Interventionsmaßnahmen

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Interventionsmaßnahmen
Geteilte Erfahrungen Mobile Jugendarbeit als
Wegweiser und Brückenbauer
in parallelen Welten
Dokumentation der
Jahrestagung
Mobile Jugendarbeit 2011
21. bis 23. März 2011
im KVJS-Tagungszentrum Gültstein
Inhaltverzeichnis
Seite
Vorwort
Irma Wijnvoord, KVJS
Irmgard Fischer-Orthwein, KVJS
4
Geteilte Erfahrungen – Mobile Jugendarbeit
als Wegweiser und Brückenbauer in parallelen Welten
Clemens Beisel, LAG Mobile Jugendarbeit
5
Wie Medien Jugendliche ansprechen
- am Beispiel von Germany’s Next Topmodel
Prof. Dr. Jan-Oliver Decker, Universität Passau
8
Eine Gesellschaft rückt auseinander
- die künftigen Bedingungen der Jugendarbeit
Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan Hradil, Universität Mainz
„Trainierst Du noch oder spritzt Du schon?“
-Konsum leistungssteigernder Substanzen zum Thema machen
Prof. Dr. med. Dr. jur. Heiko Striegel, Anti-Doping Beauftragter
des LSV Baden-Württemberg, Mannschaftsarzt des VfB Stuttgart
49
88
Jugendliche in verschiedenen Welten
Klaus Farin, Archiv der Jugendkulturen
127
Impressionen vom Markt der Möglichkeiten
135
Workshop 1:
Brücken zur „Parallelwelt Politik“ bauen:
Politikberatung durch Mobile Jugendarbeit
Patrick Differt, Mobile Jugendberatung Metzingen
Matthias Reuting, Diakonisches Werk Württemberg e.V.
137
Workshop 2:
„Parallelwelt Internet“: Zur Faszination und
Selbstdarstellung im Computerspiel und Web 2.0
Esther Wiechers, Offene und Mobile Jugendarbeit Ladenburg
Christiane Bollig, Mobile Jugendarbeit Reutlingen
Moderation: Achim Spannagel, Drogenhilfe Ulm
141
Workshop 3:
Jugendbanden und Gangs - Attraktivität für junge Menschen
• Zusammenfassung des Workshops
Rüdiger Schilling, Kriminalprävention Polizei Pforzheim
• Jugendkriminalität 2010/2011
Stadtteilgruppen in Stuttgart
Wir sind nicht vorbereitet – Jugendkrawalle in Frankreich
Willi Pietsch, Polizeipräsidium Stuttgart
168
168
170
Workshop 4
Vereine und Verbände - niedrigschwellige
Sportangebote entwickeln
• Programm „Integration durch Sport“
Kai Nörrlinger, Württembergische Sportjugend e.V.
• Jump – Junge Menschen mit Power
Norbert Vollmer, TV Rottenburg
• Was zeichnet „niedrigschwellige Angebote“ aus?
Zusammenfassung der Diskussionsergebnisse
214
Workshop 5
Kompetent in Parallelwelten:
„Schattenwirtschaft“ als kreative Quelle für berufliche Perspektiven
Uwe Buchholz, Mobile Jugendarbeit der Stadt Karlsruhe
Volker Kugel, Mobile Jugendarbeit Weinheim
Matthias Reuting, Diakonisches Werk Württemberg e.V.
238
Workshop 6
Migration – Integration – Interkulturelle Kommunikation
Frank Dölker, M.A. Intercultural Communication, Fulda
247
Workshop 7
"Fußball ist unser Leben!?"
251
214
224
Literaturhinweis und Link zu weiterführenden Infos
Christian Schmidt, VfB Stuttgart, Leiter der Fanbeauftragten
Workshop 8
„Bloß nicht Mainstream“ -Jugendkulturen stellen sich vor
Eva Gebauer, Mobile Jugendarbeit Karlsruhe
Christiane Hillig, LAG-Servicestelle
252
2
Vorwort
Mobile Jugendarbeit erreicht unterschiedlichste Gruppierungen und Szenen junger Menschen, die sich zunehmend in „parallelen Welten“ bewegen: Die Lebenswirklichkeiten verschiedener Bevölkerungsgruppen entfernen sich immer weiter voneinander. Die virtuelle
Welt des Internets gewinnt an Bedeutung. Lebensweltorientierte Mobile Jugendarbeit steht
vor der Herausforderung, in Kontakt mit sehr verschiedenen Szenen zu treten und dabei
auch als Vermittlerin in und zwischen diesen „parallelen Welten“ wirksam zu werden.
Die Jahrestagung 2011 setzte sich damit auseinander, wie die jungen Menschen selbst mit
„parallelen Welten“ und komplexen Anforderungen umgehen, welche Strategien sie zwischen Provokation, Ausstieg, Abgrenzung und Anpassung entwickeln, welche Wege die Mobile Jugendarbeit findet, um zukünftig die Chancen ihrer verschiedenen Adressatinnen und
Adressaten auf Anerkennung, gesellschaftliche und ökonomische Teilhabe zu verbessern.
Als Tagungsauftakt zeigte Prof. Dr. Jan-Oliver Decker wie Medien Jugendliche ansprechen.
Prof. Dr. Stefan Hradil stellte anhand empirischer Befunde aus Forschungen zu sozialer Ungleichheit dar, wie sich in einer Gesellschaft, die „auseinander rückt“, die Bedingungen für
benachteiligte Jugendliche und damit auch für die Mobile Jugendarbeit verändern. Klaus
Farin betrachtete Jugendkulturen insbesondere unter dem Gesichtspunkt vorhandener Ressourcen und Potentiale in Abgrenzung zum Mainstream. Der Konsum leistungssteigernder
Substanzen war im Mittelpunkt des Abendvortrags von Dr. Heiko Striegel.
Zahlreiche Workshops nahmen unterschiedliche „Parallelwelten“ in den Blick mit dem Ziel,
Handlungswissen zu erweitern und dieses für die Praxis Mobiler Jugendarbeit nutzbar zu
machen.
Insgesamt gab die Tagung vielseitige Einblicke und wir hoffen, mit dieser Dokumentation
weitere Impulse für den Arbeitsalltag geben zu können.
Irma Wijnvoord
Irmgard Fischer-Orthwein
Kommunalverband für Jugend und Soziales
Baden-Württemberg
Dezernat Jugend- Landesjugendamt
Clemens Beisel
Landesarbeitsgemeinschaft
Mobile Jugendarbeit/Streetwork
Baden-Württemberg
Geteilte Erfahrungen - Mobile Jugendarbeit als Wegweiser und Brückenbauer
in parallelen Welten
Der Sozialarbeiter als Brückenbauer? Also Architekt, Statiker oder Ingenieur. Riecht nach einer
gehörigen Gehaltserhöhung für uns..., na ja aber wer die neuen TVÖD SuE-Gruppen kennt und
vielleicht bei einer unserer letzten Fachtage war, der weiß ja, das Gehaltserhöhungen in weiter ferne
sind. Ich wechsle lieber das Thema...
Das wir Brückenbauer im übertragenen Sinne sind, stellt wohl kaum jemand in Frage. Nicht nur in
unserer täglichen Arbeit, auch in Gemeinwesensprojekten, die wir
gemeinsam mit unseren
Adressaten - initiieren sorgen wir dafür, dass Bürger Einblicke in die Lebenswelten unser Klienten
kriegen und dass unsere Adressaten Einblicke in die Welt ihres Gemeinwesens bekommen.
Ohne uns zu sehr auf die Schulter klopfen zu wollen, aber da basteln wir zum Teil Konstrukte, so
denkwürdig und interessant wie die Brooklyn Bridge in New York oder die Golden Gate Bridge in San
Francisco. Hört sich vielleicht erst mal größenwahnsinnig an, aber...
...woran messe ich das?
Vor Kurzem spazierten ein paar Gemeinderäte über eine der besagten - von MJAlern und ihren
Adressaten erbauten - Brücken. Gebaut aus einem hundert Prozent lebensweltorientierten Material:
Das Stahlkonstrukt der Brücke aus zweieinhalb Stunden Videomaterial. Zu einem 15-minütigen bruchund bombensicheren Rahmen zusammengeschweißt. Die Aussagen der Jugendlichen: hartes,
ehrliches und massives Betongemisch. Eine stabile Brücke.
Als die Gemeinderäte über der Brücke waren, kamen Aussagen wie: „Mensch, das die Jungs sich so
vernünftig ausdrücken können.“ Oder: „Die sprechen ja fließend Deutsch.“
Abends habe ich mir die „Brücke“ also das Video selber noch mal angeschaut und mir die Aussagen
der Gemeinderäte noch mal durch den Kopf gehen lassen.
Mir wurde klar:
Diese Brücke ist gefühlte 100 km lang! Denn die Welten sind weiter auseinander, als ich gedacht
habe. Logisch wir MOBILEN spazieren jeden Tag über diese von uns selbst errichteten Brücken und
wir fühlen uns sicher. Für uns sind die Brücken stabil: Kein Wackeln, kein bröckeln und selbst wenn
man von der Brücke fallen würde, landet man weich. Zumindest würde man sich nicht schlimm
verletzen....
Die gleiche Brücke, eine andere Sichtweise: Die Sicht der Ladenbesitzerin, die sich täglich über
Jugendliche aufregt, die bei Regen und Kälte Unterschlupf unter ihrem Vordach suchen. Ihre Kunden
bleiben weg, weil sie Angst haben. Angst vor der Bomberjacken tragenden, aufgepumpten Meute.
So sieht sie die Brücke:
Die Brücke - Ein klappriges Konstrukt, wie wir sie nicht mal aus dem furchterregendsten
Hochseilgarten kennen. Morsche Holzlatten, einige fehlen schon, kein Geländer, nur ein altes,
modriges Seil anstatt. Keine Absicherung und darunter? Lodernde Lava und Höllenfeuer. Okay,
übertrieben. Aber zumindest ein tiefer Abgrund mit reißendem Fluss. Und da drüber gehen, um die
Lebenswelt der Jugendlichen kennen zu lernen? Da sagt die Ladenbesitzerin – wie viele andere auch:
Nein danke!
Da sag ich: Doch. Muss sein. Kommen sie mit!
Für die Jugendlichen sehen die Brücken, die in die Schule, in die Ausbildung oder zum „superbausparer Spießerreihenhaus“ führen auch nicht besser aus!
Die Bretter ihrer Brücken sind mit einem schleimigen, glitschigen 4-Komponenten Hartz aus Alkohol,
Drogen,
Gewalt
und
Vorurteilen
überzogen.
Im
Abgrund
sehen
sie
die
Dornen
der
Bedarfsgemeinschaften und Langzeitarbeitslosigkeit gepaart mit den spitzigen Stacheln der
Perspektivlosigkeit. Und als wäre dies nicht genug: Ein Sturz von der Brücke bedeutet zudem, dass
man die hohen Berge aus Bürokratie in Form von Anträgen und Ämtergängen alleine wieder
hochkraxeln muss.
Was ich mit diesen Metaphern zeigen will:
Zum einen:
Wir brauchen noch viel mehr Brücken! Und die Brücken müssen stabil, dreispurig in jede Richtung,
super beschildert und bombensicher sein!
Und zum anderen:
Nur Brückenbauen reicht nicht! Und nur Wegweiser sein reicht auch nicht!
Wir müssen beide Seiten an der Hand nehmen und über die Brücken begleiten. Wir müssen beiden
Seiten die Angst vor den Brücken nehmen. Oft auch nicht nur einmal! Wir müssen den Dialog
zwischen den Parallelwelten fördern und Integration bewirken. Dann werden unsere Adressaten
feststellen, dass nicht jeder Gang über die Brücke im Hartz IV Sumpf endet und die Menschen auf der
anderen Seite werden feststellen, dass unsere Adressaten keine menschenfressenden Orks sind. Die
meisten zumindest nicht...
Beziehungsarbeit und Niederschwelligkeit sind hier die Schlagworte mit denen wir arbeiten müssen.
Vorurteilslosigkeit, Akzeptanz und ein respektvoller Umgang sind die Werkzeuge oder das „Veschber“,
welches wir den Brückengängern mitgeben müssen. Für jeden Gang. Für jeden Tag und für jede
Person, die sich auf den Weg macht...
Und wenn jemand meint, dass man nicht über diese Brücken gehen muss, dass diese Brücken nicht
wichtig sind und sie oder er unsere Arbeit nicht wertschätzt. Seien es unsere Adressaten, die
Gemeinderäte, die Ladenbesitzer, die Kommunen und viele mehr, dann muss man den einen
antworten:
Schon mal was vom demografischen Wandel gehört? Wir brauchen jeden Jugendlichen.
Und unseren Adressaten: Du willst eine Perspektive? Du träumst vom Reihenhaus? Vom einem Ende
der Anträge und Ämtergänge? Dann nutze die Brücken!
Und deswegen brauch es uns und noch viele mehr, die Brücken bauen und diese für die breite Masse
begehbar machen.
Ich wünsche allen Teilnehmern, allen Referenten und allen Workshopleitern eine tolle Jahrestagung
und sage Danke an Irma Wijnvoord, deren letzte Jahrestagung als Organisatorin dies ist: Du wirst uns
immer ein willkommener Gast sein.
Danke auch an Christiane Bollig, Esther Wiechers, Christiane Hillig, Uwe Buchholz, Matthias Reuting
(jetzt Diak.) und Eddy Götz, die neben Irma im Orgateam der Jahrestagung waren.
Und ich sage: „Hallo und herzlich willkommen!“ zu Frau Fischer-Orthwein, der Nachfolgerin von Irma.
Nu aber genug von mir. Viel Spaß bei der Jahrestagung im Namen der LAG!!!
