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Informationen zur Raumentwicklung
Heft 6.2005
387
Stadterneuerung in einer schrumpfenden
Stadt
Wulf Eichstädt
Das Beispiel Wittenberge
1 Geschichte und Baugeschichte
Stadt im Zwischenraum
Wenn man heute Funktion und Lage der
Stadt Wittenberge mit einem Satz erläutern
soll, dann sagt man: „Wittenberge ist das
ehemalige Industriezentrum der Prignitz
und liegt auf der Hälfte der Bahnstrecke
Hamburg-Berlin.“ Eine Stadt im Zwischenraum – und: eine Stadt an der Elbe, etwa 120
km südöstlich von Hamburg.
Rund 600 Jahre, von ca. 1250 bis 1850, stand
diese Stadt im Schatten ihrer bedeutenderen Schwestern, die entweder Bischofssitz
(Havelberg), historisches Verwaltungszentrum (Perleberg) oder Handelsplätze an
den großen Handelsstraßen zwischen der
Ostsee und Magdeburg waren (Wittstock
und Pritzwalk). Wittenberge war „nur“
Ackerbürgerstadt und Adelssitz ohne überregionale Funktionen.1 Entsprechend bescheiden waren nicht nur die Stadtgröße,
sondern auch das gesellschaftliche Profil
seiner Bürger. Während die Zahl seiner Einwohner im Verlauf des 18. Jahrhunderts bei
500 bis 600 stagnierten, stieg sie im Jahr
1801 auf 857; überwiegend waren es Ackerbürger und Handwerker.
Bescheiden waren auch Anlage und Ansicht
der Stadt: ca. 200 Parzellen in einem an eine
Schiffsform erinnernden Stadtgrundriss,
innen mit zweigeschossigen Fachwerkhäusern von 7, 9 oder 12 m Breite, außen
Scheunen (Westseite) und Lagerhäuser
(Ostseite). Nach Süden zur Elbe hin war
Wittenberge offen, in der Gegenrichtung
zum Norden durch das Steintor abgeschlossen, das heute Wahrzeichen und
Logo der Stadt ist. Weder gab es eine bedeutende mittelalterliche Stadtkirche noch einen bedeutenden Rathausbau.2
Stationen der Industrialisierung
So ist es nicht verwunderlich, dass der
Stadtbaurat F. E. Bruns, der das Bild der
Stadt zwischen 1894 und 1928 prägte, seine
Veröffentlichung „Das neue Wittenberge“
mit dem Satz einleitete: „Die Entwicklung
der Stadt beginnt mit der Anlegung der Eisenbahn.“ 3 Dabei ist diese Formulierung
nachweislich ungenau, nicht nur weil die
Stadt bei dem Bau der Eisenbahn bereits
eine 600-jährige, wechselvolle Geschichte
hinter sich hatte, sondern weil der Aufstieg
zum Industriezentrum der Prignitz bereits
1823, also 25 Jahre früher mit dem Bau einer
Oelfabrik durch den Berliner Kaufmann
Salomon Herz begann. Herz war so etwas
wie der Vater der Industrialisierung der
Stadt. Er setzte den Ausbau des Hafens
durch (1832–35) und erreichte durch seine
Kontakte nach Berlin, dass die Bahnstrecke
Hamburg-Berlin über Wittenberge gelegt
(1845) und die Stadt schließlich zum Eisenbahnknotenpunkt im nördlichen Mitteldeutschland wurde, und zwar durch den
Anschluss der Eisenbahn an die Südstrecke
Richtung Magdeburg – mit einer monumentalen Elbbrücke am östlichen Rand der
Stadt (1846–1851).
Die Erfolgsgeschichte
der Stadt beginnt mit der
Eisenbahn.
1850 hatte Wittenberge etwas mehr als
4 000 Einwohner, und es wuchs weiter:
Herz baut seine Oelmühle weiter aus, eine
einheimische Familie, die Gebrüder Tesmer, gründete eine Seifenfabrik, die englische Familie Dogshun/Naylor eine schnell
wachsende Tuchfabrik und die BerlinHamburger Eisenbahngesellschaft eröffnete 1876 gegenüber dem Wittenberger Bahnhof ihre Zentralwerkstatt.4
Monumente der Industriegeschichte
Mit der Industrialisierung kam die Baukultur. Die 750 m lange Elbbrücke, zunächst
aus Holz konstruiert und später durch Stahl
ersetzt (1851/1885), ist ein Monumentalwerk der Ingenieurbaukunst. Die schnell
vergrößerte Herz’sche Oelfabrik gehört mit
ihrem klassizistischen Speicherbau aus rotem Ziegel nach dem Vorbild der Speicherbauten von Ludwig Persius in Potsdam
noch heute, in fast ruinösem Zustand, zu
den bedeutendsten Industriedenkmälern
in Brandenburg.5 Dazu kommen ein klassizistisches Zollhaus am Hafen und die spät-
Dr.-Ing. Wulf Eichstädt
Eichstädt / Emge Architekten
und Stadtplaner
Rankestraße 23
10789 Berlin
E-Mail:
mail@eichstaedt_emge.de
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Wulf Eichstädt: Stadterneuerung in einer schrumpfenden Stadt. Das Beispiel Wittenberge
Mit dem Wirtschaftsaufschwung kommt die Baukultur
Rathaus Wittenberge,
fertig gestellt 1914,
Architekt F. E. Bruns
Historische Lager- und
Tankgebäude der Oehlmühle,
inzwischen ein ruinöses Denkmal
klassizistischen Villen der Industriefamilien
Herz und Naylor. Die Industriearchitektur
findet ihren dritten Höhepunkt in dem
durch den Ersten Weltkrieg unterbrochenen Ausbau der Singer-Nähmaschinenfabrik (1903 bis 1928) mit ihrem in Stahlskelettbauweise errichteten Wasserturm, der zum
