Indianische Gegenwart - Aktionsgruppe Indianer und

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Indianische Gegenwart - Aktionsgruppe Indianer und
ISSN 0939-4362 Postvertriebsstück B
30651 F
Preis 4,50 Euro / 8,00 SFr - Nr. 58 - Sommer 2003
COYOTE
Indianische Gegenwart
Entwicklungen – Hintergründe – Engagement
FNGA
Selbtbestimmung statt
Paternalismus
Western Shoshone
Kampf gegen
Regierung und
Konzerne
Grassy Narrows
Wir geben niemals auf
Winona LaDuke
White Earth Land
Recovery Project
Long Walk Home
Inhaltsverzeichnis + Inhaltsverzeichnis + Inhaltsverzeichnis + Inhaltsverzeichnis
NEWS
Politik
FNGA
Kurznachrichten ....................................................................................................... 4
Selbstbestimmung statt Paternalismus
Kanadas Indigene wehren sich gegen neues Indianergesetz .................................... 7
GRASSY NARROWS
Wir geben niemals auf!
Blockade der Grassy Narrows geht weiter ............................................................... 9
LUBICON
Lubicon-Verhandlungen im Schlussspurt
Nachrichten aus der Provinz Alberta ..................................................................... 10
WESTERN SHOSHONE
Zwischen Bagdad und Nevada
Western Shoshone im Kampf gegen Regierung und Konzerne ............................... 11
IRAKKRIEG
Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer ........................................................... 14
LEWIS & CLARK
Kein Grund zum Feiern
Forscher, Touristen und Müllplatz auf Indianerland .............................................. 15
SUN PEAKS
Ausgesperrt aus dem eigenen Land
Bewährungsstrafen und Zutrittsverbot für vier Secwepemc-Frauen ...................... 17
UMWELTGESETZE
Profit statt Natur
Neue Angriffe auf den Naturschutz in den USA ..................................................... 23
PERMANENT FORUM
Think positive!
Sitzung des Permanent Forum in New York ........................................................... 24
WORKING FOREST
Ausverkauf in British Columbia
„Working Forest“-Projekt der Regierung Campbell ............................................. 25
FISCHEREIRECHTE
Im Netz der Repression
Fischereirechte der Indianer bedroht ..................................................................... 26
Offener Brief an Fischereiminister ......................................................................... 27
WINONA LADUKE
Donnervogelfrau
Winona LaDuke und White Earth Land Recovery Project ..................................... 28
INTERN
Leserumfrage ......................................................................................................... 19
Kultur
LITERATUR
Atlas der Globalisierung ........................................................................................ 32
FILM
Long Walk Home
Das verdrängte Schicksal der Aborigines .............................................................. 34
Service
Impressum/Termine ............................................................................................... 37
Bestellformular ...................................................................................................... 38
Sales Corner ........................................................................................................... 39
Abonnentenhinweis!
Titelbild: Protest gegen den First Nations Governance Act
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Wir bitten, uns bei Änderungen der Adresse oder
Bankverbindung umgehend zu informieren.
COYOTE 2/03
München, im Juni 2003
Liebe Leserinnen und Leser,
die vorliegende Ausgabe erscheint zu einer Zeit, in der sich in ganz Kanada Widerstand gegen die Politik
der Regierungen - sowohl auf Bundes- als auch Provinzebene - meldet. Seien es die Fischereirechte in
British Columbia, die Situation der Secwepemc und ihr Kampf gegen Sun Peaks oder neue Entwicklungen
in der Abholzungspolitik. Nicht zuletzt geht der erbitterte Widerstand der Grassy Narrows in Ontario
gegen die Holzgiganten Abitibi und Weyerhaeuser ungemindert weiter, deren Blockade seit vergangenen
Dezember mittlerweile von vielen anderen indianischen Nationen unterstützt wird.
Auch in den USA sehen sich die Indianer dem vermehrten Drängen der Regierung und Konzerne nach
den kostbaren Rohstoffen in ihrem Land ausgesetzt. Prominentes Beispiel hierfür sind die Western Shoshone, die sich zugleich gegen Goldabbau, Atommüll und Konfiszierungen ihrer Rinder und Pferde wehren
müssen. Die Politik auf der Weltbühne - man denke nur an den Irakkrieg und seine noch nicht absehbaren
Folgen - wirkt auch auf die indigenen Völker Amerikas zurück. Vermeintlichen Sicherheitsinteressen und
dem Wunsch nach Unabhängigkeit im Energiesektor werden indianische Rechte bedingungslos geopfert.
Schon steht die Energielobby vor den Türen Alaskas und wartet darauf, die letzten unberührten Gebiete
auszubeuten. Doch nicht allein die wirtschaftliche Gier setzt sich über die Interessen der Ureinwohner
hinweg, sondern auch eine zunehmende Militarisierung der Politik.
Indigene Völker werden zum Spielball einer Globalisierung, die sich immer stärker einem Imperialismus
nähert, den die Indianer schon seit dem ersten Kontakt mit den Weißen schmerzlich erfahren mussten. Aus
den vielen Brennpunkten ergibt sich, dass in dieser Ausgabe die politische Berichterstattung überwiegt.
Nicht vergessen sei jedoch ein Hinweis auf die Filmbesprechung zu „Long Walk Home“, einem Film über
das Schicksal der australischen Ureinwohner, die ein ähnliches Martyrium erleiden mussten wie die
indigenen Völker Nordamerikas, jedoch keinen „Winnetou“ aufweisen können, der ihnen wenigstens
verkitschte Sympathie hätte eintragen können. Wir als Unterstützer indigener Völker in Nordamerika
verschließen vor den weltweiten Entwicklungen keinesfalls die Augen, doch gibt es derzeit in Kanada und
den USA so viel Handlungsbedarf, dass wir unsere Anstrengungen intensivieren müssen, um die Rechte
der Indianer durchzusetzen. Wir brauchen dazu Ihre Hilfe!
Um unsere Berichterstattung und die damit verbundene Motivation zur aktiven Unterstützung zu
verbessern, findet sich in der Mitte des Hefts eine Leserbefragung. Wir bitten alle, diese Befragung
auszufüllen und an uns zurückzuschicken! - Es lohnt!
Wir möchten nochmals daran erinnern, dass wir ohne finanzielle Unterstützung unsere wichtige Arbeit
nicht leisten können. Leider sind auf unseren letzten Spendenauruf lediglich 30 Euro eingegangen. Wir
waren hinsichtlich der schwachen Reaktion überrascht und betrübt zugleich.Wir möchten nochmals
appellieren, unsere Arbeit aktiv und finanziell zu unterstützen.
Monika Seiller
COYOTE 2/03
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News + News +News +News + News + News +News +News + News + News
Wahlniederlage für Separatisten
Zutritt verboten!
Bei den Wahlen in der frankophonen Provinz Quebec am
14.04.2003 mussten die bisher regierenden Separatisten
der Parti Quebecois eine bittere Niederlage einstecken.
Mit nur 32 % der Stimmen (45 Sitze) fiel sie weit hinter
die liberale Partei zurück, die mit 46 % im Parlament 76
Sitze erringen konnte. Die Partei des kanadischen Premierministers Jean Chretien stellt nun auch den
neuen Premier der Provinz, Jean Charest, der
den bisherigen Amtsinhaber Bernard Landry
ablöst. Charest hatte vor
allem mit Steuersenkungen und mehr Geld für
die sozialen Bereiche,
u.a. Schul- und Gesundheitswesen, geworben.
Wahlsieger Jean Charest
Anfang März trafen sich spirituelle Führer der Lakota,
Dakota, Nakota, Cheyenne und Arapaho in Eagle Butte,
South Dakota, um das weitere Vorgehen gegen den Missbrauch ihrer traditionellen Zeremonien durch weiße Esoteriker zu diskutieren.
Konkurrenz erhielt die Parti Quebecois auch von der Protestpartei Action Democratique du Quebec, die immerhin
18,2 Prozent der Stimmen erhielt und nun mit fünf Abgeordneten ins Parlament zieht. Eine Absage an den Separatismus der Provinz kann aus den Wahlen noch nicht abgeleitet werden, denn viele Quebecer streben nach wie vor
die Unabhängigkeit von Kanada an, doch mit der
inzwischen auch in der Atlantikprovinz angespannten
Wirtschaftslage schwindet die Lust auf Experimente. Premierminister Chretien zeigte sich natürlich hocherfreut
über den Erfolg seiner Parteikollegen und beschwor die
Stabilität Kanadas. Vielleicht zu früh, denn das nächste
Referendum kommt bestimmt, und den Indianern kann es
egal sein, denn auch die Liberalen zeigten sich bislang
wenig offen für die Interessen der Ureinwohner.
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Für eine nuklearfreie Zukunft:
International Peace Pilgrimage
Vom Dezember 2003 bis August 2004 findet ein Friedensmarsch der Atomgegner statt, der in Australien beginnt
und in Hiroshima endet. Der Protest gegen die Zerstörung von Mensch und Natur durch die zivile und militärische Atomnutzung verbindet Aktivisten in Australien, die
sich gegen den Uranabbau bei den Aboriginals in Roxby
Downs wehren mit den Western Shoshone, die gegen ein
atomares Endlager auf ihrem Land in den Yucca Mountains kämpfen ebenso wie mit Anti-Atomgegnern, die vor
den Anlagen in Sellafield oder La Havre protestieren.
Aufgerufen wurde zu dem Protestmarsch von Friends of
the Earth, der Australian Conservation Foundation sowie
von Gensuikin, den Opfern der Atombombenabwürfe auf
Hiroshima und Nagasaki, und er wird von vielen weiteren Organisationen und Gemeinden unterstützt.
Informationen: International Peace Pilgrimage
P.O. Box 430, Wonthaggi 3995, Victoria, Australien
http://nuclearfreefuture.tripod.com
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In der Vergangenheit war es immer wieder zu Störungen
gekommen, und Weiße beteiligten sich uneingeladen an
Zeremonien, die nur Indianern vorbehalten sind. Dies zeigt
nicht nur mangelnden Respekt vor Kultur und Religion
der Indianer, sondern ist schlicht kulturelle Ausbeutung.
Unter Vorsitz von Chief Arvol Looking Horse beschloss
die Versammlung, ab sofort allen Weißen den Zutritt zu
ihren Zeremonien – Sonnentanz, Visionssuche, Einweihungsriten etc. – zu verweigern. Die Teilnahme anderer
indigener Völker jenseits der Prairiestämme soll jedoch
weiterhin gewährleistet werden.
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Indianerdenkmal
am Little
Bighorn
Die Schlacht am
Little Bighorn
1876, bei der Custers 7. Kavallerie
vernichtend geschlagen wurde, gilt als wohl größter Sieg
der Indianer über die US-Armee. Bislang gab es an der
historischen Stätte jedoch nur ein Denkmal für die gefallenen US-Soldaten, das 1881 errichtet wurde. Das sollte
sich nun ändern. Am Erinnerungstag, der jährlich am 25.
Juni begangen wird, wurde nun endlich auch ein Monument im Gedenken an
die Indianer errichtet
– das erste und einzige seiner Art, wie die
Indianer stolz verkünden. Die Aufstellung
wurde bereits 1991
unter der ersten Regierung Bush beschlossen, konnte
aber erst jetzt unter
seinem Sohn für $ 2,3
Mio. in Auftrag gegeben werden. Die Bildhauerin Colleen Cutschall fertigte die
Skulptur mit dem Titel „Spirit Warrior“ nach den Entwürfen des Architektenpaars Alison Towers und John Collins. Das Denkmal wird wohl viele Touristen anziehen.
COYOTE 2/03
News + News +News +News + News + News +News +News + News + News
Auszeichnung für
Robbie Robertson
Am 28. März wurde der
indianische Musiker
Robbie Robertson mit
einem Preis für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Robertson war einer
von 14 weiteren Geehrten, welche den „National Aboriginal Achievement Award“ zugesprochen bekamen, der von der „National Achievement Award Foundation“ vergeben wird, die vor 10 Jahren im Zusammenhang mit der UN-Dekade der Indigenen Völker gegründet wurde. Die Stiftung zeichnet jährlich herausragende
Persönlichkeiten aus, die sich in besonderer Weise um die
indianischen Völker verdient gemacht haben. Unter den
Preisträgern finden sich Künstler, Wissenschaftler, aber
auch Unternehmer.
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Umweltministerin zurückgetreten
Als Gouverneurin von New Jersey hatte sich Christine
Todd Whitman noch den Ruf einer Umweltschützerin erworben und am Anfang der Regierungszeit der Bush-Administration erweckte sie den Anschein, als wolle sie als
Umweltministerin der ansonsten nicht gerade umweltfreundlichen Regierung grünes Gewissen einhauchen. Die
Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls sei eine Frage der
Glaubwürdigkeit der USA in der internationalen Gemeinschaft, hatte sie verkündet, doch kaum entledigte sich Bush
eben dieser Glaubwürdigkeit, erfolgte nicht etwa ein Aufschrei aus dem Umweltministerium, sondern ein plötzlicher Meinungsumschwung. Nun wollte sie von Kyoto und
internationalen Abkommen nichts mehr hören und enttäuschte die vage Hoffnung der Umweltschützer, auch die
USA seien zu ökologischen Erkenntnissen fähig. Ende Mai
erklärte Christine Todd Whitman nun ihren Rücktritt, nachdem sie auch wegen persönlicher Vorteilnahme in die
Kritik geraten war. Enttäuschte Hoffnungen der Umweltschützer muss die Nachfolgerin nicht befürchten, denn bei
der designierten Josephine Cooper weiß die Öffentlichkeit, was sie erwarten kann, denn die neue Umweltministerin war bislang Präsidentin der Allianz der Automobilhersteller. Gib Gas, ich will Spaß!
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International Water Forum
Vom 16. bis 22. März 2003 fand in Kyoto, Japan, das „3.
World Water Forum“ statt, an dem rund 40 indigene Vertreter teilnahmen.
In allen Regionen der Welt sind insbesondere die indigenen Völker auf den Schutz der natürlichen Wasserreserven für den Erhalt ihrer Wirtschaft und kulturellen Identität angewiesen. Die Vereinten Nationen erklärten 2003
COYOTE 2/03
zum „International Year of the Water“. Zur Bestärkung
der herausragenden Bedeutung des Wassers für das Überleben der indigenen Völker, verfassten die indigenen Teilnehmer die „Indigenous Peoples Kyoto Water Declaration“, die sich mit der indigenen Beziehung zum Wasser,
dessen Zustand sowie dem Recht auf sauberes Wasser und
Selbstbestimmung auseinandersetzt.
Zentrales Anliegen der Indigenen ist vor allem das Konsultationsrecht bei allen Projekten, welche in ihre kulturelle und wirtschaftliche Existenz eingreifen. Die internationale Staatengemeinschaft hat bislang sträflich versäumt, die Rechte der Indigenen anzuerkennen, zu schützen und deren traditionelles Wissen zu nutzen. Zunehmende Umweltverschmutzung und anhaltende Dürre bedrohen die Wasserreserven der Welt, hemmungslos beutet die
Industrie die verbleibenden Ressourcen auf Kosten der
Menschheit aus. Der Anspruch auf eine nachhaltige Entwicklung bleibt zumeist ein Papiertiger, den die führenden Industrienationen höchstens als Deckmäntelchen für
ihre brutalen Wirtschaftsinteressen gelten lassen. Internationale Vereinbarungen, z.B. im Rahmen der ILO (Internationale Arbeitsorganisation der UN) verlangen die Einbeziehung der indigenen Völker, doch selten wird die
Wirklichkeit diesem Anspruch gerecht.
Der vollständige Text der Deklaration findet sich auf:
www.tebtebba.org (siehe auch hintere Umschlagseite)
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Entschädigung für Indianer in Saskatchewan
In der Nähe von Regina, der Hauptstadt der Prärieprovinz
Saskatchewan, schlossen die Kahkewistahaw First Nation und die kanadische Bundesregierung ein Entschädigungsabkommen über Land, das den Indianern im Jahr
1907 widerrechtlich fortgenommen worden war. Das Gebiet im Umfang von 114 km² war damals ohne weitere
Konsultation oder gar Entschädigung an weiße Siedler
verkauft worden.
Die Kahkewistahaw First Nation strengte seit 1989 ein
Verfahren bei der Indian Claims Commission (ICC) an,
das die Zurückweisung ihrer Ansprüche seitens der Kanadischen Bundesregierung zum Gegenstand hatte. Die
ICC empfahl der Regierung schließlich in Entschädigungsverhandlungen mit den Indianern zu treten, die schließlich
am 24. 6. 2003 von Erfolg für die Indianer gekrönt waren
Für die fast ein Jahrhundert dauernde Ungerechtigkeit
wurden die Indianer mit 94,6 Millionen kanadischen Dollar (ca. 61 Mio. €) entschädigt. Nur in Alberta wurde bisher
eine ähnlich hohe Entschädigung ausgehandelt: Im Jahr
2001 erhielt die Horse Lake First Nation in einem ähnlichen Fall 125 Millionen Dollar (ca. 81 Mio. €) zugesprochen.
Aufmerksam verfolgten die Lubicon Cree im nördlichen
Alberta die Verhandlungen. Schließlich wurden aus ihrem traditionellen Nutzungsgebiet im Umfang von etwa
10 000 km² über eineinhalb Jahrzehnte Öl- und Gasreserven abgepumpt, ohne, dass sie bisher dafür einen Dollar
Entschädigung erhalten haben.
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News + News +News +News + News + News +News +News + News + News
„Kill the Indian, save the man!“
Sexueller Missbrauch von Indianern vor Gericht
Sexueller Missbrauch an indianischen Kindern ist ein
schweres Verbrechen, doch wenn er systematisch betrieben wird, gleicht er einem Völkermord. Immer wieder gab
es in den letzten Jahren Berichte und Anklagen vor allem
gegen Priester auf den Reservatsschulen. Nun hat eine Reihe von ehemaligen Schülern der St. Francis Mission, einem Jesuiteninternat, auf der Rosebud Reservation in
South Dakota eine $ 25-Millionen-Sammelklage eingereicht gegen die Regierung in Washington, welche bis in
die 70er Jahre die Aufsicht über die Schulen hatte, bevor
die Zuständigkeit mit dem Indian Self-Determination Act
1975 bzw. Indian Education Act 1978 an die Stammesverwaltungen übergeben wurde. Die Zahl der Zeugen geht
in die Hunderte.
Der Anwalt der Kläger, Jeff Herman, verweist darauf, dass
Gewalt und sexueller Missbrauch keine Einzeltaten waren, sondern systematisch rund um die Uhr gegen die Kinder eingesetzt wurden, um sie physisch und psychisch zu
zerstören. Auch Charles Haines, Professor an der University in Lawrence, Kansas, der die Geschichte der Internatsschulen über Jahre hinweg erforscht hat, unterstreicht
den systematischen Charakter der Gewalt, denn „die Leute,
die diese Schulen geleitet haben, versuchten eine Kultur
zu zerstören“.
Sowohl die Kirchenvertreter als auch das Justizministerium waren bislang zu keiner Stellungnahme bereit. Kein
Wunder, denn die Klage ist nur die Spitze des Eisbergs,
der bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zurückreicht.
Damals wollte man die Indianer in den Reservaten möglich schnell assimilieren. Mit dem rassistischen Motto „Tötet den Indianer und rettet den Menschen“ errichteten die
Behörden Internatsschulen auf den Reservaten bzw. beauftragten die Kirchen mit der Einrichtung, für deren
Unterhalt die Regierung an die Kirchen zahlte. Vor allem
in den 20er und 30er Jahren wurden indianische Kinder
ihren Eltern entrissen und in die Internate zwangseingeliefert. Später verfeinerten sich die Methoden und man
erpresste die Familien, ihre Kinder „freiwillig“ in die Schulen und Internate zu schicken, da sie andernfalls keine soziale und finanzielle Unterstützung erhielten.
Die Vorgänge wurden jahrzehntelang von offizieller Seite ignoriert und tot geschwiegen. Erst die landesweiten
Schlagzeilen über sexuellen Missbrauch durch Priester,
die Amerika – auch im eigenen Selbstverständnis – erschütterten, brachten den Stein ins Rollen und lenkten die
Aufmerksamkeit auf die Reservatssituation. Zwar hat sich
das Innenministerium inzwischen für die „Fehler der Vergangenheit“ halbherzig entschuldigt, doch eine Entschädigung erfolgte nicht. Auch einige Priester und Nonnen
entschuldigten sich für die Brutalität des Systems der Internatsschulen, doch zahlreiche Kirchenvertreter – vor
allem in der höheren Hierarchie – weisen die Anschuldigungen als hysterische Übertreibungen zurück.
Aufgrund ähnlicher Klagen wurde unterdessen in Kanada ein „Healing Fund“ mit $ 240 Millionen eingerichtet,
doch auch dort leiden die Opfer bis heute unter den Erfahrungen des repressiven Systems. Zudem hatten die Kinder bis zum Aufkommen der Survival Schools keine andere Ausbildungsmöglichkeit als die BIA-Schulen und
christlichen Internate. Das rassistische System verzichtete kaum auf eine Methode, den Indianern das kulturelle
Rückgrat zu brechen: ein Verbot der eigenen Sprache war
ebenso an der Tagesordnung, wie die perfide Methode,
ältere Schüler zu zwingen, jüngere zu schlagen, um die
Solidarität der Gruppe zu zerstören. Floyd Hand von der
Pine Ridge Reservation bezeichnet daher die Schulen als
Gefängniscamps, die viele Opfer in Elend und Selbstmord
getrieben haben. Die meisten Opfer hatten Angst, von ihrem Martyrium zu berichten, da sie weitere Strafen fürchteten und ihren Familien das Leid ersparen wollten, so
dass sich das Problem über Generationen hinfort setzte.