Clemens Beisel
Wie Medien
Jugendliche
ansprechen –
das Beispiel
Germany’s Next
Topmodel
Jan-Oliver Decker
(Passau)
Germany’s Next Topmodel
(GNTM)
• Lifestyle-Reality-TVFormat
• performativ:
Inszenierung nicht
alltäglicher Lebenswelten
mit nicht-prominenten
Personen
• narrativ:
pseudo-dokumentarische
Bewährungssituationen
GNTM 2 (2007),
v. l. n. r. Heidi Klum, die Siegerin Barbara Meier
und die Zweitplatzierte Anne-Kathrin Wendler
Maria Beckmann und Krokodil, Challenge und Job für ApolloOptik in GNTM 4 (2009)
GNTM 6 (2011) Rebecca und Anna-Lena (Foto: Rankin)
Vortragsgliederung
(0. Einleitung)
1. Rolle der Jury
2. Rituale aus semiotischer Sicht
3. In Medien inszenierte Rituale
4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung
von ‚Rolle vs. Person‘
5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit
6. Adaption des melodramatischen Narrativs
7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion
Die Jury von GNTM 6 (2011): Creative Director Thomas Hayo,
Heidi Klum, Designer Thomas Rath
Die Jury von GNTM 4 (2009), v. l. n. r. Rolf Scheider, Heidi Klum,
Peyman Amin
Catwalk-Ritual am Ende jeder Episode:
Freude bei Olivia Berman, GNTM 4 (2009), Verzweifelung bei
Sarah Knappik GNTM 3 (2008)
Heidi Klum im November
2009 auf dem Laufsteg der
Dessous-Modenschau von
Victorias Secret vier Monate
nach der Geburt des vierten
Kindes
Jennifer Hof, Gewinnerin der dritten Staffel von GNTM 3 (2008) zu
Beginn und am Ende der Show
GNTM 4 (2009),
o. u. u. mit der Gewinnerin Sara
Nuru
Vortragsgliederung
(0. Einleitung)
1. Rolle der Jury
2. Rituale aus semiotischer Sicht
3. In Medien inszenierte Rituale
4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung
von ‚Rolle vs. Person‘
5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit
6. Adaption des melodramatischen Narrativs
7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion
Rituale aus semiotischer Sicht
• sich performativ ereignende Zeichensysteme
• hoch konventionalisierte, uneigentliche Bedeutung
• Abbilden zentraler kultureller Werte und Normen
• Herstellen sozialen Sinns über das Alltägliche hinaus
Ritual: Stufe zweiter semiotischer Modellbildung
sekundäres
Zeichensystem
primäre
Zeichensysteme
primäre
kulturelle
Bedeutung
Stufe erster semiotischer Modellbildung
durch primäre Zeichensysteme,
bspw. Mimik, Gestik, Proxemik, Kinesik,
Sprache, Musik, Ikonografie, Rhetorik
usw.
sekundäre
kulturelle
Bedeutung
Rituale können als
Zeichensysteme zur
Klasse der nach
Jurij M. Lotman
sekundären
modellbildenden
semiotischen
Systeme gezählt
werden.
Semiosphäre 1
Jugend
Reife
Ritual
Reales kulturelles Kontinuum, bspw. Lebensweg der Person
Transition
Soziale Sphäre 2
Soziale Sphäre 1
Semiosphäre 2
Vortragsgliederung
(0. Einleitung)
1. Rolle der Jury
2. Rituale aus semiotischer Sicht
3. In Medien inszenierte Rituale
4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung
von ‚Rolle vs. Person‘
5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit
6. Adaption des melodramatischen Narrativs
7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion
Medium: Stufe zweiter semiotischer Modellbildung
sekundäres
Zeichensystem
primäre
Zeichensysteme
primäre
kulturelle
Bedeutung
Stufe erster semiotischer Modellbildung
durch primäre Zeichensysteme,
bspw. Mimik, Gestik, Proxemik, Kinesik,
Sprache, Musik, Filmbild, Ikonografie,
Rhetorik usw.
sekundäre
kulturelle
Bedeutung
Medien wie
Literatur und Film
können ebenfalls
nach Jurij M.
Lotman zu den
sekundären
modellbildenden
semiotischen
Systeme gezählt
werden.
Zum semiotischen Status von in Medien
inszenierten Ritualen
• Fernsehshows und Rituale = sekundäre semiotische
Systeme
• sekundärer Bedeutungsaufbau durch Verarbeitung
primärer semiotischer Systeme
• In Fernsehshows inszenierte Rituale kondensieren und
verdichten die in den von jeder Fernsehshow
konstruierten, sekundären paradigmatischen
Vorstellungs- und Bedeutungsräume.
• Genau so wie die sekundäre Fernsehshow mittelbar
primäre kulturelle Realität verarbeitet, genau so
verarbeitet das in der Fernsehshow inszenierte Ritual
diese spezifische Realität der Show auf einer
übergeordneten, repräsentierenden Ebene.
Vortragsgliederung
(0. Einleitung)
1. Rolle der Jury
2. Rituale aus semiotischer Sicht
3. In Medien inszenierte Rituale
4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung
von ‚Rolle vs. Person‘
5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit
6. Adaption des melodramatischen Narrativs
7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion
Sara Knappik GNTM 3 (2008)
macht keine
gute Figur
Sara Nuru ist endlich GNTM 4 (2009)
r. Tamara Busch wird nicht mehr GNTM 4 (2009)
Übernahme vorgefertigter personexterner Rollenmerkmale
≈
Demütigung
neues emphatisches
Leben in Modelwelt
altes alltägliches
Leben
Ritual
Reales kulturelles Kontinuum, bspw. Lebensweg der Person
serialisierte
Transition
≈
Reifung der individuellen Persönlichkeit durch freigelegte Potenziale
Jennifer Hof, Gewinnerin von
GNTM 3 (2008) zu Beginn und am
Ende der Show
Vortragsgliederung
(0. Einleitung)
1. Rolle der Jury
2. Rituale aus semiotischer Sicht
3. In Medien inszenierte Rituale
4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung
von ‚Rolle vs. Person‘
5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit
6. Adaption des melodramatischen Narrativs
7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion
Die Jury von GNTM 6 (2011): Creative Director Thomas Hayo,
Heidi Klum, Designer Thomas Rath
Marie Nasemann (r.)
als Siegerin einer
Challenge aus GNTM
4 (2009)
Beispiel
„Die Entscheidungen Staffel 3“
GNTM 3 (2008)
Vortragsgliederung
(0. Einleitung)
1. Rolle der Jury
2. Rituale aus semiotischer Sicht
3. In Medien inszenierte Rituale
4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung
von ‚Rolle vs. Person‘
5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit
6. Adaption des melodramatischen Narrativs
7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion
All That Heaven Allows
(USA 1955 Douglas Sirk)
Ein Herz spielt falsch
(BRD 1953, Rudolf Jugert)
Skizze des melodramatischen Erzählmodells
soziales Außen
bürgerlicher Raum
väterlicher
Herkunftsraum
Normverstoß
gewünschte erotische
Autonomie
Normanerkennung
Leiden
Zielraum
domestizierte
Erotik
Normeinübung
Transitionsraum
Sanktionsraum
Beispiel
„Emotionen über Emotionen“
GNTM 4 (2009) – Das Special
Skizze des melodramatischen Erzählmodells
soziales Außen
bürgerlicher Raum
väterlicher
Herkunftsraum
Normverstoß
gewünschte erotische
Autonomie
Normanerkennung
Leiden
Zielraum
domestizierte
Erotik
Normeinübung
Transitionsraum
Sanktionsraum
Übernahme vorgefertigter personexterner Rollenmerkmale
≈
Demütigung
neues emphatisches
Leben in Modelwelt
altes alltägliches
Leben
Ritual
Reales kulturelles Kontinuum, bspw. Lebensweg der Person
serialisierte
Transition
≈
Reifung der individuellen Persönlichkeit durch freigelegte Potenziale
Vortragsgliederung
(0. Einleitung)
1. Rolle der Jury
2. Rituale aus semiotischer Sicht
3. In Medien inszenierte Rituale
4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung
von ‚Rolle vs. Person‘
5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit
6. Adaption des melodramatischen Narrativs
7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion
Arbeit am
Körper von
Maria
Beckmann
GNTM 4 (2009)
Die drei Finalistinnen aus GNTM 4 (2009),
v. l. n. r. Marie Nasemann, Mandy Bork
und die Gewinnerin Sara Nuru
Beispiel
„Lena Gercke siegt“
GNTM 1 (2006) – Das Beste aus Staffel 1–3
Bonusmaterial, Sedcard Shooting, 05:30–06:14
Jennifer Hof, Gewinnerin von
GNTM 3 (2008) zu Beginn und
am Ende der Show
Wie Medien
Jugendliche
ansprechen –
das Beispiel
Germany’s Next
Topmodel
Jan-Oliver Decker
(Passau)
„Germany’s Next
Topmodel –
Initiation durch
Domestikation.
Zur Konstruktion der
schönen Person in
Castingshows“
Jan-Oliver Decker
(Kiel/Passau)
„Trainierst Du noch oder spritzt Du schon“
Konsum leistungssteigernder Substanzen
zum Thema machen
Heiko Striegel
Medizinische Universitätsklinik Tübingen
SpOrt Medizin Stuttgart GmbH
www.sport-medizin.eu
Die Ausgangssituation…
¾ Doping im Leistungs- und Hochleistungssport
¾ Doping im Freizeit- und Fitness-Sport
¾ Gesundheitsökonomische und volkswirtschaftliche
Relevanz
¾ Studien zum Doping im Leistungssport
¾ Studien zum Doping im Freizeit- und Fitness-Sport
Doping im Leistungssport
¾ Nur wenige Studien weltweit
¾ Studie von Scarpino et al.
Lancet, 1990; 336: 1048-1050:
Dopingprävalenz: 11 % bis 27 %
Doping im Freizeit-Sport - Studienübersicht
Untersuchungskollektiv
Dopingprävalenz
Referenz
Gesamtpopulation (USA)
M 0,9%, F 0,1%
Yesalis et al. (1993)
JAMA 270: 1217-1221
Bodybuilder (Schweden)
M 38,4%, F 9%
Linström et al. (1990)
J Intern Med 227: 407-411
Fitness-Studio Mitglieder (UK)
M 9,1%, F 2,3%
Korkia et al. (1997)
Int J Sports Med 18:
557562
Fitness-Studio Mitglieder (USA)
M 23%, F3%
Kanayama et al. (2001)
Psychother Psychosom
70: 137-140
Schulsportler (Frankreich)
M 5%, F 2%
Laure et al. (2004)
Int J Sports Med 25: 133138
Zusammenhang zwischen Doping und Drogen
Signifikante Korrelation zwischen Dopingsubstanzkonsum und Konsum
legaler und illegaler Drogen
(DuRant et al., 1993; Nilsson et al., 1995;
Yesalis et al., 1993)
Signifikante Korrelation zwischen Dopingsubstanzkonsum und Konsum
illegaler Drogen
(Wichstrom et al., 2001)
Signifikante Korrelation zwischen Dopingsubstanzkonsum und Konsum
legaler Drogen
(Laure et al., 2004)
Doping im deutschen Fitness-Sport
•
Befragt wurden anhand eines Fragebogens Sportler im
Fitness-Studio
•
Es wurden insgesamt 1802 Fragebögen in 113 Fitness-Studios
verteilt (Gesamtmitgliederzahl 90 100).
•
Die Anzahl der Fragebögen betrug 2% der jeweiligen
Mitgliederzahl des Studios.
•
Die Fragebögen wurden durch nach genauer Instruktion
(Verteilung entsprechend der Geschlechts-, Alters-,
Trainingshäufigkeits-, und Trainingsaltersstruktur des jeweiligen
Studios) über die Betreiber bzw. Trainer an die Sportler verteilt.
•
Der Fragebogenrücklauf betrug n=621 (34,4%). Davon waren
390 Männer (62,8%) und 321 Frauen (37,2%)
Allgemeine Daten
Variable
Kein Doping
Doping
Männer
315 (80.8%)
75 (19.2%)
Frauen
222 (96.1%)
9 (3.9%)
Alter [J]
33 ± 11
33 ± 8
Größe [cm]
175.7 ± 9.0
1.78 ± 8.2
Gewicht [kg]
73.9 ± 16.1
87.1 ± 20.0
Keine
55 (10.2%)
6 (7.1%)
Lehre
317 (59.1%)
64 (71.5%)
Studium
158 (29.4%)
17 (20.2%)
Keine Antwort
7 (1.3%)
1 (1.2%)
Anthropometrische Daten
Ausbildung
Fitness sports
Angewandte Substanzen
Substanzen
n (%)
Anabole Steroide (AAS)
37 (55.2)
Nur Clebuterol
9 (13.4)
Nur Stimulantien
1 (1.5)
AAS und andere Substanzen
19 (28,4)
Clenbuterol und andere Substanzen
Art der Verabreichung
n (%)
1 (1.5)
Anzahl der Substanzen
n (%)
Oral
24 (35.3)
1
27 (39.7)
Parenteral
9 (13.2)
2 bis 4
29 (42.6)
Oral and parenteral
35 (51.5)
>4
12 (17,5)
Einzelbeispiel
Informationsquellen
Informationsquellen der
Dopingsubstanzen
Hausarzt
Sportarzt
Trainer
andere Sportler
Eltern
Partner
Freunde
eigenes Literaturstudium
Internet
sonstige
Männer
Frauen
0
10
20
30
40
50
Bezugsquellen
andere Sportler
Trainer
Schw arzmarkt
Arzt (Inland)
Arzt (Ausland)
Apotheke (mit Rezept/Inland)
Apotheke (mit Rezept/Ausland)
Apotheke (ohne Rezept/Inland)
Apotheke (ohne Rezept/Ausland)
andere
0
10
20
30
40
50%
Dopingsubstanzkonsum - Gründe
Variable
Frauen (n=231)
Männer (n=390)
Verbessertes Aussehen
39.0%
45.1%
Kraftzuwachs
6.9%
42.6%
Sportliche Erfolge
20.4%
23.9%
Verbesserte
Ausdauerleistung
17.8%
18.5%
Leistungsstagnation
10.4%
18.2%
Andere
3.0%
4.6%
Kokain
Trainingsfrequenz
BodyBuilding
Odds Lower
BMI
Trainingsjahre
Odds Ratio
Abitur
AlKohol
100
50
30
Nationalität
Dopendenprofil
Odds Upper
10
5
3
1
0.5
0.3
0.1
Drogenkonsumentenprofil
100
50
30
Odds Ratio
Odds Lower Odds Upper
10
5
3
1
0.5
0.3
Doping
Alkohol
Rauchen
Studium
Kinder
01
5-Jahres Follow-Up Befragung
•
Befragt wurden anhand eines Fragebogens Sportler im
Fitness-Studio
•
Es wurden insgesamt 1461 Fragebögen in 84 Fitness-Studios
verteilt (Gesamtmitgliederzahl 73 000).
•
Die Anzahl der Fragebögen betrug 2% der jeweiligen
Mitgliederzahl des Studios.
•
Die Fragebögen wurden durch nach genauer Instruktion
(Verteilung entsprechend der Geschlechts-, Alters-,
Trainingshäufigkeits-, und Trainingsaltersstruktur des jeweiligen
Studios) über die Betreiber bzw. Trainer an die Sportler verteilt.
