lehrpfaden erschlossen werden. 2010 erhielt das Projekt
den Preis der besten Erneuerung im Wettbewerb „Der schönste Ort der Provinz Schlesien“
Dr. Pawel Kojs, Silesian Botanical Garden Mikolow
“A role of Silesian Botanical Garden in the network of Polish botanical gardens”
Der Biologe und Direktor des Botanischen Gartens Schlesien Pawel Kojs gab einen Überblick über die
Rolle, die der Botanische Garten in Mikolow für das Netzwerk der botanischen Gärten in Polen spielen
kann. Dabei geht er von drei Aufgaben-Kategorien aus, auf die der Garten hinarbeiten muß:
Ökonomische, Soziale und Umweltbezogene Ziele. Grundlage für jedes Handeln in allen Kategorien ist
das Prinzip der Nachhaltigkeit. Die umweltbezogenen Ziele beinhalten darüber hinaus den
Naturschutz, Milderung und Anpassung an den Klimawandels, den Schutz der Artenvielfalt, das
Umsiedeln ganzer Habitats und Erziehung zum Umweltschutz. Kojs machte zunächst einen
philosophischen Exkurs in die Systemforschung, den Christian Grüßen schon am Beginn der Tagung
erwähnt hatte. Für Kojs sind „Hybride Parks“ sich an eine ständig verändernde Umwelt neu
anpassende Systeme (adaptive systems). Ihre Entwicklung in der Reaktion auf die Umwelt vollzieht
sich in Kreisen, ähnlich der Puppe in der Puppe, wobei jeder einzelne Kreis wiederum Teil eines
größeren Kreises ist – eine Idee, die sich bis ins Endlose fortsetzen läßt. Diese adaptiven Systeme nennt
er aufgrund ihrer vorausgesetzten Eigenschaften auch uterisch (gebärend): - sie sind Ort der
Entstehung von etwas Neuem- sie sind ein umhüllender, beschützender Ort - sie sind ein Ort, in dem
sich etwas entwickelt - sie müssen auf Neues reagieren können und flexibel sein, um effizient zu sein
Unter einer nachhaltigen Entwicklung auf die menschliche Umwelt bezogen, bedeutet das eine
Verschiebung der Gewichtung für zukünftige Ziele: „ Gut leben INNERHALB der Grenzen unseres
Planeten“ „So gut wie möglich leben innerhalb DER GRENZEN UNSERES PLANETEN“ „GUT LEBEN wenn
möglich innerhalb der Grenzen unseres Planeten“
Die Idee der nachhaltigen Zukunft ist für Pawel Kojs der Zustand eines Systems, der es ihm erlaubt,
ohne weiteres Wachstum langzeitig zu funktionieren.
Ziele, die Kojs auch auf das Netzwerk der botanischen Gärten in Polen mit deren Umwelt bezogenen
Aufgaben angewandt wissen will. Es gibt 20 Botanische Gärten, 27 Arboreten, 7 Physik Gärten, 16
Palmenhäuser. Von diesen insgesamt 70 sind 31 im Verband der Botanischen Gärten. Die einzelnen
Mitglieder sind sehr unterschiedlich in Größe und Hintergrund, sind öffentlich oder privat.
Grundlegend für alle Entscheidungen in der Zusammenarbeit des Netzwerks sind die Richtlinien zum
Erhalt der biologischen Vielfalt der Convention on Biological Diversity (CBD). Gegründet 1992 sind 192
Staaten und die Europäische Union Mitglied des internationalen Vertragsabkommens um die reiche
Vielfalt des Lebens auf der Erde zu erhalten und die potenziell negativen Auswirkungen der
Biotechnologien auf die Biodiversität zu reduzieren. Der strategische Plan für 2012-2020 und die in
Aichi, Japan, 2010 überarbeiteten Ziele repräsentieren das weltweite Engagement für den Erhalt
biologischer Vielfalt:
Ziel A – Verankerung der Belange für Artenvielfalt in Regierung und Gesellschaft
Ziel B - Reduzierung der Eingriffe in die Artenvielfalt und Förderung eines nachhaltigen Gebrauchs
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Ziel C – Verbesserung des Status der Artenvielfalt durch Schutz der Ökosysteme, Arten und genetischer
Vielfalt
Ziel D – Steigerung der Vorteile für alle durch Artenvielfalt und Ökosystem Dienste
Ziel E – Steigerung der Umsetzung durch Bürgerbeteiligung bei Planung, Wissensmanagement und
Organisation
Wie kann die konkrete Umsetzung im Verband der Botanischen Gärten in Polen aussehen? Die
geografische Gliederung, die Einteilung der politischen und administrativen Provinzen und innerhalb
der Provinz Schlesien überschneiden sich. Die zunehmende Komplexität des Netzwerks legt eine
hierarchische Struktur der Teilnehmer nahe. Der botanische Garten in Mikolow bietet sich hierfür als
Zentrum für Schlesien an. Wie weit die Projekte sich in den nächsten Monaten weiter entwickeln, wird
sicherlich eines der Themen des Hybrid Parks Workshops im Juni 2014 in Mikolow sein.
Jan Tvrdy, Department of Regional Development, FCC Finish Consulting Group Ltd, University Turku
“Vuosaari Landfill Site in Helsinki Finland”
Vuosaari ist eine Abraumhalde in der Nähe von Helsinki, die als Gemeinschaftsprojekt von Kommune
und Region zu einer neuen vielseitigen Landschaft mit sozialen, ökonomischen und Umwelt bezogenen
Aktivitäten umgestaltet wird. Die 60 ha große Halde ist mit einer Höhe von 65m in einem sonst flachen
Umland zur Landmark herangewachsen. 1988 wurde der Müllhaldenbetrieb eingestellt, während die
Abraumlagerung weiterlief. Allein 80.000 m3 des Hafenneubaus wurden eingebaut. 1994 begann die
Umgestaltung, die über die verschiedenen Stufen der Raumordnungsplanung 2002 zum offiziellen
Projekt „Landscaping of the Vuosaari Landfill“ der Stadt Helsinki und Helsinki Hafenleitung wurde.
Gleichzeitige Umweltstudien (SYKE) zu mikrobiologischen Mutterbodenaktivitäten (2003-2005),
führten nach dem generellen Landschaftsplan (2004) zum detaillierten LP (2007), dessen Umsetzung
bis heute erfolgt. Das Projekt wird als beispielhafter, praxistauglicher „Integraler Planungsansatz“
gesehen, das die Wiederherstellung, Ökologische Planung, Regenerative Entwicklung und allgemeines
Design miteinander verbindet. Es zeigt, dass Umweltschutz und Freizeitnutzung umgesetzt werden
können bei gleichzeitiger ökonomischer Nutzung als Materialhalde. Ziel ist die Gestaltung einer
ansprechenden, vielseitigen Landschaft, die zu Freizeit und Erholung einlädt (social activities).
Gleichzeitig wird die ursprüngliche Aufgabe der Halde für die Einlagerung des Abraums von Hafenbau
und Siedlungsprojekten beibehalten (economic activities). Gesicherter Mutterboden dient in der
Oberschicht als Saatbank für eine ökologisch nachhaltige Vegetation, die sonst bei Bauarbeiten
verloren ginge (environmental activities). Das Gelände repräsentiert typische, regionale Habitats der
Südfinnischen Inselgruppe mit 390 vaskulären Pflanzen, 9 gefährdeten und 16 bedrohten Sorten,
Weideland, Erlen, Eschen, Heide und Wacholder auf den typischen warmen Abhängen. Sie ist für
Naturliebhaber ebenso anziehend, wie nützlich für Exkursionen für Schüler, Studenten und Fachleute.
Es wurde eine hohe Bio- und Nutzungsdiversität erzielt, die der Bevölkerung durch eine umfassende
Promotion des Geländes für die Region Helsinki bekannt gemacht werden soll. Wichtig ist es dabei,
eine klare Marke zu definieren, die das Marketing der praktischen Werte erleichtert.
73
PAOLA CORRADINO Workshop – Besichtigung von Parks und Gärten auf Malta
Argotti Botanical Gardens, Paola - Floriana (University of Malta Section)
Die Argotti Gärten entstanden 1740 als private Gärten des Großmeisters Bailiff Ignatius de Argote, in
deren Mittelpunkt er seine Sommerresidenz errichten ließ. Der große Eingangsportikus, Brunnen und
ein mit Mosaiken verziertes Nymphaeum schmückten die Gärten. Nach dem Abzug des Ritterordens
machten die Engländer 1805 aus dem privaten Garten einen Botanischen Garten unter der Leitung des
ersten Lehrstuhls für Naturgeschichte an der Universität Malta. Mehrere Professoren entwickelten ihn
zum Standort aller bis dahin verstreuten botanischen Sammlungen der Insel, darunter besonders auch
vieler Heilpflanzen. Hinzu kamen Importe mediterraner und exotischer Pflanzen, selbst von Nord- und
Südafrika. Die weltbekannte private Kakteensammlung von Prof. John Borg erweiterte die Ausstellung.
Von 1973-1996 übernahm die Landwirtschaftsbehörde die Leitung, bis sie seit 1996 wieder an die
Universität überging. Professor Dr. Joseph Buhagiar führte durch die heutigen Argotti Botanical
Gardens auf einer Fläche von 4.500 m2. Sie verfügen über eine Sammlung einheimischer und
exotischer Pflanzen, die angepasst an das mediterrane Klima sind. Die Pflanzen müssen heiße Sommer,
extrem intensives Licht und lange Trockenheit verkraften. Zahlreiche Kakteen und Succulente in
Tontöpfen säumen die langen Beete. Im Bereich der für Malta typischen Pflanzen steht der Sandarac
Gum Tree (Tetraclinis articulata), seit 1992 der Nationalbaum Maltas, von dem es nur noch einige
hundert Exemplare gibt. Als Bodendecker wächst die maltesische Nationalpflanze Felsen Centaurie
(Cheirolophus crassifolius). In Zusammenarbeit mit der Universität befindet sich in den Gebäuden ein
Forschungszentrum, das sich unterschiedlichsten Pflanzeneigenschaften widmet, wie z.B. der
Extraktion phytochemischer Stoffe, Tests zur Bioaktivität oder der Rolle von Mikroben und Weichtieren
bei der Kompostherstellung. Professor Buhagiar stellte die Entwicklung des botanischen Gartens dar
und fasste die unterschiedlichen Funktionen im Wissenschaftsbereich zusammen: - Erhalt
einheimischer Pflanzen und Unter-Glas-Kultivierung seltener oder gefährdeter Arten- Leitung und
Management einer Samenbank für autochtone und exotische Pflanzen für Forschung und
Vermehrung.– Mikroproduktion im Labor für in-Vitro-Vermehrung- Förderung der Erziehung mit
Führungen und Kursen für Schüler und Studenten Die Argotti Botanical Gardens sind Mitglied des
GARDMED Netzwerks , das ähnlich dem Gartennetz Deutschland 15 historische Gärten von Malta und
Sizilien verbindet
(www.gardmedproject.org www.um.edu.mt/discoveruniversity/activities/argotti )
Upper Barrakka Gardens, Valletta
Einer der bedeutendsten öffentlichen Parks von Valletta, der kleinsten Hauptstadt Europas, liegt auf
dem höchsten Punkt der Stadtmauern: die oberen Barakka Gärten. Barakka Gardens wurden 1661 auf
der oberen Bastion angelegt. Diese wiederum baute ursprünglich der namengebende La Valletta 1566,
Großmeister des Ordens St. John gegen die Belagerung der Insel durch die Türken. Die Festungsanlagen
wurden von acht herausragenden Bastionen gebildet, die jeweils einer der acht Zungen des Ordens
zugeordnet waren. Die betreffende Bastion wurde den Rittern der Italienischen Zunge angewiesen, die
ihn 1661 zu einem privaten Garten gestalteten und seine Freiräume zur Erholung an der frischen Luft
öffneten. Man betritt den Park nahe der Auberge d’Italie, dem heutigen Regierungssitz am Place de
Castille durch ein großes Eisentor. Im 18.Jh. wurde auf der oberen Terrasse eine überdachte Loggia
errichtet, um die Ordensbrüder an heißen Tagen vor der Sonne zu schützen. Aus Angst vor möglichen
Verschwörungen ließ Großmeister Ximenex 1775 die Dächer entfernen, so dass heute nur noch die
seitlichen Arkaden stehen. 1824 übergab der Orden den Park an die Stadt, die ihn für die Bewohner
von Valletta öffnete. In den folgenden Jahren wurden zahlreiche Denkmäler und Büsten wichtiger
74
Politiker und großer Persönlichkeiten aufgestellt, unter ihnen Sir Winston Churchill. Eine Skulptur des
maltesischen Künstlers Antonio Sciortino, „Straßenkinder“ zeigt drei arme Jungen im Vorwärtslauf als
Symbol an das Unbehagen bei den Entwicklungen im 20. Jahrhundert. Auf der tiefer liegenden Terrasse
befindet sich die „Saluting Battery“, eine rechteckige Plattform, von der aus die Kanonen abgefeuert
wurden und heute noch das 12Uhr-Schiessen stattfindet. 1924 wurde sie mit einer großen Treppe an
den oberen Garten angeschlossen. Die Barrakka Gärten sind Treffpunkt für die Bewohner von Valletta
und ein Muss für die Touristen der Stadt. Die Arkadenbögen schaffen eine dramatische Szenerie, in
der sich die Geschichte des Ordens mit der militärischen Funktion verbindet. Schatten spendende
Bäume, Palmen, Beete und Brunnen schaffen eine entspannte Atmosphäre, Bänke laden zum
Ausruhen ein. Doch Magnet des Parks ist die gewaltige Brüstung der Terrasse. Von hier aus hat man
einen beeindruckenden Blick auf die gegenüberliegende Bucht mit den historischen Städten Senglea
und Vittoriosa und das Panorama des Grand Harbour mit seinen Docks und Schiffswerften. Im Rahmen
des Grand Harbour Regeneration Projekts wurde 2012 ein gläserner Panorama-Lift gebaut, der die
Barrakka Gärten in 25 Sekunden mit dem 60m tieferen Hafenbecken und dem Cruise Liner Terminal
verbindet. (www.cityofvalletta.org www.salutingbattery.com )
Mall Garden, Floriana
Der Mall Garden ist eine schmale 400m lange Achse entlang der Republic Street, die Fort St. Elmo mit
Bastion St. Philip verbindet. Sie wurden 1656 von Großmeister Lascaris angelegt als Platz zur Erholung
für die Ritter, wo sie das Ballspiel „Palla a Maglio“ spielten. 250 Jahre blieb er unverändert, bis er 1805
von Sir Alexander Ball zu einem öffentlichen Garten mit dem Namen Maglio Garden wurde. Nach dem
2. Weltkrieg wurden die zerstörten, bis dahin umgebenden Mauern entfernt. Heute präsentiert er sich
als Stadtgarten mit Schattenalleen, Palmen, mediterranen Pflanzen, Brunnen und dem Nationalbaum
(Sandarac Gum Tree). Denkmäler bekannter Malteser Persönlichkeiten verweisen auf die politische
Geschichte der Insel. An einer Kopfseite ragt die Statue der Unabhängigkeit auf, die an die
Unabhängigkeit von britischer Herrschaft erinnert.
(www.florianalocalcouncil.com www.gardmedproject.org )
Hastings Gardens, Valletta
Die Hastings Gardens liegen auf der Bastion westlich des großen Stadttors von Valletta. Die erst
kürzlich restaurierte Anlage bietet eine herrliche Aussicht auf Floriana, die umliegenden Städte und
Häfen. Unter alten Kiefern steht das Marmorgrabmal zu Ehren von Lord Hastings, Gouverneur von
Malta, der 1827 in diesem Garten begraben wurde. Hier erläuterte Dr. Malcolm Borg die Entwicklung
des Britischen Gartens als öffentliche Grünflächen während der viktorianischen Zeit.
Ditch Garden, Mdina
Ein Festungsgraben als öffentliche Anlage in modernem Design – dieser neue Stadtgarten ist in seinem
städtebaulichen Kontext eine Überraschung. Auf einem Hochplateau erhebt sich die ehemalige
Hauptstadt Maltas steil aus der Landschaft am Rand der heute viel größeren Stadt Rabat. Mdina ist
eine strategische Stadt, an der sich die wechselvolle Geschichte Maltas ablesen lässt. Die Phönizier,
Römer, Araber, Normannen haben ihre Spuren hinterlassen, die Stadtmauern verstärkt und ihre
Herrschaft verteidigt. Das Wort „Mdina“ geht auf die Araber zurück, die sie um 900n.Chr. „die von
Mauern umgebene Stadt“ nannten. Den Beinamen „Città Notabile“ erhielt sie 1422, als sie einem
Angriff von 18.000 Türken standhielt. Seitdem die Johanniter ihre Residenz Ende des 16.Jhs. endgültig
nach Valletta verlegt hatten, ist es in Mdina ruhig geworden. Heute ist sie mit ca.250 Einwohnern die
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„stille Stadt“ und rückt mit ihrem geschlossenen architektonischen Auftritt aus Maltesischem Kalkstein
zunehmend ins Interesse von Eintagstouristen.
Man betritt die Stadt durch ein großes Tor, zu dem eine Brücke über den gewaltigen Festungsgraben
führt. Der 350m lange Graben selbst war nur teilweise zugänglich, diente als Parkplatz und wilde
Sportfläche. Andere Bereiche waren ein dicht zugewucherter Orangenhain, der schon vor 200 Jahren
Früchte für das nahe Militärkrankenhaus lieferte. Areale mit hohem touristischem Potenzial sind seit
fünf Jahren in ein EU co-finaziertes Restaurationsprojekt auf Malta eingebunden, das über 6km (von
60km) Stadtmauern in Valletta, Vittoriosa und Mdina wiederherstellt. Im Rahmen dieser
Baumaßnahmen wurde der Festungsgraben komplett ausgeräumt und von der lokalen
Planungsbehörde für 1,2Mio€ als öffentlicher Stadtpark neu gestaltet. 800 Arbeiter und 50 Firmen
waren am Gesamtprojekt Mauer und Park beteiligt. Im Frühjahr 2013 war die feierliche Eröffnung des
„Gartens im Festungsgraben, der die historischen Zeitläufe des Landes mit der Gegenwart und der
Zukunft verbindet“, so Minister George Pullicino vom Ministerium für Energie und Landwirtschaft.
Entstanden ist ein moderner Stadtgarten in einem sehr zurückgenommenen Design. Die Strenge der
Bastion setzt sich in der Strenge der Flächenbänder fort, die den Linien der hohen Mauern parallel im
Graben folgen – als 15m (?)breiter grüner Rasenstreifen, als Wege unterschiedlicher Breite und als
Baumreihen. Die alten Orangenbäume fanden in den langen Alleen einen neuen Platz. Kein Baum ging
verloren, so das Versprechen. Große Zedern und Steineichen in der Nähe des Haupttores geben ein
malerisches Szenario. Ein Brunnen und eine Kubus-Skulptur bringen einen Hauch von Moderne. Ein
neues Lichtsystem wurde installiert, damit man auch am Abend hier noch spazieren kann. Kleine Plätze
laden zu Rast und Erholung ein, Kinder können spielen. Ein neues Abwassersystem wurde entwickelt,
das das Regenwasser in einer Zisterne sammelt. Den Bodenbelag bilden unterschiedlichste Formate
des ortstypischen Limestones (Kalkstein), der mit dem Stein der Mauern und der ganzen Stadt
verschmilzt. Wenn man tief unten im Graben nach oben schaut, bilden gegenüber der Stadt die alten
Bäume des Howard Garden, die Umrisse der Schirmkiefern und Palmen den Abschluss über der Mauer.
Dieser typische Stadtgarten aus dem frühen 20..Jh. schließt sich oben wie ein grünes Band um eine
Seite des Festungsgrabens. Geht man dort zur Zeit der Orangenblüte entlang, weht einem dann und
wann ihr süßlicher Duft aus der Tiefe entgegen.
Die Konsequenz und klare Linie der Gestaltung in ihrem historischen Rahmen war so überzeugend,
dass der Ditch Garden von Mdina zum Europäischen Gartenpreis 2013 nominiert wurde.
(www.mdinacouncil.com )
Garden of Serenity - Gnien is-Serenità, Santa Lucija
Der Bürgermeister von Santa Lucija, Mr. Fredrick Cutajar, hielt einen kurzen Vortrag über die
Entstehungsgeschichte des Gartens, seine Symbolik und zukünftige Pläne. Garden of serenity, der
Garten der Gelassenheit, wurde vom Suzhou Gardens Design Institute of China geplant. Er ist Zeichen
der engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Malta und der Volksrepublik China und wurde im Juli
1997 eröffnet. In Zusammenarbeit mit dem Amt für Landwirtschaft übernahm eine Gruppe
chinesischer Spezialisten die Planung und Ausführung des Gartens. Ein großer Teil der Pflanzen und
Materialien wurde hierfür direkt aus China importiert. Die Bauphase selbst dauerte nur sechs Monate.
Der Garten, der inzwischen eine Attraktion geworden ist, bietet eine einzigartige Verbindung von
Spiritualität und Natur und gewinnt zusätzlich an Exotik durch den kulturellen Kontrast zu seinem
maltesischen Umfeld. Dank der Partnerschaft mit der Provinz Jin Chang di Suzhou konnte der Garten
über die Jahre hinweg entsprechend unterhalten und gepflegt werden. Bis 2014 sind eine Erweiterung
zur Südseite des Gartens hin und eine Abschirmung zur parallel laufenden Straße an der Längsseite
vorgesehen, um dem Garten mehr Stille zu geben.
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Der „Garten der Gelassenheit“ ist ein klassischer chinesischer Garten, der die traditionelle chinesische
Symbolik widerspiegelt, nach der der Garten eine eigene Welt im Gleichgewicht ist, die den Menschen
dazu auffordert, sich frei in seinen tiefen Gedanken zu bewegen. Entsprechend folgt er drei Prinzipien:
der Raum muss durch seine natürlichen Elemente seine direkte Umgebung abbilden – eher
ungezwungen als in einfacher Symmetrie. Dann muss er eine eigene, in sich geschlossene Welt
darstellen, in der alle Jahreszeiten den menschlichen Gedanken dienen und die Elemente des
Ursprungs, das yin und yang darstellen. Innerhalb der engen Grenzen des Gartens darf dieser sich
nicht sofort erschließen, sondern soll durch neue Überraschungsmomente den Besucher immer weiter
in den Raum hineinziehen. Hauptelemente sind Wasser und Fels, deren Verbindung Architektur und
Gartenbau entstehen lassen. Sie symbolisieren die Grundlagen des Lebens, yin und yang, alles was
Leben gibt. Die Felsen sind der Körper der Welt, mit Tälern und Hügeln. Das Wasser ist ihr Geist, liefert
Sauerstoff, Atem, Wolken und das Blut, das in den Venen fließt. Die Felsen symbolisieren das Aktive,
die Kraft und die Arbeit. Das Wasser steht für das Kontemplative, das das Aktive ergänzt. Das Wasser
steht für den Gedanken, die Freiheit, Stille und Nachdenken. Erst in ihrer ausgewogenen Verbindung
entsteht das vollständige Ganze – die Gelassenheit.
So symbolisiert der „Garten der Gelassenheit“ in Santa Lucija das Leben, die Geburt und den Tod. Der
Brunnen am Eingang mit dem lebenspendenden Wasser, die Mutter des Lebens, die Geburt, der
Beginn der Kindheit. Die Kindheit vollzieht sich im folgenden Gartenbereich bis zum großen „Tor der
Reife“, auf geradem Weg ohne Probleme und immer im Blickfeld der zwei Löwen-Eltern am
Eingangstor oder unbewacht auf gewundenem abseitigen Pfad voller Abenteuer und Gefahren. Mit
beginnender Reife tritt man in einen beschützenden Portico mit der Türinschrift „Wu“ – das Wunder
des Lebens, die dazu einlädt dem weiteren Weg zu folgen. Hier bieten sich wie im Leben mehrere
Möglichkeiten, der Weg des aktiven oder der des kontemplativen Lebens. Eine Brücke und ein Korridor
in Zickzack Form verdeutlichen die Windungen und Schwierigkeiten des Lebens. Der Garten eröffnet
eine Vielzahl unterschiedlicher Erfahrungen. Der Brücke gegenüber eröffnet sich durch ein kreisrundes
Mondtor in einem Bambusgarten der Weg des kontemplativen Lebens mit all seiner Symbolik. Kein
chinesischer Garten wird als große Fläche gestaltet, sondern ist durch Mauern, Korridore und Wasser
in viele einzelne Gartenräume unterteilt, ganz wie die voneinander getrennten Gedanken. So entsteht
der Eindruck eines ununterbrochenen Verlaufs, in dem sich ein Raum aus dem anderen ergibt. Der
Rundgang berührt die fundamentalen Fragen der menschlichen Existenz, begonnen mit dem
Wachstum, dem Denken, der Kontemplation und dem Leben in Gemeinschaft mit Dialog und Reichtum
, dessen Ort eine pagodenförmige Halle mit beidseitigem Schattengang ist. Auf der dahinter liegenden
Seite öffnet sich ein großes Loch – das Ende von allem und jedem, in dem die Felsen eintauchen und
das Wasser einfließt. Im Wasserbild reflektiert sich das eigene Bild des Betrachters , ein memento mori,
für das der Tod nur ein Übergang ist – zu einem anderen Leben, das auf den vorherigen aufbaut.
(www.visitmalta.com www.santalucija.gov.mt )
DIE PALASTGÄRTEN VON ATTARD
The President’s Palace and Garden
Der Besuch der Gärten in Attard begann mit einer geführten Besichtigung des San Anton Palastes. Wie
seine Vorgänger residiert hier der amtierende achte Präsident von Malta, Dr. George Abela. Die üppig
ausgestatteten Säle und Salons im Erdgeschoss dienen für offizielle Staatsbesuche und repräsentative
Empfänge.1620 baute Großmeister De Paule den Palast mit seinen umgebenden Gärten als
Sommerresidenz. Seine Nachfolger erweiterten und verbesserten sukzessiv die Anlage. Unterirdische
Wasserleitungen wurden verlegt, 1766 der Orangenhain vergrößert und ein großes Reservoir zur
besseren Bewässerung gebaut. Nach den Rittern von St. John diente der Palast französischen Beamten,
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britischen Gouverneuren wie auch seit 1964 den Präsidenten der Republik Malta als Residenz. Hinter
dem barocken Gebäude befindet sich der private Garten des Präsidenten. Es ist ein Garten im
klassischen Stil mit schattigen Laubengängen, Brunnen und Pavillons. Die Rasen Karrees sind gesäumt
von überbordenden Stauden- und Saisonpflanzen. Blühende Bougainvilleen, Orangenbäume und
exotische Sträucher unterstreichen den mediterranen Charakter. Ein Defilee von Marmorbüsten
großer Künstler und Philosophen steht entlang der längsseitigen Mauer. In eine hintere Ecke lockt eine
Voliere, auf einem kleinen Teich schwimmen Enten. Hier kann man entspannen, im Schatten sitzen
und den plätschernden Brunnen lauschen.
The President’s Kitchen Garden
Der Küchengarten des Palastes entstand im 18.Jh. direkt am Palast, um die Tafel der Großmeister mit
frischem, eigenen Obst, Gemüse und Blumen zu versorgen. Der private und unzugängliche Garten
arbeitete ursprünglich nur für die Bedürfnisse des Palastes. Da er in einem erbärmlichen Zustand war,
wurde er auf Betreiben von Margaret Abela, der Gattin des amtierenden Präsidenten, restauriert und
2011 der Öffentlichkeit freigegeben. Der Garten produziert immer noch das Gemüse für den Palast
und seine illustren Gäste. Aber in der Palastküche werden heute auch täglich die frischen Gerichte für
das offene Gartenrestaurant zubereitet. Dieses befindet sich im unteren Eingangsbereich mit kleinen
Tischen, Sonnenschirmen und einer Orangerie. Alle erwirtschafteten Einnahmen gehen an den Malta
Community Chest Fund (MCCF), einer NGO für die medizinische Versorgung Bedürftiger. Der
Küchengarten erstreckt sich im Ganzen über drei Ebenen. Neben dem Bistro ist ein Spielbereich für
Kinder. Besonders spannend für die Kleinen sind hier auch Gehege und Käfige mit Hühnern, Gänsen,
Ponys, Strauß und Wild. Auf einer zweiten Ebene liegt der Gemüse-, Kräuter- und Rosengarten. Hier
wachsen Kohl, Salat und Porree in Buchs gesäumten Beeten und die Blumen für die üppigen
Dekorationen im Palast. Empfindliche und frisch vermehrte Pflanzen stehen in kleinen Treibhäusern.
Dieser Bereich wird täglich zu didaktischen Zwecken genutzt. Schulklassen und unterschiedliche
Gruppen werden geführt, informiert und in die Grundformen des Gärtnerns eingewiesen. Hier ist
besonders die „Ghorfa“ aktiv, eine Organisation, die sich für die Flora und Fauna von Malta einsetzt.
Auf der anschließenden, erhöhten Ebene, der sogenannten Schwanenterrasse, liegt das ehemalige
Wasserreservoir. 1622 bauten die Ritter von St. John das 15m lange und 5m tiefe Becken zur besseren
Bewässerung der Gärten, während die Briten es später als Schwimmbad nutzten. Der Küchengarten
wurde behindertengerecht mit Lifts und Rampen ausgestattet und ist der einzige rauchfreie
Erholungspark der Insel. Er ist Mitglied im Gardmed-Netzwerk, das das kulturelle Erbe mediterraner
Gärten und den Ökotourismus im Mittelmeerraum fördert.
(www.gardmedproject.org www.mccf.org.mt )
Die öffentlichen Gärten von San Anton
Die öffentlichen Gärten von San Anton gehörten ursprünglich zur Residenz. Sie liegen unmittelbar im
Anschluss an die privaten Palastgärten und wurden 1882 geöffnet. Sie sind vorwiegend formal
gestaltet mit immer noch barockem Anklang. Zahlreiche Wege führen durch blühende Beete und in
den Randbereichen zu kühlem Schatten. Die Bepflanzung ist reich an botanischen Raritäten aus aller
Welt, darunter zahlreiche Palmen, Zypressen, Jaccaranda, Araucarien und andere Exoten. Einige der
gewaltigen Bäume sind über 300 Jahre alt. Noch heute ist es üblich, dass besuchende
Staatsoberhäupter zur Erinnerung an ihren Aufenthalt auf Malta einen Baum pflanzen. Zierteiche,
zahlreiche Skulpturen, eine Voliere und eine Orangerie geben dem Garten einen eigenen Charakter.
Früher wurden die Früchte der Orangerie von den Großmeistern als Weihnachtsgeschenk überreicht.
Heute finden hier bedeutende Veranstaltungen statt, wie die Malta Horticultural Show, Open-AirTheater, Tanzaufführungen und Konzerte.
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ELC Nurseries Wied Incita - Attard
Die Gruppe besichtigte die ELC Baumschule. Der leitende Geschäftsführer gab einen Überblick über
Produktion, Ziele und die Zusammenarbeit des Konsortiums mit der Regierung. Environment
Landscape Consortium ELC ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung Maltesischen Rechts mit
einer Privat-Öffentlichen Partnerschaftsvereinbarung (Private Public Partnership arrangement), an der
sich drei große Firmen beteiligen: Polidano Group of Companies (Baufirma), Calamatta Landscapes Ltd
(Landschaftsbau) und Green Supplier (Landschafts- u. Gartenbau). Diese Firmen sind alle privat und
spezialisiert auf Landschaftsbau, Planung, Unterhalt und Pflege. Hauptanteilseigner ist die Regierung.
Das Konsortium arbeitet wie folgt:
- die Regierung stellt Flächen, Projekte und Baumschule
- die Regierung stellt die Arbeitskräfte, viele davon Arbeitslose aus der Schiffbau-Industrie in
Umschulung
- die privaten Unternehmen stellen Material, Management u.a.
Als ELC 2003 gegründet wurde, übernahm es auch die Wied Incita Nursery in Attard, die bis dahin den
größten Teil der Pflanzen für die Grünflächenämter des Landwirtschaftsministeriums produziert hatte.
Schon im ersten Jahr wurden nach umfangreicher Reinigung des Geländes 150.000 Baumsämlinge
meist Maltesischer Herkunft in Anzucht genommen für zukünftige Aufforstungsprojekte, 35.000
Blütensträucher, 5.000 Oliven und Palmen. Automatische Topfmaschinen wurden angeschafft, neue
Kompostierungsverfahren und Vermehrungstechniken entwickelt. Die Anzuchtfläche wurde in den
folgenden Jahren ständig erweitert, Lagerflächen mit Unkrautmatten und Kiesdrainagen versehen.
1.500 m2 windschützende Schattenhäuser sind schon gebaut, weitere 4.500 m2 sind in Planung. Die
aktuelle Produktion beläuft sich auf 80.000 zusätzliche Bäume, 130.000 Sträucher und 150.000
blühende Bodendecker. Der offensichtlichste Einfluss auf das Auge der Öffentlichkeit und die Umwelt
ist die vielfältige Anzucht von Saison- und Einjahrsblumen für Rabatten, Verkehrsinseln, Straßen
begleitende Pflanzungen und Beete in öffentlichen Grünflächen. Die Gärtnerei produziert 1,5 Millionen
Sommerpflanzen jährlich, das sind 95% des Gesamtbedarfs, die auf Malta mit einheimischen
Arbeitskräften und neuesten Technologien erzeugt werden. Die qualitativ hochwertigen Blumen, die
den Teilnehmern des Workshops in ihrer Üppigkeit wesentlich größer erschienen als in den nördlichen
Ländern, lassen Malta als „blühende Insel“ erscheinen. Schon am Flughafen empfangen einen dichte,
farbenfrohe Pflanzungen von seltener Großzügigkeit. Ein spannendes Ziel ist für die nahe Zukunft
geplant: Einige Bereiche der Wied Incita Nursery soll Teil eines Agro-Tourismus Projekts werden. Des
Weiteren soll die Gärtnerei zu einem Zentrum für Lern-Erholung (educational recreation) werden. Für
Dr. Malcolm Borg ist die öffentlich/private Konstruktion des Unternehmens mit festen Unterhalts-,
Produktions- und Abnahmeverträgen schon jetzt ein gelungenes Beispiel einer hybriden Public Private
Partnership PPP.
(www.elcmalta.com )
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Conference, Workshop, Study and ISG Meeting in Chester and Cheshire West
13. - 15. April 2013
Councillor Stuart Parker, Portfolio Holder for Culture and Recreation, Cheshire West and Chester
Council
Councillor Parker gab nach einer allgemeinen Begrüßung der über 80 Teilnehmer einen kurzen
Überblick über die wechselvolle Geschichte von Chester und seiner Umgebung. Stadt und Region sind
Partner im Hybrid Parks Projekt und versprechen sich vom internationalen Austausch wertvolle
Anstöße für die eigenen Parks und Grünflächen.
Alan Thornley, Hybrid Parks Chairman & Christian Grüssen, Projekt Koordinator
Alan Thornley stellte den Bezug zur eigenen Geschichte des Hybrid Parks Projekts her und erinnerte
daran, wie das Interreg IVC Projekt startete. Seine eigentlichen Wurzeln liegen im Beginn des
Europäischen Gartennetzes EGHN, als man 2003 in Ness Botanic Gardens das Gartennetz gründete. Als
die Finanzierung stand, man in Folge 2010 den jährlichen Europäischen Gartenpreis ins Leben gerufen
hatte, war Hybrid Parks das internationale Anschlussprojekt.
Nicht ohne Stolz wies Alan Thornley darauf hin, dass sich in allen Projekten die britischen Gärten
außergewöhnlich gut eingebracht haben. Humorvoll bediente er sich eines Vergleichs aus dem Fußball.
„Britische Gärten sind die Champions! Und in Zukunft werden sie die neuen Hybrid Parks sein.“
Christian Grüssen erwähnte kurz die vorausgegangenen Workshops in Lund, Dyck und Assisi.
Besonders der letzte im Mai auf Malta habe gezeigt, wie groß der Nutzen von Investitionen in Parks
und Gärten sei. Jetzt liegen die Erwartungen auf Cheshire und seinen best practice Beispielen, um den
Teilnehmern Ideen und Anregungen mitzugeben.
Stephen Bennett, Director of Shows, Royal Horticultural Society
“Überblick über die Show in Tatton Park, Bedeutung der RHS für Erziehung, Inklusion, Gartenerbe
und Auswirkungen auf Besucher Ökonomie“
Stephen Bennett ist Show Director für die Royal Horticultural Society und leitet u.a. die Tatton Park
Flower Show. Tatton Park ist ein historischer Landsitz bei Knutsford im östlichen Cheshire, der schon
1958 mit weitläufigem Landschaftspark und Farmland an den National Trust vererbt wurde. Der Park
ist Mitglied des regionalen Netzwerks „30 Gardens of Distinction“ und Mitglied im Europäischen
Gartennetz EGHN. Seit 1999 findet im Juli in Tatton Park neben der Chelsea Flower Show eine der
größten Gartenshows Englands statt, die inzwischen auch steigendes Interesse aus dem Ausland
erfährt. Sie ist über die eigentliche Ausstellung von Gärten, Ideen, Produkten und Pflanzen stark in
Ausbildung und Berufen im grünen Sektor, ist sozialer Event und mit neuen Ausstellern jedes Jahr die
große Show für Amateure und Experten. Dazu bietet das außergewöhnliche Gelände den perfekten
Hintergrund für die „größte Gartenparty des Nordens“, als die sie beworben wird.
Während sich die Chelsea Flower Show in einem eng begrenzten städtischen Umfeld präsentiert,
bietet Tatton Park mit 2.000 Acres (8,1km2) so viel Raum und offene Fläche, wie selbst in England
wenige Parks. Groß genug für eine hochwertige Ideen- und Konsumentenshow mit inzwischen 120.000
Besuchern.
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2013 werden in einem neuen Rastersystem vier Bereiche thematisiert: grow, inspire, feast und escape.
„Grow“ ist das florale Herz der Show. Wachsen-lassen, Anbauen - zeigt aufwendige Ausstellungen,
Pflanzen, Werkzeuge und Praxis rund ums Gärtnern.
„Inspire“ erweitert die Grenzen des Garten Designs mit Innovation und frischen Ideen junger Planer,
für die drei Preise vergeben werden. Jedes Jahr gibt es neue Themen, ökologischen Neuerungen
werden vorgestellt. 2013 weisen Galaktische Gärten ins Visionäre.
„Feast“ feiert das gute Leben. Hier geht es um den Eigenanbau traditioneller und neuer Gemüse und
Obstsorten in unterschiedlichen Formen von Schreber- und Kleingärten. Das Kochfest-Theater zeigt,
wie essbare Gärten vom Beet zum Teller (plot-to-plate) kommen. Brian Mellor, früherer BBC Direktor
und jetzt Leiter seiner eigenen Kochschule, moderiert die ungewöhnlichen Kochshows.
„Escape“ bringt die Meeresküste ins Herz von Cheshire, evoziert Strand- und Landleben. Hier ist das
Einkaufsparadies für Möbel, praktische Werkzeuge und Kunsthandwerk. 2013 gibt es in Tatton 11
Show-Gärten und 100 Produzenten und spezialisierte Baumschulen.
Stephen Bennett’s Begeisterung für die „terrific creative elements“ der RHS Gartenshow , ihre
hinreißend kreativen Elemente, zieht sich durch seinen ganzen Vortrag. Sie ist eine ABC1 Show, die
unterhaltend, erziehend und gewinnbringend für die Region sein soll.
Ihre Ziele sind:
-
Anlocken von Besuchern aus der Region, aber auch von weiter her
Einbeziehen von Gemeindegruppen und ortsansässigem Gewerbe in die Show (2013
Teilnahme von 22 Grundschulen und 6 Oberschulen)
Gesteigerte Wertschätzung der Besucher nicht nur der Show, sondern auch des Landsitzes,
seiner Gärten und der Parklandschaft
Entsprechung der vielfältigen Interessen zukünftiger Besucher
Die Besucherstatistik der Tatton Flower Show zeigt folgende Aufteilung:
-
-
64% der Besucher sind Frauen, 36% Männer
34% sind bis 55 Jahre, 66% sind 55 Jahre und älter
64% kommen aus dem Nordwesten Englands (eine loyale, jährliche Besuchergruppe, die keine
anderen RHS Shows besucht), immerhin27% kommen inzwischen aus dem weiteren
Königreich
90% (!) zeigen höchste Zufriedenheit, 78% schätzen das Preis-/Leistungsverhältnis
Im letzten Jahr führte die schwierige ökonomische Situation und widriges Regenwetter zu einem
Rückgang der Besucherzahlen auf 96.000. Auch gebe es inzwischen „zu viele Events“, so Bennett. Die
Öko-Bilanz der Garden Show muss zugegebenermaßen als nicht sehr positiv angegeben werden, auch
wenn die gesamte Ausstellung nachher verkauft wird. Aber jeder muss fahren, um nach Tatton zu
kommen und es gibt keinen Zug.
Von zunehmender Bedeutung bei der gesamten Planung sind inzwischen die Medien. Je mehr das
Fernsehen mit einbezogen werden kann und bekannte Moderatoren Tatton auch zu einem
Medienevent machen, desto größer ist die Möglichkeit, das Durchschnittsalter der Besucher zu
senken. Hochwertiger Pflanzenbau und das wertvolle historische Pflanzenerbe stehen im Vordergrund.
Dies wiederum ermutigt die junge Generation der Berufe im grünen Sektor. Die ganze Region sollte
profitieren.
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Ein Besuch der „der größten Gartenparty Nordenglands“ bietet allen Generationen einen großartigen,
unterhaltsamen Tag im Park.
www.rhs.org.uk/Shows...Show-Tatton-Park
www.tattonpark.org.uk
Martin Moss, Senior Advisor at Natural England
“Grüne Infrastruktur - eine englische Perspektive. Die Einbettung eines Ansatzes der Grünen
Infrastruktur und die Entwicklung ihres Potenzials auf einer nationalen, regionalen und lokalen
Ebene“
„Natural England“ ist eine öffentliche Körperschaft für Naturschutz-Beratung und Planung in England.
Sie ist zuständig für den Schutz und die Entwicklung Englands Umwelt: Landschaften, Flora und Fauna,
Trinkwasser, Marine Umwelt, Geologie und Bodenschutz. Ziel der Behörde ist eine nachhaltige
Entwicklung der reichen, nationalen Naturlandschaft zum Nutzen künftiger Generationen. Martin
Moss ist als Senior Adviser spezialisiert auf „Grüne Infrastruktur“.
Grüne Infrastruktur - GI - ist eine Listung nach einer einfachen Typologie von „natürlichen“ Flächen
und Räumen, wie: Naturräumen, Gewerbeparks, Naturschutzgebieten, Stadtbäumen, Plätzen, Flüssen,
Seen, Teiche. Sie können schön oder auch gefährdet sein, da der Nutzungsdruck auf diese Flächen von
vielen Seiten zunimmt. Diese Räume dienen unterschiedlichsten Funktionen und haben großen Nutzen
für Biodiversität, Wassermanagement, Lebensqualität, Gesundheit, Erholung, Erziehung, Klimaschutz
u.a.
Die Grüne Infrastruktur ist ein strategisches Netzwerk dieser natürlichen und semi-natürlichen
Freiräume, für das eine EU-Arbeitsdefinition zugrunde gelegt wird. Sie bedient sich der Technik der
Raumplanung. 50% Prozent ist Überzeugungsarbeit, um Menschen einzubinden und das Verständnis
für die Zusammenhänge von Planungseingriffen in die Struktur der GI zu verdeutlichen. Erst wenn
deren Werte und Notwendigkeiten anerkannt sind, ist der Weg frei für Investitionen. Hierbei betrifft
das Vorgehen der Behörde nicht das Vereinte Königreich UK, sondern nur England, da es schon im
benachbarten Wales einen anderen Ansatz gibt. In England gibt es einen übergeordneten
Raumordnungs-Rahmenplan (policy 114), der maßgebend für die regionalen und unteren Ebenen ist.
Je detaillierter die Kartierung ist, desto eher kann sie in lokale GI-Strategien münden. Diese sind nicht
gesetzgebend, sollen aber Eingriffe, Konsequenzen und Visionen erklären und die Kommunikation der
Beteiligten erleichtern.
Wo liegen nun die Zusammenhänge zwischen Grüner Infrastruktur und Hybrid Parks? GI bezieht sich
auf die Gesamtheit der möglichen „grünen“ Raumressourcen. Martin Moss verdeutlicht dies an
statistischen Erhebungen für Manchester, wo von 58% ! GI der Gesamtfläche, direkte Parks nur 3-7%
ausmachen. Doch die bekannte Definition von Hybrid Parks entspricht der GI weitestgehend: „Parks,
die eingesetzt werden zur nachhaltigen lokalen und regionalen Entwicklung“, „ Milderung des
Klimawandels“ und „Steigerung der ökonomischen, sozialen und Umweltanliegen“.
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„ HYBRID PARKS sind GRÜNE INFRASTRUKTUR“, so Moss. Denn Parks sind grundlegender Bestandteil
des GI-Netzwerks. Wie sehr sie vom System des GI-Ansatzes profitieren können, zeigen die Beispiele
des Beam Parks, Dagenham, und des Weaver Valley Projekts, denn er wertet die Parks in ihrem Umfeld
auf und sieht sie in ihrem räumlichen Zusammenhang. Die Vorteile, die Parks uns bieten sind immer
noch unterbewertet. Örtliche Behörden müssen auf steigende Nutzungserwartungen an die Freiräume
entsprechende Einrichtungen bieten. Hybride Parks erfüllen neue Wege und ein besseres Verständnis
mit Fokus auf ihre Resultate und Vorteile. So werden sie vom Parkverwalter (park keeper) zu einem
Grün-Nutzen-Versorger (green utility provider). Der GI-Plan kann dabei zwar keine Entwicklungen
aufhalten, denn er hat keine gesetzgebende Funktion. Aber er berät, vermittelt und führt bestenfalls
zu ausgleichenden Maßnahmen. Auf jeden Fall erweitert er das Verständnis für den Einfluss einzelner
Planungsmaßnahmen auf die natürliche Umwelt.
www.naturalengland.org.uk
Charlie Seward, Director of Growth and Prosperity at Cheshire West and Chester Council
„Das Weaver Valley Total-Umwelt-Pilot-Projekt – Grüne Infrastruktur in Aktion“
Das Tal des Flusses Weaver liegt im Nordwesten Englands mit den anliegenden Städtchen Northwich,
Winsford und Middlewich zwischen den Agglomerationen Manchester und Liverpool. Die
Neustrukturierung des Tales erfolgte aufgrund der Industriegeschichte der Region in einem
integrierenden Herangehen, das neue Ansätze, Denken und Arbeitsweisen erforderte.
Das Salzabbau-Gebiet hat eine lange Geschichte der Industrialisierung, ist die Geburtsstätte der
chemischen Industrie in England und ist immer noch aktive Arbeits- und Produktionsstätte. Salz war
schon immer der Reichtum Cheshires. Es rühmt sich einer jahrtausendealten Salzproduktion. Schon
die Römer nutzten die Lakequellen zur Salzgewinnung. Die heutige Landschaft kann nur in ihrer engen
Verknüpfung zum Salzbergbau verstanden werden.
Ende des 17.Jhs. wurden tiefe salztragende Schichten gefunden und es begann ein gezielter Abbau der
Steinsalzlager aus Stollen mit Pfeilerbau. Vermischt mit Wasser entsteht daraus Sole, die 80mal salziger
ist als Meerwasser. Aus ihr wird das Salz durch Verdampfen gewonnen. Im späten 19.Jh. deckte
Cheshire fast den gesamten britischen Salzbedarf. Damals zählte die Grafschaft rund 250 Salzwerke.
Gleichzeitig verbesserten sich die Transportmöglichkeiten durch Schiffbarmachung der Flüsse Weaver,
Dane und Trent, durch verbindende Kanäle und die Eisenbahn.
Der Abbau wurde mit der Zeit unrentabel und man begann stattdessen Wasser durch die Minen zu
pumpen, welches das Salz in Sole löste, aus der das Salz dann gewonnen wurde. Dies führte zu
zahlreichen Stolleneinbrüchen und Senkenbildung, die die Landschaft formte. Aus dem Rohmaterial
Salz begannen erste Chemiebetriebe mit der Produktion von Soda-Asche. Die gefährlichen, alkalischen
Abfallsubstanzen wurden in die Senken der umgebenden Landschaft als ‚Kalkbetten‘ gekippt.
Seit 1987 hat die Abteilung für Renaturierung des Cheshire County Council 323ha dieses Brachlandes
und umgebende Landschaft zu den öffentlichen „Northwich Woodlands“ entwickelt - mehr als 20
Jahre Investition, Arbeit, Entwicklungspläne für zukünftiges Wachstum und weitere neue Grünflächen.
„Grünflächen sind nicht einfach nur schön zu haben oder gar Geldverschwendung,“ so Charlie Seward,
„sondern sie spielen eine fundamentale Rolle zur Wertsteigerung und Erhöhung der Investitionen.“
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Dabei entsprechen auch für Stewart die Werte der Grünen Infrastruktur den Zielen der Hybrid Parks.
Sie liefern die neue Sprache, um die Dringlichkeit von Investitionen zu vermitteln.