Mit der Klage ist nun der Bann des Schweigens gebrochen und die Opfer werden lernen, über ihr Trauma zu
reden – ein erster Schritt zur Heilung.
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Nachfolgerin für
McCaleb
Der bisherige BIAChef Neil McCaleb
hatte für Ende Juni
seinen Rückritt angekündigt. Das BIA,
dessen Homepage
auch schon seit bald
zwei Jahren brach
liegt, bräuchte dringend eine neue Leitung. Aurene Martin
(siehe Bild) wurde nun von Innenministerin Gale Norton
als „Acting Assistant Secretary - Indian Affairs“ benannt.
Aurene Martin hatte zuvor Erfahrung auf diesem Gebiet
als Mitglied des Senatsausschusses für Indianerfragen
sammeln können. Sie wuchs auf der Menominee Reservation in Wisconsin auf und ist gelernte Juristin. Auf sie
wartet viel Arbeit.
Nachrichten: Monika Seiller
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COYOTE 2/03
FNGA
Selbstbestimmungsrecht statt Paternalismus
Kanadas Indigene wehren sich gegen neues Indianergesetz
Der Protest der indigenen Völker Kanadas gegen drei Gesetzesinitiativen des kanadischen Indianerministers
Robert Nault, welche den bestehenden Indian Act umschreiben, wächst von Tag zu Tag und findet auch bei
Abgeordneten sowie der kanadischen Öffentlichkeit Unterstützung. Wie im letzten Coyote ausführlich
berichtet würde vor allem der Gesetzentwurf C-7, der First Nations Governance Act (FNGA), einschneidende Änderungen im bisherigen System hervorrufen, die einer Aufhebung jeglichen Selbstbestimmungsrechts
gleichkommen.
Die Kette der Demonstrationen und
Protestmärsche in Kanada nimmt kein
Ende. Am 04. Juni demonstrierten
indigene Vertreter erneut in Vancouver und verlangten ein Ende des
FNGA. Bereits am 02. Mai hatten sich
1.500 Demonstranten vor dem Parlament versammelt, um ihr Selbstbestimmungsrecht einzuklagen und die
Parlamentarier zu einer kritischen
Überprüfung der vorliegenden Gesetzesentwürfe zu bewegen. Derzeit ist
der Entwurf Bill C-6 – Specific
Claims Resolution Act – am weitesten im Gesetzgebungsprozess vorangekommen, nachdem er das Abgeordnetenhaus passiert hat und nun zur 2.
Lesung an den Senat übergeben wurde. Die anderen beiden Gesetzesentwürfe – Bill C-7 (FNGA) und C-19
(First Nations Fiscal & Statistical Institutions Act) – befinden sich noch
im Anhörungsverfahren des Abgeordnetenausschusses, dem House Standing Committee. Ursprünglich wollte Nault die drei Initiativen noch vor
der Sommerpause unter Dach und
Fach bringen, doch die Abgeordneten spielten nicht mit. Nun wird im
September weiter debattiert.
Sternmarsch auf Ottawa
Inzwischen ist die politische Atmosphäre so aufgeheizt wie die Sommertemperaturen. Für Aufsehen sorgte ein
landesweiter Sternmarsch der Indianer, der von drei Regionen aus startete, um sich am 28. April zu einer Protestkundgebung vor dem Parlament in
Ottawa zu treffen. Während die südliche Route bereits in Ontario begann,
startete die Ostkarawane am 26. April
von Shubenacadie in Nova Scotia.
Der westliche Protestzug begann unter Leitung von Stewart Phillip, dem
Präsidenten der Union of British Columbia Indian Chiefs (UBCIC) am 22.
April in Vancouver, British Columbia, und folgte dem Trans-Canada
COYOTE 2/03
folgte erwartungsgemäß. „Ich glaube,
wir sind langsam immun gegen Politikerstatements“, antwortete Joanna
Anaquod, die nationale Koordinatorin des „Caravans for Justice“, der
vom Indigenous Peoples Grassroots
Movement organisiert wurde. Chief
Roberta Jamieson von den Six Nations of the Grand River formulierte es
noch deutlicher: „In einem globalen
Zeitalter, in dem in einer demokratischen Gesellschaft autokratische und
paternalistische Einstellungen der
Vergangenheit angehören sollten, behandelt uns die Regierung weiterhin
wie Mündel des Staats, denen die Regierung vorschreibt, was am besten
für sie sei.“
Vom Indianerminister zum Premier
Highway über Calgary, Regina, Winnipeg nach Ottawa, wo der Zug am
27. eintraf. Der größte indianische
Dachverband, die Assembly of First
Nations (AFN), hatte zudem zu einer
Dringlichkeitskonferenz im Nachfeld
der Kundgebung für den 29. und 30.
April eingeladen. AFN-Chief
Matthew Coon-Come hatte zuvor auf
einer Europareise, die ihn auch nach
England und Frankreich führte, bei
der Menschenrechtskommission der
UNO in Genf eindringlich vor den
verheerenden Folgen der Gesetzesvorhaben gewarnt.
Arroganz der Macht
Einer zeigte sich jedoch von dem
Sternmarsch und dem Protest in Ottawa unbeeindruckt – ausgerechnet
Indianerminister Robert Nault äußerte
gegenüber dem Sender CBC, die Demonstranten könnten unverrichteter
Dinge wieder umkehren, denn als Politiker habe man gelernt, Demonstrationen keine Beachtung mehr zu
schenken. Ja, man sei immun gegen
politischen Protest. Ein wütender
Aufschrei von seiten der Indigenen er-
Chief Stewart Phillip sieht vor allem
den kanadischen Premierminister
Jean Chretien als treibende Kraft hinter den Gesetzesentwürfen, da der
FNGA nur ein fader Aufguss des
„White Paper“ sei, welches Chretien
damals in seiner Funktion als Indianerminister 1969 vorlegte. Bevor er
nun sein Amt, wie angekündigt, mit
dem Jahreswechsel aufgibt, will er
noch schnell Fakten schaffen, welche
die Indianer in ihren Rechten um Jahre zurückwerfen würden. Das Gesetz
verstößt in allen Punkten den Erkenntnissen einer Regierungskommission,
die 1996 einen Bericht vorgelegt hatte, welcher den Erwartungen der Regierung so gar nicht entsprach und
deswegen in den Papierkorb der Realpolitik wanderte. Bereits damals
hatte die Royal Commission gewarnt,
dass die indigenen Völker Kanadas
„gegenwärtig an das unterste Ende der
kanadischen Gesellschaft verdrängt
sind“ und „an den Rand der ökonomischen, kulturellen und politischen
Ausrottung getrieben werden“, sofern
nicht sofort die dringenden positiven
Maßnahmen ergriffen würden.
7
FNGA
Angriff auf das
Selbstbestimmungsrecht
Naults Vorschläge indessen enthalten
keine positiven Maßnahmen, sondern
lediglich Beschneidungen der indianischen Rechte, die keinesfalls zu der
von der Royal Commission geforderten Verbesserung der Lebensbedingungen der Indianer beitragen. Der
FNGA drängt die indigenen Gemeinden in eine Rolle, die sie lediglich die
eigene Armut verwalten lässt, während Landrechte und indigene Rechte weder anerkannt noch respektiert
werden. Zudem will sich Kanada den
bestehenden finanziellen Verpflichtungen gegenüber den indigenen Nationen entziehen, indem es scheinheilig Kompetenzen überträgt. Tatsächlich jedoch verleiht das Gesetz dem
Indianerministerium mehr Kontrolle
und Eingriffsrechte in die Verwaltung
der Gemeinden, während gleichzeitig die Lösung wirtschaftlicher Probleme auf die Schultern der Indigenen abgewälzt wird. Das gesamte
Gesetzespaket basiert auf der rechtswidrigen Position, die Regierung und
Verwaltung der indigenen Gemeinden
durch die Indianer erfolge nur aufgrund einer „großzügig“ von der kanadischen Regierung delegierten
Macht statt auf einem eigenständigen
internationalen Recht auf Selbstbestimmung. Der FNGA versucht nicht
weniger als die unveräußerlichen
Rechte der Indigenen, einschließlich
des Selbstbestimmungsrechts, nach
eigenem Gutdünken fest zu schreiben
und zu begrenzen. Dabei soll den indigenen Gemeinden, selbst jenen, die
durch ein traditionelles System verwaltet werden und niemals unter den
Robert Nault, Minister of Indian Affairs
House of Commons, Parliament Buildings
Ottawa, ONT, Canada K1A 0A6
Mu
ste
rbr
ief
Dear Sir,
I am sending this letter to state my rejection of the Canadian government’s most recent attempt
to terminate the inherent rights of the Indigenous Peoples in Canada through the First Nations
Governance Act (Bill C-7) currently before the Standing Committee, as well as the First Nations Institutions Act and the Specific Claims Resolution Act.
Despite the claims by the Indian Affairs Ministry that this suite of legislation is supported by
grassroots Indigenous People, I vehemently oppose this legislation and support the strong rejection of the bills that was stated by the vast majority of the Indigenous Peoples in Canada.
This legislation ignores the inherent rights of Self-Determination of the Indigenous Peoples
and violates numerous international agreements.
I urge you to stop these bills and recognize the Aboriginal Rights.
Sincerely
Indian Act fielen, eine wirtschaftliche
und politische Struktur übergestülpt
werden, die lediglich kommunalen
Befugnissen gleicht.
Verstoß gegen internationale
Abkommen
Neben den inhaltlichen Vorgaben protestieren die Indigenen vor allem gegen die Vorgehensweise der Regierung, die einseitig dieses Gesetz auf
den Weg gebracht hat, ohne jemals
zuvor die betroffenen Indianer zu
konsultieren. Bereits 1997 forderte
das UN-Komitee zur Abschaffung
aller Rassendiskriminierung in seinem Bericht die Staaten auf, „sicherzustellen, dass die indigenen Völker
gleichberechtigte Teilhabe am öffentlichen Leben erhalten sollen und keinerlei Maßnahme, welche ihre Rechte direkt betrifft, ergriffen werden soll
ohne die volle und informierte Zustimmung der betroffenen Indigenen“. Die Prinzipien der Teilhabe und
informierter Zustimmung finden sich
auch in internationalen Abkommen: den beiden Internationalen
Pakten, dem Pakt über wirtschaftliche und soziale Rechte sowie
dem Pakt über politische und bürgerliche Rechte, ebenso wie in der
ILO Konvention 169, aber auch
dem Entwurf der UN-Deklaration
der Indigenen Rechte (Draft Declaration), der seit einem Jahrzehnt
in den Gremien verhandelt wird,
und dem Entwurf der Amerikanischen Deklaration der Indigenen
Rechte der OAS sowie schließlich
der – auch für Kanada verbindlichen – Biodiversitätskonvention.
So heißt es in Artikel 20 der Draft Declaration: „Indigene Völker haben das
Recht, auf völlige Teilhabe durch Verfahren, die von ihnen bestimmt werden, an den gesetzlichen oder administrativen Maßnahmen, welche sie
betreffen könnten“. „Die Staaten“, so
Artikel 21, „sollen die freie und informierte Zustimmung der Völker
einholen, bevor sie Maßnahmen ergreifen, welche diese betreffen.“
Ab in den Papierkorb!
Nichts von diesen Rechten findet sich
jedoch im Gesetzgebungsprozess
zum FNGA. Alex Neve, Generalsekretär von Amnesty International Canada, hat sich einem Schreiben vom
05. Juni an den Indianerminister Nault
sehr besorgt geäußert, „dass die Regierung gegen den erklärten Willen
der Indianer das Gesetzgebungsverfahren durchzieht“, ohne die Betroffenen zu involvieren. AFN-Chief
Coon-Come formuliert seine Haltung
weniger diplomatisch: „Das Gesetz
gehört auf den Müllhaufen der Apartheid“, erklärte er in einem Interview
gegenüber dem Sender CBKT-TV.
Damit nun das Papier tatsächlich
möglichst rasch auf dem Müllhaufen
landet, haben uns die Indigenen gebeten, ihren Protest mit Brief- und
Email-Kampagnen zu unterstützen.
Ein Briefvorschlag findet sich im
Kasten. Email-Adressen siehe Homepage des kanadischen Parlaments:
www.parl.gc.ca
Monika Seiller
Photo: UBCIC
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COYOTE 2/03
Grassy Narrows
Wir geben niemals auf!
Blockade der Grassy Narrows in Ontario geht weiter
Am 03.12.2002 errichteten die Anishinaabe von Grassy Narrows eine Blockade, um gegen den Kahlschlag auf
ihrem traditionellen Territorium zu protestieren (vgl. Coyote 1/03). Was als kleine Aktion einer entschlossenen Gruppe begann, hat inzwischen nationale Aufmerksamkeit und Unterstützung erfahren.
Die rund 800 Grassy Narrows leben in
einem kleinen Reservat von nur 40 km²
rund 80 km nordöstlich von Kenora. Ihr
traditionelles Nutzungsland umfasst jedoch rund 6.500 km² und ist durch die
Abholzung von Abitibi Consolidated und
Weyerhaeuser in seiner Existenz bedroht.
Die Grassy Narrows, die in der Vergangenheit bereits Elend, Umsiedlung und
Verseuchung durch Papiermühlen erleiden mussten, erklärten: Es reicht!
Landesweite Solidarität
Rund 30 Indianer, vor allem Jugendliche,
errichteten daher Anfang Dezember eine
Blockade an einer Seitenstraße des Highway 671, um die Holzlaster zu stoppen
und den weiteren Kahlschlag zu verhindern. Bereits im Januar wurde ein Rundhaus errichtet, und im April wurden ihnen zwei Trailer als Bleibe zur Verfügung
gestellt. Die Blockade ist auch ein halbes
Jahr später täglich mit 15 bis 40 Personen
besetzt.
Inzwischen erreichten die Grassy Narrows
Solidaritätsbotschaften aus dem ganzen
Land – von anderen indianischen Nationen ebenso wie von Menschenrechtsgruppen und Umweltschützern. An zahlreichen anderen Orten wurde Solidaritätsblockaden errichtet. Die Aktion sorgt für
Schlagzeilen und beherrscht mittlerweile
die Medien. Großes Aufsehen erregte der
Besuch eines Filmteams Anfang April,
dessen Beitrag im Fernsehen auch die
weißen Kanadier zur Unterstützung der
Indianer bewegte.
Schikanen der Regierung
Nervös reagiert unterdessen die kanadische Regierung und versucht mit Schikanen die Aktionen zu behindern. Als sich
zu einer großen Demonstration am 15.
Mai rund 1.500 Teilnehmer in Kenora
zusammenfanden, beschlagnahmte die
Gesundheitsbehörde das vorbereitete Essen, obwohl es sich um traditionelle Nahrung wie Bannock oder Elchfleisch handelte. Auch Indianerminister Nault reagiert reichlich unwirsch, wenn er auf das
Thema angesprochen wird. Er sei
überhaupt nicht zu Verhandlungen mit den
Grassy Narrows bereit, da die Angelegenheit nicht in seine Zuständigkeit falle, die
Indianer sollten sich an das Ministerium
COYOTE 2/03
für natürliche Ressourcen wenden. Kein
Wunder, dass der Minister abblockt, denn
es geht um die grundsätzliche Frage indianischen Landrechts und dies fällt in seine Zuständigkeit. Doch die kanadische
Regierung verweigert sich ernsthaften
Verhandlungen und versucht deren Rechte
mit allen Mitteln zu unterminieren, wie
nicht zuletzt der neue „First Nations Governance Act“ (siehe Artikel S. 7) belegt.
Besonders ungelegen kam der Regierung
der Besuch des UN-Special Rapporteurs
Rodolfo Stavenhagen, der im Mai die
Grassy Narrows direkt an der Blockade
aufsuchte und sich tief bestürzt über die
Lebensbedingungen der Indianer in Kanada zeigte.
Umweltstudie vorgelegt
Die Grassy Narrows machen sich nicht
nur Sorgen über den Kahlschlag der Wälder, sondern die Zerstörung der Natur und
der eigenen Gesundheit durch die umweltschädlichen Papiermühlen. Sie selbst leben stromabwärts einer Papiermühle, die
vom Giganten Weyerhaeuser betrieben
wird. Die Grassy Narrows Environmental Group präsentierte am 22. April eine
vorläufige Studie über die Belastung der
Nahrungsmittel mit Schwermetallen
(Quecksilber, Blei, Kadmium oder Arsen),
welche beim Betrieb der Papiermühlen
zum Einsatz kommen. Die Studie wurde
im Jahr 2001 von der Anishinaabe-Wissenschaftlerin Leanne Simpson begonnen,
die nun die ersten Ergebnisse vorlegen
konnte. Anhand von rund 30 Proben an
Wild und Fisch zeigte sich eine Belastung,
die in manchen Fällen das 20fache der
Grenzwerte aufwies, welche durch die
Weltgesundheitsorganisation festgelegt
wurden. Die teuren Analysen konnten nur
durch die finanzielle Unterstützung in
Höhe von $ 25.000 von seiten der Chiefs
of Ontario und Health Canada ermöglicht
werden.
Kampf um die Zukunft
„Wir können die Grassy Narrows in ihrem Kampf um ihr Land nicht allein lassen, denn es ist unser gemeinsamer Kampf
um die Zukunft der Menschheit, die hier
auf dem Spiel steht. Wir müssen daher zusammenhalten“, erklärte ein Teilnehmer
des Christian Peace Team, welches als
Beobachter an der Blockade präsent ist
und vor allem Anti-Gewalt-Trainings
durchführt.
Am 04.06. wurde eine zweite Blockade
entlang der Segise Road errichtet. Auch
hier waren die Jugendlichen stark beteilgt.
„Es sind vor allem die Jugendlichen, welche die Blockade begannen“, erklärte die
Sprecherin der Grassy Narrows, Judy DaSilva, „Frauen und Jugendliche haben die
Hauptarbeit geleistet.“ Die Jugendlichen
organisierten auch eine Umweltkonferenz
an der zweiten Blockade, welche vom 23.
bis 26. Juni stattfand. Die über 50 Teilnehmer kamen aus dem ganzen Land.
Selbst aus Kahnawake, Quebec, waren Jugendliche angereist, um ihre Solidarität zu
zeigen. Den Abschluss der Konferenz bildete ein zweitägiges Pow Wow, u.a. mit
der Hip-Hop Band „War Party“.
Gemeinsam für das Land
Auch die erwachsenen Vertreter waren
nicht untätig und die Treaty #3 versammelte ihre 25 Chiefs zu einer Konferenz
Mitte Juni an der Blockade, um weitere
Strategien zu besprechen. Abitibi erklärte unterdessen, eine Einigung müsste mit
allen 14 Nationen der Treaty # 3 erfolgen, obgleich nur drei direkt betroffen
sind: Whitedog, Wabauskang und Grassy
Narrows. Die Regionen der anderen Nationen, die sich alle solidarisch mit den
Grassy Narrows erklärten, wurden bereits
kahlgeschlagen.
Während die erste Blockade am Slant
Lake weitere Transporte verhindern konnte, findet derzeit Abholzung am Stewart
Lake, 20 km von den Grassy Narrows
entfernt, statt. Die Indianer sind dennoch
entschlossen, ihren Kampf und die Blockaden fortzusetzen.
„Wir werden keinen Zentimeter unseres
Landes opfern“, verkündete Chief Simon
Fobister, „noch werden wir unsere Vertragsrechte aufgeben – niemals! Sie können uns ins Gefängnis stecken oder mit
ihren Paragraphen verfolgen, aber wir
werden niemals aufgeben!“
Monika Seiller
9
Lubicon
Nachrichten aus der Provinz Alberta
Lubicon-Verhandlungen im Schlussspurt
Die Lubicon-Verhandlungen mit der Provinz Alberta und der kanadischen Bundesregeirung kommen weiter
zügig voran. Gegenstand dieser Verhandlungsphase sind vor allem die Interessen Dritter in dem traditionellen Jagdgebiet der Lubicon und innerhalb des zukünftigen Reservats.
Die Lubicon Cree wurden Mitte der
achtziger Jahre von der kanadischen
Erdölindustrie buchstäblich überrollt,
ohne dass sie für die widerrechtliche
Entnahme von Bodenschätzen, die
Zerstörung ihrer Umwelt und ihrer
Lebensgrundlagen entschädigt wurden. In den laufenden Verhandlungen
soll mit 104 Jahren Verspätung ein
Vertrag zwischen den Lubicon Cree
und Kanada zustandekommen, der die
anhaltenden Ungerechtigkeiten beseitigt.
Verhandlungsfortschritte bis zu weitgehender Übereinstimmung wurden
erzielt, was die Reservatsgröße und –
lage, die Ausstattung mit Infrastruktur und die Finanzierung von Wirtschaftsprojekten anbelangt. Vorsichtig optimistisch sprechen nun auch die
Vertreter der Regierungsseite von einem Vertragsabschluss noch vor Jahresende. Dies bedeutet wohl, dass die
Aktivitäten der Lubicon-Unterstützer
und die Interessen der Ölindustrie
weiterhin einen positiven Effekt auf
die Verhandlungsfähigkeit der kanadischen Regierung haben.