•
Der Fragebogenrücklauf betrug n=438 (30,0%). Davon waren
287 Männer (65,5%) und 151 Frauen (34,5%)
5-Jahres Follow-Up Befragung
•
Reduktion der Zahl der Dopenden auf 10,8 %
•
Erhöhung der Zahl der Drogenkonsumenten um 8,4 % auf 24,3 %
•
Anteil der aus dem Gesundheitswesen stammenden
Dopingsubstanzen reduziert sich um 11,9 % auf 36,2 %
•
Ärzte weiterhin die am häufigsten genannte Informationsquelle in
Bezug auf Dopingsubstanzen
•
Rechtliche Schwierigkeiten wegen illegalen Drogen: 6,5 % aller
Befragten
•
Rechtliche Schwierigkeiten wegen Dopings: 0,3 % aller Befragten
Problematik sensibler Fragestellungen
ƒ Problematik sensibler Fragestellungen
ƒ Befragungstechniken:
ƒ Persönliche Befragung
ƒ Anonymer Fragebogen
ƒ Randomized-Response-Technique (RRT)
Durchführung der RRT
ƒ 2 Fragen (eine sensible und eine allgemeine Frage)
ƒ identische Antwortmöglichkeiten
ƒ Untersucher weiß nicht, auf welche Frage der
Proband antwortet
ƒ Dokumentation der Antwort („Ja“ oder „Nein“)
ƒ Berechnung der Wahrscheinlichkeit, mit der ein
Proband auf die sensible Frage mit „Ja“ geantwortet
hat
RRT-Untersuchung in Fitness-Studios
•
Befragt wurden anhand der RRT-Technik Sportler im FitnessStudio
•
Es wurden insgesamt 500 Sportler in 49 Fitness-Studios befragt.
•
Die Anzahl der Befragten betrug 1% der jeweiligen Mitgliederzahl
des Studios.
•
Befragung zu unterschiedlichen Tageszeiten entsprechend der
Mitgliederstruktur in den jeweiligen Fitness-Studios
Allgemeine Daten RRT-Befragung
Variable
RRT
Fragebogen
Männer
347 (69.4%)
390 (62.8%)
Frauen
153 (30.6%)
231 (37.2%)
Alter [J]
32 ± 11
33.6 ± 10.6
Größe [cm]
176.4 ± 9.1
176.0 ± 9.0
Gewicht [kg]
75.96 ± 15.0
75.7 ± 17.3
Anthropometrische Daten
Ergebnisse der Befragungen
Vergleich der Ergebnisse der Befragung mittels
anonymer Fragebögen und der Befragung mittels der
Randomized Response Technique
Variable
Anonyme
Fragebögen
Randomized
Response
Technique
Doping „ja“
13,5 %
12,5%
Illegale Drogen „ja“
15,9 %
41,3 %
Kokain „ja“
4,7 %
14,6 %
Rauchen „ja“
30,0 %
27.5 %
Alkohol „ja“
77,8 %
69,6 %
Leistungssportler: RRT-Befragung
F-Kader
E-Kader
kein Kader
A-Kader
B-Kader
C-Kader
D/C-Kader
D-Kader
Alter (Jahre)
Gesamt (n=480)
Männer (n=301)
Frauen (n=179)
16,7 (16,4 - 17,0)
16,7 (16,2 - 17,0)
16,7 (16,2 - 17,2)
Leistungssportler in Deutschland
Prävalenz
95 % CI
Doping
6,8 %
2,7 - 10,9
Illegale Drogen
8,8 %
4,5 - 13,1
Eliteschulen des Sports
• Prävalenz des Dopings in Schulen
• Möglichkeiten der Dopingprävalenz in
Schulen und deren Effektivität
RRT-Untersuchung in Eliteschulen des Sports
• Befragt wurden anhand der RRT-Technik Schüler der
Klassenstufen 8 und 9 an Eliteschulen des Sports
(Realschulen und Gymnasien)
• Es wurden insgesamt 344 Sportler in 4 Schulen
befragt.
• Die Befragung fand nach gründlicher Aufklärung über
die Art der Befragung und die Definition der
Parameter statt.
RRT-Untersuchung - Ergebnisse
Interventionsmaßnahmen
Interventionsmaßnahme
- Studienpopulation
¾ 4 Eliteschulen des Sports in Baden-Württemberg:
¾
¾
¾
¾
Wirtemberg-Gymnasium (Stuttgart)
Linden-Realschule (Stuttgart)
Helmholtz-Gymnasium (Heidelberg)
Johannes-Kepler-Realschule (Heidelberg)
¾ Gesamt 393 Schüler und Schülerinnen
¾ Klassenstufe 8 und 9
¾ In jeweils einer Klassenstufe (2 Klassen, Sportprofil
und Kontrollklasse) wurde interveniert, die andere
stand als Kontrollklasse zur Verfügung
Interventionsmaßnahmen
Interventionsmaßnahme
- Studienpopulation
140
120
Anzahl
100
80
60
40
20
0
Klasse 8 Intervention Klasse 9 Intervention
Klasse 8 Kontrolle
Klasse 9 Kontrolle
Interventionsmaßnahmen
Interventionsmaßnahme
- Methodik
¾ im Rahmen von 12 Schulstunden wurden Schüler und
Schülerinnen mittels geeigneter Unterrichtsmaterialien in
folgenden Themen aufgeklärt:
¾ Nahrungsergänzungsmittel
¾ Medikamente/Medikamentenmissbrauch
¾ Doping:
¾ Verbotsliste
¾ Dopingfallen
¾ Dopingkontrolle
¾ Risiken und Nebenwirkungen von Dopingsubstanzen
¾ Ethische Aspekte
Interventionsmaßnahmen
Interventionsmaßnahme
- Evaluation
¾ Einstellungs- und Wissensanalyse (anonymer
Fragebogen) vor und nach den Interventionen
¾ Fragebogen umfasste 21 Items, die anhand einer
Lickert-Skala zu beantworten waren
¾ Kontrollgruppe beantwortete gleichen Fragebogen
auch zweimal im gleichen Abstand wie
Interventionsgruppe
Interventionsmaßnahme
- Evaluationsergebnisse
Interventionsmaßnahmen
Einstellungsanalyse
• 7 der 21 Items umfassten die Einstellungsanalyse
• 3 der 7 Items zeigen signifikante Unterschiede (Frage
4, 5 und 7) in der Differenz auf
• Signifikanter Unterschied im Rahmen der kompletten
Einstellungsanalyse zwischen T1 und T2 und der
Kontroll- und Interventionsgruppe
ÖPositiver Erfolg des Unterrichts auf die Einstellung
der Schüler in Bezug auf Doping
Interventionsmaßnahme
- Evaluationsergebnisse
Interventionsmaßnahmen
Einstellungsanalyse
2,15
2,1
Mittelwert
2,05
2
Kontrollgruppe
Interventionsgruppe
1,95
1,9
1,85
1,8
vorher
nachher
Interventionsmaßnahme
- Evaluationsergebnisse
Interventionsmaßnahmen
Wissensanalyse
• 14 der 21 Items umfassten die Wissensanalyse
• 9 der 14 Items signifikante Unterschiede (Frage 8, 9,
13, 14, 15, 16, 17, 18 und 20) in der Differenz
• Hoch signifikanter Unterschied im Rahmen der
kompletten Wissensanalyse zwischen T1 und T2 und
der Kontroll- und Interventionsgruppe
ÖPositiver Erfolg des Unterrichts auf den Kenntnisstand
der Schüler in Bezug auf Doping
Interventionsmaßnahme
- Evaluationsergebnisse
Interventionsmaßnahmen
Wissensanalyse
3,7
3,6
Mittelwert
3,5
3,4
Kontrollgruppe
Interventionsgruppe
3,3
3,2
3,1
3
vorher
nachher
Interventionsmaßnahme
- Schlussfolgerungen
Interventionsmaßnahmen
Schlussfolgerung
1. Die Ergebnisse der RRT - Befragung zeigen, dass der
Konsum von Dopingsubstanzen und Drogen bereits im
Alter von 13 bis 16 Jahren ein nicht zu unterschätzendes
Problem darstellt
ÖAnti-Doping Präventionsmaßnahmen somit wichtig
2. Signifikante bzw. hoch signifikante Ergebnisse der
Einstellungs- bzw. Wissensanalyse zeigen, dass der
Unterricht ein positiver Erfolg in Bezug auf Doping bei den
Schülern und Schülerinnen war
Ösomit ist es sinnvoll, dass Präventionsmaßnahmen in
Form eines strukturierten Unterrichts anhand von
altersgerechten Unterrichtsmaterialien durchgeführt wird
3. Derzeit Erstellung von Unterrichtsmaterialien
Materialien
– www.highfive.de
Interventionsmaßnahmen
Schlussfolgerung
Materialien
– www.dsj.de
Interventionsmaßnahmen
Schlussfolgerung
Materialien
– www.dopinginfo.de
Interventionsmaßnahmen
Schlussfolgerung
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
1
Jugendliche in verschiedenen Welten – Ressourcen und Potentiale
Vortrag von Klaus Farin am 23. März 2011 bei der Jahrestagung Mobile
Jugendarbeit/Streetwork in Herrenberg-Gültstein
Eine notwendige Vorbemerkung:
Fast alles, was wir über „die Jugend“ und deren Kulturen wissen, wissen wir aus den
Medien. Medien sind aber vor allem an dem Extremen und dem Negativen interessiert. Sie
leben nun einmal davon, stets das Außergewöhnliche, Nicht-Alltägliche in den Vordergrund
zu rücken und zur Normalität zu erheben: Drei betrunkene Rechtsradikale, die „Sieg heil!“
grölend durch ein Dorf laufen, erfahren so eine bundesweite Medienresonanz; eine
Jugendgruppe, die sich monatelang aktiv gegen Rassismus und Rechtsextremismus
engagiert, ist in der Regel kaum der Lokalzeitung ein paar Zeilen wert. Die „gute Nachricht“
ist keine. Und was nicht in den Medien stattfindet, gibt es nicht. Zudem neigen
Popularmedien in Zeiten härterer Konkurrenzkämpfe um Auflagen und Einschaltquoten
dazu, ihre Themen weiter zuzuspitzen. „Keine Jugendgewalt“ oder „immer weniger“ Gewalt
ist auch kein Thema. Und so heißt es tagtäglich: „Immer mehr“ Jugendgewalt, „immer
brutaler“ die Täter. Da ist Sensation statt Information gefragt, immer schneller, immer
schriller, immer billiger. Da veröffentlicht das Kriminologische Forschungsinstitut Hannover
eine 131-seitige Studie "Jugendliche als Opfer und Täter von Gewalt" (Baier u. a. 2009),
deren Hauptfazit lautet: Jugendgewalt und Jugendkriminalität insgesamt sind in den letzten
zehn Jahren zurückgegangen. Auf acht Seiten dieser Studie behaupten sie: 3,8 Prozent der
Neuntklässler seien Mitglied in rechtsextremen Organisationen. In absolute Zahlen
umgerechnet und die Siebt-, Acht- und Zehntklässler mitberücksichtigt, bedeutete dies, dass
etwas mehr als 100.000 unter 18-Jährige in Deutschland organisierte Rechtsextreme sind –
schon ein kurzer kritischer Blick offenbart eigentlich, dass dies gar nicht sein kann (nur zum
Vergleich: Der Verfassungsschutz kommt in seinen alljährlichen Berichten konstant auf eine
Größenordnung von 2-3 Prozent dieser Zahl.). Dennoch wird dieser hanebüchene Unsinn in
den nächsten Tagen zum in der Regel unreflektierten Hauptthema der Berichterstattung über
diese Studie, der Rest ist vergessen.
Dieser kurze Exkurs zu Beginn sollte noch einmal in Erinnerung rufen, dass das, was wir
glauben, über „die Jugend“ zu wissen, nicht unbedingt der Realität entspricht, sondern der
veröffentlichten Realität, dem, was Medien aus der unendlichen Fülle täglicher Ereignisse
auf Basis ihrer eigenen subjektiven Perspektive und Interessenlage für uns vorsortieren und
auf die Agenda setzen. Medien präsentieren uns nur einen kleinen – negativen! – Ausschnitt
von „Jugend“ (zudem mit oft haarsträubend schlecht recherchierten „Fakten“, vgl. etwa Farin
2001, S. 233-256), den wir pars pro toto nehmen.
2
Dass diese Botschaft von der ewig schlimmeren Jugend auf so fruchtbaren Boden
fällt, ist allerdings kein neuer Trend: Seit Sokrates vor mehr als 2.000 Jahren heißt es über
jede Jugend, sie sei schlimmer, respektloser, konsumtrotteliger, unpolitischer, unengagierter
als die letzte – sprich: wir selbst. Dies ist jedoch mehr einer gnädigen Rosarot-Zeichnung
unserer eigenen Jugendphase geschuldet. Nehmen wir nur einmal als Beispiel die
berühmten „68er“, die nachfolgenden Generationen seitdem stets als leuchtendes Vorbild
vorgehalten werden: scheinbar eine ganze Generation auf den Barrikaden, politisiert und
engagiert, Aktivisten einer sexuellen und kulturellen Revolution. In der Realität gingen
damals nur 3-5 Prozent der Studierenden demonstrierend auf die Straße und die BRAVOCharts der Jahre 1967 bis 1970 verzeichnen als mit großem Abstand beliebtesten Künstler
der Jugend jener Jahre nicht die Rolling Stones, Jimi Hendrix oder die Doors, sondern Roy
Black.
Es waren Minderheiten, die sich damals engagierten, auch wenn es ihnen gelang,
einer ganzen Generation ihren Stempel aufzudrücken. Nicht anders ist es heute: Die
Mehrheit jeder Generation ist bieder, spießig, konsumtrottelig und unengagiert. Das ist bei
den Jungen kaum besser als bei den Alten. Es sind immer Minderheiten, die etwas bewegen
(wollen) und dabei manchmal sogar die Gesamtgesellschaft verändern.