Die Northwich Woodlands im Weaver Valley sind von allen Seiten frei zugänglich, bestehen zu 57% aus
Landwirtschaft, zu 30% aus natürlichen und entwickelten Grünflächen. Das hat einen großen Einfluss
auf die ökonomischen Vorteile. Vorrangig sind Gesundheit und Wohlbefinden neben ihrer Funktion
zur Milderung des Klimawechsels und Anreiz für wirtschaftliche Entwicklung.
Städtische Parks sollten wieder zu den ursprünglichen Wurzeln ihrer Entstehung um 1840 zurückgeführt werden, sie sollen wieder öffentliche Orte für körperliche und zunehmend auch geistige
Gesundheit werden, eine Art präventiver „Natürlicher Gesundheitsdienst“ und damit zur Reduzierung
der Gesundheitskosten beitragen. Bewegung hält uns gesund!
Die Waldflächen könnten zur lokalen Produktion von Brennholz genutzt werden, in denen das Holz für
den heimischen Holzofen selbst geschlagen werden kann. Hier sieht Seward ein großes, noch
ungenutztes Potenzial, das die Unterhaltskosten für die Forste erheblich reduzieren könnte.
Die ökonomischen Vorteile liegen auf der Hand, sind direkte (Jobs) oder indirekte (Standortqualität),
Reduktion von Kosten und Risiken (Hochwasserschutz, Luftverschmutzung etc.).
So kristallisieren sich die Ziele der Hybrid Parks im Weaver Valley. Hohe Investitionen wurden in der
Region gemacht. Jetzt muss bewiesen werden, dass sie einen messbaren Einfluss auf die Entwicklung,
die Wirtschaft haben und sich neue Unternehmen ansiedeln; dass die Gemeinden gesünder werden
und die natürliche Umwelt zu einer Energiequelle wird. Wenn es richtig gemacht wird, dann führt es
zu Wachstum und Wohlstand.
www.northwichwoodlands.org.uk
Eleanor Underhill, General Manager, Quarry Bank
“Quarry Bank welcomes the Hybrid Parks Conference and Tour of Gardens”
Die historische Baumwollspinnerei in Styal, Wilmslow, war Tagungsort der Hybrid Parks Conference
am 13. Mai 2013. Eleanor Underhill präsentierte das Anwesen Quarry Bank aus dem 18. Jahrhundert
als best erhaltene Textilmühle der Industriellen Revolution und Beispiel für die vorausschauende
Gesamtplanung ihres Eigentümers Samuel Greg. Dieser hatte 1784 den Standort am Fluss Bollin
gewählt, um mit der Kraft des damals größten Wasserrades in Europa die bedeutendste
Baumwollspinnerei des Landes aufzubauen. 1834 erweiterte sein Sohn Robert die Fabrik um eine
Weberei. Die Anschaffung von Dampfmaschinen erlaubte dann eine ganzjährig gleichmäßige
Produktion.
Die Umgebung einschließlich des Dörfchen Styal wurde zu einer Fabrikkolonie, mit eigener
methodistischer Kirche, Wohnhäusern mit Garten für die Arbeiter und einem Lehrlingshaus für
Hunderte von Kindern. Kinderarbeit war bis 1847 Teil des Systems. Die Kinder bekamen keinen Lohn,
hatten aber bei Greg ärztliche Betreuung, einen Garten und bekamen eine Schulausbildung. Samuel
Greg selbst hatte 13 Kinder. Als non-konformistischer Unitarier hatte er Kontakt zu vielen Manchester
Industriellen gleichen Glaubens.
Greg selbst ließ sich neben der Mühle um 1800 eine neoklassizistische Villa mit Blick auf den Fluss
Bollin bauen. Seine Frau Hannah erkannte das Potenzial der umgebenden Landschaft mit schroffen
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Felsformationen für einen außergewöhnlichen Garten und Park. Gleichzeitig entstand auf der Höhe
ein Gemüsegarten mit Glashäusern und Gärtnerhaus.
1939 wurde das Anwesen und die Mühle an den National Trust übergeben, während die Produktion
bis 1959 weiterlief. 2006 und 2010 erwarb der Trust das Herrenhaus, die Terrassengärten und die
obere Gärtnerei. 2013 wird um 1,4 Mio. Pfund geworben für die Restaurierung der Gebäude und
Treibhäuser, wie zur Digitalisierung der Familiendokumente und Geschichte der Arbeiter. Heute
erstreckt sich der gesamte Komplex über 160 Hektar (400 acres), die Mühle als Industriedenkmal hat
130.000 Besucher jährlich. Die Parkanlagen werden von einem Obergärtner mit mehr als 60 freiwilligen
und ehrenamtlichen Helfern restauriert und gepflegt. Ein Beispiel dafür, wie stark die Idee der
„volunteers“ in Großbritannien und das Ansehen ihrer Arbeit ist. „Get Involved!“ ist das Motto,
engagiere dich!
Bei einem anschließenden Rundgang konnte man einen Eindruck der Terrassengärten und der
Gärtnerei bekommen. Die Arbeiten sind mühsam, da das Gelände über Jahre verwildert war. Der
untere Garten (Lower Garden) mit einem der ersten Tennisplätze wurde von der Greg Familie als
Privatgarten genutzt. Ausblicke auf Fluss und Fabrik wurden mit exotischen Bäumen, Sträuchern und
Blumen zu einem dramatischen Talgarten inszeniert.
Hinter den terrassierten Blumenbeeten des Ladie’s Garden windet sich ein Pfad vorbei an einer
Felshöhle und schroffen Steilwänden aus rotem Sandstein zu einem Hochplateau des Upper Gardens.
Dieser Bereich wird gerade restauriert. Hier wohnte in einem viktorianischen Haus der Obergärtner.
Erste Treibhäuser aus dem 19.Jh. sind schon mit altem Glas neu aufgebaut. Zur Gärtnerei gehört neben
Kräuter- und Gemüsegarten auch ein kleiner Bewässerungsteich (Dipping Pond), da es auf der Anhöhe
kein Wasser gab.
Quarry Bank Mill ist heute Industriedenkmal und Freizeitpark. Die weitere teils agrarische Landschaft
bis zum Dorf Styal und den Lehrlingshäusern, mit Mühlenteich und Flussufern bietet ein vielfältiges
Angebot für Wanderungen und Sport. Die Mühle selbst mit Café und Shop ist Museum,
Veranstaltungsort und pädagogisches Zentrum. Durch den National Trust ist die Gesamtheit von
Gebäuden, Fabrik, Gärten und Landschaft als einzigartiges Denkmal der Industrialisierung
ausgewiesen.
Die Restaurierung ist noch lange nicht beendet. Ziel ist es, das historische Ensemble auch neuen
Nutzungsformen zuzuführen. Im Rahmen des Hybrid Parks Projekts wird es interessant sein, die
Entwicklung von Quarry Bank als Best Practice weiter zu verfolgen, um zu sehen, welche Pläne der
National Trust in den nächsten Jahren dort umsetzen wird.
www.nationaltrust.org.uk.quarrybank
Tim Smit, Eden Project
Überblick über den Erfolg des Eden Projekts: Ökonomie, Bürgerbeteiligung und Bildung.
Erschließung neuer Besucherschichten.
Die Persönlichkeit von Tim Smit und sein Eden Projekt sind eins. Wer ihn als Referenten erlebt, sein
Temperament und seinen leidenschaftlichen Vortrag, versteht schon bald, warum das Eden Projekt ein
Erfolg werden musste. Tim Smit braucht keine PowerPoint Präsentation, kein Mikrofon, kein Jackett.
In hochgeschlagenen Hemdärmeln inszeniert er sich selbst.
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Alles über Gärten liegt für ihn in einem Satz: „Wenn du in einem Garten nicht träumen kannst, dich
nicht in ihm betrinken kannst oder nicht in ihm lieben kannst - vergiss es!“ Heutzutage muss ALLES
eine Geschichte (story) haben: Produkte, Dienstleistungen, Organisationen - alle müssen eine
„Philosophie“, eine schlüssige Story haben. Unser Job ist es nun, dass die Werte mehr als nur eine
Marketing Kampagne sind!
Tim Smit ist nur aus seiner Biographie heraus zu verstehen. Und die ist so schillernd wie sein Vortrag.
Der Sohn eines niederländischen Vaters und einer englischen Mutter (geb. 1954) wuchs in Kent auf
und studierte Archäologie und Anthropologie. Zunächst Denkmalpfleger, ging er dann mit seiner
Rock’n Roll Band ins Musikgeschäft, wurde für zehn Jahre Songschreiber und Musik-Produzent. Und
hatte Erfolg. Besonders mit einem Song, der ihn ganz oben in die internationalen Charts brachte. Nur
- was macht der große Erfolg mit einem? In New York, auf dem Höhepunkt, fühlte er sich wie Asche
(felt like ashes). „Das Problem mit dem Zielerreichen ist, wenn du es erreichst, gibt es kein Ziel mehr“
zitiert er Dorothy Parker.
Zurück in Cornwall kauft er ein verlassenes Anwesen mit Garten und Weinberg. Die Restaurierung
wird zum Schlüsselerlebnis. Nach dem Motto „ Wenn du etwas liebst, sag den Leuten, warum du es
liebst. Sprich darüber!“ sprach er mit Presse und Fernsehen über sein Projekt, bevor es begonnen war.
„Die verlorenen Gärten von Heligan“ zogen schon vor ihrer Eröffnung mehr als 40.000 Besucher an.
Davon ließen sich, so Smit, 17.000 überzeugen, selbst im Park mitzuarbeiten. 15.000 von ihnen tun das
heute immer noch. Das Projekt wird von TV Dokumentationen gecovert, BBC Gardener’s World sendet
noch vor der Eröffnung aus Heligan, Tim Smit schreibt ein Buch darüber.
Es geht um die Geschichte der Menschen, die große Häuser groß gemacht haben, die die Gärten gebaut
haben und warum, nicht um das blaublütige Leben ihrer Besitzer. Heute ist Heligan mit 300.000
Besuchern im Jahr einer der meistbesuchten Gärten Englands und ist in einer strukturschwachen
Region ein bedeutender Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor. „Die Kraft der Story ist alles! Verschreck
die Leute nicht mit zu viel Wissen.“
Aber da war noch mehr. Gibt es nicht viele ideelle, technische, nachhaltige Neuheiten, die noch gar
nicht groß Einzug in die Köpfe der Menschen gehalten haben? Es geht um Umweltschutz und
Artenvielfalt, um unsere zukünftige Welt. Um Engagement und persönlichen Einsatz. Ein neues Projekt
zeichnet sich ab: ein globaler Garten. „Erlaube den Menschen überrascht zu sein! Beginne damit ihm
einen Namen zu geben“. EDEN – die Idee von Eden hat etwas Theatralisches.
Auch Umweltschützer müssen in der Lage sein, etwas Großes aufzubauen. Das Eden Projekt, diese
große Idee braucht 1,4Mio GBP. Die Finanzierung aus dem Nichts in einer alten Tongrube ist ein
Lehrstück für das, was Menschen bewegen können. „Verwandle ein Nein in ein Ja!“ (Turn a No in a
Yes!) Keiner möchte doch, dass die eigenen Enkelkinder eines Tages erfahren, dass man sich nicht
beteiligt hat, als eine bahnbrechende Idee umgesetzt wurde und man sich hätte einsetzen können.
Auch die Chaos-Phase fasziniert die Menschen. Bei seinen öffentlichen Auftritten nimmt Smit es mit
der Wahrheit nicht so ganz genau, erzählt aber keine Lügen. Vielmehr erzählt er von „zukünftigen
Wahrheiten!“, um diese selbst möglich zu machen. Was ihm gelingt. 2000 ist Eröffnung des Millennium
Landmarks in Cornwall.
Das Eden Projekt ist heute eine ökologische Touristenattraktion mit 14 Millionen Besuchern. Über eine
Million Pflanzen aus aller Welt wachsen in Innen- und Außengärten. Futuristische Architektur und
umweltfreundliche, regenerative Technik bestimmen die Präsentation. Das Regenwald Biom
beherbergt als größter Wintergarten der Welt einen ganzen Regenwald, das Mittelmeer Biom die
südliche Landschaft mit Zitrusplantagen und Olivenhainen. Eden ist inzwischen eine einzigartige,
komplexe Organisation, ist ein Projekt für (Umwelt)Erziehung, Fortbildung, Hilfsorganisationen. Hier
86
entstehen Visionen für das Zusammenleben, die Region, die Welt. Tim Smit lehnt Sponsoren ab. Eden
ist unabhängig. „Wenn du Werbung erlaubst, brichst du den Zauber“.
Tim Smit ist ein Meister darin, Menschen zu überzeugen, zu begeistern und zu motivieren. Aus der
einfachen Erkenntnis, dass in einer immer anonymeren Gesellschaft heute oft der Nachbar den
Nachbarn nicht kennt, entstand 2009 die Idee des „Big Lunch“. Denn wo lernt man sich am leichtesten
kennen? Beim Essen. Wenn man, biblisch gesprochen, das Brot miteinander bricht. Heute ist das Big
Lunch ein Big Event geworden, zu dem in ganz Großbritannien die Menschen einmal im Jahr in ihren
Gärten, öffentlichen Plätzen, in ganzen Straßenzügen, Tische aufstellen und gemeinsam mit ihren
Nachbarn draußen essen. 2013 am ersten Sonntag im Juni war es für über 8 Millionen Briten ein Fest
der Nachbarschaft, Freundschaft und des großen Vergnügens.
Eden geht global. Neue Projekte sind geplant in der Golfregion und China.
Smit gibt dem Zufall, wie er sagt, immer eine Chance. Erfolg kommt oft durch Leute, von denen man
niemals geglaubt hätte, sie jemals zu treffen. So nimmt er von drei Einladungen immer die dritte an.
Wer auch immer es ist. Man setzt sich aus. Aber „Toleriere keine negativen Menschen. Sie versuchen,
deine Ideen oder Träume zu töten!“ (Don’t tolerate negative people. They try to kill your ideas or
dreams).
Für seine über 500 Mitarbeiter gibt es 9 Regeln:
1.
2.
3.
6.
Jeden Tag 20 Menschen „guten Morgen“ sagen.
Jedes Jahr zwei Bücher lesen.
/ 4. / 5. Jedes Jahr ein Konzert, eine Musikveranstaltung, ein Theaterstück besuchen.
Eine Rede im Jahr halten, warum man für Eden arbeitet.
7. Eine Mahlzeit bereiten, die es wertvoll macht, zusammen zu arbeiten (das Brot brechen).
8. Eine Guerilla Tat als Gute Tat.
9. Samba-Trommeln. Wie cool es ist, zusammen zu musizieren, zusammen zu arbeiten, etwas zu
erarbeiten, was man alleine niemals geschafft hätte.
Wichtig ist es, den Jungen Chancen zu geben, auch die Möglichkeit, sich an großen Aufgaben
abzuarbeiten: schaff es oder scheitere! Crash or succeed! Von den Jungen kommen die Injektionen
von Begeisterung, nicht von den Alten.
Begeistern kann auch Tim Smit. Er ist eine inspirierende Urgewalt. Ein beeindruckendes Beispiel
dafür, was ein Mann bewegen kann. Er ist genial darin, sich auch selbst, als seine eigene Story zu
vermarkten. So behält er einen Kernsatz für den Schluss: „ Be smart to recognize smart people! Sei
klug und erkenne kluge Menschen!“
Tim Smit Workshop „Einen Garten für neue Besuchergruppen öffnen“
Die Teilnehmer wurden in acht Gruppen aufgeteilt, die für den Garten von Quarry Mill neue
Marketing Strategien entwickeln sollten, um das Potenzial des Ortes als Location umzusetzen.
Themen waren: TV-Event, Single, Fashion, Romance, Cotton, Love, Beauty und Heartbeat.
Erstaunlich für alle, waren die unterschiedlichen Resultate des unvorbereiteten Brainstormings,
von denen das ein oder andere durchaus eine überzeugende Anregung war. Um mit Tim Smit zu
sprechen: Das was in dieser kurzen Zeit als Kreativpotenzial mit dem, was in uns allen steckt, im
Workshop entwickelt wurde, hätte bei einer Consulting Firma teuer bezahlt werden müssen.
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www.heligan.com
www.edenproject.com
www.thebiglunch.com
Tipp: Simon Sinek: Lecture „Why How What“, YouTube
Cholmondeley Castle, Malpas, Cheshire
Ein Besuch von Schloss und Park
James Hall, der Manager von Cholmondeley gab zu Beginn einen Überblick über die Entwicklung
des Anwesens mit den umgebenden Gärten zu einem überaus profitablen Garten, zu den Events
und geplanten Erweiterungen und neuen Pflanzungen. Lady Chaolmondeley selbst begrüßte die
internationalen Teilnehmer und lud zum Morning Coffee ein.
Seit dem 12.JH. lebt die Familie auf Cholmondeley (gesprochen: Chomley). 1815 wurde dem 4.Earl
der erbliche Titel des 1. Marquess verliehen, der ihm die anteilige Rolle des Lord Great
Chamberlain und einen Sitz im House of Lords zuweist. Der Marquess ließ als neuen Wohnsitz das
heutige Schloss auf einer Anhöhe des über 3.000 ha (7.500 acres) großen Besitzes im romantisch
gotischen Stil erbauen. 1947 heiratete der 6. Marquess von Cholmondeley Lavinia Leslie, eine Frau,
deren Charme und Schönheit schon zu ihren Lebzeiten Legende ist. Sie war es, die den Park zu
seiner jetzigen Form gestaltete und auch nach dem Tod ihres Mannes 1990 weiterhin auf
Cholmondeley blieb. Land und Titel des 7. Marquess ging in der Erbfolge an den nächsten
männlichen Nachkommen, ihren ältesten Sohn David über.
Mit 92 Jahren bestimmt und verfolgt Lady Cholmondeley noch heute die Entwicklungen im Park,
den sie für Publikum öffnen ließ. Das Gelände ist von März bis Ende September zu besuchen
(Eintritt 6,00 BP), das Schloss nur von Gruppen auf Voranmeldung.
Der Park ist weitgehend ein Englischer Landschaftspark, den der Landschaftsarchitekt William
Eames im frühen 19. Jh. gestaltete. Vor dem Schloss erstreckt sich eine weitläufige Rasenfläche
mit imposanten Solitärbäumen, Libanon-Zedern, Eichen, Buchen und Linden. Der Blick über den
Park hinweg auf das weit umgebende Farmland ohne störende Gebäude oder technische Elemente
gibt dem Anwesen eine romantische Zeitlosigkeit.
Etwas entfernt liegt der Tempel Garten, der als stärker gestalteter Bereich das malerische,
sogenannte „pièce de résistance“ des Parks bildet. Ein klassizistischer Tempel dominiert einen
sanft geschwungenen See mit zwei kleinen Inseln. Randbepflanzung und Bäume bieten zu jeder
Jahreszeit ein pittoreskes Farbspiel. Formale Elemente, die noch auf die Ursprünge im 18.Jh.
zurückgehen findet man im ehemaligen Küchengarten, dem Rosengarten und den üppigen English
Borders.
Über Jahrzehnte hat Lady Cholmondeley den Park zu seinem heutigen Bild restauriert und
gestaltet. Sie ließ publikumswirksame Features, wie einen Tea-Room, eine Tier Farm, einen
Spielbereich und eine kleine Schlossgärtnerei bauen, in der man Pflanzen und Stauden aus eigener
Vermehrung erwerben kann. Zum silbernen Jubiläum der Königin wurde seitlich der
Schlossfassade der „Silberne Garten“ angelegt, mit diversen silberblättrigen Pflanzen und
aufwendigen schmiedeeisernen Gittern in Weiß von Robert Bakewell (um 1750).
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Der gestaltete Bereich des Parks wird zurzeit um einen extensiven Seen- und Waldbereich
erweitert.
Cholmondeley ist im Register für „Parks and Gardens of Special Historic Interest“ in England als
Grad II gelistet und wird von der Campaign to Protect Rural England beworben. Zahlreiche
inzwischen etablierte Events, von denen viele Wohltätigkeitsveranstaltungen sind, ziehen sich
durch das Jahresprogramm und locken Tausende Besucher: Pflanzenjäger-Messe, Konzerte,
Feuerwerk, Teddy-Picknick, Oldtimer-Rallye, Triathlon, Pferderennen und Pony Club.
Cholmondeley Park und Gärten ist ein Best-Practice Beispiel für ein traditionsreiches,
familiengeführtes Anwesen, das mit der leidenschaftlichen Gestaltung durch seine Eigentümer
über Jahrhunderte neue Einflüsse und Elemente aufgenommen und integriert hat. Ein Beispiel für
die Entwicklung eines historischen Parks, der sich den veränderten Bedürfnissen der Gesellschaft
geöffnet hat.
www.cholmondeleycastle.com
Grosvenor Park - „Hybrid“ restoration of a Victorian urban park … fit for the 21st Century
Das Grünflächen Team von Cheshire West und Chester Council gab einen Überblick über die
Restaurierung der bedeutendsten städtischen Grünfläche in Chester. Nach der Präsentation
schloss sich ein geführter Rundgang durch den Park an.
Grosvenor Park ist als English Heritage Grade II registriert. Er liegt in der Nähe des Stadtzentrums
neben St. John’s Kirche und Ruinen mit Blick auf den Fluss Dee. Der 2. Marquis von Westminster
stiftete ihn als öffentliche Grünanlage 1867 der Stadt Chester zum Wohle der Bevölkerung. Der
bekannte viktorianische Landschaftsarchitekt Edward Kemp gestaltete ihn in einem pittoreskformalen Design.
Eine über 250m lange Allee parallel zum Fluss Dee ist das Rückgrat des Parks. Alternierend stehen
hier hohe geschnittene Lindenbäume und über 9m hohe Ilex-Säulen. Eingelagert sind zwei runde
Plätze mit Brunnen und ein Quadratischer Platz mit einer Statue des Stifters. Von diesem gelangt
man zum großen Belvedere mit einem freien Blick auf den Fluss, seine Uferbebauung und
umgebende, weitläufige Wiesenlandschaften. Verschlungene Wege führen durch lauschige
Strauchpartien, kleine Wäldchen und Rasenflächen. Zur pittoresken Ausstattung des Parks
gehören Brunnen, Ruinenfragmente und Torbögen aus rotem Sandstein sowie „The Lodge“, ein
Gebäude aus Ziegel und schwarz-weißem Fachwerk des Architekten John Douglas, der zum Revival
der Fachwerkarchitektur im Stadtzentrum beitrug.
Die Hauptelemente des Parks sind bis heute nahezu unverändert. Seit Jahren sind großartige
Blumenpflanzungen, die mit den Jahreszeiten wechseln, eine Hauptattraktion für alle
Generationen. 70 privat gestiftete Erinnerungs-Bänke laden zum Ausruhen ein. Doch das ganze
Nutzungskonzept musste neu strukturiert und die viktorianischen Bauten restauriert werden.
2009 initiierte das Grünflächen-Team Umfragen bei den Nutzern und Workshops für örtliche
Organisationen und Nachbarschaftsgruppen, um ein gemeinschaftliches Bild der Nutzeransprüche
zu entwickeln; die „Freunde des Grosvenor Parks und Wäldchen“ unterstützten die Bewerbung
beim Heritage Lottery Fund (HLF). Ende 2011 wurden dem Projekt „Parks for the People“ 2,3 Mio.
GBP vom HLF garantiert. Die Gesamtsumme beläuft sich auf 3,6 Mio. GBP.
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Die neue Entwicklung hat folgende Ziele: Restaurierung und Umbau der Lodge zu einem Café und
Gemeindehaus, Erstellung eines Event- und Training-Pavillons im gleichen Stil mit neuem
öffentlichen Toilettenblock, Restaurierung der baulichen Elemente wie Mauern, Treppen
Torbögen und Gitter, landschafts- und baumpflegerische Maßnahmen, Neubau von Spielflächen,
ein Rosengarten, Flächen für Konzerte, Events und Outdoor-Aktivitäten. Auch soll der Park von
der Stadt- wie nun auch von Fluss-Seite freier zugänglich werden.
Großer Wert wird darauf gelegt, die neuen Pläne und Arbeiten zu kommunizieren, die Pläne
transparent zu machen und die Bürger konkret durch Wahlmöglichkeiten zu beteiligen. Schulen
werden eingebunden, es gibt einen Web-blog. Eine weitreichende Nachbarschaftshilfe soll durch
einen Aktions- Plan des HLF unterstützt werden.
Die Arbeiten begannen im Frühjahr 2013 und sollen im Sommer 2014 fertiggestellt sein.
Inzwischen wurde schon viel Baumpflege geleistet und über 100 Bäume entfernt. So sind die alten
Blickachsen auf die Ruinen von St. John und den Fluss Dee wieder freigelegt. Schwierig ist die Pflege
der so hohen Misch-Allee, für die man auch durch extrem starken Rückschnitt nur ein begrenztes
Gleichgewicht erreicht. Hier geht es um die Frage wieweit man dem ursprünglichen Plan folgt oder
den Anforderungen der inzwischen gigantischen Bäume und z.B. die alten Linden entfernt.
Ein 10-Jahre-Aktions-und-Management-Plan soll der Bau- und Restaurierungsphase folgen, um
den Park zu seinem möglichen Potenzial zu verhelfen, den Besuchern ein gesteigertes Erlebnis zu
vermitteln und die Möglichkeiten für Freiwillige auszubauen.
www.talkingwestcheshire.org/grosvenorparkprojekt
Ness Botanic Gardens
Kevin Reid, Direktor von Ness Botanic Gardens
Vor dem Besuch der Botanischen Gärten von Ness gab Kevin Reid im Besucherzentrum eine
Präsentation über den gesellschaftlichen Wert von botanischen Gärten und neue Aufgaben, die
Gärten wie Ness in ihrer besonderen Funktion heute übernehmen könnten.
1898 zog der Baumwollhändler Arthur Kilpin Bulley (1861-1942) mit seiner Familie auf die Höhe
von Mickwell Brow, die nicht nur einen weiten Blick über die Ebene des Flusses Dee bot, sondern
die auch durch ihre Südlage drei Grad wärmer war als ihre Umgebung in Cheshire und auf dem
roten Sandstein den perfekt sauren Boden für Rhododendron und Azaleen bot.
Bulley’s Hauptinteresse galt der Einführung neuer Pflanzen besonders aus dem fernen Osten nach
England. Er sponserte Expeditionen bekannter Pflanzenjäger wie George Forrest und Frank K.
Ward in die Berge von Nordwest Yunnan in China. Forrest brachte von seinen 7 Expeditionen
30.000 getrocknete Pflanzen und Tausende von Samen nach England, darunter zahlreiche Sorten
unbekannter Rhododendron und Azaleen. Bulley kultivierte und hybridisierte diese in seinem
Garten, den er als bekennender Sozialist für Besucher öffnete. In den Arbeits-Schuppen gründete
er die Bees Ltd., eine kommerzielle Samen- und Pflanzen- Gärtnerei, mit der er Hunderte von
neuen Pflanzen in die britischen Gärten einführte.
90
1948, sechs Jahre nach seinem Tod, überschrieb seine Tochter Lois die Gärten der Universität
Liverpool unter Auflage, dass sie als botanischer und ebenso öffentlicher Garten weitergeführt
werden. Gartendirektor Ken Hulme führte Ness Garten über 32 Jahre bis 1979 zu internationaler
Bedeutung. Auf 26 ha (64acres) erweitert, wurden große Bereiche umgestaltet und neu angelegt:
Felsen- und Heidegarten, Staudenborders, Kiefernwald, umfassende Sammlungen von Sorbus
(300), Birken und Kamelien (100). Viele Bäume und Sträucher, die die ersten ihrer Art in Europa
waren, haben inzwischen eine beträchtliche Größe erreicht und sind von überwältigender
Schönheit.
Neben den klassischen Aufgaben als botanischer Garten muss Ness sich wegen grundlegender
Veränderungen der britischen Universitäten neu orientieren: bis 2015 muss sich Ness selbst
finanzieren. So ist man gezwungen, das ganze Potenzial des Gartens auszuschöpfen und neues
Potenzial zu entwickeln. Kevin Reid, der heutige Direktor, beschreibt die zukunftsweisenden Wege.
Schwerpunkt Botanische Forschung – Ness ist eine lebende Bibliothek ungewöhnlicher und
interessanter Pflanzen. Hier wachsen mehr als 10.000 Pflanzentypen (taxa), viele davon
dokumentierten, wilden Ursprungs. Das internationale Samen-Austausch-Programm unter
botanischen Gärten hilft die seltenen Pflanzen der Erde zu erhalten. Die Pflanzensammlungen
besonders aus China um 1904 enthalten zahlreiche Pflanzen, die inzwischen in China selbst selten
geworden sind. So entsteht die ungewöhnliche Situation, dass Sorten zurück nach China gebracht
werden. Es gibt enge Beziehungen zu chinesischen Universitäten und heute besuchen viele
chinesische Studenten den Garten. Auch andere Pflanzen aus den Sammlungen, die sonst
nirgendwo erhältlich sind, könnten kommerziell produziert und in der eigenen Gärtnerei und Shop
verkauft werden.
Botanische Lehre und Ausbildung entwickelt sich zu einem Bereich mit viel Zukunft. Besonders
Kinder und ältere Menschen sollen angesprochen werden. Wie holt man Kinder in den Garten?
Wie kann der Umgang mit Pflanzen spielerisch gestaltet werden? Kürzlich erhielt Ness den
Growing Schools Garden Award für das beliebte Besuchsprogramm für Grundschüler, für den
Zugang zu Erfahrungen rund um Pflanze und Gärtnern. Das Konzept soll nun für Hauptschüler
erweitert werden. Hierzu gehören die renovierten Tauch-Teiche, der prämierte fernöstliche POWBambusgarten, ein vergnüglicher Archäologie-Tag, ein Naturlehrpfad, zahlreiche
Unterrichtsblätter, Lehrpläne, selbstgelegte Rundwege und Kinder-Entdecker-Pakete.
Ferienprogramme und familienfreundliche Events ergänzen das Jahr.
Auch für Erwachsene gibt es ein volles Programm. Zusätzlich zum RHS Stufe2 Zertifikat in den
Grundlagen des Gartenbaus bietet Ness viele Kurse für Hobbygärtner. Eine neue Zielgruppe ist das
4.Alter. Bisher werden keine gezielten Studiengänge für Besucher 55+ und Rentner angeboten.
Und warum sollte andererseits das Wissen älterer Menschen verloren gehen, nur weil sie in Rente
sind.
Die Erreichbarkeit des Gartens muss verbessert werden. Bisher kommen 97% der Besucher mit
dem eigenen Auto. Es gibt noch kein überzeugendes Radwegenetz und auch ist die Nähe zum Fluss
Dee im Westen des Parks nicht ausgenutzt. Dort, hinter der Wildblumenwiese und dem
Naturlehrpfad wird an einer Möglichkeit für eine eigene Zughaltestelle für die parallel zum Fluss
verlaufende Bahnlinie gearbeitet. Dies könnte weitere Besuchergruppen erschließen.
Das Veranstaltungsprogramm bietet das ganze Jahr zusätzlich zu diversen Kursen und
Wochenthemen zahlreiche Events, Konzerte, Kunst, Theater und Anfang Dezember „ IllumiNess“,
eine an Schloss Dycks „illumina“ angelehnte Nachtinszenierung. Außerdem soll es Anreize geben,
die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von durchschnittlich 2 Stunden auf den ganzen Tag
91
auszudehnen. Veranstaltungsort, Café, Shop und Gartencenter ist das 2006 eröffnete
Besucherzentrum. Enger Kontakt besteht zu den Medien und bekannten Moderatoren. Die BBC
Radio Party „Gardener’s Question Time at Ness Gardens“ beantwortet erfolgreich Gartenfragen
und Kevin Reid selbst betreibt einen aktiven Internet-blog.
Wissenschaft, Forschung und Innovation sollen näher mit der Praxis zusammengebracht werden.
Diesbezüglich besteht schon lebhafter Kontakt mit dem Eden Projekt von Tim Smit. Um die
internationale Wahrnehmung zu steigern und vom internationalen Austausch zu profitieren, war
Ness Botanic Gardens 2003 Gründungsmitglied und Ankergarten im Europäischen Gartennetz
EGHN. Seit 2012 ist er Partner im EU Interreg IVC Projekt Hybrid Parks.
Das Datum 2015 für die geforderte Selbstfinanzierung von Ness Gardens ist ein enormer Druck für
die Parkleitung. 7.500 Freunde von Ness unterstützen mit Spenden und ca. 200 Freiwillige mit
regelmäßiger Arbeit. Ohne sie könnte sich der Garten schon heute nicht mehr halten. 2012 gab es
aufgrund extremer Wetterlagen einen Rückgang der Einnahmen um 32%, die wieder aufgeholt
werden müssen.
Für den Übergang nach 2015 stehen 5Mio GBP Reserve für den Notfall zur Verfügung. 2 von 11
britischen botanische Gärten haben schon schließen müssen. Die Universitäten selbst müssen
überzeugt werden, dass ihre angegliederten Gärten einen elementaren Nutzen für Forschung und
Wissenschaft darstellen. Ihre Sammlungen sind Genpools für die Zukunft und sie sind ein idealer
Ort, um die Auswirkungen des Klimawandels auf Flora und Fauna zu untersuchen. „Sie sind
unverzichtbar“, so Kevin Reid. Und er ist überzeugt, „dass sich Investitionen zu ihrem Erhalt und
zeitgemäßen Ausbau zukünftig auszahlen werden.“
www.nessgardens.org.uk
Jude Stansfield, Mental Health and Wellbeing Programme Manager Cheshire and Merseyside
Public Health Network (ChaMPs)
“Der Weg zu einem ‚Natürlichen Gesundheitsservice‘ … eine Umwelt-Total-Perspektive“
Jude Stansfield stellt in ihrer Präsentation den Zusammenhang zwischen der aktiven Nutzung von
Grünflächen, körperlichem und geistigem Wohlbefinden, Gesundheitsvorsorge und
Krankheitskosten her. Voran stellt sie ein Zitat aus Ebenezer Howards Gartenstadt Bewegung von
1902, deren Ziel es schon damals war, „ eine gesunde, natürliche und wirtschaftliche Verbindung
von Stadt- und Landleben“ zu ermöglichen.
Aufgrund der Fülle der Fakten und Informationen sei hier eine Zusammenfassung ihrer PowerPoint
Präsentation gegeben.
Gesundheitsvorteile von Grünflächen im städtischen Bereich:
-
Verbessertes geistiges und körperliches Wohlbefinden für Menschen jeden Alters
Erhöhte Wahrscheinlichkeit von körperlichen Aktivitäten bei allen Altersgruppen
Verringerte Aggression, Gewalt und asozialem Verhalten
Reduzierte Ungleichheit im Gesundheitszustand unterschiedlicher Einkommensstufen,
Krankheitsraten durch Herzkreislauferkrankungen
- Verbesserung der Luft- und Lärmqualität
- Wirtschaftliche Vorteile
Die Herausforderungen:
92
-
23% der Erwachsenen sind fettleibig, weitere 38% übergewichtig
23% der 4-5-Jährigen und 33% der 10-11-Jährigen sind fettleibig oder übergewichtig
Übergewicht kostet die Gesundheitsdienste mehr als 5Mrd.GBP im Jahr
Mindestens 1-4 Personen werden irgendwann in ihrem Leben ein psychisches
Gesundheitsproblem entwickeln
Psychische Probleme sind die größten Probleme aller Krankheiten (23%)
Psychische Gesundheitsprobleme verursachen Kosten von 102Mrd.GBP
Reduktion der Gesundheits- Ungleichheiten
-
Die ärmsten Gemeinden in England leben 10 mal weniger wahrscheinlich in grünem
Umfeld
- Diejenigen, die nahe an Grünflächen leben, leben längere, gesündere Leben, mit weniger
Krankheiten (Mitchell/Popham 2008)
- 80% der öffentlichen grünen Infrastruktur liegt in 22% der Stadtfläche (Liverpool GI
Strategy)
„Dieser Zusammenhang zwischen den sozialen Bedingungen und Gesundheit ist nicht eine Fußnote
der realen Gesundheitsvorsorge, es sollte der Hauptfokus werden!“ (Strategic Review into Health
Inequalities, Marmot 2010)
So fordert der Marmot-Review zur Ermöglichung von allgemeiner Chancengleichheit, gesunde und
nachhaltige öffentliche Plätze und Grünflächen zu bauen. Zur Gesundheitsvorsorge werden seit 2011
auch eindeutig nicht-medizinische Maßnahmen benannt, zu denen neben Kunst, Sport u. v. a. auch
Grünflächen genannt werden, „um die Gesundheit und das Wohlergehen der Nation zu verbessern
und zu erhalten, und um die Gesundheit der Ärmsten am schnellsten zu verbessern“.
Das Regelwerk für Öffentliche Gesundheit (Public Health Outcomes Framework 2012) nennt den
Einsatz von Bewegung in Grünflächen für die Gesundheit an erster Stelle. Dabei steht Cheshire West
und Chester mit 19,4% der Bewohner 16+ weit vor dem allgemeinen englischen Durchschnitt mit 14%
und Städten wie Liverpool mit 8,8%.
Natural Health Services, Natürliche Gesundheitsdienste, ist der neue Begriff unter dem die Rolle der
natürlichen Umwelt für ein gesundes Leben benannt wird (Natural England, 2009). Wachsende
Verfügbarkeit : Zugänglichkeit, Sicherheit, Radfahren, Spazieren, Sport, Wachstum, Gärtnern, Spiel,
Erholung, Freude, Teilnahme. Gesundheitsexperten werden angehalten, Risikopatienten grüne
Rezepte zu verschreiben. Es folgt eine Liste der einzelnen Programme, Dienste und Strategien, die
Städte und Gemeinden in Cheshire zur Förderung aufgestellt haben. Einer der Hauptorte ist das zuvor
beschriebene Weaver Valley. Ziel ist es, 10% der Bedürftigen in psychosoziale Programme
einzuschreiben und 50% in Angebote und Einrichtungen der Gemeinden.
Die Vorteile von Gesundheitspartnerschaften sind inzwischen offensichtlich. Sie müssen von der
allgemeinen Gesundheitspolitik und entsprechenden Berufsfeldern unterstützt werden. So werden
Grünflächen zunehmend im Zusammenhang mit Gesundheit und Wohlbefinden wahrgenommen und
entwickeln sich so zu einem wirtschaftlichen Faktor. Es gibt schon gute Beispiele, auf die aufgebaut
werden kann. Und besonders wichtig ist der Austausch mit weiteren Partnern aus Wirtschaft und
Umwelt.
93
John Handley OBE, Emeritus Professor, School of Environment and Development at Manchester
University
“Parks und grüne Infrastruktur: Gedanken zu ihrer wechselnden Rolle und Funktionen”
John Handley beginnt in seinem Vortrag mit einem kurzen geschichtlichen Rückblick auf die
Entstehung der ersten öffentlichen Parks in England. Im 19.Jh. war die Gesellschaft polarisiert und
lebte in streng voneinander abgegrenzten Bereichen. Friedrich Engels schrieb 1845 über Manchester,
dass die „Stadt seltsam gebaut (sei), so dass eine Person darin jahrelang leben kann…ohne in Kontakt
mit einem Arbeiterviertel zu kommen“ (F.Engels: ‚Der Zustand der Arbeiterklasse in England‘). 1833
wurde ein parlamentarischer Ausschuss für Öffentliche Spazierwege gebildet und 1848 ein Ausschuss
für Öffentliche Gesundheit.
1845 entstanden die ersten Englischen Parkanlagen mit öffentlichem Geld für das allgemeine
Wohlbefinden: Paxton gestaltete den Princes Park in Liverpool und den Birkenhead Park in Birkenhead.
In einer Kampagne für Öffentliche Grünflächen schrieb die Manchester Times 1844: „Die Parks wurden
mit Recht als ‚die Lungen von London‘ bezeichnet, sie haben Tausende Leben gerettet und vielen das
Leben versüßt und die Existenz aller Einwohner von Cockaigne poetisiert. Staubiges, rauchiges, schwer
arbeitendes Manchester hat keine Lungen!“
In der modernen Zeit wurde mit den Parks nicht gut umgegangen. In den Jahren 1980-2000 ist ein
katastrophaler Absturz zu verzeichnen. Zahlreiche Einrichtungen gingen verloren oder wurden
reduziert: öffentliche Glashäuser (70%), Ruderseen u. Musikbühnen (fast 60%), Brunnen, Vogel- u.
Tiergehege (bis 50%), Unterstände, Tennisplätze, Cafés u. Toiletten (bis 30%).
Der parlamentarische Ausschuss für Umwelt, Verkehr u. Regionale Angelegenheiten kam 1999 zu
einem erschreckenden Ergebnis: „Wir sind schockiert über das Ausmaß der Probleme, weit jenseits
unserer Vorstellung, das die Parks in den letzten 30 Jahren bewältigen mussten …Ungenutzte,
verkommene Stätten für Kriminalität und Vandalismus, es wäre besser, sie zu schließen und das Land
wiederzuverwerten als sie weiterem Verfall zu überlassen.“
Eine weitere Herausforderung ist die Wiederverwertung großer Teile der Nach-IndustriellenLandschaften. Seit 1980 nach dem Zusammenbruch vieler Industriebereiche stehen große Flächen ‚zur
freien Verfügung‘. Um die Vorteile bei gleichzeitiger Kostenminimierung zu steigern, bedarf es:
-
Ermutigung für einen natürlichen Ansatz
Förderung von Bürgerbeteiligung
Einführung neuer Einkommensquellen
Steigerung der Leistungsfähigkeit der Landschaft
Gelungen ist ein entsprechendes Konzept in den Salzlandschaften von Northwich (siehe Vortrag
Seward: Weaver Valley). Als positives best-practice-Beispiel für ein weitsichtiges,nachhaltiges
Landschaftsmanagement stellte John Handley die Entwicklung des Emscher Parks im Ruhrgebiet vor.
Hier wurden neue vielfältige Funktionen erschlossen und gleichzeitig die industrielle Tradition
integriert. Dieser geschichtliche Bezug wurde in England übersehen, Industrielandschaften einfach
weggefegt. Nur Northwich hat noch dieses Potenzial.
Bei einem Forschungsprojekt zum Thema sind die Kosten der Landschaft klar definiert, über die
positiven Vorteile aber gibt es keine kalkulierten Data. Dies führt vielfach zu Investitionskürzungen. Für
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die Umsetzung fehlt es noch an einer Sprache, die all die Vorteile grüner Infrastruktur auch
wirtschaftlich ausdrückt.
Leitlinien für die Strategie der Grünen Infrastruktur in Liverpool sind: Nachhaltigkeit, Artenvielfalt,
Gesundheit, Wohlstand, Klima („Natural Choices for Health and Wellbeing“). Das Programm
ermöglicht es, Begrünung in Problemzonen von Gemeinden in ihren Nutzen bringenden
Zusammenhang zu anderen Bereichen zu stellen und Argumente für ihre Durchsetzung zu liefern.
Was kann die Grüne Infrastruktur zum Klimaschutz beitragen? Ihre Wirkung ist global begrenzt, führt
aber im Kleinraum zu win-win Situationen. Temperatur und Regenfälle steigen. Ein 1°C mehr führt zu
7% mehr Regenfällen. Nur ein Beispiel für die Leistung Grüner Infrastruktur im Kleinen sind
unregulierte Flussbette. Sie fangen den Regen auf, das Wasser kann einsickern, sie sind
Wasserrückhalteflächen und natürliche Überflutungsflächen. Bei großer Hitze bieten Bäume Schatten
und Verdunstungskühle für Menschen und Gebäude. 2 ha Park beeinflussen nicht nur das Mikroklima,
sondern auch die umgebenden Gebiete. Doch sie müssen auch bei Trockenheit am Arbeiten gehalten
werden.
Auffang und Gebrauch von Regenwasser werden in einem Interreg IVC Projekt der Universität
Manchester erforscht. Hier geht es in Form einer Datenbasis von Fallstudien um wertvolle
Möglichkeiten für die Umstellung von Stadtgebieten und Öko-Städten durch Grüne und Blaue RaumAnpassung (Green and Blue Space Adaption GRaBs). Das Projekt ist ein Netzwerk führender paneuropäischer Organisationen, die die Anpassung an klimabedingte Veränderungen in die örtliche
Regionalplanung integrieren wollen.
www.grabs-eu.org
Ist der öffentliche Park also eine lohnende Investition? (Wächst das Geld auf den Bäumen?)
Frederick Law Olmstead, der Gründer des Central Parks in New York sagte schon im 19.Jh. dazu: „Für
den Park gilt, wenn die Anlage erstellt ist, dass die Ergebnisse den Wert steigern können und bei gutem
Management stetig steigern müssen, und niemals aufhören zu steigern so lange die Stadt besteht.“
Der „Tugend-Kreislauf“ (virtuous circle) von Selman (2006), dem die Landschaft unterliegt, visualisiert
die gegenseitige Steigerung von Landschaftsqualität und Lebensqualität.
2010 wurde im Königreich der „Land Trust“ eingerichtet. Der unabhängige Wohltätigkeits-Trust ist
inzwischen im Besitz von 1.000ha Land mit 50Mio. GBP Überschusskapital. Er bietet ein kosteneffektives Management für ein breites Spektrum: Industriebrachen, Country Parks, private Landsitze,
Gemeindewälder, multifunktionale Feuchtgebiete, Küstenstreifen, innerstädtische Parks, Öko-Parks
und restaurierte Kulturattraktionen. Besonders wichtig ist die Integration der Bevölkerung und
Gemeindeverwaltungen für eine langfristige, nachhaltige Nutzung öffentlichen Grünraums jeder Art,
dessen Nutzungsmöglichkeiten sich ständig ändern und weiterentwickeln.
www.landrestorationtrust.org.uk
Für Handley sind Parks das „vitalste Zentrum der Grünen Infrastruktur“. Sie sind multi-funktionale
Landschaften mit vielfältigen Vorteilen. Ihre Vorteile für allgemeine Gesundheit und die Moderation
klimabedingter Veränderungen werden im 21.Jh. weiterhin zunehmen. Er ist überzeugt, dass
Innovation und Bündelung der Kräfte durch den Ansatz der Grünen Infrastruktur auch ein breites
Spektrum von Geldgebern zusammenbringen wird.
95
Ein Zitat von John Ruskin aus dem 19.Jh. war abschließend Ausblick und Ansporn zugleich: „Der
Maßstab jeder großen Zivilisation sind ihre Städte und den Maßstab der Größe der Städte findet man
in ihren öffentlichen Räumen, ihren Parks und Plätzen.“
96
Workshop in Pori, Finnland
„Ökonomie 2“ 14. - 15. Juni 2013
Der Workshop „Ökonomie 2“ hatte, vergleichbar dem ersten Workshop zu diesem Thema im Oktober
2012 in NRW einen starken regionalpolitischen und städtebaulichen Schwerpunkt. Anhand von
zahlreichen Fallbeispielen und einer grundsätzlichen Einführung wurde das Konzept der „National
Urban Parks“ präsentiert und diskutiert.
Für die Anerkennung eines NUP bewerben sich Kommunen beim zuständigen Umweltministerium und
erarbeiten in einem gemeinsamen Diskussionsprozess die Grundzüge und Details des NUP, der dann
begutachtet und anerkannt oder abgelehnt bzw. zur weiteren Überarbeitung zurückverwiesen wird.
Zielsetzung der National Urban Parks ist es, die Qualität von Freiräumen und Elementen der Kulturund Naturlandschaft in der Stadt und in ihrem Umland zu analysieren und zu bewerten, übergreifende
Konzepte zur deren Erhalt bzw. Aufwertung zu erarbeiten und so eine Netzstruktur zu schaffen, die
den Zugang zu allen wichtigen Orten optimiert oder im Bedarfsfall auch reglementiert. Als
„Gegenentwurf“ zum Leitbild der kompakten Stadt, die Freiräume zu oft als künftiges Bauland
antizipiert, sollen dabei auch vorhandene Zeugen der Stadtgeschichte und besonders wertvolle Naturund Freiräume geschützt und nachhaltig in Wert gesetzt werden.
Die erarbeiteten Konzepte und Pläne haben keine rechtliche Bindungswirkung, diesen aber Politik und
Verwaltung als Handlungsleitlinien und machen, wenn gegen sie verstoßen werden soll, eine
umfangreiche Neudiskussion und Abstimmung erforderlich.
Auch gibt es kein spezielles Förderprogramm für die Weiterentwicklung von NUP, es kann aber
angenommen werden, dass Zuschüsse für Maßnahmen in NUP in entsprechenden nationalen
Programmen besonders wohlwollend berücksichtigt werden.
Die Gemeinsamkeiten, aber insbesondere auch die Vielfalt bei der Umsetzung von NUP, die in einigen
Belangen mit dem Konzept der REGIONALEN in NRW verglichen werden können, wurden von Praktiker
aus solchen Kommunen, die erfolgreich einen NUP umgesetzt haben und nun entwickeln, vorgestellt.
Mr. Jukka-Pekka Flander , Umweltbeauftragter, Umweltministerium
„National Urban Park - Generelle Einführung“
Der Ökologe Jukka-Pekka Flander ist im Umweltministerium verantwortlich für das Nationalpark
Programm (National Park Programme). Er definierte in seiner Einführung den zentralen Begriff
National Urban Park, den „NUP“, der sich als übergreifendes Thema durch den ganzen Workshop, die
Vorträge und Besichtigungen zog.