Erfreulich ist auch der Umstand, dass
die bisher bestehende Siedlung Little
Buffalo dem Reservat angegliedert
wird und das Reservat somit sogar
noch um ein wenig größer ausfallen
wird, als bisher geplant. Damit werden die Lubicon Cree Anlieger am
Highway 686 und hoffen mit bandeigenen Läden, einem Münzwaschsalon und einer Tankstelle auch auf Arbeitsplätze und Einnahmen, die ihnen
aus dem Umland zufließen könnten.
Noch zu verhandeln sind die sogenannten „third party interests“, worunter Rechte an Bodenschätzen oder
ölproduzierende Einrichtunegn im
zukünftigen Lubicon-Reservat verstanden werden. Zwei Ölförderstellen
sollen nach dem Willen ihrer Betreiber auch nach dem Vertragsabschluss
Öl liefern. Noch ungeklärt ist jedoch,
ob diese Bohrlöcher Öllagerstätten
anzapfen könnten, die eigentlich den
10
Lubicon Cree gehören. Zugleich beraten die Cree-Indianer, ob sie die
Verwaltung der Bodenschatzrechte
ihres Reservats an Indian Oil & Gas
Canada übertragen sollen. Diese Instititution untersteht der kanadischen
Bundesregierung und verwaltet treuhänderisch die Bodenschatzrechte
indianischer Nationen. Sie hat jedoch
den Ruf, allzu willfährig gegenüber
den Vorstellungen der kanadischen
Ölindustrie zu agieren. Denkbar ist,
dass die Lubicon Cree eine solche
Übertragung nur vorübergehend vornehmen und dann eine Lubicon-Firma mit der Wahrnehmung der Rechte beauftragen, eine Notwendigkeit,
da die Lubicon-Energiereserven
selbst dann Begehrlichkeiten wecken,
wenn das Land endgültig zum Reservat erklärt sein wird.
Schwierigkeiten gibt es auch noch
beim Wald- und Wildmanagement im
abzutretenden Gebiet (etwa 9750
qkm). Die Lubicon wollen die Kontrolle über ihre Umwelt behalten.
Obwohl bereits 1988 zwischen der
Provinz Alberta und den Indianern
weitgehende Übereinkunft erzielt
werden konnte, muss das damalige
Vertragspaket neu geschnürt werden.
In den vergangenen 15 Jahren waren
Provinzregierungen und Behörden
eifrig darum bemüht, die Lubicon
Cree als Band bzw. Gemeinde zu
spalten und damit zu neutralisieren.
Eine Strategie bestand darin, weitere
Bands ins Leben zu rufen, z.B. die
sogenannte Woodland Cree Band und
teilweise auch die Loon Lake Band,
die nun ihrerseits um Mitsprache bei
Teilen des Lubicon-Jagdgebiets konkurrieren. Ähnliches gilt für eine große indianische Gruppe im Süden des
Lubicon-Territoriums, die Whitefish
Lake Band. Stellenweise mutet das
Gezerre an, wie eine Erbschaftsstreitigkeit oder ein Flurbereinigungsverfahren in Mitteleuropa. Beispielsweise zog ein Angehöriger der Lubicon-Familie Whitehead nach Whitefish Lake um und behielt seine vom
Vater ererbte Trapline (Fallenstellerroute) unmittelbar am Südufer des
Lubicon Lake. Die Provinzbehörden
vertreten nun die Ansicht, dass die
Trapline nicht mehr zum traditionellen Lubicon-Territorium gehören soll.
Die Absurdität ist nicht übersehbar:
Ein Grundstücksverkauf oder ein Erbfall führt bei einem ausländischen
Käufer oder Erben in Europa ja auch
nicht dazu, dass ein Grundstück, dann
dem Staat des neuen Grundstücksbesitzers zugerechnet wird.
Überschattet werden die Verhandlungen vom tragischen Tod Lucius Ominayaks, dem 17-jährigen Sohn des
Lubicon-Häuptlings Bernard Ominayak. Lucius Ominayak kollidierte
nachts auf unbeleuchteter Straße auf
seinem „Quad“ (vierrädriges Geländemotorrad) mit einem anderen Fahrzeug. Erst drei Stunden nach dem
Unfall trafen Rettungsfahrzeuge ein,
um die schwerverletzten Unfallopfer
ins nur eine Fahrtstunde entfernte
Krankenhaus nach Peace River zu
bringen. Lucius Ominayak erlag
unterwegs seinen schweren Verletzungen. Die Lubicon Cree füllt dieser Tod mit besonderer Bitterkeit,
denn sie wissen, dass im Fall eines
weißen Unfallopfers alle Möglichkeiten bis zum Hubschraubereinsatz ausgeschöpft worden wären.
Aus dem Kreis des Lubicon-Verhandlungsteams verlautete jedoch, dass
Chief Bernard Ominayak trotz dieser
tragischen Situation auf einer Weiterführung der Verhandlungen besteht.
Dionys Zink
COYOTE 2/03
Western Shoshone
Zwischen Bagdad und Nevada
Western Shoshone im Kampf gegen Regierung und Konzerne
Während Senator Reid und Abgeordneter Gibbons die Verabschiedung des Western Shoshone Verteilungsgesetzes in US-Kongress durchpauken, fehlt in Washington weiterhin jeder Wille die Landrechtsfrage gesetzlich zu regeln. Gleichzeitig drängen die Unternehmen vermehrt nach Goldabbau bei den Shoshone und die
Nevada Test Site soll wieder verstärkt genutzt werden. Auch die Vorbereitungen zur Inbetriebnahme des
atomaren Endlagers in den Yucca Mountains gehen unvermindert weiter. Als hätten die Western Shoshone
nicht schon genug Probleme, schikaniert das Bureau of Land Management die Indianer mit immer neuen
Konfiszierungen der Rinder und Pferde. Doch die Western Shoshone beharren auf ihrem Recht, denn sie
haben einen Vertrag über ihr Land in Nevada, das sie bis heute nutzen und schützen wollen.
„Unsere größte Sorge“, so Carrie
Dann, eine Symbolfigur des indianischen Widerstands, „ ist, dass sie dieses Verteilungs- und Entschädigungsgesetz durchziehen werden und damit
die Landrechtsfrage vermeintlich zu
ihren Gunsten abschließen wollen. Ist
dies erst einmal geschehen, werden
sie den Ausverkauf des Landes an die
großen Unternehmen im Bergbau-,
Energie- und Militärsektor vorantreiben. Unterdessen zerstören sie die
Kultur der Western Shoshone, denen
nicht mehr bleiben wird als zerstörtes Land, das zur freien Verfügung der
Konzerne steht. Der Druck nimmt
täglich zu. Wir brauchen dringend
Hilfe“, appelliert Carrie an Menschenrechtler und Umweltschützer.
denn sie wollen kein Geld, sie wollen die Anerkennung ihrer Landrechte und damit ihrer Lebensweise.
Uneinigkeit besteht zwischen den
verschiedenen Beteiligten hinsichtlich des Charakters dieser Zahlungen
und ihrer Implikationen, denn die
Regierungsseite legte den Beschluss
der ICC so aus, als seien mit den Entschädigungsgeldern, die sich nicht
einmal auf $ 20.000 pro Person belaufen, die Landrechte abgeklärt –
egal ob die Indianer das Geld annehmen oder nicht. Die Shoshone weisen dies entschieden zurück, da ihr
Land und ihre Rechte nicht zum Verkauf stehen.
Dubiose Vorgänge
Verteilungsgesetz im Kongress
Die „Western Shoshone Distribution
Bill“ ist Teil eines schandvollen Prozesses, der sich von der Einrichtung
der Indian Claims Commission 1947
bis in unsere Tage zieht. Die US-Regierung hat schon in der Vergangenheit alle Verträge mit
den indianischen Nationen gebrochen hat. Offensichtlich hat
sie ihre Politik niemals geändert, nur modifiziert. Mit administrativen Mitteln arbeitet sie
noch heute an der Zerstörung
der indianischen Rechte. Die
ICC hatte nach einem dubiosen
Verfahren beschlossen, die
Western Shoshone für die vergangene Nutzung ihres Landes
durch Siedler, Goldgräber, Eisenbahnbau und Militär zu einen Schleuderpreis zu entschädigen. Die Western Shohone
haben die Annahme des Geldes, das auf einem Sonderkonto lagert, zurecht verweigert,
COYOTE 2/03
Im Mai 2001 hatte daraufhin der republikanische Senator Harry Reid aus
Nevada das Gesetz S. 958 im Senat
eingebracht, konnte sich aber nicht
durchsetzen. Nun geistert das Gesetz
als S. 618 immer noch durch die Se-
natssitzungen und Reid scheint wild
entschlossen, diesmal das Gesetz zum
Abschluss zu bringen, das nun als
„Distribution Bill“ verhandelt wird.
Erneut soll durch einmalige Zahlung
eines Entschädigungsgelds - in Höhe
von $ 138 Mio.- das Thema endgültig geschlossen werden. Eine ähnliche Eingabe erfolgte im Februar im
Abgeordnetenhaus durch Jim Gibbons, ebenfalls Republikaner aus
Nevada. Das Gesetz H.B. 884 wurde
am 18. Juni durch den zuständigen
Ausschuss, das House Committee on
Resources, in Washington debattiert.
Ein Problem dieser Anhörungen ist,
dass die Western Shoshone wiederholt direkt oder indirekt an der Teilnahme gehindert wurden. Auch
diesmal wurden nur drei Zeugen der
Western Shoshone zugelassen: Zwei
davon sind Te-Moak Chairman Felix
Ike und Laura Pfiffero, die sich beide
durch ein willkürliches und gesetzeswidriges Referendum, im Juni 2002,
welches die Annahme der Entschädigungszahlungen beschloss, als Handlanger der Regierung entpuppt und damit für ernsthafte Verhandlungen disqualifiziert haben. Der dritte Zeuge ist Raymond Yowell, Chief des Western
Shoshone National Council, der die deutliche Mehrheitsmeinung der Western
Shoshone vertritt und kategorisch jeden Ausverkauf
der eigenen Rechte zurückweist.
Senator Reid hatte das Verteilungsgesetz unter dem
scheinheiligen Vorwand
eingebracht, es gehe ihm
um die Verbesserung der
indianischen Lebensum11
Western Shoshone
stände und den Kampf gegen
die Armut im Reservat, welche
durch die Zahlungen gelindert
werden könnte. Doch Anfang
Juni veröffentlichte die Associated Press einen Artikel, der
belegt, dass Reid selbst Land
in Nevada besitzt, welches ihm
bei Verpachtung an Bergbauunternehmen bis zu $ 1,6 Mio.
einbringen könnte – vorausgesetzt die Landfrage der Western
Shoshone sei geklärt.
Mangelnde Rechtsbasis
Ein ungültiges Referendum
und der Eigennutz des Senators
schließen jedoch noch nicht die
Liste der dubiosen Umstände
des Gesetzes. Im Januar 2003
veröffentlichte das Indigenous
Law Institute einen Bericht, der
das gesamte System der abschließenden Entscheidung der
ICC wie ein Kartenhaus in sich
zusammen fallen lässt:
Entgegen der eigenen Verfahrenbestimmungen hatte die
ICC niemals dem Kongress
den erforderlichen und beauftragten
Abschlussbericht vorgelegt. Dieser ist
jedoch Vorbedingung zum Abschluss
des Verfahrens, das aufgrund des fehlenden Reports nicht rechtskräftig ist.
Diese juristische Beurteilung durch
das Indigenous Law Institute wurde
vom Berufungsgericht, dem 9th Circuit Court of Appeals, ebenso bestätigt wie vom Obersten Gerichtshof
der USA. Von offizieller Seite erfolgte
bislang noch keine Stellungnahme zu
diesem Vorgang, der das ganze Verfahren nochmals aufrollen könnte.
Aus dem Büro des Abgeordneten Gibbons, der das Gesetz schließlich im
Abgeordnetenhaus einbrachte, war
jedoch zu vernehmen, dass man sich
mit solchen Kleinigkeiten nicht aufhalten wolle. Wenn das Gesetz verabschiedet und von Präsidenten unterzeichnet sei, so die irrige Antwort,
interessiere alles Vorherige nicht
mehr.
neut Konfiszierungen ihres Viehbestands. Seit letzten September hat sich
das Bureau of Land Management
(BLM), das für die Verwaltung öffentlichen Landes zuständig ist, verstärkt
des Mittels der Konfiszierungen bedient, um die Shoshone unter Druck
zu setzen. Das BLM beharrt auf der
Position, es handle sich nicht um indianisches, sondern öffentliches
Land, für das die Shoshone Weidegebühren für ihre Rinder und Pferde
entrichten müssen. Das sich die Shoshone natürlich weigern, für ihr vertragsmäßiges Land auch noch Gebühren zu zahlen, verhängt das BLM die
Konfiszierungen. Auch diesmal ist
wieder Chief Raymond Yowell selbst
betroffen. Seltsam nur, dass die Konfiszierungsbescheide ausgerechnet
immer dann erfolgen, wenn Chief
Yowell – wie zuvor im März und September letzten Jahres - gerade im Begriff ist, zu den Anhörungen nach
Washington zu reisen.
Terror gegen Shoshone
Lockruf des Goldes
Während am 18. Juni das GibbonsGesetz in Washington diskutiert wurde, drohten den Western Shoshone er-
12
Am 30. April fand die Jahreshauptversammlung von Placer Dome, dem
fünftgrößten Goldkonzern
der Welt, in Toronto statt, bei
der Vertreter der Umweltorganisation MiningWatch
Canada einen offenen Brief
der Western Shoshone übermittelten. Seit Jahren wehren sich die Shoshone gegen
den zerstörerischen Goldabbau auf ihrem Land, doch
nun will Placer Dome eine
weitere Goldmine eröffnen.
Ausgerechnet auf dem Mt.
Tenabo will das Placer
Dome/Cortez Joint Venture
im Tagebau Gold schürfen,
obwohl der Berg für die Indianer nicht nur eine Quelle
für Pflanzen und Heilkräuter darstellt, sondern vor allem einen hohen spirituellen
Rang besitzt. Doch die
Goldgier des Unternehmens
kennt keine Grenzen, denn
Placer Dome, das bereits
zahlreiche Goldminen auf
dem Land der Indianer betreibt, schätzt allein die neuen Goldfunde in Crescent
Valley auf rund 4,5 Mio.
Unzen mit einem Wert von ca. $ 150
je Unze. Die Rechte der Indianer sind
dem Unternehmen keinen Cent wert.
„All dies ereignet sich nicht vor hundert Jahren, sondern heute. Im letzten Jahr mussten wir erleben, wie die
Regierung unsere Überlebensgrundlage raubt, während gleichzeitig die
großen Konzerne die Vergewaltigung
und Zerstörung unserer Mutter Erde
intensivieren. Warum werden unser
heiliges Land und unsere indigenen
Rechte beiseite geschoben, um dem
allmächtigen Dollar zu huldigen“,
fragt Carrie Dann. „Wie viel mehr
Geld wollen sie denn noch? Dabei
geht es nicht allein um die Western
Shoshone, es betrifft alle Menschen
und Lebewesen.“
Nevada im Kampf gegen den Terror
Die Regierung Bush, die sich
bekanntermaßen dem Kampf gegen
den Terror an allen Fronten verschrieben hat, schreckt in ihrer Entschlusskraft vor keinen Maßnahmen zurück.
Seit dem Ende des Kalten Kriegs ha-
COYOTE 2/03
Western Shoshone
ben die USA keine neuen Atomwaffen entwickelt, doch dieses Versäumnis will die Regierung nun nachholen. Ein Gesetz zum Bau kleinerer
Atomwaffen - sogenannter Bunkerbomben - wurde scon eingebracht.
Aufgrund der Weiterentwicklung besitzen sie jedoch die sechsfache
Sprengkraft der Hiroshima-Bombe
besitzen. Insgesamt sind für die Entwicklung neuer Waffensysteme für
die nächsten fünf Jahre rund $ 2 Mrd.
angesetzt. Ohnehin ist man in Washington derzeit nicht besonders knauserig, wenn es um den Schutz der
Nation geht. Denn mit den Bomben
allein ist es nicht getan, sie müssen
schließlich auch getestet werden. Allein mit $ 25 Mio. soll die Nevada Test
Site, bekanntlich auf dem Land der
Western Shoshone, auf den neuesten
Stand gebracht werden, da seit 1992
keine Tests mehr stattfanden. Bei
Amtsübernahme erklärte Präsident
Bush noch, man hege keine Pläne, das
Moratorium aufzuheben, doch nun
heißt es plötzlich aus dem Verteidigungsministerium, man müsse für alle
Eventualitäten gerüstet sein – Atombomben auf Osama? Der Meinungsumschwung deutete sich bereits mit
der Veröffentlichung der PentagonStudie „Nuclear Posture Review“ im
Januar dieses Jahres an, das Nuklearwaffen nicht nur als Abschreckung
gegen andere Atommächte versteht,
sondern als effektives Mittel eines
„preemptive strike“. Übersetzt heißt
das: zuerst bomben schadet nie!
Bechtel im Profit
Wie gut, dass die Regierung hierfür
die richtigen Partner hat. Der Bechtel-Konzern, der sich gerade über
Aufträge zum Wiederaufbau des Iraks
in Höhe von $ 680 Mio. freuen durfte. Gute Verbindungen zu Vizepräsident Dick Cheney oder dem ehemaligen Außenminister unter Ronald Reagan, George Schulz, der nun im Direktorium des Konzerns sitzt, sind
eben recht hilfreich. Bechtel betreibt
nicht nur die Nevada Test Site, sondern auch das atomare Endlager in
den Yucca Mountains. Zudem unterhält das Unternehmen ein Anti-Terrorprogramm in der – nach Firmenaussagen – menschenleeren Region.
Auf der Firmenhomepage brüstet man
COYOTE 2/03
einen saudiarabischen Auftrag, beeinträchtigt die gute Zusammenarbeit
nicht.
sich mit der vorausschauenden Geschäftspolitik: „Schon, bevor der 11.
September das Augenmerk auf die nationale Sicherheit richtete, wandte
sich die Operation der Nevada Test
Site dem Ziel der Terrorbekämpfung
zu. Im Auftrag des Energieministeriums organisiert Bechtel Nevada Notfallprogramme und Anti-Terroreinsätze. Zudem werden in Laboratorien
spezielle Maßnahmen zum Schutz gegen luftgestützte Angriffe entwickelt,
zu deren Erweiterung sich Bechtel
und die Nationale Atomsicherheitsbehörde auf ein „Nationales Anti-Terrorzentrum“ geeinigt haben. Enge
Kooperation pflegt der Konzern in
Nevada übrigens mit so bekannten
Unternehmen wie Lockheed Martin,
dem weltgrößten Rüstungskonzern,
und Johnson Control, welches Atomreaktoren in den USA und Großbritannien betreibt.
Die Western Shoshone sind nicht die
einzigen Indianer, die unter der eifrigen Geschäftstätigkeit des Konzerns
zu leiden haben, denn Bechtel war u.a.
am James Bay Project beteiligt, das
weite Regionen des Landes der Cree
in Quebec überflutete, unterhält
zudem in Kanada ein Nickel- und
Kupferunternehmen, eine Pipeline in
Mexiko, eine Aluminiumschmelze in
Australien und hat seine Finger in allen dreckigen Geschäften der Welt. In
der Firmenbroschüre klingt das
freilich anders: „Die Menschen werden stolz sein, für uns zu arbeiten. Sie
werden uns als verantwortungsbewussten Partner erleben. Wir integrieren globale und lokale Perspektiven,
fördern ein gesundes Management der
Ressourcen und leisten unseren Beitrag zu einer besseren Lebensqualität
– wir planen und handeln für die Zukunft.“
...für die Zukunft
Das 1898 gegründete Unternehmen,
das noch heute von Riley Bechtel,
einem Enkel des Firmengründers geleitet wird, war am Bau des Hoover
Damms beteiligt, ist involviert in den
Atomanlagen von Hanford und Los
Alamos, wo Bechtel bereits in den
40er Jahren am Manhattan Project
mitwirkte. Mit rund 47.000 Angestellten erwirtschaftete das Unternehmen
im Jahr 2002 $ 12,7 Mrd., wovon es
gerne kleinere Anteile an Politiker
oder Parteien abgibt, weshalb Bechtel zu den Hauptspendern der Republikaner im Bushwahlkampf gehörte.
Dass selbst verschiedene amerikanische Regierungen schon gezwungen
waren, die rüden Geschäftspraktiken
zu rügen, wie etwa schwarze Listen
der Konkurrenten im Wettbewerb um
Spiritual Elder Corbin Harney (oben
im Bild) von den Western Shoshone
macht sich indessen große Sorgen um
die Zukunft seines Volkes: „Wir wollen kein Geld, wir haben die Zahlungen immer abgelehnt. Wir werden uns
weiterhin gegen den Ausverkauf des
Landes wehren, was können wir anderes tun? Es geht hier um unsere
Kinder. Welche Zukunft sollen wir
den nachfolgenden Generationen hinterlassen?“
Monika Seiller
13
Irakkrieg
Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer
Das Verhältnis der Indianer zum amerikanischen Militär ist eher zwiespältig. Arbeitsplätze, die ihnen anderswo
verweigert werden bewirken eine positive Einstellung. Viele empfinden
die Verteidigung der USA auch als
Verteidigung ihres eigenen Landes –
Indianer haben in den Weltkriegen
oder auch Vietnam gekämpft.