Jugendkulturen: eine den Mainstream prägende Minderheit
Etwa 20 Prozent der Jugendlichen in Deutschland gehören aktiv und engagiert
Jugendkulturen an; sie sind also Punks, Gothics, Emos, Skinheads, Fußballfans,
Skateboarder, Jugger, Rollenspieler, Cosplayer, Jesus Freaks usw. und identifizieren sich
mit ihrer Szene. Minderheiten, sicherlich, die allerdings – am deutlichsten sichtbar im Musikund Modegeschmack – die große Mehrheit der Gleichaltrigen beeinflussen. Rund 70 Prozent
der übrigen Jugendlichen orientieren sich an Jugendkulturen. Sie gehören zwar nicht
persönlich einer Jugendkultur an, sympathisieren aber mit mindestens einer
jugendkulturellen Szene, besuchen am Wochenende entsprechende Szene-Partys, Konzerte
oder andere Events, hören bevorzugt die szene-eigene Musik, wollen sich aber nicht
verbindlich festlegen. Jeder Szene-Kern wird so von einem mehr oder weniger großen
Mitläuferschwarm umkreist, der zum Beispiel im Falle von Techno/elektronischer Musik und
HipHop mehrere Millionen Jugendliche umfassen kann. So sind die Aktiven der
Jugendkulturen wichtige opinion leader oder role models ihrer Generation.
Musik ist für fast alle Jugendlichen so ziemlich das Wichtigste auf der Welt. So ist
auch die Mehrzahl der Jugendkulturen, von denen heute die Rede ist, musikorientiert:
Techno, Heavy Metal, Punk, Gothics, Indies; auch Skinheads gäbe es nicht ohne Punk und
Reggae/Ska; selbst für die Angehörigen der Boarderszenen, eigentlich ja eine Sportkultur,
spielt Musik eine identitätsstiftende Rolle. Dabei geht es nie nur um Melodie und Rhythmus,
sondern immer auch um Geschichte, Politik, grundlegende Einstellungen zur Gesellschaft,
die nicht nur die Texte und Titel der Songs/Tracks vermitteln, sondern auch die Interviews,
Kleidermarken, nonverbalen Gesten und Rituale der KünstlerInnen. Musik ist für viele
Jugendliche, vor allem, aber nicht nur denen in Szenen, ein bedeutender Teil der
Identitätsfindung.
Der Körper als Performanceraum
„Alle Menschen sind gleich.“ Eine tolle Utopie. Doch wollen wir das wirklich? So sein wie
Nachbarin Müller und Lehrer Meier, die eigenen Eltern oder die Alpha-Männchen in Aldous
Huxleys „Schöne neue Welt“? Wohl kaum. Vor allem Jugendliche rund um die Pubertät nicht,
deren gesamtes Trachten eigentlich danach ausgerichtet ist, gerade nicht so zu sein wie alle
anderen, ihren eigenen Weg, ihre eigene Persönlichkeit zu finden. Doch was tun, wenn
Standes- und andere traditionell definierte Grenzen in der modernen, individualisierten
Mittelschichtgesellschaft nicht mehr existieren? Der Rückzug auf die letzte Bastion der
individuellen Selbstgestaltung ist angesagt: den Körper. Die bewusste Selbstinszenierung
des Körpers als Visitenkarte des eigenen Ich wird gesamtgesellschaftlich und für alle
Generationen immer wichtiger.
Jugendliche gehen naturgemäß weiter als Erwachsene – Grenzen sprengen, um
Grenzen zu erkennen, ist ihr Privileg; noch am unteren Ende der gesellschaftlichen
3
Karriereleiter stehend, ist der Körper oft ohnehin ihr einziges Mittel zur Selbstinszenierung.
Sie haben zudem vor den Erwachsenen einen einmaligen Vorsprung: Sie entsprechen in
Zeiten eines ausufernden Jugendkultes von Natur aus dem Ideal, müssen sich nicht erst
durch Styling „verjüngen“. Und sie sind körperlich fitter: Techno-Raves, Ollis auf dem
Skateboard, Black-Metal-Konzerte oder auch Hooliganismus funktionieren mit Menschen
über 30 nicht mehr so gut …
Jugendkulturen sind Körperkulturen. Für die Angehörigen der jugendkulturellen Stämme
bedeutet der Körper mehr als die naturgegebene Basis für ein oberflächliches Repertoire an
Verhaltensweisen und Kostümierungen. Für sie stellt er einen komplexen Performanceraum
dar, ein hoch differenziertes semantisches System, das der Außenwelt, so sie denn in der
Lage ist, den Code zu entschlüsseln, von den persönlichen Ideen und Träumen, vom
Selbstbewusstsein und Wissen seiner Träger erzählt.
Arroganz und Offenheit, Introvertiertheit und Kontaktfreude, Aggressivität und
sexuelle Orientierung und vieles mehr drücken sich in der Körpersprache aus: in der Haltung
der Hände und der Art des (Nicht-)Lächelns ebenso wie in der Auswahl der Tätowierungen
(ein strahlendes Clownsgesicht – kindlich-naiv oder bösartig?, eine bluttriefende Axt, ein
Peace-Zeichen, ein Kreuz – aufrecht oder auf den Kopf gestellt, ein Hakenkreuz). Der
Körperstil buhlt um Aufmerksamkeit oder will unangenehme Aufmerksamkeit von seinem
Träger ablenken, signalisieren: Ich bin nur ein harmloser, mit Sicherheit niemals aus meiner
Rolle fallender, braver Bürger.
Während Mode und die gesamte Körpergestaltung bei den „Stinos“ („Stinknormalen“)
der (erwachsenen) Mehrheitsgesellschaft vorrangig das Ziel verfolgt, sie bei einer möglichst
großen Zahl von MitbürgerInnen als attraktiv, sympathisch und anpassungsfähig erscheinen
zu lassen, verfolgt der Körperstil der jugendlichen Szene-Angehörigen das gegenteilige Ziel:
Er soll ihnen Respekt und Attraktivität innerhalb des eigenen Stammes verleihen, den
langweiligen, spießigen Rest der Welt jedoch verschreckt auf Distanz halten.
Dabei hat jede Jugendkultur ihre eigene Weise entwickelt, dieses Ziel zu erreichen,
ihre Szene-Identität in Körpersprache zu übersetzen. Da fast alle Jugendkulturen männlich
dominiert sind, wird in diesem Zusammenhang die hohe Bedeutung des Geschlechtes
offensichtlich.
Körper und Geschlecht
Männer des 21. Jahrhunderts haben es wirklich schwer. Das einzige, was sie Zehntausende
von Jahren über die Frauen gestellt hat – ihre Körperkraft – ist nicht mehr gefragt. In Zeiten,
in denen die Mehrzahl aller Jobs von computergesteuerten Maschinen erledigt werden und
zwei Drittel aller Arbeitnehmer in „Weiße-Kragen”-Branchen beschäftigt sind, wird der „kleine
Unterschied” bedeutungslos. Selbst die letzten Bastionen der Männlichkeit – Bundeskanzler,
Militär, Polizei und Fußball – sind gefallen.
Das Gesellschaftssystem, in dem wir leben, bietet einem Großteil der Männer einen
adäquaten Ersatz für die unnütz gewordene Körperkraft: Macht. Doch nicht alle können
daran partizipieren. Die Machtlosen haben verschiedene Möglichkeiten, die Gefährdung ihrer
Männerrolle (Ernährer, Beschützer) zu kompensieren. Eine Variante ist die demonstrative
Inszenierung von Männlichkeit. Gewalt, aber auch andere risikobehaftete Lebensweisen,
zum Beispiel der Besitz/Diebstahl eines PKWs, extrem gefährliches Fahren, exzessiver
Alkohol- und anderer Rauschmittelkonsum, sind „Beweise” für Männlichkeit. Je knapper die
ökonomischen, sozialen und Bildungsressourcen, desto mehr reduziert sich die Installation
von Männlichkeit auf Risiko- und Kampfbereitschaft, Gewalt- und andere Kriminalität – auf
den Einsatz und die Inszenierung des eigenen Körpers.
Hooligans, Extremsport, U-Bahn-Surfen, Migranten- und Neonazi-Gangs sind so
gesehen hinter den Kulissen verschiedene Facetten des immergleichen Bildes: Rituale zur
Inszenierung traditioneller Männlichkeit, Formen des männlichen Körpererlebens. So sind
etwa
„Hooliganschlachten“
weniger
ernsthafte,
auf
Feindbildern
beruhende
Gewalthandlungen, sondern im Kern ritualisierte Schaukämpfe. Hier versuchen männliche
Großstadtjugendliche auf traditionelle Art, Körpergrenzen zu sprengen, das Ende ihrer
Jugendphase hinauszuzögern.
4
Der Kick des Risikos
Den Körper herauszufordern, „zu spüren, dass man noch lebt“, ist eine der spannendsten
Herausforderungen in einer großstädtischen, bürokratisierten Welt, in der man gegen alles
präventiv versichert scheint und reale Risiken scheinbar nicht mehr existieren. So
inszenieren Jugendliche sich den notwendigen Kick eben selbst: „Ich brauche immer einen
Kick. Jeder Jugendliche hat das. Das gehört zum Leben dazu. Ein Kick ist gefährlich, etwas
Heimliches oder Verbotenes. Das Herz muss einem in die Hose rutschen, man fängt an zu
zittern oder kriegt Schweißausbrüche oder das Herz fängt an total zu klopfen, der Puls ist auf
500. Lebensgefährlich muss es sein. Ich muss wissen, dass da irgendwas passieren kann.
Aber trotzdem muss ich auch wissen, dass das sicher ist, dass da nix so schlimm ist, dass
es tödlich enden kann oder dass das meinen Rest des Lebens verändert. Wenn Jugendliche
keinen Kick haben, kosten sie ihr Leben gar nicht aus. Was sollen sie denn später
erzählen?” (Julia, 15, in: Tuckermann/Becker, S. 9f.) Aufregend soll es sein, aber letztendlich
doch eine Inszenierung wie beim Bungeejumping, ein (Rollen-)Spiel, das es (pubertierenden)
Jugendlichen ermöglicht, wenigstens für einen kurzen Moment aus der für sie vorgesehenen
Rolle zu fallen, nicht mehr Kind, sondern Vamp, nicht mehr brave Schülerin, sondern „bitch“
oder „Schlampe“ zu sein. Die 13-Jährige mit dem „Schlampe“-T-Shirt oder dem
bauchnabelfreien Top oder dem "Bill fick mich"-(darunter ihre Handy-Nummer)-Transparent
beim Tokio-Hotel-Konzert signalisiert scheinbar sexuelle Verruchtheit und will in der Realität
eher kuscheln und reden. Doch mit dem trotzigen (sexualisierten) Outfit hält sie sich die
Utopie offen, eines Tages doch Vamp statt treu sorgende Hausfrau, Popstar wie Madonna
oder Lady GaGa statt Arzthelferin zu werden – zumindest für eine kurze, aufregende Saison.
Die Explosion der Stile und Zeichen
Jugendkulturen erwecken heute bei den meisten Menschen – übrigens oft auch bei
Jugendlichen selbst – einen sehr diffusen Eindruck: Scheinbar gibt es davon immer mehr, in
immer schnelleren Intervallen, in immer schrilleren Präsentationsformen. Sicherlich ist es
richtig, dass heute im Vergleich zu den 50er, 60er, 70er Jahren sehr viele Jugendkulturen
existieren, deren Angehörige zudem nicht mehr leicht einzuordnen sind. Gab es zu meiner
Jugendzeit – ich bin Jahrgang 1958 – eigentlich nur die Mofa-Cliquen, die Fußball-Fans, die
Hardrock/Heavy-Metal-Fans, uns Langhaarige und die Spießer von der Jungen Union, und
jeder hat sein Gegenüber gleich beim Äußeren erkannt und einordnen können, so existieren
heute einige hundert Stilvariationen und Untergruppen – da gibt es nicht den Heavy-MetalFan, sondern den Black Metaller und den Thrash Metaller und den New-Wave-of-BritishHeavy-Metal-Fan und eben auch noch die Traditionalisten von der Deep-Purple-Fraktion
usw., nicht den Techno-Fan, sondern rund ein Dutzend Techno-Spielarten von Gabber bis
Goa. Und deren Angehörige erfüllen zudem nicht immer unsere visuellen Erwartungen und
Vorurteile: Da ist der Popper mit dem Silberköfferchen in Wirklichkeit ein anarchistischer
Computerhacker, der rassistische Neonazi kommt langzottelig und im Style von Lemmy von
Motörhead daher. Die zentrale Botschaft heutiger Jugendkulturen scheint zu sein: Wenn du
glaubst, mich mit einem Blick einschätzen zu können, täuscht du dich gewaltig. Oder
andersherum: Wer wissen möchte, was sich hinter dem bunten oder auch schwarzen Outfit
verbirgt, muss schlicht mit dem Objekt der Begierde reden.
Die Vielfalt der gegenwärtigen Jugendkulturen entsteht zum einen dadurch, dass nichts mehr
verschwindet: Fast alle Jugendkulturen, die es jemals gab, ob Swing Kids oder Rock'n'Roller,
Hippies oder Mods, existieren heute noch: Sie sind vielleicht nicht mehr so groß, so
bedeutend, so medienwirksam wie zur Zeit ihrer Geburt, aber sie leben.
Wenn man sich die großen Szenen der Gegenwart ansieht, stellt man schnell fest,
dass mitnichten alljährlich neue bedeutende Jugendkulturen entstehen. Die größte
Jugendkultur der 90er Jahre war ohne Zweifel Techno. Bis zu fünf Millionen – jede/r vierte
Unter-Dreißigjährige – identifizierte sich seinerzeit mit dieser elektronischen Musik-PartyKultur. Doch Techno entstand bereits 1988/89 und hat Vorläufer (z. B. House), die weitere
zehn Jahre zurückreichen. Heute ist HipHop – Oberbegriff für Graffiti, Tanz (Breakdance
bzw. B-Boying/-Girling) und die Musik: Rap/MCs, DJing – weltweit die mit Abstand größte
5
Jugendkultur. Mit keinem anderen Musikgenre wird so viel Umsatz bei UnterZwanzigjährigen gemacht, in jeder Stadt in Deutschland – sei sie noch so klein – existieren
HipHop-Kids. Doch auch HipHop ist keine Erfindung der späten 90er Jahre, sondern bereits
Anfang der 70er Jahre in der Bronx/New York geboren worden. Bereits 1979 erschien auch
auf dem deutschen Markt die erste HipHop-Single „Rapper’s Delight“ von der Sugarhill
Gang. Punk – eine weitere der historisch bedeutenden „Stammkulturen“ (nicht von der
Menge her: Punk ist ein Minderheitenphänomen mit wenigen hunderttausend SzeneAngehörigen, aber von der Kreativität und dem Einfluss auf andere Szenen her) – entstand
1975/76. Die Skateboarder lassen sich bis auf die Surfer der 50er/60er Jahre zurückführen
(Beach Boys!), und auch die ersten wirklichen Skateboards tauchten in Kalifornien bereits
Ende der 50er Jahre auf, das erste fabrikgefertigte Skateboard kam 1963 auf den (US)Markt. Gothics – früher auch Grufties, Dark Waver, New Romantics etc. genannt – erlebten
ihre Geburt bereits um 1980/81 als Stilvariante des Punk: eine introvertierte, melancholische
neue Blüte, geprägt vor allem von Jugendlichen mit bildungsbürgerlichem familiären
Hintergrund, denen Punk zu „aggressiv“ und zu „prollig“ war. Die ersten Emos, eine
scheinbar neue Jugendkultur des 21. Jahrhunderts, wurden in Wahrheit schon Mitte der 80er
Jahre als musikalisch "melodiösere", ich-bezogenere (EMOtional) Abspaltung der HardcoreSzene gesichtet (Kultbands: Rites of Spring, Fugazi etc.). Das typische Kennzeichen
heutiger Jugendkulturen scheint zu sein, dass sie alt sind.