I. Hintergrund
Bis 1950-1960 waren die Finnen eine Landbevölkerung, die im Einklang mit der Natur, ihren Wäldern
und Küsten lebte. Verstädterung fand in Finnland verhältnismäßig spät statt. Doch heute leben fast
80% der Bevölkerung in Städten oder Großstädten. Die holzverarbeitende Industrie war die führende
Branche und die Forstgesetze, die vorwiegend der Industrie dienten, wurden ebenfalls für Wälder
innerhalb der Stadt eingesetzt. Für diese gab es keine eigene Gesetzgebung. Mit dem zunehmenden
Wachstum der Städte ab den Sechziger Jahren, führte die schnelle Modernisierung zu einem Abriss
97
der meisten älteren Gebäude. Der heutige Bestand an historischen Denkmälern in Finnland zählt zu
den niedrigsten der Europäischen Union. Alte und neue Bebauung sind so vermischt, dass es nur noch
wenige geschlossen historische Stadtbereiche gibt. Dabei hat jede Phase ihre ideologischen Leitbilder
hinterlassen. Der frühe ökologische Ansatz war der der Übereinstimmung von natürlichen und
gebauten Elementen. Und dies ist nach Flander der Ansatz, zu dem zurückgefunden werden soll. Von
1930-1950 folgte ein harmonischer Dialog zwischen moderner Architektur und Natur. Wie bei Alvar
Aalto, der versuchte, die Natur und das Licht durch große Fenster in die Gebäude hineinzuziehen. In
den Sechziger Jahren folgte die Dominanz von Autos, Asphalt und Beton. Selbst heute noch zerstören
neue Gebäude die wenigen historischen Viertel.
Seit etwa 20 Jahren versucht Planung der fortschreitenden Zersiedlung durch das Konzept der
Kompakten Stadt entgegenzusteuern. 1994 wurde das Ziel der Sustainable City, der Nachhaltigen
Stadt, formuliert, das die Zielvorgaben für planerische Eingriffe vorgibt. Die Diskussion in Finnland
kommt spät. Kompakter bedeutet auch mehr Neubauten, Verkehrswege- und Tunnelbau, was
weitreichende irreversible Schäden an Kultur- und Naturwerten, Wasserkreisläufen u.a. zur Folge
haben kann.
Im Konzept der National Urban Parks, NUP’s, werden städtische Freiflächen als Außen-Lebensraum
bezeichnet, in dem Fußgänger und Fahrradfahrer vor Autofahrern bevorzugt werden. Zunächst gilt es,
das städtische Potenzial an Freiflächen zu erkennen, die einer vielseitigen Nutzung zugeführt werden
können. Der Raum, der zunächst nur von Autos dominiert wird, kann zum Lebensraum für Fußgänger
und Radfahrer statt Autos gestaltet werden. Noch in den 80er Jahren gab es in finnischen Städten keine
Fahrräder.
Auch industrielle Brachflächen haben oft ein großes Potenzial. Hafenareale z.B. bieten interessante
Uferstandorte für städtische Milieus von hoher Qualität. Aber der Austausch kontaminierten Materials
kann so teuer werden, dass Finanzierungen nur über den Verkauf der besten Grundstücke mit Seesicht
möglich sind. Flander veranschaulichte Bausünden, die es zu verhindern gilt, am Beispiel von St.
Petersburg, als dessen Schwester sich die Hauptstadt Helsinki sieht. Der Kampf um die jeweils
angemessene Gestaltung kristallisiert sich an den unterschiedlichen Standpunkten von Ökologen und
Architekten. Die ersteren, die eine Uferzone als interessanten geomorphologischen Raum mit hoher
Artenvielfalt sehen, die anderen, die die Uferzone als architektonischen Bauplatz mit graden, strikten
Linien begreifen. In den 1990er Jahren dominieren Bürotürme und Siedlungsbauten. Doch wo sind
natürliche Ökosysteme, Riffe – und die Menschen?
Städtisches Grün reagiert sehr sensibel auf starke Nutzung. Wie kann es den wachsenden
Nutzungsansprüchen der Bewohner standhalten?
Ruoholahti in Helsinki, eine ehemalige
Industriefläche, stellt sich heute als Wohngebiet ohne historische Elemente dar, wo Grün nur
außerhalb des Wohnbereichs gefunden werden kann.
Was ist ein National Urban Park, NUP?
Das Finnische National Urban Park Konzept ist ein Mittel, um bei zunehmender Verdichtung
nachhaltige Stadtplanung zu fördern. Es kann eingesetzt werden für die Analyse, Interpretation, Erhalt
und Management von gemischten natürlichen, kulturellen und Freizeitwerten innerhalb des
städtischen Raums. Das NUP Konzept ist Teil von gebündelter Planung und Bauen in finnischen
Städten.
II. NUP in Flächennutzungs- und Baugesetz
Ein NUP kann ausgewiesen werden, um die Artenvielfalt und Schönheit einer Kultur- und
Naturlandschaft zu schützen und erhalten. Dazu zählen ebenso historische Besonderheiten oder Werte
des Stadtbildes, soziale, Erholungs- oder andere besondere Werte einer Fläche innerhalb des
98
städtischen Umfeldes. Eine NUP-Fläche kann auf Anfrage einer öffentlichen Stelle eingerichtet werden.
Die Initiative zur Eingabe kann aber ebenso von einem engagierten Bürger ausgehen. Die Entscheidung
trifft das Umweltministerium. Die Pläne werden von der Gemeindeverwaltung erstellt. Diese sind auch
für die Nutzung und den Unterhalt nach einem vom Ministerium genehmigten Management-Plan
verantwortlich. Wälder innerhalb der NUP’s werden nach ästhetischen, erholungsorientierten und
biodiversen Werten bewirtschaftet. Beeindruckend ist das Beispiel des Öl-Hafens Kotka, der von einer
industriellen Raffineriefläche zu einem vielfältigen Erholungsgebiet am Wasser mit hoher Biodiversität
umgestaltet wurde.
III. Die Kriterien für NUP’s
1. Idee und Inhalt: Ein NUP sollte Freiflächen beinhalten, die wichtig sind für das Verständnis der
Geschichte des Landes oder der Stadt selbst. Zu diesem kulturellen Umfeld können auch
Gebäude gehören oder Grünflächen von architektonischer oder ästhetischer Bedeutung.
2. Zentrale Lage: Ein NUP ist Teil der städtischen Struktur. Er sollte im Zentrum selbst der Stadt
oder in unmittelbarer Nähe beginnen.
3. Ausdehnung und Vernetzung: Die Parkfläche oder Grün-/Wasserflächen in einem NUP sollte
weit ausgedehnt und zusammenhängend genug sein, damit man sich durch sie von einem zum
anderen Ende der Stadt bewegen kann.
4. Ökologie und Kontinuität: Ein NUP sollte in einem ökologischen Korridor einen
Überlappungsprozess ermöglichen, der es unterschiedlichen Arten erlaubt, zu wandern, zu
interagieren, und der Verbindungen zu Naturgebieten außerhalb der Stadt herstellt und zu
der umgebenden Landschaft.
Das wachsende Netzwerk der NUP’s in Finnland 2001-2013.
(1995 wurde weltweit der erste NUP in Schweden ausgewiesen.)
6 bestehende NUP’s . Neuestes Mitglied Turku am 5.Juni 2013
8 NUP’s im Genehmigungsverfahren
3 NUP’s in Vorbereitung ohne politische Entscheidung
Abschluss-Statement von Jukka-Pekka Flander:
„In unseren NUP’s erhalten und pflegen wir gleichberechtigt Kultur- und Naturwerte. Es ist unnötig,
das Gebaute vom Unbebauten zu trennen, Kultur von Natur – es ist das Ganze, was es zu erhalten gilt
- für uns und für zukünftige Generationen.“
Mr. Olavi Mäkelä, Stadtplanungsdirektor, Stadt Pori
„NUP Stadtplanung & Wohnungsmesse in Pori 2018“
Mäkelä stellte das Pori NUP Gebiet dar, das sich in drei Bereiche gliedert, die durch das Stadtzentrum,
den Pori Wald und die Flussinsel charakterisiert sind. Des Weiteren dokumentierte er laufende NUP
bezogene Projekte und die Musterhausmesse 2018.
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Pori ist eine alte Hafen- und Industriestadt am Fluss Kokemäenjoki in Südwestfinnland mit einer
Bevölkerung von 83.303 Einwohnern, von denen 65.000 im Umkreis von nur 5 km wohnen. Bei seiner
Gründung 1558 lag Pori am Bottnischen Meerbusen, ist aber inzwischen wegen der ständigen
Anhebung der nordischen Landmassen 20km von der Ostsee entfernt. Noch heute hebt sich das Land
im Laufe von 100 Jahren um etwa einen Meter. Die ursprünglichen Holzhäuser wurden nach
zahlreichen Stadtbränden Mitte des 19.Jhs. durch Steinbauten in einem Rasterstrassensystem ersetzt.
Aus dieser Zeit stammen auch die Baum gesäumten Avenuen, die das Zentrum durchkreuzen. „KiviPori“, das steinerne Pori wurde im Stil der Neorenaissance erbaut und die Verwaltungsgebäude und
Kirchen dieser Zeit sind von national-historischer Bedeutung. Wie auch die frühen Industriebauten am
nördlichen Flussufer. Die ehemalige Cotton Mill aus rotem Ziegel ist heute Sitz der Universität Pori.
In den 90er Jahren gab es erste Ansätze, das historische Erbe der Stadt und neue Bauten wie die das
Sportzentrum, die Musik-Arena und neue Brücken mit den Parks und Grünflächen der Stadt in einer
verbindenden „Promenaden-Stadt“ zusammenzufassen. An den Flussufern musste Raum für
Hochwasserschutzflächen geschaffen werden. Pragmatisches Vorgehen war gefragt. Unterschiedliche
Planungsebenen und -bereiche mussten zusammengebracht werden.
Pori National Urban Park
Das Projekt der NUP’s war für die Stadt Pori das Planungswerkzeug, um das grüne und historische Erbe
der Stadt in einem übergreifenden Projekt zu schützen und zu verwalten.
NUP-Fakten: Im Jahr 2002 wurde der NUP Pori auf Entscheid des Finnischen Umweltministeriums
ausgewiesen. Die Gesamtfläche des Parks beträgt 9,5km², die Länge seiner Ausdehnung 11km. Er
besteht aus den drei Bereichen der Flussinsel Kirjurinluoto, dem Stadtzentrum und dem Pori Wald.
Für alle Bewohner direkt vom Zentrum aus fußläufig zu erreichen, bietet er als Naherholungsfläche
einen unmittelbaren Zugang zu einem Naturerlebnis in der Stadt.
Der NUP integriert das architektonische Erbe der alten Finnischen Handelsstadt in die grünen
Freiflächen und spielt eine wichtige Rolle in Wahrnehmung des historischen Wandels für die nationale
Identität. Der Park zieht sich als grüner Korridor bis hinaus in die umgebende Landschaft und zur
Flussinsel Kirjurinluoto. Seit dem frühen 20.Jh. wurde das idyllische Sommerhaus- Areal als Englischer
Landschaftspark gestaltet und 1996 durch ein Fluss- Strandbad erweitert. Seit 1966 findet auf der Insel
das weit über Finnland hinaus bekannte Pori Jazz Festival statt.
Der durchfließende Kokemäenjoki Fluss ist prägender Teil des NUP und bringt mit seinen Ufern und
Feuchtgebieten einen starken Naturakzent in die Stadt. Nach Norden zur offenen See hin fächert sich
der Fluss zu einem der weitesten Flussdeltas der nördlichen Länder auf. Zum Süden hin ist der Park mit
der umgebenden Landschaft verbunden. Damit erfahren die Wiesen und Weiden am Stadtrand eine
zusätzliche Bedeutung als Teil der Erholungsflächen für die Stadtbewohner.
Unmittelbar in die Nähe des NUP-Areals auf der Flussinsel am Ufer ist die Housing Fair 2018 geplant.
Die Musterhäuser sollen nach der Messe als low-tech Öko-Siedlungsgebiet ausgewiesen werden. Dafür
muss bestehende Schwerindustrie verlagert werden. Pori hat sich stets auch als Industriestadt
verstanden. Die großen Freiflächen des NUP sind für die Industrie Ziel für die Umlagerung. Das Projekt
100
ist sehr umstritten, da der finanzielle Nutzen der NUP’s noch nicht quantifizieren lässt. Doch für die
örtlichen Politiker ist der Urban Park eine Chance, sich argumentativ aus der Verantwortung zu ziehen,
denn er hat den Backup von Helsinki. Er wird immer positiver gesehen und der Druck aus der
Bevölkerung ist groß. Und in Zukunft kann durch einen Imagewandel und zunehmenden Tourismus
auch Geld erwirtschaftet werden.
Olavi Mäkelä sieht einen Schneeballeffekt des NUP, der vielen zugutekommt. Er hat auf jeden Fall die
Planungskultur verändert und zu instanzenübergreifenden Planungsprozessen geführt.
Der NUP ist ein Werkzeug für die politische Entwicklung einer nachhaltigen Stadt geworden.
Mr. Matti Lankiniema, Direktor, Stadt Pori, Environmental Agency
„Delta, Natura, NationalPark – Weiterführung des NUP“
In der Präsentation von Matti Lankiniema ging es um die Weiterführung des Pori NUP zum
einzigartigen Mündungsdelta des Kokemäenjoki Flusses und die Koordination und Zusammenarbeit
unterschiedlicher Planungsgremien, was besonders für die Teilnehmer des Workshops die hybriden
Funktionen des Naturareals veranschaulichte.
Der Kokemäenjoki Fluss ist zentrales und prägendes Element des NUP in Pori. Er führt durch das von
Menschen gemachte Zentrum der Stadt zur offenen See. Er mündet in einem der größten Flussdeltas
des Nordens in den Bottnischen Meerbusen und ist einer der drei Abflüsse der Finnischen Seenplatte.
Das Fluss- Ästuar beginnt unmittelbar am Ende des ausgewiesenen NUP. Hier wechselt das Gebiet von
NUP zur Naturschutzzone von Natura 2000. Mit seiner äußerst vielseitigen Natur, dem artenreichen
Pflanzen-, Fisch- und Vogelbestand bietet es ein hohes Schutzpotenzial. Das Gebiet verlagert und
verändert sich ständig. Bis zu 100.000 m³ Schlick werden jährlich abgelagert. Dies und steigende
Landflächen lassen das Delta um mehrere Meter im Jahr wachsen.
Koordination des NUP in Pori Stadt
Der NUP zwingt/ermöglicht/fordert mit seiner übergreifenden Thematik unterschiedlichste
Abteilungen der Stadtverwaltung und weitere Organisationen zu konstruktiver Zusammenarbeit


Stadtplanungsbüro
Kooperation mit
Umweltagentur
- Parkverwaltung
- Erziehungsagentur
- Kommunikationseinheiten
- Kulturbüro
- Freizeitagentur
101
Diese erstellen Management- und Nutzungs-Richtlinien, die vom Stadtrat und dem
Umweltministerium bestätigt werden. Die rechtlichen Vorgaben sollten bei allen Planungen im NUP
Gebiet und seiner unmittelbaren Nachbarschaft berücksichtigt werden.


Management und Nutzungs-Plan
Vielseitiger Management- und Nutzungsplan für den Pori Wald mit Naturschutzaspekten
Ressourcen des Parkbüros 2012
Die gesamte Grünfläche in Pori beträgt 1.580ha, von denen ca. 1.100ha Wälder und 129ha Wiesen
sind. Für die Verwaltung stehen € 3,2Mio, für Gebäude € 0,5Mio zur Verfügung. Es gibt über 60
Festangestellte und 70 Teilzeitkräfte. Die wertvollsten Parks liegen innerhalb des NUP, sie sind aber
auch die am meisten beschädigten. So fließen 20% der Gelder in diese Flächen, die nur 10% der
Gesamtfläche ausmachen.
NUP und Flächennutzungsplan geben die langfristigen Planungsziele vor; bei Bauprojekte in oder nahe
des NUP ist das Umweltministerium beteiligt. Das Areal des NUP soll zum Delta hin und zu den
Naturschutzgebieten des Natura und der Bottnischen See erweitert werden.
Yteri Beach ist einer der schönsten Sandstrände Finnlands. Das Gebiet ist ideal für Strandleben,
Wassersport, Camping und Ferienhotels. In der Hochsaison kommen 6.000-10.000 Besucher täglich.
Die Dünenlandschaft ist jedoch ein sehr sensibles Gebiet. Bisher hat man auf drastische
Verbotsschilder wie z.B. in Amerika verzichtet. Bei einem Open-air-Event mit 25.000 Jugendlichen in
diesem Jahr wurde viel zerstört, Zäune mussten repariert, Gräser nachgepflanzt werden. In Zukunft
sollen Veranstaltungen dieser Größe nicht mehr gestattet sein.
Pori ist bekannt für seine reiche Vogelwelt, 326 Arten wurden beobachtet. Die Dünen von Yteri sind
wichtige Rastplätze für Zugvögel. 12 Vogelwarten und zahlreiche Trails laden zu Naturexkursionen ein.
Ergänzt wird dies durch pädagogische Umweltprogramme.
Der Pori National Urban Park soll selbstverständlicher Teil des Alltags werden. Er hat eine hohe
Akzeptanz bei der Bevölkerung, trägt zu einem hochwertigen Wohnumfeld bei und er schärft
zunehmend das Umweltbewusstsein aller Generationen.
Mr. Samuli Saarinen, Stadtplaner, Turku
„Der National Urban Park Prozess - das Entstehen des Turku NUP“
Der folgende Vortrag war dem Entstehungsprozess des NUP in Turku gewidmet. Da Mr. Saarinen selbst
verhindert war, übernahm diese Präsentation auch Jukka-Pekka Flander, den der Vorredner
Lankiniema als den „Vater der NUP’s“ bezeichnete. Dieser NUP wurde offiziell am 5.Juni 2013
anerkannt, hatte aber eine lange Entwicklungsphase. Der Anerkennungsbescheid betont hierin die
unverwechselbaren kulturellen und natürlichen Elemente der Stadtlandschaft als Ganzes und stärkt
102
die Vision und den Ehrgeiz, das Zentrum des städtischen Grünflächennetzes zu erhalten und weiter zu
entwickeln.
Der Planungsprozess in Turku war langwierig und kompliziert. Denn während das Gelände eines
Nationalparks im Staatsbesitz sein muss, haben die Grundstücke eines NUP in der Stadtmitte, wie in
Turku, diverse Eigentümer. Der Park sollte die ländlichen Ursprünge der Stadt, die einmal Hauptstadt
Finnlands war, dokumentieren und erlebbar machen. Er umfasst 271 historische Gebäude, 32
geschützte Quartiere und 18 Kulturstandorte. Sie reichen vom Mittelalter bis zu moderner Architektur.
Besonders wichtig war die Verbindung der Stadtgebiete mit landwirtschaftlichen und ländlichen
Flächen im Umland.
Turku NUP erstreckt sich über 2.200ha (22km²) und umfasst die national wertvollen Landschaften des
Flusses Aura und die Insel Ruissalo.
Eckdaten des NUP Planungsprozesses:
1. Ausganssituation: In den 1990er Jahren beginnt die öffentliche Diskussion über den Wert der
städtischen Freiflächenlandschaft. NUP wird als ein mögliches Instrument erkannt,
Grundwerte in urbaner Umwelt zu erhalten und zu entwickeln.
Die Insel Ruissalo war ein Streitfall. Ihre Charakteristika sind einzigartige Eichenwälder und
eine alte Kulturlandschaft mit alten Villen und Küstenwäldern. Ein Freizeitpark, ein
Motorsportpark standen ebenso zur Diskussion wie die Ausweisung als Nationalpark. Das
Umweltministerium sah im NUP ein Mittel die städtische Natur- und Kulturlandschaft unter
einem Konzept zu erhalten. Doch ist Ruissalo ‚urban‘ genug?
2. 2001 entscheidet die Stadtverwaltung, den NUP Prozess in der Stadt zu beginnen. Das Thema
Ruissalo wird eventuell auf spätere Erweiterungen verschoben.
3. 2006-2010 Vorbereitungs- und Fallstudien unter Einbeziehung lokaler, regionaler Ämter,
Organisationen und Bevölkerung sowie Kontakt mit dem Umweltministerium:
Eigentumsverhältnisse, Flächennutzungsplanung, Bürgerwünsche, Unterhaltsplanung. Die
Vorbereitungen für die Kulturhauptstadt Turku beschleunigten die intensive Arbeit, da sie die
gleichen Grenzen wie der geplante NUP hat.
4. 2011 Kulturhauptstadt Jahr „Kulturhauptstadt Park Turku“ , Abschluss der Konzept-Phase und
Vorbereitung des NUP Antrags der Stadt in Zusammenarbeit mit dem Ministerium.
5. Am 5. Juni 2013, dem Welt Umwelt Tag, entscheidet das Ministerium positiv über die
Einrichtung des Turku National Urban Parks.
Zukünftige Aufgaben sind nun weitreichende Information, NUP bezogenes Marketing und
Merchandising, Förderung von Aktivitäten im Park. Der Park muss in, mit und von der Bevölkerung als
solcher ‚produziert‘ werden. Und mögliche Erweiterungen des grünen Korridors entlang des Flusses
Aura in die umgebende Landschaft sind schon längst gefunden.
Dr. Peter Schantz, Professor, Swedish School of Sport and Health Sciences
103
“Der Royal National Urban Park in Stockholm – Lektionen aus der Perspektive einer nachhaltigen
Entwicklung“
Professor Peter Schantz aus Schweden begann mit einem kurzen familiären Exkurs zu der Geschichte
seines Urgroßvaters, der seinerzeit Offizier in den Wäldern von Pori war, und zeigte so die
geschichtliche Verzahnung, die diese zwei Nachbarländer seit Jahrhunderten verbindet. Dann führte
er die Teilnehmer in seinem Vortrag zu den Ursprüngen des NUP Gedankens, nach Schweden zum
„Royal National Urban Park in Stockholm“, der 1995 weltweit der erste ausgewiesene NUP war. Als
deren ältester ist er ein interessantes Studienobjekt in Bezug auf die Möglichkeiten und Probleme
moderner Stadtplanung sowie der juristischen Wege, diese Vorgänge zu steuern. Er skizzierte hierzu
grundlegende Fragestellungen, sowie neueste Untersuchungen zur nachhaltigen Entwicklung in Bezug
auf die Rolle der Grünflächen für Gesundheit und sportliche Betätigung.
Stockholm - eine Stadt, deren Bevölkerung von 70.000 im 18.Jh. auf jetzt 2.000.000 angewachsen ist.
Die Metropole braucht, und das wissen wir heute mehr als je zuvor, ansprechende Freiräume, die die
Bewegung und damit die öffentliche Gesundheit stimulieren. Das fordert eine weitsichtige,
nachhaltige Entwicklung der Umwelt.
1995 wurde der National Urban Park in Stockholm eingerichtet. Er umfasst 27km² Land- und
Wasserflächen in unmittelbarer Nähe zu verdichteten Großstadtbereichen. Er gibt den Bewohnern das
Gefühl, sich sofort in freier Landschaft außerhalb der Stadt zu fühlen. Bis 1920 hatte sich das Gebiet
wenig verändert. Dann begann die intensive bauliche Erschließung. Die Universität wurde mitten in
die grüne Landschaft platziert. 1987? gab es eine Gesetzesänderung, die der Verwaltung mehr
Befugnisse gab. Gleichzeitig wurde den Banken die Kreditvergabe erleichtert. Damit nahm die
Flächeninanspruchnahme stark zu. Im Parkbereich entstanden 1.000.000 m² Büroflächen mit
exponentiellen Plänen für die weiteren Jahre.
Dies löste eine große Umweltbewegung und Proteste aus. Die schwedische Regierung war ohnehin
schon sensibel für dieses Thema, da das Areal als von Nationaler Bedeutung auf EU Ebene gelistet
wurde. Das schwedische Umweltministerium forderte von den beteiligten Behörden Berichte über
Bewertung des Gebietes bezüglich Natur, Kultur und Freizeitgestaltung im Freien. Es ging dabei nicht
nur um Kartierungen der Planungssituation, sondern auch, und besonders darum, die mentalen Karten
zu verändern -„ change the mental maps!“ Der erste Bericht bezog sich auf die Artenvielfalt, Habitate,
Kernbereiche, Verbindungszonen, Schwachstellen und den Einfluss der Wasserflächen. Dies führte zu
einem tiefen Verstehen der Dynamik des gesamten Gebietes. Es stellte sich dabei auch heraus, dass
die Artenvielfalt in engem Zusammenhang mit der Tierhaltung (Schafe, Kühe) steht. Der Report gab
den Politikern eine gute Handlungsgrundlage.
Kulturelle Werte sind immaterielle Werte, die nicht dargestellt werden und oft nicht in ihrem
Zusammenhang gesehen werden. Am Beispiel von drei historischen Grabstellen im Parkbereich, muss
man den Kontext von Rousseau haben, um ihre Geschichte zu erkennen. Auch die Geschichte des
Gebiets zunächst teils als Barocke Anlage, Jagdgebiet und später als Landschaftspark ist Teil seines
kulturellen Reichtums.
Der Freizeitwert der Freifläche wurde weder erfasst noch überhaupt diskutiert.
Doch Europa Nostra wies darauf hin, dass „jedes dieser Parkelemente schon per se einen großen Wert
darstellen, und dass sie in ihrer Kombination ein einzigartiges Dokument europäischer Parkgeschichte
darstellen.“
104
Im Zusammenhang mit dieser Landschaft verbinden sich aber auch zahlreiche kulturelle Dimensionen
wie Kunst, Musik, Tanz, Theater, Wissenschaft, Architektur, ein botanischer Garten, Arboretum,
Kleingärten, Museen, Erholung, Leben im Freien, körperliche Betätigung und Sport und vieles mehr.
Der Bericht zum Flächennutzungsplan legte offen, dass die künftige Nutzungsszenerie der Grünflächen
und Landschaft sich dramatisch in Richtung auf eine verdichtete Stadtlandschaft bewegte.
1995 gab es als Gegenentwurf zum vorliegenden Flächennutzungsplan die einstimmige Entscheidung
für den „National Urban Park Act“. So hat die Krise zu einer kreativen Gesetzesvorlage geführt. Im
Umwelt Code §4,7 werden die betroffenen vier Verwaltungsbezirke im National Urban Park
zusammengefasst. Dann heißt es: „ In einem NUP dürfen Neubaugebiete und neue Einrichtungen nur
erstellt und andere Maßnahmen nur ergriffen werden, wenn sie nicht in die Parklandschaft oder die
natürliche Umwelt eingreifen und ohne die natürlichen und kulturellen Werte der historischen
Landschaft anderweitig zu schädigen.“ Besonders wichtig ist die gleichrangige Formulierung der
natürlichen und kulturellen Werte.
Eine weitere zentrale Botschaft ist: „Die Entwicklung im NUP sollte im Ganzen zum Ziel haben, die
natürlichen, kulturellen und Erholungswerte zu stärken und die Artenvielfalt zu schützen.“
Seit 2000 zeichnet es sich ab, dass die geplante extreme Nutzung durch neue Bebauung zwar noch
nicht vollständig gestoppt werden aber zumindest stark reduziert werden konnte.
Der NUP in Stockholm nennt sich „Royal National Urban Park“. ‚Royal‘ nimmt Bezug auf den
ehemaligen königlichen Jagdwald. Der Hinweis auf die Geschichte des Königshauses ist der Versuch
mehr Respekt für die Natur im wohlhabendsten Stadtteil der Stadt zu erzeugen
Die Diskussion um National Urban Parks geht in Schweden weiter. Zehn weitere Anträge sind gestellt,
wurden aber bei Gericht abgeschmettert. Das Material ist vollständig dokumentiert. Im Augenblick
wagt man keine weiteren vorzuschlagen. Es gilt zu warten.
In diesem Zusammenhang betonte Schantz die Erfolgsgeschichte der NUP’s in Finnland. Hier wurde
die schwedische Idee des NUP in den folgenden Jahren aufgegriffen und bis zu einem inzwischen
entstehenden Parknetz erfolgreich weitergeführt. Veröffentlichungen in englischer Sprache sollten
das Experiment der nordischen Länder dokumentieren.
Doch weitere National Urban Parks werden vor allem in Problemzonen gebraucht. Wir brauchen solche
Grünflächen für alle. Es liegt an uns, die Geschichte unserer Wohnumwelt zu schreiben. Und das
erfordert einen holistischen Ansatz.
Konferenz in Stockholm: Large Parks in Large Cities, 2.-4. September 2015
105
Buchtipps:
„The European City and Green Space, London, Stockholm, Helsinki and St. Petersburg, 1850-2000”,
Historical Urban Studies, Edited by Peter Clark
“Forests, Trees and Human Health”, Kjell Nilsson, Marcus Sangster, Christos Gallis, Terry Hartig u.a.,
Springer Verlag
“National Stadsparken, National Urban Park- An Experiment in Sustainable Development”,
L.Holm & P. Schantz, Stockholm Sweden 2002
Eds.
3 Best-Practice- Beispiele
Porvoo National Urban Park, Ms. Anne Rihtniemi-Rauh, Landschaftsarchitektin
“Die Verwaltung von Kulturerbe in Gemeindeabläufen”
Porvoo ist eine Kleinstadt an der Südküste Finnlands, ca. 60km von Helsinki entfernt, mit 35.000
Einwohnern, in einer Region mit 655km² Landfläche und 1.500km² Wasserfläche. Der städtische
Bereich selbst umfasst 25km². Die wachsende Bevölkerung führt zu einer jährlichen Zunahme der
Bebauung von ca. 100 freistehenden Häusern und 2 Apartment-Häusern. Das Industriegebiet liegt
außerhalb der Stadt.
Der NUP umfasst 11km² + 10km² Wasserfläche. Er wurde 2000 eingerichtet. Die Flächen sind vielfältig:
Feuchtgebiete, alte Wälder, Sümpfe, semi-landwirtschaftliche Biotope, Inseln, Küsten,
Erholungswälder mit Villen (19.Jh.), und die Altstadt von Porvoo. Hier sind 4.000 Jahre
Siedlungsgeschichte gegenwärtig. Von der Steinzeit bis zu den Wikingern, der ersten Stadtgründung
im 14.Jh. bis zur Gartenstadt von 1900 reichen die historischen Stätten. Die Altstadt (20ha) ist heute
noch durch das mittelalterliche Straßennetz, die ebenso alten Keller und die Häuser aus dem 18.Jh.
geprägt Viele der in der Altstadt wachsenden Kräuter sind alte Kulturpflanzen und gehen auf die
Gärten des Mittelalters zurück. Auch der Friedhof ist wegen seiner hohen Artenvielfalt gelistet. Über
1 Mio. Touristen besichtigen das nahezu unveränderte Porvoo im Jahr. An der Küste leben 2.500
Menschen im Winter und 20.000 im Sommer.
Die Schutzmaßnahmen im NUP der Altstadt sind wegen der vielen auch privaten Hauseigentümer sehr
kompliziert. Die Grünflächen sind durch ihn geschützt. „Die alte Geschichte sollte in der
Stadtlandschaft sichtbar sein.“ Die Natur arbeitet gegen das Kulturerbe, Wälder wollen sich die Stadt
zurückerobern, große Bäume verändern den Aspekt der Altstadt. 151 Privatgrundstücke sind nicht
öffentlich zugänglich und deren Eigentümer müssen einen Großteil der Pflege selbst übernehmen.
Damit sie dies entsprechend des „old way“ tun, der oft umständlicher und schwerer ist, bekommen
sie finanzielle Anreize.
Aufgeforstetes Land wird zu Weidelandschaften mit „Stadtkühen“ (citycows) zurückgebildet.
Semikulturlandschaften auf archäologischen Plätzen werden gemäht.
Im Natura 2000 Areal liegt der mittelalterliche Hafen, der wegen der ständigen geologischen
Landerhebung (25cm/100Jahre) seit der Steinzeit inzwischen 12 km entfernt von seiner ursprünglichen
Lage an der Flussmündung liegt. Im selben Gebiet sind archäologische Bereiche, Landschafts- und
106
Artenschutzgebiete. Bei den Schutzmaßnahmen arbeiten häufig die unterschiedlichen Behörden mit
jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten gegeneinander. Lange Abstimmungs- und
Abwägungsprozesse sind erforderlich.
Die Vorteile des NUPS:
-
-
Schutz der Grünflächen
Auseinandersetzung über gemischte Werte in der Verwaltung: Kultur- und Naturerbe,
Archäologie und Landschaft. Der Unterhalt muss von allen am runden Tisch diskutiert
werden.
Kommunikation von Wissen und Werten an Privatbesitzer, Sport, Erholung und Erziehung
Hämeenlinna, Mr. Timo Tuomola, Geschäftsführer LinnanInfra
„Hämeenlinna National Urban Park Concept: Management und Nutzungsplan“
Timo Tuomola legte den Schwerpunkt seiner Präsentation auf die praktischen Aspekte von Nutzung
und Management, sowie auf den Aufbau des NUP in Hämeenlinna als Marke.
Hämeenlinna ist eine schwedische Kleinstadt, gegründet 1639, mit 67.500 Einwohnern. Im Stadtgebiet
liegen 200ha gestaltete Parkflächen. Die Stadtregion umfasst 1.785 km² mit 247km² Seen und 4.200ha
Wäldern.
Hämeenlinna National Urban Park mit 738ha wurde 2001 eingerichtet. Er stellt sich als „Schaufenster“
der Natur Finnlands dar und betont dabei seine besonderen Aspekte:
-
Szenerie:
Lage in der national gerühmten Landschaft des Vanajavesi See Tales
-
Kulturerbe:
das mittelalterliche, königliche Häme Castle (13.Jh.) mit histor. Schichten bis zur Eiszeit
-
Historische Parks:
Aulanko 1883, Stadtpark 1850
Grüne Infrastruktur:
-
Zwei Natura 2000 Gebiete, mehrere Naturschutzgebiete, reiche Artenvielfalt
Der Management- und Nutzungsplan entstand in Zusammenarbeit mit dem städtischen UmweltZentrum und Einbeziehung anderer Interessengruppen wie Grundstücksbesitzern im Gebiet. Der Plan
wurde 2002 vom Stadtrat bestätigt und vom Umweltministerium ratifiziert.
Im Plan gibt es historische Beschreibungen des Gebiets ebenso wie Ziele und Maßnahmen, deren
Umsetzung vorwiegend in der Verantwortung des Staates und der Stadt Hämeenlinna liegen. Alle im
107
Plan erläuterten Grundsätze müssen in der Stadtplanung und anderen Entscheidungen, die Einfluss auf
das Gebiet haben, angewendet werden.
Das produktive Grüne Management verfügt über 1,6 Mio €/Jahr, von denen 600.000 in die Waldpflege
gehen. Für Investitionen bleiben 300-400.000 €/Jahr. Die Abteilung hat 30 Angestellte, 2 Gärtner, 1
Stadtplaner, 2 Förster. Tuomola gab mit seinen Photos einen Überblick über Investitionen und
Arbeiten im NUP, Restaurierungen, Reparaturen historischer Parkstrukturen wie alter Stein-Zäune,
Pavillons, Baumpflege und die Entwicklung von Info-Konzepten.
Bei ‚nur‘ 68.000 Einwohnern sind die Investitionen von 4,8Mio € in Grünflächen in 10 Jahren eine
beträchtliche Summe. Allein die Seestrände haben jährlich 160.000 Besucher.
Aktuell wird besonderer Schwerpunkt auf Leitstrukturen im Gelände und die Wahrnehmung in der
Öffentlichkeit gelegt. Hämeenlinna liegt ca. eine Stunde von Helsinki entfernt, ein Schwellenwert für
touristische Naherholung oder Wochenendaufenthalten. Um mehr Touristen auf den so nah liegenden
NUP aufmerksam zu machen, ist die Stadt nun dabei, den NUP als Marke aufzubauen. Der Kontext von
NUP / Marke / Stadtmarketing war ein wertvoller, ergänzender Aspekt der Präsentation des
Workshops.
Hanko, Mr. Jukka-Pekka Halme, Juristischer und Verwaltungsdirektor
„Hanko National Urban Park – Geschichte und Küstenlandschaft im Dialog“
Hanko ist die südlichste Stadt Finnlands im Norden des Finnischen Meerbusens, ca. 150km von Helsinki
entfernt. Es hat 130km Küste mit 30km feinstem Sandstrand am Baltischen Meer und rühmt sich als
sonnigster Platz Finnlands. Über Jahrhunderte war es ein strategischer Punkt für Schweden und
Russen. Aufgrund der milden Temperaturen konnte die Halbinsel als Winterhafen genutzt werden, was
Zar Peter den Großen zur 1874 Gründung der heutigen Stadt Hanko bewog und sie an das russische
Eisenbahnnetz anschloss. Ein lebhafter Handel mit Russland machte Hanko zum beliebten LuxusBadeort der russischen Oberschicht mit ausgedehnten Villenbereichen am Meer. Nach dem verlorenen
Winterkrieg wurde es bis 1940 weiter an Russland verpachtet, wovon einige funktionalistischen
Gebäude zeugen.
Als Winterhafen wurde Hanko einer der wichtigsten Häfen für Auswanderer nach Nord-Amerika.
Zwischen 1880 und 1930 emigrierten von hier aus 400.000 Finnen und Russen, die mit dem Zug an der
Südspitze eintrafen. Schiffe nach England waren mit Butter beladen, die einem gesonderten Gebäude
mit einem speziellen Kühl-System zwischengelagert wurde. Inzwischen ist dieses Butter-Haus ein
nationales Monument.
108
Heute hat die kleine Stadt knapp 10.000 Einwohner. Ihr besonderer Charakter sind die historischen
Bereiche mit Holzhäusern und das Strandhaus-Gebiet. Die Geschichte spiegelt sich in den
unterschiedlichen Schutzzonen
-
Schwedische Herrschaft mit Festung
Russen-Ära ab 1714
1917 Unabhängigkeit
2. Weltkrieg, die Russen erobern Hanko, die Deutschen befreien die Halbinsel
2008 wird der Hanko National Urban Park mit 6.300km² gegründet und noch im gleichen Jahr vom
Umweltministerium bestätigt. Wie in allen NUP’s sind auch hier die historischen Stadtbereiche in ihrer
gesamten Einbettung in die umgebende Naturlandschaft integriert. Der NUP umfasst die Altstadt, ihre
Grünflächen, den Hafen, Strände, historische Badekultur und Naturschutzgebiete im Archipel.
Zweck des NUP
-
Erhalt von Geschichten und Geschichte
Erreichbarkeit auch zukünftig für Bewohner und Erholungssuche
Bewusstseinsschärfung für die Werte des NUP
Schutz und Pflege der Natura-Areale im Archipel rund um das Cap nach EU-Direktiven
Fauna und Flora der Baltischen See: Vögel, fremde Pflanzen wie Orchideen, seltene
Insekten, Schmetterlinge. Einzigartigkeit der Dünen und Kliffs.
In der Praxis bedeutet das, dass die Parks und Erholungsgebiete wie auch Küstenzonen als Grünes
Zimmer für die Bewohner kostenlos sind. Die Strände werden gepflegt und sind zugänglich für alle. Die
Vielfalt wird gesichert und ökologisch vitale Korridore von Pflanzen und Tieren werden reserviert.
Die nähere Umgebung bekommt einen up-lift, da sie die eigentliche Visitenkarte des NUP ist. Das
bedeutet Ausbau der Fuß- und Radwege, Leuchtturm-Karte für Touristen, Hinweisschilder und
detaillierte Pläne. Die Identität des Ortes soll durch historische Events gestärkt werden. Ebenso sollen
die historischen Bereiche mit der gebauten und natürlichen Umwelt vernetzt werden.
„Das Leben in und mit der Natur ist charakteristisch für den Finish way of life, wie auch ein
internationaler Mythos. National Urban Parks sind daher ideal, diese zu schützen und behutsam weiter
zu entwickeln. Bei entsprechender Anpassung an lokale und regionale Geschichte, Gegebenheiten und
Anforderungen sind sie aber sicher auch ein Konzept und Planungsinstrument, das sich wirkungsvoll
auf andere Kommunen und Regionen in Europa übertragen lassen könnte.“
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Walking Tour
Pori National Urban Park mit City Hall Park
City Garden Center
Die Exkursion durch Teile des Pori NUP begann am Hotel und führte über das gerasterte Straßensystem
der Stadt zu einer der vier großen Esplanaden, die das Zentrum kreuzen. Ursprünglich bestand Pori aus
Holzhäusern. Zwischen 1571 und 1852 brannte es neunmal nieder und wurde immer wieder
aufgebaut. Das heutige „Stein-Pori“ entwickelte sich nach 1852 und es entstanden u.a. die heute
historisch bedeutsamen Gebäude des Alten Rathauses (Old City Hall), Theater, Kirche und Junnelius
Palast (City Hall). Das Rastersystem der Straßen wurde erweitert, sodass Feuer die Straßen nicht mehr
überspringen konnten. Die Esplanaden sind inzwischen als ausgedehnte städtische Grünflächen
verbindender Bestandteil des Pori NUP. Erst kürzlich wurden Alleen mit Lindenbäumen aus Schweden
gepflanzt. Im 19.Jh. hatte Finnland noch gar keine eigenen Baumschulen und alle Bäume mussten
importiert werden. Die großzügigen Esplanaden mit Alleen, Blumenbeeten und Bänken sind
Ausstellungsort für Skulpturen und dienen als grünes Wohnzimmer der Bewohner. Am Ende einer
Esplanade vor dem Alten Rathaus im klassizistischen Stil von 1841 thront ein großer Bär aus Bronze,
als namensgebendes Sinnbild der Stadt (pori = Bär). Vorbei am Rathaus ging es zur Ponton-Brücke
Taavi über den Kokemäenjoki zum
Kirjurinluoto Park mit Polsanluoto „delta miniature“
Die Westküste Finnlands hebt sich seit Jahrhunderten und dies war ehemals der Grund dafür, dass der
Hafen schließen musste. Heute noch 6cm im Jahr, was immer wieder Inseln zu Festland werden lässt,
auf dem im frühen 20.Jh. eine idyllische Villensiedlung mit Sommerhäusern der Arbeiter entstand wie
auch der Kirjurinluoto. Seit mehr als hundert Jahren ist dieser Englische Landschaftspark Erholungsort
für die Bewohner von Pori. Ein romantisches Gartenrestaurant von 1920 liegt mitten im historischen
Teil des Parks. Zahlreiche Einrichtungen locken Alt und Jung: Tiere, Frisbee, Labyrinth, Petanque,
Sommertheater und die Stadtgärtnerei mit Gartenmesse und Stauden-Musterbeeten. In der großen
Jazz-Arena findet seit 1966 das jährliche internationale Pori Jazz Festival statt. 1996 wurde ein
Sandstrand am Fluss mit Beach Volleyball-Feldern eingerichtet. Auf dem Hermanni Spielplatz wird
Spielgerätefirmen Platz für ausgesuchte Spielinstallationen angeboten, die von den Firmen selbst
gewartet werden. Die Kinder profitieren und für die Firmen ist es PR und Präsentationsfläche
gleichzeitig.
Der Park selbst geht unmerklich in das Naturschutzgebiet des Polsa Deltas über. Holzstege führen
durch die flussnahen Feuchtgebiete mit ihrer großen Artenvielfalt. Eine kleine Attraktion mitten in
dieser mückenfreundlichen Wildnis ist eine Holzfähre mit Seilführung, die durch Manpower bewegt
zum anderen Ufer führt.
In Zukunft soll der Parkbereich in Richtung auf die geplante Konzerthalle auf Raatimiehenluoto
erweitert werden.
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Villa Mairea, Noormarkku, Design von Alvar Aalto
Ein Highlight der Bus-Tour war die Besichtigung der Villa Mairea in der abgelegenen, waldigen Gegend
von Noormarkku, die der Architekt Alvar Aalto 1939 als Landsitz und Gästehaus für Harry und Maire
Gullichsen entworfen hat. Das junge Ehepaar gehörte zu der wohlhabenden Industriellen-Dynastie der
Ahlström-Gullichsen. Aalto, Architekt und enger Freund, sollte seinen Entwurf als experimentelles
Haus ansehen, im Vorgriff auf eine allgemeingültige Vision von sozialen und naturpflegerischen
Gesichtspunkten einer finnischen Wohnkultur. Der junge Vertreter des Finnischen Funktionalismus
nutzt diese Gelegenheit, alle Gewerke des Hauses zu einem Gesamtkunstwerk aus seiner Hand
zusammenzufassen. Das L-förmige Haus liegt inmitten eines alten lichten Kiefernwaldes, dessen hohe
Stämme und malerischen Kronen die gesamte Szenerie bestimmen. Die Anmutung der Stämme des
Waldes sollte sich über den Eingang bis ins Innere des Hauses fortsetzen. Um den Farbton im Haus
innen zu treffen, wählte er das Holz der Kanadakiefer für Treppen, Säulen und Decken. Die Räume im
Erdgeschoss fließen offen ineinander, werden von Säulen getragen, durch die ein raffiniertes
Abflusssystem das Flachdach entwässert.
Villa Meirea verwöhnt ihre Besitzer mit Raffinement, ausgesuchten Materialien und technischen
Hilfsmitteln.
Aalto entwirft mehrere Kamine, Wintergarten, Geländer, Klinken, Griffe, Schiebetüren, Deckenlüftung.
Seine Möbel- und Einrichtungsideen, die bis zum Entwurf der Blumenvasen reichen, werden wenig
später zur Gründung der Einrichtungsfirma Artek unter der Leitung seiner Frau Aino führen. Die
Gullichsens sind Sammler Moderner Kunst: Picasso, Léger, Juan Gris, Matisse, Lautrec, Polgakov,
Calder, Arp u.a.. Um die Vielzahl der Bilder, die nicht alle gehängt werden können, zu lagern, installiert
Aalto innerhalb der Trennwände mobilen Stauraum für das Depot.
Die Villa mit ihrer reduzierten Ästhetik war für die damalige Zeit revolutionär und überzeugt noch
heute durch die Konsequenz ihrer Gestaltung, die das Innen mit dem Außen zu verzahnen sucht.
Großzügige Fensterfronten, die im Sommer geöffnet werden können, öffnen das Haus zur privaten
Gartenseite hin. Die Holzverkleidungen verstärken den Naturbezug des Gebäudes.
Zahlreiche harte Kanten werden innen wie außen mit der „Aalto-Welle“ (aalto, finn. =Welle) gerundet.
Die freie Form symbolisiert für Aalto menschliche Freiheit und er bemerkt schon 1926, dass die „
geschwungene, lebendige, unvorhersehbare Linie, die sich in der Mathematik unbekannten
Dimensionen bewegt,“ für ihn alles verkörpert, was sich in einer „religiösen Schönheit des Lebens“
dem brutal Mechanistischen widersetzt.
Der L-förmige Grundriss des Hauses wird durch eine lange Loggia mit Außenkamin ergänzt, an deren
Ende sich ein rustikales Saunahaus befindet. Die verbindenden Dächer sind mit Birkenrinde und Gras
bedeckt. Im Hintergrund schließt ein ansteigender Grashügel die offene Fläche und leitet so zur
Topografie des umgebenden Kiefernwaldes über. In diesem geschützten Außenraum liegt in der
Rasenfläche das organisch geschwungene, großzügige Schwimmbad. Die ursprüngliche Gestaltung des
Gartens durch den Gartenarchitekten ? Olsen, ist mit den Jahrzehnten wohl verändert worden, lässt
aber neben der sanften Geländemodulation immer noch eine reduzierte, sehr naturbezogene
Pflanzenauswahl ahnen. Die nord-ost Ecke des Gebäudes ist umhüllt mit Kletterpflanzen, u.a. einer
weißblättrigen Euonymus-Varietät. Archaische Steinwälle ‚umfrieden‘ den Garten. Ein ganz simples
Holzgatter mit einfachem und doch wieder gezielt gestaltetem Riegel lässt noch im kleinsten Detail
spüren, dass hier nichts zufällig ist.
111
Alvar Aalto hat mit Villa Meirea im Bezug von Architektur und Natur einen Formenkanon entwickelt,
der wegweisend für die Architektur der Moderne wurde. Wichtig war ihm dabei besonders das hohe
Niveau finnischer Wohnkultur. „Deshalb schloss er in seine architektonische Symphonie“, so sein
Biograf Göran Schild, „so viele genuin finnische Motive ein: Villa Meireas Sauna, verschiedene Mauern
und Zäune, der offene Kamin, die traditionelle Wohnstube, die vielen ausgesuchten Holzdetails sind
alle derartige nationale Akzente.“
Walking Tour in Noormarkku (National significant cultural environment, Industrial history)
Der anschließende Rundgang führte durch den Ort Noormarkku, einer der am frühesten
industrialisierten Gemeinden Finnlands. Ausgehend von frühen Sägewerken, wurde der Ort im 19.Jh.
zu einem Zentrum finnischer Holz- und Papierindustrie. Der Unternehmer Antti Ahlström kaufte 1870
die Schmiede und machte sie zum Kern eines ganzen Industriekomplexes, aus dem sich der heutige
Großkonzern Rautaruukki entwickelte. Ahlström investierte nach altem Patronatsprinzip in die
Entwicklung der Gemeinde, baute Häuser für seine Arbeiter und Angestellten, Schulen und Straßen.
Das Gelände mit den historischen Gebäuden, dem Sägewerk und der alten Schmiede zeugt heute noch
von dieser frühen Industriegeschichte. Inmitten der Arbeiterhäuser steht die Villa mit Büros.