Wahrzeichen der Singer-Silhouette wurde
(1928, Architekt: F. Ascher).6
Da der bereits 1846 fertiggestellte Bahnhof
etwa einen Kilometer vor den Toren der alten Stadt liegt, entwickelte sich der Schwerpunkt der Stadt zwischen 1850 und 1914
entlang der Bahnstraße nach Norden, weg
von der Elbe und weg vom Ursprungsraum
der Stadt. In diesem Zwischenraum entstanden zwischen 1870 und 1914 die
Haupteinkaufsstraße und die gründerzeitliche Wohnstadt, aber auch die gründerzeitliche Infrastruktur, die repräsentativen
Schulgebäude, die katholische Kirche, erste
große Kaufhäuser, das Haus des Bankvereins und später auch das Haus der Gewerkschaften. Östlich an diesen Raum schließt
sich das ehemalige Arbeiterquartier an, das
Packhofviertel, westlich das bürgerliche
Viertel – rund um das 1914, vier Wochen
vor dem Ersten Weltkrieg eingeweihte Rathaus im Heimatstil (Architekt: Stadtbauamt
F. E. Bruns).7
Die prägende Industriegeschichte der Stadt
fand ihren Höhepunkt in der Fertigstellung
des Singerwerks mit eigenem Hafenanschluss jenseits der Magdeburger Bahn
Ende der 20er Jahre. Sie wurde zwischen
1933 und 1945 ergänzt durch die Umsiedlung der „Norddeutschen Maschinenfabrik“ (1936) sowie den Aufbau der „Kurmärkischen Zellwolle und Zellulose AG
Wittenberge“ hinter dem Singerhafen.
Neuaufstellung der Industriestadt
nach 1945
Das Steintor, nördlicher Abschluss der Altstadt mit Erneuerung des öffentlichen Raums
Ende 1944 hatte Wittenberge 39 000 Einwohner; die Zahl normalisierte sich Ende
1946 auf 31 000 Bewohner. Das Kriegsende
war dramatisch: Im April 1945 kam es zum
schwersten Bombenangriff auf die Stadt.
Bei einer Bestandsaufnahme im Mai 1945
wurde festgestellt, dass ca. 35 % des ehemaligen Wohnungsbestands, der etwa 9 720
Wohneinheiten umfasste, durch Kriegseinwirkungen betroffen waren. 900 Wohnungen wurden vollständig zerstört.
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Zwischen 1946 und 1948 nahmen die großen Industriebetriebe ihre Arbeit wieder
auf. Die Zellwolle wurde zum VEB-Zellwolle, die Herz’sche Oelmühle zum VEB Märkische Oelmühle, das Singer-Werk zum VEB
Nähmaschinenwerk. Bis 1989 blieb Wittenberge ein privilegierter Industriestandort,
Sport und Kultur wurden besonders gefördert und nicht ohne Stolz fühlten sich die
Bürger wieder als die Nummer eins in der
Prignitz, die inzwischen von Schwerin aus
verwaltet wurde.
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Die Abwicklung des Industriestandorts ist eine Sache von 12 Monaten
Wende, Abwicklung, Neuansatz
Der Niedergang des Industriestandorts
nach 1990 verläuft wiederum dramatisch.
Mitte Januar 1990, drei Monate nach der
Wiedervereinigung, stellte als erstes die
Märkische Oelmühle nach 168 Jahren aktiver Wirtschaftstätigkeit ihre Produktion
ein. Es folgten im Dezember 1991 das Nähmaschinenwerk und im Januar 1992 die
Zellstoff und Zellwolle GmbH. In kürzester
Zeit gingen ca. 6 500 Arbeitsplätze und die
wirtschaftliche Grundlage der Stadt verloren. Die industriegeschichtlich wertvolle
Maschinen- und Logistikausstattung der
historischen Oelmühle und des Nähmaschinenwerks wurden wenige Jahre später
verramscht. Viele gewerbliche Bauten wurden abgerissen und die entsprechenden
Flächen beräumt. Es bleiben als leere Zeugnisse die Lager- und Tankgebäude der Oelmühle, das nur durch wenige gewerbliche
Mieter genutzte Nähmaschinenwerk, das
ehemalige Clubhaus der Zellwolle und einige andere Gebäude. Einziger Überlebender
dieser Katastrophe ist das Eisenbahnausbesserungswerk jenseits der Bahnanlagen,
das jedoch ebenfalls seine Belegschaft von
über 1 600 auf ca. 800 –900 Beschäftigte reduziert hat.8
Trotz außerordentlicher Anstrengungen
der Landes- und Kommunalpolitik ist es in
den Folgejahren nicht gelungen, einen größeren gewerblichen Betrieb mit mehr als
150 Arbeitsplätzen neu anzusiedeln. Was
bleibt, sind lokale Wirtschaftsinitiativen sowie die Funktion der Stadt als Einzelhandelszentrum sowie als Schul- und Ausbildungszentrum der Prignitz.9
Altstadtsituation 1992,
leere Gebäude, gefährdeter
Bauzustand
Altstadtsituation 1995,
konservatorische Stadterhaltung
Beräumtes Gebiet der
ehemaligen Zellwolle,
inzwischen Industriegebiet Süd
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Wulf Eichstädt: Stadterneuerung in einer schrumpfenden Stadt. Das Beispiel Wittenberge
2 Stadterneuerung und Stadtumbau
Städtebauliche und denkmaltopografische
Struktur der Stadt
Die Bevölkerungsverluste verstärken die
Sanierungsprobleme.