Andererseits werden sie als Soldaten
Teil eines imperialistischen Systems,
das zu ihrer eigenen Unterdrückung
und Entrechtung führte. Noch schwieriger wird das Verhältnis in einem
Krieg wie gegen den Irak, der weder
der eigenen Landesverteidigung dient
noch auf völkerrechtlicher Basis
steht, sondern lediglich den Hegemonialinteressen der Bush-Regierung
folgt.
Der Situation der Indianer gilt kein
vorrangiges Interesse der gegenwärtigen Administration in Washington.
14
Im Gegenteil, die Regierung verfolgt
eine rigorose Wirtschafts- und Energiepolitik, die nicht nur für die künftige atomare Endlagerung in Yucca
Mountains verantwortlich zeichnet,
sondern auch für den Ausverkauf
Alaskas an Ölgesellschaften. Selbst
die Ausbildungs- und Gesundheitsprogramme wurden unter
Bush drastisch gekürzt.
Umso bemerkenswerter
ist es daher, wenn sich die
First Lady, Laura Bush,
persönlich auf den Weg zu
den Indianern ins Reservat begibt. Grund dieser
Reise ist aber keinesfalls
die Sorge um das allgemeine Wohlergehen der
Ureinwohner, sondern
Kriegspropaganda.
Am 23. März 2003 wurde
Lori Piestewa, eine Hopi
aus Tuba City, Arizona, bei Kämpfen
im Irak getötet. Derzeit dienen rund
1500 Indianer in der amerikanischen
Armee, darunter 56 Hopi, von denen
die Mehrheit augenblicklich im Irak
stationiert ist. Laura Bush reiste
daraufhin persönlich zur Familie, um
ihre Kondolenz auszusprechen. Doch
damit nicht genug der Ehrung, denn
Arizonas Gouverneur brachte im
Schnelldurchlauf ein Gesetz durch,
mit dem Piestewa geehrt werden soll:
der Squaw Peak Mountain und der
Squaw Peak Parkway wurden in Piestewa Peak und Piestewa Freeway
umbenannt. Normalerweise beträgt
die Dauer des Verfahrens zur Umbenennung mindestens fünf Jahre, doch
sollte die Bürokratie der Ehrung nicht
im Wege stehen. Ihren zwei Kindern
wird die Ehrung kaum die Mutter ersetzen, und die Öffentlichkeit wird
sich schnell anderen Schlagzeilen
widmen – oder einem Film. Piestewa
war just gefallen, als sie mit Jessica
Lynch im Einsatz war, deren Gefangennahme und Befreiung tagelang
das beherrschende Thema der amerikanischen Boulevardpresse war. Nun
soll – ungeachtet der ungeklärten
Umstände der Konfrontation – deren
Schicksal als Buch erscheinen und
demnächst von Hollywood vermarktet werden. Vielleicht findet sich dann
ja auch eine Nebenrolle einer Indianerin im patriotischen Einsatz als
rührseliges Beiwerk.
Monika Seiller
Jessica Lynch und Lori Piestewa
COYOTE 2/03
Lewis & Clark
Kein Grund zum Feiern
Forscher, Touristen und Müllplatz auf Indianerland
Die Vereinigten Staaten von Amerika seien dazu bestimmt, das Reich der
Freiheit zu vergrößern, verkündete
Präsident Thomas Jefferson (1800 –
1808) im Zuge des Erwerbs von Louisiana 1803, mit dem die USA ihr
Staatsgebiet verdoppelten. Zur Bestärkung dieses Manifest Destiny
schickte er noch im gleichen Jahr die
beiden Forscher Meriwether Lewis
und William Clark auf Erkundungsreise in Amerikas Westen. Der Verweis auf die als „Lewis und Clark Expedition“ bekannte Unternehmung
fehlt heute in keinem Reisführer über
den Westen der USA und hat sich zu
einem Touristenmagneten entwickelt,
der nun anlässlich der Zweihundertjahrfeier der Forschungsreise neuen
Schwung erhalten soll. Lewis und
Clark waren in St. Louis mit einem
50 Mann starken „Corps of Discovery“ Richtung Pazifik aufgebrochen,
wobei sie auf ihrer Route entlang des
Missouri River und Columbia River
Dutzenden indianischen Stämmen,
u.a. Cheyenne, Lakota, Nez Perce,
Blackfeet, Spokane, Cayuse, begegneten. Begleitet wurden sie von der
Shoshone-Indianerin Sacajawea, die
als Vermittlerin und Dolmetscherin
diente. Den bitteren Winter an der
Mündung des Columbia River überlebte die erschöpfte Expeditionsgruppe nur durch die Hilfe der Chinook
im heutigen Bundesstaat Washington,
die ihre Hilfsbereitschaft mit ihrer offiziellen Auslöschung bezahlen mussten, denn sie kämpfen immer noch um
ihre bürokratische Anerkennung als
indianische Nation, welche ihnen die
Bush-Administration verweigert.
Undank der Nation
„Es wäre ein bitterer Scherz, wenn
ausgerechnet der Stamm, welcher
Lewis und Clark durch die letzten
Monate half, nicht anerkannt würde,
während wir die 200-Jahr-Feier eben
jener Expedition begehen“, argumentiert der demokratische Abgeordnete
Brian Baird, der einen Gesetzesentwurf zur offiziellen Anerkennung des
Stammes im Kongress einbringen
COYOTE 2/03
Lewis & Clark
Expedition
1803 - 1806
will. Präsident Bush hatte den Juni
2003 zum Feiermonat für das „Lewis
& Clark Bicentennial“ erklärt und
Stammesregierungen und Provinzbehörden zur Mitwirkung aufgefordert.
Vertreter der Chinook wurden sogar
ins Weiße Haus eingeladen, um sie zur
Mitwirkung an den Feierlichkeiten zu
bewegen, doch kaum waren die Indianer abgereist, erklärte Bush wenige
Tage später den Stamm als ausgelöscht. Sein Handlanger im Innenministerium, der damalige BIA-Chef
Neal McCaleb, verfügte, dass die
Chinook die Kriterien zur Anerkennung als indianische Nation nicht erfüllten. Diese verlangen u.a., dass die
betreffende Gruppe eine eigene kontinuierliche Einheit als Indianer seit
1900 aufweisen muss, eine eigenständige Gruppe mit Mitgliedern bilden,
die Nachfahren eines indianischen
Stammes sind und eine autonome politische Gemeinschaft verkörpern.
Zudem muss die Gruppe nachweisen,
dass sie oder ihre Mitglieder zu keinem indianischen Stamm gehören,
der vom Kongress aufgelöst wurde.
Wechselspiel der Behörden
Die Entscheidung Washingtons beraubte die Chinook ihres Status als indianische Nation, für den sie zwei
Jahrzehnte lang gekämpft hatten und
den sie in den letzten Stunden der
Clinton-Administration im Januar
2001 noch erhalten hatten. Für die
rund 2000 Chinook, die noch heute
in ihrem traditionellen Gebiet am Columbia River leben und ihre Kultur
aufrecht erhalten, bedeutet die jetzige Entscheidung einen herben Rückschlag, denn mit der Aberkennung
ihres Status verlieren sie sämtliche
bundesstaatlichen Fördermittel und
Sozialhilfen, auf die sie als indianischer Stamm gesetzmäßigen Anspruch haben. Doch die Willkür der
Bundesregierungen ist ihnen nicht
fremd. Die Chinook, nach denen ein
Fluss, eine Stadt, ein Wind und auch
die größte Lachsart benannt sind sowie ein Helikopter, der derzeit im Irak
eingesetzt wird, kennen die Wechselläufe der Politik zur Genüge, seit sie
1851 den ersten Vertrag mit den USA
schlossen. Einen weiteren Vertrag
1855 lehnten sie ab, da dieser die Umsiedlung der meisten Stammesmitglieder bedeutet hätte. Der US-Senat
stimmte folglich der Anerkennung der
Chinook niemals zu. In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts konnten die
Chinook zunächst ihre Anerkennung
beim Supreme Court durchsetzen,
verloren jedoch diese in 50er Jahren
auf Betreiben des BIA. Eine Rolle
spielte dabei, dass die Entscheidung
des Obersten Gerichtshofs ihnen Land
innerhalb der holzreichen Quinault
Reservation zugewiesen hatte.
1979 ergriffen die Chinook erneut die
Initiative und beantragten ihre Anerkennung durch die Bundesregierung.
Seitdem, so Stammesratsvorsitzender
Gary Johns, hätten die Anwälte des
15
Lewis & Clark
Stamms über 3.000 historische Dokumente vorgelegt, welche ihre „government-to-government“-Beziehung zu den USA und die Erfüllung
der Anerkennungskriterien Punkt für
Punkt beweisen. Inzwischen erklärten auch zahlreiche Kongressmitglieder ihre Unterstützung für die Forderungen der Chinook.
Grabstätten bedroht
Die Chinook sind jedoch nicht die
einzigen, denen die 200-Jahr-Feier die
Wutesröte ins Gesicht treibt. Auch die
Lakota im Bundesstaat South Dakota haben guten Grund das Jubiläum
zu verwünschen. Der Bundesstaat
will das Ereignis gewinnträchtig touristisch ausschlachten und hat begonnen das Gebiet um die „North Point
Recreational Area“ weiter für den
Tourismus auszubauen. Das Gebiet
am Missouri River weist jedoch zahlreiche Grabstätten der Pawnee, Kiowa, Ponca, Lakota und anderer Stämme auf, über welche die Behörden
durch die Yankton Sioux umfangreich
und frühzeitig informiert wurden.
Ausgerechnet auf diesen Grabstätten
soll nun jedoch eine Deponie für den
touristischen Müll der Ferienanlage
errichtet werden. Die Ausbauarbeiten
begannen bereits letztes Frühjahr und
förderten zahlreiche Knochenfunde
und Grabgaben zutage, woraufhin die
Sioux im März dieses Jahres einen ge-
richtlichen Baustopp erwirken konnten, der jedoch im Mai in höherer Instanz wieder aufgehoben wurde.
Die Lakota beriefen daraufhin eine
Versammlung der betroffenen indianischen Stämme am 15. Mai in Rapid City, South Dakota, ein und errichteten ein Protestcamp vor Ort. Die
Indianer verlangen nicht nur von der
Regierung des Staats South Dakota einen sofortigen Baustopp zur Rettung
der Überreste ihrer Vorfahren und
unzähliger Kultgegenstände, sondern
forderten auch das U.S. Army Corps
of Engineers, welches das Gebiet dem
Staat überlassen hat, auf, sich seiner
Verantwortung zu stellen, denn das
Corps ist für die Einhaltung des „Native American Graves Protection and
Repatriation Act“ zum Schutz der
Grabstätten zuständig. Die Versammlung der indianischen Stämme erarbeitete einen Abkommensentwurf,
der vor allem auch die Konsultation
der Stämme beinhaltet. Doch die Aussichten, eine Einigung zu erzielen,
sind gering. Bereits 1947 überschwemmte ein Staudamm zur Wasserkraftgewinnung am Missouri River weite Grabstätten, ohne die Interessen der Indianer zu berücksichtigen.
Der Damm produziert seitdem jährlich Energieeinnahmen von $ 170
Millionen, die Ausgaben des Corps
zum Schutz kultureller Stätten beliefen sich seitdem nur auf $ 1,9 Mio.
Blockade gegen Entweihung
Faith Spotted Eagle vom Verhandlungsteam des Yankton Sioux Tribe,
warnte die Behörden, dass die Wut der
Indianer täglich wachse, man lasse
sich nicht weiterhin entrechten. Am
13. Mai wurde sie, nachdem sie einen Bulldozer an der Grabung blockiert hatte, wegen Unbefugten Zutritts und Missachtung des Gerichts
verurteilt. Ebenfalls verurteilt wurde
Frank Sanchez, der vor Gericht
schlicht erklärte, „es geht nicht um
Wut, es geht um unser Überleben“.
Der Boykottaufruf der Indianer, Touristen sollten South Dakota meiden,
zeigte inzwischen Wirkung. Der Gouverneur des Staates, Mike Rounds,
sah sich aufgrund zahlreicher Proteste genötigt, eine Stellungnahme ins
Internet zu stellen, in der er die Anschuldigen zurückweist. South Dakota habe alles getan, um die Interessen
der Indianer zu berücksichtigen und
man stehe im Konsultationsprozess.
Indianische Sprecher geben sich jedoch mit der Propaganda des Gouverneurs nicht zufrieden, einige Fakten
seien falsch wiedergegeben und man
wolle keine schönen Worte, sondern
Taten sehen. Weiterer Protest ist daher dringend nötig!
Monika Seiller
Protest gegen die Zerstörung der
indianischen Grabstätten an
Secretary John Calvin
South Dakota Department of
Tourism and State Development
Capitol Lake Plaza
711 East Wells Avenue
Pierre, SD 57501-5070
Unterstützung für die Anerkennung der Chinook:
Rep. Brian Baird (D-WA)
House of Representatives
Congress of the Untied States
Washington, DC
Protest der Lakota vor Ort
16
COYOTE 2/03
Sun Peaks
Ausgesperrt aus dem eigenen Land
Bewährungsstrafe und Zutrittsverbot für vier Secwepemc-Frauen
Der Widerstand der Secwepemc gegen den Ausbau des Skiortes Sun Peaks in British Columbia geht trotz
einiger Rückschläge ungebrochen weiter. Mitte Mai erreichte uns die freudige Nachricht, dass die Anklage
gegen Beverley Manuel aufgehoben und sie vom Vorwurf des Widerstands gegen die Staatsgewalt freigesprochen wurde, zugleich trübte sich unsere Freude am 20. Juni 2003, denn sowohl Janice Billy als auch die
76jährige Irene Billy, Elizabeth Ann Clemah und Sheila Ignace wurden vom Provincial Court of British
Columbia in Kamloops wegen einer Straßenblockade zu einem Jahr Bewährung verurteilt und dürfen sich
Sun Peaks nicht unter 100 Meter nähern.
Sun Peaks in der kanadischen Pazifikprovinz British Columbia ist ein
Beispiel für den kolonialen Hochmut
und die zerstörerischen Tendenzen
einer gnadenlosen Wirtschaftsgier.
Der Ort liegt innerhalb eines Gebietes, das den Secwepemc, auch als
Shuswap bezeichnet, 1862 vom damaligen Gouverneur Douglas zugesichert wurde. Wohlgemerkt haben
die Secwepemc weder ihre Landrechte aufgeben noch in einem Vertrag
abgetreten. Seit Urzeiten leben die
Secwepemc, die sich aus 17 Gruppen
zusammensetzen, in diesem Gebiet,
das ihnen mehr bedeutet als nur ein
Stück Land, denn es ist Teil ihres kulturellen Lebens, ihrer Identität als indianisches Volk.
This land is not for sale!
1982 verkaufte BCAL, eine staatliches Unternehmen zur Landvermarktung die Region, welche die Regierung von British Columbia ohne ausreichende Rechtsbasis als öffentliches
Land betrachtete, an den japanischen
Konzern Nippon Cable, der hier nicht
nur ein umfangreiches Skigebiet errichten, sondern auch Immobiliengewinne einstreichen wollte. 24.000
Betten sollen in dieser neuen Freizeitanlage entstehen – ein herber Schlag
nicht nur für die Indianer, sondern
auch vor allem für das empfindliche
Ökosystem.
Die Secwepemc wehren sich seit Jahren gegen diese Zerstörung ihres Landes und gewannen Solidarität weit
über die eigenen Landesgrenzen hinaus. Sie errichten ein Widerstandscamp am Eingang von Sun Peaks, das
Skwelkwek’welk Protection Centre,
das auch Nicole Manuel ein Heim für
sich und ihre beiden Kinder bot. Doch
ausgerechnet am Internationalen Tag
der Menschenrechte, dem 10. Dezem-
COYOTE 2/03
ber 2001, wurde die Hütte von der
RCMP niedergerissen. Doch nicht nur
Nicole und ihre Mutter Beverley leisten Widerstand, auch Nicoles
Schwester Amanda. Gegen sie lag ein
Haftbefehl wegen Teilnahme an einer
Demonstration gegen Sun Peaks am
16. November 2001 vor, als die
RCMP Beverleys Wagen stoppte und
forderte, die vermeintliche Amanda
auszuliefern. Doch Beverley hatte nur
Nicole bei sich im Auto, welche die
Beamten mit Amanda verwechselten.
Nun entschied das Gericht, dass Beverley kein Rechtsbruch nachzuweisen sei und sie korrekt gehandelt habe.
Doch die Familie Manuel ist den Gerichten nicht unbekannt, da Amanda
und Nicole im Native Youth Movement engagiert sind und sich entschlossen an den Protesten gegen Sun
Peaks beteiligt haben. Auch ihr Vater
Arthur Manuel ist ein entschiedener
Gegner des Skiresorts, der selbst auf
der internationalen Bühne Unterstützung für die Rechte seines Volkes gewinnen konnte. Doch manchen war
der Protest wohl zu riskant, so dass
Arthur bei der letzten Wahl als Chief
der Neskonlith Band nicht wieder gewählt wurde. Sein besonderes Engagement gilt auch der Interior Alliance,
einem Zusammenschluß verschiedener indianischer Nationen in British
Columbia.
71 Tage Haft
Amanda wurde am 22. Februar 2003
schließlich von der RCMP verhaftet
und von ihrem fünf Monate alten
Sohn Tuweet getrennt, obwohl sie ihn
noch stillen musste. Ein erster Versuch, auf Kaution frei zu kommen
schlug fehl. Erst am 05. Mai gelang
es ihr, auf Bewährung freizukommen
und endlich wieder ihren Sohn in den
Armen zu halten. Allerdings ist diese
Freiheit durch Bewährungsauflagen
stark eingeschränkt:
Sie darf sich dem Sun Peaks Ressort
nicht mehr als 10 km nähern. Amanda musste ihren Pass abgeben und
darf die Provinz British Columbia
nicht verlassen. Einmal wöchentlich
muss sie ihrem Bewährungshelfer
Bericht erstatten. Sie darf keine Tarnklamotten tragen (die derzeit in aller
Welt Mode sind!). Zudem darf sie keine Maskierung tragen, besitzen oder
sich in der Nähe von „maskierten“
Personen aufhalten. Amandas Widerstandswille zeigt sich jedoch ungebrochen und sie wird ihre Arbeit im
Native Youth Movement fortsetzen.
Zermürbungsprozesse
Die Betreiber des Skigebiets hingegen unterlassen keinen Versuch, den
Widerstand der Indianer zu diskreditieren. Der Sprecherin des
Swelkwek’welt Protection Centre,
Janice Billy, galt ihre besondere Aufmerksamkeit. Zusammen mit anderen
Secwepemc hatte sie die Zufahrtsstraße nach Sun Peaks am 28. Dezember
2001 blockiert – auch als Protest gegen die Zerstörung des Protection
Centre, das inzwischen als Zelt weiter aufrechterhalten wird. Sie wurde
zusammen mit Irene Billy – die erst
im Januar von einer weiteren Anklage freigesprochen wurde –, Sheila
Ignace und Elizabeth Clamah angeklagt, obwohl sie nur ihren Aboriginal Title, also ihre indigenen Landrechte verteidigten. Im Prozess verwies Janice darauf, dass sie keiner
Rechtsverletzung schuldig sei, da es
sich bei der Straße nach Sun Peaks,
deren Zufahrt sie blockiert hatte, um
rechtmäßiges und traditionelles Secwepemc-Territorium handle. Das
Land liefere ihnen nicht nur Nahrung,
sondern auch Heilkräuter und sei ein
wichtiger Ort, „unsere spirituellen
Traditionen“ auszuüben, erklärte Ja-
17
Sun Peaks
nice in ihrer Verteidigung vor Gericht.
Es sei ihr moralisches und legales
Recht, hier für ihr Land zu stehen und
es gegen Zerstörung zu verteidigen:
„Wir, die Secwepemc, betrachten unsere traditionelle und überlieferte
Beziehung zu diesem Land als Teil
unserer fundamentalen Menschenrechte und zentralen Aspekt in unserem Selbstverständnis. Die Secwepemc haben nicht einen Zentimeter
unseres Territoriums abgetreten, noch
haben wir jemals einen Vertrag mit
Dritten unterzeichnet. Inmitten der
Ignoranz und Ablehnung durch die
kanadische und die Provinzregierung
haben wir unsere Traditionen bewahrt
und pflegen sie noch heute.“
Richter Dohm kam zwar in seiner 20seitigen Urteilsbegründung zur Überzeugung, dass Janice entsprechend
ihrer moralischen Überzeugung gehandelt habe, doch musste sie sich
bewusst sein, dass sie das Gesetz verletze. Keinesfalls, entrüstete sich die
Anklage, könne akzeptiert werden,
dass sich die Angeklagten über das
formale Gesetz hinwegsetzten. Ein
„ehrenhaftes, aber fehlgeleitetes Ansinnen“, welches einen Freispruch
rechtfertigen könne, müsse daher entschieden zurückgewiesen werden,
erklärte Richter Dohm.
UN-Beauftragter vor Ort
Der Protest der Secwepemc wird
durch Diffamierungen der Investoren
von Sun Peaks ebenso wenig zum
Schweigen gebracht werden, wie
durch ständige Haftbefehle und Gerichtsprozesse. Die Anerkennung der
indigenen Rechte wird daher nur
umso entschiedener erkämpft werden
müssen. Wichtig ist für die Secwepemc die Unterstützung und Aufmerksamkeit internationaler Organisationen. Jüngst erst hatte der UNSonderbeauftragte für Menschenrechte und Grundfreiheiten, Rodolfo Stavenhagen, auf Einladung mehrerer
indigener Nationen die Secwepemc
aufgesucht und auch das Protection
Camp beehrt, wo er nach Gesprächen
mit den Elders erklärte, er sei tief beeindruckt von den Sichtweise und der
Stärke der Secwepemc, welche ihre
Traditionen an die jüngeren weitergeben.