Sein Sohn errichtete seine Villa schon etwas außerhalb im angrenzenden Hügelland. Er verpflichtete
1907 die damals fortschrittlichsten Architekten für den Bau des komfortablen Hauses. Zur gleichen Zeit
entstand eine große Pergola-Anlage für den Garten, die jedoch ohne jeden Bezug zum Gebäude war.
Seine Tochter Maire wiederum wählte mit ihrem Mann Harry Gullichsen Alvar Aalto für ihre Villa im
hinteren Kiefernwald. Villa Mairea sollte Noormarkku dann zum Ziel für Architekturliebhaber aus aller
Welt machen.
Repoosaari Walking Tour
Die Insel Repoosaari liegt außerhalb von Pori an der Mündung des Flusses Kokemäenjoki am
Bothnischen Meerbusen. Repoosaari ist ca.3km lang und 500m breit. Sie lag aufgrund ihres
geschützten, natürlichen Hafens auf der Route alter See- und Handelswege. Duke John übergab die
Insel 1558 „zum Nutzen und Vergnügen“ an die im gleichen Jahr gegründete Stadt Pori. Zunächst
wurde sie von Fischern und als Sommerweide genutzt. Im 17.Jh. gewann sie Bedeutung zunächst als
natürlicher Hafen für große Schiffe und mit zunehmender Versandung der Flussmündung als
Außenhafen für Pori-Stadt. Im 19.Jh. wurde auch Repoosaari industrialisiert. Werft und Sägemühle
wurden in den 1970er Jahren geschlossen. Heute ist Repoosaari der wichtigste Fischereihafen
Finnlands.
Seit 1956 kann Repoosaar über mehrere Brücken und vorgelagerte Inseln direkt mit dem Auto
angefahren werden. Das ursprüngliche Matrosen-Dorf hat mit seinen historischen Holzhäusern, der
alten achteckigen Holzkirche und Apotheke einen ganz eigenen, freundlichen Charakter, der zahlreiche
Touristen anzieht. Eine moderne Musterhaussiedlung zeigt zeitgemäße Varianten des alten
Holhausstils. Grundstückspreise am Wasser erreichen nicht selten eine halbe Million Euro.
112
Was die Insel heute noch besonders für Botaniker interessant macht, ist ein Kuriosum aus alten
Seefahrerzeiten. Da die Schiffe, die Seide, Gewürze und Baumwolle in die Nordländer brachten in ihren
südlichen Häfen zu leicht waren, wurden sie tonnenweise mit der Erde dieser fremden Länder gefüllt.
Diese wurde dann auf Repoosaari abgeladen und hat die Insel weiter aufgebaut. Mit der fremden Erde
kamen fremde Samen. Aus diesem unbekannten Fundus haben sich über die Jahrhunderte mehr als
300 „Ballast-Pflanzen“ aus unterschiedlichsten Ländern des Mittelmeeres, und sogar aus Südamerika,
auf Repoosaari etabliert, die es in Finnland nur auf dieser Insel gibt. Viele stehen heute unter Schutz ,
wie zum Beispiel die nickende Distel (Carduus nutans), die 1874 von der Küste des Mittelmeeres nach
Repoosaari kam, Jacobs-Greiskraut (Jacobaea vulgaris), Weißer Steinklee (Melilotus albus) und die
Gemeine Ochsenzunge (Anchusa officinalis).
Die Teilnehmer des Workshops waren froh, als „Ausgleich“ zu dieser frühen europaweiten Immigration
nach Finnland zahlreiche wertvolle Eindrücke, Inspirationen und Ideen für ihre Arbeit am
„städtischen/regionalen Grün“ aus Finnland in ihre eigenen Länder mitnehmen zu können.
113
Workshop and ISG-Meeting in der Bretagne 23. – 25. April 2014
BRETAGNE – EIN ZIEL FÜR GARTENTOURISMUS
GEOFFROY DE LONGUEMAR, ASSOCIATION DES PARCS ET JARDINS DE BRETAGNE, APJB
Der Workshop „Gartentourismus“ des Hybrid Parks Projekts fand im April in der Region Bretagne im
Westen Frankreichs statt. Bereist wurden 10 Gärten in den Départements Côtes d’Armor, Ille-etVilaine und Finistère. Die große Halbinsel trennt den Ärmelkanal vom Atlantik und hat ein
ausgesprochen ozeanisches Klima mit milden Temperaturen. Die Gallier nannten dieses Land mit
2.700km Küste Aremorica (bret. Arvorig), was so viel bedeutet wie „Land am Meer“. Deutlich spürbar
ist der Einfluss der starken Gezeiten, deren Auswirkungen und starke Wasserstandschwankungen
entlang der Flüsse bis ins Innere der Insel getragen werden.
Durch den Einfluss des Golfstroms wachsen in der Bretagne mediterrane und exotische Pflanzen, die
den Gärten eine überbordende Fülle auch seltener Gewächse bescheren. Aus touristischer Perspektive
wird die Bretagne vorwiegend über ihre schroffen Küsten und rauen Strände wahrgenommen, die von
den Gezeiten des Atlantiks gezeichnet sind. Dass die Bretagne auch ein Land der Parks und Gärten ist,
wissen bisher nur wenige. 1988 gründete sich nach dem verheerenden Orkan des Vorjahres die
Association des Parcs et Jardins de Bretagne, die APJB. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, das bedeutende
Gartenerbe der Bretagne zu erhalten und es für touristische Besuche einem breiten nationalen und
internationalen Publikum zu öffnen. Es gibt jetzt schon 150 bretonische Gärten, die zugänglich sind,
einige davon sogar das ganze Jahr. Zu wenige meint die APGB. 24 dieser Parks und Gärten sind vom
Ministerium für Kultur und Kommunikation als „Jardin Remarquable“ ausgezeichnet, als
„bemerkenswerter Garten“. Dieses Label weist auf außergewöhnliche botanische, historische und
landschaftliche Features hin, auf besondere Gestaltung, Ausstattung (Treibhäuser, Skulpturen,
Brunnen), Pflanzenvielfalt und Einbettung in die Umgebung, verbunden mit vorbildlicher Pflege und
Unterhalt.
Was zeichnet die Gärten der Bretagne besonders aus?
 Die Idee vom Wasser und die Nähe zum Meer, zum Atlantik, sind in der Bretagne
bestimmend für die Menschen, die in den Küstengebieten leben wie auch für Besucher
der Bretagne.
 Hauptmerkmale der Gärten in der Bretagne:
- Botanischer Reichtum verbunden mit hervorragendem Wuchsklima (wenig
Frost, ausreichend Regen und Sonnenlicht)
- Bodenqualität (neutral bis leicht sauer): großer Bestand von Magnolien,
Kamelien, Rhododendren, Azaleen, Hydrangen usw.
- Pflanzen, die von Seefahrern eingeführt wurden, gründen eine lange Tradition
von Akklimatisation exogener Pflanzen und von exotischen Gärten
 Ein starkes Zusammenspiel und ein hohes Niveau an Geschlossenheit zwischen Häusern
und Gärten, Parks und Schlössern, Landsitzen oder Klöstern. Dies ist in der Bretagne
besonders ausgeprägt.
Der Besuch der zehn ausgewählten Gärten, die bis auf Le Crosco alle als Jardin Remarquable
ausgezeichnet waren, gab einen Eindruck von dem breiten Spektrum der bretonischen Gartenvielfalt
von der Küste zum Festland - italienische, französische, englische, orientalische und moderne Gärten,
Botanische, Zoologische Gärten, Gärten von Sammlern und Künstlern. In der Bretagne gibt es über
114
4.000 Landsitze. Bei den Gesprächen mit den Parkeigentümern wurde deutlich, wie schwierig es für
den einzelnen sein kann, sich bei dieser Fülle abzusetzen und charakteristische touristische Features
zu entwickeln oder ein anspruchsvolles Erbe zu verwalten und zu finanzieren. Andere wiederum waren
zunächst von einer persönlichen Leidenschaft zur Gestaltung erstaunlicher Gärten getrieben, die sie
erst jetzt einem kleinen Publikum öffnen.
Geoffroy de Longuemar erläutert während der Reise die Schwierigkeiten, aus dieser Gartenvielfalt
entsprechende Gartenrouten zu entwickeln. Die Gartenrouten sollen dazu führen, dass die Bretagne
auch über ihre Gärten wahrgenommen wird. Ihre Besucher sollen nicht nur die Küste besichtigen,
sondern entlang ihrer Flüsse in das charaktervolle Innere der Bretagne reisen. Entlang der Täler finden
sie eine unerwartete Vielfalt aller Gartenstile der vergangenen Jahrhunderte bis zur Moderne. Der
ungekannte Gartenreichtum der Bretagne hat ein großes Potenzial. Er ist ein lohnendes Ziel für
Kulturtouristen und wird in Zukunft auch mit der neuen Mitgliedschaft der APGB im Europäischen
Gartennetz EGHN weit über die Grenzen Frankreichs hinaus Aufmerksamkeit finden.
Die Gärten von La Ballue - Bazouges la Pérouse
Marie-Françoise Mathiot-Mathon « Garten in Privateigentum »
Ein großes Eingangsportal aus geschnittener Eibe ist der Auftakt zum Besuch der Gärten von La Ballue.
Schon wenn man auf das Schloss zugeht flankieren erste große Formgehölze die begleitenden Wege.
Die Eigentümerin dieses außergewöhnlichen Anwesens, Marie-Françoise Mathiot-Mathon, empfängt
uns in ihrem Gartenrestaurant und gibt eine kurze Einführung in die wechselhafte Geschichte des
Gartens.
Wenn man dann durch das Schloss hindurch die Parterreterrasse betritt, liegt ein formaler Garten vor
einem mit einem diagonalen Wegesystem, mit grünen Grasflächen, geschnittenen dunklen
Eibenblöcken und hochaufragenden Grünskulpturen. In der Mitte ein achteckiges Rondell mit acht
goldgelben Kugelbäumen. Am Ende – die ‚große Welle‘, die als ondulierende grüne Wand das Plateau
begrenzt und den Blick sanft in die Felderlandschaft des Couesnon Flusses führt. Im rechten
Hintergrund malerische Zweigmuster aufstrebender Monterey Kiefern. Links eine grüne Loggia aus
strengen quadratischen Eibensäulen und grazil verworrenen Glyzinien. Ein komplexes Spiel mit
Dreiecken und Würfeln, Spiralen und Kugeln entgegnet sich der freien Landschaft. Das Thema ist
gesetzt. Der Garten lebt aus der Spannung zwischen dem gestalteten Raum und der Weite, der Erde
und Horizont und Himmel.
Als die Verlegerin und Mäzenin Claude Arthaud 1973 das verfallene Schloss aus dem frühen 17.Jh.
entdeckt, war sie von der vergessenen Szenerie gefangen, sobald das Tor hinter ihr zuschlug. Mehr als
1000 Jahre Geschichte der vormaligen mittelalterlichen Festung auf dem Hochplateau hatten ihr nur
noch ein Kartoffelfeld und Wildnis hinterlassen. Und doch hatten lange vor ihr große Dichter und
Schriftsteller die suggestive Kraft dieses Ortes entdeckt. Hier oben wurde er zum romantischen
Rückzugsort für Alfred de Musset, Balzac, Victor Hugo und Chateaubriand.
Claude Arthaud begann eine ambitionierte Restaurierung des honigfarbenen Granitschlosses Stil Louis
XIII. Für die Neugestaltung des Terrains konnte die passionierte Gartenliebhaberin ihren Ehemann
Francois Hebert-Stevens und den Freund Paul Maymont, beide renommierte Architekten der
französischen Avantgarde gewinnen. Diese drei kreativen Geister schufen einen Garten, der als
Kunstwerk gedacht war, in dem sich die Pflanzen dem Willen des Architekten beugen mussten, der die
Bäume zu phantasievollen Formen zwang und aus Pflanzen grüne Bauwerke schuf. Die zwei Freunde
gestalteten zwei gegensätzliche Gartenbereiche, die sich ergänzend zu einem Gesamtkunstwerk
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verbinden. Ein gekonntes Spiel mit Perspektiven, Raumillusionen und Strukturen aus Gemälden der
Moderne.
Auf der Terrasse des Schlossbaus wendet Hébert-Stevens seine Leidenschaft für den Goldenen Schnitt
auf die ästhetische Proportion des Parterres an, das den Rhythmus der harmonischen Granitfassade
aufgreift und mit der Landschaft verbindet. Seitlich begrenzt die Fläche ein Portikus aus Eibenpilastern,
über die dicke knorrige Stämme von Glyzinen ihre Blüte ergießen. Direkt am Schloss steht die
Venuspforte als ein kolossales Monument in Grün, durch das man in den frei bewachsenen Garten im
Burgraben gelangt.
Paul Maymont hingegen entwirft 13 unterschiedliche Grüne Räume, die in einem Gewirr aus Hecken
und Gängen zu erkunden sind und die wie an den Spreiten eines Blattes entlang an zwei Achsen liegen.
Nicht ohne Grund wird das Erleben dieses Bereichs als eine Art Initiationsgang beschrieben, der den
Menschen mit den Geheimnissen der Natur vertraut macht. Diese Folge geschickt gestalteter
Szenarien schärft alle Sinne. Kaum ein Element barocker Gartengestaltung, das hier nicht neu
interpretiert würde: Bosketts, Baumfenster, Follies. Manieristisch werden sie zitiert. Doch nicht um die
Kontrolle über die Natur zu feiern, sondern um den Besucher in der Natur in ein Spiel mit sich selbst
zu verwickeln. Hier ist nichts mehr überschaubar, „denn dann gäbe es kein Geheimnis mehr“ war
Claude Arthaut überzeugt.
Nahe am Eingang, im „Bewegten Garten“ stehen gewaltige Gebilde aus Bux, Eibe und Liguster –
Glanzstücke der Formkunst, der Ars topiaria - die den Menschen zu einer Nebenfigur in einem
magischen Schachspiel reduzieren. Nach dem „Hain der Düfte“ rahmt ein enger, hoher Lorbeertunnel
den ersten Blick zur Landschaft nach draußen. Durch das „Geheimnisvolle Wäldchen“ aus aufgeasteten
Leylandii Zypressen erreicht man das „Grüne Theater“ aus wellenförmig geschnittenen Eibenwänden.
Der Tempel der Diana ist ein architektonisches Konstrukt aus Thuja, das einem Entwurf des IllusionsArchitekten Nicolas Ledoux nachempfunden ist. Von dieser Stelle aus kann man die zwei Alleen aus
Thuja und Linden überblicken, die das Gerüst dieses Gartens sind. Die Lindenallee wird erst seit 2006
wieder schirmförmig „en marchise“ geschnitten, so dass sich die Kronen in alter Tradition wieder
schließen.
Im Birkenhain mit seinen weißen Stämmen steht ein massives Gebilde aus tiefgrünen Taxuswänden:
das Labyrinth. Hébert-Stevens realisierte dieses erstaunliche Konstrukt aus 1.500 Eiben nach einer
Skizze von Le Corbusier, mit dem er mehrere Jahre an der Cité radieuse de Marseille gearbeitet hatte.
Es gibt keine Mitte, keinen Bezugspunkt, keine logische Führung. Die engen Wege sind den Windungen
des menschlichen Gehirns nachempfunden.
Die moderne Interpretation klassischer Elemente aus der italienischen Renaissance und dem
französischen Barock und immer wieder die Brüche der Harmonien machte den Park zum Treffpunkt
zahlreicher Künstler wie Marc Cholodenko, Robert Rauschenberg, Niki de Saint Phalle, Vassilakis Takis
und Tapiès.
Die Gärten von La Ballue sind ein fragiles Kunstwerk, das keine Nachlässigkeit zulässt. Marie-Francoise
Mathiot-Mathon fühlt sich als „Hüterin“ dieses kostbaren Erbes. 2005 erlag auch sie dem Charme des
Ortes, wie vormals Claude Arthaud. Besitzerwechsel und sechs Jahre des Vergessens hatten ihre
Spuren hinterlassen. Mathiot-Mathon „musste den Garten verstehen, bevor sie es wagte einzugreifen,
um ihm nicht zu schaden.“ Und wieder zum Leben zu erwecken.
Über die Jahre hat die Medizinerin sich kundig gemacht, besuchte Kurse, ließ sich in Schnitttechniken
ausbilden und ist Mitglied der EBTS (European Boxwood Topiary Society). Der Pflegeaufwand ist
enorm. Drei Gärtner schneiden mit den klassischen, einfachen Hilfsmitteln wie Latten und Senklot die
Hainbuchen im Mai, die Eiben im Juni, schneiden Buchse zweimal, schneiden bis Oktober – und das
116
immer mit gutem Auge. Gerüste und Hebemaschinen tragen sie weit nach oben. Professionelle
Baumkletterer pinzieren die Kiefern à la Japonaise in schwindelerregender Höhe.
In diesem Garten wird nichts dem Zufall überlassen, obsessiv der Schnitt der Topiari überwacht. Diskret
sind die eigenen Eingriffe. „Die Blüte und sogar die Skulpturen sind nur Akzente“. Denn das wichtigste
ist die Architektur des Gartens. Die Glyzinien, die historischen Rosen, das Weiß und Blau dienen ihr nur
dazu, „um dieses wunderbare Grün zu betonen, diese Skala von Grüntönen, die so schwer zu
vermitteln sind.“ Im Herbst pflanzte sie 26.000 Tulpen. Mit viel Einsatz kämpft sie für den Erhalt der
Kulturlandschaft mit ihren Windschutzhecken und gegen den Bau von Windanlagen. Alles, um diese
traumgleiche Welt nicht untergehen zu lassen und sie dem heutigen Besucher aufs Beste zu
präsentieren. Damit La Ballue ein tiefes Erlebnis wird. Im Jahr 2013 waren es 7.000. Sie organisiert
Konzerte, Kunstevents und seit zwei Jahren ein Tanzfestival. Moderne Choreografien und japanische
Butoh Tänzer verwandeln dann die labyrinthischen Räume des Parks zu grünen Kulissen für den
Ausdruckstanz.
La Ballue und seine 2ha Gärten wurden mit dem Umland 1998 als Ensemble in die französische
Denkmalschutzliste ‚Monument Historique‘ aufgenommen. 2005 vertritt er als sehenswerter ‚Jardin
Remarquable‘ eine der seltenen Garten-Neuschöpfungen der 70er Jahre. Inzwischen kann man den
Gartenbesuch auch in die romantischen Dämmerstunden verlängern, wenn man in einem der fünf
luxuriösen Gastzimmer im Schloss übernachtet.
www.la-ballue.com
La Bourbansais – das Schloss und sein Park (Ille-et-Vilaine, Pleuguenec)
Olivier de Lorgeril, „Tourismusentwicklung in La Bourbansais“
Olivier de Lorgeril erläutert die touristische Entwicklung des historischen Familienbesitzes. Das Schloss
La Bourbansais, das mit seinem Park als Monument Historique gelistet ist, hält die Tradition der großen
Besitztümer und ihrer „à la française“ gestalteten Gärten lebendig. Schon der Name verweist auf die
römischen Ursprünge dieser Anlage in einem drainierten Marschland, die der Göttin Burbonia, der
göttlichen Beschützerin der Feuchtgebiete, gewidmet war. Nach dem Ende des Krieges mit England
wurde die ehemalige Festung wie viele ihrer Art im 16. Jh. in einen prunkvollen Landsitz des Adels
umgebaut. Ergänzungen in den folgenden Jahrhunderten erfolgten stets in Harmonie mit dem
symmetrischen Baukörper. Noch heute stellt sich das Schloss äußerlich im Wesentlichen so dar, wie
Jean du Breil es 1583 gebaut hat. Ein Graben direkt um das Schloss, der „Wolfssprung“, schützte das
Schloss, ohne die Sicht zu verstellen. Eine 800 m lange Auffahrtsallee zum Ehrenhof des Schlosses
wurde 1957 in den Denkmalschutz mit einbezogen.
Der „Französische Garten“ an der Westfassade des Schlosses war von Le Nôtre und seinen Anlagen für
Ludwig XIV. inspiriert und ist im absolutistischen Gedanken eine Erweiterung der Architektur in den
Freiraum. Das barocke Skulpturenprogramm von 1756 ist im Original erhalten und stellt Figuren aus
der antiken Mythologie dar.
Seit 1991 verwaltet Olivier de Lorgeril La Bourbansais, das seit 400 Jahren in Familienbesitz ist. Bis in
die 60er Jahre konnten die 400 ha Landwirtschaft der Familie das Anwesen unterhalten. Das ist
heutzutage nicht mehr genug und der Status des Schlosses musste 1997 neu organisiert werden, um
als Monument Historique auch staatliche Unterstützung zu bekommen. De Lorgeril ist es in den letzten
Jahren gelungen, durch eine Dynamisierung der touristischen Aktivitäten, aufwendige
Restaurierungsarbeiten, wie die Neudeckung (80%) der 1ha Dachfläche, zu finanzieren. Zunächst ging
es darum, sich von den ca. 4.000 Landsitzen in der Bretagne abzusetzen. Das Loire-Gebiet hat es da
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einfacher. Ein Vorteil ist zunächst die geografische Situation südlich von St. Malo, wohin jährlich 2 Mio.
Besucher ihren Weg finden. Darüber hinaus galt es, ein Alleinstellungsmerkmal zu finden.
Hier half die große Tierliebe der Großmutter, die in den 60er Jahren die ersten Tiere anschaffte. Aus
diesem reinen Privatvergnügen wurden schon 1965 die ersten Jagd- und Falknerei-Shows. 1980 folgte
die Öffnung von Teilen des Schlosses und des Parterres für den Tourismus. Als ihr Enkel Olivier die
Leitung übernahm, war gerade Euro Disney en Vogue. Die Verbindung des Schlosses, der ‚alten Steine‘,
mit der Historie und originellen Tierspektakeln schien ihm eine einzigartige Kombination. Seit zehn
Jahren gibt es zwei Vorführungen besonderer Art. Die Raubvogel-Show (3-4x/Tag) knüpft an die
Tradition der Falkenjagd an und wurde um Adler, Geier und Störche erweitert. Das Vorführen einer
Meute von 50 Hunden mit Jägern auf Pferden in einer fiktiven Jagd ist einzig in ganz Frankreich
(1x/Tag). 120 Hunde der Rassen „Francais-tricolores“ und bretonische Bassets sind in Zucht und zeigen
die hohe Kunst der Hundeführung. Die inzwischen seltenen Rassen erhalten zahlreiche Preise. In der
Hochsaison braucht es 40 Personen für Erziehung, Zucht und Haltung der Tiere. Beide Shows setzen
sich in ihrem Bezug zur französischen Geschichte von üblichen Vergnügungsparks ab. Die Sammlung
exotischer und seltener Tiere ist inzwischen zu einem ganzen Zoo mit 500 Tieren herangewachsen. Die
Haltung erfolgt auf einer Fläche von 10 ha. Der Zoo ist an 11 europäischen Aufzuchtprogrammen
beteiligt (EAZA, ANPZ, SNELAC), die auch die Aufzucht gefährdeter Arten erlauben. So sieht man ganz
in der Nähe des barocken Schlosses Giraffen mit ihren langen Hälsen, sibirische Tiger, Löwen, Kamele
und Wölfe.
Das neueste Projekt von de Lorgeril ist nach alten Archivplänen die Rekonstruktion des historischen
Küchengartens, der 2012 in erster Hälfte eröffnet wurde. Hier werden alte Gemüse- und Obstsorten
aus dem 17.Jh. angebaut. Die Pflanzentage im September ergänzen den neuen pflanzlichen
Schwerpunkt. La Bourbansais erhielt für seinen Gemüsegarten 2012 den Prix Villandry und 2013, den
1. Preis des nationalen Wettbewerbs der Gemüsegärten. Der Vertrieb der eigenen Gemüseproduktion
ist noch nicht recht organisiert. Bis jetzt werden Obst und Gemüse in Körben an die Straße gestellt und
jeder gibt, den vorgeschlagenen Betrag.
De Lorgeril ist überzeugt, dass es wichtig ist, jedes Jahr neue Anreize zu bieten. An Plänen mangelt es
ihm nicht. Am Eingang stehen zwei gedrungen runde Türme, in denen noch in seiner Kindheit Äpfel
gelagert wurden, die den ganzen Winter haltbar waren. Ein Turm soll nun wieder zum traditionellen
Taubenhaus ausgebaut werden. Ein Geschwader weißer Tauben wird dann die nächste Attraktion sein.
Statt einer störenden Plastik-Spielanlage soll ein ‚Hameau‘, ein kleines Bauernhaus im Stil MarieAntoinettes, das ländliche Leben illustrieren.
La Bourbansais hatte mit stetig steigenden Zahlen 2013 für Zoo, Schloss und Shows 150.00 zahlende
Besucher.
www.labourbansais.com
Château de La Moglais und sein Park - Lamballe, Côtes d’Armor
Geoffroy de Longuemar, Mitglied im Hybrid Parks Project
Das Anwesen La Moglais ist mehrere Hundert Jahre alt. Als Geoffroy de Longuemar den Besitz vor 15
Jahren von seiner Großmutter erbte, war er in sehr schlechtem Zustand. Seit dem 16. Jh. war er immer
wieder umgebaut worden, 1754 vergrößert und im 19.Jh. erhielt er seine symmetrischen Anbauten.
Es gab keine Heizung und zunächst mussten die dringendsten Arbeiten innen im Schloss ausgeführt
werden. Aber de Longuemar ist klar, dass die Zukunft von La Moglais außen liegt, in seinem Park und
seinen Pavillons.
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Der Park ist ein Garten der Erholung „à la française“ aus dem 18.Jh. Am Eingang flankieren zwei
ornamentale Gräben seitlich die Auffahrt zur imposanten Flügelanlage mit klassizistischer Fassade. Der
eigentliche 5ha große Park erstreckt sich hinter dem Schloss und bietet erstaunliche Perspektiven. Er
ist umgeben von Mauern und strukturiert durch Alleen, Laubengänge und Rabatten. Leider gibt es
keine ursprünglichen Pläne mehr. Wo man ein klassisches Parterre vermuten kann, liegt eine große
Rasenfläche, die sich mit einer Steigung von 5% zu einem Theaterpavillon an dessen Ende hochzieht.
Im Ganzen hat man den Eindruck, dass die Konzeption der gesamten Schlossanlage auf diesen flachen
Theaterbau hin ausgerichtet ist, da man schon beim Zugang auf das Schloss, durch die geöffneten
Eingangstüren hindurch, genau dieses klassizistische Kleinod erblickt. Und auch für de Longuemar ist
es dieser terrakottafarbene Pavillon von 1840, den er zum Zentrum eines kulturellen Projekts machen
möchte. Fünf gerundete Flügeltüren mit weißen Skulpturen in den sechs Zwischenräumen und einer
aufgesetzten Balustrade rhythmisieren die Fassade. Das Gebäude hat eine hervorragende Akustik und
könnte ca. 100 Leute fassen. So eignet es sich besonders für Kammermusik und Barockmusik im
Speziellen. Eine Vision für die Zukunft wären Konzerte auf Originalinstrumenten und ein Musikfestival
für Barockmusik.
An den beiden ca. 100m langen Längsseiten des großen Rasens wurden breite Beetstreifen angelegt
und mit den ersten Stauden und kleinen Gehölzen für ein English Border bepflanzt. Links befindet sich
etwas zurück versetzt die ehemalige Orangerie aus dem 18.Jh., ein elegantes, kleines Gebäude mit
einer ähnlichen Fassade wie das Theaterhaus. Sie ist hier durch drei große Flügeltüren und vier
Pilasterpaare (aus Holz) gegliedert, die zierliche Skulpturen rahmen. Das Gebäude ist nach Süden
ausgerichtet und lässt das Licht durch die drei kassettierten Türen hereinströmen. Spiegel auf der
Rückseite reflektieren das Licht so, dass der Innenraum frostfrei bleibt. Seitlich der Orangerie liegt der
Rosengarten mit inzwischen mehr als 250 Sorten.
Ab 1850 wurden die Bauarbeiten an den Außenanlagen abrupt eingestellt. So bleiben angedeutete
Gartenräume, Alleen, Laubengänge und ein großer „tapis vert“, der dem heutigen Eigentümer alle
Möglichkeiten der Neugestaltung lässt. Seit 2011 ist La Moglais als Monument Historiques gelistet. Von
Juni bis September ist er nachmittags zu besichtigen. La Moglais ist ein Park mit viel brachliegendem
Potenzial, eine schlafende Schönheit, die zu entwickeln eine große Herausforderung ist.
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Jardin du Pellinec - Côtes d‘Armor, Penvenan
Gérard Jean « Pflanzen und ihr Umfeld »
Gérard Jean, der Eigentümer dieser 7ha großen Anlage, bewirbt seinen Park mit „la diversité en bauté“,
der „Vielfalt in Schönheit“. Der Park liegt umgeben von Hügeln, eingebettet am Ende der Bucht von
Pellinec, geschützt vor Wind und Frost in einem Mikroklima, das die Akklimatisation von Pflanzen aller
Kontinente erlaubt. Das Manoir von 1694 im Baustil von St. Malo war der ehemalige Landsitz von König
Franz XIV. Der Besitz umfasste 50ha Flachsfelder; der Reichtum dieser Erde war das Leinen.
Vor 20 Jahren erkannte Gérard Jean in der verlassenen Ruine den idealen Ort, von dem er schon lange
geträumt hatte – einem Ort für einen großen botanischen Garten mit allen Vorteilen der Küste und
ihrem maritimen Klima. Gérard Jean ist ein passionierter Pflanzensammler und außergewöhnlicher
Kenner von Pflanzen und ihren Bedürfnissen. Im Entwurf müssen für ihn die Gestaltung, Farben,
Formen und Texturen mit den entsprechenden Standorten harmonisch zusammenfließen. „Die Natur
bestimmt das Layout“. Die ästhetische Suche ist so untrennbar mit dem Wohlbefinden der Pflanzen
verbunden. Die Vielfalt der Botanik hat eine einzigartige Wirkung auf den Menschen. „Eine nie
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gesehene Pflanze rüttelt uns, weckt Emotionen, auch wenn sie unscheinbar ist. Es ist die Schönheit der
seltenen Spezies“.
Der Park von Pellinec ist mit zwanzig Jahren noch ein recht junger Park und stellt sich doch schon jetzt
in tropischer Üppigkeit dar. In sieben unterschiedlichen Themengärten wachsen 15.000 Pflanzen in
2.500 unterschiedlichen Arten. Als erster entstand der Garten rund um das Haus aus grauem Granit
mit Blumenbeeten, Pflaster und Kieselflächen. Der anschließende Exotische Garten entstand 1999.
Hier stehen in einer dschungelartigen Dichte eine 100-jährige Palme, die den Anstoß für die
Pflanzenwahl gab und eine über 2,50m hohe Mexikanische Agave, die wohl eines der häufigsten
Fotomotive ist. Der anschließende Englische Garten (2000) zeigt in großen Pflanzinseln im
teppichdichten Rasen neben Hydrangen und Rhododendren eine Fülle von botanischen Gewächsen.
Im Seerosenteich erinnern die Sorten an „die Namen derselben, die in Monets Garten wachsen“.
Gérard Jean weist auf eine Sammlung von 70 Schefflera Sorten hin. Oder die 25 unterschiedlichen
Eucalyptus. Und er kennt sie alle, die unterschiedlichen Blattformen, die unterschiedlichen Blautöne
der bereiften Blätter. Hier scheint jedes Gewächs seine eigene Geschichte zu haben. In einem Sumpf
stehen über 400 Irissorten, „eine der schönsten Blüten“, die er kennt - „die japanische Iris (Iris ensata)
- alle ausgesucht in Mauve, Blau oder Weiß Tönen.“ Damit man trockenen Fußes nah an die Pflanzen
herankommt, hat er eigens einen Gitterweg durch den Iris-Garten (2002) gelegt. Hier blickt man auf
die Bucht von Pellinec, die trotz der Nähe zum Meer dem Garten nur Süßwasser gewährt. Zwei Jahre
später entstand um einen kreisförmigen Platz der Australische Garten mit vielen neuen xerophilen
Pflanzen. Dicksonien, Banksien, Araucarien, Richea (Tasmanien), Telopea (Australien) mit ihrer
seltenen Blüte, Cordeline indivisa, die alle zwei Jahre blüht und eine Scheinbuche (Nothofagus) mit
großen Blättern.
Der passionierte Gärtner macht den größten Teil der Arbeit alleine. Er delegiert nicht gerne, denn für
ihn beginnt die Prägung des Gartens schon beim Unkrautjäten. Und dieser Garten soll allein seine
Handschrift tragen. Hier geht es darum, den Pflanzen bestmögliche Bedingungen zu bieten und sie so
zu starken und gesunden Pflanzen zu erziehen. Von den biologischen Pflegemethoden profitieren auch
Vögel, Schmetterlinge und Insekten. Sein neuestes Projekt ist ein 110m langes Rhododendron-Massiv
mit über 500 unterschiedlichen Sorten.
Gérard Jean entführt in ein exotisches Paradies, dessen Vielfalt überwältigend ist. Der Park ist rein
privat und bekommt keine Subventionen. Er ist die Leidenschaft eines einzelnen Mannes, der mit
außergewöhnlichen Pflanzenkenntnissen zu einer botanischen Weltreise einlädt. 2008 erhielt er den
Preis „Bonplan“, 2012 wurde er als „Jardin Remarquable“ gelistet und 2013 stand er an 4. Stelle unter
den „Most Beautiful Gardens of France“. Von April bis September ist er jeden Samstagnachmittag für
6 Stunden geöffnet, am Sonntagmorgen gibt es eine Führung.
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Jardins de Kerdalo - Côtes d’Armor, Trédarzec
Isabelle Vaughan “Gartenerbe”
Isabelle Vaughan ist die Tochter des Malers und Gartenschöpfers Prinz Peter Wolkonsky, der 1901
geboren, vor dem ersten Weltkrieg mit seiner Familie Russland verließ und 1914 nach Paris emigrierte.
1997 nach dem Tod ihres Vaters übernahm die geborene Prinzessin Wolkonsky mit ihrem Mann, dem
Landschaftsarchitekten Timothy Vaughan, die schwierige Aufgabe, die Gärten von Kerdalo, dieses ganz
persönliche Gartenreich zu erhalten. Kerdalo ist ein reiner Privatbesitz. An diesem 18ha großen
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Anwesen wird deutlich, wie groß die Herausforderung ist, ein so persönliches Gartenerbe anzunehmen
und weiterzuführen.
Schon als er noch als Maler in Paris lebte und er seine ersten Erfahrungen im Park der Familie in
St.Cloud machte, erkannte der junge russische Aristokrat, wie sehr sein malerisches Auge und sein
Interesse für Kunst und für Pflanzen sich in der Gestaltung von Gärten verbanden. Es folgten
Jahrzehnte des Lernens und der Begegnungen mit den großen Pflanzenspezialisten Charles Noailles
und Lionel Fortescue. Freundschaften entstanden und die Einladung, Mitglied in der damals noch
jungen I.D.S. (International Dendrologist Society) zu werden, die Pflanzenliebhaber aus der ganzen
Welt verband. Unter ihnen auch Baumschulisten und Koryphäen aus England, wie Harold Hillier, aus
deren Baumschulen Jahrzehnte später die meisten Pflanzen für die Gestaltung seines eigenen Parks
kommen sollten.
Als der Malerprinz 1965 den verfallenen Bauernhof mit 18 ha Gelände, das sich in einem langen Tal bis
zum Fluss Jaudy herabzieht, entdeckte, hatte er den richtigen Ort für die Verwirklichung eines großen
Parks gefunden. Das Gelände war ideal, denn es hatte alles, was es zur Verwirklichung eines
Gartentraums brauchte – zwei Quellen, guten Boden, alte Bäume, mildes Klima und eine dramatische
Szenerie. Selber schon Mitte Sechzig, gelang es mit örtlichen Handwerkern, das alte Gebäude in fünf
Jahren mit Fragmenten und gerettetem Material aus anderen Hausruinen in der Bretagne zu
restaurieren und erweitern. Abbruchmaterial neu zu verbauen war in den 60er Jahren sehr
ungewöhnlich. Gleichzeitig begann er mit dem vorsichtigen Abholzen und Auslichten der Waldstücke
und Gebüsche.
Als erstes erfolgte die Gestaltung der hausnahen Gartenbereiche, durch die Anlage von drei
abfolgenden Terrassen, die die formale Gliederung der Architektur aufgriffen. Direkt vor der Längsseite
des Hauses liegt ein Rasenrechteck, umrahmt von einem Wegeband aus dunklen Flusskieseln und
Staudenbeeten, die sich zum Tal hin auf eine Balustrade hin öffnen. Wie von einem Belvedere aus,
schaut man auf einen tieferliegenden formalen Garten hinab - den „Jardin des 4 Carrés“, den Garten
der Vier Vierecke, der sich wie ein Teppich unter einem ausbreitet. Vier große Stauden-Rechtecke sind
umgeben von einem schachbrettartigen Band aus Rasen- und Kieselquadraten. Dieser ehemalige
Küchengarten, hat sich gerade wieder von Folgen des extremen bretonischen Wetters erholt. Nach der
großen Überschwemmung von 2002 wurde er von Timothy Vaughan vollständig neu angelegt,
vorwiegend in den Farben Rosa, Mauve und Lila, die von Grau- und Silbertönen im Hintergrund und
wenigen weißen und gelben Akzenten gebrochen werden. Der Garten der Vierecke mit den duftigen
Stauden ist eine Art Zwischenwelt zwischen dem Haus und der Natur, eine Mischung aus Formalem
und Wildem, aus Kiesel und Gras.
Seitlich des Wohnhauses fasst Peter Wolkonsky eine Quelle, die sich in einen langen, in den dichten
Rasen eingebetteten Kanal ergießt. Überragend am oberen Ende baut er eine asiatisch anmutende
Pagode, eine barocke Follie, von der aus man auf den Wasserstreifen schaut, in dem sich das Haus und
die Wolken spiegeln. Hinter dem Gebäude wurde der hohe, steile Hang in Terrassen gestützt. Hier
wachsen die empfindlicheren Pflanzen aus dem mediterranen Raum, die der kundige Gärtner gekonnt
zusammengestellt hat: der Wuchs von Palmen, Eucalyptus- und Olivenbäumen, von Phormium und
Perückenstrauch, hier ergießt sich die Vielfalt des Südens in ihrer ganzen Palette der Grün- und
Silbertöne, Formen und Texturen.
Als Peter Wolkonsky seine Leidenschaft für die Gestaltung von Gärten erkannte, bestimmte sein
malerisches Talent die Anlage seiner Gartenräume und die Komposition der Pflanzenarten. Wasser ist
„das natürliche Element des Ortes, denn ein Garten ohne Wasser ist kein Garten“, so war er überzeugt.
Mit großem Aufwand baute er talabwärts im Herzen des Grundstücks einen großen Teich von 1 ha
Fläche. Er liegt wie ein zentraler Spiegel, in dem sich eine überbordende Vegetation spiegelt. Von hier
aus fällt das Wasser talab, sammelt sich in zwei weiteren Seen, bis es sich in den Jaudy ergießt. Kerdalo
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ist ein langes Tal und Wolkonsky nutzt den Schatten entlang des Wassers, um eine tropische Welt
entstehen zu lassen, die an den naiven Maler Rousseau erinnert. Meterhohe Camelien,
Baumrhododendren, Azaleen, Hydrangen, Cornus mischen sich unter alten Bäumen mit Asiatischen
Ahornen und botanischen Raritäten. Ganze Schluchten mit dem gewaltigen Mammutblatt (Gunnera
mandicata) lassen ein eigenes Universum entstehen wie in den brasilianischen Nebelwäldern. Bis zu
3m ragen die riesigen Blätter über die hohen Blütenstände. Immer wieder spiegeln sich vielfältige
Bilder wie impressionistische Szenerien in den Seen. Am Fuß des Tales steht hinter dem
Riesenrhabarber versteckt eine klassische Grotte, deren Wände Prinz Wolkonsky selbst ausstattete.
Hier tanzen Nymphen und Figurinen der Odyssee aus Kieseln, Muscheln und Steinen, die er vor Ort
fand.
Kerdalo ist der Garten eines Malers, für den auch die weiten Wiesenflächen Teil der
impressionistischen Komposition mit den Formen und Farben der umgebenden Bäume und Gehölze
sind. Er ist geschaffen mit den Augen eines Malers, der das Talent hatte, mit Pflanzen zu malen und so
das Bild seines eigenen Gartentraums zu verwirklichen.
Als Isabelle Vaughan 1997 den Park übernahm, trat sie ein schweres Erbe an. Mit ihrem Mann Timothy,
den sie während ihrer Ausbildung bei Hillier in England kennengelernt hatte, hatte sie in der
Zwischenzeit in der Nähe eine eigene Baumschule aufgebaut. Eigentlich waren die beiden
prädestiniert, doch „ein eigener Entwurf ist leicht,“ sagt sie, „eine Übernahme aber ist um vieles
schwieriger“. Seither kämpft sie. Kämpft gegen die Unbill des bretonischen Wetters. Sie lichtet die
Wildnis aus, denn ihr Vater hatte nie geschnitten, und pflanzt nach. So arbeitet sie an dem
romantischen Bild der kontrollierten Wildnis. Wie er scheint sie getrieben von ihrem Trieb zur
Perfektion, die sie immer wieder durch äußere Umstände gefährdet sieht. Noch bevor sie in ihrer
Broschüre die Schönheiten von Kerdalo beschreibt, listet sie die Probleme auf, der „die zerbrechliche
Welt“ des Gartens „im Griff der Zeit, des Klimawandels, des Wetters und der Umweltverschmutzung“
ausgeliefert sind. Trockenheit, Frost und harte Winter. Zwei Stürme legten 1987 über 350 Bäume,
Überschwemmungen (2000) und Hitzewellen(2003). Um die Wasserlandschaft zu erhalten, mussten
2011 wegen der großen Trockenheit 2km Wasserleitung verlegt werden.
Und doch wird ihr Bemühen anerkannt: 2005 wird Kerdalo vom französischen Kulturminister als
„Jardin remarquable“ ausgezeichnet und 2006 in das Verzeichnis der Historischen Denkmäler
aufgenommen. Außer Sonntags ist der Garten im Juli und August jeden Nachmittag geöffnet, April bis
September nur samstags und montags. 2013 kamen 15.000 Besucher. Isabelle Vaughan ist ein
beeindruckender, streitbarer Charakter. Und sie gibt nicht auf. 2015 wird Kerdalo 50 Jahre und das
wird sie mit Vorlesungen, Kursen und Lesungen feiern. Sie wird weiterkämpfen für diesen Garten, wo,
wie Erik Orsenna in seiner Biografie über Kerdalo sagt, „alles Antwort ist, Echo, Verlängerung,
Fortführung und Metamorphose.“
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Château de La Roche Jagu – Ploezal, Côtes d’Armor
Hybrid Parks Workshop u. IGS – Meeting
“Public Ownership”
Hoch über einer Biegung des Flusses Trieux thront das Schloss de La Roche Jagu, das Schloss des steilen
Felsens. Die im 15.jh. wieder aufgebaute Festung vereint Verteidigungselemente mit residentiellen
Funktionen eines Herrenhauses, wie einer eigenen Kapelle, zahlreichen Kaminen und auserlesenem
Dekor. Haupteinnahmen hatte der Besitz durch eigene Mühlen, Fischfang und Landwirtschaft. Da er
nur selten bewohnt war, entging das Schloss seit dem 16.Jh. großen Umbauten und Veränderungen.
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Schon 1930 wurde er als Monument Historique klassifiziert und ging 1958 von den Fürsten d’Alès in
den Besitz der Region Côtes du Nord über.
Seit 1966 ist La Roche Jagu nach aufwendigen Restaurierungsarbeiten als Museum, für ThemenAusstellungen und Tagungsort geöffnet. Mit 74 ha bietet der Park Erholungs- und
Freizeitmöglichkeiten in der Natur für die ganze Familie. Große Schäden durch die Stürme im Jahr 1987
und der Verlust von 4.000 Bäumen veranlasste die Regionalverwaltung den Landschaftsarchitekten
Bertrand Paulet mit der Gestaltung eines außergewöhnlichen Parks zu beauftragen. Die Bauarbeiten
dauerten von 1992 bis 1998. Es entstand ein zeitgemäßer Park, der in Anlehnung an die Geschichte
des Schlosses mittelalterliche Inspirationen in den Außenanlagen umsetzt. Der Park wird seitdem nach
ökologischen Richtlinien ohne Einsatz von Chemikalien gepflegt. Es wird mit Hand gejätet,
Wildpflanzen werden integriert und trockene Blütenstände nicht entfernt.
Im Burggarten, nah am Schloss, entstand unter Mitarbeit von Arbeitslosen und psychisch Kranken ein
Burggarten. Hier wachsen hinter Weidengeflechten und in geschützten Hochbeeten Gemüse,
Küchenkräuter, Heilpflanzen und Färbepflanzen. Die Sortenauswahl wurde in Anlehnung an die
Schriften von Karl dem Großen und Hildegard von Bingen getroffen. Der mittelalterliche hatte außer
den biblischen Symbolblumen wie Rose, Lilie, Akelei nur wenige Blüten. Die Blumen für den
Kirchenschmuck wurden separat im ‚Bouquetier‘ gezogen. Im Rosengarten, dem Garten der höfischen
Liebe, laden Rasenbänke wie zur Zeit der Minne zum Tête-à-tête. Eine Allee der Kamelien zeigt mit 350
Sorten Blüten von Herbst bis Frühjahr. Der Weg der Pergolen bietet Schatten unter Rosen, Geißblatt
und Glyzinien. Die gestuft abfallenden ehemaligen Spülbecken erinnern an die Leinenproduktion zu
früheren Zeiten und ein weitläufiger Palmenhain entführt in die exotische Welt von 1001er Nacht.
Aussichtsplätze bieten romantische Blicke auf den Fluss Trieux, der sich unterhalb der Burg in einer
malerischen Schleife windet. Der Trieux unterliegt wie alle bretonischen Flüsse dem Wechsel der
Gezeiten. Die wechselnden Wasserstände lassen an seinen Ufern eine seltene Artenvielfalt in Flora
und Fauna entstehen. Zahlreiche Wanderwege zum Fluss oder entlang der Steilhänge bieten
einzigartige Naturerlebnisse.
Der Park ist ganzjährig und rund um die Uhr geöffnet. Der Eintritt ist zu allen Zeiten frei. Jährlich
kommen über 200.000 Besucher. Die uneingeschränkte Öffnung des Parks bietet vor dem Hintergrund
der mittelalterlichen Szenerie ein großes Freizeitvergnügen für die ganze Familie, bei dem sich
Naturerfahrungen spielerisch mit dem Wissen um die geschichtlichen Hintergründe der Region
verbinden.
In La Roche Jagu fand auch das IGS Meeting der Steering Group des Hybrid Parks Projekts statt.
www.larochejagu.fr
Jardin Georges Delaselle – Penn Batz - Île de Batz, Finistère
« Umwelt »
Der Besuch des Gartens Georges Delaselle beginnt eigentlich schon in dem Moment, in dem man in
dem historischen Korsaren-Städtchen Roscoff das Boot zur Überfahrt zur Île de Batz betritt. Vom
Wasser aus nähert man sich von Süden der fast baumlosen Insel. Nur an ihrer Spitze fällt schon von
weitem ein dicht begrünter Bereich auf: der „Jardin Georges Delaselle“. Von der Bootsanlegestelle
geht man geleitet vom Bild der hohen Bäume an der Küste entlang bis zum kleinen Eingangsgebäude.
Die gleiche Anfahrt hatte 1897 auch der Pariser Versicherungsagent Georges Delaselle gemacht, als er
sich in die unscheinbare Insel verliebte. Als großer Liebhaber und Kenner exotischer Vegetation fiel
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ihm sofort die erstaunliche Vielfalt seltener und fremdartiger Pflanzen aus aller Welt auf, die vormals
von ansässigen Seefahrern auf die Insel gebracht worden waren. Für ihn war sie eine „authentische,
echte Insel, mit unverfälschten Bewohnern“ und einem vom Golfstrom begünstigten Klima. Er
beschloss auf der Spitze einen exotischen Garten mit unterschiedlichen Landschaften zu bauen und
dirigierte zwischen 1897 und 1918 selber die Bau- und Pflanzungsarbeiten. Die Einwohner der Insel
sahen in dem eleganten, wortkargen Großbürger eher einen Eindringling, der mit seinen Importen
bedrohlicher, fremder Pflanzen den Frieden der Insel störte. War er gar Magier oder ein Hexer? Doch
Georges Delaselle ließ sich nicht davon abhalten, sein ganzes Vermögen in den Park zu investieren,
denn „Das ist mein ganzes Leben, das ist meine einzige Freude“, wie er sagte. Der Rest ist Legende.
Zum Schutz vor Wind und Wetter legt er künstliche Dünen an und gräbt ein fünf Meter tiefes Becken
mit einem terrassenartigen Rand. Dabei wird unerwartet eine Nekropole aus der Bronzezeit freigelegt,
die von frühester Nutzung der Insel durch den Menschen zeugt. 1918 wird die Insel zu seinem
ständigen Wohnsitz und er kann sich ausschließlich der Weiterentwicklung seines Parks widmen, in
dem er selbst bis 1940 arbeitet. Als er vier Jahre später mit 83 Jahren stirbt, hinterlässt er eine üppige
Oase aus Palmen und exotischen Pflanzen.