Trotz einzelner Kriegszerstörungen und
Wiederaufbauleistungen hat sich die städtebauliche Struktur der Innenstadt von Wittenberge in den zurückliegenden 90 Jahren
kaum verändert. Folgende Quartiere und
Hauptstraßenzüge lassen sich unterscheiden:
• die Altstadt mit ihren beiden kleinen
Vorstadtzonen
• das Straßenkreuz am Stern mit den Ausfallstraßen Richtung Westen, Norden
und Osten sowie in Richtung auf den
Bahnhof
• das Bahnstraßenquartier als Haupteinkaufsstraße mit den ehemaligen Kaufhäusern, den Hotels sowie dem zwischen
1955 und 1959 neu gebaute Kulturhaus
• das östlich anschließende vor 1900 entstandene Packhofviertel
• das sich westlich an die Perleberger Straße anlehnende, weitgehend erst zwischen 1900 und 1914 entstandene Rathausquartier
• das die Innenstadt nördlich abschließende Jahnschulviertel.
Neben der Inneren Stadt gibt es mehrere
westlich und nördlich anschließende Einfamilienhausgebiete, u. a. eine frühe Eisenbahnersiedlung von Walter Gropius (Eigene
Scholle von 1913) sowie zwei nach 1960 gebaute Plattenbausiedlungen, das Külzbergund das Allende-Viertel, beide mit ca. 1 800
Wohneinheiten von einer überschaubaren
Größenordnung.
Wenn man die denkmaltopographische
Struktur der Stadt nach dem baugeschichtlichen Rang ihrer prägenden Gebäude beurteilt, dann sind als Erstes natürlich die
Oelmühle, das Nähmaschinenwerk, der
Bahnhof, das Rathausensemble und andere
öffentliche Gebäude aus dem 19. Jahrhundert von besonderem Rang. Die vorindustrielle Baugeschichte ist dabei nur mit dem
mittelalterlichen Steintor und einem barocken Fachwerkhaus, der sog. „Burg“, dem
heutigen Heimatmuseum, vertreten.
Beurteilt man demgegenüber die denkmaltopographische Struktur nach dem Zeugniswert der vorhandenen Bebauung, dann
gewinnen auch die Strukturen der ein-
fachen Fachwerkhäuser der Altstadt und
der Tagelöhnerhäuser in der östlichen Altstadterweiterung ebenso wie die Bebauungsstruktur des Packhofviertels an Bedeutung. Insgesamt erhält die Denkmalliste des
Kreises heute 84 Adressen mit 108 Einzelgebäuden, davon wurden vor 1990 43 Standorte und seitdem 41 unter Schutz gestellt.10
Etappen der Stadterneuerung
Mit einem Anteil von ca. 57 % Altbauwohnungen hat Wittenberge einen vergleichsweise hohen Altbaubestand und damit eine
umfassende Erneuerungsaufgabe.
Zu Beginn der 90er Jahre stellte sich das
Problemfeld Stadterneuerung folgendermaßen dar:
Erster und schwierigster Erneuerungsfall ist
unstrittig die Altstadt (10,3 ha, 321 erhaltene Altbauwohneinheiten, davon 65 % mit
dringendem Erneuerungsbedarf), die mit
dem Bau des neuen Rathauses im Jahr 1914
ihre Zentrumsfunktion verloren hatte und
bereits in den 20er Jahren, ins Abseits gestellt, langsam verwahrloste. Da die Altstadtgrundstücke in Privatbesitz geblieben
sind, können die in einfacher Fachwerkkonstruktion auf schlechtem Baugrund errichteten Gebäude nicht ausreichend instandgehalten werden und verfallen, und
das so weit, dass Anfang 1990 bereits ca.
40 % der Grundstücke vollständig beräumt
waren. Die Altstadt ist also, von ihrem faszinierenden Grundriss abgesehen, vor allem
durch Baulücken geprägt. Der DDR-Wohnungsbau hat bereits in den 80er Jahren damit begonnen, einzelne Lücken mit einfachen Reihenhausformen zu füllen, die aber
in ihrer Mehrzahl wie Fremdkörper in der
noch erhaltenen Altstadtumgebung wirken.
Die Altstadt wurde also erstes Sanierungsgebiet der Stadt. Der neu eingerichtete Sanierungsträger bemühte sich von Anfang
an darum, die hochgefährdete Altbebauung
zu erhalten und die bereits entstandenen
Lücken mit einer angemessenen Neubebauung zu schließen.11
Bereits 1990 stand das Packhofviertel als
zweites Sanierungsgebiet fest (18,3 ha, ca.
880 Wohnungen mit umfassenden Instandhaltungsmängeln). Der Leerstand hier war
Anfang der 90er Jahre noch gering, es zeichnete sich jedoch bereits ab, dass sich zunehmend einkommensschwache und so-
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zial auffällige Gruppen in seinem bescheidenen und mängelbehafteten Wohnungsbestand konzentrierten. Das Sanierungskonzept von 1993 sieht darum auch hier
eine erhaltende Erneuerung für das gesamte Gebiet vor.