18
beitslosigkeit, Mängel im Sozialbereich sowie der Ausbildung und
schlechte medizinische Versorgung“.
Den Abschluss bildete seine Teilnahme an der Konferenz der Kanadischen
Vereinigung der Anthropologen, welche vom 08. bis 11. Mai stattfand.
Im Blickfeld: Indigene Rechte
Rodolfo Stavenhagen
Seine Rundreise begann am 1. Mai
mit einem Besuch bei der Union of
British Columbia Indian Chiefs, welches das Indigenous Network on Economies and Trade vorbereitet hatte.
Stavenhagen wurde auf seiner weiteren Reise von zahlreichen Chiefs
empfangen, beschränkte sich jedoch
nicht auf informellen Austausch, sondern besuchte die verschiedenen aktuellen Brennpunkte vor Ort, darunter
das Sutikalh Camp in Melvin Creek.
Die St’at’imc, die seit drei Jahren
entschiedenen Widerstand leisten und
durch das Camp einen weiteren Skiort verhindern können, gaben zu seinen Ehren ein Fest. Zu den weiteren
wichtigen Treffen gehörte der Austausch mit den Manitoba Chiefs, welche eine besondere Rolle im Kampf
gegen den First Nations Governance
Act (vgl. Coyote1/03) einnehmen,
und ein Ortsbesuch bei den Little
Grand Rapids und Pauingassi First
Nations, deren Lebensbedingungen
weit unter dem kanadischen Durchschnitt liegen. Ebenso reiste er zur
Blockade der Grassy Narrows, die –
mit landesweiter Unterstützung – ihr
Land gegen die Zerstörung durch den
Kahlschlagsgiganten Abitibi Consolidated schützen wollen (siehe Artikel S. 9). Auf Einladung von Chief
Reg Maloney reiste Stavenhagen weiter zu der Indian Brook Mik’maq
Nation, die ihre Fischereirechte gegen die Behörden und rassistische
Freizeitangler verteidigen müssen.
Stavenhagen zeigte sich tief bewegt
von den Begegnungen, „Ich war überrascht, soviel Armut anzutreffen. Diese Lebens- und insbeson-dere Wohnbedingungen hatte ich nicht erwartet.
Überall gibt es das Problem der Ar-
Stavenhagen, dessen Familie 1940
vor den Nazis nach Mexiko flüchtete, studierte Anthropologie in Chicago, Paris und Mexiko-Stadt. Er arbeitete unter anderem für das Instituto
Nacional Indigenista und arbeitet seit
den 70er Jahren bei den Vereinten
Nationen. Mit der Resolution 2001/
57 ernannte die UN-Menschenrechtskommission einen Sonderberichterstatter zur Situation der Menschenrechte und Grundfreiheiten der indigenen Völker. Dies war ein wichtiger
Schritt für das Bestreben der Indigenen zur Durchsetzung ihrer Menschenrechte. Die Aufgaben des Special-Rapporteurs umfassen die Informationsbeschaffung über die Lage der
indigenen Völker, die Ausarbeitung
von Empfehlungen zur Verbesserung
der Menschenrechtssituation und die
Zusammenarbeit mit anderen Menschenrechtsgremien des UN-Systems,
insbesondere der Arbeitsgruppe für
indigene Völker und dem Permanent
Forum.
Zu seinem Auftrag gehören dabei
selbstverständlich Reisen in die betreffenden Regionen während seiner
dreijährigen Amtszeit. Die kanadische Regierung hat eine offizielle Einladung an Stavenhagen ausgesprochen, doch wird diese Reise erst
nächstes Jahr stattfinden, so dass Rodolfo Stavenhagen der Einladung der
verschiedenen indigenen Völker
gerne nachkam und erklärte, er freue
sich schon darauf, 2004 in seiner offiziellen Funktion als Sonderberichterstatter wieder nach Kanada zu reisen. Für die Indigenen waren die Treffen mit dem UN-Vertreter ein wichtiges Ereignis und ein Grund zur Hoffnung, dass ihre Menschenrechte von
der internationalen Gemeinschaft
nicht vergessen werden.
Monika Seiller
COYOTE 2/03
L E S E R B E F R A G U N G!
Liebe Leserinnen und Leser,
wir arbeiten stets daran, den Coyote noch besser zu machen - mit aktuellen Informationen,
Hintergrundberichten und interessanten Kulturnews. Den Leser behalten wir dabei stets im
Auge. Nun kommen Sie ins Spiel: Wir wollen nämlich wissen, wie Ihnen der Coyote gefällt.
Nicht allgemein (schon ganz gut o.ä.), sondern konkret. Seit wann lesen Sie den Coyote,
welche Themen bevorzugen Sie, wie lange lesen Sie daran und wann?
Bitte helfen Sie uns, den Coyote noch interessanter zu gestalten.
Die Fragen zu beantworten, mag etwas Zeit kosten, aber es
lohnt sich. Unter den Einsendungen verlosen wir ein Video
„Donnervogelfrau“ (siehe Artikel S. 28).
Wie funktioniert’s?
Sie senden uns den Fragebogen in einem Umschlag zurück und
notieren Ihre Adresse ausschließlich auf dem Umschlag und
nicht auf dem Fragebogen. Die Angaben werden anonym
behandelt. Aus den Adressen der Umschläge verlosen wir das
Video.
Machen Sie mit und gewinnen Sie einen spannenden Film über
eine interessante Frau und ein wichtiges Beispiel indianischer
Gegenwart!!
Einsendeschluss: 31. August 2003
Biographische Angaben
weiblich
ledig
männlich
verheiratet/mit Partner lebend
Alter
Kinder
Ausbildung
Berufliche Situation
Haupt-/Realschule
arbeitslos
Gymnasium
Student/in
Universität
berufstätig
Sonstiges
COYOTE 2/03
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Leseverhalten
Lese Coyote seit
Abo seit
Wird der Coyote auch von anderen Personen gelesen?
Zahl der Person/en
Wird im Kreis der Familie gelesen
Wird von Freunden gelesen
Sonstiges
Wie wird gelesen?
Blättere nur durch
Lese regelmäßig
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Ich lese nur für mich interessante Artikel
Lese nicht alles, aber ca.
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Wenn nein, warum nicht?
Thematische Ausrichtung/Schwerpunkte
Besonderes Interesse für folgende Themen im Coyote
Interessen/Schwerpunkte jenseits der Coyote-Berichterstattung
Welche Schwerpunkte wünsche ich mir verstärkt?
20
COYOTE 2/03
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Kommentar
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Sprachstil
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Informationsverhalten
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Tageszeitung
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Themen
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gar nicht
Wie wurden Sie auf den Coyote aufmerksam?
Veranstaltung
Buchladen
Internet
Bekannte/Freunde
Sonstiges
Haben Sie gekündigt?
COYOTE 2/03
Wenn ja, warum?
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Engagement
ja
nein
ja
nein
ja
nein
ja
nein
ja
nein
Wären Sie bereit, sich kurzfristig an Aktionen/Kampagnen
zu beteiligen (ohne längerfristiges Engagement)?
ja
nein
Sind Sie Mitglied?
Wenn nein, warum nicht?
Waren Sie jemals Mitglied?
Wenn ja, warum wurde gekündigt?
Sind Sie Mitglied in anderen Organisationen?
Wenn ja, in welchen?
Engagieren Sie sich aktiv in Initiativen?
Wenn ja, in welchen?
Sind Sie derzeit nicht engagiert, waren aber früher aktiv?
Wenn ja, in welchen Initiativen und warum nicht mehr?
Was könnte Sie dazu bewegen, sich aktiv zu engagieren?
Indianerkontakt
Waren Sie schon in den USA oder Kanada?
ja
nein
ja
nein
Wenn ja wie oft?
Wenn ja, in welchen Regionen?
Waren Sie schon einmal auf einer Reservation?
Wenn ja,
zufällig
gezielt
länger
wie lange?
Haben Sie regelmäßig Kontakt zu Indianern?
22
ja
nein
COYOTE 2/03
Umweltgesetze
Profit statt Natur
Neue Angriffe auf den Naturschutz in den USA
Der International Indian Treaty Council gemahnte in der 59. Sitzung der Menschenrechtskommission an die
Rechte der Gwich’in im Nordosten Alaskas. Ihr im Pakt über Wirtschaftliche und Soziale Rechte festgelegtes
Recht auf Selbstbestimmung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung ist durch die weitere Öffnung
Alaskas für die Ölförderung bedroht. Für die Gwich’in stellen die letzten 5 % der unberührten Küste Alaskas eine bedeutsame wirtschaftliche und spirituelle Region dar, die durch eine weitere Ausbeutung der
Ressourcen unwiederbringlich zerstört würde.
Die rund 7.000 Gwich’in, die in 15
Dörfern im Nordwesten Kanadas und
Alaskas leben, beziehen noch heute
einen Teil ihrer wirtschaftlichen
Grundlage aus der Jagd der Porcupine Caribou-Herde, welche ihre Kalbplätze in der bedrohten Region des
„Arctic National Wildlife Refuge“
(ANWR) hat. Eine Versammlung der
Gwich’in-Chiefs verabschiedete daher im Mai eine dringliche Resolution zum Schutz des Gebiets.
In seinem Statement verwies der IITC
zudem auf einen Bericht der National Academy of Sciences vom März
dieses Jahres, der belegt, dass die Ölförderung an Alaskas Nordküste gravierendere Umweltschäden nach sich
gezogen habe als bisher angenommen. Der Bericht warnte vor einer
Ausweitung der Ölförderung, die seit
1968 in Alaska betrieben wird. Selbst
bei einer Verbesserung der Fördermethoden seien die langfristigen Konsequenzen katastrophal für das sensible Ökosystem der Region, die 20%
der heimischen Ölversorgung liefert.
Auch die mit der Ölförderung verbundene Infrastruktur habe sich bereits
verheerend auf die arktische Tierwelt
ausgewirkt, so seien insbesondere die
Caribou-Bestände zurückgegangen.
Während die Regierung daran arbeitet, rund 61.000 km² des ANWR der
Ölförderung zu öffnen, hat unterdessen die amerikanische Innenministerin Gale Norton weitere Regionen ins
Auge gefasst, darunter 356.400 km²
in der Nordwestregion des National
Petroleum Reserve. Ihr Vorhaben
stößt jedoch bislang noch auf die restriktiven Umweltvorschriften, welche die Clinton-Administration erlassen hatte, als sie 1998 186.300 km²
im Nordosten des Reserves zur Pacht
freigab.
COYOTE 2/03
Unter heftigstem Angriff stehen jedoch derzeit nicht nur die Umweltgesetze der Vorgängerregierung, sondern auch die vier Jahrzehnte existierende Rechtslage der Naturschutzgebiete generell. Seit 1964 besteht ein
„National Wilderness Protection System“, das 4,3 Mio. km² an Naturschutzgebieten betrifft, welche
damals vom Kongress festgelegt wurden. Der Kongress muss auch über
Ausnahmen und Aufhebungen bestimmter Regionen von dieser Gesetzgebung entscheiden. Als Wilderness Areas gelten nach dem Gesetz
von 1964 jene Regionen, die ihren ursprünglichen Charakter bewahrt haben und von zerstörender Infrastruktur oder Bergbau bzw. Ölförderung
verschont geblieben sind.
„Diese Regierung will den Naturschutz aushebeln“, erklärte Michael
Matz von der Campaign for
America’s Wilderness und zog vor
Gericht, wobei er die Unterstützung
der Öffentlichkeit hinter sich weiß,
die seit Jahren nach einer Ausweitung
des Naturschutzes und der Schaffung
neuer Naturschutzgebiete verlangt.
Eine diese Regionen, die des besonderen Schutzes durch den Wilderness
Act bedürfen, ist Comb Ridge mit
Cliff Dwellings und Petroglyphen der
Anasazi am Rand der Navajo Reservation im Südosten des Bundesstaats
Utah. Die Clinton-Administraion hatte dieses Gebiet zur Klassifizierung
als Wilderness Area auserkoren, doch
mit dem Wechsel der Regierung zeigte sich auch ein Wandel in der Umweltpolitik, und Innenministerin Norton wies das Bureau of Land Management (BLM), das 10,7 Mio. km² öffentliches Land in den westlichen
Bundesstaaten verwaltet, an, alle
Schritte in diese Richtung zu stoppen.
Unterstützung erhielt die Ministerin
dabei vom Bundesstaat Utah selbst,
der die Region der wirtschaftlichen
Nutzung erschließen möchte.
Bislang obliegt die Entscheidung über
die Klassifizierung nach wie vor dem
Kongress, doch die Zeit arbeitet gegen den Naturschutz, denn im April
schlossen Norton und Utah ein Abkommen, welches den Bau von Straßen in eben dieser Region betrifft und
damit den Kongress in seiner Entscheidung aushebeln könnte. Würden
erst einmal Straßen gebaut, könnte
Comb Ridge die Bedingungen als
Wilderness Area nicht mehr erfüllen
und stünde schutzlos weiterer Ausbeutung offen. 1996 hatte der damalige Innenminister Bruce Babbitt das
BLM angewiesen, weitere 105.300
km² in Utah zur Einrichtung als Wilderness Area zu klassifizieren, wodurch die Gebiete bis zur endgültigen
Entscheidung durch den Kongress
bereits als Naturschutzgebiete zu behandeln waren. Utah hatte dagegen
geklagt, aber vor Gericht verloren.
Doch mit der Bush-Regierung scheint
sich der Mormonenstaat besser zu
verstehen und setzt alles daran, den
Naturschutz zurückzudrängen. Der
Konflikt ist längst nicht ausgestanden,
aber durch die Hinterzimmerabkommen der Innenministerin fühlen sich
zahlreiche Kongressabgeordnete in
ihrer Entscheidungsmacht entmündigt, so dass sich zunehmender Widerstand zeigt. Schon haben Senatoren Entwürfe für ein neues Gesetz
vorgelegt, den Wilderness Act von
1964 zu retten. Gale Norton wird sich
jedoch in ihrer rigorosen Wirtschaftspolitik kaum davon beeindrucken lassen und der Verlierer scheint schon
klar: die Natur.
Monika Seiller
23
Permanent Forum
Think positive!
Sitzung des Permanent Forum in New York
Vom 12. bis 23. Mai tagte nun zum zweiten Mal das UN-Permanent Forum on Indigenous Issues in New
York, welches auf Beschluss des Wirtschafts- und Sozialrats ins Leben berufen wurde und 2002 zum ersten
Mal stattfand. Der Themenschwerpunkt der diesjährigen Sitzung lautete „Indigene Kinder und Jugendliche“. Mit der Wahl des Themas sollte in besonderer Weise unterstrichen werden, dass die indigenen Völker
nur dann überleben können, wenn sie ihre Traditionen, Kulturen und Sprachen an die nächsten Generationen weitergeben können.
Rund 1500 Teilnehmer kamen in New
York zusammen, um sich über die wichtigsten Fragen auszutauschen, u.a. über
das Recht auf geistiges Eigentum oder
Fragen des Selbstbestimmungsrechts.
In seiner Grußbotschaft betonte UNGeneralsekretär Kofi Annan, der nicht
persönlich anwesend war, die besondere Notwendigkeit, indigene Themen in
die tägliche Arbeit der Vereinten Nationen aufzunehmen. Welch frommer
Wunsch, wäre da nicht das rutschige
Parkett der diplomatischen Fallstricke.
Tony Belcourt, Präsident der Metis
Nation aus Ontario, beklagte sich nämlich über mangelnde Kooperation, die
weitaus politischer motiviert ist als nur
bürokratisch begründet. Die Metis hatten bei der ersten Sitzung des Permanent Forum der chronisch finanzschwachen UNO angeboten, eine Personalstelle zu sponsern, d.h. sie erklärten sich
bereit, einen Mitarbeiter zur Verfügung
zu stellen, was einem finanziellen Gegenwert von rund $ 100.000 pro Jahr
entspricht. Dumm nur, dass die großzügige Spende nicht ins System der UN
passt. Die Uno hätte, so die Antwort auf
sein Angebot, die Spende ja gerne akzeptiert, aber es sei nicht möglich, ein
direktes Abkommen mit den Metis zu
schließen. Diese Vorgehensweise erinnert fatal an den Streit um das kleine
„s“ hinter dem englischen Wort für
Volk, das aus „people“ dann „peoples“
mit völkerrechtlichem Anspruch werden läßt. Das Selbstbestimmungsrecht,
von dem in den UN-Dokumenten so
ausgiebig die Rede ist, ist selbst an der
Quelle der Diskussion offensichtlich
noch sehr weit von seiner Verwirklichung entfernt.
Die kleinen verbalen Streicheleinheiten
soll das nicht stören. Nach anderen Anerkennungsfloskeln, wie sie an der
UNO üblich sind, würdigte Annan
insbesondere die Rolle der indigenen
Völker in Fragen des Umweltschutzes,
wo sie einen wichtigen und anerkannten Beitrag leisteten. Schön gesagt, aber
24
nur die halbe Wahrheit. Gerade die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen steht
im Zentrum ihres alltäglichen Kampfs
ums Überleben, sei es nun die Militarisierung ihres Landes, die Zerstörung
durch Bergbau, Kahlschlag, Energieprojekte oder Atommüll. Die indigenen
Völker sind weiter in ihrer Lebensweise bedroht, wofür sowohl die Staatenregierungen als auch nationale und
transnationale Konzerne die Verantwortung tragen. Nicht zuletzt durch die internationalen Gremien wie IWF oder
Weltbank werden häufig Projekte gefördert und finanziert, die verheerende
Auswirkungen nicht nur auf die Umwelt, sondern auch auf traditionelle
Strukturen haben.
Ein Vertreter der Weltbank jedoch verkündete in einem länglichen Statement
die „neue Einsicht“ der Institution: Ab
Juni 2003 würde ein Fonds für die Indigenen mit einem Gesamtvolumen von
$ 700.000 zur Verfügung gestellt. Mit
jeweils $ 50.000 sollen davon indigene
Projekte gefördert werden. Ein klein
wenig Absolution zu erkaufen, ist wohl
auch für die Weltbank recht werbewirksam. Dabei hat sie auf der politischen
Ebene noch viel nachzuholen, wie ein
Vertreter des International Indian Treaty Council kritisierte, der darauf verwies, dass sich die Weltbank weiterhin
beharrlich weigere, die wichtigsten
Prinzipien der indigenen Rechte anzuerkennen. Sie befinden sich damit in
Gesellschaft alter Bekannter – z.B. der
USA.
Ihnen war es schon immer ein Dorn im
Auge, dass hier unzählige Vertreter indigener Völker, Aktivisten und Menschenrechtler zusammenkommen, um
sich über die Ungerechtigkeiten auch
des eigenen Empire zu beklagen. Kein
Wunder also, dass die US-Regierung
nicht einen einzigen Cent für den UNVoluntary Fund springen lässt, ohne den
einige indigene Vertreter gar nicht anreisen könnten. Was nicht weiter über-
Permanent Forum-Eröffnung in
New York mit indigenen Delegierten
rascht, schließlich ist nicht erst seit dem
Streit im Sicherheitsrat über den Irakkrieg bekannt, was die US-Regierung
von der UNO hält, und so tauchte der
zuständige UN-Botschafter Sichan Siv
kein einziges Mal im Forum auf, und
der Rest der Delegation hielt sich vornehm zurück. Die wichtigen Pläne werden ohnehin lieber in den Hinterzimmern geschmiedet, und einer davon
könnte für die Indianer brisant werden.
Die USA zählten ohnehin nicht zu den
Förderern des Permanent Forum, doch
nehmen sie vor allem an dem Umstand
Anstoß, dass in der Runde nicht ihre
Marionetten der Stammesregierungen
sitzen, sondern „abtrünnige Traditionalisten“. Prompt kam der Vorschlag, die
Stammesregierungen sollten stärker
vertreten sein und über die schönen Erfolge der Stammesprojekte berichten.
Da wird Chief Gary Harrison aus
Chickaloon, Alaska, wohl aufpassen
müssen, ob er nächstes Jahr wieder nach
New York reisen darf, denn er verlangte von den Vereinten Nationen,das Land
Alaska, das die Bush-Regierung der
restlosen Zerstörung durch gierige Ölförderung ausliefern will, auf die Liste
der Entkolonialisierungsländer zu setzen. Wo bleibt denn da das Positive?
Monika Seiller
COYOTE 2/03
Working Forest
Ausverkauf in British Columbia
„Working Forest“-Projekt der Regierung Campbell
„Working Forest“ ist ein neues Gesetzesprojekt der Regierung Campbell in der kanadischen Pazifikprovinz British Columbia und bedeutet
nicht mehr und nicht weniger als den
Totalverkauf an die Industrie. Am 22.
Januar 2003 kündigte die Regierung
an, sie werde weitere 45 Mio. Hektar
öffentlichen Landes an private Investoren verkaufen. Umweltzerstörer
willkommen! Das Working-ForestProjekt garantiert der Holz- und anderer Industrie ungehinderten Zugang
zu allem öffentlichen Land außerhalb
erklärter Parks und Schutzzonen. Im
Falle der Einrichtung von Naturschutzgebieten müssten dann die neuen Eigner für den Gewinnausfall entschädigt werden. Stan Hagen, der
Mann der sich ausgerechnet Minister
für „nachhaltige“ Ressourcenentwicklung nennt, geht sogar noch
darüber hinaus. Jedes Land, das dann
in Unternehmensbesitz zum Rückkauf als Naturschutzgebiet in Frage
käme, müsste von bestehenden Parks
ersetzt werden!