Der Gärtner, der die Führung durch den Park macht, ‚le jardinier de l’ombre‘, wie er sich nennt, arbeitet
seit über zwanzig Jahren im Park. Er beschreibt die nachfolgenden Jahre mit mehreren
Eigentümerwechseln, z.B. auch an Aérospatiale, für den Garten als verhängnisvoll. Er wird sich selbst
überlassen und verwildert. Erst 1987 entdecken engagierte Gartenliebhaber dieses vergessene
Paradies und beschließen die Wiederbelebung des 100 Jahre alten Gartens. Sie gründen den Verein
der „Amis du Jardin Georges Delaselle“, dem sich bald auch das Küstenschutzamt anschließt. Der
Garten wird getreu der Vorstellung von Delaselle in aufopferungsvollem Engagement
wiederhergestellt. Das Amt erwirbt das gesamte Grundstück und sichert somit die Existenz dieses
bemerkenswerten Zeugen aus der Zeit der praktischen Botanik und Akklimatisierung exotischer
Pflanzenarten um 1900.
Der Sturm von 1987 hatte auch auf der Île de Batz großen Schaden angerichtet. Mehr Licht und Luft
erlaubten aber ausführliche Ausbau- und Ergänzungsarbeiten in charakteristischer Prägung. Für die
Planung wird der Landschaftsarchitekt Gilles Clément hinzugezogen und es beginnt ein neues Kapitel
in der Geschichte des Gartens. Die heutige Sammlung umfasst ca. 2.500 Pflanzenarten aus allen
Erdteilen, einem Großteil aus der südlichen Hemisphäre mit mediterranem Klima. Die einzelnen Gärten
entführen in unterschiedliche Landschaften. Die „Nekropole“ liegt in einer großzügigen Rasenfläche,
umrahmt von gewaltigen Drachenbäumen (Cordyline australis). Der vertieft angelegte „Palmenhain“
erlaubt beim Abstieg zu einer rauschenden Quelle die ungewöhnliche Perspektive von oben herab auf
die Wedel. 60 unterschiedliche Palmen-Arten sind ausgepflanzt. Hier steht auch eine Chamaerops
humilis, die mit 130 Jahren, die älteste Palme des Parks ist. Es folgen der „Kakteengarten“, der
„Maorigarten“ mit der ganzen Vielfalt der Phormiums und hinter der “Westlichen Terrasse“ die
„Südländische Zone“ mit Sammlungen aus Australien und Neuseeland. Der „Gräsergarten“ betont die
lange Perspektive, die den Garten durchquert. Ein neu angelegter Bereich ist die „Blühende Heide“,
die mit ihren Grasnelkenbüscheln aus 8 Armeria-Sorten ein Zwischenreich zwischen Park und Meer
bietet.
Aus der Vielzahl fremdländischer und exotischer Pflanzen hebt sich besonders der steil aufragende
Natterkopf hervor (Echium pininana). Die blühende Pflanze kann bis zu 6m hoch werden; ihre
tausende, kleinen blauen Blüten gleichen dem Kopf einer Natter. Nach der Blüte stirbt die Pflanze, hat
sich aber zuvor ausgesät. Diese gewaltigen Geschöpfe sind sehr kälteempfindlich und auch in der
Bretagne nur in wenigen Gärten zu finden. Im Park werden sie zu einer ausdrucksstarken Leitpflanze.
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Auch die frostempfindliche Madeirageranie (Geranium maderens), die nach 2-3 Jahren einen
Durchmesser von 1m erreicht, erstaunt mit einer Vielzahl rosa Blüten.
Der besondere Reiz dieses Parks liegt in dem Zwischenspiel der seltenen Exotik und die stets präsenten
Durchblicke auf die Gezeiten bestimmte, herbe See. Wenn auch die Temperaturen moderat sind,
können die starken Süd-Ost-Stürme die Pflanzen gefährden und die salzige Gischt bis in die Wipfel der
Kiefern schleudern. Der „Jardin Georges Delaselle“ ist ein Geheimtipp für Bretagne-Besucher; 33.000
kommen zwischen April und November. Das 5ha große Gelände wird von 2 Gärtnern und 2
Halbtagskräften gepflegt. Der Park ist als „Jardin remarquable“ gelistet und ist ein Beispiel dafür, wie
aus willensstarkem privaten Engagement und der Unterstützung des Küstenschutzamtes kulturelles
Gartenerbe und landschaftliches Erbe als Ensemble erhalten und entwickelt werden können. Im Park
Delaselle können die Renaissance des Parks mit seinem alten Baumbestand und der Schutz des
umgebenden Küstenstreifens nur als gemeinsame Aufgabe gesehen werden.
www.jardin-georgesdelaselle.fr
La Grande Launay – Lanrivain, Côtes d’Armor
Jean Schalit : « Kunst und Gärten »
Auf der Wiese vor seinem Landhaus in der Zentral-Bretagne gibt Jean Schalit, der Eigentümer dieses
privaten Anwesens, eine kurze Einführung in die Geschichte von La Grande Launay, dem Großen
Erlenwald. Als das Ehepaar Schalit, beide Journalisten aus Paris 1973 das Haus eines wohlhabenden
Bauern aus dem 17.Jh. kauften, war es ein verkommener Hof, in dem die Tiere über den Vorplatz liefen.
Zunächst ging es um die Restaurierung des Hauses, seit nun dreißig Jahren aber entwickelt sich nach
und nach der Garten vom Gebäude ausgehendend in einer Abfolge von grünen Räumen, die auf 1,5 ha
dem bewegten Gelände folgen. Man mag Jean Schalit inmitten seines „Jardin remarquable“ kaum
glauben, dass er an Gärten zunächst kein großes Interesse gehabt haben will. Vielleicht ist sein
moderner Garten aus diesem Grunde auch weniger ein Garten der Blüten als eine Welt der
Formgehölze und Hecken.
Schon am Haus selbst rahmt eine Komposition von Buchskugeln und geschnittenen Gehölzen die
Fassade, wobei die Heckenquader die Linien des Gebäudes aufgreifen. Ein alter Ziehbrunnen im Hof
setzt schon am Eingang ein anderes zentrales Thema: ‚Wasser‘, das sich von einer gefassten Quelle,
über eine Wassertreppe, durch einen Teich und unterschiedlichste Rinnen den Hügel hinab bewegt.
Vor zehn Jahren ziehen Jean und Jaqueline Schalit den jungen Gartenarchitekten Gael Boedec hinzu,
für den es seine erste Gestaltung war. Eine großzügige Rasenfläche umgibt das Haus, der Rasen ist
dicht und akkurat gemäht. Dunkler Schiefer ist der Stein, der sich als Platte, Treppe oder Blendstein
vom Grün der Pflanzen absetzt. Formgehölze jeder Größe begleiten die Wege, bilden perspektivische
Fluchten, umfrieden unterschiedlichste Räume und werden selbst zum Leitmotiv. So im
„Paradiesgarten“, einem kabinettartigen „Garten der Verführung“. Hier winden sich Schlangen aus
Buchs wie im Garten Eden über den grünen Rasen die Stämme von Apfelbäumen hinauf - eine bizarre
Idee und ironische Anspielung auf das Buch Genesis gleichermaßen. Hügelabwärts geht es vom
„Sunken Garden“ mit der Quelle zum Teich.
Der ganze Garten ist ein Spiel aus Blattformen, Texturen und Grüntönen. Farbakzente sind sparsam
gesetzt, hier und da Blütensträucher, Rosen, Hydrangen oder Stauden. In Kaskaden ergießt sich das
Wasser in einer bemoosten Betonrinne in einen Kiesgarten, in dessen weiße Steine Pflanzen als
Grünstrukturen gesetzt sind. Riegel aus meterhohem Schachtelhalm schieben sich zwischen HostaSolitäre, einzelne Gräser, Iris und Buchskugeln. Ein kleines Wäldchen scheint der totalen Kontrolle des
Gärtners vorerst entgangen. Hinter den Ställen befindet sich der Küchengarten. Hier stehen die
125
Obstbäume Spalier, unterpflanzt mit Erdbeeren und mit niedrigen Buchsbäumen gefasst. Kräuter und
Gemüse wachsen von Hecken umfriedet in quadratischen Hochbeeten.
La Grande Launay hat keine regelmäßigen Öffnungszeiten. Doch die Eigentümer empfangen Besucher
gerne nach vorheriger Anmeldung. Das Engagement liegt eher in der Teilnahme an zeitlich begrenzten
Aktionen, die vom bretonischen Gartennetz APJB organisiert werden. So ist der Garten zum „Rendezvous aux Jardins en Bretagne“ an zwei Wochenenden wie zu einer Offenen Gartenpforte geöffnet.
Auch nimmt er an der Solidaritätsveranstaltung zugunsten von Neurodon teil, einem
Forschungsprogramm zu neurologischen Erkrankungen. Der Schwerpunkt aber liegt auf der
Verbindung von Gärten und Künstlern. Seit 2013 ist Jean Schalit Vorsitzender der Organisation Dialog
mit der Natur. An fünf „Lieux mouvants“ – bewegenden wie auch bewegten Orten – in der Zentral
Bretagne stellen ihre für diesen Ort geschaffenen Werke aus. Im letzten Jahr war es in La Grande
Launey der Künstler Daniel Buren. „Der Garten ist einfach zugänglich, eine außergewöhnliche
Eingangstür zur zeitgenössischen Kunst, die sich den Menschen nicht so leicht erschließt“, so ist er
überzeugt. So sahen auch viele zum ersten Mal Butoh Tänzer in seinem Garten. Über 3.000 Besucher
kamen an einem einzigen Wochenende. „Sie kamen; sie liebten es, ohne zu wissen, was Butoh
eigentlich ist.“
In diesem Jahr werden von jungen Gartenarchitekten (unter29, noch in Ausbildung) an 6 Orten in
einem vorgegebenen Bereich 16 temporäre Gärten angelegt. Sie haben zwei Monate Zeit, mit dem von
der APJB gestellten Material ihre Vorstellungen in einem Wettbewerb umzusetzen. Seine eigenen
Ambitionen mit seinem romantischen Gartenkabinett La Grande Launay fasst Jean Schalit mit einem
prägnanten Satz zusammen: „Ein Garten ist ein einfacher Weg, Menschen mit Menschen zu verbinden,
Natur mit Kunst und Menschen mit Künstlern.“
http://www.apjb.org/fr/parcs/le-grand-launay.html
[email protected]
Le Coscro – Lignol,
Daniel Piquet „Restaurierung“
Das Château Le Coscro ist mit seinen Anbauten, Ställen und dem gleichzeitig entstandenen Park eines
der wenigen Ensembles der französischen Klassik. Gebaut von einem Pariser Parlamentarier im 17.Jh.,
verkörpert es den Stil Ludwig XIII., in dem Perspektive und Symmetrie formgebend waren. Daniel
Piquet erwarb das Anwesen vor 30 Jahren und restaurierte die Gebäude aus Ruinen. Eine breite
Einfahrtsallee führt ausgerichtet auf das Schloss zum Ehrenhof, der von den Reitställen gerahmt ist.
Hinter dem Hauptgebäude fasst ein 5m tiefer gemauerter Graben eine großzügige Terrasse, unter der
sich ein weitläufiges Gartenparterre erstreckt. Der Graben ist flankiert von zwei symmetrischen
Pavillons, in denen auf einer Seite ein Teehaus war und auf der anderen der Obergärtner gewohnt hat.
Als das Ehepaar Piquet die Anlage übernahm, war der Garten als solcher nicht mehr existent. Seit über
100 Jahren diente er als Kartoffelacker. Aber die Archive von 1663 gaben erste Hinweise. Bevor sie nun
aber begannen, das Parterre wieder herzustellen, zogen sie Gartenarchäologen heran, die die gesamte
Fläche zunächst mit Sonden untersuchten, damit bei der späteren Erdabtragung keine historischen
Strukturen beschädigt würden. In einem Seitentrakt des Schlosses hat Daniel Piquet die Studie und die
außergewöhnlichen Arbeiten mit Plänen, Tabellen und Fotos dokumentiert. Zunächst wurde ein Raster
über die ebene Fläche gelegt, nach dem Bodenprofile entnommen wurden. Diese gaben Aufschluss
über den genauen Wegeverlauf, Beläge und Beete. Durch Pollenanalyse war es sogar möglich, die
ursprüngliche Bepflanzung aus dem 17.Jh. authentisch zu identifizieren.
126
Erst nach der archäologischen Analyse begannen 2008 vorsichtige Grabungen. Dabei wurde der
Gartenboden (6.000cubm) in Schichten freigelegt. Heute stellt sich das Gartenparterre mit drei Achsen
in perspektivischer Ausrichtung auf das Schloss dar. Gemäß dem klassischen Schema orientieren sich
die Kompartimente an der Hauptachse, mit der Grundformel von 150 Fuß (49m) und einer Neigung
von 3%. Zwei Brunnen am Ende der Beete werden entdeckt - der eine rund, der weiter entfernte wegen
der perspektivischen Verzerrung oval. Heute sind alle Grundstrukturen original wiederhergestellt,
Gräben, Wege, Brücken, Mauern und Teile der Bepflanzung. Le Coscro ist ein sehr ambitioniertes
Projekt und noch lange nicht fertiggestellt. Die gesamte Parkfläche von 20ha muss neu strukturiert
werden. Mit Hilfe von Gartenarchitekten wurden erste Neupflanzungen vorgenommen. Die
Hauptachse zieht sich über das Parterre durch den Wald fast bis zur nächsten Ortschaft. Das Spielfeld
des Jeu de Paume von 1663, einem der ersten in Frankreich, der Fischteich, die Mühle, der Obsthain das alles sind Aufgaben, die noch abgeschlossen werden müssen.
Das Ensemble ist eine Site et Monument historique im wahrsten Sinne des Wortes, ein Zeuge des
täglichen Lebens seiner Zeit (Patrimoine de la Vie quotidienne). Wie in einem historischen Bilderbuch
wird hier die ursprüngliche Gestaltung eines klassischen französischen Gartens wieder zum Leben
erweckt. Aus konservatorischer Sicht eine großartige Leistung, die aus rein persönlicher Leidenschaft
des Ehepaares Piquets für das Gartenerbe ihres Besitzes verwirklicht wurde. Inzwischen ist es ein
Projekt von nationalem Interesse. Der Park ist Juli und August jeden Tag außer Sonntag geöffnet,
Gruppen werden das ganze Jahr nach Anmeldung geführt. Le Coscro nimmt auch an zeitlich begrenzten
Veranstaltungen, wie dem Rendez-vous aux Jardins teil.
Château et Parc de Rosanbo – Lanvallec, Côtes d’Armor
Erbaut auf tausendjährigen Fundamenten erhebt sich das Schloss von Rosanbo, eines der wichtigsten
der Bretagne, in strategischer Lage über dem Tal des Flusses Bô. Wie der Name Rosanbo selbst sagt,
ist es der Fels über dem Bô. Das Schloss ist seit dem 14.Jh. im Besitz derselben Familie, die seit Ludwig
XIV. den Titel Marquis de Rosanbo führen darf. Das Gebäude selbst, eine 600-jährige Abfolge von Anund Umbauten, stell sich heute als eine um einen Hof geschlossene Anlage dar, die seit 1958, dem
Publikum geöffnet ist. Mit der Geschichte der Familie und des Schlosses sind große Namen verbunden:
Le Peletier, Nachfolger von Colbert, Maréchal de Vauban, Malesherbes und Chateaubriand.
Der neo-klassische Park entstand mit der Restaurierung des Südflügels im Ende des 19.Jhs. Der
beauftragte Landschaftsarchitekt war Achille Duchêne (1866-1947), Sohn des berühmten
Landschaftsarchitekten Henry Duchêne, der sich wie sein Vater ein großer Bewunderer André Le
Nôtres und der historischen Gärten à la Francaise war. Achille Duchêne war der Gärtner der High
Society des ausgehenden 19.Jhs. und der Belle Epoque. Er entwarf über 6.000 Gärten, davon einen in
Deutschland – den Park von Schloss Nordkirchen im Münsterland, mit dessen Anlage er 1903
beauftragt wurde.
In Rosanbo legte Duchêne, den man auch den „Prinz der Gärten“ nannte, 1910 einen leicht
terrassierten Park auf dem 4ha großen Gelände des ehemaligen Obstgartens an. Er entwirft eine
Perspektive auf drei Ebenen - einen grünen Rasenteppich, gesäumt von Eibenkegeln. Seitlich wird
dieser flankiert von quadratisch geschnittenen Buchen und boskettartigen grünen Räumen, die von
Buchen gerahmt sind. In ihrer Mitte stehen Skulpturen zum Thema Jagd - Diana, ein Hirsch, ein Jäger.
Das Gesamtensemble ist umgeben von einer Allee als Reitbahn und einem Laubengang aus Hainbuche.
Diese Laubengänge, „Charmille“, sind ein beliebtes Stilmittel, da Buche und Hainbuche im Winter
größtenteils ihre Blätter behalten und im Sommer zu Promenaden unter einem angenehmen Spiel aus
Licht und Schatten einladen. Sie sind das markanteste Motiv der Anlage, das wie ein langer grüner
127
Vorhang eingesetzt ist. 2,5km Laubengänge umfassen die großzügige, leicht ansteigende Rasenfläche,
die in ihrer Dimension der imposanten Schlossanlage entspricht.
Der Park von Rosanbo ist ein „maskuliner Park“, ohne Beete, Blüten und Broderien. Er ist ein Park für
Pferdesport und Jagd. In ihm feiert sich der Triumph des Menschen in seiner Kontrolle über die Natur.
3 Grüne Rasen, 9 Boskette, eingezäunt von 666m Reitwege erzeugen ein wissendes Gleichgewicht
zwischen Fülle und Leere.
Hinter einer Mauer liegt angrenzend an die Bibliothek der „Kleine Garten“. Er entstand um 1830 mit
dem Umbau des Südflügels. Der Architekt Lafargue legt hier in Anlehnung an den Garten von Blois auf
einer rechteckigen Grundfläche einen halbkreisförmigen Wasserspiegel an, umgeben von Broderien
aus Buchs und massiven geschnittenen Eibenformen. Im Wasser spiegelt sich die Fassade des
Schlosses. Die äußeren Ecken markieren zwei Pavillons, von denen einer der heutige Kassenbereich ist.
Alain Marquis de Rosanbo (geb. 1921), der heutige Eigentümer, lebt in Brüssel. Nach dem Tod des
Vaters kurz nach dem 2. Weltkrieg, hatte seine Mutter die gesamten Familienarchive für die
Nationalbibliothek digitalisieren lassen. Vor ihrem Eintritt in ein Kloster öffnete sie das Schloss dem
Publikum, um so seinen Fortbestand zu sichern. 2007 ist auf Wunsch des Marquis die Anlage in die
„Stiftung Alain de Rosanbo“ übergegangen.
Web. http://www.rosanbo.net
128
Hybrid Parks – INTERREG IVC Projekt
Hybrid Parks Conference in Rhodos, Griechenland 26. - 28. Juni 2014
Nikolaos Renesis, Landwirtschaftsexperte, Amt für Landwirtschaft, Region Süd Ägäis
„Die Regionale Baumschule der Süd Ägäis und der Botanische Garten von Rhodos: Nachhaltige
Entwicklung und ihre Umwelt-, Sozial- und Bildungsaspekte“
Präsentation und geführte Besichtigung
Nach Willkommenswünschen und Dankesgrüßen stellte Nikolaos Renesis das Projekt der Regionalen
Baumschule und des eingelagerten Botanischen Gartens von Rhodos vor. Die Baumschule liegt auf der
Nordost Seite der Insel, südlich von Rhodos Stadt, mit günstigem Mikroklima und feuchten Wintern.
Eigentümer und Träger ist die Region Süd Ägäis. Sie umfasst 196 ha (485 acres), von denen der noch in
Planung befindliche Botanische Garten 39 ha (96 acres) einnehmen soll. Eine Baumschule war von den
Italienern schon an gleicher Stelle während ihres Dominiums von Rhodos (1912-1947) eingerichtet
worden. Die Italiener wurden durch strukturelle Anlagen wie diese von den Einwohnern der Insel, wie
Renesis bemerkte, eher als Wohltäter denn als feindliche Besatzung angesehen. Anschließend wurde
die Baumschule bis 1992 vom Kulturministerium genutzt. Bis heute dient sie mit neuen Treibhäusern
als Baumschule für Forst- und Zierpflanzen.
Ihre Ziele sind:
- Unterstützung von Landwirtschaft und Bienenzucht
- Schutz gefährdeter Pflanzen
- Austausch von Wissen und Vermehrungsmaterial mit Parks und Gärten der Region
- Sammeln, Erhalt und Verbreitung lokaler Sorten
- Umwelterziehung
- Aufbau eines Botanischen Gartens
Schwerpunkt Wissenschaft:
- Labor für Erden
- Labor für Bienenzucht
- Angewandte Wissenschaften
Schwerpunkt Produktion:
- 200-250.000/Jahr medizinische Kräuter und Bienenfutterpflanzen (Pflanzen durch
Samengewinnung)
- 75.000 Zierpflanzen und Waldbäume, die kostenlos an Verbände, Organisationen, Schulen und
öffentliche Institutionen abgegeben werden. Pflanzen, angepasst an die Klimasituation von
Rhodos
- 50ha Rebsorten aus Frankreich (Merlot, Syrach, Chardonnay, Cabernet) zur Aufwertung der
griechischen Weine
- Zukünftig Produktion von Gartenpflanzensortimenten und Gemüsesorten
Schwerpunkt Fortbildung:
- Training für Landwirte
- Training für neue Imker (Produktion v. Nahrungsmitteln aus Honig, Herkunftsangaben zur
Aufwertung des Honigs)
- Kurse für Studenten und Oberschüler (2-6 Monate)
129
Schwerpunkt Umweltschutz:
- Produktion und Pflanzung von Steppenpflanzen (xeric vegetation)
- Aufforstung abgebrannter Gebiete (Oleander als leichter Unterwuchs, Ziegen fressen die
giftigen Blätter nicht; Zypressen brennen schlecht)
- Aufzuchtanlagen für Rebhühner und Fasanen
- Besuche durch Mittel- und Oberschulen. „Die Zukunft gehört den Kindern. 1-2 Generationen
sind verloren. Dies kann nur durch Bildung und Umweltbewusstsein aufgefangen werden.“
- Einsatz nicht-chemischer Pflanzenschutzmittel
- Kompostanlagen für den eigenen Verbrauch
Schwerpunkt Erholung:
- Aufbau des Botanischen Gartens des Dodekanes
- Nicht nur wissenschaftliche Information sondern auch Unterhaltung und Fortbildung
Zur Planung des Botanischen Gartens wurde von der Universität der Ägäis in Zusammenarbeit mit Prof.
Nicholas Margaris eine Studie erstellt. Diese enthielt zusätzlich zu den eingangs erwähnten Zielen der
Regionalen Baumschule die Zusammenarbeit mit Universitäten, die Einbindung des Botanischen
Gartens in Tourismusangebote, die Schaffung alternativer Tourismusformen, Umwelterziehung und
die Organisation von Erholungs-Events.
Hierzu sind im Gelände der Baumschule 5 Themengärten geplant:
 Garten der mediterranen Landwirtschaft und Citrus Garten (12ha) – „Garten der
Hesperiden“ mit Obstbäumen, die in Griechenland und Mittelmeerraum kultiviert werden:
Zitronen, Orangen, Grapefruit, Oliven, Pfirsich, Aprikosen
 Garten der Heilkräuter und aromatischen Pflanzen (3,5ha)
 Garten der mediterranen Flora (2,8ha)
Mit Bäumen, Sträuchern und Dickicht des Mittelmeerklimas und besonders der Ägäis
 Garten der Mythologie (2,8ha)
Mit Pflanzen aus der griechischen Mythologie und deren zugewiesener Bedeutung
 Garten der Wildblumen (1,6ha)
Mit Wildblumen der Ägäischen Flora, die sich durch ihre Blüten, Farben und Düfte
auszeichnen
Zusätzlich sind geplant: ein Garten mit tropischen Bäumen und Sträuchern, ein Rosengarten und ein
„Weg der Artenvielfalt“. Um den Besuch des Botanischen Gartens attraktiver zu machen, sind
Einrichtungen wie Fitnessanlagen, Aussichtspunkte, Erholungszentren sowie die Organisation von
Themenfesten und Kulturevents vorgesehen. Viel versprechen sich die Planer auch vom Anschluss an
das öffentliche Busnetz mit einer neuen Haltestelle am Botanischen Garten, die in Abständen von 1530 Minuten angefahren werden soll.
Aufgrund der Wirtschaftskrise in Griechenland und unzureichender Mittel sind die Planungen von 2009
in Verzug. Doch Nikolaos Renesis ist zuversichtlich, dass das ehrgeizige Projekt fortgeführt werden
kann. Dabei soll auch die Teilnahme an internationalen Projekten helfen, wie die Partnerschaft im
INTERREG IVC Hybrid Parks, die Teilnahme im Internationalen Netzwerk Botanischer Gärten (B.G.C.I.)
und im Griechischen Netzwerk Botanischer Gärten. Auf dem ISG-Meeting in der Bretagne konnte schon
berichtet werden, dass ein Seminar über das Marketing von aromatischen Pflanzen stattgefunden hat.
In der Baumschule wird nach schwedischem Vorbild mit Schulen zusammengearbeitet. Und im Mai
wurde die Restaurierung zweier Glashäuser für Orchideen aus der Zeit der italienischen Besatzung
freigegeben.
Dr. Nikos Theodoridis, Forstwirt, Amt für Forst- u. Landwirtschaft, Dezentrale Verwaltung Ägäis
130
„Rhodos: Wildwachsende und endemische Flora. Nutzungsmöglichkeiten - Parks.“
Dr. Theodoridis entführte mit seiner Präsentation in die Wälder und Berglandschaften von Rhodos, wo
dank der Lage und Klimabedingungen der Insel ihre ursprüngliche und endemische Vegetation von
außergewöhnlicher Vielfalt ist. Wie lässt sich diese Vielfalt für Parks, Gärten, Medizin und Ernährung
nutzen?
Rhodos ist die größte der Inseln des Dodekanes (übersetzt „12 Inseln“) in der südöstlichen Ägäis. (Ägäis
insgesamt 2.500 Inseln.) Die Isolation und gleichzeitige Nähe zu drei Kontinenten förderte die
Entwicklung von einer großen Zahl endemischer Spezies, die sich aufgrund des Meeres nicht weiter
ausbreiten konnten. Grundlegend hierfür waren:
- Die Zeit der Entstehung der Inseln
- Ihr Alter
- Die Entfernung zwischen den einzelnen Inseln
- Die Entfernung vom Festland
- Die topografischen und geomorphologischen Bedingungen
Während die Artenvielfalt der westlichen Inseln des Dodekanes eher der Pflanzenwelt des südlichen,
griechischen Festlands, den Kykladen und Kreta ähnelt, gleicht sie im westlichen Teil eher der von
Marmaris und Kleinasien. Unterschiedliche Pflanzengesellschaften lassen sich entsprechend Böden
und Mikroklima in Tälern, Berghängen und Ebenen finden.
Die Phytogeographie der Wildflora teilt Griechenland in 13 Gebiete ein. Dabei hat sich auf den Inseln
des Dodekanes eine eigene Flora mit 1.400 Taxa entwickelt, was nach der Entstehung der Inseln
begann. 1.220 hiervon sind Wildpflanzen, von denen fast alle (1.156) auf Rhodos zu finden sind. Die
Habitat Typen gliedern sich in Küsten-Ökosysteme (Strände, Kliffs, Salzhabitate), Dickicht (Gebüsch,
Macchia), Grasland (trocken, nass, zeitweise Seen), Wälder (Koniferen, immergrüne u.
laubabwerfende Wälder), Berg- und Geröllvegetation.
Viele der endemischen Pflanzen von Rhodos tragen den Zusatz „rhodensis“, „rhodiacum“ oder
„rhodia“, wie zum Beispiel Anthemis rhodensis, Campanula rhodensis, Frittilaria rhodia und die wilde
Rhodos Pfingstrose - Paeonia rhodia. Die endemische blaue Eselsdistel (Onopordum rhodense) ist
geschützt und wurde in die Rote Liste des IUCN aufgenommen. Auffallend sind auch die zahlreichen
seltenen Orchideen (Ophrys), Allium und wilden Cyclamen (C.repandum).
Nutzungspotenziale:
Für Dr. Theodoridis ist die Teilnahme von Rhodos am Hybrid Parks Project von großer Bedeutung, um
die Wahrnehmung des botanischen Reichtums der Insel national und international zu stärken. Gerade
das Inland spielt eine Rolle im Rahmenprogramm der nachhaltigen Entwicklung für die Milderung des
Klimawandels. Rhodos soll als touristisches Ziel nicht nur über seine Strände wahrgenommen werden,
sondern auch seine anderen Qualitäten müssen erkannt und entwickelt werden.
Hierzu soll ein „Mediterraner Park“ von über 200ha (500acres) am Damm des Sees Gadoura
entstehen, in dem sich die Vielfalt der griechischen Flora präsentiert. Der See kann zur Bewässerung
spezieller Pflanzungen dienen. Für Griechenland typische Bäume und Pflanzen sollen in eigenen
Bereichen beschildert werden. Eine entsprechende Infrastruktur mit Park- und Picknickflächen sowie
Einrichtungen für Wanderungen, Sport, Radfahren und Imbiss und Shops mit lokalen Produkten sind
in Planung. Wild und wilde Ziegen bewegen sich in abgezäunten Bereichen.
Thematische Exkursionen zu botanischen Highlights wie Blüte, Duft und Farben könnten die
touristische Saison weit in Frühjahr und Herbst ausweiten.
In-situ Beobachtungen seltener Pflanzen in geschützten Gebieten sind besonders für Hobbybotaniker,
Fotografen oder Maler von Interesse. Zurzeit laufen sorgfältige Studien zur Ansiedlung und Erhalt der
seltenen Arten.
Pflanzenhandel und Produktion: viele Pflanzen und Samen der Flora von Rhodos und den Inseln des
Dodekanes werden legal oder illegal von europäischen und amerikanischen Firmen gehandelt. Die
meisten wurden in den letzten Jahren ohne Erlaubnis exportiert. Viele davon waren Grundlage für
131
neue Sorten und Kreuzungen. Sie sind besonders geeignet für die kommerzielle Kultivierung auf armen
Böden als Zierpflanzen (z.B. wilde Tulpen), Bienenweide, Medizin oder Nahrungsmittel.
Hierfür gilt es ein Lizenzsystem aufzubauen, so dass die Insel von ihren botanischen Schätzen auch
profitieren kann.
Dr. Katerina Tsakmakidou, Agrarwissenschaftlerin, Planungsamt Verwaltung Rhodos
„Wie Städte Parks und Grünflächen zum Klimaschutz einsetzen können“
Klimawechsel und seine Auswirkungen
Das Jahr 2013 war das 7. wärmste Jahr seit 1880. Seit den 50er Jahren steigt die Temperatur. Dies
beeinflusst die natürliche Umwelt, die wirtschaftliche Entwicklung und das Leben der Menschen mit
Gefahren für Gesundheit und Sicherheit. Tropische Krankheiten, die wir längst vergessen glaubten,
treten wieder auf. Extreme Wetterlagen verursachen Trockenheit, Überschwemmungen und den
Anstieg des Meeresspiegels. Die starken Winterregen und Überflutungen durch reißende Flüsse auf
Rhodos im Jahr 2013 kosteten 4 Menschen das Leben. Die Wetterextreme sind eine Gefahr für die
Artenvielfalt und erschweren Land- und Forstwirtschaft wie auch den Tourismus.
Anpassung und Milderung: Wie Parks helfen
Klimawechsel bedeutet für den Menschen die Notwendigkeit zu Anpassung und Milderung. Anpassung
heißt Vorbereitung auf unausweichliche Veränderungen und Milderung den Versuch, weitere
Klimawechsel zu verhindern. Für beide Bereiche steht neben klugem Wachstum, Wasser- und
Energieersparnis auch die grüne Infrastruktur im Mittelpunkt.
Parks und Grünflächen in Rhodos
Die Region Rhodos (1.400km²) hat 117.000 Einwohner, in der Verwaltung arbeiten 1.200 Angestellte.
2 Mio. Touristen besuchen die Insel jährlich. Das Amt für Planung und Organisation stellt in 5Jahresplänen Ziele, Standards und Strategien fest. Rhodos hat zahlreiche internationale Kontakte und
ist Mitglied in Klimaschutz-Initiativen: UN-HABITAT (seit 2010), Convenant of Mayors (2012), Smart
Cities (2014).
Die vorgestellten Parks von Rhodos Stadt: Rodini Park, der Grüngürtel in den mittelalterlichen
Festungsgräben, Lord Byron’s Strassen Gym (2013 im Festungsgraben eröffnet). Sie dienen zum
Temperatur- und Wasser-Management wie als Artenschutzhabitate (Anpassung). Sie tragen zur
Milderung des Klimawandels bei durch ihren Kühlungseffekt, Absorption der Luftverschmutzung und
Verbesserung der Luftqualität in der Stadt. Der Grüngürtel ist Teil der Identität der Stadt und schützt
den einzigartigen Charakter der mittelalterlichen Altstadt.
Durch Innovationen und
Erziehungsprogramme sollen die Parks zu einem neuen Umweltbewusstsein und Verhaltensänderung
der Bewohner beitragen.
Zum Thema der Artenvielfalt Habitate waren zwei Schutzzonen für den Gizani Fisch ein besonderes
Anliegen in der Präsentation von Dr. Tsakmakidou. Gizani ist ein kleiner, endemischer Süßwasserfisch
der Insel, der im Rotbuch der gefährdeten Arten Europas gelistet ist. Er gilt als Überlebenskünstler, der
mit den extremen Lebensbedingungen in den Flüssen auf Rhodos, ihrem Überfluten und dem
Austrocknen zurechtkommt. 1999 wurden im Rahmen eines LIFE-Natur Projekts in Agia Eleoussa und
Fassouli, Psinthos Schutzzonen eingerichtet, um den Lebensraum des kleinen Insektenfressers zu
sichern. (www.life-gizani.gr)
Eine weitere Neuerung auf Rhodos sind Verkehrssicherheitsparks für Kinder jeden Alters, die in
Grünanlagen (A. Papandreou Park und Agios Soulas Park) Miniatur-Straßen-Situationen aufbauen.
Hier lernen Kinder verkehrssicheres Verhalten in unterschiedlichen Rollen als Fußgänger,
Fahrradfahrer und Skater.
Zukünftige Herausforderungen
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Auf Rhodos sollen auch in Grünflächen Energiesparmaßnahmen durchgeführt werden. So ist in der
historischen Altstadt und Rhodos Stadt ein Re-Design der öffentlichen Freiräume geplant.
Aktionen für 2014: Baumpflanzungen (es fehlen beschattete Flächen und Plätze), Innovative
Lichtsysteme (LED) im öffentlichen Raum, Innovative Hitze absorbierende Bodenbeläge, neue
Schattensysteme.
Die Herausforderungen sieht Dr. Tsakmakidou klar in der Landnahme durch die Stadt und ökonomisch,
touristischen Aktivitäten, Überflutungsschutz, Waldverlust durch Brände, im Wasser-,
Temperaturmanagement und Erhalt der einzigartigen Artenvielfalt der Insel Rhodos.
Mr. Fotios Chatzidiakos, Vizegoverneur der Region Süd Ägäis und zukünftiger Bürgermeister der
Stadt Rhodos
Mr. Chatzidiakos begrüßte die Mitglieder etwas verspätet. Als Vizegoverneur ist man viel beschäftigt.
Der zukünftige Bürgermeister von Rhodos ist dem Hybrid Parks Projekt von Anfang an verbunden. Drei
Wahlen in kurzer Zeit und ständig wechselnde Repräsentanten machen übergreifende internationale
Projekte sehr kompliziert. Rhodos hat ein großes Potential an Grünflächen, Flora und Fauna mit einer
langen Tradition. Doch von den ursprünglichen 1,2Mio m² gab es vor 15 Jahren nur noch 800.000 m².
Große Brände, Vernachlässigung und Beschädigungen haben die Naturflächen reduziert. Nun gilt es
das, was noch da ist zu schützen und zu pflegen. Umso mehr, da für Rhodos seine lange Geschichte im
Tourismus mit der natürlichen Schönheit der Insel eng verbunden ist. Mit seinen besten Wünschen für
das Projekt verband Mr. Chatzidiakos die Hoffnung auf weitere Zusammenarbeiten in der Zukunft.
Mr. Lefteris Karagiannis, Elektro-Ing., Manager „Valley of Butterflies“, Regionalverwaltung Rhodos
„Der Fall ‚Valley of Butterflies‘: Schutz eines einzigartigen Biotops“
Lefteris Karagiannis ist Elektroingenieur und seit 1994 für den Feuerschutz im Tal der Schmetterlinge
verantwortlich. Er kennt nicht nur den Naturschutzpark bis ins kleinste Detail, sondern hat auch dessen
Veränderungen über drei Jahrzehnte mitverfolgt. Sein ursprünglicher Name war „Tal der Pelikane“.
1925 wurde das steile, schwer zugängliche Tal von den Italienern für landwirtschaftliche Zwecke
eingerichtet. Sie bauten Brücken und sammelten dort Wasser, das mit Rohren zu einer Getreidemühle
geführt wurde.
Der Tourismus begann im Tal erst in den 50er Jahren, das dann als „Tal der Schmetterlinge“ zu einer
Hauptattraktion wurde. Es liegt im Nordwesten von Rhodos, am Nordhang der Psinthos-Berge und ist
Schauplatz eines der eindrucksvollsten Naturerlebnisse der Insel. Von Ende Juni bis Anfang September
kommen hunderttausende Schmetterlinge hierhin, um sich zu paaren und Eier abzulegen. Es ist
Panaxia quadripunctaria die „Spanische Flagge“, manchmal auch „gepunkteter Harkelin“ oder
„Russischer Bär“ genannt und gehört zur Familie der „Bärenspinner“. Diese Schmetterlinge, mit einer
Länge von 25 mm und einer Flügelweite von 55 bis 60 mm, haben zwei verschiedenfarbige Flügelpaare,
schwarze Oberflügel mit gelben Streifen, mit denen sie auf Ästen kaum auszumachen sind und rote
Unterflügel mit schwarzen Punkten, die jedoch nur im Flug sichtbar sind.
Die meisten Schmetterlinge findet man bis zum 22. Juli, wenn es dort auch an heißen Sommertagen
feucht und kühl ist. Um den 20. September verlassen sie das Tal. Wohin sie fliegen ist unklar, denn sie
leben nicht auf der Insel. Unklar ist auch, wie die Jungfalter zur Insel finden. Als natürlicher Feind der
Schmetterlinge hat sich eine endemische Krabbe entwickelt, die mit einer Art Mimikry-Tattoo auf
ihrem Rücken die Schmetterlinge anlockt.
Der Grund, weshalb sich die Tiere hier einmal im Jahr zusammenfinden, ist der orientalische
Amberbaum (Liquidambar orientalis), der in diesem Tal auf Rhodos sein einziges natürliches Habitat
hat. Sein Harz sondert einen Vanille ähnlichen Duft ab, der die Schmetterlinge von der Türkei
hierherzieht. Seine ahorngleichen Blätter geben Schatten wie auch Regenschutz.
133
134
In den 80er Jahren bemerkte man einen dramatischen Rückgang der Schmetterlingspopulation. Dieser
hatte mehrere Ursachen:
-
Der Ausbau des Tales als Touristenziel
-
Lärmbelästigung durch zu viele Menschen und die Unsitte, die Tiere durch Klatschen und Rufen
aufzuscheuchen. Da diese aber nur Wasser trinken und im Tal nichts fressen, fehlte ihnen die
Kraft, nachts für die Paarung aufzufliegen und im September das Tal wieder zu verlassen.
-
Klimawandel
-
Rückgang der Feuchtigkeit
-
Feuergefahr
1994 wurden zum Schutz und Entwicklung Envireg und Interreg Projekte umgesetzt:
- Verlängerung der Schutzzone im Tal
-
Anbindung mit einem neuen Ein/Ausgang mit einem Kloster auf der Höhe, das in
geschichtlichem Kontext zum Tal steht
-
Einzäunung des Geländes gegen wild grasende Ziegen, die hier zum Wasser kommen, die
Schmetterlinge aufschrecken und viel zerstören. Sie fressen die jungen Amberbäume, sodass
keine Naturverjüngung des Bestandes möglich ist.
Bau neuer Brücken über den Flusslauf
Feuerschutz-Projekte. Zu viele Schmetterlinge waren bei Waldbränden ums Leben gekommen.
Das neue Brandschutzsystem ist das größte auf EU-Level, für das das Tal eine besondere
Auszeichnung erhielt.
Wasser-Recycling und Luftbefeuchtung. Über ein Umwälzsystem wird ein Teil des
abfließenden Wasser wieder hinauf bis zum Kloster befördert, um die allgemeine Feuchtigkeit
im Tal zu erhöhen und zu gewährleisten.
-
-
Bei seiner Präsentation ist Lefteris Karagiannis sein Engagement für das Tal der Schmetterlinge
anzumerken, in dem er jetzt viele Jahrzehnte arbeitet. Besonders die Aufräumarbeiten nach der
letzten Überschwemmung, die Bäume und Brücken mitgerissen hat, waren bei dem derzeitigen
Personalmangel eine große Anstrengung. Er wünscht sich von allen beteiligten Ämtern mehr
Unterstützung, damit dieses einmalige Biotop erhalten werden kann. „Denn das Tal der
Schmetterlinge gehört nicht nur Rhodos oder Griechenland, sondern der ganzen Menschheit“.
Das Tal der Schmetterlinge – Petaloudes
Der Besuch des Tals der Schmetterlinge führt in eine zauberhafte Landschaft im Nordwesten der
Rhodos Berge. Der oberste von drei Eingängen zum Tal liegt in der Nähe des bewirtschafteten
Klosters der Jungfrau von Kalopetra. Von hier oben lohnt sich der Ausblick über die Westküste der
Insel. Vor dem Eintritt in das Tal gibt Lefteris Karagiannis weitere Erläuterungen zum Management
des Parks und den letztlich durchgeführten Arbeiten. Für den Unterhalt der gesamten ca. fünf
Kilometer langen Schlucht stehen ihm 4 Angestellte zur Verfügung. Besonders für die
Aufräumarbeiten nach den letzten Überflutungen war das entschieden zu wenig. Es gibt kein
Personal für den Kiosk, kein Personal für das Kassenhäuschen. So ist man seit der Finanzkrise nicht
in der Lage, das mögliche Potenzial von 1.500 Besuchern am Tag zu bedienen. Es bleibt
unverständlich, warum die verantwortlichen Ämter, nicht mehr Stellen bewilligen, für eine
Landschaft, die sogar langfristig Geld generieren könnte, um Pflege und zukünftige Entwicklungen
zu finanzieren. Das sichtliche Engagement und die Verzweiflung von Lefteris Karagiannis, der sein
ganzes Leben mit dem des Tales verbunden sieht, machen betroffen. Und die Fragen, wie das
Valley of Butterflies erhalten werden könnte, begleiten den Abstieg durch das üppige, grüne Tal.
Es geht über kleine Wege, Stege, zahlreiche Brücken und kleine Wasserfälle, die dem Tal seinen
eigenen Charakter verleihen. Hier ist es trotz der großen Hitze außerhalb angenehm kühl. Man
hört das Rauschen des Wassers und es weht eine angenehme Brise. Die prägende Vegetation ist
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der ahornblättrige Amberbaum, der einen süßlichen Duft verströmt. Die Schmetterlinge muss man
suchen, denn sie sind nicht immer gleich zu erkennen. Ihre schwarz-gelben Flügel sind eine gute
Tarnung. Häufig sitzen sie in Schwärmen auf Felsen oder Baumstämmen. Selten sieht man die rote
Farbe auf der Flügelunterseite, wenn ein Tier auffliegt. Bis zu 1.000 Schmetterlinge sollen zeitweise
auf einem Kubikmeter unterwegs sein. Wer Glück hat, entdeckt eine flinke Eidechse oder kann im
kristallklaren Wasser des Baches Krabben beobachten.
Der Spaziergang ist nicht nur wegen der Schmetterlinge ein Erlebnis. Es sind die malerische
Schlucht, der Bach und vor allem auch die knorrigen alten Amberbäume. Hier ist das einzige
natürliche Habitat des Liquidambar orientalis in ganz Europa mit Bäumen jeder Altersstufe. Warum
sollte das Tal nur zur Zeit der Schmetterlinge als Sehenswürdigkeit beworben werden? Die unter
Naturschutz stehende Schlucht ist zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert. Besonders im Herbst
muss sie spektakulär sein, wenn die Bäume sich leuchtend orange und scharlachrot verfärben. So
könnte ein Ausflug ins Tal der Schmetterlinge auch außerhalb der Sommermonate eine
Sehenswürdigkeit für Naturliebhaber sein und sollte als solche beworben werden.
www.rhodos.info
Dr. Nikolaos Krigas, Biologe, Fachbereich Biologie, Aristotle University Thessaloniki
„Nachhaltige Nutzung von Wildpflanzen: Die Strategie des Balkan Botanischen Gartens in
Kroussia, Griechenland“
Die Pflanzenvielfalt und Einzigartigkeit in Griechenland:
Die Pflanzenvielfalt ist in unserer Welt nicht gleichmäßig verteilt. In Griechenland wachsen über
50% der Europäischen Gesamtvielfalt. Sie ist aufgeteilt in 13 Regionen mit je 1.600 bis 3.100
Pflanzentaxa (Spezies und Subspezies). Auf Rhodos wiederum wachsen 55% der Flora des
gesamten Ägäischen Inselreichs. Griechenland besitzt damit im Verhältnis zu seiner Fläche die
reichste Flora Europas mit hohem endemischem Vorkommen. Die Menge der ausschließlich
einheimischen Pflanzen nimmt dabei von Norden nach Süden zu. Darunter sind auch höchst
gefährdete Arten wie auf dem Berg Athos (Silene orphanides, Helichrysum sibthorpii), die auf der
IUCN und EU Roten Liste stehen.
Was heißt es nun, Wildpflanzen auf eine nachhaltige Art auszubeuten? Es bedeutet, dass die
Pflanzen den heutigen Ansprüchen ebenso entsprechen, wie der Notwendigkeit in der Zukunft für
spätere Generationen weiterhin verfügbar zu sein. Wie kann das gehen?
Der gewöhnliche, nicht nachhaltige Weg der Pflanzenausbeute: In den westlichen Ländern übt
eine erhöhte Nachfrage nach Naturprodukten Druck auf die Ökosysteme der Entwicklungsländer
aus, von denen der Großteil des Rohmaterials kommt. Medizinische Pflanzen werden in der
Wildnis von der lokalen Bevölkerung gesammelt, die deren Standorte kennt. Sie verkaufen die
Pflanzen zu solchen Spottpreise, so dass sich die wirtschaftliche Lage in der Region nicht
verbessert. Die Pflanzen wiederum sind durch Aussterben bedroht.
Der globale, nachhaltige Weg der Pflanzennutzung hat drei Schwerpunkte:
1. Übersicht des bestehenden Wissens, Auswahl von Zielgebieten und Zielarten, Dokumentation
2. Expeditionen (Sammelerlaubnis), Lokalisierung, Erwerb und Weitergabe des
Pflanzenmaterials, Dokumentation
3. Entwicklung von Infrastruktur und Know-how, Protokolle von Kultivierung, Vermehrung und
Artenschutz
Der Balkan Botanische Garten Kroussia in Griechenland BBGK verfolgt diese Ziele des Erhalts und
Managements der medizinisch-aromatischen und anderer nutzbaren Wildpflanzen. Er arbeitet
136
hierzu in diversen Forschungsprogrammen mit griechischen Botanischen Gärten, Universitäten,
Instituten und privaten Unternehmen zusammen.
Der Botanische Garten wurde 2001 in einem natürlichen Eichenwald auf 31ha zum in-situ und exsitu Artenschutz eingerichtet und stellt nur einheimische Pflanzen aus Griechenland und dem
Balkan aus. Kroussia liegt 70km von Thessaloniki auf einer Höhe von 600m. Ein mediterraner
Duftgarten zeigt Kräuter und Stauden des Balkans. Im Hauptgarten gibt es ein Arboretum /
Fruticetum, (sub-)alpine Spezies, geschützte und wasserliebende Pflanzen. Ein in-situ
Schutzbereich beherbergt Habitate für mehr als 10 Orchideenarten. Entlang des Weges der
Artenvielfalt (path of biodiversity) sind endemische Pflanzen vor Ort mit Info-Schildern
gekennzeichnet. Der BBGK zählt das ganze Jahr hindurch 15.000 bis 20.000 Besucher.
www.rhodianforest.org
Präsentationen der Projekt-Partner
Mr. Udo Woltering, Regionalverband Westfalen-Lippe, Deutschland
„Europäischer Berufswettbewerb für junge Gärtnerinnen und Gärtner“
Udo Woltering rückte in seiner Präsentation die Gruppe der Junggärtner in den Mittelpunkt, ohne
deren Umsetzung in ihrer zukünftigen praktischen Arbeit alle Gartenmodelle und
Grünflächenplanungen nicht möglich sind. Im Unterschied zu den meisten anderen europäischen
Ländern gilt in Deutschland für die Ausbildung junger Handwerker wie auch der Gärtner das äußerst
erfolgreiche duale System, das Praxis und Unterricht miteinander verbindet.