9
Jahnschulviertel
Die folgende kritische Zuspritzung der
Stadterneuerungsprobleme ist nur auf der
Grundlage der dramatischen Bevölkerungsverluste zwischen 1990 und 2000 zu
verstehen – Gesamtverlust 6 215 Einwohner
bzw. 22,0 % –, die sich abgeschwächt weiter
fortsetzen. Bereits Ende der 90er Jahre
zeichnet sich darum folgende veränderte
Problemlandschaft ab:
• Die Altstadt hat zwischen 1994 und 1999
nur noch wenige Einwohner verloren
(-10,9 %) und stabilisiert sich zusehends,
vor allem durch eine umfassende Erneuerung des öffentlichen Raums, die die private Erneuerungstätigkeit wirksam unterstützt.
• Das Packhofviertel hat im gleichen Zeitabschnitt beinahe 40 % (38,9 %) seiner Bevölkerung verloren, wodurch ein Leerstand
von 65,7 % entsteht – eine unvorstellbare
Größenordnung, die das Ziel der erhaltenden Erneuerung des Gesamtgebiets infrage
stellt und das Nachdenken über einen planmäßigen Rückbau auch in dieser Altbaukulisse erforderlich macht.
Dritter Sanierungsfall ist das Jahnschulviertel, das ehemalige bürgerliche Wohngebiet,
auch Jugendstilwohngebiet genannt. Zwischen 1994 und 1999 haben sehr viele Einwohner das Gebiet verlassen, beinahe so
viele wie im Packhofviertel. Dadurch ist der
Wohnungsleerstand hier von unter 10 %
auf 40 % heraufgeschnellt und löst sowohl
in der Stadt wie bei den Förderstellen der
Landesregierung tiefe Ratlosigkeit aus. Um
kurzfristig private Investitionen zu unterstützen und im Umfeldbereich aktiv werden zu können, legte man dieses Viertel als
drittes Sanierungsgebiet fest, im vereinfachten Verfahren verbunden mit dem Programm „Soziale Stadt“.
Jedem in der Stadt ist klar, dass dieser Berg
von Stadterneuerungsproblemen – ca.
3 500 Altbauwohnungen in der Innenstadt
mit einem Leerstand von annähernd 50 % –
nicht in einer kurzen Etappe, sondern nur
in einem langen Prozess und auch nur mit
vielen Abstrichen gelöst werden kann.12
6
10
8
5
Packhofviertel
4
3
Altstadt
7
2
Oelmühle
1
Standorte/Straßen 1 Elbe, 2 Hafen, 3 Altstadt, 4 Altstadtergänzung,
5 Ausfallstraße nach Westen (Lenzen), 6 Straße nach Norden (Perleberg),
7 Straße nach Osten (Bad Wilsnack), 8 Bahnstraße, 9 Bahnhof, 10 Rathaus
Altstadtergänzung,
ehemaliges Tagelöhnerund Kleinhandwerkergebiet
Das Packhofviertel
mit der Gewerbebrache
am Ende der Straße
Jahnschulviertel und
Jahnschule im Vordergrund
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Wulf Eichstädt: Stadterneuerung in einer schrumpfenden Stadt. Das Beispiel Wittenberge
Rückbau:
Fragen, Debatten, Entscheidungen
Die schrumpfende
Nachfrage erhöht die
Risikoschwelle baulicher
Investitionen.
Spätestens Ende der 90er Jahre wurde klar,
dass die Stadt in der zukünftigen Stadterneuerung Prioritäten setzen muss und der
Altbaubestand nicht in vollem Umfang zu
erhalten sein wird. Denn, und das ist die
Kehrseite der Leerstandsentwicklung: In
den beiden Plattenbaugebieten liegt der
Leerstand auch im Jahr 2000 erst bei 4 % am
Külzberg (Schwerpunktgebiet der Genossenschaft) bzw. bei etwa 12 % im Allendeviertel (eine jüngere Plattenbausiedlung, in
der Genossenschaft und städtische Wohnungsbaugesellschaft über gleiche Anteile
am Wohnungsbestand verfügen).
Es ist aus heutiger Sicht müßig darüber zu
streiten, ob die städtische Wohnungsbaugesellschaft, die auch 2000 noch ca. 880 Altbauwohnungen aus Restitutionsbeständen
verwaltet hat, früher eine Altbauerneuerungsoffensive hätte starten können, um
der Auszehrung von Packhofviertel und
Jahnschulviertel etwas entgegenzusetzen.
Auch das hätte kommunale Mitleistungsanteile erfordert, und gerade diese Mittel haben in den 90er Jahren knapp zur schrittweisen Erneuerung der Altstadt gereicht.
Die Stadtumbaudebatte begann in Wittenberge früher als in anderen Städten, und
zwar bereits zwischen 1997 und 1998 mit
der Vorlage erster Rückbauideen durch den
Sanierungsträger. Dem Handlungsbedarf
konnten jedoch keine Umsetzungsmaßnahmen folgen, weil wesentliche Finanzierungsfragen wie die Altschuldenbehandlung nicht geklärt waren. Dies änderte sich
erst 2000 bzw. 2001 mit der Altschuldenentlastung und dem Bundesprogramm „Stadtumbau Ost“.
Die Stadtumbaudebatte von 2000 und 2001
wurde von zwei großen Fragen beherrscht:
Ein wie großes Rückbaupotenzial ist erforderlich, damit der weiter wachsende Leerstand wirksam eingedämmt werden kann?