Dass dies nicht jedem sofort auffällt, liegt an einem Stilprinzip, das sich seit den 90er Jahren
als dominant herausgebildet hat: Crossover. Der ständige Stilmix, die Freude an der
"Bricolage" (Claude Lévi-Strauss), dem Sampling eigentlich unpassender Stilelemente zu
immer neuen, bunteren (oder eben düsteren) Neuschöpfungen. Dies gilt sowohl für die Mode
als auch für die Musik: Aus Punk und Heavy Metal entstehen Hardcore und Grunge, Punk
und Techno gemischt ergibt Prodigy, Body Count vereint HipHop und Heavy Metal, der
Musiktherapeut Guildo Horn macht mit nur einem Schuss Ironie aus spießiger
Schlagermusik Jugendkultpartys.
Man kann sich Jugendkulturen bildlich wie ein Meer vorstellen: Es regnet selten neue
Jugendkulturen, aber innerhalb des Meeres mischt sich alles unaufhörlich miteinander.
Immer wieder erfasst eine große (Medien-)Welle eine Jugendkultur, die dann für eine kurze
Zeit alle anderen zu dominieren scheint wie Techno in den Neunzigern und derzeit (noch)
HipHop. Doch die Küste naht und auch die größte Welle zerschellt. Das Wasser verdampft
dabei jedoch nicht, sondern es fließt wieder ins offene Meer zurück – zersprengt in viele
kleine Jugendkulturen, artverwandt und doch verschieden.
Diese ständige Vermischung hat insgesamt die Grenzen zwischen den Szenen seit
den 90er Jahren deutlich offener gestaltet. Selbstverständlich ist jeder Szene-Angehörige
immer noch zutiefst davon überzeugt, der einzig wahren Jugendkultur anzugehören
(Arroganz ist seit jeher ein wichtiges Stilmittel von Jugendkulturen), doch die Realität zeigt:
Kaum jemand verbleibt zwischen dem 13. und 20. Lebensjahr in einer einzigen Jugendkultur;
typisch ist der regelmäßige Wechsel: Heute Punk, in der nächsten Saison Gothic, ein Jahr
später vielleicht Skinhead oder Skateboarder. Oder gleich Punk und Jesus Freak,
Skateboarder und HipHopper etc. Oder: An diesem Wochenende Gothic, am nächsten BritPopper, der Montag gehört der Liebsten, am Mittwoch geht's ins Fitnessstudio, am Freitag
zur THW-Jugend. Oder auch zur Jungen Gemeinde. Für eine wachsende Gruppe der
Jüngeren ist eine Identität, eine Rolle zu wenig. Ambivalenz und Flexibilität sind die
Lebensprinzipien immer mehr jüngerer Menschen, nicht Heimatverbundenheit und eine
starre Identität. Was der (Arbeits-)Markt ihnen zwangsweise lehrt, pflanzt sich in den
selbstbestimmten Freizeitwelten fort.
Zwischen Rebellion und Markt
Wo Jugendkulturen sind, ist die Industrie nicht fern. Denn so unterschiedlich all diese
Szenen auch sein mögen, sie haben eins gemeinsam: Jugendkulturen sind grundsätzlich vor
allem Konsumkulturen. Sie wollen nicht die gleichen Produkte konsumieren wie der Rest der
Welt, sondern sich gerade durch die Art und Weise ihres Konsums von dieser abgrenzen;
6
doch der Konsum vor allem von Musik, Mode, Events ist ein zentrales Definitions- und
Identifikationsmerkmal von Jugendkulturen.
Will man ein neues Produkt auf dem Markt platzieren, muss es zunächst einmal
auffallen. Spektakulär daherkommen. Es muss scheinbar noch nie Dagewesenes
präsentieren. Das bedeutet, so paradox es auch klingen mag: Je rebellischer eine
Jugendkultur ausgerichtet ist, desto besser lässt sie sich vermarkten. Nicht die Partei- oder
Verbandsjugend, nicht der Kirchenchor oder der Schützenverein, sondern Punks und
Gothics, Skateboarder und HipHopper, Emos und Cosplayer sind die wahren Jungbrunnen
für die Industrie. Denn schließlich lässt sich nur das Neue verkaufen, nicht die Hosen und
CDs von gestern. „Konservative“ Jugendliche, die sich aktuellen Trends verweigern, die kein
Interesse daran haben, sich von den Alten abzugrenzen, die nicht stets die neue Mode
suchen, sondern gerne mit Vati Miles Davis oder die Stones hören, mit Mutti auf der
Wohnzimmercouch bei der ARD in der letzten Reihe sitzen, statt im eigenen Zimmer ihre
eigenen Geräte und Programme zu installieren, und bereitwillig die Hosen des großen
Bruders auftragen, statt sich vierteljährlich mit den jeweils neuen Kreationen einzudecken,
sind der Tod der jugendorientierten Industrie.
Vielleicht ist dies einer der deutlichsten Generationenbrüche: Jugendliche haben mit großer
Mehrheit ein positives Verhältnis zum Markt, sie lieben die moralfreie Kommerzialisierung
ihrer Welt. Sie wissen: Ohne die Industrie keine Musik, keine Partys, keine Mode, keinen
Spaß. Sie fühlen sich – anders als von ihrer üblichen erwachsenen Umgebung – zu Recht
von der Industrie geliebt und respektiert. Schließlich gibt diese Milliarden Euro jährlich aus,
nur um sie zu umwerben, ihre Wünsche herauszufinden und entsprechende Produkte auf
den Markt zu bringen.
Selbstverständlich verläuft der Prozess der Kommerzialisierung einer Jugendkultur
nicht, ohne Spuren in dieser Jugendkultur zu hinterlassen und sie gravierend zu verändern.
Die Verwandlung einer kleinen Subkultur in eine massenkompatible Mode bedingt eine
Entpolitisierung dieser Kultur, eine Verallgemeinerung und damit Verdünnung ihrer zentralen
Messages: So mündete der „White Riot“ (The Clash) der britischen Vorstadtpunks in der
neugewellten ZDF-Hitparade; HipHop, ursprünglich eine Partykultur afro- und
latinoamerikanischer Ghettojugendlicher gegen den weißen Rassismus, mutierte zu einem
Musik-, Mode- und Tanzstil für jedermann; aus dem illegalen, antikommerziellen
Partyvergnügen der ersten Techno-Generation wurde ein hochpreisiges Disco-Eventangebot
etc.
Die Industrie – Nike, Picaldi, Sony, MTV und wie sie alle heißen – erfindet keine
Jugendkulturen. Das müssen immer noch Jugendliche selbst machen, indem sie eines
Tages beginnen, manchmal unbewusst, sich von anderen Gleichaltrigen abzugrenzen,
indem sie etwa die Musik leicht beschleunigen, die Baseballkappe mit dem Schirm nach
hinten tragen oder nur noch weiße Schnürsenkel benutzen – „Wir sind anders als ihr!" lautet
die Botschaft, und das wollen sie natürlich auch zeigen. Das bekommen nach und nach
andere Jugendliche mit, oft über erste Medienberichte, manche finden es cool und machen
es nach. Eine „Szene“ entsteht. Die nun verstärkt einsetzenden Medienberichte
schubladisieren die neue Jugendkultur, machen Unerklärliches ein Stück weit erklärlicher,
heben zu stigmatisierende und/oder vermarktbare Facetten hervor, definieren die
Jugendkultur (um) und beschleunigen den Verbreitungsprozess. Ab einer gewissen
Größenordnung denkt auch die übrige Industrie – allen voran die Mode- und die
Musikindustrie – darüber nach, ob sich diese neue Geschichte nicht irgendwie kommerziell
ausbeuten lässt. Aus einer verrückten Idee wurde eine Subkultur, wird nun eine Mode, ein
Trend.
artificial tribes
Jugendkulturen sind also teuer, zeitintensiv und mitunter extrem anstrengend. SzeneAngehörige müssen ständig auf dem Laufenden sein über die neuen „Hits" und Moden ihrer
Kultur, regelmäßig „präsent" sein, nicht nur bei den wichtigen Highlights wie die normalen
Konsumenten; sie müssen zu Beginn oft eine eigene Sprache aus Worten, Gesten, Ritualen
7
und äußeren Kennzeichen lernen, deren Grammatik und Vokabular nirgendwo schriftlich
fixiert ist, aber doch genau eingehalten werden muss, um mit den anderen Eingeweihten
adäquat kommunizieren zu können und nicht gleich als uninformierter Mitläufer dazustehen.
Warum eigentlich die ganze Mühe, was macht Jugendkulturen für Jugendliche so attraktiv?
Jugendkulturen ordnen die nicht nur von Jugendlichen als immer chaotischer empfundene
Welt. Sie sind Beziehungsnetzwerke, bieten Jugendlichen eine soziale Heimat, eine
Gemeinschaft der Gleichen. Wenn eine Gothic-Frau aus München durch Hamburg oder
Rostock läuft und dort einen anderen Gothic trifft, wissen die beiden enorm viel über sich.
Sie (er)kennen die Musik-, Mode-, politischen und eventuell sexuellen Vorlieben des
anderen, haben mit Sicherheit eine Reihe derselben Bücher gelesen, teilen ähnliche
ästhetische Vorstellungen, wissen, wie der andere zum Beispiel über Gewalt, Gott, den Tod
und Neonazis denkt. Und falls die Gothic-Frau aus München eine Übernachtungsmöglichkeit
in Hamburg oder Rostock sucht, kann sie mit hoher Sicherheit davon ausgehen, dass ihr der
andere weiterhilft, selbst wenn die beiden sich nie zuvor gesehen haben. Jugendkulturen
sind artificial tribes, künstliche Stämme und Solidargemeinschaften, deren Angehörige
einander häufig bereits am Äußeren erkennen (und ebenso natürlich ihre Gegner). Sie füllen
als Sozialisationsinstanzen das Vakuum an Normen, Regeln und Moralvorräten aus, das die
zunehmend unverbindlichere, entgrenzte und individualisierte Gesamtgesellschaft
hinterlässt.
Und: Jugendkulturen sind trotz aller Kommerzialisierung zumindest für die
Kernszene-Angehörigen vor allem eine attraktive Möglichkeit des eigenen kreativen
Engagements. Denn weil die Kommerzialisierung ihrer Freizeitwelten auch negative Folgen
hat und die Popularisierung ihrer Szenen ein wichtiges Motiv der Zugehörigkeit zu eben
diesen Szenen aushebelt – nämlich die Möglichkeit, sich abzugrenzen –, schafft sich die
Industrie automatisch eine eigene Opposition, die sich über den Grad ihrer Distanz zum
kommerziellen Angebot definieren: Wenn alle bestimmte Kultmarken tragen, trage ich eben
nur No-Name-Produkte. Sag mir, welche Bands auf MTViva laufen, und ich weiß, welche
Bands ich garantiert nicht mag.
Wer wirklich dazugehören will, muss selbst auf dem Skateboard fahren, nicht nur die
„richtige“ teure Streetwear tragen, selbst Graffiti sprühen, nicht nur cool darüber reden, selbst
Musik machen, nicht nur hören, usw. Es sind schließlich die Jugendlichen selbst, die die
Szenen am Leben erhalten. – Auch hier sind es wieder Minderheiten, doch diese gehören oft
zu den Kreativsten ihrer Generation. Sie organisieren die Partys und andere Events, sie
produzieren und vertreiben die Musik, sie geben derzeit in Deutschland (trotz der
zunehmenden Bedeutung des Internets immer noch) mehrere tausend szene-eigene, nichtkommerzielle Zeitschriften – sog. Fanzines – mit einer Gesamtauflage von mehr als einer
Million Exemplaren jährlich heraus. Für sie sind Jugendkulturen Orte der Kreativität und der
Anerkennung, die sie nicht durch Geburt, Hautfarbe, Reichtum der Eltern etc. erhalten,
sondern sich ausschließlich durch eigenes, freiwilliges, selbstbestimmtes und in der Regel
ehrenamtliches Engagement verdienen.
Noch nie waren so viele Jugendliche kreativ engagiert wie heute – in jeder Stadt in
Deutschland gibt es heute RapperInnen, B-Boys und -Girls, SprayerInnen und DJs.
Tausende von Jugendlichen produzieren Woche für Woche an ihren PCs Sounds – der
einzige Lohn, den sie dafür erwarten und bekommen, ist Respekt. Noch nie gab es so viele
junge Punk-, Hardcore-, Metal-Bands wie heute. Das Web 2.0 ist nicht nur ein Ort der
Jugendgefährdung, sondern auch ein Tummelplatz enormer jugendkultureller Aktivitäten, mit
denen bereits 14-, 15-, 16-Jährige eine Medienkompetenz zeigen und sich erwerben, über
die manch hauptberuflicher Jugendschützer nicht ansatzweise verfügt. Auch die
Sportszenen jenseits der traditionellen Vereine – von den Boarderszenen über Parcours bis
zu den Juggern – boomen.
Doch noch nie war die Erwachsenenwelt derart desinteressiert an der Kreativität ihrer
„Kinder". Respekt ist nicht zufällig ein Schlüsselwort fast aller Jugendkulturen. Respekt,
Anerkennung ist das, was Jugendliche am meisten vermissen, vor allem von Seiten der
Erwachsenen. Viele Erwachsene, klagen Jugendliche, sehen Respekt offenbar als
8
Einbahnstraße an. Sie verlangen von Jugendlichen, was sie selbst nicht zu gewähren bereit
sind, und beharren eisern auf ihre Definitionshoheit, was anerkennungswürdig sei und was
nicht: Gute Leistungen in der Schule werden belohnt, dass der eigene Sohn aber auch ein
exzellenter Hardcore-Gitarrist ist, die Tochter eine vielbesuchte Emo-Homepage gestaltet,
interessiert zumeist nicht – es sei denn, um es zu problematisieren: Bleibt da eigentlich noch
genug Zeit für die Schule? Musst du immer so extrem herumlaufen, deine Lehrer finden das
bestimmt nicht gut ...