Als Herausforderung und Anreiz wurde 2002 der Europäische Berufswettbewerb für Junggärtner
ausgeschrieben. Über 100 Gärtner aus 15-17 Ländern nehmen daran alle zwei Jahre teil. Zwei Teams
aus jedem Land mit jeweils drei Teilnehmern bis 25 Jahren sind zugelassen. Sie müssen sich in
unterschiedlichsten Disziplinen beweisen. Über zwei Tage waren 2012 in Estland insgesamt 18
Aufgaben zu lösen. Dabei fanden alle gärtnerischen Fachrichtungen Berücksichtigung. So wurden unter
anderem Obstgehölze veredelt, Kräuter bestimmt, Blumenbeete angelegt und bepflanzt, Gärten
vermessen oder spezifische Ansprüche verschiedener Pflanzen bestimmt. Im Vordergrund standen das
gärtnerische Wissen und Können sowie die Verständigung und gegenseitige Unterstützung. Aber auch
die Förderung des europäischen Gedankens hatten die Veranstalter deutlich im Focus.
Sechs Wettbewerbe haben seither stattgefunden in: Deutschland, Italien, Frankreich, Österreich,
Estland und Luxemburg. Ziel des Wettbewerbs ist die Förderung des internationalen Austauschs, der
Vergleich gärtnerischen Fachwissens, Verbesserung der Lehrsysteme und das Verstehen anderer
Länder in einer informellen Atmosphäre.
2014 findet der Wettbewerb in Oeschberg in der Schweiz statt.
http://www.junggaertner.de/Berufswettbewerb/Europaeischer-Berufswettbewerb
Mr. Gerhard Weber, Gärtnermeister u. Leiter des Amts für öffentliche Parks u. Gärten in Baden,
Gartenplattform Niederösterreich, Österreich
„Ökologischer Unterhalt von öffentlichen und touristischen Parks“
Gerhard Weber stellte zunächst die Stadt Baden in Niederösterreich vor, die den wenigsten der
Teilnehmer bekannt war. Sie liegt in der Region Wiener Wald (ca.200m üM), 26km südlich der
Hauptstadt. Zu über 25.000 Einwohnern kommen 4.300 Zweitwohnsitze. Die Wirtschaft gründet sich
auf 1.500 Unternehmen und 120 Weinbauern sowie den Tourismus mit über 400.000
Übernachtungen. Baden ist seit der Römerzeit bekannt für seine heilenden Schwefelquellen (14).
137
Kaiser Franz I. (1792-1835) machte Baden zu seiner Sommerresidenz und ließ sich hier zum Gärtner
ausbilden. Der Kurort versteht sich als Wiege der Kultur, in dem Mozart, Beethoven und Strauß
wichtige Werke komponierten.
Grünflächen der Stadt: 300 ha, davon ca. 200 ha Wald, 100 ha Parks.
Am wichtigsten ist der Badener Kurpark (56 ha). Ausgehend von der römischen Ursprungsquelle und
dem Theresienbad mit Garten (1758) wurde er 1792 nach den Plänen von Jean Baptiste Barbé zum
Stadtpark für alle angelegt. In den weiteren 200 Jahren folgten die Erweiterungen und Ausstattungen
des Parks den entsprechenden Moden der Zeit; kleine Tempel, Brunnen, Denkmäler, Musikpavillon,
Blumenuhr, Casino, Kongress Center. Heute stellt sich der Kurpark als grüne Oase und allgemeiner
Treffpunkt im Zentrum der Stadt dar.
Der Doblhoffpark (7ha), ein ehemaliger Renaissancegarten, später im 18.Jh. von C.H. von Doblhoff im
Französischen Stil umgestaltet, wurde 1969 als Rosengarten angelegt. 25.000 Rosen in mehr als 800
Sorten wachsen in diesem Rosarium. Die große Orangerie ist das einzige barocke Gebäude der Stadt.
1988 wurde der Park zum Naturdenkmal deklariert. In den letzten Jahren gab es zahlreiche
Veränderungen nach alten Plänen, mit dem Ziel die Rosen in ihrer Vielfalt besser zu präsentieren.
Es folgte eine nochmalige Zusammenfassung der Kriterien von „Natur im Garten“ (siehe Workshop
Niederösterreich), die inzwischen bei der Pflege des Rosengartens angewendet werden und Baden so
zu einem Pionier im nachhaltigen Unterhalt öffentlicher Grünflächen machen sollen. Es beginnt mit
der Auswahl resistenter Sorten und genauer Bodenanalyse. In Zusammenarbeit mit der Universität
Wien wurde eine Studie zur „Ökologischen Parkpflege“ erarbeitet (2008-2011). Mit Hilfe ökologischer
Produkte wie Bodenorganismen, Nützlingen, Substanzen zur Aufbau und gegen Pilzinfektionen werden
Boden und Pflanzen gestärkt. Eine Schautafel informiert die Besucher über die ökologische Behandlung
der Pflanzen, deren Produkt-Cocktail oft wie chemische Mittel aussehen.
Seit 2012 werden keine Pestizide, Fungizide oder Herbizide mehr in den Parks eingesetzt. Zur
Vorbeugung gegen Pilzbefall wird möglichst extensiv frühmorgens am Boden gewässert und nicht auf
die Blätter; gefallene Blätter im Herbst werden aufgelesen. Baden ist Mitglied im internationalen
Netzwerk für Rosentests mit jährlichem Erfahrungsaustausch, in dem Parameter für gesunde Rosen
aufgestellt werden. Grundvoraussetzung für gutes Gelingen ist es aber, den Gärtner als Fachmann
wieder in die Gärten zu bringen, der ein Auge für die aufmerksame Kontrolle der Pflanzen hat und
beim leisesten Verdacht einer Krankheit sofort reagiert. Dafür ist geschultes Personal mit großer
Erfahrung nötig. Gerhard Weber, selber ein leidenschaftlicher Gärtner, hielt ein nachdenklich
stimmendes Plädoyer für das große Wissen langjähriger Mitarbeiter und ihre „cloud of knowledge“,
die nirgends aufgeschrieben steht und die nur über die Jahre weitergegeben wird.
Weitere Methoden des ökologischen Unterhalts:
Unkrautbekämpfung wird per Hand, Heißluft, Flämmen oder diverser mechanischer Mittel gemacht.
Nur wenn nötig werden biologische Produkte aufgebracht. Das Wassermanagement des Parks wurde
anlässlich der Pflanzung von 100 neuen Walnussbäumen neu organisiert und die Jungbäume über drei
Jahre mit einem Sprinklersystem versehen. Wegebeläge werden als wassergebundene Wegedecken
mit unterschiedlicher Körnung ohne Stabilisator aufgebaut. Diese durchlässigen, dauerhaften Beläge
sind weniger kostspielig, erfordern nur Routine Unterhalt und sind mit ihrem kühlenden Mikroklima
weniger ermüdend beim Gehen.
Auch in der Bepflanzung im öffentlichen Raum werden neue Wege gesucht. Statt der
energieaufwändigen Produktion von kostspieligen Einjahrsblumen werden Beete mit vielfältigen
Staudenpflanzungen angelegt. Diese sind mehrjährig, resistenter, blühen länger, bilden
unterschiedlichste Habitats und brauchen kein Wässern noch aufwendige Pflege.
138
Publikationen über Rosen, Staudenpflanzungen und ökologischen Pflanzenschutz begleiten die
Aktivitäten. Abschließend lud Gerhard Weber zum jährlichen Rosenfest im Juni in die Parks der Stadt
Baden ein.
www.baden.at
Mr. Joachim Brocks - Natur im Garten, Österreich
„European Garden Association – Natur im Garten International“
Joachim Brocks stellte die „European Garden Association“ als die Internationalisierung des
niederösterreichischen Vereins „Natur im Garten“ vor. Der gemeinnützige Verein wurde 2012 mit Sitz
in St. Pölten gegründet und begann seine Aktivitäten mit einer Generalversammlung in München.
Mitglieder kommen aus Österreich, Deutschland, Italien, Polen, Schweden und der Schweiz. Ziel ist es
die ökologisch basierte Gartenkultur in den Förder-Instrumenten der Europäischen Union zu
verankern.
Der Verein schafft ein europaweites Bewusstsein für die Bedeutung von naturnahen Lebensräumen
für die heimische Fauna und Flora. Die Ökologisierung von Gärten und Grünräumen soll
vorangetrieben, Biodiversität gefördert sowie Klimaschutz und Ökobilanz durch das naturnahe
Gärtnern verbessert werden. Ziele sind - im Gleichklang mit der Aktion „Natur im Garten“ - auch eine
Verringerung des Einsatzes von chemisch-synthetischen Düngern, von Pestiziden und Torf. Durch die
Tätigkeit des Vereines soll langfristig das Marktangebot, der Gartentourismus und allgemein die
Garten- und Grünraumgestaltung ökologisiert werden. Des Weiteren sollen alte Gartenanlagen
revitalisiert und Knowhow für den ökologischen Gartenbau geschaffen werden.
Die Europäische Gartengesellschaft hat unlängst einen Europäischen Preis für ökologisches Gärtnern
entwickelt, der im März 2015 erstmals ausgeschrieben werden wird. Im Oktober soll dann der erste
Preis von einer internationalen Expertenjury in Krems in Niederösterreich vergeben werden.
Geplante internationale Projekte:
- Basierend auf „Hybrid Parks“: „Nutzen von Grünflächen“
- Ziel: Identifizierung und Bewertung des Nutzens von Gärten und öffentlichen Grünflächen
- Ökologische, soziale, ökonomische und kulturelle Vorteile
- Vergleich zwischen konventionellem und nachhaltigem Anbau
Das Logo von „Natur im Garten“ ist europaweit als Marke geschützt, der Terminus nicht.
www.naturimgarten.at/european-garden-association
Mr. Ian Hesketh, Umwelt Manager, Cheshire West and Chester Council, United Kingdom
“Mehr als nur ein schönes Bild … hin zu einer ökonomischen Bewertung von Hybriden Parks“
Ian Hesketh stellt sich der Frage, wie die Eigenschaften und Werte von Grünflächen gemessen werden
können, damit sie als Zahlenwerk zur Grundlage bei wirtschaftlichen Diskussionen dienen können. Die
Gruppe des Hybrid Parks Projekts hat eine große eigene Überzeugung vom Wert der Vorteile von Parks
und Gärten. Doch wie kann dieser Wert anderen Planungs- und Investitionsbereichen vermittelt
werden? Meistens sprechen diese eine ‚andere‘ Sprache und verwenden ‚andere‘ Termini. Investoren
sind kritisch, für sie zählt ökonomische Entwicklung und Wachstum. Aufgabe ist es, Wege zu finden,
den wirtschaftlichen Wert von „Hybriden Parks“ zu erfassen.
Hierzu wurde in England seit 2008 in Zusammenarbeit zahlreicher Ämter, Fachleute und
Organisationen das „Green Infrastructure Valuation Toolkit“ entwickelt, ein auf Tabellen basierendes
Berechnungsmodell, das es erlaubt, den Hauptnutzen für Investitionen in grüne Infrastruktur und für
bestehende Grünstrukturen monetär zu erfassen.
139
Fallbeispiel Northwich Woodlands. Dieses ehemalige Brachland in Cheshire County (323ha) wurde mit
hohen Investitionen in über 20 Jahren zu einer frei zugänglichen Landschaft entwickelt, die zu 57% aus
Landwirtschaft und 30% aus natürlichen und entwickelten Grünflächen besteht. Von Beginn an
bestand ein großes Interesse daran, Parameter zu finden, um ihren Einfluss auf die Entwicklung der
umliegenden Wirtschaft und die Gesundheit und Wohlbefinden der Bevölkerung messen zu können.
(Siehe Präsentation von Charlie Seward, Report Workshop Cheshire).
Dazu müssen für die einzelnen Bestandteile der grünen Infrastruktur (Bäume, Wiesen, Wälder)
Funktionen erfasst werden (wie CO²-Bindung, Luftfilterung u. Verdunstung), deren positive
Auswirkungen (wie Verbesserung der Luftqualität, Milderung d. Folgen des Klimawandels o. Kühlung)
konkreten Zahlen für Einsparungen der Kosten für Gesundheit oder Aircondition sowie die Marktwerte
zugeordnet werden. Als „positive Auswirkungen“ oder „Nutzen“ wurden 11 Bereiche identifiziert:
Nahrungsmittel Erzeugung u. Management, Qualität des Ortes, Gesundheit u. Wohlbefinden, Land u.
Artenvielfalt, Produktivität, Land u. Eigentumswerte, Wirtschaftliches Wachstum u. Investitionen,
Tourismus, Produkte vom Land, Erholung u. Freizeit, Anpassung u. Milderung des Klimawandels.
Zusätzlich werden Informationen zu Größe, Besucherzahlen, Bevölkerung, Investitionen und
Einkünften berücksichtigt. Diese Projektdaten werden dann in einer Kosten-Nutzen-Analyse für alle 11
Bereiche in drei Sparten ermittelt: GVA General Value Added (Bruttowertschöpfung) / Grund- und
Eigentumswerte / andere ökonomische Werte. Die Summe ergibt den Totalen Ökonomischen Wert
des Nutzens durch Grüne Infrastruktur.
Für die Northwich Woodlands ergaben sich für die drei Sparten folgende Werte:
- Beitrag zur Bruttowertschöpfung (GVA) – der Beitrag zur Wirtschaft durch erhöhte Einnahmen,
reduzierte Kosten, Gehälter etc.: 14Mio.€
- Einfluss auf Grund- und Eigentumswerte – Grüne Infrastruktur hat nachweislich einen Einfluss
auf diese Werte,; geschätzt hier: 11Mio.€
- Anderer wirtschaftlicher Nutzen – Beitrag in weiterem Kontext wie verbesserte Gesundheit
oder der Wert, den die Gesellschaft Artenvielfalt-Gebieten zumisst, für die es keinen ‚Markt‘
gibt: 36Mio.€
- Jährliche Kosten ca. 250.000€ bei einer Anfangsinvestition von 12,5Mio.€
Wichtig:
Das Valuation Toolkit ist eine laufende Arbeit (work in progress), aber dank Hybrid Parks hat
es enorme Fortschritte gemacht!
- Der Bewertungsprozess ist keine exakte Wissenschaft und die erzielten Zahlen sind nur
Annäherungswerte.
Der tatsächliche Nutzen liegt in dem Potenzial, Politiker, Entscheidungsträger und Investoren von
der Bedeutung und dem Wert grüner Infrastrukturen zu überzeugen. Zukünftig geht es darum, das
Toolkit zu verbessern. Es sollten Möglichkeiten gesucht werden, das Toolkit mit Hybrid Parks
Partnern in anderen Gebieten anzuwenden, um Vergleichsmöglichkeiten zu haben. Es sollte dazu
genutzt werden, Stifter und Investoren zu gewinnen.
Ian Heskeths Schlussbemerkung war Aufruf und Herausforderung zugleich:
„use it - prove it - or loose it“.
www.bit.ly/givalutiontoolkit Das Bewertungsschema ist frei im Internet herunterzuladen!
http://www.greeninfrastructurenw.co.uk/html/index.php?page=projects&GreenInfrastructureValuat
ionToolkit=true
www.northwichwoodlands.org.uk
140
Ian Hesketh bekam in der anschließenden Diskussion viel Zustimmung für seine Präsentation.
Besonders Paolo Papa bestätigte die Wichtigkeit eines monetären Messinstruments. Umbrien arbeitet
an einem ähnlichen System, da es einen der wichtigsten Aspekte für Politiker umsetzt.
Auf den Vorschlag eines schwedischen Politikers an Gerhard Weber, die „Seele des Parks“ an
entsprechenden Stellen mit einer Hinweistafel auch den Unwissenden zu vermitteln, entbrannte eine
lebhafte Debatte um das persönlich emotionale Erleben eines Parks. Dass es eine Art romantisches
Erfassen des Naturcharakters im Besucher selbst sein könnte, das man nicht aufschreiben kann, reichte
dem Politiker nicht. Auch nicht die Bemerkung von Christian Grüssen, dass auch ein Mensch die Seele
eines Parks verkörpern könnte, wie Lotta Johansson in Linköping. Ein anderer Einwurf: „Menschen
ändern sich, wenn sie ihr Umfeld schätzen.“ Sam Youd verdichtete den strittigen Begriff der „Seele des
Parks“ auf den „genius loci“, den es zu erfassen gilt. Das müsse man verstehen. „Und all das zu
beschreiben ist nicht möglich“, so Gerhard Weber. Und schon in dieser kurzen Auseinandersetzung
wird allen klar, wie wichtig es ist, für die Durchsetzung garten- und umweltorientierter Themen eine
Sprache zu finden, die auch bei gegensätzlichem Erfassen von Werten eine Verständigung ermöglicht.
Besichtigungen:
Mittelalterlicher Festungsgraben und Verteidigungsanlagen,
geführter Rundgang mit einem Archäologen
Der Rundgang beginnt in einem kleinen Park am Rimini Platz, der unterhalb des Großmeisterpalastes
angelehnt an die gewaltigen Mauern in seiner heutigen Gestaltung auf die Zeit der italienischen
Herrschaft in den 20er Jahren zurückgeht. Zur Zeit der Kreuzritter wurden hier Tiere und Jagdhunde
gehalten. Der kleine Stadtpark ist ein wenig ungepflegt, dient aber immer im Sommer wie auch jetzt
als Kulisse für die nächtlich spielenden Sound-and- Light Präsentationen und Theaterstücke des
Aristophanes. Eine Neugestaltung des öffentlichen Gartens in so prominenter Lage ist vorgesehen.
Der Archäologe führt am Fuß des Peters Turms in den Festungsgraben. Das überwältigende
Verteidigungswerk wurde auf den Grundrissen der byzantinischen Festung von den Kreuzrittern
aufgebaut und besteht auch von den nachfolgenden Ottomanen unberührt seither unverändert. 1309
wird Rhodos dem Befehl des Johanniter-Ritterordens unterstellt und erlebt bis 1522 als Brücke
zwischen Orient und Okzident seine einmalige Blüte. Um Rhodos vor türkischen Angriffen zu schützen
wurden gewaltige Mauern errichtet, die die Stadt mit ihren wichtigen Bauten umschloss. Die
Ottomanen ließen die Anlagen weitestgehend unberührt und bauten Moscheen, Hamams und
Residenzen. Zu ihrer Zeit durften nur Türken und Juden innerhalb der Mauern leben. Erst 1912 wurden
die Tore auch für die griechische Bevölkerung geöffnet.
Die gesamte Altstadt ist eine der am besten erhaltenen mittelalterlichen Städte und wurde 1988 als
Gesamtmonument zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt. Heute leben hier in geschäftigem Treiben
über 10.000 Menschen. 15 Türme und Bastionen mit 11 Toren ordnen einzelne Abschnitte der Festung
den 8 „Zungen“, den ethnischen Gruppen des Ritterordens zu: Frankreich, Deutschland, Auvergne,
Spanien, England, Provence, Italien und Kastilien. Die gesamte Festungsmauer ist 4,5 km lang, von
denen 1,5 km der Seeseite zugewandt sind. Im Festungsgraben befanden sich früher der jüdische und
islamische Friedhof, die von den Italienern umgebettet wurden. Ein mit Betonkugeln markierter
Fußweg führt zwischen den meterhohen Mauern durch den gesamten, breiten Grüngürtel. Man
bewegt sich über Rasenflächen, vereinzelt eine Palme oder eine Gruppe mit knorrigen wilden
Pistazienbäumen. Andere Bereiche sind dichter bepflanzt. Über die Außenmauer sieht man die grüne
Vegetation der angrenzenden Stadtteile, hängen Bougeanvilleen und Kapernpflanzen.
Restaurationsarbeiten an den Mauern der Bastion des Großmeisterpalastes werden zu 75% von einem
Fond der Europäischen Union unterstützt. Im westlichen Graben befindet sich das Melina Merkuri
Theater und zum Ausgang am Hafen hin der erst kürzlich eröffnete Lord Byron’s Strassen Gym.
141
Der Aufgang zu den Festungsmauern liegt seitlich des Großmeisterpalastes. Der Gang auf der
Maueranlage erlaubt über mehr als 4 km einen Blick auf die Dächer der Altstadt, Straßen, Plätze und
Innenhöfe bis im Norden dann zu den drei Häfen. Auch aus dieser Perspektive ist das
Verteidigungsbauwerk gewaltig. Der Weg auf der Mauer ist über 10m breit und es stellen sich
zahlreiche Fragen zur Logistik der Arbeiten und des Gebrauchs der Anlagen mit Tausenden von
Menschen. Von hier oben sieht man erstaunlich viel Grün in den privaten Innenhöfen, Palmen und die
überwältigenden Ficus Bäume, die auf den großen Plätzen Schatten spenden. Auffallend ist der Garten
der Montalembert Stiftung mit seinen hohen Zypressen. Von oben kann man genau den
Gesamtgrundriss überblicken, der mittelalterliche und maurische Elemente verbindet.
Der Garten der Foundation „Marc de Montalembert“, Rhodos Altstadt
Versteckt im Gassengewirr der Altstadt liegt eingezwängt zwischen der byzantinischen Kapelle des Hl.
Markus, dem Kloster des Hl. Georg und den Mauern der Festung der Garten der Foundation „Marc de
Montalembert“, die hier ihren griechischen Sitz hat. Die Stiftung wurde in Erinnerung an Marc (19721993) eingerichtet, der bei einem Segelunfall ums Leben kam. Sie fördert den interkulturellen
Austausch der jungen Generationen aus den Mittelmeerländern, vergibt den jährlichen Marc de
Montalembert Preis für kunsthistorische Studien im Mittelmeerraum und organisiert Seminare und
Studienaufenthalte in Rhodos.
Durch einen kleinen Eingang neben der alten Kirche gelangt man in dieses unerwartete grüne Kleinod.
Hier verbinden sich Elemente mittelalterlicher und ottomanischer Gartengeschichte in einer
modernen Interpretation. Das Ehepaar Marc Renée und Manuela Montalembert empfing die Gruppe
und gab einen kurzen Einblick in die Entstehungsgeschichte des Anwesens, das sie 1995 der Stadt
Rhodos stifteten. Ihr Sohn hatte „eine Vision der Welt“, wie sie sagten, die „von Toleranz und
interkulturellem Austausch geprägt war.“ Das ruinöse Gebäude wurde zu einem inspirierenden
Sommerhaus restauriert. 1999 war auch die Gestaltung des Gartens abgeschlossen. Die besondere
Lage entlang der Festungsmauern lässt drei Lesarten zu: er kann oben von den Mauern aus gesehen
werden, er kann außen von der Markus- und Georgkirche gesehen und er kann von denen, die Zugang
haben durchschritten werden. Alte Myrten neben den Kapellen erinnern an die lange Geschichte
dieses Ortes. Zwischen unterschiedlichen Citrusbäumen und graublättrigen Oliven hängen die Zweige
des Granatapfels tief herab. Als Symbol für Wiedergeburt und Reichtum wurde seine Blüte schon im
4.Jh. auf Münzen dargestellt. Erst mit der Zeit der Italiener wurde aus der Granatapfelblüte die Hibiskus
Blüte als heutiges Symbol der Insel.
Frühe Quellen schreiben die Geschichte des Gartens vom Byzantinismus im 13. Jh., dann über die Zeit
der Kreuzritter fort bis zu den Ottomanen. Von all ihren Stilen trägt dieser kontemplative Raum seine
Elemente. Auf die Ottomanen geht die Bedeutung des Wassers zurück, das rechtwinklige Layout, die
Verwendung aromatischer und medizinischer Pflanzen und die Abfolge umschlossener und
symbolischer Räume. Das Wasser fließt von einer alten Quelle durch einen ottomanischen Brunnen in
ein quadratisches Becken im Zentrum und von dort in moderner Gestaltung durch eine schmale Rinne,
die fast den ganzen Garten durchläuft. Im Wasser spiegeln sich mittelalterliche Bögen, Pflanzen und
historische Relikte. Die entstehenden Quadrate und Rechtecke vervielfältigen das Thema des Vierecks,
das durch Rahmenpflanzen zusätzlich betont wird. Das zentrale Wasserbecken ist umgeben von
Santolina, weißen Zistrosen, Achilea, Salbei und weißem Lavendel. Weiß ist die dominante Farbe des
Gartens, die nur durch das Rot des Granatapfels und einige verstreute wilde Mohnblüten akzentuiert
wird; und zwischen den weißen Rosen (88 Sorten) immer wieder die scharf gezackten Blätter des
Akanthus. Wie zwei große Kandelaber stehen die ältesten Bäume des Gartens – zwei 400 Jahre alte
Zypressen - neben dem Brunnen.
142
In diesem Garten verdichtet sich die Geschichte der Insel, er ist Klostergarten, byzantinischer und
ottomanischer Garten gleichzeitig. So sind der Garten wie auch die Pflanzen in ihrer
geschichtsträchtigen Bedeutung kraftvolle Symbole für das heutige Anliegen des Ehepaars
Montalembert: kulturelle Vielfalt, Frieden (weiße Blumen) und das Wachsen durch den Austausch von
Ideen, Prinzipien und Unterschieden. Das Ehepaar Montalembert sieht gerade in jungen Menschen die
Fähigkeit, Grenzen zu überbrücken und das Bewusstsein für kulturelle Gemeinsamkeiten zu
entdecken. „Isolation und Unwissenheit zu überwinden ist die größte Herausforderung.“
www.fondationmdm.com/en/le-jardin-de-rhodes
Rodini Park - geführter Rundgang
Südlich vom Stadtzentrum (3km) an der Straße von Rhodos nach Lindos, liegt in einem grünen Tal der
Rodini Park. Vor einigen Jahren noch war er ein entlegener Vorort. Heute ist er in die Stadt integriert.
Der Rodini Park soll der älteste Landschaftspark der Welt sein, in dem sich schon 3.000 v.Chr. die Schule
der Rhetoriker traf. Wenn man diesen idyllischen Garten betritt, fühlt man sich wirklich an einem
urtümlichen Ort. Schon am Eingang steht eine greise Platane, deren schwere Äste von Säulen gestützt
werden und deren Stamm von 4 Männern umfangen werden kann. Durch das Tal fließt ein Bach, über
den mehrere kleine Holzbrücken führen. Das Wasser sammelt sich in kleinen Teichen und Becken mit
Wasserpflanzen, in denen man Fische und Wasservögel beobachten kann. Selbst im Hochsommer ist
es hier schattig und kühl. Auf den unterschiedlichen Wanderwegen zwischen Pinien, Platanen und
Zypressen begleitet einen das Geräusch des fließenden Wassers in künstlichen Kanälen und
Wasserfällen. Beeindruckend ist der alte Baumbestand, der mit den Lichtspiegelungen im Wasser eine
besonders romantische Atmosphäre entstehen lässt.
Ein altes Aquädukt geht auf die Kreuzritter zurück, die die Qualität des Wassers schätzten und es bis
zur Festung führten.
In der Antike lag der Park nicht innerhalb der Stadtmauern und wurde zur Nekropole. Oberhalb, auf
einem Plateau gelegen, befindet sich im Südwesten die Totenstadt, aus dem 4. und 3. Jh. v. Chr. mit in
Felsen gehauenen Gräbern. Archäologisch besonders wertvoll ist das Grab des Ptolemäus (Seitenlänge
27,8 m). Einst muss dies ein sehr prächtiger Bau gewesen sein, wie die auf einer Seite noch gut
erhaltene fast 5 m hohe geglättete Fassade mit ihren aus dem Fels gehauenen Halbsäulen zeigt. Im
Inneren des Grabes, befinden sich 2 Räume, in dessen Wände in weit späteren Zeiten Nischen
geschlagen wurden, die für Urnenbestattungen genutzt wurden. Die Innenbesichtigung der Gräber ist
leider nicht möglich.
Bis vor wenigen Jahren war Rodini Park ein vielbesuchter Stadtpark, in dem man mit der ganzen Familie
viel Zeit verbrachte, Picknick machte und wo die Kinder im Schatten spielen konnten. Große offene
Felder laden zu Fußball und anderen Sportarten ein. Eine besondere Attraktion ist der Kleintierzoo mit
Hirschen, den rhodischen Wappentieren, wilden Ziegen und Enten. Blaue Pfauen laufen frei herum.
Mit der Finanzkrise ist es im Park etwas ruhiger geworden. Zurzeit fehlen Gelder für Unterhalt und
Pflege. Dringend notwendig sind Baumpflegemaßnahmen, um die wertvollen alten Bäume zu sichern
und erhalten. Als grüne Lunge der Stadt leistet der Park ohne Zweifel wertvolle Dienste zur
Klimaverbesserung. Mit dem gesamten historischen Hintergrund könnte er auch viel stärker als Ziel für
Touristen beworben werden, die nicht den ganzen Tag am Strand liegen wollen. Das romantische
Setting bietet sich an für Hochzeiten, Konzerte und Events. Das Potenzial des Parks ist enorm. Es könnte
im Sinne der Hybrid Parks Idee noch viel weiter ausgeschöpft werden.
Eine Inschrift aus der Besatzungszeit der Italiener über dem alten Brunnen von Rodini lautet „Aqua fina
aqua Rodina, Chi ti beve tornar deve“ – „Reines Wasser, Wasser von Rodini, wer davon trinkt, muss
hierher zurückkommen“.
143
Das Bienenmuseum, ‘Melissokomiki Dodecanesou’ (Beekeeping Company of the Dodecanese)
Pastida, Rhodos
In Pastida steht das erste und einzige Bienenmuseum Griechenlands, das von mehr als 10.000
Besuchern jährlich besucht wird. Es wird geführt von der Melissokomiki Gesellschaft, die mit über 70
Imkern von allen 12 Inseln des Dodekanes zusammenarbeitet. Bevor man das neue moderne Museum
betritt, kann man im Bienengarten die wichtigsten Pflanzen der Insel für die Bienenweide sehen. Hier
wachsen Zitrus, Albizzien, Myrthen und Jasmin, alle Arten von Wildblumen, Aroma- und
Gewürzpflanzen.
Der Gründer des Museums ist N. Melissourgos, dessen Familie seit Generationen als Imker gearbeitet
hat. Er führt durch das kleine Museum, das über Bienenzucht, die Naturgeschichte der Bienen,
Honiggewinnung und die Kulturgeschichte des Honigs informiert. Schon die Ägypter kannten die
therapeutische Wirkung von Honig, Kleopatra nutzte Körpersalben aus Honig. Und in der Bibel liest
man vom Land, in dem Milch und Honig fließen. Zeus wurde mit dem Honig der Bienennymphe genährt
und Aristoteles glaubte, dass Honig lebensverlängernd sei. Die Geschichten sind Legende. Die
Sammlung zeigt wie Imkerei eine Kunst wurde.
Seit Jahrhunderten wird auf Rhodos Honig gewonnen. Die Insel mit ihrer außergewöhnlichen Flora und
großen Artenvielfalt bietet eine reiche Bienenweide. Hier sind vier Honigernten im Jahr möglich. So ist
die Produktion von Honig eng verbunden mit dem Schutz der Wildwiesen und Habitate, der Reduktion
von Pestiziden wie auch mit der Entwicklung neuer regionaler Produkte.
N. Melissourgos gründete die private Gesellschaft Melissokomiki mit dem Hauptziel der Produktion,
Sammeln und Standardisierung von Honig und Honigprodukten. Sie ist die größte des Dodekanes. Die
Firma produziert Qualitätshonig, der im eigenen Labor kontrolliert und nach internationalen HACCP
und ISO Systemen bewertet wird. Weitere Produkte sind Gelée Royale, Pollen, Wachs, Propolis und
‚Melekounia‘ – die traditionellen Süßigkeiten von Rhodos. Immer mehr Kosmetika werden auf der
Basis von Naturhonig entwickelt, Bodylotion, Seife, Shampoo etc. Die Produkte werden nach ganz
Europa, inzwischen auch über Internethandel exportiert.
Das Bienenzentrum bildet Imker aus, unterstützt die Imker der Region, versorgt sie mit Ausrüstungen
und versendet Königinnen. Herr Melissourgos, der überzeugt ist von seiner Mission, gibt selber Kurse
im Ausland. Es gibt wohl kaum ein Naturprodukt, das mit dem Zustand, dem Schutz und der Pflege
unserer natürlichen Umwelt verbunden ist wie der Honig. Der Honig von Rhodos ist wegen seiner
hohen Qualität ein wirtschaftlicher Faktor und trägt zur internationalen Wahrnehmung der Insel als
Naturstandort mit einer eigenen Produktpalette bei.
www.mel.gr
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Study Tour in Linköping, Schweden 21. – 23. Mai 2014
Das Programm der Study Tour in Linköping legte seinen Schwerpunkt auf die großen grünen Parks der
Stadt und auf ambitionierte Großprojekte für neue Grünflächen, die das Stadtbild prägen.
Linköping ist eine Stadt in der schwedischen Provinz Östergötlands Iän und der historischen Provinz
Östergötland. Die Universitäts- und Industriestadt ist die siebtgrößte Stadt Schwedens. Sie liegt in
einer fruchtbaren Gegend unweit des Sees Roxen und 200km südlich von Stockholm. Die Stadt
erstreckt sich entlang des Flusses Stångån (Kinda-Kanal), der ihr ihren besonderen Charakter verleiht.
Das eigentliche Stadtzentrum zieht sich vom Fluss über eine Anhöhe bis zum gewaltigen
mittelalterlichen Dom und dem Schloss.
1850 hatte Linköping ca. 5.000 Einwohner. Um 1900 hatte sich mit dem Bau der Eisenbahn die Zahl
schon verdreifacht. 1907 begann die Produktion von Lokomotiven und um 1920 die Produktion von
Flugzeugen und Technik für Raumfahrt und Verteidigung mit der späteren SAAB. Noch heute ist SAAB
eng mit der Universität (1975) und Forschung der Stadt verbunden. In nur 50 Jahren hat sich Linköping
auf High Tech Industrien spezialisiert und sich einen internationalen Namen gemacht. Heute leben
hier über 150.000 Menschen.
www.linkoping.se
Gamla Linköping – Alt Linköping Freilichtmuseum
Johan Högquist, Kurator: Führung durch die Quartiere des Freilichtmuseums
Zwei Kilometer westlich vom Stadtzentrum Linköping liegt das Freilichtmuseum Gamla Linköping der
„alten Stadt.“ Von einem großen Parkplatz führt der Weg durch einen alten Wald, dessen Ursprünge
auf die ersten Siedlungen zurückgehen. Ein Graben markiert Relikte der ältesten Handelsstraße, der
Nord-Süd-Verbindung in der Region. Steingräber aus der Eisenzeit zeugen von den frühen Bewohnern,
die hier nicht nur Brennholz fanden, sondern auch Waldweiden für ihr Vieh. Diese langvergessenen
Waldflächen mit kleinen Wasserstellen, Grasbewuchs und Viehwegen wurden teilweise wieder
hergestellt und sind jetzt mit alten Kuhrassen beweidet. In entfernter gelegenen Holzställen befindet
sich heute die „Valla“ – ein Versammlungszentrum mit vier kleinen, landwirtschaftlichen Museen.
Gamla Linköping ist das Beispiel einer schwedischen Kleinstadt vom Anfang des 20.Jhs. Über 100
Gebäude aus Linköping wurden vor über sechzig Jahren von ihrem ursprünglichen Ort im Zentrum
hierhin versetzt. In den Fünfziger Jahren wollten die Bewohner einer aufstrebenden Technologiestadt
nicht mehr in ‚heruntergekommenen, altmodischen Häusern‘ leben.
Mitte des 20.Jhs. wurden neue Gebäude und ein neues Zentrum gefordert. Drei Männer aber hatten
das Ziel, die neue Alte Stadt zu gründen. Angeregt waren sie von ‚Skansen‘ in Stockholm, dem ersten
Freilichtmuseum der Welt, einer schwedischen ‚Erfindung‘ also. Und es gelang, die alten Häuser (96
Dächer) auch gegen den Widerstand kritischer Stimmen zu retten. Mit Unterstützung der regionalen
Museumsdirektion wurden Häuser, Geschäfte, Höfe und öffentliche Gebäude an gleicher Stelle um
einen Platz herum wieder aufgebaut, der in seiner unregelmäßigen Form das originale Stadtzentrum
abbildet. Selbst die Neigung ist die gleiche. Hier stehen nun die Bank, Polizeistation, das Posthaus, das
Café und der Kolonialwarenladen wie vor hundert Jahren. Einige Eigentümer mussten enteignet
werden. Aber für die Re-Lokalisierung fanden sich viele Sponsoren. Balken für Balken wurden die
Gebäude abgetragen. Im weiteren Dorfbereich befinden sich die Häuser von Arbeitern,
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Handwerksstätten und die Villen der wohlhabenden Bürger. Die Straßen tragen das alte
Kopfsteinpflaster und es gibt die ursprünglichen Laternen.
In Gamla Linköping stehen jedoch nicht nur die Häuser, sondern diese sind wieder umgeben von ihrem
ursprünglichen, historischen Umfeld - den Höfen und besonders auch den Gärten. Für Johan Högqist
ist dies eine besondere kulturelle Leistung, bisher einzig in Europa, dass es hier wie im späten
ausgehenden 19.Jh. um die Häuser herum auch die entsprechenden Gärten gibt. Gärten aller Schichten
erzählen ebenso viel über Leben und Leistungen vergangener Generationen wie die Häuser und ihre
Einrichtungen. In den 60er Jahren legte man keinen Wert auf diese alten Gärten und es war fast
unmöglich sie später zu rekonstruieren, da es keine Pflanzen mehr gab. Erst vor 20 Jahren begann man,
die ‚neuen‘ Gärten wieder ‚alt‘ zu gestalten und die modernen Sorten durch alte zu ersetzen. Heute
gibt es eine eigens gegründete Gesellschaft zum Erhalt der alten Pflanzen mit einem Programm für alte
Arten, Aufzucht und Vermehrung von Rosen, Blumen und Gemüse.
Umgeben sind die Gärten meist von roten Zäunen. Es ist das Falunrot aus den Kupferminen von Falun
- das Schwedenrot, das so typisch für die traditionellen Holzhäuser in Schweden und damit auch für
die meisten Museumshäuser ist.
Beispielhaft für einen großbürgerlichen Garten um 1900 ist der Garten der Familie Huitfelt. Er hat
formale Blumenbeete und Rasenstücke, die von den Fenstern aus zu sehen sind. Sie sind umgeben von
einem Weg mit weißem Kies, der sorgfältig in Wellenform gerecht wird. Am Rand der Wege liegen
große Muscheln, die damals sehr teuer waren. Im hinteren Gartenraum steht ein Gartenhaus im
Schweizer Stil, zu dem man über leicht beschattete Wege gelangt, damit die vornehme Blässe keine
Sonne sieht. Für die Blumen waren intensive Farben beliebt, Rosen, Fuchsien, Hortensien und
strategisch platzierte Geranien, die ihren Duft verströmten, wenn sie von langen Röcken gestreift
wurden. Überbordend blüht die Rose „Flammentanz“ am Zaun, eine Kordes Rose von 1955, die noch
ein Relikt der ‚modernen‘ Sortenwahl der frühen Jahre ist.
Der „Garten der drei Schwestern“ verbindet das Vergnügen mit der Notwendigkeit den Garten als
Nahrungsquelle zu bestellen. Hier wachsen neben einer zentralen Laube aus Flieder zahlreiche Gemüse
und alte Obstsorten. Für Blumen ist hier weniger Raum und statt Muscheln zieren weiße Steine die
Wege. Nicht weit, dicht bei der Apotheke, liegt der Kräutergarten aus dem 18.Jh.. Hunderte Kräuter
und medizinische Pflanzen wachsen in langen ziegelgesäumten Beeten, ein Brunnen plätschert und
eine Bank steht im Schutz einer Laube. Über dem Eingang zum Garten ist auf einer Tafel zu lesen: „IN
HORTUS SALUS“. Die Hinterhöfe der großen Häuser im Zentrum hatten meistens zusätzliche Ställe für die
Pferde der Bauern aus dem Umland, die zum Markt kamen. Auch wenn der Reiter dann nachts
betrunken war, fanden die Pferde stets den Weg nach Hause.
Gamla Linköping ist kein konventionelles Freilichtmuseum, dessen Tore abends geschlossen werden.
Was Gamla Linköping so besonders macht, ist dass es ‚offen‘ ist, für jedermann jederzeit frei
zugänglich. Und der Eintritt ist frei. 2013 kamen 400.000 Besucher. Geführt wird es von einer
stadteigenen Gesellschaft. Für den Unterhalt sorgen 15 Festangestellte und im Sommer ca. 100
Saisonkräfte und Freiwillige. Es gibt keine definierte Grenze in die Vergangenheit. „Gegenwart und
Zukunft gehen ineinander über“, wie Peter Lewis in seinem englischen Führer schreibt. Einige Gebäude
sind geöffnet und authentisch eingerichtet. Dreißig Häuser und Apartments aber sind bewohnt. Für
Vorhänge, Fensterschmuck und Licht gibt es strenge Auflagen. Die Erfahrung zeigt, dass die alten
Häuser thermo-mäßig besser angelegt sind als moderne Bauten. So ist das Museum nie geschlossen
und abends brennt Licht in den Fenstern. Nur die Gärten dürfen von den Mietern nicht selbst bestellt
werden, um die Sortenechtheit zu kontrollieren. „Es scheint absurd, dass das, was diesen Platz
besonders macht, gerade die bewohnten Häuser sind, die nicht offen für Besucher sind“, bemerkt
Lewis. Viele Freilichtmuseen werben mit ‚lebendiger Geschichte“, in Gamla Linköping ist jeder Tag
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‚gelebte Geschichte‘. Die vermieteten Wohnungen und Häuser sind sehr beliebt. Die Liste der
Anwärter ist lang, es kann Jahre dauern, bis man einziehen kann.
www.gamlalinkoping.info
Fluss Stångån und Kinda Kanal
Hakan Lundberg, Stadt-Ökologe
Auf einem typischen kleinen Passagierboot auf dem Kinda Kanal hielt Hakan Lundberg während der
Fahrt eine kurze Einführung zu dem Kanal und seinen begleitenden Landschaften. Der Kinda Kanal folgt
weitestgehend dem Verlauf des Flusses Stångån und verbindet mehrere Seen miteinander. Er endet
im See Roxan im Norden von Linköping, von dem dann der Anschluss zum Gotha Kanal weiterführt. Er
ist 43 Seemeilen, ca. 80 km, lang und überwindet mit 15 Schleusen 52,5 Höhenmeter. Der Kinda Kanal
war im 19.Jh. zur Abhilfe der Armut im Inland gebaut worden, um Holz und landwirtschaftliche Güter
zu transportieren. 1871 wurde die Wasserstraße eingeweiht, die über lange Jahre viel zum Wohlstand
der aufstrebenden Stadt Linköping beitrug. Mit dem Bau der parallel verlaufenden Eisenbahn nahm
die Bedeutung des Kinda Kanals schlagartig ab. Seit 1940 gab es keinen Gütertransport mehr. In den
Sechziger Jahren schränkte der Bau von mehreren flachen Brücken mit einer lichten Höhe von 3,10m
den möglichen Schiffsverkehr noch weiter ein. Heute hat der Kinda Kanal nur noch touristische
Bedeutung.
Für Linköping ist er ein prägendes Element des Stadtbildes. Er liegt östlich des höher gelegenen,
eigentlichen Zentrums der Stadt. Seit der Gestaltung der Uferbereiche ist er eine wertvolle Freifläche
für die Bewohner geworden. Fußwege und Fahrradwege verlaufen parallel zum Kanal durch gestaltete
Grünflächen mit dem Angebot für Freizeitaktivitäten unterschiedlichster Art wie Kinderspiel, Sport,
Angeln und Wassersport. Die Flächen werden verwaltet und gestaltet von einer städtischen
Planungsgemeinschaft, die großen Wert auf naturnahe Gestaltung legt. Zurzeit laufen
Baumaßnahmen, die den Anschluss des Stadtzentrums zum Kanal als Lebensraum im Grünen
erleichtern sollen.
Im weiteren Verlauf zu den oberen Seen führt der Kinda Kanal durch Sumpfland, Feuchtwiesen und
alte Landschaften. Ein großer Teil dieser Gebiete ist Teil des Natura 2000 Projekts und ist Natur- oder
Vogelschutzgebiet. Diese bieten zahlreiche Naturerlebnisse, Erholung und Entspannung für Einwohner
und Touristen – sei es vom Boot, kleinen Passagierschiffen oder Kanus aus. Nicht weit von Linköping
befindet sich ein vierstufiges Schleusensystem, das mit 15,8m den größten Höhenunterschied in
Europa überwindet. Die Schleuse wird immer noch von Hand betrieben und ist ein historisches
Erlebnis.
Ann-Cathrine Hjerdt, City Mayor der Stadt Linköping
Der Empfang fand in einem der ältesten Häuser im Zentrum statt, das nicht nach Gamla Linköping
versetzt worden war und das mit finanzieller Unterstützung der EU restauriert wurde. Die
Bürgermeisterin begrüßte die Partner des Hybrid Parks Projekts, von dem sie sich Synergien für die
Anbindung von außengelegenen Stadtteilen durch attraktive Grünflächen ans Zentrum verspricht. Sie
gab einige generelle Hintergrundinformationen zur Entwicklung der Stadt. Zurzeit hat Linköping
150.000 Einwohner. Ziel ist es, bis 20140 auf 200.000 Einwohner zu kommen. Dabei spielen
Grünflächen und Kulturangebote eine besondere Rolle um die Lebensqualität für die Zukunft zu
steigern. Mit Norköping bildet Linköping eine der größten Beschäftigungsregionen mit der
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Spezialisierung auf Flugzeugproduktion und High Tech Industrien (SAAB seit 1937). Linköping ist eine
der grünsten Städte Schwedens mit großem weiteren Entwicklungspotenzial wie die aktuellen Projekte
in Skäggetorp und Vallastaden zeigen. Die Stadt blickt auf eine lange Geschichte zurück. Die fast 1000
Jahre alte Domkirche ist Bischofssitz, die junge Universität (1975) bindet mit Schwerpunkt für neue
Technologien an die Neuzeit an. Viel Geschichte liegt jedoch auch in der Landwirtschaft und im
Gartenbau. Die flache Landschaft Östergötlands mit ihren Kanälen und Naturschutzgebieten zieht
zunehmend mehr Touristen in die Region.
Skäggetorp – Der Aktionsplan „Hope, Faith & Friendship“ für den Park eines Problemstadtteils
Cecilia Liljedahl: Präsentation des Projekts und anschließende Führung durch den Park
Skäggetorp ist ein Stadtteil im Nordwesten von Linköping, der als Teil des Million Programms in den
60er und 70er Jahren neu gebaut wurde. Um ein großes Versorgungszentrum entstand eine Vielzahl
2-3 geschossiger Wohn- und Appartementhäuser. 2013 hatte Skäggetorp 9.500 Einwohner, 52%
davon Immigranten mit 32 unterschiedlichen Sprachen und einer großen Fluktuation. Mit niedrigem
Einkommen, hoher Arbeitslosigkeit und einer hohen Kriminalitätsrate gehört Skäggetorp zu den
größten Problemdistrikten der Stadt.
Wie ein Satellit ist der Stadtteil durch 59ha Parkfläche von Linköping getrennt. Die meist grasigen
Grünflächen sind kaum definiert und gestaltet. Da die Anbindung an das Zentrum nicht gegeben ist,
wird
der
Stadtteil
als
isolierte
Wohnenklave
wahrgenommen.
Wie gehen die Einwohner mit diesem Gebiet um? Wie miteinander? Die Vision ist, die große
Grünfläche zum attraktiven grünen Lebensraum für Anwohner und die Region zu entwickeln, in dem
Menschen sich gerne aufhalten und bleiben möchten.
2009 entwickelte die Stadt ein strategisches Konzept sowie einen Aktionsplan, um der
Marginalisierung und Ausgrenzung entgegenzuwirken und den Stadtteil zu einem identitätsstiftenden,
sicheren, auch für Besucher attraktiven Wohngebiet umzugestalten. Teil dieses Plans ist die Gestaltung
eines neuen Stadtteilparks. Als erster Schritt entstand 2010 im Gelände ein neuer Sportpark
Ulf Nordfjell, der renommierte schwedische Gartenarchitekt, entwarf den langfristigen
Entwicklungsplan. Leitthema des Projekts ist „Hope, Faith & Friendship“. Beispielgebend ist der gut
funktionierende Trädgårdsföreningen Park der Garden Society von 1860 im Zentrum der Stadt, dessen
ursprüngliche Zielsetzung in Skäggetorp nun ihre zeitgemäße Umsetzung finden sollen: ein grüner
Raum für Natur, Erziehung, Erholung, Gesundheit, Sport und als Treffpunkt und Arena für Feste und
Events für alle. Eine fundamentale Bedingung für die Neugestaltung ist die Einbeziehung und
Zusammenarbeit mit den Bewohnern. Um die Sozialstruktur der Bewohner zu verändern wurden in
den letzten Jahren zahlreiche Studenten angesiedelt, die das Angebot gerne annahmen. Grundlegend
für die Gestaltung von Nordfjell waren die neuesten soziologischen Erkenntnisse und erfolgreiche
Erfahrungen mit Urban Farming (Gothenburg, Malmö, Helsingborg) wie auch der Gartentherapie, für
die Schweden in Europa führend ist. Der Skäggetorp-Park soll ein Landschaftsgarten für die Zukunft,
ein nachhaltiger Produktionsgarten für die ganze Stadt Linköping werden, der Interesse weckt und zum
Dialog zwischen Bewohnern und Besuchern jeden Alters einlädt.