Und: Wie muss ein Prozess aussehen, der
die innere Stadt schrittweise erneuert und
wieder bewohnbar macht und gleichzeitig
die Plattenbaugebiete vorsichtig zurücknimmt?
Größenordnungen
Die Stadt hatte Anfang 2000 etwas über
13 000 Wohneinheiten, von denen schon
1995 ca. 10 % leer standen; 2000 waren es
bereits über 20 %. Rechnet man den Leerstand mit Hilfe einer Wohnungsbedarfsprognose für das Jahr 2015 hoch, so kann eine
weitere Erhöhung um 50 % nicht ausgeschlossen werden. Wollte man von diesen
Rechengrößen aus zu stabileren Verhältnissen auf dem Wohnungsmarkt zurückgelangen, müssten in den nächsten zehn Jahren
ca. 2 400 Wohneinheiten abgerissen werden – eine schwierige Aufgabe, der man
nicht aus dem Weg gehen kann.13
Die Stadt Wittenberge bekennt sich zu dieser Aufgabe und hat dazu auch, wenn man
der Resonanz großer Bürgerversammlungen glauben kann, die Unterstützung ihrer
Bevölkerung. Trotzdem müssen die Fragen
nach dem Wie, Wo, Mit wem und Wovon
immer wieder neu gestellt und in jeder
Etappe neu geklärt werden.
Umverteilungsillusionen
Über vielen Stadtumbaudebatten schwebt
die Idee, der aktuelle Stadtumbau in den
neuen Ländern sei ein Weg zur Wiederherstellung der „ursprünglichen Stadt“, der
Stadt vor den Weltkriegen. Diese Idee wird
u.a. dadurch genährt, dass in vielen Orten
der neuen Länder die „alte Stadt“ noch
ohne Überformungen vorhanden ist und
scheinbar nur wachgeküsst werden muss.
Vielerorts gelingt das auch im Ansatz. Es
wird dort schwierig, wo die Plattenbaugebiete sich als eine starke Konkurrenz zur alten Stadt etabliert haben und strukturelle
Ursachen wie Verkehrslärm oder schwierige Hof- und Gebäudegrundrisse den Weg
zu einer angemessenen Wohnqualität unabhängig von der Instandsetzung und Modernisierung erschweren. Dazu kommen
ungeklärte Eigentumsverhältnisse und investitionsschwache Eigentümer, die wirtschaftlich nicht zur umfassenden Erneuerung ihrer Mietshäuser in der Lage sind.
Hemmnisse jedoch sind neben den eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten auch
die gleichzeitig erhöhten wirtschaftlichen
Risiken bei einer weiter abnehmenden Bevölkerung.
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Städtebaulicher Denkmalschutz bei einer
deutlich abnehmenden Bevölkerung ist darum zuallererst ein Kampf um Prioritäten.
So auch in Wittenberge. Mit Hilfe von relativ einfachen Kostenberechnungen und
Umzugsmodellen musste sich die Lenkungsgruppe „Stadtumbau“ darum im
Winter 2000/01 klar machen, dass eine erhaltende Erneuerung in allen drei Sanierungsgebieten nicht nur einen außerordentlichen Kostenaufwand, Förderbedarf
und kommunalen Mitleistungsanspruch
erfordert, der ein Vielfaches der erfolgreichen Altstadterneuerung ausmachen würde, sondern dass die Stadt planmäßig voraussichtlich über die Hälfte ihrer noch gut
vermieteten Plattenbaubestände leer ziehen müsste, um überhaupt die Mieter zu
finden, die die beiden zusätzlichen Sanierungsgebiete mit neuem Leben erfüllen.14
Da eine repräsentative Einwohnerbefragung kurz darauf klar machte, dass die
heutigen Mieter des Külzberg- und des
Allendeviertels sehr gern in ihren Plattenbaugebieten leben und eine intensive
Gebietsbindung entwickelt haben, wird die
Rückbauentscheidung, die Abwägung zwischen Altstadt und neueren Siedlungen,
noch schwieriger.15
Rückbauentscheidungen
Als Erstes entschloss sich daher die Stadt zu
nachhaltigen Rückbaumaßnahmen im
Packhofviertel und einem weit außerhalb
liegenden kleineren Plattenbaustandort.
Für das Packhofviertel hat der zuständige
Sanierungsträger ein Konzept mit planmäßigen Abrisspartien von jeweils vier bis acht
Grundstücken entwickelt, die qualifizierte
Räume für eine kleinteilige neue Doppelhausbebauung entstehen lassen, so dass
die Blockkanten schrittweise in neuer Form
wieder geschlossen werden, jedoch weniger
als 100 Wohnungen neu entstehen – ein Tribut an die kleiner werdende Stadt. Gleichzeitig experimentiert der Sanierungsträger
in einem Modellvorhaben mit dem Umbau
der zweigeschossigen Mietshäuser in einen
Reihenhaustypus. Dieses Modell wird in
der Brandenburger Fachpresse häufig publiziert und besprochen, konnte jedoch
bisher erst einmal umgesetzt werden.
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Für die Stadt und ihre Lenkungsgruppe
„Stadtumbau“ ist die Entscheidung zum
Rückbau im Packhofviertel eine Frage der
Erhaltung des Jahnschulviertels, das als das
höherwertige Gut in der städtebaulichen
Struktur der Stadt gilt. Nur wenn dieses
dritte Erneuerungsgebiet neben der Altstadt, die inzwischen als weitgehend gelöste Aufgabe gilt, mit der höchsten Priorität in der Erneuerung ausgestattet wird, ist
diese schwierige und langfristige Aufgabe
überhaupt zu lösen. Und nur dann ist auch
ein Prozess vorstellbar, in dem sich die
weitgehend leer gelaufenen Teile des Jahnschulviertels wieder mit neuen Mietern füllen – in umfassend erneuerten Häusern.