Gebrochene Wahlversprechen
Der neue Entwurf steht in eklatantem
Widerspruch zu den Wahlversprechen, die Regierung Campbell werde
erbittert Kronland gegen Privatbesitz
verteidigen. Das neue Gesetz jedoch
wäre die Komplettprivatisierung eben
jenes Kronland, das noch nicht einmal
Kanada oder der Provinz gehört.
Längst nicht geklärt sind nämlich die
Landrechte der Indigenen. Zur Erinnerung: die Regierung Campbell hatte Ende letzten Jahres in einem rassistischen und verfassungswidrigen
Referendum die eigene Bevölkerung
über solche Landrechtsfragen entscheiden lassen und dabei Horrorszenarien bemüht, die Indianer würden bei einer Einigung von Landrechtsansprüchen das Land in Privatbesitz überführen und der Naturschutz
wäre damit bedroht. Doch nun will
sich die Regierung ausgerechnet in
die Arme von Kahlschlagsfirmen und
Industrie werfen. Wie war das doch
mit dem Bock als Gärtner?
COYOTE 2/03
British Columbia verfügt über große
Regionen – noch – unberührter Natur mit einer beeindruckenden Artenvielfalt. Als drittgrößte Provinz verfügt B.C. über 95 Mio. Hektar, davon
92 % sogenanntes Kronland, also öffentlichen Grund. Endlose Wälder,
zahlreiche Seen und vielfältige Fischbestände bedeuten bislang den Reichtum der Provinz, doch die Regierung
lässt keinen Bereich zur Kommerzialisierung aus. Schon sind die Lachsbestände in den Seen und im Pazifik
durch Verseuchung aus Fischfarmen
bedroht, zunehmender Kahlschlag reduziert den Waldbestand und nun soll
gleich fast die Hälfte der Provinz privatisiert werden. Bisher konnten Firmen nur den Zugang pachten (im
Regelfall mit 25 Jahren Laufzeit) und
Einschlagslizenzen erwerben, aber
nicht den Grund und Boden.
Missachtung des Aboriginal Title
Die neue Gesetzesinitiative, so Campbell, würde zukünftigen Einigungen
über indigene Landrechte, den Aboriginal Title, nicht im Wege stehen.
Doch in die Zukunft gedacht, würde
bei einem Ausverkauf des Landes an
Investoren, der Rückkauf bzw. Entschädigungspreis so hoch liegen, dass
die Regierung wohl kaum besonderes Interesse an einer Einigung zeigen würde.
Das Working Forest Projekt ist nicht
der erste Versuch der Regierung, den
Naturschutz einschneidend zu reduzieren. Bereits mit den vorherigen Gesetzen – dem Forest Act und dem
Parks Compensation Act – wurden
hohe Hürden für den Erhalt der natürlichen Ressourcen gesetzt, denn
diese öffnen bereits die Naturparks für
die kommerzielle Abholzung.
Die Öffentlichkeit zeigt sich als klarer Gegner der neuen Bestrebungen,
hat aber nur wenig Mitspracherechte, denn die Frist für Eingaben wurde
auf zwei Monate begrenzt. Doch noch
ist es nicht zu spät, gegen das Gesetz
zu agieren. Die „Coalition for Sustai-
Konfrontation beim Protest gegen
Working Forest am 08.05.03
nable Forest Solutions“, ein Zusammenschluss von 50 indigenen Nationen, Gewerkschaften, Umweltgruppen und Kleinunternehmern hat ein
Gegenkonzept ausgearbeitet, das den
Schutz der bestehenden Natur ebenso
berücksichtigt, wie den Ausbau der
Arbeitsplätze und nachhaltige Nutzung, aber auch die Ansprüche der
Indigenen anmahnt und deren Konsultationen dringend einfordert. Chief
Phillip, rühriger Präsident der Union
of British Columbia Indian Chiefs,
protestiert gegen das Gesetz: „Den
Unternehmen noch mehr Rechte und
Verfügungsgewalt über unser rechtmäßiges Land zu geben, ist das Rezept für weitere Verelendung und Armut der First Nations und wird negative Auswirkungen auf den physischen, kulturellen und ökologischen
Zustand unserer Gemeinden haben.
Wir werden nicht tatenlos daneben
stehen und zuschauen. Die Provinz
muss die Gesetze Bill 27 und 29 stoppen, solange wir nicht völlig in die
Planungen einbezogen und konsultiert werden.“ Mit der natürlichen
Existenzgrundlage steht ihr Überleben als indigene Völker zur Disposition.
Dringend erforderlich ist eine hohe
Zahl an Protestbriefen an den Minister, der bei grün wahrscheinlich weniger an die Natur denkt als an die
Farbe des Geldes. Protestbriefe an:
Working Forest Initiative
Ministry of Sustainable Resource
Stan Hagen
P.O. Box 9352 St. Prov. Govt
Victoria, B.C. V8W 9M1
Monika Seiller
25
Fischereirechte
Im Netz der Repression
Fischereirechte der Indianer bedroht
Der Kampf der Indigenen um ihre Fischereirechte in Kanada geht von der Atlantik- bis zur Pazifikküste
unvermindert weiter, während die Regierung gewalttätig gegen die indigenen Fischer vorgeht und damit die
eigenen Verfassungspflichten verletzt. Die Rechte der Indigenen werden jedoch nicht nur von Bundes- und
Provinzregierung missachtet, sondern vor allem von den kommerziellen Fischfirmen bedroht. Gleichzeitig
warnen Wissenschaftler und Naturschützer gleichermaßen vor dem Verschwinden von Fischarten und der
Zerstörung der Umwelt durch die giftigen Einsätze aus den Farmen.
legalen Fischerei durch Richter Saunderson
vom Provinzgericht in B.C.
freigesprochen.
139 Boote der
„Fisheries Survival Coalition“, einer Organisation weißer HobbyAngler, welche
sich gegen die
„Bevorzugung“ der Indi- Nuxalk-Protest vor einem Supermarkt in Vancouver
genen engagieren und wiederholt Konfrontationen nen Nationen solidarisieren. So hatprovoziert haben, war letzten August ten die Nuxalk Chiefs im April zu eiim Johnstone Strait zum Fischfang nem Boykott der Einzelhandelskette
losgezogen, obwohl die Region auf- Safeway aufgerufen, der auch von
grund der reduzierten Fischbestände vielen Weißen unterstützt wurde.
nur für indigenen Fischfang freigegeben war. „Hätte es sich bei ihnen um Ungeachtet der öffentlichen UnterIndianer gehandelt“, so Phillips Re- stützung mussten die Indianer sowohl
sümee, „hätte das Urteil anders ge- mit dem Freispruch der illegalen Filautet“. Die UBCIC unterstützt den scher als auch mit dem empörenden
Kampf der verschiedenen indiani- Bericht eines Parlamentsausschusses
Fast zum selben Zeitpunkt wurden 40 schen Nationen für ihre Fischerei- über die Lachsfischerei am Fraser
weiße Fischer von der Anklage der il- rechte und gegen die Fischfarmen seit River erneut zur Kenntnis nehmen,
Monaten durch Pro- dass sich die Regierung beharrlich
teste und Kampag- weigert, die indigenen Rechte anzunen. Ihrer Aufklä- erkennen. Der Report „The 2001 Frarungsarbeit ist es zu ser River Salmon Fishery“ legt in seiverdanken, dass sich nen Abschlussempfehlungen nahe,
inzwischen viele die „Aboriginal Fishery Strategy“, die
Restaurants wei- Indianern zur eigenen Subsistenzwirtgern, Fisch aus den schaft Fischfangrechte einräumt, aufFarmen zu kaufen. zugeben und den Fischfang durch die
Vor allem auch die Ureinwohner drastisch zu reduzieren.
Proteste vor Super- In einem offenen Brief (siehe Kasten)
märkten zeigen Wir- an den Fischereiminister Thibault
kung, da viele Ver- vom 19. Juni verlangte UBCIC-Präbraucher nur unzu- sident Phillip endlich eine Umkehr in
reichend über die Si- der Politik der Provinz.
tuation informiert
sind und sich bei nä- Monika Seiller
herer Kenntnis der
Lage mit den indigeProtest gegen die Missachtung der Fischereirechte
„Ich bin einfach wütend“, erklärte der
Präsident der Union of British Columbia Indian Chiefs (UBCIC), Stewart
Phillip, „wir werden behandelt wie
Verbrecher, obwohl wir nur unsere
unveräußerlichen Rechte wahrnehmen. Für das brutale Vorgehen der
RCMP gibt es keinerlei Entschuldigung, aber eine einfache Erklärung:
sie wollen die Situation unbedingt
zum Eskalieren bringen“. Am 13. Mai
wurde Sidney Douglas, Ratsmitglied
der Cheam Indian Band (Coast Salish) am Ufer des Fraser River von
Mitarbeitern des Fischereiministerium (DFO) brutal angegriffen, geschlagen, mit Pfefferspray attackiert
und wegen des Vorwurfs der illegalen Fischerei in Handschellen genommen. Unmittelbar darauf erschien
mehrere RCMP-Leute, um den DFOBeamten zur Hilfe zu eilen, während
sie Douglas abführten. Immer wieder
müssen sich die Indigenen gegen den
Vorwurf des illegalen Fischen erwehren, obwohl sie über gesetzliche
Rechte verfügen.
26
COYOTE 2/03
Fischereirechte
Offener Brief an Fischereiminister Thibault
Ministry of Fisheries and Oceans
200 Kent Street, Suite 1570
Ottawa, Ontario
Canada K1A 0E6
Re: Angriff auf indigene Fischereirechte
Stewart Phillip, Präsident der UBCIC
Das Recht der indigenen Völker auf Fischerei und die grundsätzliche Existenz als Völker und Nationen
sind erneut bedroht. Dieser Angriff formuliert sich sowohl in dem „The 2001 Fraser River Salmon Fishery
Report“ (Report) des Parlamentsausschusses für Fischerei und Ozeane als auch in der jüngsten Entscheidung des Richters Brian Saunderson vom Provinzgericht, 40 nicht-indigene kommerzielle Fischer von der
Anklage des illegalen Fischfangs freizusprechen.
Sowohl das Gerichtsurteil als auch der Report zeigen, dass weder der Ausschuss noch Richter Saunderson
die verfassungsrechtliche Natur der indigenen und Vertragsrechte verstehen, welche unter Abschnitt 35
(1) der Verfassung von 1982 geschützt sind. Abschnitt 35 (1) schützt die indigenen Völker nicht als „ethnische Minderheiten“, sondern als Völker und Nationen im Sinne des Völkerrechts, welche niemals ihren
Landrechtstitel, ihre indigenen Rechte oder das Selbstbestimmungsrecht aufgegeben haben.
Der Report, der Beschränkungen und Einschnitte bei den verfassungsmäßigen Rechten der indigenen
Völker empfiehlt, und die jüngste Saunderson-Entscheidung offenbaren eindeutig den anhaltenden wirtschaftlichen und politischen Rassismus, dem die indigenen Völker ausgesetzt sind. Kanadas Wirtschaft
basiert auf einem teuflischen Rassismus: Die Verweigerung der indigenen Rechte auf Land und Wasser
bildet die Grundlage für allen Reichtum, der in diesem Land produziert wird. Lange bevor die ersten
Siedler in dieses Land kamen, lebten die indigenen Völker schon hier nach ihren eigenen Gesetzen. Wir
waren keine armen notleidenden Völker, denn Lachs, Heilbutt und all der Reichtum der Flüsse, Seen und
Ozeane ernährte unsere Völker und mehrte unsere Wirtschaft. Abschnitt 35 (1) ist konzipiert, um eben
diese Tatsachen anzuerkennen und den indigenen Völkern und Nationen dieses Existenzrecht zu sichern
und eine gesunde Wirtschaft aufrechtzuerhalten.
Leider wird der unseren indigenen Völkern zugesicherte Schutz der Verfassung in seinen Fundamenten
erschüttert, wenn das Justizsystem selbst den Hintergrund dieses Verfassungsabschnitts nicht versteht und
die eigennützigen und rassistischen Ansprüche von Gruppen wie der „Fisheries Survival Coalition“ willfährig unterstützt. Wenn die Gerichte nicht bereit sind, die Verfassungsrechte der indigenen Völker zu
schützen, werden wir diese vor Ort praktisch verteidigen müssen. Wir können den Schutz unserer Rechte
weder den Parlamenten noch den Gerichten überlassen, die unser Vertrauen verloren haben. Aufgrund der
Erfahrungen gibt es wohl kaum andere Völker, die mehr Grund haben, der Unabhängigkeit und Gerechtigkeit der Gesetzgeber und der Gerichte zu misstrauen als die indigenen. [...]
In allen indigenen Gemeinden werden Fischer und Jäger für die Ausübung ihrer Verfassungsrechte kriminalisiert. Hunderte Indigener werden jährlich verhaftet, angeklagt und verurteilt, weil sie es wagen zu
fischen oder zu jagen, um ihre Familien zu ernähren. Unsere Völker werden als Kriminelle behandelt, nur
weil sie Indigene sind. Auf dieser Doppelzüngigkeit wurde Kanada gegründet, das den zugrunde liegenden Rassismus bis in unsere Tage fortsetzt. [...]
Das geringe Vertrauen, welches wir in den Schutz unserer Rechte durch das politische System Kanadas
bzw. die Gerichte setzten, ist nun endgültig verloren. Wir fordern den Minister daher in aller Schärfe auf,
die Empfehlungen des Reports zurückzuweisen und Berufung gegen das Saunderson-Urteil einzulegen.
Darüber hinaus verlangen wir – unter der Federführung der indigenen Völker – eine umfassende Untersuchung, wie die Krone ihre Verpflichtungen gegenüber den Indigenen erfüllen und die Rechte gemäß Abschnitt 35 (1) verwirklichen kann.
Chief Stewart Phillipp
Präsident der Union of British Columbia Indian Chiefs
Vancouver, den 19. Juni 2003
COYOTE 2/03
27
Winona LaDuke
Donnervogelfrau
Winona LaDuke und das White Earth Land Recovery Project
Im Rahmen des diesjährigen Dokumentarfilmfestivals, welches vom 02. bis 10. Mai in München stattfand,
wurde der Film „Thunderbird Woman – Winona LaDuke“ von Bertram Verhaag und Claus Biegert vorgestellt. Die Produktion der Denkmal Film GmbH porträtiert die bekannte Aktivistin und ihre vielfältigen
Projekte, u.a. das White Earth Land Recovery Project, welches wir aus diesem Anlass ebenso vorstellen
möchten, wie die treibende Kraft dahinter, Winona selbst, deren Engagement vor allem aus der Auseinandersetzung mit der Geschichte und Gegenwart der Anishinaabeg resultiert.
„Wir wollen keine Amerikaner werden, sondern die eigene Kultur vor
dem Untergang bewahren. Und ich
glaube, wir haben Erfolg damit“, erklärt Alex White Plume im Film das
Anliegen, welches Winona und ihn
verbindet. Alex selbst setzt sich für
die Kultur und das wirtschaftliche
Überleben der Lakota mit zahlreichen
Projekten, u.a. den Anbau von Nutzhanf, ein (vgl. diverse Coyoteberichte). Ebenso wie Winona erkennt er die
einzige Chance, die eigene Kultur zu
bewahren, in wirtschaftlicher Autarkie und enger Verbindung mit dem
Land, der Basis nicht nur für die ökonomische Unabhängigkeit, sondern
auch für das spirituelle Überleben der
indigenen Völker.
Für viele Indianer stellt sich das Problem, in der weißen Welt, dem Amerika der Einkaufszentren und Konzerne, überleben und sich dort ihren Platz
erstreiten zu müssen. Für Winona war
jedoch stets klar, dass sie auf und mit
dem Land ihrer Vorfahren leben wollte, eingebunden in eine Welt, die zwar
von äußeren Bedingungen bestimmt
wird, aber dennoch von der Geschichte der Anishinaabeg geprägt ist.
Die Anishinaabeg, bei uns auch bekannt als Ojibway oder Chippewa,
verteilen sich heute auf rund 100
Siedlungsgebiete und Reservate in
fünf US-Bundesstaaten sowie den
Süden von vier kanadischen Provinzen. Die White Earth Reservation in
Minnesota mag mit ihren 3.367 km²
und zahlreichen Seen als großzügige
Landbasis erscheinen, doch tatsächlich gehören nur noch 10% des Reservatsgebiets den zur AlgonkinSprachfamilie zählenden Anishinaabeg selbst, 90 % befinden sich im
Besitz von Nichtindianern. Zwar hatten die USA und England bzw. Ka-
28
nada mit den Anishinaabeg zwischen
1785 und 1923 allein 40 Verträge geschlossen, doch das Schicksal indianischer Verträge ereilte die Anishinaabeg in gleicher Weise wie andere
indigene Völker: Die Auslegung erfolgte letztlich stets von Regierungsseite zu Ungunsten der Indianer,
insbesondere wenn wirtschaftliche
Interessen ins Spiel kamen.
Gier nach Bodenschätzen
Um 1800 wurden am Südufer des
Lake Superior auf der KewaneeHalbinsel ein großes Kupfervorkommen, der „Ontonogan Boulder“, sowie Eisenerzfunde im „Sleeping Giant“ im Norden Minnesotas entdeckt.
Hinzu kamen die reichen Holzbestände im St. Croix Valley, welche –
ebenso wie die reichen Bodenschätze - die Begehrlichkeiten weckten und
zahlreiche Firmen auf indianisches
Land lockten. Der Ausbeutung der
Ressourcen war nicht mehr Einhalt zu
gebieten. Die Regierung schloss erneut Verträge zur Nutzung der Bodenschätze – mit verheerenden Folgen für
die Indianer. Bereits um 1890 waren
284 Bergbaufirmen in Minnesota tätig, und der Bundesstaat lieferte zwischen 1890 und 1940 75% der nationalen Eisenerzproduktion. Auch die
Abholzung der Wälder nahm kontinuierlich zu; 1898 wurden jährlich
179.360 m³ Holz geschlagen. Schon
damals war der Gigant Weyerhaeuser, der bis heute indianisches Land
in den USA und Kanada zerstört, die
treibende Kraft hinter dem Kahlschlag.
te das indianische Land nicht sichern,
und durch den General Allotment Act
1889, durch den eine Parzellierung
des Landes vorgenommen wurde,
verlor der Stamm große Gebiete des
Reservatslands an den Staat, der das
Land wiederum an weiße Investoren
verpachtete und verkaufte, so dass
bereits 1914 nur noch 14% des Reservats in Stammesbesitz verblieben.
Einen weiteren Rückschlag erlitten
die Anishinaabeg durch die Einrichtung eines Naturschutzgebiets, des
„Tamarac National Wildlife Refuge“,
für das 1930 ebenfalls Reservatsland
beschlagnahmt wurde. Auch durch
den Indian Reorganization Act 1934
ging weiteres Land verloren und der
indianische Landbesitz reduzierte
sich auf 10% der ursprünglichen Reservatsfläche.
Das Vordringen der Konzerne hatte
für die Anishinaabeg katastrophale
Folgen. Sie mussten immer mehr zusammenrücken und konnten das Land
kaum mehr nutzen, was zu einer rapiden Verschlechterung der ökonomischen Basis führte, aber auch gesundheitliche Auswirkungen nach sich
zog. Die Zahl der Krankheiten und
Epidemien nahm stetig zu, 1920 litten allein 60% der Reservatsbevölkerung an Tuberkulose. Umsiedlungsmaßnahmen und Perspektivenlosigkeit verdrängten die Indianer von der
Reservation, so dass Anfang der 30er
Jahre von rund 8.600 eingeschriebenen Stammesmitgliedern nur noch die
Hälfte auf dem Reservatsgebiet lebte. Eine weitere Vertreibungswelle
erfolgte in den 50ern durch den „Relocation Act“.
White Earth Reservation
Fish-Ins
1867 wurde die White Earth Reservation eingerichtet, benannt nach der
hellen Erde am Ufer der zahlreichen
Seen. Doch auch dieser Schritt konn-
Erst die 70er Jahre sollten den Verelendungsprozess bremsen. Im Zuge
der Bürgerrechts- und IndianerbeweCOYOTE 2/03
Winona LaDuke
gung besannen sich zunehmend
Anishinaabeg auf ihre traditionelle
Lebensweise. Begleitet von politischen Demonstrationen griffen sie
den traditionellen Fischfang wieder
auf, was jedoch zu heftigen Zusammenstößen mit weißen Rassistengruppen führte. Bis heute bekämpfen
Gruppen wie PARR (Protect American Rights and Resources) und WAR
(White Aryan Resistance) die indianischen Rechte, z.T. mit gewalttätigen Übergriffen. Zahlreiche Indianer
wurden wegen illegalen Fischfangs
verhaftet, doch die Bewegung hatte
längst auch andere Stämme erfasst,
die sich gemeinsam für ihre traditionellen Rechte einsetzten, und neben
Aktionen begannen die Indianer nun
auch die juristischen Wege zu nutzen.