Der anschließende Rundgang begann mit der Besichtigung der ersten Pflanzungen in Hochbeeten, die
von geschulten Sozialarbeitern betreut werden. Hier wachsen Kräuter und Gemüse für jeden
zugänglich. Im letzten Jahr wurde nichts zerstört. Um mehr Menschen in den Park zu bringen wurden
dichte Strauchpartien ausgelichtet und der Park im Ganzen transparenter und damit auch sicherer
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gemacht. Cecilia Liljedahl betont, wie wichtig es ist, die Bewohner in die Arbeiten mit einzubeziehen.
Man muss mit den Menschen sprechen und ihnen die Vorgänge erklären, damit sie am Ende stolz
darauf sind, Teil von „Hope, Faith & Friendship“ zu sein. Die Umwandlung steht in ihrem zweiten Jahr
erst am Anfang. Bindungen können auch durch öffentliche Zeremonien hergestellt werden. So wurde
zum Unfalltod eines Jungen in anteilnehmender Gemeinsamkeit ein Kirschbaum gepflanzt.
Als symbolischen Akt zur Manifestierung der „Hybrid Parks Idee“ pflanzten die Mitglieder der 10
europäischen Partnerländer jeweils einen typischen Apfelbaum ihres Landes.
Trädgårdsföreningen – Stadtpark von Linköping
Führung durch den Park
Trädgårdsföreningen ist ein gut funktionierender Stadtpark im Zentrum von Linköping. Er wurde 1859
von der Garden Society im englischen Stil gebaut mit der ursprünglichen Zielsetzung, ein grüner Raum
für Natur, Erziehung, Erholung, Gesundheit, Sport und als Treffpunkt und Arena für Feste und Events
für alle zu sein. Wenn man an einem warmen Frühlingstag das lebhafte Bild der Menschen im Park
sieht, kann man feststellen, dass er heute wie damals all diese Funktionen erfüllt und zum alltäglichen
Lebensraum der Bewohner gehört.
Die Bäume, Pflanzen und Gebäude erzählen die Geschichte des Parks und seiner Veränderungen in
mehr als 150 Jahren. Der erste Blickfang von der Stadt aus sind die zwei flankierenden Torhäuser im
Schweizer Stil von 1864 am Haupteingang zum Park. Im Jahr 2000 wurden sie renoviert und zeugen
vom Beginn des Parks, als man durch das schmiedeeiserne Tor den nach gründerzeitlichen Idealen
gestalteten Bereich mit Blumenbeeten und Kübelpflanzen betrat. Heute befindet sich hier der von Ulf
Nordfjell 2001 entworfene „Versunkene Garten“ mit einer aktuellen, malerischen Bepflanzung aus
Stauden und Ziergräsern. Hinter einem großen kreisförmigen Brunnen fasst die „Rotundan“, eine mit
Rosen berankte Pergola, ein großes Rasenrund. Von den Bänken im Schatten der Rosen wird der Blick
auf ein kleines Lusthaus in einer romantisch gestalteten Teichlandschaft gelenkt – „The Golden Love
Pavillon“. Angeregt von einem Liebespavillon von Johan III. gestaltete die amerikanische Designerin
Joanne Poluszny Hoffsten den Eingang mit vergoldeten Blättern und die Dachspitze mit einer goldenen
Henne. Das Innere der Kuppel umläuft ein Foto-Band von Liebesszenen aus alten Stummfilmen.
Inzwischen ist der Pavillon besonders beliebt für szenische Fotos bei Hochzeiten.
Doch was wäre dieser Park ohne seine wunderbaren alten Bäume aus dem 19.Jh.? Sie geben ihm das
räumliche Gerüst als beeindruckende Alleen oder imposante Solitäre, wie die zwei riesigen
Walnussbäume, die die größten ihrer Art in Schweden sind. 1880 wurde auf dem höchsten Hügel des
Parks (76m) das alles überragende Belvedere errichtet, das heute ein Sommerrestaurant beherbergt.
Von hier hat man einen weiten Blick über Linköping bis zum Roxan See. Im Krogfallsgården wurde
schon 1913 ein historisches Wohnhaus in Falunrot von 1740 mit Stallungen und alten Zäunen
aufgebaut, um in der Stadt die Verbindung zur traditionellen Kulturlandschaft herzustellen.
Im Laufe der mehr als Hundert Jahre folgen zahlreiche Gärten, die in Gestaltung, Materialien und
Pflanzenauswahl die Moden ihrer Zeit spiegeln. Sie wurden teilweise restauriert, der Käringbäcken
(Altweiberbach), wurde renaturiert und letzte neue Gärten entstanden zur 150-Jahr-Feier des Parks
2009: der „Garten des Dr. Aman“, ein Rosengarten mit zahlreichen Stauden, Pergola, Brunnen und
Spalieren sowie 4 Themengärten, die alle zwei Jahre von jungen Gartenarchitekten neu gestaltet
werden. Blickpunkt im Park ist das Tropenhaus (2004) mit einem 17m hohen Glastetraeder, das
ganzjährig gelungen tropische Pflanzensammlungen und Restauration verbindet.
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Dem ursprünglichen Bildungsauftrag für Natur und Umwelt kommen ein Naturzentrum (1993) mit
Schulungszentrum, der offene Küchengarten und der Lehrbienenstand nach. Zahlreiche Spiel- und
Sportflächen locken Besucher jeden Alters. Eine aktuelle Attraktion sind immer wieder neue weiße
Kartonwände, die Kinder unterschiedlichster Herkunft unter Anleitung mit Graffiti-Motiven
besprühen. Eine junge Muslima schreibt „stay strong“.
Eine Einführung in die Swedish Sports Association gibt einen Überblick über die mehr als 20.000
Sportclubs, die als non-profit Gesellschaft die größte Massenbewegung in Schweden sind. 15.000
Freiwillige betreuen die lokalen Gruppen und lehren u.a. auch Nordic Walking, Boules, Parkgolf (aus
China), Tennis, Canooing, Beach Volleyball und Tennis.
Trädgårdsföreningen ist Mitglied im Europäischen Gartennetz EGHN. Hier ist täglich zu erleben, was
Pohl/Grüßen in ihrer Abschlussbemerkung zum Park schreiben: „Der Stadtpark – mit seiner Symbiose
aus historischer und zeitgenössischer Gartenkunst – spielt im gesellschaftlichen Leben Linköpings eine
wichtige Rolle. Der Park ist ein zentraler Treffpunkt und das ganze Jahr über finden hier Konzerte,
Märkte und Feste statt. Der Park ist im Bewusstsein der Bewohner fest verankert und steht für die
Geschichte der Stadt und ihrer Bürger.“
http://www.linkoping.se
VRETA KLUSTER – Competence and development center for food- and agritech industries
Helene Oscarsson, M.Sc.Agronomy, Project Manager / Cluster Coordinator
Vreta Kluster ist ein Kompetenz- und Entwicklungszentrum für Ernährung und agrotechnische
Industrien. Diese neue Initiative startete im November 2011 mit dem Ziel der Förderung von
Innovation, Wachstum, Jobs und Entwicklung. Themenbereiche sind: Landwirtschaft, Waldbau,
Ernährung, Tierzucht, Erneuerbare Energien, Gartenbau und Aquakultur. Das Zentrum will ein aktiver
Katalysator sein für Networking, Kooperation und Projektentwicklung. Die Vision ist es, ein grünes
Kompetenzzentrum zu schaffen, das in engem Austausch mit den umliegenden Universitäten in
Ostgotland steht und das als Agro-Plattform in ganz Schweden wie auch international anerkannt wird.
In vier Gebäuden haben inzwischen 24 Firmen und Organisationen der grünen Industrie ihre Büros. Ein
veterinäres Zentrum ist der Plattform angegliedert. Für Seminare, Workshops und Ideen-Meetings
stehen Konferenzräume und Tagungsbüros zur Verfügung. Hier sollen Ideen zu konkreten Projekten
werden und die Forschung Kontakt zu grünen Technologiebetrieben bekommen. Als Beispiel erwähnt
Helene Oscarsson ein Seminar zu Einsatz unbemannter Flugkörper in Land- und Forstwirtschaft. Als
besonders effektiv für die Netzwerkarbeit hat sich dabei die „fika“, die schwedische Kaffeepause,
erwiesen.
Eigentümer der Vreta Kluster ist die AgroÖst, eine non-profit-Organisation. Sponsoren mit 3 Mio € sind
die Stadt Linköping und die Region Ostschweden. Für die Landwirte in Schweden, die 2% der
Bevölkerung ausmachen, gilt es, „den Flaschenhals zwischen Innovation und deren Anwendung in
Produktionsbetrieben zu beheben“, so Oscarsson, heute besonders im Hinblick auf Nachhaltigkeit und
erneuerbare Energien. Vreta Kluster versteht sich als „Treibhaus für grüne Ideen“ – mit nationalem
Fokus und internationaler Perspektive.
www.vretakluster.se
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Dr.Matthias Arvola - Ph.D. Associate Professor, Linköping University
“Mobile Technologie – Wahrnehmungsinstrument für grüne Räume“
Forschungsgebiet von Dr. Matthias Arvola ist eine neue PC-Technologie, die wir in unseren Taschen
tragen können. Es ist ein Gebiet von wachsendem Interesse, das Wahrnehmung, Design und ITEntwicklung verbindet. Wie kleine Zeitmaschinen sollen interaktive Apps die Wahrnehmung der
Realität durch sofort abrufbare, digitale Infos erhöhen und erweitern. Smartphone-Apps und Kameras
sollen in diesem speziellen Fall während unseres Aufenthalts in der Natur Geschichte und Geschichten
zu Bäumen, Pflanzen und Steinen geben.
Zurzeit laufen Studien zum Thema in Grundschulen und der Astrid Lindgren Stiftung. Soziale Studien
zeigen, dass Schüler außerhalb des Klassenraums besser lernen. Bei scheinbar traditionellen
Schatzsuchen in der Natur werden Kindern auf ausgewählte Pflanzen, Orte und Situationen die
Geschichte(n) des Ortes erzählt, oder die Schüler sollen während ihres Rundgangs selber gezielte
Informationen sammeln.
Dabei benutzen sie die iPad App Minnesmark, einen „augmented reality browser“ (OCH Editor).
Minnesmark wird im Einsatz bei Schülern als Mittel gesehen, diese aktiv draußen in den Lernprozess
einzuspannen und sie vorbereitete Informationen finden zu lassen, die in der Klasse später vertieft
werden. Die App erweitert die Realität um Infos durch Texte, Bilder und Töne direkt am Ort, wo der
jeweilige Schüler sich befindet.
Das System hat folgende Vorteile:
 Direkte Interaktion mit dem iPad und PC- Anschluss, auch nach Hause
 Führung zu den „Schätzen“ durch einen Pfeil auf dem iPad
 Über akustische Signale kann erkannt werden, ob man sich im richtigen Gebiet bewegt
 Informationen, Bilder, Töne werden abgerufen, wenn die Kamera des iPads auf markierte
Stellen fällt
 Marker basierte Informationen, so dass virtuelle Objekte in die Realität eingebracht werden
können
 Panoramen, die einblenden, wie der Ort in der Geschichte aussah
 „Schätze“ finden in Form von Media, die am Ende der Suche via email zum PC ins
Klassenzimmer oder nach Hause geschickt werden
Orts-basierte Navigation – place based navigation:
Mittel zum bewegungsbasierten Zoomen. So kann man z.B. in ein Nest im Baum hineinzoomen, wo
man selbst nicht hinkommen kann.
Zukunftskonzepte:
- Möglichkeit, Infos an einem Platz zu hinterlassen, die nur im Smartphone gesehen werden
- Zeitmaschine, sodass das Objekt seine eigene Geschichte erzählt.
Es geht darum, Dinge zu zeigen, die eigentlich unsichtbar sind (Struktur eines Steines, Saftfluss im
Baum)
Orts-bezogene Medien – place based media:
- den Ort seine Geschichte erzählen lassen
- den Ort nutzen, um die eigene Geschichte zu erzählen
- Teamarbeit fördern, Abenteuerlust reizen
- Fact or fiction?
Für Dr. Arvola ist es wichtig, die Bedienung möglichst leicht zu gestalten. Denn die Technologie ist nur
das Medium, Dinge aus der Realität allumfassend zu beleuchten. Dabei stellt sich natürlich die Frage,
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welche Zukunftsbilder entworfen werden sollen. Denn die Hauptarbeit dieses Konzepts ist es, die
eigentlichen Inhalte zu gestalten!
Download des Minnismark Editors über die Website der Linköping University.
www.liu.se
[email protected]
Spannend war die anschließende Diskussion, in der die Faszination für neue Technologien und deren
Möglichkeiten einerseits der Befürchtung gegenüberstand, durch die „zwischengeschalteten“ neuen
Medien die Aufmerksamkeit vom konkreten Erleben abzulenken und einfache Sinneserfahrungen zu
behindern. Kann man sich mit iPad ausgerüstet noch auf den Wald, den Ort, die Natur einlassen?
Einfach nur sehen, riechen, hören? Wird tatsächlich die Wahrnehmung durch die Technologie
erweitert? Tritt die Naturerfahrung als sinnlicher Prozess dabei in den Hintergrund? Oder wird das
Naturerlebnis über mehr konkrete Information am Ort selbst erst noch gesteigert?
Tommy Hultin - Ceo der LinköpingExpo AB 2016
„Vallastaden, LinköpingsBo2016“
Tommy Hultin ist Geschäftsführer der LinköpingExpo 2016 und als solcher verantwortlich für deren
Entwicklung in Verbindung mit einem einzigartigen Bebauungs- und Nachbarschaftsprojekt, das 2016
eingeweiht werden soll. Dabei geht es auch um die Koordination der unterschiedlichen Interessen der
Stadt, der Unternehmen und öffentlicher Anteilseigner, um sicherzustellen, dass dieser neue Stadtteil
von Linköping attraktiv für neue Wohn- und Lebensmodelle sein wird. Vallastaden wird die erste
Hausmesse und Bauausstellung der Stadt.
Das strategische Ziel ist es, den Stadtkern mit dem außerhalb gelegenen Universitätsgelände zu
verbinden. Dabei geht es darum, Linköping neu zu vermarkten und gleichzeitig die isolierte Universität
durch das Heranwachsen der Stadt zu stärken. Vallastaden sieht eine Mischung von jungen, neuen,
kleinen Bauherren und vier großen Investoren vor. Neu zu bauen ist immer teuer. Was ist für wenig
Geld möglich? Kleinere Häuser? Einfachere? In Workshops werden Ideen entwickelt, wie Wohnen und
Leben gestaltet werden können.
Tragende ‚Urban Design Qualities‘ sind: Gartenparzellen für die Vielfalt, Wohndichte für städtisches
Leben, Universität trifft auf die Stadt, die Perspektive der Fußgänger und Radfahrer, Parkräume für
Identität und Entspannung, Kontakte im Alltag. Die begrünten Straßen sind sehr eng und vielfältig
gestaltet. Die ganze Wohnsituation ist so dicht, dass jeder seinen Nachbarn kennt und er ihm täglich
auf der Straße begegnet.
Vallastaden wird die Uni auf der Entfernung von 2,4km zum Zentrum mit der Stadt verbinden.
Umfragen haben gezeigt, dass das Universitätsgelände als so weit außerhalb empfunden wird, dass die
Entfernung auf 5-7km geschätzt wird. Genau auch diese psychologische ‚Ferne‘ will das Projekt
überbrücken.
Die Bauvorhaben sollen nach dem System der Nachhaltigkeit entwickelt werden – sozial, ökonomisch
und ökologisch. Dabei soll für alle öffentlichen Leitungssysteme ein neues Culvert-System zur
Anwendung kommen. Vor Fertigstellung der Straßen werden Rohre von 2,5m Durchmesser
unterirdisch verlegt, durch die dann alle notwendigen Leitungen für Wasser, Abwasser, Strom, Telefon, Glasfaserkabel etc. geführt werden. Dies erlaubt die vollständige Wartung der einzelnen Leitungen
durch die Techniker innerhalb des Rohrsystems. So können die Wegbeläge auch aufwendig und
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hochwertig gestaltet werden, da man nicht mehr befürchten muss, dass bei Problemen wie früher die
Asphaltdecke aufgerissen werden muss.
Dipl.Ing. Antje Schmidt-Wiegand - Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung, TU
Berlin
„Cult Tour – Gartentourismus und das grüne Kulturerbe in Süd-Ost-Europa“
Frau Schmidt Wiegand stellte in Vreta Kluster das INTERREG IVB Projekt „Cult Tour“ vor, welches von
der EU im Rahmen der ETZ (Europäisch Territoriale Zusammenarbeit) im Süd-Ost-Europa Programm
finanziell unterstützt und durch Mittel aus dem Europäischen Fond für Regionale Entwicklung (EFRE)
co-finanziert wird. Das Volumen beträgt 2,5Mio €. Lead-Partner und Koordinator ist die rumänische
Gemeinde Avrig. Die dreijährige Projektlaufzeit endete im Dezember 2013.
Cult Tour sieht das kulturelle Gartenerbe als zentralen Wert für nachhaltigen Tourismus in Süd-OstEuropa.
„Das Projekt basiert auf dem Umstand, dass der Bedarf an professionellen
Tourismusangeboten und an nach internationalem Standard ausgebildeten Mitarbeitern gerade hier
stetig wächst.“
Vier Pilotstandorte in den Ländern Bulgarien, Griechenland, Italien und Rumänien wurden ausgewählt,
um mithilfe von Machbarkeitsstudien regionale Bedürfnisse zu identifizieren und zu analysieren.
Hieraus wurden Nutzungskonzepte für die einzelnen Standorte entwickelt, die langfristige Einnahmen
aus dem Tourismus sichern sollen.
- Veliko Tarnovo – Boruna-Areal, Bulgarien
Ein theatralisches Freiraumsystem um ein nationales Monument und eine Kunstgalerie auf der
Anhöhe der Boruna Halbinsel mit Blick auf die Altstadt von Tarnovo.
- Park der Nationalen Unabhängigkeit – Alexandroupolis, Griechenland
Öffentlich, städtische Grünfläche (1,3ha), umgeben von den meisten der neoklassizistischen
Gebäude von Alexandroupolis, mit Zugang zum Ägäischen Meer. Wesentlicher zentraler
Bezugspunkt für die Bevölkerung. Alexpolis versteht sich als „Schlüssel“ zu Griechenland
zwischen Ost und West.
- Sommerresidenz von Samuel v. Brukenthal - Freck, Siebenbürgen, Rumänien
Barocker Palast im Zentrum von Freck am Fuße der Karpaten, umgeben von einem
spätbarocken Garten mit Elementen des englischen Landschaftsgartens (16ha). Einzige
barocke Parkanlage Rumäniens, als nationales historisches Denkmal geschützt; auch von
internationaler Bedeutung. „Siebenbürgisches Eden“.
- Gärten von Peripato - Taranto, Apulien, Italien
Ehemaliger Residenzgarten (19.Jh.) der Villa Beaumont im Herzen der modernen Stadt mit
Blick auf den Hafen und die Lagune. Beliebter Stadtgarten (5ha) mit Teich, Freiluftkino,
Kinderspiel, umgeben von kulturellen Sehenswürdigkeiten und Museen. Typisch mediterraner
Garten mit alten Bäumen und exotischen Pflanzen.
Ziel von Cult Tour ist es, Synergien zwischen Gartentourismus und regionaler Entwicklung zu schaffen,
damit die lokale Bevölkerung einen direkten Nutzen hat und neue Angebote und unternehmerische
Möglichkeiten geschaffen werden. Dies kann zu kultureller Identität beitragen, wie auch das
Bewusstsein für die kulturelle Bedeutung der Anlage erhöhen.
Im Rahmen des Projekts entstanden an der Uni Berlin: Machbarkeitsstudien, umfassende Analysen,
Grundlagenforschung, Kartenmaterial als Basis für Gartenrouten, Dokumentationen der Gartenkultur
der einzelnen Anlagen, Finanzierung von Restaurierung und Entwicklung, Organisation von
Gartenfestivals und Events. Darüber hinaus werden branchenspezifische Lernmodule in Form eines
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postgradualen Studienprogramms und Workshops für alle beteiligten Mitarbeiter (Gärtner,
Handwerker, Touristiker) angeboten, um das Projekt nachhaltig in den Regionen zu verankern.
Griechenland ist es durch das Projekt gelungen, für den Park in Alexandroupolis einen privaten Spender
zu finden.
Wissenschaftliche Projektpartner:
Fachhochschule Krems, Universität für Bodenkultur Wien, Technische Universität Berlin
www.culttour.eu
Bergs Locks – Carl Johan Locks am See Roxen
Den Abschluss der Study Tour bildete eine Fahrt 10km nördlich von Linköping zu den Bergs Locks, einer
Schleusenanlage des Göta Kanals zum See Roxen. Über 7 Schleusenkammern bewegt sie die Boote zu
und vom See über 18,5m Höhenunterschied. Bergs Locks ist die größte Attraktion des Göta Kanals,
dem „blauen Band“ Schwedens. Sie zieht jedes Jahr Tausende von Zuschauern an das westliche
Seeufer. Hier laden Cafés, Restaurants, Minigolf, Herbergen und Fahrradverleih zu einem längeren
Aufenthalt und Schwimmen im See ein.
Auf einem Wellenbrecher vor der Schleuse steht der 9m hohe „Dubbelgångaren“ (Doppelgänger), eine
Skulptur von Kent Karlsson, die mit Leichtigkeit über das Wasser zu schreiten scheint. Sie ist eine von
zahlreichen Kunstwerken des “Vision by the Water”-Projekts.
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Hybrid Parks Workshop u. ISG Meeting in Schlesien, Polen 23. - 25. Juli 2014
Dr. Pawel Kojs und Katarzyna Galej, Präsentation und Führung
Der “Schlesische Botanische Garten” in Mikolów
Teil I - Ökologisches Bildungszentrum für Kinder, Neue Pflanzensammlungen, Baum-Pflanzung
Der Rundgang beginnt im Ökologischen Bildungszentrum für Kinder, einer der fünf Abteilungen des
Schlesischen Botanischen Gartens SiBG, das erst 2013 eröffnet wurde. Hier sollen die Jüngsten im
Vorschulalter und Grundschulklassen durch Spiel und eigene Feldversuche die Grundlagen im Umgang
mit der Natur und ihre Zusammenhänge erlernen. In kleinen Gruppen erkunden die Kinder die
Umgebung. Ausgerüstet mit Hammer und Meißel werden sie im eigenen Steinbruch zu kleinen
Geologen oder Paläontologen. Im Gemüsegarten lernen sie Säen, Pflanzen und Ernten. Der magische
Baum erzählt vom Kreislauf in seinen Ästen. Bei schlechtem Wetter stehen kindgerechte Klassenräume
zur Verfügung. Schon im ersten Jahr haben Hunderte Gruppen mit Kindern aus der Region Mikolów an
den Kursen teilgenommen.
Direkt nebenan befindet sich das Gelände der Neuen Pflanzensammlungen, das noch im Aufbau ist. 2
Mio. Menschen aus der Agglomeration um Katowice können den neuen Park innerhalb einer halben
Stunde erreichen. In dem 20 ha großen Areal liegen unterschiedlichste natürliche Habitate, die in das
Gesamtkonzept eines naturnahen Parks eingebunden sind. Ein ursprüngliches Sumpfgelände wurde
durch ein System von Holzstegen erschlossen. In den Nasswiesen blühen unterschiedlichste
Orchideen. So findet man aber auch 20 alte Eichen, die letztes Relikt einer historischen Straße sind.
Das landschaftsgestalterische Konzept wurde durch einen Wettbewerb ausgewählt und die Pflege liegt
noch für ein Jahr beim GaLa Bauern. In einem terrassierten Felsengarten wachsen vielfältige
Staudengesellschaften. Von einem offenen Pavillon aus hat man einen weiten Überblick auf das
gesamte Tal, über mehrere kleine Seen hinweg bis zu den Obststreuwiesen mit alten Apfelsorten.
Auf einer dominanten Stelle am Rande des neuen Arboretums pflanzten die Mitglieder drei junge
Bäume – eine Tilia cordata, eine Carpinus betulus und eine Fagus sylvatica – die mit ihren
unterschiedlichen Eigenschaften, die Idee des Hybriden Parks symbolisieren. Sie wurden so dicht
gepflanzt, dass sie sich mit den Jahren als sichtbares Zeichen zu einer großen geschlossenen Krone
verbinden sollen.
Teil II – Führung durch den Botanischen Garten, Zentrum für Ökologie und Umwelt-Erziehung
2013 feierte der Silesian Botanical Garden (SiBG) sein 10-jähriges Jubiläum. Er entstand mit
Unterstützung des Voivodeship Fund für Umweltschutz und Wassermanagement in Katowice und des
Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung. Der SiBG liegt in Mikolów-Mokre, 16 km von Katowice,
dem Regionalzentrum Oberschlesiens entfernt und ist bestens an Verkehrsadern aus allen Richtungen
angebunden.
Der SiBG ist ein Natur-Habitat-Garten. Er entstand in dem einzigartigen Naturgebiet der Mokra mit
einem großen Reichtum an seltenen Habitaten auf einem einzigen Areal. Diese Voraussetzungen
waren perfekt für die Gründung des jüngsten botanischen Gartens in 2003, der eine ‚grüne Insel‘
inmitten der Stadt- und Industrielandschaft Schlesiens werden sollte; eine Institution nicht nur für den
aktiven Schutz der Artenvielfalt, sondern auch als Mittelpunkt eines interdisziplinären, internationalen
Ideenaustauschs, der Umwelterziehung und ebenso Ziel für Erholungssuchende und Tourismus. Nach
zehn Jahren hat der inzwischen 100 ha große Botanische Garten diese Ziele erreicht und seinen festen
Platz in der Region Oberschlesien und in der Akzeptanz seiner Bewohner gefunden.
Die Mission des Gartens ist der aktive Schutz der Artenvielfalt durch die Kultivierung seltener und
gefährdeter Pflanzenarten und ihr Transfer zu den entsprechenden Habitaten, der Schutz von
wertvollen aber bedrohten Feld- und Wiesenkulturen sowie alter Obstbaumvarietäten.
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Die neuen Gebäude des SiBG mit Bildungs- und Forschungszentrum befinden sich in einer ehemaligen
Bunkeranlage. Zwei Bunker wurden erhalten und dienen seit 2011 als idealer Ort für die Nutzung als
regionale Samenbank. In diesem kontrollierten Temperatur- und Feuchtigkeitsumfeld können Samen
für lange Zeit in voller Vitalität gehalten werden. Gesammelt werden hier vor allem Samen seltener
und gefährdeter Pflanzen aus Schlesien und benachbarter Regionen. Sie sollen zur Wiedereinführung
von Arten, Habitat-Wiederherstellung und zur Verstärkung der Populationen verwendet werden.
(Siehe auch Best Practice Studie SiBG u. Präsentationen von Dr. Pawel Kojs, Workshop Malta u.
Workshop Ferrara)
http://www.bgci.org/resources/article/0620/
Sylvie Derdacki, European Earth Center Foundation, Kraków
“Arbores Vitae – Der letzte Urwald Europas” Präsentation und Foto-Ausstellung im Innenhof SiBG
Sylvie Derdacki ist Regisseurin und mit ihrem Mann, dem Kameramann Krzysztof Derdacki Gründerin
der European Earth Center Foundation. Diese ist spezialisiert auf Outdoor-Ausstellungen,
Kulturmarketing und Soziale Kommunikation mit der Mission, eine kulturelle Brücke zwischen Ost und
West-Europa zu bauen. „Arbores Vitae“, die Bäume des Lebens, ist ein interdisziplinärer Event, zu dem
eine großformatige Foto-Ausstellung gehört, von der ein Teil im Innenhof des SiBG aufgebaut ist.
Die Fotos zeigen Bilder des Fotografen Jan Walencik aus Bialowieza, dem letzten Flachland Urwald der
gemäßigten Zone, der grenzübergreifend zwischen Polen und Weißrussland liegt. Über 1.500 km²
erstreckt sich eine einzigartige Naturlandschaft, die sich über Jahrtausende ungestört entwickeln
konnte. Hier ist die Heimat des europäischen Bisons, von Luchsen, Wölfen und Edelmardern. Zwischen
den knorrigen, über 350 Jahre alten Eichen und über 50m hohen Fichten leben über 14.000 Tier- und
Pflanzenarten, von denen viele andernorts ausgestorben sind.
Im Juni 2014 wurde das gesamte Areal zum UNESCO Welterbe erklärt, nachdem es 1977 auf polnischer
Seite schon in die UNESCO National Park Liste aufgenommen worden war. Der polnische
Umweltminister hat darüber hinaus wichtige legislative Schritte zum Schutz des Urwaldes und seines
Umlandes eingeleitet. So sieht der Waldnutzungsplan (FMP) eine Reduktion des Einschlages auf die
Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung vor und in angrenzenden Beständen, die über 100 Jahre alt sind,
darf kein Holz mehr geschlagen werden.
Naturdenkmäler wie Bialowieza sind äußerst gefährdete Wildnisgebiete. Der Fotograf und
Filmemacher Jan Walencik hat die atemberaubende Schönheit dieser „Grünen Kathedrale“, wie er es
nennt, über Jahre bereist und beeindruckend dokumentiert. Die Foto-Ausstellung umfasst 100
Aufnahmen (180cm x 120cm) mit interessanten Begleittexten, die wetterfest gerahmt sind. Über
200.000 Besucher haben sie inzwischen in polnischen Städten gesehen (Lodz, Bialystok, Krakow u.a.)
und mehr als 7.000 Schüler und Studenten haben am begleitenden Bildungsprogramm teilgenommen.
Sylvie Derdacki betont, dass „Arbores Vitae“ mehr als ein aufregendes Abenteuer ist. Die Ausstellung
ist Teil eines interdisziplinären Events in städtischen Freiräumen. Sie wird ergänzt durch 25 Info-Tafeln
über Urwälder und ihre Bedeutung für die Menschheit, 10 außergewöhnliche Dokumentarfilme und
ein Bildungsprogramm für Kinder und Erwachsene. Alle Elemente stehen kostenfrei zur Verfügung.
„Arbores Vitae“ ist eine von 16 Ausstellungen, die die Stiftung seit 2008 organisiert hat. Ihr Ziel ist es,
mit großformatigen, ökologischen Events, Wissen über Artenvielfalt, Umweltbewusstsein und
nachhaltiges Wirtschaften zu vermitteln. Dadurch dass die emotionalen Bilder frei zugänglich in
öffentlichen Parks, Plätzen und Industriegeländen, auch des Abends beleuchtet, aufgebaut werden,
kann eine größtmögliche Zuschauermenge über das Visuelle für die großen gefährdeten
Naturstandorte sensibilisiert werden.
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Weitere vergleichbare Projekte sind „Planet Ozean – Im Herzen der Artenvielfalt unter Wasser“ und
„Die Erde von oben - Ein Porträt des Planeten am Anfang des 20.Jhs.“ All diese von der UNESCO oder
der Regierung geförderten Ausstellungen wurden inzwischen von ca. 3 Mio. Menschen gesehen und
30.000 Schüler und Studenten nahmen an den begleitenden Programmen teil. In Paris z.B. konnten die
Besucher zu den Bildern „Earth from above“ auf dem Platz vor dem Louvre selbst über einen riesigen
Grundriss der Erde gehen. Die Projekte sind Medien begleitete Multimedia-Veranstaltungen mit Fotos,
Filmen, Internet, Konzerten, Vorträgen und Bildung zum jeweiligen Thema mit Kunst, Ökologie und
Spiritualität.
Sylvie Derdacki würde diese „Umwelt-Events“ wie schon in Paris und auch Frankfurt (Flughafen) gerne
auch in Spielorten weiterer Länder installieren, um so zu einem ost-westlichen Kunst- und
Kulturaustausch beizutragen.
www.arboresvitae.eu
Die Photos stehen kostenfrei zur Verfügung
GEOsfera – Geologischer Park, Jaworzno
Von Geologin geführter Rundgang
Der Geologie Park GEOsfera, der 2013 in einem offenen Kalksteinbruch angelegt wurde, ist als Lernund Bildungszentrum eingerichtet, in dem sich Wissen über Geologie und Botanik verbinden sollen.
Ein spinnenförmiges Wegenetz erschließt das 3 ha große Gelände, dessen Freiflächen mit 40.000
heimischen Stauden und Gehölzen bepflanzt sind. Auf naturbelassenen Arealen mit Wildblumen,
Kräutern und Schachtelhalm liegen Kalksteine mit fossilen Einschlüssen.
Hauptattraktion des Parks ist ein Nothosaurus, eine Flossenechse, aus der Zeit der Trias, als das Gebiet
noch mit Meer bedeckt war. 20 lebensgroße Tiere aus Bronze sind auf dem Gelände verteilt, um die
urzeitlichen Wurzeln des ehemaligen Steinbruchs zu verdeutlichen. Geologisch sehr wichtig sind auch
spezifische Sandstein-Wellenstrukturen des urzeitlichen Meeres, die wegen ihrer Empfindlichkeit nur
an wenigen Stellen freigelegt sind. In den unzugänglichen Außenbereichen des Parks finden in
Zusammenarbeit mit schlesischen Universitäten weiterhin Ausgrabungen statt, die auf immer neue
Knochenfunde und Fossilien stoßen.
Entspannen können die Besucher auf bequemen Holzliegen an einem künstlichen See, aus dem
ebenfalls zwei der Wasserechsen auftauchen. Weiträumige Spielplätze und ein Grillplatz sollen den
Park über den Bildungsauftrag hinaus attraktiv machen. GEOsfera ist frei zugänglich, ohne Eintritt und
24 Stunden geöffnet. Nachts sind die Wege bis 23.00 Uhr sicher beleuchtet. Schon im ersten Jahr ist er
gut besucht, besonders von Klassen und Gruppen.
Die ehemalige Kalksteingrube ist eine von vielen Steinbrüchen der Gegend. Sie entstanden auf Dekret
der Preußen, als wegen der unzähligen Brände Holzbauten verboten wurden und die Bevölkerung
gezwungen war, ihre Häuser aus Stein zu bauen. Vor 20 Jahren wurden die meisten Steinbrüche
stillgelegt. Einige wurden rekultiviert, andere für natürliche Sukzession offengelassen. Einer wurde zum
künstlichen See für Taucher, die in 13m Tiefe noch die alten Abbaumaschinen entdecken können.
In GEOsfera steht die Wissensvermittlung im Mittelpunkt. Das von der Europäischen Union finanzierte
Projekt ist noch in Entwicklung. Ein Info-Pavillon zeigt eine Vision, des urzeitlichen Meeres mit Tieren,
Algen und Muscheln in Originalgröße. Im Raum für Vorträge und Filme sind die schönsten Steine mit
Fossilien aus dem Steinbruch ausgestellt. Mit einem jetzt schon so großen Interesse hat man nicht
gerechnet, Workshops müssen in einem Zelt stattfinden. Geplant ist ein Tunnel zu einer zweiten
Grube, in dem ein geologisch botanisches Museum eingerichtet werden soll.
www.jaworzno.pl/pl/natura/geosfera
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Szkola Drzew KAPIAS i Krzewów, Baumschule nahe Goczalkowice
Führung durch Herrn Kapias und seinen Sohn
Die Baumschule in Goczalkowice liegt einem niederschlagsreichen Gebiet mit großer Feuchtigkeit.
Während in zentralpolen 400mm und in Mikolów 700mm Niederschlag fallen, sind es hier über
1.000mm. In diesem idealen Mikroklima begann die Familie Kapias 1979 auf 25ha mit der
Großproduktion von Gehölzen und Strukturpflanzen. Der größte Teil wird über vegetative Vermehrung
produziert. Mehrere 100.000 Stecklinge stehen mit Fungiziden behandelt in luftfeuchten
Folientunneln. Die Bewurzelung dauert 2-3 Wochen. In den Quartieren stehen die Töpfe dicht an dicht
auf Folie. Die Hauptproduktion sind Koniferen – Bäume, Sträucher und Bodendecker wenige
Laubgehölze und Rosen. So weit das Auge reicht Koniferen in Hunderten von Sorten. Koniferen in einer
erstaunlichen Farbvielfalt. Blaue und gelbe Varianten scheinen besonders beliebt. Polen lieben
Koniferen, da sie pflegeleicht sind. Die Anzucht laubabwerfender Gehölze ist minimal, nimmt aber
langsam zu. Bevorzugte Topfgröße ist der 5l-Container. Die Produktion ist vorwiegend für Großhändler,
Gartencenter und Landschaftsbauer. Es gibt wenige aber steigende Exporte nach England und
Schweden. Im Moment besteht das Substrat aus 60% Torf aus Estland, 10% Kokosfaser und 30%
Rindenmulch. Von einer Umstellung auf eine nachhaltigere Produktion wird zwar gesprochen, diese
wird wohl eher in absehbarer Zeit nicht umgesetzt. Leider stammen die Kultivare nicht von
einheimischen Pflanzen. Die Samen werden wegen des Artenschutzes aus dem Ausland bezogen.
Kapias sind Mitglied in der polnischen Baumschulen Association, die dazu verpflichtet, hohe Standards
zu erfüllen. Zu diesem Zweck wird in eine kontinuierliche Verbesserung der Ausrüstung und die
passende Infrastruktur investiert. Die Baumschule verwendet modernste Fertigungstechnologien und
arbeitet mit wissenschaftlichen Institutionen zusammen. Jedes Jahr nimmt sie an nationalen und
internationalen Ausstellungen teil und hat schon zahlreiche Preise gewonnen.
Polen produziert inzwischen mehr Container Koniferen als die Niederlande.
Ogrody Pokazowe KAPIAS, Alte Gärten und Neue Gärten- Die Schaugärten KAPIAS, Goczalkowice
Führung durch Bronislaw Kapias
Vor 35 Jahren entschlossen sich die Brüder Kapias, die Produktion ihrer Baumschule als Anregung für
ihre Kunden in einem Schaugarten auszupflanzen. Um das Wohnhaus entstanden so die Alten Gärten,
eine vielfältige Abfolge unterschiedlicher Gartenräume, die sich schließlich bis auf 1,5ha ausbreitete.
Schon in diesen Gärten wurde nicht nur das gängige Pflanzenmaterial gezeigt, sondern man versuchte,
ein wesentlich breiteres Spektrum an Gehölzen und Stauden zu präsentieren. Als die Fläche zu klein
wurde, begann man 2008 auf einem naheliegenden Acker von 4ha die Neuen Gärten anzulegen.
Bronislaw Kapias ist ein leidenschaftlicher Baumschulist und geschickter Unternehmer. In fast 30
gestalteten Themengärten zeigt er eine überbordende Pflanzenfülle und eine ausgewählte
Produktpalette. Hier liegen die unterschiedlichsten Gartenstile eng nebeneinander, Klein-Japan liegt
neben dem provenzalischen Lavendelgarten, der Sinnesgarten und das Labyrinth neben dem Tempel
der Meditation. Spätestens wenn sich hinter dem English Border die Frontseite des englischen
Cottages als potemkinsche Wand entpuppt, beschleichen einen leise Zweifel an der Ästhetik des
Konzepts. Andererseits überzeugt die Spielfreude im Umgang mit den Themen. Und immer ist
irgendwo eine Baustelle. Vier Vollzeitkräfte halten Staudenbeete, Hecken, Formgehölze und Zierrasen
in perfektem Zustand. Inzwischen wird auch verstärkt mit Gartenarchitekten und Landschaftsbauern
zusammen gearbeitet.
Der Erfolg gibt Bronislaw Kapias Recht. Sein Park ist einzig in ganz Polen und in kurzer Zeit zu einem
beliebten Ausflugsziel geworden. Dem Schaugarten ist ein großes Gartencenter mit eigenen Produkten
angeschlossen. Im Restaurant Kapias mit unterschiedlichen Preisklassen arbeiten an starken
Wochenenden 25 Leute. Hier kann gefeiert und inzwischen auch geheiratet werden. Der Eintritt in die
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Gartenwelt ist kostenlos und manche Familie reist morgens mit Picknick-Korb an, um hier den ganzen
Tag zu verbringen. Jahreszeitenfeste und Events bieten zusätzliche Anreize. Tausende Besucher reisen
in Gruppen mit Bussen an.
Die eigene Pflanzenproduktion von über 500 Taxa wird durch 10% Zukauf bei anderen Baumschulen
ergänzt. Für Bronislaw Kapias ist es eine Gratwanderung zwischen eigenem Schaugarten und
Vergnügungspark, zwischen Disney und einer geschmacksbildenden Mission. Denn sicherlich in nur
wenigen Gärten Polens wird der polnischen Vorliebe für Koniferen eine solche Pflanzenfülle
gegenübergestellt.
www.kapias.pl
„Die Perle von Prinzessin Daisy“, Schloss Pszcyna
Geführte Wanderung durch den Schlosspark
Pszczyna – das ehemalige Pless – ist eine Kleinstadt im oberschlesischen Hügelland. Das Schloss nahe
dem Stadtzentrum diente den Fürsten von Pless aus dem Hause Hochberg-Fürstenstein über
Jahrhunderte als Sommer- und Jagdschloss. 1870-76 wurde es von dem französischen Architekten
Alexander Destailleur zu einem neubarocken Palast umgebaut. Die Fürsten von Pless, die in der
internationalen Politik eine große Rolle spielten, empfingen hier gekrönte Häupter und aristokratische
Familien aus ganz Europa. Auch Kaiser Wilhelm II. kam häufig zur Jagd und nahm während des 1.
Weltkriegs mit seiner Obersten Heeresleitung im Schloss Quartier. Mit der Zuteilung zu Polen 1922
erlosch das Fürstentum zu Pless. Als Fürst von Pless, dann polnischer Staatsbürger, 1939 von den
deutschen Machthabern enteignet wurde, floh er nach England. Sein Neffe und Erbe Fürst Polko
bekam auch nach der Wende 1990 die Besitztümer nicht wieder zurück.
In der zweiten Hälfte des 19.Jhs. entstand mit dem Umbau des Schlosses auch der angrenzende Park
im landschaftlichen Stil, der in seinen Ursprüngen auf das 15.Jh. zurückgeht. Auf fast 160 ha liegen
heute fast unverändert drei Parkbereiche, von denen der Schlosspark das Herzstück ist. Zum Schloss
wird man durch das „Tor der Auserwählten“ (Gate of the chosen) zunächst in einen Innenhof mit
Verwaltungsgebäuden geführt, dann weiter, um das Schloss herum, zum imperialen Haupteingang, der
parkseitig liegt.
Von der Hauptfassade aus blickt man nicht etwa über ein Parterre sondern einen geschwungenen See
mit Trauerweiden, dahinterliegenden Wiesenflächen und Wäldchen. Das ehemalige Sumpfland mit
einem durchfließenden Fluss wurde zu einer romantischen Landschaft mit vielen kleinen Seen, Inseln
und Brücken gestaltet. Wohlplatziert in diesem idyllischen Landschaftsbild stehen klassische Elemente
der Romantik. Da ist der ovale Tee Pavillon, versteckt unter Bäumen auf einer Insel mit Terrasse zum
See, wo Entspannung immer mit Musik verbunden wurde. Hier kann man sich gut vorstellen, wie Daisy
Hochberg von Pless, die 1891 den wohlhabenden Prinzen Hans Heinrich XV. geheiratet hatte, zum Tee
einlud. Die charakterstarke, begabte Prinzessin Daisy, die mit ihrem Mann ein gesellschaftlich
aufwendiges, internationales Leben führte, wird heute in der Vermarktung des Schlosses zur
Hauptinspiration. Im Mai finden die „Daisy Days“ in Schloss und Park statt und die Apfelspeise „Deser
Daisy“ trägt ihren Namen.
Ein weiterer klassizistischer Pavillon im Park unter Bäumen ist fensterlos. In ihm wurde das Eis, das im
Winter aus dem See geschlagen wurde, für den Sommer gelagert. Auf dem Dach spielte das
Palastorchester. Ein Turm an anderer Stelle erlaubt eine weite Aussicht über die Seenlandschaft.
Zum Konzept des romantischen Landschaftsgartens gehört ebenso das Memento mori. Nicht weit
entfernt liegt in einem Eichenhain die Prinzengruft der Fürsten Anhalt-Köthen-Pless. In den westlichen
Bereichen des Parks, auf dem Kuckucks Berg, liegen weitere Friedhöfe für unterschiedliche Religionen,
auf denen russische Soldaten, Juden, Katholiken und Slawen beerdigt sind. Immer wieder bewegt man
sich über bogenförmige Brücken, vorbei an Nasswiesen, entdeckt alte Baumriesen und trifft auf
Lichtungen mit Blick auf das Schloss. Struktur im Park geben zwei großzügige Alleen, die den Park axial
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durchschneiden, aber keinen direkten Bezug zum Schloss nehmen. Eine von ihnen beginnt am
Parkeingang an den alten Stallungen, die ehemals in ganz Europa für die Qualität ihrer Pferdezucht
bekannt waren. Heute sind dort Ausstellungsräume.
Zwei weitere Parks im Osten und Westen erweitern den Schlosspark. Mit dem Bau der Eisenbahn um
1840 hatte der Fürst das Gelände bis zum weit abseits gelegenen Bahnhof erworben, um einen
privaten Zugang zur Bahnstation zu haben. Sein Plan war es, wie in Paris, neue Häuser und Villen um
den Bahnhof zu errichten. Der dritte Teil des Parks ist die Wild-Promenade mit dem „Bestiarium“.
Dieser wildere Bereich war der Jagdbereich. Johann Heinrich XI. erwarb 1865 von Zar Alexander II. die
ersten Bisons, einen Bullen und drei Kühe, um die Jagd für seine aristokratischen Gäste spannender zu
machen. Schon vier Jahre später fand die erste Bisonjagd statt. Wilhelm I, späterer König von Preussen
schoss einen Bullen. Heute liegt in dem ehemaligen Jagdrevier der „Bison Yard“, eine Art open-air
Gehege, in dem man die Urtiere friedlich grasend unter alten Eichen und Buchen von einer Plattform
aus beobachten kann. In weiteren Gehegen leben Rehe, Damm- und Rotwild. Ein Besucherzentrum
informiert über die Biologie des Bisons und die Flora und Fauna der Region Pszczyna.
Das Management des alten Parks ist eine nicht leichte Aufgabe. Starke Stürme, Regen und Gewitter
führen zu großen Schäden und Überschwemmungen. Das Gewitter zwei Wochen zuvor fällte 300 alte
Bäume. Teile der Feuchtwiesen sollen zu naturnahen Blumenwiesen umgewandelt werden. Feste,
Konzerte und Jahreszeitenevents finden rund ums Schloss statt. Der verträumte Park ist gut besucht,
viele Spaziergänger, Jogger und Radfahrer sind unterwegs. An den Wochenenden kommen bis zu 1.000
Besucher. Der gesamte Landschaftspark ist ein Park im Aufbruch. Dass er weitestgehend bis heute
unverändert ist, ist sein jetziges Potenzial, das es im Sinne der Hybrid Parks zu entwickeln gilt.
www.pszczyna.info.pl
„Zubrowisko“ Reservat, Zentrum für Wisent-Zucht und Forsterziehung, Jankowice
Präsentation durch die Parkleitung und Dokumentarfilm
Das Zubrowisko Reservat liegt in den Wäldern von Pszczyna, die mit 200 km Wanderwegen eines der
wichtigsten Naherholungsgebiete für die dicht bevölkerte Region von Oberschlesien sind. Der
wertvollste Faktor dieses Naturareals ist der Wisent (Bison bonasus). Auf 740 ha Waldfläche kann sich
hier das größte Säugetier Europas frei bewegen. Die Geschichte des Wisents in Polen beginnt 1865 mit
der Jagdleidenschaft von Fürst Johann Heinrich XI Hochberg von Pless, der der königlichen Jagd des
Preußischen Hofs vorstand. In seinen Wäldern um Pszczyna trafen sich die Könige und Aristokraten zur
Jagd von Rot-, Damm- und Rehwild, Hirschen und Wildschweinen. Um die Jagd attraktiver zu machen
erwarb er vom russischen Zar Alexander II. im Tausch 4 Wisente aus dem Urwald von Bialowieza, die
zum Grundstock der Bisonzucht für ganz Europa wurden.
Als Folge des 1. Weltkriegs waren 1919 die Wisente fast ganz ausgestorben; das Wildern der
ausgehungerten Soldaten überlebten von 71 Tieren nur 5, von denen nur ein Bulle und eine Kuh
fortpflanzungsfähig waren. 1929 begann man nach einer internationalen Konferenz mit einem
gezielten Zuchtprogramm, das ausgehend vom Genpool in Polen in kleinen Zentren in Finnland,
Schweden, Holland, Rumänien und Ungarn weitergeführt wurde. In den 50er Jahren starb die gesamte
polnische Population an Maul- und Klauenseuche. Doch in den anderen europäischen Ländern waren
inzwischen kleine Herden nachgewachsen.