Eine genauere Analyse des Wohnungsleerstands sowie des Erneuerungsbedarfs im
nördlichen Teil des Jahnschulviertels (ca.
1 400 WE), das inzwischen als Gebiet der
umfassenden Erneuerung festgelegt ist,
zeigt, dass trotz der Erneuerungserfolge bei
ca. 50 % des Wohnungsbestands noch weiterer dringender Erneuerungsbedarf von
ca. 600 Wohneinheiten in über 100 Gebäuden bestehen bleibt und die private Erneuerungstätigkeit, vor allem wegen der Vermietungsprobleme nach der Erneuerung,
ebenso zum Erliegen kommt wie die bisherige Investitionstätigkeit von Bauherren für
Anlegermodelle.16
Der Erneuerungsprozess beginnt also zu
stocken und kann vor allem von der Stadt
selbst nicht beliebig forciert werden, weil
die eigene Wohnungsbaugesellschaft mit
einem umfassenden Restitutionsbestand
im nördlichen Jahnschulviertel auf ein betriebliches Sanierungskonzept verpflichtet
ist, das ihr auch im Altbaubestand neben
Modernisierungsvorhaben Rückbaumaßnahmen empfiehlt.
Die Stadt und ihre Lenkungsgruppe „Stadtumbau“ beantworten diese neue Einschränkung ihrer Handlungsmöglichkeiten
mit einem Konzept für punktuelle Rückbaumaßnahmen auch im nördlichen Jahnschulviertel. Das Konzept versucht das Erscheinungsbild des Quartiers, vor allem
aber seine prägenden Räume und Blockkanten, so weit wie möglich zu erhalten und
in weniger empfindlichen Bereichen Blocköffnungen zu schaffen, die sowohl die
Grundausstattung als auch den Erschließungs- und Stellplatzkomfort der Blöcke
verbessern.
Trotz punktuellem
Rückbau soll keine
„perforierte Stadt“
entstehen.
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Stadtumbau in einer
schrumpfenden Stadt ist
ein Kampf um Prioritäten
und um die Mobilisierung zusätzlicher
Energien.
Wulf Eichstädt: Stadterneuerung in einer schrumpfenden Stadt. Das Beispiel Wittenberge
Da die Blöcke mit 40 mal 80 m vergleichsweise klein sind, wird in einem Fall vorgeschlagen, einen ganzen Block herauszunehmen und abzutragen, um an seiner
Stelle eine öffentliche Grünanlage anzulegen. Die Stadt übernimmt damit nicht das
„Leitbild der perforierten Stadt“, bekennt
sich aber zu einem Kompromiss zwischen
ihrer Wunschvorstellung der vollständigen
Erhaltung ihrer inneren Stadt und den tatsächlich verfügbaren Ressourcen – nicht
nur an kommunalen Mitteln, sondern auch
an Bewohnern und investitionsbereiten Akteuren.
Vor allem das Bauamt der Stadt hat ein sehr
nüchternes Bild von dem Geleisteten und
den noch unerledigten Aufgaben. Es weiß,
dass die wirtschaftliche Stabilisierung der
Stadt zu wenig vorangekommen ist und
sich vor allem die Hilfestellungen des Landes und des Bundes Jahr für Jahr schwächer
darstellen (Wegfall der Investitionszulage,
Kürzung der Abschreibungen in Sanierungsgebieten und denkmalgeschützten
Gebäuden).
Belebung der inneren Stadt
Neben den geschilderten Stadterneuerungs- und Stadtumbauentscheidungen
stehen auch in Wittenberge zahlreiche
kommunale und private Initiativen und
Maßnahmen, die sich um die weitere Aufwertung der Haupteinkaufsstraße (Bahnstraße) und ihrer Nachbarzonen bemühen.
So wird der Kernabschnitt der Bahnstraße
zu einer Fussgängerzone umgebaut und
werden die wichtigsten Seitenstraßen neu
gestaltet. Das im Hellerau-Stil gebaute Kulturhaus (1955–59) wird umfassend für flexible Nutzungsmöglichkeiten modernisiert,
sein Vorplatz neu gestaltet. Private Bauherren errichten drei Geschäftshäuser mit
Ladengalerien, drei Hotels entstehen und
der Parkplatz des Kulturhauses wird so angelegt, dass auf seiner befestigten Fläche
auch der Wochenmarkt stattfinden kann.
Eine aktive Einzelhändlerinitiative bildet
sich, verstärkt durch einen Citymanager.
Und es gibt jährlich zwei Feste, an der die
Haupteinkaufsstraße aktiv beteiligt ist, eine
gut platzierte Touristen-Information, einen
sehr aktiven Fremdenverkehrs- und Bürgerverein, einen Interessenkreis Stadtbildpflege und vieles mehr.17
3 Gefährdungsprozesse
und Rettungsversuche
Zusatzgefährdungen
Die Lösung der Stadterneuerungsaufgaben
in den drei Sanierungsgebieten ist für die
Stadt ein Kampf um Prioritäten und ein
Wettlauf mit der Zeit. Aber es gibt noch weitere Gefährdungen, so
– die weitere Erosion der Industriedenkmäler, zuallererst der erhaltenen Gebäude der historischen Oelmühle, und
– die beginnende Erosion des Bahnhofsund Bahnensembles, das nicht nur aus
dem spätklassizistischen Bahnhofsgebäude und dem benachbarten ehemaligen Postamt, sondern aus weiteren sechs
bahntechnischen Gebäuden (zwei Lokomotivschuppen, zwei Stellwerke, eine
Wasserstation mit Schmiede sowie einem Wasserturm) sowie dem inzwischen
erneuerten Bahn- und Ausbesserungswerk besteht.