Die „Boldt Decision“ 1974 führte zur
Anerkennung indianischer Fischereirechte in Washington, und ein Jahrzehnt später bestätigte die Voigt-Entscheidung (1987) die Rechte der
Anishinaabeg in Minnesota. Auch vor
dem Hintergrund einer offiziellen Studie über die mangelnde Rechtsbasis
des General Allotment Act, die 2.415
Fälle dubioser Landaneignung untersuchte, allerdings (ganz im Interesse
der Regierung) 1982 eingestellt wurde, suchte die Regierung eine Einigung, um das Thema aus den Schlagzeilen zu bringen.
White Earth Land Settlement Act
1983 brachte der republikanische Abgeordnete aus Minnesota, Arlan
Strangeland, den „White Earth Settlement Act“ im Kongress ein. Das
Gesetz sah zwar vor, die Ashinaabeg
mit $ 3 Mio. zu entschädigen, dies
hätte jedoch bedeutet, dass im Gegenzug die weiße Landbesitznahme nachträglich legitimiert und festgeschrieben worden wäre. Nach anfänglicher
Zustimmung von seiten des Stammesrats mobilisierten die Anishinaabeg
den Widerstand gegen dieses Gesetz,
das ihre Rechte missachtete. Die Regierung erhöhte daraufhin das Angebot von $ 3 Mio. auf $ 17 Mio. Gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung stimmte der damalige Stammesratsvorsitzende Darrell Wadena
1986 dem Gesetz zu, das im Abgeordnetenhaus bei einer Anwesenheit
von lediglich zwölf Volksvertretern
COYOTE 2/03
angenommen wurde. Doch die Indianer gaben nicht auf und die Organisation „Anishinaabeg Akiing“ reichte umgehend zwei Sammelklagen ein,
„Manypenny v. US“ und „Fineday v.
US“, die jedoch vom Gericht abschlägig beschieden wurden. In einem weiteren Prozess „Little Wolf vs. US“ gelangte allerdings das Gericht zu der
Auffassung, die Indianer hätten ein
Recht zur Klage und damit auch ein
Recht, den „White Earth Settlement
Act“ abzulehnen, was zu einem Stillstand des Verfahrens führte. Einen
weiteren Gerichtserfolg konnte die
Mille Lacs Band 1997 erzielen, als der
Oberste Gerichtshof bekräftigte, die
Indianer hätten weiterhin ein Recht,
auch außerhalb des Reservats Fisch
zu fangen, und eine Fangquote von
40.000 Pfund Walleye festlegte. Während die Mille Lacs im Jahr 1998
38.000 Pfund fischten, holten weiße
Sportangler im gleichen Zeitraum
355.000 Pfund aus den Gewässern des
Sees.
1989 wurde das „White Earth Land
Recovery Project“ (WELRP) von
Winona LaDuke gegründet. Winona
hatte die Bedeutung des Landes für
ihr Volk erkannt und sah die größte
Bedrohung für das Überleben der
Anishinaabeg-Kultur in dem Umstand, dass nur 10% des Reservatslands den Indianern zur Verfügung
steht. Erklärtes Ziel des Projekts war
der Rückkauf indianischen Landes.
Thunderbird Woman
Winona – Donnervogelfrau lautet ihr
indianischer Name – selbst wurde
nicht auf der Reservation, sondern
1959 in Los Angeles, Kalifornien,
geboren. Ihr Vater Vincent „Sun
Bear“ LaDuke war jedoch auf der
White Earth Reservation aufgewachsen und vermittelte Winona die Bedeutung indianischen Lands und der
Gemeinschaft der Anishinaabeg
(immerhin hatte er 11 Geschwister)
bereits in Kindertagen. Neben der
Schauspielerei, die ihm einige Rollen
in Hollywood einbrachte, gab er die
Zeitschrift „Many Smokes“ heraus
und engagierte sich stark im politischen Bereich, was ihn mit Winonas
Mutter, Betty Bernstein, verband. Die
beiden hatten sich in New York ken-
Winona LaDuke
nengelernt, als Vincent Wildreis verkaufen wollte Betty entstammte einer
jüdischen Familie polnisch-ukrainischer Herkunft. Winonas Großmutter
Helen war eine eifrige Gewerkschafterin und vermittelte ihrer Tochter einen Sinn für politische Verantwortung. Sicherlich hat sich vieles in der
Biographie ihrer Mutter Betty, die in
jungen Jahren als Künstlerin nach
Mexiko reiste, um mit den dortigen
Indigenas zusammenzuarbeiten, auch
auf Winona übertragen. Beide Eltern
prägten bereits in der Kindheit Winonas Gespür für Gerechtigkeit und politisches Engagement.
Nach der Trennung der Eltern zog
Winona mit ihrer Mutter nach Ashland, Oregon, wo ihre Mutter wieder
heiratete. Auf der High School begann
Winona, langsam ihren eigenen Weg
zu finden. Sie schloss sich einem Debattierclub an, arbeitete in der Bibliothek und organisierte Vorträge. Ein
wichtiges Ereignis war das Zusammentreffen mit dem Aktivisten und
Künstler Jimmie Durham und dem
„Native American Solidarity Committee“ in Harvard, wo sie Wirtschaft
studierte. Durham, der damals auch
im „International Indian Treaty Committee“ arbeitete, engagierte Winona
als Assistentin und ebnete ihren politischen Weg. In der Zusammenarbeit
mit ihm sollte sie einen Bericht über
die Auswirkungen des Uranabbaus
auf die Navajo in Arizona erstellen
und wurde eingeladen, diesen Bericht
29
Winona LaDuke
Durch ihre Heirat 1988 mit dem CreeAktivisten Randy Kapashesit (Moose Factory Reservation) lernte Winona die Probleme der kanadischen Indianer kennen, insbesondere den
Kampf der James Bay Cree gegen die
gigantischen Staudammprojekte auf
ihrem Land in Quebec. Inzwischen
Mutter von zwei Kindern – Waseyabin (1988) und Ajuawak (1990) –
strebte sie neue Erfahrungsbereiche
an und wurde 1991, nicht zuletzt aufgrund ihres Engagements für die James Bay Cree, in das Direktorium von
Greenpeace berufen. Nach ihrer Trennung von ihrem Ehemann 1992 widmete sich Winona weiteren Projekten,
u.a. den Protestaktionen gegen den
Kahlschlag am Clayoquot Sound in
British Columbia.
Winona LaDuke
Tourmanagerin
persönlich bei der UNO 1977 in Genf
zu präsentieren. Damals tagte am
Schweizer Sitz der Vereinten Nationen die erste Gruppe von Ureinwohnern, aus der schließlich die offizielle UN-Arbeitsgruppe für Indigene
Völker entstehen sollte. 1995 sollte
Winona übrigens erneut vor den Vereinten Nationen sprechen, diesmal auf
der Frauenkonferenz in Peking.
Think galactical – act global!
Nach ihrem Abschluss in Harvard
1982 zog Winona auf die White Earth
Reservation, um an der dortigen Survival School zu arbeiten. Die Situation auf der Reservation war zu dieser
Zeit so miserabel, wie auf vielen anderen Reservaten: 85% der Erwachsenen waren arbeitslos, Alkoholismus, Resignation und Gewalt waren
alltäglich. Zwischen 1982 und 1989
engagierte sie sich in verschiedenen
Gruppen, um gerichtlich eine Landrückgabe zu erzielen, doch ohne Erfolg. Durch ihre Arbeit im „Native
American Youth Council“ kam sie in
Kontakt mit anderen Aktivisten in den
USA und weltweit. Gerade die Erfahrung im Austausch mit anderen indigenen Völkern bestärkte sie auf ihrem Weg, der sie in vielfältige Projekte involvieren sollte. 1985 gründete sie zusammen mit u.a. Janet McCloud das „Indigenous Women’s Network“ (IWN), das sich auch für viele
kommunale Projekte einsetzt.
30
Im Zusammenhang mit der Unterstützung der James Bay Cree lernte Winona die Band „Indigo Girls“ kennen.
Emily Saliers und Amy Ray waren
inzwischen als Folkrockband bekannt, die sich auch stets mit Benefizkonzerten an Kampagnen beteiligten. Winona konnte die beiden Frauen 1993 für eine erste Benefiztour
zugunsten des IWN gewinnen; 1995
folgte eine zweite Tour. Die „Honor
the Earth“-Tour führte die Indigo
Girls durch 21 Städte und der Erlös
sollte verschiedenen indianischen
Projekten zugute kommen. Immerhin
kamen insgesamt 50.000 Besucher zu
den Konzerten, die einen Gewinn von
$ 250.000 erzielten, doch war die Tour
nicht nur ein finanzieller Erfolg, sondern auch ein politischer, denn die
Medien waren auf das Thema aufmerksam geworden. Eine weitere
Tour folgte 1997 und widmete sich
dem Widerstand der Western Shoshone (siehe auch Artikel S. 11) gegen
die Planungen eines atomaren Endlagers auf ihrem Land in den Yucca
Mountains in Nevada. Das Ergebnis
waren 15.000 Protestkarten an den damaligen
US-Präsidenten Bill
Clinton. Auf
der Tour im
Jahr 2000
schlossen
sich weitere
prominente Stars den Indigo Girls an,
u.a. Joan Baez, Bonnie Raitt und Jackson Browne.
Wahlkampf
1996 ereilte Winona eine neue Herausforderung als Frau und Indianerin.
Die 1984 gegründete Green Party trat
1996 erstmals mit einer nationalen
Kampagne bei den US-Präsidentschaftswahlen an und deren Kandidat
Ralph Nader erkor Winona zu seiner
Vize-Präsidentin. Bis dahin hatte es
nur zweimal eine Frau als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft in der
amerikanischen Geschichte gegeben:
1984 die Demokratin Geraldine Ferraro und die Comanche-Indianerin
LaDonna Harris, die 1980 für die
Citizen’s Party ins Rennen ging. Der
Achtungserfolg wurde beim zweiten
Versuch in den Präsidentschaftswahlen 2000 wiederholt, als Nader
immerhin 10% der Stimmen für die
Grünen holen konnte. Was die Wahl
sonst brachte, dürfte bekannt sein:
Wahlchaos und Präsident George W.
Bush als Kriegsherrn.
White Earth Land Recovery Project
Winona LaDuke hatte sich
inzwischen, nicht nur aufgrund der
Wahlkampganen, nationale Aufmerksamkeit und Achtung erworben. Für
ihre Arbeit im IWN erhielt sie 1989
den Reebok Human Rights Award.
Mit dem Preisgeld von $ 20.000 grün-
COYOTE 2/03
Winona LaDuke
dete sie das WELRP und begann mit
dem Rückkauf von Land. Bereits im
Jahr 2000 hatte das WELRP fast 57
km² traditionellen Landes zurückgekauft, um es wirtschaftlich zu nutzen.
Weitere Ziele waren die Bewahrung
der Kultur, die Wiederbelebung der
Sprache und die Stärkung der indianischen Selbstbestimmung. Die positiven Aspekte der traditionellen Kultur der Anishinaabeg sollten mit den
positiven Errungenschaften der euroamerikanischen Gesellschaft verbunden werden und dadurch ein Überleben der Anishinabeg sichern. Die
Schwerpunkte des WELRP waren
daher Forstwirtschaft, Energie, Landwirtschaft und Kultur.
Das WELRP ist erst am Anfang, doch
die Zeit drängt. Die jährliche Abholzung in Minnesota beläuft sich auf
fast 14,9 Mio. m³, wobei selbst der
„Tamarac National Wildlife Refuge“
nicht verschont bleibt. Wie schon im
letzten Jahrhundert ist Weyerhaeuser
wieder mit von der Partie, diesmal
durch die Tochterfirma Potlatch, die
für 66% des Kahlschlags Verantwortung trägt. 1993 veröffentlichte die Gesundheitsbehörde von Minnesota einen
Katastrophenbericht über den
Zustand der Seen, die hochgradig mit PCBs und Quecksilber
belastet sind, und warnte vor
häufigem Fischverzehr. Belastet wird das Land der Anishinaabeg auch durch den Herbizid- und Pestizideinsatz der
großen Agrokonzerne, u.a.
RDO Offutt, den zweitgrößten
Produzenten von Kartoffeln. 60% der
Feuchtgebiete des Reservats gingen
durch die weißen Farmer und Großkonzerne verloren.
Mitte der 90er Jahre begann das
WELRP mit dem organischen Anbau,
um die Selbstversorgung und auch
gesündere Ernährung zu stärken:
Wildreis, Himbeeren, Bruchmais,
Gewinnung von Ahornsirup, Verarbeitung von Büffelwurst etc.
Inzwischen arbeiten rund ein Dutzend
Anishinaabeg hauptamtlich im Projekt mit und erhalten damit nicht nur
einen Arbeitsplatz, sondern auch eine
neue Perspektive. 1995 gründete das
WELRP zudem das Wadiswaan-Projekt, das den Kindern bereits im Vorschulalter die eigene Sprache und
Kultur näher bringen soll. Durch das
Projekt hat sich ein neues Gemeinschaftsgefühl entwickelt, das die Indianer aus der Abhängigkeit von weißen Strukturen herausbringen kann.
Die jüngste Entwicklung ist ein Windkraftprojekt, das die umweltschädliche Kohlekraft ersetzen soll.
Autorin LaDuke
Neben ihrem Aktivismus vor Ort und
auf internationaler Ebene hat Winona LaDuke auch zwei Bücher veröffentlicht. In „All Our Relations – Native Struggles for Land and Life“
(1999) beschreibt sie die vielfältigen
Bedrohungen der indianischen Lebensweise und den Widerstand der Indianer. Die Themen reichen von
Atommüll bei den Western Shoshone, Schwermetallverseuchung bei den
Mohawk, den Kampf der Innu gegen
die Tiefflüge über die Wiederbelebung der Büffelzucht bis zur Situation in Hawaii. Sie analysiert die Situ-
COYOTE 2/03
Der Dokumentarfilm kann als
VHS in englischer oder deutscher
Sprache bei der Produktionsfirma
DENKmal GmbH bezogen
werden. Das Video kostet 25,Euro zzgl. Versandkosten. Wer
Interesse hat, wende sich bitte
direkt an:
DENKmal-Film GmbH
Schwindstr. 2, 80798 München
Tel. 089-526601
www.denkmal-film.com
ation der indigenen Gemeinden im
globalen Konzernwettkampf und
schildert die Hoffnungen und Alternativen für eine würdige Zukunft.
Zuvor hatte sie 1997 mit „Last Standing Woman“ einen Roman veröffentlicht. Im Gegensatz zu ihrer Romanfigur, der Journalistin Alanis Nordstrom, stellte sich für Winona jedoch
nie die Frage, sich zwischen der indianischen Gemeinde und der weißen
Welt entscheiden zu müssen, denn für
Winona war stets klar, dass sie ihrer
indianischen Gemeinde verhaftet
bleiben würde.
Monika Seiller
White Earth Land Recovery Project
32033 East Round Lake Road
Ponsford, Minnesota 56575-9250
(888) 779-3577 · (218) 573-3448
Fax: (218) 573-3444
Email: [email protected]
31
Literatur
Atlas der Globalisierung
„Die Verfechter des globalen Liberalisierungsdogmas gewannen ihren
semantischen Feldzug, indem sie eine
klasssische linke Utopie besetzten:
die Idee der globalen Gleichheit und
der Überwindung des Nationalstaats“,
analysiert Hermann Scheer in seinem
Vorwort. Gleichzeitig, so Mitherausgeber Ignacio Ramonet, tritt der Vorrang des Wirtschaftlichen gegenüber
dem Politischen immer deutlicher
hervor. „Organisationen wie der Internationale Währungsfonds, die
Weltbank, die Welthandelsorganisation oder die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung haben enormen Einfluss auf
das staatliche Handeln gewonnen.“
Der „Atlas der Globalisierung“, herausgegeben von LE MONDE diplomatique in Zusammenarbeit mit der
taz dokumentiert den Status quo zu
Beginn des 21. Jahrhunderts. Dieser
Status ist in der Tat in vielfältiger
Weise von den wirtschaftlichen Interessen und Unabhängigkeiten bestimmt, denen sich selbst die indigenen Völker nicht entziehen können.
Wer die Berichterstattung im Coyote
verfolgt, wird dieser Feststellung zustimmen können. Gerade die Ureinwohner, die in ihrem wirtschaftlichen
und politischen Spielraum nur stark
eingeschränkt agieren können, sind
diesen globalen Verhältnissen nahezu
schutzlos ausgeliefert. Ihre Position
zwischen nationalstaatlichen Entscheidungen einerseits und globalen
Konzernmechanismen andererseits
gerät dabei zumeist aus dem Blickfeld.
Unbeachtet: Indigene im
Globalisierungsgeflecht
Die dem vorliegenden Atlas zugrundeliegende Wahrnehmung bildet
dabei leider keine Ausnahme. In der
Darstellung der ethnischen Vielfalt
und der damit vebundenen Herausforderung an den Schmelztiegel USA
werden die Indianer gerade mal in
einem Nebensatz erwähnt, in der kartographischen Darstellung der Verteilung der Minderheiten der USA sucht
man sie vergeblich. Anders die indigenen Völker in Kanada. Den auto-
32
chthonen Völkern wird ein eigenes
Kapitel gewidmet, was allerdings seine Ursache darin hat, dass der „Atlas
der Globalisierung“ eine ursprünglich
französische Publikation ist. Gerade
aufgrund der Beziehungen zur frankophonen Provinz Quebec gerät somit die Situation der Indigenen stärker ins Bewußtsein.
Autochthone in Kanada
Interessant an der Darstellung ist die
Verknüpfung von Lebensräumen der
indigenen Völker Kanadas mit der
Verteilung der Bodenschätze, doch
fehlt eine darauf aufbauende Analyse im Begleittext völlig. Lediglich die
Einrichtung der autonomen Regionen
Nunavut, Nunavik und Invialuit werden explizit genannt, ohne jedoch
deren Entstehung, Gestaltung und
Perspektiven einer kritischen Bewertung zu unterziehen. Hier erfolgte offensichtlich eine oberflächliche Auswertung des offiziellen Propagandamaterials der kanadischen Regierung,
denn die drei Regionen, die derzeit
am fiskalischen Tropf Ottawas hängen, werden bald auf sich wirtschaftlich allein gestellt sein und mit erdrückenden Problemen konfrontiert werden. Sicherlich ist die Schaffung der
Autonomiegebiete ein erster Schritt
in eine neue Richtung, doch darf nicht
vergessen werden, dass die überlassenen Regionen keine nennenswerte
wirtschaftliche Bedeutung für Kanada haben, denn die Idee einer Autonomie für an Bodenschätzen reiche
Gebiete lässt sich nur ins Reich der
Utopie verweisen.
Transnationale Konzerne
Indianer in Kanada und den USA befinden sich derzeit in unzähligen Konflikten mit der kanadischen Regierung, die überwiegend – unter unter
Einbeziehung transnationaler Konzerne – im Kampf um die natürlichen
Ressourcen begründet sind. Allein ein
Blick auf das Themenspektrum des
vorliegenden Coyote genügt, um dies
zu illustrieren. Die Konfliktfelder reichen vom Kahlschlag über Öl, von
Uranabbau bis zur Wasserkraft. Goldabbau, Alumiumschmelzen oder Ni-
ckelminen sind nur Beispiele unter
vielen Projekten, die das Land und die
Gesundheit der Indianer zerstören.
Sie sind dabei keine nationalen Einzelfälle, sondern Symptome einer
wirtschaftlichen Globalisierung, die
längst auch die Ureinwohner erreicht
hat. Deren Situation wird jedoch erst
zur Kenntnis genommen, wenn sie
sich an die internationalen Gremien
wie die Welthandelsorganisationen
wenden, wie etwa im Fall der Abholzung, wenn ihre Position plötzlich zu
einem Faktor im Streit zwischen den
reichen Ländern wird. Im Konflikt
zwischen den USA und Kanada um
versteckte Subventionen der kanadischen Abholzung erhält dann sogar
ein indigener Vertreter, in diesem Fall
Arthur Manuel von den Secwepemc
Gehör auf der internationalen Bühne.
Sein Volk ist jedoch auch von anderen Entwicklungen betroffen, wie
etwa dem globalen Tourismus, wie im
Coyote am Beispiel von Sun Peaks
wiederholt dargestellt wurde.
Dominanz der Perspektive
Die Politik wird stets aus der Perspektive der reichen Industrienationen
bestimmt. Wer beispielsweise in Europa an Kartendarstellungen denkt,
hat stets einen festgelegten Blickwinkel in Kopf. Dieses System durchbricht der Atlas in verschiedenen Darstellungen, vor allem im zweiten Teil
„Schauplätze und Akteure“, während
der erste Teil „Die Globalisierung und
ihre Folgen“ zumeist der gebräuchlichen Mercatorprojektion folgt. Leider
wird aber oft nicht nachvollziehbar,
aus welcher Motivation oder mit welcher Absicht ein Perspektivwechsel
erfolgt, und gelegentlich stellt sich
außer einer anfänglichen Irritation
keine neue Erkenntnis ein. Hier hätte
der Leser mehr Erläuterungen erwarten dürfen, zumal weder in den einzelnen Beiträgen noch in der Einleitung auf diese Thematik eingegangen
wird. Dabei könnte eine fundierte
Auseinandersetzung mit dieser Frage, tatsächlich dazu beitragen, einen
Perspektivenwechsel beim Leser anzuregen, denn die Zielgruppe – die
Leser in Frankreich und im deutschsprachigen Europa – ist von eben die-
COYOTE 2/03
Literatur
ser dominanten Weltsicht geprägt, die
von den herrschenden Medien bestimmt wird. Ein interessates Kapitel
wendet sich auch diesem Komplex zu.