Dabei weiß jeder gute Lehrer/jede gute Lehrerin, welche SchülerInnen am meisten
Stress verursachen: die Gleichgültigen, die, die sich für gar nichts interessieren, die keine
Leidenschaft kennen, für nichts zu motivieren sind. Schule braucht heute nicht nur motivierte
LehrerInnen, sondern auch engagierte, kreative, selbstbewusste SchülerInnen. Leider haben
immer noch sehr, sehr viele Jugendliche wenig Anlass und Chancen, Selbstbewusstsein zu
erwerben. Viele fühlen sich schon mit 13, 14 Jahren "überflüssig" in dieser Gesellschaft. Und
die Schule ist offenbar oft nicht in der Lage bzw. willens, da gegenzusteuern. Sie hat es bis
heute strukturell nicht verstanden, eine Anerkennungskultur zu entwickeln, die SchülerInnen
für gute Leistungen belohnt statt für Versagen bestraft und herabwürdigt. Deshalb werden
Jugendkulturen immer wichtiger: Hier können Jugendliche einmal selbst erfahren, dass in
ihnen noch etwas steckt, dass sie kreative Fähigkeiten haben, die ihnen ihre Umwelt selten
zutraut – bis sie sich selbst auch nichts mehr zutrauen.
Literatur:
Baier, D./Pfeiffer, C./Simonson, J./Rabold, S. (2009): Jugendliche in Deutschland als Opfer
und Täter von Gewalt : Erster Forschungsbericht zum gemeinsamen Forschungsprojekt des
Bundesministeriums des Innern und des KFN (KFN-Forschungsbericht; Nr.: 107). Hannover:
KFN; http://www.kfn.de/versions/kfn/assets/fb107.pdf.
Farin, Klaus (2001): „Die mit den roten Schnürsenkeln …" Skinheads in der
Presseberichterstattung; in: Farin, Klaus (Hrsg.): Die Skins. Mythos und Realität. Bad Tölz:
Thomas Tilsner.
Farin, Klaus (2011): Jugendkulturen in Deutschland. Bonn: Bundeszentrale für politische
Bildung, Reihe ZeitBilder.
Farin, Klaus (2008): Über die Jugend und andere Krankheiten. Essays und Reden 19942008. Berlin: Archiv der Jugendkulturen.
Tuckermann, Anja/Becker, Nikolaus (1999): Horror oder Heimat? Jugendliche in BerlinHellersdorf. Bad Tölz/Berlin: Thomas Tilsner/Archiv der Jugendkulturen.
Wickenhäuser, Ruben Philipp (2010): jugger. Der Sport aus der Endzeit. Berlin: Archiv der
Jugendkulturen.
www.jugendkulturen.de
www.jugendszenen.com
Klaus Farin, geb. 1958; Fachautor, Dozent, Initiator und langjähriger Leiter des Berliner
Archiv
der
Jugendkulturen
e.V.1,
Fidicinstraße
3,
10965
Berlin.
[email protected]
1
Das Berliner Archiv der Jugendkulturen e.V. (www.jugendkulturen.de) sammelt – als einzige
Einrichtung dieser Art in Europa – authentische Zeugnisse aus den Jugendkulturen selbst, aber auch
wissenschaftliche Arbeiten, Medienberichte etc., und stellt diese der Öffentlichkeit in seiner
Präsenzbibliothek kostenfrei zur Verfügung. Darüber hinaus betreibt das Archiv der Jugendkulturen
eine umfangreiche Jugendforschung, berät Kommunen, Institutionen, Vereine etc., bietet im Rahmen
des Projektes www.culture-on-the-road.de bundesweit Schulprojekttage und Fortbildungen für
Erwachsene an und publiziert eine eigene Buchreihe mit ca. sechs Titeln jährlich.
Impressionen
vom Markt der Möglichkeiten
Workshop 1
Brücken zur „Parallelwelt Politik“ bauen:
Politikberatung durch Mobile Jugendarbeit
Impulsreferat
Patrick Differt, Mobile Jugendberatung Metzingen, Hilfe zur Selbsthilfe e.V.
Moderation und Dokumentation
Matthias Reuting, Diakonisches Werk Württemberg
1 Ausgangssituation
Der Workshop knüpfte an das Schwerpunktthema der Jahrestagung 2010 an: Prof. Dr.
Günter Rieger (Duale Hochschule BW Stuttgart) hatte im Hauptvortrag „Politisierung als
professionelle Herausforderung in der Mobilen Jugendarbeit“ beschrieben und dabei
insbesondere Soziallobbying, Politikberatung und politische Bildung als Möglichkeiten
herausgearbeitet
(Präsentation
zum
Vortrag
unter
www.lagmobil.de/cms/uploads/dokus/rieger_politisierung_als_professionelle_herausforderung.pdf).
Politikberatung kann dabei als Tauschgeschäft verstanden werden, bei dem Mobile
Jugendarbeit Expertise, Legitimation und Umsetzung im Tausch gegen Information,
Entscheidung und Ressourcen bietet. Durch Politikberatung können die Interessen der
AdressatInnen vertreten und ihre politische Beteiligung gefördert werden. Gleichzeitig ist sie
mit Risiken verbunden, „verwickelt“ zu werden auf Kosten der parteilichen Haltung für die
AdressatInnen.
Als Themen, für die Adressat/innen der Mobilen Jugendarbeit bedarf an Unterstützung durch
Soziallobbying deutlich machen, wurden von den Workshop-Teilnehmer/innen beispielhaft
benannt:
2 Soziallobbying für Adressat/innen der MJA durch Politikberatung –
Erfahrungen aus der Praxis (Impulsreferat von Patrick Differt)
2.1 Kommunale Politikberatung: Akteure und Aufgaben
Wer sind die Akteure?
- Bürger
- Landkreis
- Gemeinderat
- Stadtverwaltung
- Schule
- Klientel
- Polizei/Justiz
- Netzwerk AK Praktiker
- AK Kinder- und Jugendhilfe
- Presse
Mobile Jugendarbeit ist Spezialist für Anliegen der Kommune bezüglich
- jugendspezifischen Themen
- Umgang mit dem Klientel
- Lebenswelt Jugendlicher
Mobile Jugendarbeit kann Übersetzer sein (= Alleinstellungsmerkmal):
Jugendliche ↔ Kommune
Kommune ↔ Jugendliche
Dimensionen von Politikberatung durch Mobile Jugendarbeit
- Vertretung und Durchsetzung der Interessen unserer Klientel auf kommunaler Ebene
als eigener Anspruch bei der Politikberatung
- Konzeptionelle Beratung bei der Umsetzung und Durchführung von Angeboten und
Projekten der Kommune
- Einbringen der jugendspezifischen Themen bei der Stadtentwicklung
2.2 Politikberatung – ein konfliktträchtiges Feld
Häufig ringt MJA gleichzeitig um Anerkennung ihrer Kompetenz
Gefahr der Übertragung von Konflikten unserer Klientel auf uns. Parteilichkeit
- als Problem der Vermittlung dieses Begriffs
- Ablehnung einer parteilichen Haltung beim Gegenüber
Unsere Klientel hat häufig Konflikte mit verschiedensten Akteuren in der Kommune:
- mit der Schule
- mit der Polizei
- mit der Verwaltung…
2.3 Strategien kommunaler Politikberatung
Ausgangsbasis: Klientel
- ist isoliert in der Kommune
- wird negativ wahrgenommen
Æ Gefahr der Isolierung der MJA im Konflikt (vor allem bei Vertretung der Interessen der
Klientel)
Gegenmittel: Netzwerkarbeit:
- formelle Ebene
- informelle Ebene
„Kannst Du Deine Gegner nicht besiegen, mache sie zu Deinen Freunden.“
2.4 Öffentlichkeitsarbeit/Pressearbeit
Formen und Inhalte:
- Darstellung der Arbeit
- Probleme immer „diplomatisch sehen“
- Projektarbeit mit Klientel, Einbindung der Bürger
- Aktionen im Gemeinwesen
Æ Folgen von Skandalisierungen beachten
Æ Gesamtwahrnehmung der Akteure beachten (Empfindlichkeiten der Kommunalpolitik,
Instrumentalisierung vermeiden)
2.5 Netzwerkarbeit
Möglichkeiten und Anforderungen:
- Kooperationsvereinbarungen
- Konflikte offen ansprechen und entpersönlichen, d.h. Sachebene suchen
- Polizei immer formell einbinden
- Gesichtswahrung aller Beteiligten beachten
- Sorgfältig entscheiden, in welchem Rahmen etwas thematisiert wird: unter vier
Augen? Im Netzwerk?
- Berührungspunkte suchen
- Sich (vorher) versichern, wie es andere sehen
- Bündnispartner suchen (Smalltalk nutzen)
- „informelles Netzwerk“ aufbauen und nutzen
Anforderungen:
Æ immer Lösungsvorschläge parat haben; sorgfältig entscheiden, wann sie im
informellen Netzwerk diskutiert werden; es müssen „eigene Lösungen“ bleiben.
Æ Partner zur Umsetzung suchen (eigentliche Beratung)
Æ Dinge, die schief gehen, nicht wegreden (Æ Glaubwürdigkeitsverlust)
3 Möglichkeiten und Handlungsempfehlungen für Politikberatung durch MJA
Ergebnisse der Diskussion
Herausforderungen in der Politikberatung durch Mobile Jugendarbeit:
Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, wie Mobile Jugendarbeit Soziallobbying für
ihre AdressatInnen durch Politikberatung effektiv leisten und dabei „Verwicklungsfallen“
umgehen kann. Thematisiert wurden dabei insbesondere
- unterschiedliche kommunalpolitische Rahmenbedingungen wie auch besondere
Anforderungen im städtischen und ländlichen Raum,
- das Spannungsfeld, gleichzeitig Lobbyarbeit für die Interessen der Zielgruppen und
für die eigene Arbeit leisten zu müssen,
- sinnvolle Rollenverteilungen auf verschiedenen Trägerebenen.
Als Handlungsempfehlungen für die Praxis wurden herausgearbeitet:
¾ Isolierung vermeiden – Netzwerke aufbauen, pflegen und nutzen
¾ spezifische Potenziale im ländlichen Raum nutzen (z.B. „kurze Wege“ in Politik und
Verwaltung)
¾ verschiedenste Jugendbeteiligungsformen nutzen
¾ konkrete Lebensverhältnisse in den Vordergrund rücken
¾ „gute Chemie“ zu Schlüsselpersonen nutzen
¾ deutlich machen, dass es um „unsere Jugend“ geht
¾ Grenzen akzeptieren, sich nicht verbiegen
¾ echte Formen der Anerkennung für Jugendliche und ihre Interessen einfordern
¾ Geduld und Standing bewahren
¾ selbstbewusst ins Tauschgeschäft gehen: Wir haben etwas anzubieten!
LAG MJA/Streetwork-Jahrestagung 2011
Workshop 2:
Parallelwelt ”Internet”
Zur Faszination und Selbstdarstellung im
Web 2.0 und im Computerspiel
Referentinnen:
Esther Wiechers &
Christiane Bollig
Moderation:
Achim Spannagel
Gliederung des Workshops
●
●
Social Web
–
Unterwegs im Social Web
–
WER nutzt Soziale Netzwerke? (Zielgruppen)
–
WIE stellen sich Nutzer/Innen dar? (Inszenierung)
–
Zur Faszination der Präsentation
Computerspiele
–
Zur Nutzung von PC-Spielen
–
Formen und Gengres von Spielen
–
Chancen und Risiken
–
Zur Faszination der Spielewelten
Zur Selbstdarstellung in der
„Social Media Landscape“
Fahrplan
1. Unterwegs im Social Web
–
WAS meint Social Media?
–
WER nutzt Soziale Netzwerke? (Zielgruppen)
–
WIE stellen sich Nutzer/Innen dar?
(Inszenierung)
2. Zur Faszination der Präsentation
–
Motive und Ursachen
–
Chancen und Risiken
1. Unterwegs im Social Web
Unterwegs im Social Web ...
●
Was meint Social Media im Web?
Social Media ist ein Schlagwort bzw. ein
Überbegriff, unter dem Soziale Netzwerke und
Netzgemeinschaften verstanden werden, die
als Plattform zum gegenseitigen Austausch von
Meinungen, Eindrücken und Erfahrungen
(sowie von Informationen) dienen.
Unterwegs im Social Web ...
●
Darunter versteht man Anwendungen, wie
–
Foren
–
Weblogs
–
Micro Blogs (Twitter)
–
Soziale Netzwerke (Facebook)
–
Wikis (Wikipedia)
–
Auskunftsportale (GuteFrage.net)
–
Social Bookmark-Portale (Delicious)
–
Photo-/Video-/Musik-Sharing-Portale (Youtube)
Unterwegs im Social Web ...
●
Was bietet das Social Web?
Passiv nutzen oder aktiv mitgestalten:
Unterhaltung (Musik, Film und vieles mehr)
Information und Wissen
Kommunikation und Interaktion
Spiele
Unterwegs im Social Web ...
●
Wer hat einen Internetzugang?
Nahezu alle Jugendlichen (98%) leben in
Haushalten, die einen Internetzugang haben 52% haben einen eigenen Internetzugang (2011)
●
Wer nutzt das Internet?
Die meisten Jugendlichen, die einen
Internetzugang haben, nutzen diesen auch
täglich/mehrfach die Woche.
Bei Jugendlichen (zwischen 12-14 und 19 Jahren)
erfolgt die Internet-Nutzung relativ unabhängig von
Alter, Geschlecht, Bildungshintergrund, kultureller
Prägung und sozialer Herkunft.
Sinus-Milieus 2007: 14-19 Jährigen – Medienverhalten Online
Die Angaben in % stehen
für den Anteil der Internet-Nutzer
in dem jeweiligen Milieu.
84,2%
84,8%
69,5%
66,0%
86,5%
82,5%
66,4%
Unterwegs im Social Web ...
Quelle:
JIM-Studie 2010
Angaben in %
Basis: Internet-Nutzer
(n = 1188)
12- bis 19-Jährige
Jugendliche, insbesondere Mädchen und junge Frauen,
nutzen das Internet vor allem als Kommunikationsmedium.
Unterwegs im Social Web ...
●
Wer nutzt Soziale Netzwerke?
Die Mehrheit der jungen Menschen nutzt Soziale Netzwerke.