Die Aufzählung muss ergänzt werden durch
die beiden großen Stadtbrachen. Zum einen ist damit das südliche Bahnhofsvorfeld
angesprochen, das nach der Trassenverlegung der Magdeburger Bahn keine bahntechnische Funktion mehr besitzt und der
Stadt zu einem geringen Preis übereignet
wurde (ca. 4,0 ha). Zum anderen meint dies
das gesamte ehemalige Oelmühlgelände
mit Nachbargrundstücken (ca. 26,0 ha), das
eine private Wittenberger Entwicklungsgesellschaft erworben hat, um nördlich der
Ausfallstraße in Richtung Osten (Bad Wilsnacker Straße) ein Eigenheimquartier und
südlich davon, am Hafen, einen Freizeitpark mit einem Aquadrom zu errichten.
Das neue Eigenheimquartier kann als nachhaltige Alternative zu Stadtrandstandorten
gewertet werden, gleichzeitig ist es jedoch
auch eine Konkurrenz für den Eigenheimansatz im benachbarten Packhofviertel.
Der Freizeitpark am Hafen könnte sich zu
einem Alleinstellungsmerkmal der Stadt
entwickeln, hat jedoch bisher keinen Investor gefunden.
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Schutz- und Rettungsinitiativen
Gegen die geschilderten Gefährdungen
wehrt sich in Wittenberge nicht nur das
Bauamt der Stadtverwaltung und der seit
1992 tätige Sanierungsträger, sondern auch
eine Vielzahl von Schutz- und Rettungsinitiativen, die das historische Erbe der
Stadt erhalten und zum Ausgangspunkt
einer neuen Stadtentwicklung machen wollen.
Erneuerte Altstadt mit
eingefügtem Neubau
des Verfassers
Als wichtige Aktivposten dieser Initiativbewegung sind besonders das Stadtarchiv
hervorzuheben, ebenso aber auch das
Stadtmuseum, das die Industriegeschichte
zu bewahren versucht, und der Heimatverein, der mit einer Vielzahl von Publikationen die Stadt- und Wirtschaftsgeschichte
Wittenberges neu erschließt und mit seiner
illustrierten Stadtchronik so etwas wie ein
neues Stadtgedächtnis geschaffen hat.18
Eine Initiative der gesamten Stadt auf diesem Fundament war ihre 700-Jahr-Feier im
Jahr 2000 (erstmalige urkundliche Erwähnung des Stadtrechts im Jahr 1300). Zu diesem Anlass haben alle gesellschaftlichen
Gruppen einen Festumzug quer durch die
neue und alte Stadt organisiert und dabei in
Bildern und Szenen die einzelnen Etappen
der Stadtgeschichte dargestellt.19
Im Rahmen der 700-Jahr-Feier wurde zusätzlich eine weitere Initiative etabliert, die
„Elblandfestspiele“. Sie kam auf Initiative
eines Künstlers aus Wittenberge zustande
und wählte sich als Freilichtkulisse den Hof
der Oelmühle aus, um dort jeweils an zwei
Sommerabenden dreitausend Musikbegeisterte zu versammeln und die Oelmühlkulisse zu einem kunstvoll beleuchteten
Kultort werden zu lassen.20
Auch wenn der Entwickler des Freizeitparkes am Hafen keine Verbindung zur Musik,
sondern eher zum ökologischen Lehrpfad
des „Biosphärenreservats Flusslandschaft
Elbe“ besitzt, stoßen diese beiden Initiativen im Schwerkraftbereich der historischen
Oelmühle zusammen und versuchen, zusammen mit dem alten Gebäude zusätzliche Synergien zu erzeugen. Der Entwickler
hat inzwischen sein räumliches AquadromKonzept so umgestellt, dass er seine Gebäude mit dem Oelmühlspeicher verbindet, um
zumindest Teile des Altbauvolumens in erneuerter Form mitzunutzen. Das historische Monument Oelmühle ist damit noch
nicht gerettet, aber es sind erste Pflöcke zu
seiner Erhaltung eingeschlagen.
Foto: C. Marx
Wiedereröffnung des Kulturund Festspielhauses an der
Bahnstraße
Straßenfest auf der Fußgängerzone in der Bahnstraße
Feuerwerk am Ende einer
Festivalveranstaltung auf dem
Oelmühlgelände
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Wulf Eichstädt: Stadterneuerung in einer schrumpfenden Stadt. Das Beispiel Wittenberge
Viele Initiativen kämpfen
um das historische Erbe
der Stadt.
Stadt und Land haben daher 2004 in einem
komplizierten Verfahren die Voraussetzungen geschaffen, dass wenigstens die erforderlichen Notsicherungsmaßnahmen im
Dach der Speicher im Rahmen einer erweiterten Städtebauförderungskulisse finanziert und durchgeführt werden können.