Karten, Zahlen, Fakten
Ein Atlas ist bekanntlich eine Sammlung von Karten, und die im Heft vorliegenden sind nicht nur interessant,
sondern beleuchten eine Fülle von
Themen. Allerdings sind nicht alle in
den Globalisierungskontext zu stellen, viele dienen lediglich einer angestrebten Breite der Themen oder
statistischen Vielfalt. Leider merkt
man dem „Atlas der Globalisierung“
deutlich an, dass es sich bei der deutschen Ausgabe lediglich um die Übersetzung aus dem Französischen han-
COYOTE 2/03
delt, eine deutsche Redaktion vermisst man. Oft sind französische Ausdrücke unreflektiert ins Deutsche
übernommen, wie dies auch für den
Begriff der oben genannten „Autochthonen“ gilt, der weder im deutschen
noch im englischen Sprachraum gebräuchlich ist. Auch die thematische
Ausrichtung ist in manchen Bereichen
dem französischen Blick geschuldet,
wie etwa die Situation im Maghreb
im Allgemeinen oder Algerien im
Besonderen. Die Auswahl der Themen wäre unter einer internationalen
Redaktion vermutlich anders erfolgt.
Jeder Artikel widmet sich auf zwei
Seiten mit einem Begleittext, mehreren Kartendarstellungen und einem
Kasten mit Internetadressen einem
bestimmten Thema. Leider erscheinen die Internetverweise of reichlich
willkürlich und schlecht recherchiert.
Zudem fehlt ein kurzer Kommentar,
was sich hinter dem jeweiligen Link
verbirgt. So genügt es nicht, auf die
französische Variante der Homepage
des kanadischen Indianerministeriums zu verweisen, wenn dem unbedarften Leser gar nicht klar ist, dass
es sich um die Regierungsseite handelt. Hier hätte dringend eine bessere
Sorgfalt und Auswahl erfolgen sollen.
Der „Atlas der Globalisierung“ ist ein
interessantes Nachschlagewerk mit
unzähligen Informationen und Fakten. Die Analyse muss der Leser selbst
vornehmen.
Monika Seiller
33
Film
Long Walk Home
Das verdrängte Schicksal der Aborigines
„Long Walk Home“, der jüngste Film
des australischen Regisseurs Phillip
Noyce, läuft nicht in den Multiplexkinos zwischen Cola und Popcorn –
selbst in einer großen Kinostadt wie
München schafft es der Film gerade
einmal in drei kleine Programmkinos.
Dabei hätte er ein breites Publikum
verdient, doch das Thema eignet sich
nicht für einen beschwingten Kinoabend, denn der Film erzählt von einem düsteren Kapitel in der australischen Geschichte, das noch nicht lange zurück liegt, den „Stolen Generations“, jenen Generationen von Aborigine-Kindern, die ihren Eltern entrissen wurden, um aus ihnen mittels
Drill und Unterwerfung in Erziehungsanstalten gefügige Menschen zu
machen, die ihrer Identität beraubt
sind. Australien, das heute vor allem
für seine menschenverachtende Asylpolitik berüchtigt ist, hat diesen rund
100 000 Opfern zwischen 1910 und
1976 niemals eine Entschuldigung
und nur spärlich Entschädigung zukommen lassen. Selbst ein Gerichtsurteil, das die „Terra nullius“-Lüge
aufhob und die Regierung aufforderte, die Aborigines für Unterdrückung
und Landraub zu kompensieren, blieb
bis heute ohne Folgen.
Vor zwei Jahren traf ich bei der UNOSitzung in Genf eine 17jährige Cheyenne, die das erste Mal die USA
verlassen hatte und durch Vermittlung
des Native Youth Council an der Arbeitsgruppe für Indigene Völker teilnahmen konnte. Ihre anfängliche
Schüchternheit wich einem tief sit-
Die drei Mädchen auf der Flucht, Photo: Verleih
34
zenden Mitteilungsbedürfnis
und innerhalb kurzer Zeit erzählte sie mir fast ihre ganze
Lebensgeschichte. Mit zwölf
Jahren war sie ihrer Mutter
weggenommen worden und
lebte nun bereits in der vierten
Pflegefamilie, die mit monatlich $ 400 Aufwandsentschädigung gut an ihrer Pflegetochter verdient, die bei diesem
„Handel“ aber weder Geborgenheit noch ausreichende Fürsorge erfährt. Die Schilderungen ihrer Lebensumstände und
Erfahrungen waren umso bestürzender, da es sich
schließlich um die Gegenwart
handelt, nicht um Berichte über
die Indianerpolitik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts,
als indianische Kinder systematisch
von ihren Eltern getrennt und in Internatsschulden gezwungen wurden,
wo ihnen jede indianische Identität
heraus geprügelt wurde und sie jedes
Wort in ihrer Muttersprache bitter büßen mussten. Bis in die 70er Jahre hinein wurden indianische Kinder auf
diese Weise ihrer Kultur und Familie
entfremdet. Die Betroffenen haben
das Leid ihrer Kindheit nie überwunden, selbst wenn sie heute ihre indianische Identität leben.
Rassismus war die treibende Kraft für
die Verantwortlichen in Nordamerika wie auch in Australien. Doch die
australische Regierung ging noch einen Schritt weiter, denn sie pflegte in
den 30er Jahren – kein geschichtlicher
Zufall – eine erklärte Rassenpolitik. Die Ureinwohner waren
für die weißen
Bürokraten
ohnehin hoffnungslose Wilde, entsprungen
einer archaischen Vorzeit,
die niemals ihren Weg in die
Zivilisation finden würden,
doch anders verhielt es sich mit den
Mischlingen. Aufgrund ihres weißen
Erbteils seien sie intelligenter, was
man schließlich an der helleren Haut
feststellen könne, und für sie bestehe
eine geringe Chance, am untersten
Rand einen Einstieg in die Gesellschaft zu erhalten. Kenneth Branagh
als Chief Protector Neville, Vormund
aller Aborigines, erläutert im Film gegenüber einer Gruppe feiner Damen
der Gesellschaft und Wohltäterinnen
der Internate mit bestürzender Kaltblütigkeit die Rassenpolitik der Regierung. Die Lösung des Ureinwohnerproblems bestehe darin, sie wie
Saatgut oder Pflanzen zu veredeln,
indem man Mischlinge nur noch mit
weißem Blut „kreuze“ und bereits in
der dritten Generation das Aborigineerbe eliminiert habe. Sowohl Neville als auch die anderen Figuren im
Film werden nicht als Sadisten porträtiert, sie sind weder besonders hinterhältig noch gewalttätig, und doch
werden sie hinter der kultivierten
Maske als menschliche Monstren entlarvt.
Die Handlung führt uns zurück ins
Jahr 1931 und beschreibt doch eine
Politik, die bis in die 70er Jahre gültige Rechtspraxis in Australien war,
obgleich die Aborigines 1967 normale Bürgerrechte erhielten. Die Misch-
COYOTE 2/03
Film
lingskinder Molly (14), ihre Schwester Daisy (8) sowie ihre Cousine Gracie (10) leben mit ihren Müttern in
Jigalong in Nordwestaustralien, einer
Ödnis, die nicht einmal weiße Farmer
anlockt. Die Weite des Landes, für die
Kameramann Christopher Doyle einprägsame Aufnahmen gefunden hat,
führt den Betrachter schon in den ersten Augenblicken des Films in eine
andere Welt und verzaubert in ihrer
kargen Beharrlichkeit. Diesem Zauber fühlt sich auch Molly verbunden,
die in ihrem Land nicht Lebensfeindlichkeit, sondern Verbundenheit erkennt. Diese Verwurzelung wird am
Anfang des Films noch unterstrichen,
in dem sich Molly in ihrer eigenen
Sprache dem Betrachter vorstellt.
Zwar spielen auch die nächsten Szenen in der Sprache der Aborigine,
doch der Einbruch des weißen Systems lässt sich nicht mehr übersehen.
Mollys Familie lebt armselig in einer
kleinen Siedlung, die keine Autonomie der Ureinwohner zulässt, sie in
Regeln zwängt und mit Essenszuteilungen abhängig hält, und dennoch
bewahrt sich auch Mollys Mutter
Maude einen Rest an Widerstand und
Aufbegehren, welches auch ihre
Tochter geerbt hat. Aber das Land, das
ihnen einst Überleben bot, haben sie
verloren. Der Kaninchenzaun, der
dem Film im englischen Original den
(passenderen) Titel liefert, wirkt wie
ein Symbol ihrer Ausgrenzung. Dieser Zaun wurde Anfang des 20. Jahrhunderts aufgrund einer Kaninchenplage – die importierten Tiere hatten
sich ohne natürlichen Feind übermäßig ausgebreitet – errichtet und durchtrennte Westaustralien von Nord nach
Süd, von Küste zu Küste. Molly steht
diesem Zaun fremd gegenüber und
findet gleichzeitig in ihm einen Orientierungspunkt.
Das eigentliche Geschehen beginnt
mit der brutalen und herzzerreißenden Szene, als Constable Riggs unter
kaltblütigem Verweis auf die Gesetzeslage – „It’s the law, Maude“ – die
drei Kinder abholt, um sie ins Heim
zu stecken. Die Szene ist so eindrücklich, dass selbst die Beteiligten emotional mitgerissen wurden. „Was da
geschah“, erinnert sich der Regisseur,
„war überwältigend. Schauspieler
und Filmcrew wurden zeitmaschinen-
COYOTE 2/03
Constable Riggs trennt die Kinder von ihren Müttern, Photo: Verleih
gleich in die Vergangenheit katapultiert, mitten hinein in jene grausamen
Szenen, die so unzählige Male stattgefunden hatten und von denen so
viele berichten können, die zu den sogenannten ‚Stolen Generations‘ gehören. Allen wurde augenblicklich das
Ausmaß klar.“
Die Kinder werden ins Erziehungsheim Camp River Moore gebracht,
wo sie geschrubbt und neu eingekleidet dem Chief Protector zur Selektion vorgestellt werden. Die Kamera
schlüpft an dieser Stelle in die Rolle
von Maude, und wir sehen den bedrohlichen Fremden aus der Höhe von
Kinderaugen. Molly hat Glück, denn
sie ist nicht hellhäutig genug, um ausgewählt zu werden. Molly aber weigert sich, zur Hilfsschwester und
Hausangestellten erzogen zu werden,
sie erträgt das weiße System nicht –
Flucht ist ihr einziges Ziel. Sie packt
ihre kleine Schwester und ihre
zunächst widerstrebende Cousine und
liefert sich dem Land aus, das die drei
Mädchen nach Hause zurück bringen
soll. Die Bürokratie allerdings duldet
kein Abweichen und beginnt eine
gnadenlose Jagd nach den Flüchtigen.
Nicht die einzelnen (weißen) Menschen, die den drei Mädchen immer
wieder weiter helfen, sind das Problem, sondern das System, das sich
hinter Paragraphen verschanzt und
kleinliche Nutzenkalkulationen aufstellt, statt den Menschen hinter dem
Gesetz zu sehen. Die Kinder vertei-
digen durch ihre Flucht eben diese
Menschlichkeit, nicht nur für sich
selbst, sondern auch für die Zukunft,
indem sie sich dem weißen System
verweigern. Eine interessante Nebenszene verdeutlicht diesen Aspekt: Die
drei Mädchen kommen zu einer Farm,
wo sie von der Hausangestellten, die
als Aborigine ebenfalls nach Camp
River Moore entführt wurde, versteckt werden. Doch das Verhältnis
von Schutzbedürftigen und Helfer
kehrt sich plötzlich um, als der weiße
Farmbesitzer nachts ins Zimmer
schleicht und zur Hausangestellten ins
Bett will. Als er die Mädchen sieht,
geht er wieder, und die Hausangestellte fleht die Mädchen an, zu bleiben,
denn sonst würde ihr Chef zurückkommen und sie vergewaltigen. Die
Kraft, die von der Flucht Mollys ausgeht, hilft nicht nur ihr selbst, sondern
setzt ein Zeichen für Widerstand.
Entlang des Zauns, der ihnen als Orientierung dient, kämpfen sie sich über
1500 km nach Jigalong zurück, denn
das Land, an dem die Weißen wiederholt scheitern, weil sie es als feindlich erachten, schützt sie – nur Daisy
nicht, denn sie wird erneut eingefangen und ins Erziehungsheim zurückgebracht.
Noyce vermeidet gekonnt jede Form
der Schwarzweiß-Malerei und nuanciert seine Charaktere, wie etwa den
Aborigine-Fährtensucher Moodoo,
der – selbst Opfer der rassistischen
Politik – gezwungen wird, die Mäd-
35
Film
Photo: Verleih
chen zu verfolgen, doch sich gleichzeitig mit ihnen solidarisiert. Weit
entfernt von vereinnahmenden NewAge-Klischees, denen manche
Traumzeitesoteriker anhängen, vermittelt der Film zugleich das äußere
Elend und die innere Zerrissenheit,
aber auch die Momente der Stärke der
Aborigine-Kultur. Ein außergewöhnliches Talent zeigt der Regisseur in der
Auswahl seiner Darsteller/innen, allen voran die Mädchen Everlyn Sampi
(Molly), Tianna Sansbury (Daisy) und
Laura Monaghan (Gracie), die mit
einer beeindruckenden schauspielerischen Leistung und Präsenz überzeugen können.
Die Story hat entgegen der Schlußszene kein Happy-End, ebenso wenig
wie die Geschichte. „Follow the Rabbit-Proof Fence“, die Buchvorlage
von Doris Pilkington, ist kein Roman,
sondern die wahre Lebensgeschichte
von Molly, der Mutter der Autorin,
und sie ist noch tragischer als die
Filmhandlung vermuten lässt. Molly
heiratete und bekam zwei Töchter,
aber 1940 wurde sie erneut gefangen
genommen und mit ihren Töchtern
Doris (4 Jahre) und Annabelle (18
Monate) wieder nach Camp River
Moore gebracht. 1941 floh Molly ein
zweites Mal, konnte aber nur Annabelle mitnehmen. Doris sollte ihre
Mutter erst 30 Jahre später wieder
treffen, ihre Schwester hat sie nie wiedergesehen, denn 1944 wurde Annabelle ihrer Mutter weggenommen und
kam nie mehr zurück.
Von einst 300.000 Ureinwohnern zu
Beginn der Kolonisation Ende des 18.
Jahrhunderts wurde ihre Zahl heute
auf die Hälfte reduziert. Ihr Schick-
36
sal ist denen
der amerikanischen Ureinwohner
nicht unähnlich, doch sind
die Aborigines in vielem
noch schlechter gestellt.
Sie wurden in
karge Regionen verdrängt,
die
keine
Überlebensbasis bieten. Der Eigentumsbegriff ist
ihrer Kultur fremd und damit dem
weißen kapitalistischen System suspekt, und Hierarchien, wie sie im bürokratischen Apparat des Films zum
Ausdruck kommen, waren unbekannt. Auch gibt es in der Gesellschaft
der Aborigines kein isoliertes Individuum, d.h. was einem Mitglied ihrer
Gemeinschaft widerfährt, betrifft diese in ihrer Gesamtheit. Die Entführung der Kinder ist folglich nicht ein
Schicksalsschlag allein für die Betroffenen, sondern ein Verlust für die gesamte Gruppe, die daran erkrankt,
dass ein Teil ihrer selbst verloren
wurde. Das Ausmaß des Leids, welches den Aborigines durch den Raub
ihrer Kinder zugefügt wurde, ist für
unser individualisiertes Denken kaum
zu erfassen.
anders als etwa den USA – nicht den
Ureinwohnern übergeben, sondern
blieb Besitz der Krone. Zudem wurden zahlreiche Bodenschätze, z.B.
Gold, Bauxit, Uran, ausgerechnet in
den kargen Regionen ihrer (Zwangs)Siedlungsgebiete entdeckt, welche
großzügig von der Regierung an
Bergbauunternehmen verpachtet werden. Während die Aborigines keine
2% der Gesamtbevölkerung bilden,
sind 30 % der Gefängnisinsassen Ureinwohner. Ihr gesundheitlicher Zustand ist genauso katastrophal wie
ihre Bildungssituation, doch die Regierung weigert sich, sich ihrer Verantwortung zu stellen und geeignete
Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen zu ergreifen.
Ende des 19. Jahrhunderts wurde begonnen, sie in Reservate oder
„Schutzzonen“ zusammenzufassen,
das Land der Reservate aber wurde –
Long Walk Home, Australien 2002, 94
Minuten, Regie: Phillip Noyce
Inzwischen ist das Buch von Doris
Pilkington australische Schullektüre,
doch eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Schicksal der Aborigines steht noch aus. Der Film wird
sicherlich einen emanzipatorischen
Beitrag leisten, zumal er auf Sentimentalität und Überzeichnung verzichtet, doch das Leben der Aborigine in der australischen Gesellschaft
bewegt sich unverändert am Elendsrand. Der Film wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Film Critics
Circle of Australia Awards sowie mit
dem AFI Award für den Soundtrack,
den Peter Gabriel beisteuerte.
www.arsenalfilm.de/longwalkhome
Monika Seiller
Die beiden Schwestern am rettenden Zaun, Photo: Verleih
COYOTE 2/03
Impressum
Regelmäßige Treffen der AGIM
Jeden Montag 20 - 23 Uhr in München,
Frohschammerstr.14, (U-Bahn Petuelring bzw. Milbertshofener Str.)
Offen für alle Interessierten - Wir suchen Menschen die sich aktiv engagieren wollen.
Meldet Euch! 089 / 35 65 18 36
Termine
12. März – 31. August 2003
Winnetou und sein roter Bruder
Ausstellung und Indianerfilme in der BRD und DDR,
Deutsches Filmmuseum, Schaumainkai 41, 60596 Frankfurt
www.deutsches-filmmuseum.de
Reisen ins Indianerland
Northern Escapes
Postfach 170243, D-60076 Frankfurt, www.northern-escapes.de
Begegnungsreisen
Spieglerweg 4B, D-8831 Lindau, www.begegnungs-reisen.de
Lakotareise
Unter Leitung von Milo Yellow Hair findet vom 28.07. bis 18.08.
eine Reise zu den Urenkeln von Crazy Horse nach South Dakota
statt. Im Preis von 1250,- Euro inbegriffen: drei Wochen indianisches Leben im Zelt oder Tipi, die Mahlzeiten sowie jeweils Übernachtung im Hotel bei Anreise bzw. Abflug. Der Flug muss selbst
organisiert und finanziert werden.
Sybille Helfsgott, Menckenstr. 7, 12169 Berlin
Inhaber und Verleger:
Aktionsgruppe
Indianer & Menschenrechte e.V.
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COYOTE 2/03
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Layout: Monika Seiller
Diese COYOTE-Ausgabe entstand unter
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Monika Seiller, Dionys Zink
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ACHTUNG!! Zwei Top-Bücher für den Unterricht (vgl. Coyote 4/02)
[ ] G. Ammann/P. Gerber, Prärie- und Plains-Indianer , 25,- Euro
[ ] G. Ammann/P. Gerber, Nordwestküsten-Indianer, 25,- Euro
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Veranstaltungen, Festivals etc. teilnimmt, kann bei uns KOSTENLOS
zahlreiche alte Ausgaben des Coyote
zum Verteilen bestellen. Wir freuen
uns über alle Möglichkeiten der Informationsverbreitung!!
] Blackfire - One Nation Under, CD, 15,00 Euro
] Jim Pepper - Remembrance, CD, 15,00 Euro
] Jim Pepper - Witchi-Tai-To, Doppel-CD, 23,00 Euro
] John Trudell - Bonedays, CD, 14,75 Euro
] Bücherliste „Indianer“ (über 800 Buchtitel), 14,90 Euro
Kurzer Anruf genügt oder per e-mail
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] CD: Shaman II, nur noch 5,- Euro
] Tom LaBlanc: Go Beyond (Gedichte, dt./engl.), 9,90 Euro
] Lakota (Sioux) für Anfänger, 90 Seiten, 10 Lektionen, 18,50 Euro
] Indianische Frauen - Indianischer Widerstand, 14,90Eur
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] Stimmen der Erde - Berichte von 14 Ureinwohnern aus aller Welt, 14,90Euro
] Ferderik Hetmann - Das Indianerlexikon der Mythen und Geschichten, 12,90 Euro
] Ferderik Hetmann - Büffelfrau und Wolfsmann (indian. Märchen), 14,90 Euro
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] L. Henson/Memchoubi/A. Taylor/M. Somby„Words from the edge“(Gedichte, dt./engl.), 14,90 Euro
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COYOTE 2/03
Sales Corner
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COYOTE 2/03
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Right to Water and Self Determination
9. We Indigenous Peoples have the right to self-determination. By virtue of
that right we have the right to freely exercise full authority and control of our
natural resources including water. We also refer to our right of permanent
sovereignty over our natural resources, including water
10. Self-determination for Indigenous Peoples includes the right to control
our institutions, territories, resources, social orders, and cultures without
external-domination or interference..
11. Self-determination includes the practice of our cultural and spiritual
relationships with water, and the exercise of authority to govern, use, manage,
regulate, recover, conserve, enhance and renew our water sources, without
interference.
12. International law recognizes the rights of Indigenous Peoples to:
Self-determination
Ownership, control and management of our traditional territories, lands and
natural resources
Exercise our customary law
Represent ourselves through our own institutions
Require free prior and informed consent to developments on
our land
Control and share in the benefits of the use of, our traditional knowledge.
Auszug aus der „Indigenous Water Declaration“, Kyoto, März 2003