40% der Gesamtbevölkerung und ca. 80% der Gruppe der
14- bis 19- Jährigen hat mindestens ein Profil
Geschlecht, Alter, Bildungshintergrund und kulturelle
Prägung scheinen auf den ersten Blick keine große
Rolle zu spielen.
Mit zunehmendem Alter und Bildung differenziert sich
jedoch das Spektrum der Onlinenutzung.
Unterwegs im Social Web ...
●
Wie werden Soziale Netzwerke genutzt?
Aktivität (aktiv-produzierend / passiv-rezipierend)
Dauer (wie lang?)
Häufigkeit (wie oft?)
Intensität / Qualität (wie intensiv?)
…
Bei diesen Fragen scheinen neben dem Geschlecht und dem Alter
vor allem bildungsspezifische Unterschiede ein zentrales
Kriterium zu sein. So nutzen Jugendliche mit hoher
und niedriger formaler Bildung selbst gleiche Angebote auf
unterschiedliche Art und Weise.
Unterwegs im Social Web ...
●
Wie werden Soziale Netzwerke genutzt?
Und wie stellen sich Jugendliche in Sozialen
Netzwerken dar?
Jugendliche eignen sich virtuelle Räume an, in dem sie
sich darstellen, präsentieren und inszenieren. Die
Darstellung erfolgt in der Regel durch die Erstellung eines
Profils.
●
Die Erstellung eines Profils ist nicht unabhängig vom Alter,
Geschlecht, Bildungshintergrund und sozialer Herkunft.
Anmeldung:
E-Mail: [email protected]
Passwort: ••••••
Das Nutzerprofil dient der Selbstdarstellung
und -inszenierung.
Unterwegs
Unterwegs im
im Social
Social Web
Web …
...
Leben in Verzeichnissen
●
Darstellungsformen und -möglichkeiten
Die Selbstdarstellung und Präsentation erfolgt
durch
–
Textbasierte Elemente
wie Schrift, Wort und Zeichen
–
Symbolische Elemente
wie Bilder, Photos und Videos
(Ton und Bewegung)
Zur Bildkommunikation in
Sozialen Netzwerken
Ego-Bilder
Beziehungsbilder
Medienbilder
Szene-Bilder
Vgl. Reißmann (2010)
Profil-Muster
Präsentation
durch ein
Profilbild
Photoalben
Darstellung
durch Text
Mitglied in
Gruppen
Je nach Portal und Forum bieten sich unterschiedliche
Ausdrucks- & Gestaltungsmöglichkeiten.
Unterwegs im Social Web ...
Die Selbstdarstellung ist ohne die
Geschlechterdimension nicht denkbar!
Die Präsentation des eigenen Selbst ist geprägt
von bildungs- und milieuspezifischen
Unterschieden, sowie der jeweiligen Lebenslage der Jugendlichen.
Unterwegs in Sozialen Netzwerken
Aktivitäten auf Netzwerkplattformen in % (12- bis 24-Jährige)
Jungen
Mädchen
HS
RS
Gym.
Gesamt
Anderen Nutzern private
Nachricht schreiben
61,1
69,2
66,7
65,3
64,3
65,1
In anderen Profilen stöbern
54,5
58,5
59,7
59,7
53,8
56,5
Auf Pinnwände und
Gästebücher schreiben
49,1
58,2
48,2
54,7
54,5
53,5
Suche nach Freunden und
Bekannten
43,1
39,1
44,7
46,3
37,1
41,1
Suche nach Informationen
27,4
23,0
27,2
25,7
24,6
25,2
Aktualisierung des eigenen
Profils
23,8
21,7
27,2
20,9
22,3
22,8
Eigene Fotos hochladen
12,3
15,7
16,7
16,3
11,8
14,0
[Quelle: U. Hasebrink/ W. Rohde (2011):
Heranwachsende im Social Web]
2. Zur Faszination von
Selbstdarstellung & Präsentation
Zur Faszination der Präsentation
●
Motive und Gründe der Selbstdarstellung
●
●
●
●
●
●
●
●
●
Leute kennenlernen
Freundschaften pflegen
Sich ausprobieren und experimentieren
Rückmeldung bekommen
Entdeckt werden
Geliebt werden und beliebt sein
Sich abgrenzen von anderen
Grenzen austesten
Erfahrungen sammeln und im Austausch sein
Formen der Selbstdarstellung
Teil der Identitätsarbeit?!
●
●
●
Manche Autoren beziehen sich auf die hohe Bedeutung
des Experimentellen Selbst.
Misoch kam in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass die
Mehrheit der Jugendlichen „ihre Identitätsdarstellung im
Chat an ihrer Präsentation im realweltlichen Kontext
orientiert“ (2009, S. 130). Auch Hasebrink (2011) spricht
von einem hohen Anteil an authentischen
Selbstdarstellungen (65% der 12- bis 24-Jährigen).
Burkart spricht hingegen bereits von einer Verlagerung
von authentischer Selbstdarstellung hinzu einer visuell
geprägten Inszenierung des Selbst (vgl. 2009).
Zur Faszination der Präsentation
Es gibt einige Anhaltspunkte im Hinblick auf die
Frage, was Jugendliche an diesen sozialen
Netzwerken fasziniert.
„Die Möglichkeit der (authentischen) Selbstdarstellung,
des Beziehungsaufbaus bzw. der Beziehungspflege
korrespondiert mit grundlegenden Entwicklungsaufgaben,
mit denen sich Heranwachsende insbesondere im
Rahmen ihrer Identitätsentwicklung auseinander setzen.“
(Hasebrink/Lampert 2011, S. 9)
Wer bin ich und in welcher Beziehung stehe ich zu meinen Freunden und Bekannten?
Chancen und Risiken der
Selbstdarstellung
●
●
●
●
●
●
Neue Ausdrucks-,
Gestaltungs- und
Kommunikationsformen
Stärkung kommunikativer
Fähigkeiten
Erweiterung des Handlungsu. Interaktionsraums
Soziale Netzwerke auf- und
ausbauen
Neue Möglichkeit der
Identitätsarbeit und -bildung
Formen der Beteiligung und
Mitbestimmung
●
Datenklau, -missbrauch
●
Abzocke und Betrug
●
●
●
●
●
Verlust der eigenen
Identität (Internetsucht)
Cybermobbing
Sexuelle Anmache und
Belästigungen
Pornographie
Gewalt (Happy Slapping,
Verbreitung rassistischer
oder extremistischer
Inhalte)
Schlussbemerkung:
Das Internet ist Teil der Lebenswelt
junger Menschen!
In virtuellen Räumen findet Kommunikation, Interaktion
und soziales Handeln statt. Die virtuell gemachten und
erlebten Erfahrungen und Erlebnisse sind unmittelbar an
die 'reale' Lebenswelt gekoppelt und nehmen Einfluss auf
die Identitätsbildung junger Menschen.
Jugendliche brauchen Ansprechpartner und benötigen
Unterstützung und Orientierungshilfe, um sie in die Lage
zu versetzen, die Chancen, die ihnen das Internet und
das Social Web bieten, zu nutzen und die Risiken
möglichst gering zu halten.
Logout!
Vielen Dank für Eure
Aufmerksamkeit!
Tagungsdokumentation Jahrestagung LAG Mobile Jugendarbeit /
Streetwork vom 21. bis 23. März 2011 im Tagungszentrum HerrenbergGülstein
Workshop 3
Jugendbanden und Gangs – Attraktivität für junge Menschen
Kriminologieteil
Einführung:
- Vorstellung Vita
- Hinweis auf den Begriff des „Policing“, Polizierens und alles, was darunter fällt.
o „quasi-polizeiliche“ Aufgabe des Streetwork
o Gefahr des „Missbrauchs“ in Zeiten „knapper Kassen“
o Gemeinsames und Trennendes von Sozialarbeit und Polizei
- Brückenschlag zu Vortrag Hradil bezüglich Gruppenattraktivitäten
o „Gemeinschaften werden in familiären, lokalen und regionalen Milieus
gesucht…“
o „Wandel des Wertewandels“ – Ich-Verwirklichung mit Gleichgesinnten
o Ökologische Konsequenzen für die Jugendarbeit (Klare Bezüge zu Vortrag
Pietsch):
Unterschiedliche Stadtquartiere zunehmend
Schichten und Milieus rücken auseinander
Mischungsstrategien werden schwieriger
Migrantenmilieus häufiger und unterschiedlicher
Kenntnis der Kulturen notwendig!
- Brückenschlag zu Vortrag Pietsch durch Aufzählung Auffälligkeiten im Vortrag
o Identitätsstiftend
o Viele loste Gruppierungen
o Wenige Jugendliche – Mehrzahl von Straftaten (kriminologisch gesicherte
Erkenntnis)
o Mögliche Chapter-Orientierung
o Web 2.0 / Mobilisierung / Moderne Kommunikationsmittel
o Erkenntnisse zu Gruppenexklusion (Shariff, Muzaffer)
Erfragung Attraktivitätsgründe von (deviante) Gruppen für junge Menschen
siehe von Tagungsleitung gefertigtes Foto eines gemeinsam erstellten Mindmap
Darstellung und Diskussion möglich passender Kriminalitätstheorien:
- Konflikt-Theorien:
o Unterschiedliche Werte/Bräuche
o Unterschiedliche Zugänge zu Macht
o Unterscheidungsgedanke
- Anomie-Theorie (Bezug zu Darstellung Pietsch über anomische Zustände bei Unruhen
in Frankreich)
o Durkheim
Gesetze fehlen
Notwendigkeit sozialen Zusammenhalts
o Merton
Gesteckte Ziele nicht anders erreichbar
Unerfreuliche Lebenssituation
-
-
-
-
-
-
Subkulturtheorie (Cohen)
o Taft
Kultur-Konflikt-Theorie
Ungleichheit sozialer Systeme
o Miller
Autonome Unterschicht-Kultur-Theorie
o Becker
Theorie der rationalen Wahl (strittig!)
„Labeling“
o Tannenbaum
o Becker
o Sack
Drucktheorie
o Soziale Ungleichheit
o Befriedigung Bedürfnisse
o Gewinnung von Status
Lerntheorien
Theorie der differentiellen Assoziation (Sutherland)
o Einstellung, Interaktion und Kommunikation
o „Verbrechen will gelernt sein“
Normen
Werte
Rechtfertigungen
Ökologische Theorien
o Shaw / McKay
o Chicago-Schule
o Geografische Erkenntnisse
Der Täter in seinen sozialen Bezügen (Göppinger)
Mehrfaktoren-Theorie
Rüdiger Schilling M.A.
(Kriminologe, Polizeiwissenschaftler)
Hirsauer Str. 255
75180 Pforzheim
Tel. 07231 313133
oder 0176 21901039
Fax 03222 1156752
[email protected]
[email protected]
www.behaupte-dich.de
Jugendkriminalität
2010/2011
Willi Pietsch
Polizeipräsidium Stuttgart
Stadtteilgruppen
in Stuttgart
Aktueller Stand und Entwicklung
Klassifizierung der Stadtteilgruppen
|
|
|
|
|
lose Zusammensetzung / Tendenz zur festen Struktur / feste
Anzahl der Mitglieder und Struktur
Kulturelle Zusammensetzung
Äußere Erscheinung
Altersstruktur
Bisherige Gruppenstraftaten
Übersicht Stuttgart
11 bekannte Stadtteilgruppen
z
z
überwiegend multikulturell
ca. 260 bekannte Mitglieder
Bereich Innenstadt
1. ‚South Central‘ - Bohnenviertel
|
lose bis feste Gruppenstruktur
|
ca. 15 Mitglieder
|
multikulturell
|
Kleidung mit Aufschrift „South Central“
|
Alter: 16 bis 20 Jahre
|
|
|
|
Mitglieder zum Teil erheblich, zum Teil
aber gar nicht polizeilich wegen
Straftaten in Erscheinung getreten
1/2009 Verdacht der Beteiligung an
körperlicher Auseinandersetzung
1/(2009 Farbschmierereien ‚South
Central‘ im Wohnquartier
11/2009 Verdacht auf Eigentumsdelikte
(Einbruchsdiebstähle)
Bereich Stuttgart-West
2. Gruppe S-West (namenlos)
|
lose Gruppe mit spontanen
Kontaktmöglichkeiten
|
ca. 10 Mitglieder
|
multikulturell, hauptsächlich türkisch
|
Alter: 16 bis 24 Jahre
|
|
formiert sich anlassbezogen, um
Konfrontationen mit anderen Gruppen
zu begegnen
11/2009 aktuell nicht präsent,
mangels Gegenpart
Bereich Filder – Lauchhau
3. ‚Kanaqs 79‘
-
früher: ‘LGC – Lauchau Ghetto
Center‘
|
feste Gruppenstrukturen
|
ca. 20 Mitglieder
|
multikulturell
|
Alter: 14 bis 20 Jahre
|
|
|
|
Seit 2007 aktiv – im Jahr 2010
eine Vielzahl von Straftaten
rivalisierendes Verhältnis zu
„Fasi 70565“
Gruppe besteht, tritt nach
außen nicht allzu oft
geschlossen in Erscheinung
Engagiert sich musikalisch
(LaucHHauRAP)
Bereich Filder - Fasanenhof
4. ‚Fasi 70565‘
|
lose bis feste Gruppenstruktur
|
ca. 50 Mitglieder
|
multikulturell
|
|
|
|
|
T-Shirts mit Aufdruck des
Gruppennamens
Definition über PLZ (neuerdings
übergreifend Richtung S-Plieningen)
Alter: 14 bis 26 Jahre
einzelne Mitglieder oder Teile der
Gruppe treten überwiegend wegen
Eigentumsdelikten im Wohnbereich in
Erscheinung
Auseinandersetzung in Gesamtstärke
am Schelmenwasen mit Kurden aus SBad Cannstatt (Aki 47)
Bereich Stuttgart-Ost
5. ‚Rio Boys‘ - Raitelsberg
|
lose Gruppe
|
ca. 15 Mitglieder
|
multikulturell
|
|
|
vereinzelt T-Shirts mit Aufdruck des
Gruppennamens
Alter: 16 bis 18 Jahre
Relativ neue Gruppe, auffällig wegen
leichterer Delinquenz, aber auch
wegen gef. Körperverletzung
Bereich Stuttgart-Ost
6. ‚Rio Crime‘ - Raitelsberg
|
lose Gruppe
|
ca. 15 Mitglieder
|
multikulturell
|
|
|
|
|
Oberbekleidung mit Aufschrift „RIO
CRIME Raitelsberg 70190“ (für
Postleitzahl S-Raitelsberg)
Alter: 14 bis 15 Jahre
die Gruppierung entstand Anfang 2010
und hat lose Kontakte zur Gruppe „Rio
Boys“ aus Raitelsberg
02/2010 Gruppierung trat erstmals
polizeilich in Erscheinung, wegen
sexueller Nötigung, Körperverletzung,
Widerstand
aktuell Brandstiftungsserie – 19 Taten,
14 TV im Alter von 14 – 16 (3W/11M)
Bereich Stuttgart-Ost
7. ‚Central East‘
|
lose Gruppe
|
ca. 25 Mitglieder
|
multikulturell, hauptsächlich türkisch
|
Alter: 14 bis 16 Jahre
|
erst seit 2009 aktenkundig
|
auffällig durch Konfrontationen mit
anderen Stadtteilgruppen
Bereich StuttgartUntertürkheim
8. Gruppe am Carl-Benz-Platz (namenlos)
|
lose Gruppe
|
ca. 30 Mitglieder
|
multikulturell
|
Alter: 15 bis 25 Jahre
|
|
Gegenpol zu einer Szene älterer
Fußballanhänger am Carl-Benz-Platz
11/2009 aktuell nicht präsent
Bereich StuttgartHedelfingen
9. Gruppe (namenlos) Treffpunkt:
Stadtbahnendhaltestelle Hedelfingen
|
lose Gruppe
|
ca. 15 Mitglieder
|
multikulturell
|
Alter: 13 bis 17 Jahre
|
relativ neue Gruppierung mit
rivalisierendem Verhältnis zu „Central
East“
Bereich Stuttgart-Bad
Cannstatt
10. ‚KHG‘- Kanackenhofgang
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lose Gruppe
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6 Mitglieder
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multikulturell
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Alter: 13 bis 18 Jahre
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Gruppe definiert sich durch
das Wohngebiet Kienbach
Farbschmierereien im
Wohnbereich
01/2010 massive tätliche
Auseinandersetzung mit
Gruppierung Untertürkheim im
Wohngebiet Kienbach
Bereich Stuttgart-Bad
Cannstatt
11. ‚Black Jackets‘
Chapter „South Central“ – Stuttgart
– früher ‚GSG‘ (Gefährliche
StraßenGang)
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ca. 30-40 Personen
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multikulturell
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rockerähnliches Erscheinungsbild
durch schwarze Lederwesten mit
3teiligem „Coulor“
sonstige Kleidung mit Aufdruck
„Black Jackets“ oder „210“ (2te u.