War die Erhaltung und neue Nutzung der
historischen Oelmühlspeicher noch vor wenigen Jahren ein Ziel, das kaum erreichbar
schien, hat sich inzwischen eine wachsende
Lobby gebildet, die das ursprüngliche Ziel
der Erhaltung verteidigt. Durch die erreichte Notsicherung sind die wichtigsten baulichen Risiken begrenzt und wird der Abriss
auf Distanz gehalten.
Durch diesen Zeitgewinn wird zum ersten
Mal das große Potenzial von Teil- und
Zwischenlösungen denk- und planbar, das
zwischen den Extremen eines vollständigen
Abrisses und eines vollständigen Erhalts
mit neuer Nutzung liegt. Die Stadt und die
Bürger haben die Oelmühle bisher nicht gerettet, aber sie haben sich den physischen
und zeitlichen Raum geschaffen, in dem
dieses Ziel eines Tages zusammen mit neuen Kräften zu erreichen ist.
Anmerkungen
(1)
Muchow, Heinz: Wie sich das Ackerbürgerstädtchen Wittenberge zu einer Industriestadt entwickelte. – Wittenberge 2002, S. 6; Enders,
Lieselotte: Die Prignitz, Geschichte einer kurmärkischen Landschaft vom 12. bis zum 18.
Jahrhundert. – Potsdam 2000, S. 1081
(6)
Jahreszahlen: „Chronik der Stadt Wittenberge“,
a. a. O., S. 32 ff.
(2)
Die mittelalterliche, sehr bescheidene Kirche in
der Mitte des Stadtgrundrisses wurde 1757 bei
einer Feuersbrunst zerstört, zwischen 1775 und
1778 im barocken Stil wiederaufgebaut, musste
aber bereit 100 Jahre später (1847 bis 1872) einem sehr viel größeren, neugotischen Bau, einem ersten Triumpfzeichen der aufstrebenden
Industriestadt weichen. Das sehr kleine historische Rathaus der Stadt stand unmittelbar am
Kirchplatz und wurde zu Beginn der Industrialisierung durch ein größeres Bürgerhaus in der
Steinstraße ersetzt. Jahreszahlen zitiert nach:
Stadtverwaltung Wittenberge (Hrsg.); Eichel H.;
Muchow H.; Rodegast G.: Chronik der Stadt Wittenberge. – Wittenberge 1997
8)
Daten und Fakten nach der „Chronik der Stadt
Wittenberge“, a. a. O., S. 78 ff.
(3)
Magistrat der Stadt Wittenberge (Hrsg.):
Deutschlands Städtebau – Wittenberge; bearbeitet von Stadtbaurat Bruns. – Berlin 1922, S. 9
(4)
Jahreszahlen: „Chronik der Stadt Wittenberge“,
a. a. O., S. 30–32
(5)
Bohle-Heinzenberg, Sabine: Die Wittenberger
Oelmühle. Das Schicksal einer aufgegebenen
Industrieanlage mit großer Geschichte. Bauwelt
(1997) H. 23, S. 1309–1312
(7)
Nach: Magistrat der Stadt Wittenberge (Hrsg.):
Deutschlands Städtebau, a. a. O.
(14)
Kommunales Handlungskonzept Wittenberge,
Teil: Wohnungspolitisches Konzept, a. a. O.,
S. 56 ff.
(15)
Büro Topos Stadtforschung: Sozialstudie Wittenberge, Ergebnisse der Bürgerbefragung, bearbeitet i. Auftr. der Stadt Wittenberge. – Berlin
2001, S. 28 ff.
(9)
Das funktionale Profil des Regionalen Entwicklungszentrums ist ausführlich dargestellt in:
Büro Eichstädt/Emge; ProStadt GmbH: Kommunales Handlungsprogramm Wittenberge, bearbeitet i. Auftr. der Stadt Wittenberge. – Berlin
2001
(16)
Die hier zitierten Daten zur Entwicklung des
Jahnschulviertels stammen aus einer Überprüfung der Gebietsentwicklung durch den Sanierungsträger (1999) sowie einem Bericht zur
Umstellung des Sanierungsverfahrens im Jahnschulviertel aus dem Jahr 2003, ebenfalls erarbeitet vom Sanierungsträger BIG-Städtebau.
(10)
Untere Denkmalbehörde des Landkreises Prignitz: Denkmalliste (der Stadt Wittenberge),
Stand: 15.10.2002
(17)
Kulturadressbuch der Stadt Wittenberge,
Bestandserhebung 1998. – Wittenberge 1998
(11)
Der von der Stadt beauftragte Sanierungsträger
ist heute die BIG-Städtebau, bis 2001 war es die
GSW-Stadterneuerung Berlin.
(12)
Kommunales Handlungsprogramm Wittenberge, a. a. O., S. 34 ff. sowie: Büro Eichstädt/
Emge: Stadtumbaukonzept Wittenberge 2002,
bearbeitet i. Auftr. der Stadt Wittenberge. – Berlin 2002, S. 41 ff.
(13)
Stadtumbaukonzept Wittenberge 2002, S. 19 ff.
(18)
Siehe Quellenhinweise in Anm. 1 und 2
(19)
Stadt Wittenberge (Hrsg.): Wittenberge 700 Jahre. Festschrift zum historischen Festumzug. –
Wittenberge 2000
(20)
Einen Bericht über Entstehung und Struktur der
Initiative enthält das Programmheft zur Eröffnungsgala am 15. Juli 2000 (Hrsg.: Bühnen Reif
e.V., Internationale Gesellschaft zur Förderung
junger Bühnenkünstler, Berlin)