Heute leben 5.000 Wisenten auf der ganzen Welt, davon 1.200 in Polen. Sie lieben Mischwälder und
offene Kiefernwälder. Wisente sind schlanker und höher als ihre amerikanischen Verwandten, da sie
sich nicht nach Gras bücken sondern nach Zweigen strecken müssen. (Das Einkreuzen amerikanischer
Bisons führte wie bei Mulis zu unfruchtbaren Tieren.) Sie werden 20-25 Jahre und wiegen bis zu 1t. Mit
6 Jahren werden sie geschlechtsreif. 20 Tiere brauchen 100 km²um zu überleben. Heute breiten sich
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die Herden in kleineren Gebieten aus, aus denen sie ausbrechen müssen um zu überleben. Man ist
bestrebt grüne Korridore einzurichten, durch die sie frei ziehen können. Mit GPS versucht man ihren
Bewegungsprofilen zu folgen. Doch die Grenzen des Schengen Abkommens werden auch mit Zäunen
für die Tiere die Grenze zu Weißrussland.
1996 wurde das Zubrowisko Reservat eingerichtet. Die Erhaltungslinie besteht hier aus 34 Tieren, von
denen 7 auf die Urform zurückgehen. Im Moment ist es noch preiswerter, einen Bullen aus Schweden
einzufliegen als eine künstliche Besamung zu organisieren. Erst seit kurzem beginnt man, eine
international koordinierte Spermienbank aufzubauen, um die unterschiedlichen Linien zu
kontrollieren. Das Reservat mit seiner Herde, die als Genpool von großer Bedeutung für die
Erhaltungszucht ist, sieht sich als Informationszentrum für Wisente und Waldpädagogik. Hier kann man
sich über das Leben der Waldbewohner, Biotope aber auch über die reichen Baumgesellschaften und
die alten Bäume der Wälder um Pszczyna informieren. Es gibt einen freien Waldlehrpfad für alle
Generationen. Jedes Jahr kommen 6.-8.000 Besucher; bis jetzt im Ganzen über 180.000.
Das Land Polen hat eine Gesamtfläche von 312.000 km², von denen 100.000 km² Wälder sind. Mit
diesen Gebieten ist der Lebensraum von 65.000 Spezies aus Flora und Fauna verbunden. Ein größeres
Umweltbewusstsein und multifunktionales Waldmanagement geben nach den großen Waldschäden
im 20.Jh. neue Hoffnung auf eine Revitalisierung der Wälder in gemischten Beständen. Die Wälder
von Pszczyna haben den Bedrohungen durch die Industrialisierung trotz ihrer geografischen Lage
widerstanden und ihre Erneuerungskraft der natürlichen Lebensgemeinschaften nicht verloren. Jetzt
gilt es, sie durch gezielte Tourismusangebote und Erholungseinrichtungen einerseits zu erschließen
und gleichzeitig nachhaltig zu schützen.
www.bestpractice-life.pl/en/bison/bison-bonasus-conservation-in-zubrowisko-nature-reserve
„Park Slaski“ Silesia Park, Agglomeration Katowice
Präsentation und geführte Besichtigung durch die Parkmanager
Park Slaski ist der größte Park Polens in der Mitte Schlesiens. Er liegt im Ballungsraum zwischen
Chorzów (Königshütte) und Katowice. Mit mehr als 620 ha ist er doppelt so groß wie der Central Park
in New York und der größte Stadtpark Europas. In den frühen 50er Jahren wurde er aufgrund der
Initiative eines Lokalpolitikers gegründet. Jerzy Zietek, nutzte das System und berief 2.000 Arbeiter aus
der regionalen Industrie, die als Form von Sozialarbeit den Park zu bauen hatten. „Zietek wollte einen
Park und er baute ihn“. Noch heute ist die Parkleitung über Sozialprogramme mit diesen alten
Arbeitern in Kontakt, die dem Park immer noch sehr verbunden sind. War doch das Bauen eines Parks
eine angenehmere Aufgabe als die Fabrikarbeit.
Aus dem Boden gestampft wurde ein Park der Superlative - der Schlesische Kultur- und Erholungspark.
Auf dem ehemaligen Brachland wurden die Deponien geklärt und 3,5 Mio. Bäume und Sträucher
gepflanzt. Eingelagert sind vielfältige Attraktionen und Unterhaltungseinrichtungen: das schlesische
Planetarium, das legendäre Fußballstadion (zurzeit Renovierung), ein Vergnügungspark, ein
Abenteuerpark, ein EthnoPark und eine Ausstellungshalle, um nur die größten zu nennen.
Hier befindet sich auch der Schlesische Zoo, dessen Eingang das majestätische Tor von Schloss Neudeck
bildet. Eine kilometerlange Gondelanlage ist gerade wieder neu eröffnet worden. Seen mit Tretbooten
und modernen Beach-Anlagen, das Rosarium mit 30.000 Rosen, die kleine Touristenbahn. Von oben
werden die Dimensionen des Parks erst deutlich. Aber auch das typische Design der 50er Jahre mit
seinen geschwungenen Beeten, Materialien und Belägen. Nach 65 Jahren sind 250 ha Wald, 100 ha
städtisches Grün und Parklandschaft, Seen, Flüsse und extensive Grünflächen Lebensraum für viele
wilde Tiere geworden. Im ehemaligen Jagd Wald steht ein gepflegtes Jagdhaus, das als Restaurant
Breschnew, Honecker, Gagarin und Gorbatschow bewirtete.
Um den Park, der heute der Regionalverwaltung unterstellt ist, weiterzuentwickeln ist man auch mit
ausländischen Investoren im Gespräch. Auch für sie ist diese Erholungsanlage zwischen den
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Großstädten inzwischen interessant geworden. Die Parkmanager zeigten sich sehr aufgeschlossen dem
Hybrid Parks Projekt und dem EGHN gegenüber. „Wir müssen uns der polnischen Geschichte stellen“.
Zahlreiche Hotels liegen am Rand des Slaski Parks und inzwischen sind die Grundstückswerte der
angrenzenden Stadtteile aufgrund des Parks gestiegen. Hier entstehen hochwertige Apartmenthäuser.
www.parkslaski.pl
„Palac KAWALERA“, Park Schloss Neudeck, Swierklaniec (Neudeck)
Der Kavalierspalast Palac Kawalera ist das einzige Gebäude, das von dem ehemaligen Palastkomplex
noch steht. Seit 1992 ist er ein Sterne-Hotel, das die Pracht des großen Schlosses ahnen lässt. Schloss
Neudeck (poln. Zamek w Świerklańcu) war seit dem 17.Jh. die Residenz des Adelsgeschlechts Henckel
von Donnersmarck in Oberschlesien. Die Schlossanlage samt Park war eine der größten und
prächtigsten des Deutschen Reiches und wurde volkstümlich auch Oberschlesisches Versailles
genannt. Das Alte und das Neue Schloss wurden 1945 von der Roten Armee in Brand gesteckt und im
August 1961 bis auf die Grundmauern abgetragen. Wie das Schloss früher ausgesehen hat, zeigte eine
virtuelle Filmanimation nach Originalfotografien im Kavaliershaus: ein Fürstensitz mit mehr als 100
Zimmern, von dem aus 28.000 ha Besitztümer, Bergwerke und Industrieanlagen verwaltet wurden.
Das Neue Schloss am großen See hatte Guido von Donnersmarck 1857 für seine zweite Ehefrau, Blanka
Marquise de Païva, in enger Anlehnung an Paläste in Paris von Pierre Manguin im neobarocken Stil
erbauen lassen. 1876 wurde es unter Leitung des Chefarchitekten des Louvre, Hector Lefuel,
fertiggestellt. Neben zahlreichen Aristokraten und Königen war auch Kaiser Wilhelm II. häufiger Gast
in Schloss Neudeck, der aufgrund ihrer Verdienste die gräfliche Familie in den Fürstenstand erhob.
Der ganze Schlosskomplex ist von einem 154 ha großen Park umgeben; zur Zeit seiner Entstehung war
er mit rund 200 ha einer der größten Deutschlands. Vor dem Schloss erstreckte sich ein großzügiges,
Skulpturen geschmücktes Parterre, das über eine zweiläufige Treppenanlage bis zum See
hinunterführte. Es wurde 2007-2013 mit Hilfe der Europäischen Union nach Originalplänen restauriert.
Im Zentrum steht ein ovaler Brunnen, in dessen Mitte drei Grazien eine goldene Weltkugel gen Himmel
strecken. Diese, wie zahlreiche lebensgroße Skulpturen kämpfender Tiere schuf der französische
Bildhauer Emmanuel Frémiet, der Bildhauer Napoleons III. Das Parterre scheint über dem See zu
„schweben“, da ihm jeder architektonische Bezugspunkt fehlt. Nichts weist auf den ursprünglichen
Palastbau hin. Nur ein kleiner Musikpavillon an einer der Kopfseiten ist geblieben. Dieser wird zurzeit
restauriert. Die imperiale Toranlage aus Schmiedeeisen steht heute am Eingang zum Zoo im Silesia
Park in Katowice.
Schon 1865 war der irische Ingenieur Fox mit der Anlage des 200 ha großen Parks war der irische
Ingenieur Fox beauftragt worden. Er lehnte sich an Entwürfe des kurz darauf verstorbenen Peter
Joseph Lenné sowie seines Schülers Gustav Meyer an. Er gestaltete einen Landschaftspark im
Englischen Stil mit Hainen, kleinen Waldgebieten und Wiesen, die von kleinen Bächen mit steinernen
und gusseisernen Brücken durchzogen waren. Neudeck besaß somit nicht nur eine der prächtigsten
Schlossanlagen, sondern auch einen der größten Parks des Deutschen Reichs. Im hinteren östlichen
Bereich grenzt er bis an den Diablina-See, den größten See im Umland. Dieser speist mit seinem
Wasser die vielen Kanäle und künstlichen Wasserfälle im Park. Früher als noch keine Bäume die Achse
störten, konnte Fürst Donnersmarck von seinem Schloss aus über diesen See hinweg bis nach Polen
sehen.
Von äußeren Straßen führen mehrere Wege durch den Schlosspark, wobei der Hauptweg zum früheren
Standort des Neuen Schlosses im Ostteil und zum Kavalierspalast führt. Auf den asphaltierten Wegen
herrscht reges Treiben. Nicht nur Spaziergänger, auch Fahrradfahrer und besonders Skater nutzen den
Park. Hier können sie auf kilometerlangen Parcours ungehindert Fahrt aufnehmen. Das ist auch der
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Grund, warum der Wege Belag nicht ausgetauscht werden soll. Gerade in den Skatern sieht man eine
willkommene neue Besuchergruppe.
www.palackawalera.pl
Schlesischer Botanischer Garten Radzionków – Abteilung für Habitat-Sammlungen des SiBG
Führung durch Magdalena Maslak
Bevölkerungsdichte und zunehmende Landnahme durch Bautätigkeit führen zu einem immer größeren
Verlust der Artenvielfalt. In den letzten 150 Jahren starben in Polen ca. 40 Pflanzenspezies aus. Der
aktive Schutz der Artenvielfalt ist eine festgeschriebene Aufgabe des Schlesischen Botanischen Gartens
SiBG, die teilweise von der Abteilung für Habitat-Sammlungen ausgeführt wird. 2007-2013 wurde auf
16 ha der Garten in Radzionków eingerichtet. Der Aufbau für die notwendige Infrastruktur, um Ersatz
Habitate für thermophile sandliebende Graslandgesellschaften zu schaffen, wurde von der
Europäischen Union als Teil des Regionalen Entwicklungs-Fonds mitfinanziert. Zum Forschungsgelände
gehört hierzu ein ehemaliger Kalksteinbruch mit 14m Tiefe, der ideal ist für die Einrichtung und Erhalt
von speziellen Grasland-Gesellschaften mit vielen Pflanzen, die in Polen auf der Roten Liste stehen.
Schon jetzt treten erste Probleme mit der natürlichen Sukzession durch Robinie und Birke auf. Es wird
überlegt, Ziegen im Gelände zum Abgrasen einzusetzen.
Das Areal ist eingebettet in einen Buchen-Ahorn-Mischwald mit wärmeliebenden Grasgesellschaften.
Schon am Eingang sind gefährdete Waldstauden der Festuca-Brometum Klasse markiert. Diese in-situ
Maßnahme schützt wertvolle Pflanzen innerhalb ihrer natürlichen Umgebung. Eine fast abgeblühte
Magerblumenwiese zeigt ausgesäte einjährige Wiesenblumen, die sich in den nächsten Jahren über
Eigenaussaat als eigener Bestand hier etablieren soll. Zwei Obstbaumwiesen zeigen Sammlungen von
gefährdeten lokalen Apfelsorten.
Das wohl größte Projekt ist die ex-situ Konservierung von ganzen Pflanzengesellschaften einer Fläche
von 2 ha, die bei der Erweiterung des internationalen Flughafens von Pyrzowice zerstört worden
wären. Auf Beschluss des Regionalen Umweltschutzamtes in Katowice wurde die Oberschlesische
Luftfahrtgesellschaft dazu verpflichtet, in Zusammenarbeit mit dem SiBG die gefährdeten
Graslandgesellschaften nach Radzionków zu transferieren. Wertvolle Flächen von trockenem
Heideland, Moor-Graswiesen und Übergangssumpfflächen mussten zusammen mit ihrem
Trägerboden relokalisiert werden - alles Habitate unter Schutz der Europäischen Union. Zusätzlich
mussten mehr als 12 geschützte Pflanzenarten von ihren Standorten entnommen und im Botanischen
Garten Radzionków neu angesiedelt werden.
„Der Transfer seltener und geschützter Pflanzenarten und Pflanzengesellschaften ist eine Methode des
letzten Ausweges“, so Magdalena Maslak. Die Ersatzfläche liegt auf den mit Goldrute überwachsenen
Brachflächen des Ksieza Gora Hügels. Für die Einbettung der Vegetationsflächen waren aufwendige
Standortanalysen und Vorbereitungsinstallationen nötig. Riesige Folienbecken, Bassins mit
Bewässerungs- und Drainagesystemen wurden gebaut und mit einem geeigneten Unterbau versehen.
Auf diesen konnten dann die in Euro-Paletten Größe abgeschälten Pflanzenflecken (120cm x 80cm)
aufgesetzt werden. Das Ergebnis nach einem Jahr ist erstaunlich. Die Pflanzen scheinen den Umzug
schadlos überstanden zu haben und präsentieren sich als blühende Naturreservate mit zahlreichen
Orchideen und all den seltenen Pflanzen. Zählungen pro m² vorher und nachher erlauben den
Vergleich. Wurden z.B. am Originalstandort 80 Wildgladiolen gezählt, waren es in diesem Jahr in
Radzionków schon 420 Stück. In einer Molinia-Feuchtwiese hat sich sogar schon ein Schmetterling
eingestellt, den es nur in dieser Pflanzengesellschaft gibt. In der umgesiedelten Heidelandschaft stellt
sich schon jetzt die Frage, ob sie 1 x im Jahr gemäht werden muss oder ob von Schafen die Sukzession
von Phragmites und Birke abgeweidet werden soll.
163
Der Transfer von ganzen Vegetationsflächen ist eine Pioniertätigkeit in Polen. Weltweit wird er seit
den 80er Jahren als Teil des aktiven Umweltschutzes in Großbritannien, Nord Amerika und Neuseeland
eingesetzt. Dies sind aufwendige und kostspielige Unternehmungen mit Spezialausrüstungen, bei
denen der Herkunftsort wie auch die neue Zielfläche genauestens untersucht werden müssen.
Dr. Pawel Kojs nennt drei Gründe, die Kosten und Aufwand rechtfertigen:
1. Die transferierten Gesellschaften wären sonst ersatzlos zerstört worden.
2. Intensive Forschung und Langzeit Monitoring Programme müssen alle beteiligten
Parameter erfassen, dokumentieren und analysieren. Ein Datenvolumen, das man erst
jetzt aufbaut und das es erst ermöglicht, bei einer negativen Entwicklung der Pflanzen
unterstützend einzugreifen. Dafür sind diese abgegrenzten Bassins ideale Forschungs- und
Kontrolleinheiten, in denen jeder Einzelfaktor manipuliert werden kann.
3. Nur auf Basis dieser Grundlagenforschung und mit Kenntnis aller Parameter kann man an
anderen Standorten mit vergleichbaren Pflanzengesellschaften, die aufgrund von
Umweltveränderungen gefährdet sind, stützend oder schützend eingreifen.
Für 2014 ist in Radzionków eine Regionale Station für Umwelterziehung geplant. Das Gebäude mit
Labor, Multimedia-Raum und Mikroskopie-Labor ist zurzeit im Bau und soll die Grundlagen für
wissenschaftliches Arbeiten und pädagogische Aktivitäten ermöglichen. Im Habitat-Garten selbst
wurden exemplarische Sammlungen gepflanzt, wie eine dendrologische Sammlung mit heimischen
Laub- und Nadelbäumen, dekorative Sträucher sowie Rhododendron- und Heidekrautpflanzungen. Die
Mitarbeiter des Schlesischen Botanischen Gartens beteiligen sich an botanischen Forschungen und
erarbeiten einen Katalog gefährdeter lokaler Pflanzenstandorte.
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Hybrid Parks Final Conference in Köln 14. - 15. September 2014
Geoffroy de Longuemar, Association des Parcs et Jardins de Bretagne APJB
„Kulturelle Aspekte und der Schutz des Kunsterbes in Gärten“
Der Titel der Präsentation ist sehr weit gesteckt und streift Gesetzgebung, Steuergesetze,
Wirtschaftlichkeit, Erziehung, Gartengeschichte, Archäologie, Restaurierung und vieles mehr. Doch de
Longuemar konzentriert sich in seinem Vortrag auf den Aspekt der Kunst in den Gärten und der
Organisation von Kunst-Events in Parks, um mehr Besucher und Touristen anzuziehen.
Einleitung
„Gärten haben mit Kultur zu tun, zumindest genauso viel wie mit Natur, vielleicht sogar noch mehr“.
De Longuemar sieht Gärten auf der Grenze zwischen zwei Welten, der der Natur und der der Kunst, ja
sie bestimmen diese sogar. Dem Gartenbesucher ist jedoch nicht bewusst, dass er sich auf einer Grenze
bewegt …. da ein Garten vorwiegend aus natürlichen Elementen besteht, wie Pflanzen, Blumen, Stein
und Wasser. Doch „offensichtlich ist er (der Garten) nicht reine Natur, er ist auch geformt von Ideen,
Architektur, von einem Spektrum von Formen und Farben, die Gärten in Beziehung zur Malerei, zur
Skulptur setzen…“.
Im Hybrid Parks Programm kommt hier der Umweltschutz als Hauptanliegen hinzu mit Naturschutz,
ökologischem Gärtnern, Arten- und Habitat-Schutz, die heute ebenso Teil unserer Kultur sind wie
Wirtschaft, Erziehung oder Solidarität.
Doch der Unterhalt von Gärten bedeutet oft, „mit Natur gegen Natur“ zu arbeiten. Denn wie wir die
Natur in Gärten behandeln, ist weit entfernt von natürlichem Verhalten. „Bedenken Sie, wie viel
Gewalt der Natur in Gärten im Namen von Kultur angetan wird!“ Derart im Gegensatz zu Wachstum
und natürlichem Verhalten stehende Tätigkeiten wie Mähen, Beschneiden von Hecken und Büschen,
das Ziehen von geraden Linien, geometrischen Kurven, ebene Oberflächen, Graben, Pflanzen, Jäten –
„dieser Gegensatz zwischen Natur und Garten ist interessant im Gedächtnis zu halten, wenn wir von
Gärten im Hinblick auf Kultur sprechen“. Dieses offensichtliche Paradox gibt de Longuemar als
einleitende Überlegung und Gedankenanstoß.
Ein Wandel in der Geschichte
Manchmal mag es so scheinen, als ob Gärten außerhalb der Welt unseres modernen Lebens stehen,
Plätze von Frieden und Schönheit - aber sie stehen nicht außerhalb der Geschichte, sondern sind Teil
eines wechselnden historischen und ökonomischen Kontexts. Viele Parks waren in Zeit und Ort an
wirtschaftliche Macht gekoppelt. Als umgebendes Ornament nahmen sie architektonischen Bezug auf
Schlösser, Landhäuser und Gebäude, dienten dem Vergnügen des Spazierens und der Aussichten. Zu
diesen Zeiten waren Arbeitskräfte äußerst preiswert. Und es braucht viel Arbeitskraft, um Parks und
Gärten entsprechend zu unterhalten. Inzwischen haben sich diese Rahmenbedingungen so sehr
verändert, dass nur noch sehr wenige Parks und Gärten auf rein privater Basis überleben können. Ihr
Unterhalt fordert, was heute am kostspieligsten ist – Arbeitskraft.
Besonders in den letzten Jahrzehnten hat sich der Kontext dramatisch verändert. Wirtschaftliche
Überlegungen führen Eigentümer dahin, dass die rein private Nutzung ihrer Parks vergangenen
Generationen angehört. Es ist zur Regel geworden, diese privaten Räume zu öffnen, um durch
öffentliche Gelder die ehemals aus landwirtschaftlichem Einkommen stammende Unterhaltsbasis zu
ersetzen. Hierbei ist auch der Tourismus zum gebräuchlichen und notwendigen Weg geworden, den
Unterhalt der Parks zu finanzieren. So „haben wir schon Hybrid Parks gebildet“, ohne es damals zu
wissen.
Doch die Öffnung der privaten Räume für das Publikum, bedeutet nicht, dass das Publikum den Park
auch besucht. Und es stellt sich sehr bald die Frage, auf welche Art immer mehr Besucher angezogen
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werden können, um ein ökonomisches Gleichgewicht zu erreichen. Hierzu haben sich in ganz Europa
Netzwerke gebildet, die mit gemeinsamer Werbung, Websites, Broschüren und Flyer arbeiten. De
Longuemar ist überzeugt, dass der ganze Papierpart in Kürze von Apps mit Karten und Infos auf Tablets
und Smartphones ersetzt werden wird.
Doch all dies ist nicht genug. Um auch für die Presse interessant zu sein, gilt es immer wieder Neues
zu entwickeln, um Neugierde zu wecken.
In diesem Zusammenhang verweist er auf den Workshop in Cheshire 2013 in Quarry Bank Mill. Hier
hatte Tim Smit, der Erfinder des Eden Projekts zu einem Brainstorming aufgefordert, für die alte
Industrieanlage und ihr Umfeld neue attraktive Nutzungsmöglichkeiten zu finden. Ein Vorschlag war
unter anderen, eine große Modenshow zu entwickeln.
„Das führt zu der Notwendigkeit Events zu initiieren und zur Idee von Kunst in den Gärten. Wir
brauchen diese Events,… wir müssen uns immer wieder Neues ausdenken, um die Besucherzahl zu
erhöhen, um Besucher zu locken, damit sie wiederkommen und um neue Zielgruppen zu erreichen.“
Denn Gärten per se bringen selten Neues.
Kunst war schon immer eng mit Gärten verbunden.
1. Erst einmal weil „Garten Kunst ist“, wie Malerei, Skulptur, Architektur und Musik, auch wenn
Gärten nicht immer sofort als „Kunstwerke“ wahrgenommen werden. Aber sobald man sich
Gemälde von bekannten Gärten ansieht, wird sofort klar, dass sie nicht nur Wohlfühlorte sind,
die man betreten kann, sondern dass sie selber auch „Kunstwerke“ sind. Kunstwerke, in die
man hineintreten kann, die man also nicht nur von außen erlebt, sondern auch von innen. Ein
schönes Beispiel ist für de Longuemar der Garten von La Ballue, denn wenn man dort die
Terrasse und die Landschaft vor sich liegen sieht, hat man das unmittelbare Gefühl, dass dies
„Kunst ist“. Ein anderes gutes Beispiel, der ebenso während der Study Tour in die Bretagne
besucht wurde, ist der Garten von Kerdalo. (siehe Report zur Study Tour, Bretagne April 2014)
2. Zweitens, weil Statuen und Skulpturen ein traditioneller Schmuck von Gärten sind, wie auch
die Organisation von Tanz und Konzerten. Dies kann zu allen möglichen Arten von Events
ausgeweitet werden, wie Modenschauen, Blumenshows, Oldtimer Treffen,
Nachtinszenierungen, die alle zahlreiche Besucher anziehen.
Bei der Einführung von Kunstwerken in einen Garten muss man sich einen besonderen Aspekt
bewusst machen, der mit dem künstlerischen Zusammenhang des Vorschlags im Bezug auf die
bestehende Harmonie des Gartens zu tun hat. Selbst ein Kunstwerk, hat ein Garten sein
eigenes Gleichgewicht, seine eigene Perfektion. „Wenn man ein Kunstwerk in einen Garten
einfügt, „ muss man sich die Wechselwirkung der beiden bewusst machen,…und man muss
sicher sein, dass es eine konstruktive und positive Wirkung hat, keine negative: das Kunstwerk
muss dem Kunstwerk, das der Garten selbst ist, entsprechen. Sie müssen zueinander passen,
zusammenarbeiten, interagieren…“.
Als Beispiel dient de Longuemar die riesige Agave im Garten von Pellinec, der in der Bretagne
besichtigt wurde. Denn auch die Natur kann ein außergewöhnlicher Bildhauer sein… sie ist
dem Garten ebenbürtig. Die monumentale Agave „könnte ebenso eine Skulptur aus Metall in
einem unserer Gärten sein. Man könnte sogar die Idee aufgreifen, eine solche Skulptur
anzufertigen, aus Bronze oder besser noch Stahl, denn die Blätter müssen scharf und dünn
sein.“
Die Verbindung von Kunst und Gärten hilft, die Gärten zu bewerben und auch die Künstler. Wenn die
Künstler selbst berühmter als der Ort sind, mögen sie der Hauptanziehungspunkt sein und werden so
neue Besuchergruppen in die Gärten ziehen. „So wird Kunst zu Gärten führen und Gärten zur Kunst.“
Zwei Seiten der gleichen Medaille. Diese Wechselwirkung ist für de Longuemar besonders interessant
und vorteilhaft.
Von der Vielzahl erfolgreicher Best Practice Beispiele greift er die „Giardini La Mortella“ auf Ischia
heraus, die zur Konferenz in Assisi von Alexandra Vinciguerra vorgestellt worden waren (siehe dort).
„Musik und Landschaft als treibende Kraft für ein kulturelles Unternehmen“ wurde von der Witwe des
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Komponisten Sir William Walton (1902-1983) mit dem Landschaftsarchitekten Russell Page ab 1956
umgesetzt. In mehr als 50 Jahren entstand so auf 2 ha ein Garten, der die Liebe zur Natur und die
Schönheit der Musik auf einzigartige Weise verbindet. Hier verschmelzen die Kunst der Musik mit der
Musikalität des Gartens - Vogelgesang, das Geräusch des Wassers in Quellen und Brunnen, das die
Kompositionen von Walton ebenso inspirierten wie die Harmonie der Pflanzen in ihren
unterschiedlichen Farben, Blättern und Formen, dem Rhythmus von Licht und Schatten …
Heute werden zwei Konzertreihen mit mehr als 80 Konzerten im Open Air Theater mit Blick auf die
Steilküste gegeben, das seit 2007 ein ganzes Symphonie-Orchester aufnehmen kann. Freie
Meisterklassen fördern hier junge Musiktalente. 66.000 Besucher kommen in der Saison von April bis
Oktober. Dieses Beispiel zeigt, dass die Vermischung zweier Kulturbereiche zum Schutz von zwei
Kulturerben, Musik und Gärten, erfolgreich sein kann.
In La Ballue, in der Bretagne, wird das ganze Jahr über ein anspruchsvolles Musikleben gepflegt mit
hochrangiger Kammermusik in den Salons und Höfen. Die Besucher halten sich mit den Musikern und
Sängern im Park auf. So wird der Garten zur Brücke zwischen der Welt der Musik und
gesellschaftlichem Leben.
Der berühmte Dirigent William Christie hat in seinem Landhaus ‚Le Bâtiment‘ in der Vendée nun zum
3. Mal ein Musikfestival organisiert, das im Garten um seinen Landsitz aus dem 17.Jh. mit dem Titel „In
den Gärten von Christie“ stattfindet.
Auch Geoffroy de Longuemar gibt in seinem Landhaus ‚La Moglais‘ kleine Konzerte und beherbergt
Komponisten und Musiker in Residence. Für sein kleines Theater am Ende des Parterres hat er große
Pläne, ihm schwebt ein Kulturprojekt vor. Warum nicht hier regelmäßig Konzerte geben, warum nicht
ein Festival für Alte Musik, ein Aufnahmestudio, Künstleraufenthalte, Audioproduktionen u.a.? Zur
Zeit arbeitet er an der Förderung. Sein Projekt würde den Erhalt des Kulturerbes der Gesamtanlage mit
höchst anspruchsvollen Musik Events verbinden. „Ich glaube“, so Longuemar, „wir müssen sehr
konkrete Träume träumen, um im Erhalt des kulturellen Erbes weiterzukommen.“
Parks sind ein wunderbarer Ort, um Skulpturen auszustellen und die meisten werden schöne Orte
kennen. Ein besonderes Beispiel ist ein neues Projekt „Dialog mit der Natur“, das im letzten Jahr
erstmals auf Initiative von Jean Schalit stattfand, dem Eigentümer von Grand Launay (siehe Report
Study Tour Bretagne April 2014). Internationale Künstler sind eingeladen in Gärten, Landschaften,
natürlichen Szenerien mit Improvisationen, Skulpturen, Installationen und Tanz in Dialog mit der Natur
zu treten. Dies ist mehr als eine Ausstellung, vielmehr ein Erschaffen, durch das ein viel stärkerer Bezug
zum Gartenraum hergestellt werden kann. Der Künstler Daniel Buren zog so im letzten Jahr 2.500
Besucher in seinen einsam gelegenen Garten. Dieses Jahr waren es an vier Wochenenden im Juni 5.000
Menschen, die sich das Projekt an mehreren Orten angesehen haben.
Am Fluss Rance, nahe Saint-Malo, entstand vor zwei Jahren ein Festival mit dem allgemeinen Namen
„l’Art au fil de la Rance“, „Kunst entlang der Rance“, zu dem Künstler unterschiedliche Installationen
für besondere Orte der Natur oder unbekannte Gärten entwerfen.
Man sieht, dass ähnliche Ideen unabhängig voneinander und fast zeitgleich entstanden sind. Im
Gespräch mit unseren französischen, während des Projekts Hybrid Parks nun auch englischen und
deutschen Partnern, scheint es, dass ein Austausch im großen Rahmen wie auch interregionaler
Zusammenarbeit über Marketing, Organisation und Praxis für die Initiativen sehr hilfreich sein kann.
Und das sollte in naher Zukunft stattfinden.
Abschließend bekräftigte de Longuemar, dass Kunst und Gärten gute Verbündete sind und eine
großartige Entwicklungslinie, um das Erbe, das wir schützen wollen, lebendig zu halten. Mehr noch,
„die Heirat von Kunst und Gärten ist ein sehr gutes Beispiel für den hybriden Umgang mit Parks und
Gärten“.
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Ed Bennis, Landschaftsarchitekt, Manchester Metropolitan University, University of Novi Sad,
Serbien
Kultur : Schutz des Erbes
Parks und Gärten entwickeln sich stetig, manchmal so langsam, dass wir es gar nicht wahrnehmen. Mit
den Jahren wachsen Gärten, reifen und verfallen unbemerkt. Licht und Wetter verändern unsere
Wahrnehmung täglich, während die Jahreszeiten für den Garten den wiederkehrenden Zeitrahmen
bilden. Während die Natur den Garten verändert, ist für Ed Bennis der Einfluss des Menschen
unmittelbarer, wie in großen formalen Gärten des 17. Jahrhunderts, den Englischen Landschaftsgärten
des 18. Jahrhunderts, der Überfülle des 19. Jahrhunderts und der modernistischen Bewegung des 20.
Jahrhunderts zu sehen ist. „Wir
haben eine reiche reale, kulturelle, künstlerische und
umweltbezogene Geschichte von Parks und Gärten durch ganz Europa, mit dem Einfluss zahlreicher
Zeiten und Kulturen.“
Doch aufgrund wirtschaftlicher Zwänge, Vernachlässigung, Umweltgründen oder einfach
Gedankenlosigkeit ist ein großer Teil dieses Erbes stark gefährdet. Hybrid Parks handelt von der Rolle
und Vielschichtigkeit, die Parks bei überlegtem Wandel erreichen können, ein Wandel der feinfühlig,
innovativ und der heutigen Gesellschaft entsprechend ist. Hier verweist Ed Bennis auf die Präsentation
von Geoffroy de Longuemar, der den Garten als Bühne für Unterhaltung mit Musik und Performance
zeigt, bei geringem negativem Einfluss auf das Erbe selbst. Dies erschließt neue Besuchergruppen für
die Freuden im Garten und den Garten selbst als Kunstform.
Parks und Gärten sind ein idealer Veranstaltungsort für temporäre Shows und zur Generierung von
Geldern. Weltweit gibt es tausende Garten- und Blumen-Shows; sie alle gründen auf der allgemeinen
Liebe zu Blumen und der Faszination von Gärten. Die kleinsten sind einfache Pflanzenbörsen für einen
guten Zweck, die größten sind internationale Groß-Events wie Chelsea, Chaumont, Philadelphia und
Singapur. Sie haben einen kurzen Einfluss auf den Garten, in dem sie stattfinden, aber durch die
Werbung für Pflanzen, Parks und Gärten einen dauernden Einfluss auf das Bewusstsein der Besucher.
Het Loo in Holland, der königliche Palast von William und Mary, ist ein außergewöhnliches Beispiel für
Veränderung, wo der formale, vertiefte Garten des 17.Jhs. mit Erde aufgefüllt wurde, als zeitgemäße
Gärten der neuen informellen Mode des Englischen Landschaftsstils folgten. Erneuten Wandel gab es
im späten 20.Jh. als die formalen Gärten wiedereingeführt wurden als Symbol von nationaler Identität
und der wirtschaftlichen Bedeutung der holländischen Pflanzenindustrie. Die öffentliche
Wahrnehmung bezieht sich auf eine Gartenperiode, aber der Historiker kann eine unglaubliche
Geschichte des Gartens in einer Abfolge von Schichten aufzeigen, einen Palimpsest des Wandels. Eine
Abfolge verlorener Gärten, dann ein neuer Garten, eine neue Schicht.
Ed Bennis findet es weder notwendig noch wünschenswert, alle Parks und Gärten wiederherzustellen.
Topcider Park in Belgrad hat Gebäude und Einrichtungen aus seiner 200 jährigen Vergangenheit, der
Park heute bietet eine offene Landschaft aus naturisierenden Wäldern und offenen Flächen, die
dringend in der Stadt gebraucht werden. Pläne aus dem 19.Jh. zeigen ein anspruchsvolles Layout mit
ornamentalen Pflanzflächen, so völlig anders als die wildere Landschaft von heute. Die Natur hat
diesen Park inzwischen übernommen und er scheint so für die Bevölkerung von Belgrad wesentlich
nutzbarer als ein restaurierter Garten. Solange das Grundmuster des Parks bleibt, lässt es so auch
Möglichkeiten für zukünftige Generationen.
Es gibt Ikonen unter den Gärten, die das Beste an Design und Gedanken ihrer Zeit repräsentieren, wie
Stourhead oder Vaux le Vicomte. Auch in der jüngeren Vergangenheit gibt es ikonische Plätze, wie für
Ed Bennis das Werk von Dan Kiley im Miller Garten und Lincoln Center in New York City. Hier jedoch
liegt die Gefahr, dass solche Gärten im eigenen Gedächtnis als zu jung befunden werden. Lincoln
Center wurde neu gestaltet, mit anderen Baumsorten in einem anderen Arrangement und anderer
168
Unterpflanzung als der Entwurf. Dabei ging die ursprüngliche Atmosphäre mit dem Spiel von Licht und
Schatten durch die Baumauswahl von Dan Kiley leider verloren. Das originale Designkonzept des
Landschaftsarchitekten wurde ignoriert und die neue Gestaltung lässt die Feinheiten, die Kultiviertheit
und Schönheit der ursprünglichen Bepflanzung vermissen.
Der Wandel kann aber auch eher dramatisch und einfallsreich sein und neues Leben in den Park
bringen. Ed Bennis zeigt ein Beispiel der Trinidad Group in Wien, die eine Reihe von Illustrationen nach
Humphrey Repton’s Red Books anfertigten. Hier fügten sie in ein historisches Setting ikonische
Symbole des 20.Jhs. ein. Und die Limoneria wird zur Ferrari Tapada, wie ein Giardino Segreto, der das
Auto als Design Ikone zum Mittelpunkt des Raumes macht wie es im Mittelpunkt der Träume im 20.
Jahrhundert steht.
Zu Zeiten kann Wandel auch voller Gefahr und äußerst umstritten sein. Oulton Park (UK) ist ein von
Reptons Nachfolgern Emes und Webb gestalteter Landschaftspark aus dem frühen 19.Jh.. Zweifellos
ist die aktuelle Nutzung als ‚malerischste Rennstrecke Englands‘ höchst strittig, besonders für
Gartenhistoriker. Doch wenn man über den Teer hinausschaut wird die unveränderte, umgebende
Landschaft selbst bei 250kph Teil des Erlebnisses. Oulton hat eine unkonventionelle Form der Nutzung
gefunden, die normalerweise mit einem historischen Park unvereinbar scheint. Aber es funktioniert
und hat diese wertvolle Landschaft erhalten. Die Rennspur und leichten Gebäude können problemlos
entfernt werden und die Landschaft kehrt zurück. Wenn hingegen eine Wohnungsbaugesellschaft den
Park übernommen hätte, wäre er auf immer verloren.
Parks und Gärten können sich nach Eingriffen wie Garten-Shows, Pferde-, Auto-Shows erholen und das
in kurzer Zeit. Andere längere Eingriffe können vorsichtig in den Garten eingefügt werden wie in
Chaumont. Wiederum andere Formen der Entwicklungen können wie im Topcider oder Oulton Park
ablaufen. Aber nicht alle Parks sind nach Ed Bennis für eine Restaurierung geeignet, sondern die
meisten eignen sich eher für eine neue ‚Nutzungsschicht‘. Nutzungen, die unser Leben bereichern und
unterstützen, die lenkbar und sozial verträglich, wirtschaftlich und umweltfreundlich sind.
Ausschlaggebend für jede Entscheidung ist, dass Eingriffe reversibel sind. Jeder Garten und Park ist
einzigartig, jeder sollte verstanden und individuell behandelt werden. Leider gibt es nicht nur eine
Antwort. Es ist nicht das Geld, sondern unsere Vorstellung, die die zukünftige Rolle unserer Parks und
Gärten einschränkt.
Philip Smith, CEO International Garden Photographer of the Year, UK
“Kick off: Parks und Gärten – Mehr als schöne Bilder“
Philip Smith ist ein seit Jahren international anerkannter Gartenfotograf, dessen Fotos in zahlreichen
Zeitschriften und Büchern publiziert sind. Seine eigene Leidenschaft für die Fotografie begann als er
zehn Jahre alt war. Er ist Ausschussmitglied der „Professional Garden Photographer’s Association“.
Dabei bewegt ihn besonders die Frage, wie Menschen sich an Gärten erfreuen. Eine besondere Ebene
nehmen Gartenprojekte im Rahmen der „Images of a Green Planet“, der „Bilder eines Grünen
Planeten“ ein.
2006 gründete Philip Smith in Zusammenarbeit mit den Royal Botanic Gardens, Kew den Wettbewerb
„International Garden Photographer of the Year“ (IGPOTY), der der fotografischen Leidenschaft für
Gärten auf höchstem Niveau eine internationale Plattform geben will. IGPOTY ist weltweit der erste
offene Wettbewerb für Profis und Amateure mit Garten-, Pflanzen-, Blumen- und botanischer
Fotografie. Acht Jurymitglieder stellen sich bei 20.000 Einsendungen jedes Jahr erneut die Frage, was
das beste Foto auszeichnet. Eine große Ausstellung in Kew zeigt dann die prämierten und
herausragenden Bilder. Die Auswahl findet für acht Kategorien statt: Schönheit der Pflanzen, Tierleben
im Garten, Schöne Gärten, Wildblumen Landschaften, Überreiche Erde, Grün in der Stadt, Bäume/
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Wälder/ Forst, Atemberaubende Räume. Der 1.Preis ist mit € 7.000,- dotiert. Ein begleitender Bildband
dokumentiert die Preisträger jedes Jahres.
20.000 Besucher konnten sich in diesem Jahr einen persönlichen Eindruck von dieser besonderen
Bilderwelt in Kew machen. Das Ausstellungskonzept zeigt sie dabei in einer Indoor-Galerie in den
Innenräumen eines Glashauses aus dem 18.Jh.. Die Outdoor-Variante ist wetterfest und hat eher einen
informellen Charakter. Für außen wurde hierfür ein System mobiler Stellwände entwickelt, die so
zusätzliche Besuchergruppen anziehen, die sonst nicht unbedingt in eine geschlossene Ausstellung
gegangen wären. Begleitend zu den Ausstellungen finden Workshops und Vorlesungen zur
Gartenfotografie statt.
Die IGPOTY Ausstellungen touren ganz England und zu ausgewählten Orten in der ganzen Welt. Für
spezielle Räumlichkeiten oder zu besonderen Themen können sie individuell zusammengestellt
werden. Ein sortiertes Merchandise Programm (Bücher, Karten, Drucke) unterstützt die Themen. So
geht die diesjährige Ausstellung nach Sintra, Mikolów, Wisley, New York, Sydney und Edinburgh.
Eine wichtige Rolle spielt in digitalen Zeiten die Website als Plattform. Die IGPOTY Website hat 18.000
registrierte Klicks aus 146 Ländern und 5.000 Followers auf Facebook.
www.igpoty.com
Todd Forrest, Vice President for Horticulture and Living Collections, The New York Botanical Garden
(USA)
“Die öffentliche Wahrnehmung – Der Botanische Garten New York“
Todd Forrest gab einen Überblick über die Entstehungsgeschichte des Botanischen Gartens in der
Bronx und seine weitere Entwicklung, die im Einklang mit den Prinzipien von Hybrid Parks erfolgt:
Erweiterung des Besucherspektrums durch das Angebot unterschiedlicher Programme, ökonomische
Möglichkeiten für angrenzende Nachbarschaften, Bewusstmachung der Einflüsse des Klimawandels
auf unsere direkte Umwelt durch neue Gärten und Ausstellungen. Todd Forrests Präsentation bezog
sich auf drei Bereiche: das Ausstellungsprogramm, das Kunst und Gärten verbindet, um zu
verdeutlichen, wie sehr Pflanzen und Gärten die Arbeit bekannter Künstler beeinflusst haben; die
Garten-Bildungsprogramme für Kinder, die 90.000 Schulkinder erreichen; und die laufenden
Restaurierungsarbeiten der historischen Landschaft des Parks, mit Betonung auf nachhaltigere und
umweltfreundlichere Eingriffe.
Der New York Botanical Garden wurde 1891 auf den landschaftlich reizvollen Ländereien des
Tabakmagnaten Lorillard in der heutigen Bronx angelegt. Der Botaniker der Columbia Universität
Nathaniel Britton vom Torrey Botanical Club machte die Finanzierung über eine öffentliche
Spendenkampagne möglich. Britton und seine Frau waren von den Royal Gardens Kew in London
inspiriert und wollten diesen mit dem Botanischen Garten und dem Bau von vergleichbaren
Glashäusern in New York nacheifern. Sie dachten „auch New York braucht ein Kew“, so Todd Forrest.
Seit 1967 ist der 100 ha große Park Nationales Denkmal. Jährlich kommen mehr als 900.000 Besucher
in die Bronx. Da die Bronx ein sehr armer Stadtteil ist, ist der Eintritt von sonst $13,- an zwei Tagen in
der Woche (Mi u. Sa) kostenlos und der Park an diesen Tagen entsprechend überfüllt.
Heute zeigt der Botanische Garten 50 Schaugärten und Pflanzensammlungen. Ein Gartenhighlight zu
jeder Jahreszeit ist das Enid A. Haupt Conservatory, ein viktorianisches Glashaus von 1902 mit einer
Struktur aus Schmiedeeisen, das dem Kristallpalast zur Weltausstellung in London 1851
nachempfunden war. Hier kann man eine „ecotour“ um die Welt machen durch 11
Pflanzengesellschaften vom tropischen Regenwald bis zu Kakteenwüsten und Wasserhabitats. In den
Glashäusern finden auch die jährlichen Blumenshows und zahlreiche gut besuchte Ausstellungen statt.
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Weniger bekannt ist, dass zum Gelände des Parks 20ha eines mehr als dreihundert Jahre alten Waldes
gehören. Es sind die letzten unberührten Reste des ursprünglichen Forsts, der ganz New York bedeckte,
bevor im 17.Jh. die europäischen Siedler kamen. Seine Ursprünge sind unklar. Es ist eine Art Urwald
mit natürlichen Beständen von Helmlocks-Tannen, der nie bewirtschaftet wurde. Hier wachsen auch
alte Eichen, Amerikanische Buchen, Kirschen, Birken, Tulpenbäume und Weiße Eschen. Der Bronx
River, der einzige Frischwasserfluss der Metropole, führt mitten hindurch und bildet auf eben diesem
Abschnitt einen malerischen Fluss-Canyon mit dramatischen Stromschnellen. Der Wald war wie der
gesamte Park unter Schutz gestellt und Schutz bedeutete, „do nothing - nichts zu tun“. Doch nach Todd
Forrest wird das der Realität heute nicht mehr gerecht. Seit zehn Jahren werden mit Hilfe von
Freiwilligen eingewanderte Fremdsorten herausgeschlagen und die Flächen behutsam aufgeforstet.
Am Bronx River liegt auch die Stone Mill von 1840, die ehemalige Lorillard Tabakmühle, die heute
Zentrum für Umwelterziehung und regionale Pflanzenkunde ist. Im Mittelpunkt stehen heute
besonders Fragen der Ökologie, Habitat Forschung, Management und Ethnobotanik.
Hier erwähnt Todd Forrest John Mullaly, den sogenannten Vater des Bronx Parks Systems, der 1887
ein illustriertes Buch über 4.000 Acre öffentlicher Grünflächen in der Bronx veröffentlichte: „Parks
beyond the Harlem“. Der bekannte Journalist und Herausgeber setzte sich zeitlebens für die Funktion
von Gärten für Gesundheit und Erziehung ein. „Lernen ohne zu studieren, Wissen erwerben ohne ein
Buch zu öffnen. Was sie lesen ist vergessen, was sie erfahren, bleibt im Gedächtnis (Learn without
studying, acquire knowledge without opening a book. What they read is forgotten, what they
experience remains in their memory)“. Dies zieht sich wie ein Motto bis heute durch die
gartenpädagogischen Einrichtungen und Initiativen, die ein weiterer Schwerpunkt des Botanischen
Gartens sind. Lehrgärten für jedes Schuljahr ermöglichen es durch praktische Arbeit zu lernen und
stärken die Auseinandersetzung mit der Umwelt.
Auch der Garten selbst ist durch die aktuellen zeitgemäßen Umweltthemen Veränderungen
unterworfen. Heute stellen sich Fragen wie zum Management invasiver Spezies, dem Schutz des Bronx
Rivers und zum nachhaltigen Gärtnern. Beispiel hierfür ist der Peggy Rockefeller Rosengarten, der 1916
von Beatrix Jones Farrand angelegt worden war. Ihr auf Dreiecken aufgebauter Entwurf entsprach dem
unregelmäßigen Gelände. Von einem Baum im Zentrum mit umgebenden Rankgerüsten für Rosen
gingen radial Beete und Wege aus. Hier wurde das Emblem der US floral umgesetzt. „Hübsch“ sollte
er nach damaligem Geschmack sein. In den 60ern verfiel er völlig und wurde in den 1980ern restauriert
und neu angepflanzt. Er war das Geburtstagsgeschenk von David Rockefeller an seine Frau Peggy, die
eine glühende Rosenliebhaberin war. Problem war nur, dass die Rosen den falschen Standort hatten
und wiederum alle starben. Seit 15 Jahren nun erfolgt eine Umstellung im Sinne des pestizidfreien,
nachhaltigen Gärtnerns. Mit der ständigen Unterstützung von David Rockefeller wurde der Garten
2006 – 2007 erneut umgestaltet. Pflegeintensive Rosen wurden durch neue Züchtungen ersetzt, die
nach Resistenz, langen Blühphasen und leichter Pflege ausgewählt wurden. Heute ist der Rosengarten
mit über 670 gesund blühenden Sorten ein Showcase für Nachhaltigkeit und zieht breite
Besuchermassen an, die viele Ideen für eigene Gärten zu Hause mitnehmen. Er erhielt internationale
Preise und wurde 2012 von der Weltorganisation der Rosengesellschaften zu den besten Rosengärten
der Welt gezählt.
Eine besondere Rolle spielt der Native Plant Garden mit natürlichen Wildpflanzen in Wiesen, Sümpfen,
Seen und Wäldern. Fast alle der 100.000 Pflanzen des Gartens sind in Nordamerika heimisch. Die
Restaurierung dieser historischen Landschaft des Parks stellt erneut die Frage nach der ständigen
Veränderung der Pflanzengesellschaften durch neue, teils invasive Arten. Da der Wildgarten bisher
eine unzusammenhängende Folge einzelner Bereiche war, wurden diese nun durch ein integrierendes
Konzept verbunden. Dabei macht es das neue Design möglich, sich die natürlichen Gegebenheiten zur
Entstehungszeit des Botanischen Gartens vorzustellen und die weitere Entwicklung nachzuvollziehen.
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