10te Buchstabe des Alphabets)
feste, hierarchisch strukturierte
Gruppe
Teil/Chapter der landesweit
bestehenden Black Jackets
Alter: 17 bis 27 Jahre
Bereich Stuttgart-Bad
Cannstatt
11. ‚Black Jackets‘
- Fortsetzung |
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Straftaten im Bereich der Gewaltund Eigentumskriminalität, hohes
Gewalt- und Organisationspotential
24 Mitglieder z. Z. u.a. wegen
versuchtem Tötungsdelikt in U-Haft
keine Verflechtungen bei den
Stuttgarter ‚BJ‘ zum Türsteher/Rotlichtmilieu
Das Verfahren gegen 21 Mitglieder
der BJ wegen vers. Mordes wird
beim LG Stuttgart geführt
07/2010 schwerer
Landfriedensbruch in Leonberg,
Haftbefehle gegen Präsiden und
Kassier vollstreckt
Aktuelle landesweite
Auseinandersetzungen mit den
United Tribunes
Bewertung
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wenig Zuwachs an polizeilich relevanten
Gruppen
wenige Jugendliche begehen die Mehrzahl der
Straftaten, in den Gruppen gibt es z.T.
Intensivtäter
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sie gelten als Vorbild und können einzelne
Gruppen aus ihrem ubiquitären Verhalten
herauszuführen, Umfeld ist wichtige
Einflussgröße
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Momentan leichter feststellbarer Zuwachs an
Straftaten, die aus den Gruppen heraus
begangen werden
aber …
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hohe Präsenz des Phänomens durch
Medienverbreitung (Presse, Web2.0, etc)
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wachsende Mobilisierbarkeit innerhalb der Gruppen
durch moderne Kommunikationsformen
deutlich gestiegenes Aggressionspotential im Falle
‚BJ‘, das sich in Schwere der Tat und Wahl der Waffen
ausdrückt
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falsche Werteauslegung, z.B. Ehrbegriff
schwindender Respekt vor staatlicher Autorität
Strategie und Zielrichtung
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Zeitnaher, intensiver Informationsaustausch
zwischen Polizei und Kommune (Infomanagement
und Netzwerkarbeit)
ganz entscheidend: dezentraler Kontakt zu
Jugendgruppen über Jugendsachbearbeiter (dort
sind „Pappenheimer“ bekannt)
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Schwerpunkt bei der außerpolizeilichen Jugendund Sozialarbeit
Bei Sicherheitsstörungen und strafrechtlicher
Relevanz erfolgt schnelle und konsequente
Reaktion der Polizei – Zielrichtung z.B.
Intensivtäter
Wie ist die grundsätzliche
Entwicklung in diesem Bereich
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immer mehr Gewaltdelikte rücken in das Hellfeld
Rahmenbedingungen für Jugend eher ungünstig: mangelnde
öffentliche Gelder, Zunahme individueller Armut, Integrationsund Bildungsdefizite, Gruppe als Ersatzfamilie
Vielzahl an Gruppen erhöht Tatrisiko: Instrumentalisierung
Stadtteilgruppen durch kriminelle Rockergruppen,
Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Stadtteilgruppen,
Abdriften in kriminelle Handlungen und Gewalt
Die Stadtteilentwickler haben in Stuttgart maßgeblichen
Einfluss auf kriminogene Räume (neg. Beispiel Urban Violence)
– Hierbei ist eine Beteiligung der Polizei in den Gremien
erforderlich.
Fazit: Situation aufmerksam beobachten, NetzwerkPrävention umsetzen, hinsichtlich Entwicklung strafrechtlicher
Relevanz/Gewalt eher kritische Lageeinschätzung
Wir sind nicht vorbereitet
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Jugendkrawalle in Frankreich
BEAMTER IN NOT !
URBAN VIOLENCE
Aus einer Rede des Monsieur Jean Maillard, Vizepräsident des Gerichts in
Orleans, Dozent für politische Wissenschaften an der Universität Paris:
… eine Schule, eine Bücherei, ein Polizeirevier oder andere Gebäude
anzuzünden ist fast zur Gewohnheit geworden.
Trotzdem hat die zweite Nacht in Villiers le Bel eine neue Eskalation
von Gewalt gebracht, die die Medien oder die Regierungen nicht gerne
publizieren werden, die aber noch einen Schritt weitergeht, bis hin zur
Anwendung von Schusswaffen.
Anscheinend werden von Aufruhr zu Aufruhr die Taktiken brutaler, die
Strategien werden zusehends professioneller und die Polizei wird sich
zukünftig einer Art von Stadtguerilla-Experten gegenübersehen, die
rücksichtslos von der Schusswaffe Gebrauch machen.
Im Oktober 2001 wurden vier Polizeibeamte
beim selben Vorfall erschossen
Als Konsequenz wurde eine individuelle
Schutzrüstung für jeden Beamten bestellt.
Im November 2005 starben zwei Teenager in einer
elektrischen Generatorzelle.
Gerüchte kamen auf die besagten, dass sie
umkamen, als sie vor der Polizei fliehen wollten.
Dies hatte Ausschreitungen sowohl in ihrer
Heimatstadt als auch in den Pariser Vororten zur
Folge.
Am Schluss war das ganze Land aufgewiegelt und es
folgten zwei Wochen mit Ausschreitungen und
Brandstiftungen.
Vom 27.10. bis zum 17.11.2005
Bei den Ausschreitungen wurden 6065 Personen
festgenommen, 4778 am Tatort, 1328 nach den Kämpfen,
5643 wurden in Gewahrsam genommen und 1328 kamen
in Haft.
Die Versicherungen schätzen den Schaden dieser
Gewaltausbrüche auf 250 Millionen Euro.
300 Gebäude, 28000 Fahrzeuge wurden angezündet
11700 Beamte der Polizei und Gendarmerie waren im
Einsatz, es wurden 126 Beamte verletzt, 224 der
Aufrührer wurden verwundet oder starben.
Das Notstandsgesetz (nächtliche Ausgangssperre)
vom 03.04.1955 wurde am 08.11.2005 in Kraft gesetzt,
um die Kräfte der Polizei zu unterstützen.
Um die Sicherheit der Polizeibeamten zu
verbessern wurde beschlossen, den Bestand an
nichttödlichen Waffen aufzustocken.
Im November 2007 kam es zu einem Verkehrsunfall
zwischen einem Streifenfahrzeug der Polizei und
zwei Teenagern, die illegal ein Minibike fuhren.
Dabei kamen die beiden Jugendlichen ums Leben.
Die Polizeibeamten wurden von den Verwandten
angegriffen und mussten vom Unfallort fliehen.
Nach kurzer Zeit begaben sich organisierte
Aufrührer zu Sammelplätzen, bewaffneten sich und
legten Feuer an öffentlichen Orten. Personen der
öffentlichen Ordnung wurden angegriffen
(Feuerwehrleute, Sanitäter, Polizisten).
Abgesehen von normalen Plünderungen wurde
den Polizeikräften schnell klar, dass die Gegner
auf Konfrontation aus waren.
Verstärkung, einschließlich Hubschraubern, musste
angefordert werden, um die Stadt wieder unter
Kontrolle zu bringen.
Nach zwei Nächten des Kampfes brauchten die
Einheiten für die Kontrolle ziviler Ordnung
Unterstützung durch Spezialeinheiten.
Über 1000 Leute wurden entsandt, um die Lage in
der Stadt Villiers le Bel mit ihren 27300 Einwohnern
wieder zu stabilisieren.
Von Beobachtern und durch Interviews kam man zu
dem Schluss, dass der Wille, Polizisten zu töten,
vorhanden war.
Zusätzlich zu „normalen“ Angriffen durch
Wurfgeschosse, Stöcke oder Stangen und dem
werfen von Molotow-Cocktails, zeigten die Angreifer
organisierte Methoden, einschließlich eines gut
ausgewählten Arsenals:
1) Die Brandmittel wurden gegen Menschen
benutzt und um Gebäude oder Autos anzuzünden
(mit Insassen)
Gasflaschen wurde vorher platziert, um Flaschen
nachfüllen zu können.
Benzin wurde ausgeschüttet, damit
Tränengasgranaten nicht entzündet werden
konnten (welche die Dämpfe sonst entzündet
hätten)
2) Stumpfe Werkzeuge und Waffen wurden
benutzt, aber auch scharfe Waffen
(z.B. Japanische Samurai „Katana“-Schwerter,
Metzgerbeile, Küchenmesser, angespitzte
Schraubenzieher und Feilen).
3) Sehr wichtig war die Tatsache, dass die Aufrührer
eine Menge Feuerwaffen auf Polizisten
abgeschossen haben (z. B. Gewehre, Schrotflinten,
Sportgewehre)
Die Angreifer benutzten sogar Selbstlaborate und
selbstgemachte Granatwerfer (Feuerwerkskörper,
landwirtschaftliche Hagelbomben), um damit gegen
Personen größere Explosionen herbeiführen zu können und
Splitter zu erzeugen.
Gasbehälter für den Haushaltsbedarf und Feuerlöscher
waren mit Nägeln gefüllt und mit improvisierten SprengVorrichtungen ausgestattet.
Beobachter waren schockiert, wie die
„Jugendlichen“ sich vorbereitet hatten.
Sie hatten sich mit Helmen und verschiedenen
Schutzartikeln aus dem Sport geschützt
(Hockeyschutzwesten, Fußball-Beinschoner,
Kickbock-Weichteilschützer…)
Um gegen die erweiterte Reichweite der neuen
Polizei-LTL-Waffen anzugehen, feuerten die
Straftäter aus Luftgewehren und benutzten
selbstgemachte Schilder (Mülleimerdeckel…)
Sie zeigten Vorgehensweisen, die an
mittelalterliche Taktiken erinnern.
Sie waren auch in der Lage, sogenannte moderne
asymmetrische Stadtkämpfertechniken anzuwenden:
Zum Beispiel:
zuschlagen und wegrennen, Heckenschützen,
Feuerbefehle, die Benutzung von Verstecken
in einer gut bekannten Umgebung, die Benutzung von Handys
und Internet-Netzwerken, vorausgeplante logistische
Vorratslager
Um damit
Chaos zu erzeugen, um der Polizei größtmöglichen Stress
zuzufügen, um Einheiten zu desorganisieren und um die
Kommando- und Kommunikationsketten zu unterbrechen.
In drei Nächten des Kampfes:
112 zivile Angestellte wurden
verletzt
89 Polizeibeamte wurden verwundet,
davon 55 durch Feuerwaffen
KVJS-Jahrestagung 2011
Programm
„Integration durch Sport“
Kai Nörrlinger
Landessportverband Baden-Württemberg e.V.
Programm „Integration durch Sport“
• Bundesweites DOSB-Programm
• Besteht seit 1989
• Umsetzung in den Landessportbünden/
Landessportverbänden – in Baden-Württemberg
durch den LSV
• Förderung über BMI und BAMF
Ziele
Integration in den Sport
• Heranführen an den Sport
• Einbindung in den organisierten Sport
Integration durch Sport
• Integrationsprozesse durch entsprechende
Arrangements anstoßen
• Soziale Integration
Herangehensweisen und Handlungskonzepte
Netzwerke
Teilhabe
Qualifizierung
Fremde Sportarten
Sport + X
Netzwerke
Kommunale Netzwerkprojekte
Ansetzend an Sportvereinen
Lösungsorientierte, an lokale
Bedarfslage angepasste
Gesamtkonzepte
Bündelung vorhandener
Ressourcen und Kompetenzen
Begegnungsplattformen schaffen
Teilhabe
Heranführung an Vereine über offene, niederschwellige
Angebote
Brückenpersonen aus dem eigenen Kulturkreis
Migranten und Migrantinnen als aktive Mitgestalter
Besetzung von Positionen auf allen Ebenen
Qualifizierung
„Sport interkulturell“
an Praxis ansetzen
Interkulturelle Sensibilisierung
Interkulturelles Lernen im Training
„Starthelfer“
Informationen über Strukturen, Fördermittel etc.
Projektmanagement, Kommunikation etc.
Integration von fremden Sportarten
Bewahrung der kulturellen Identität
Interkulturelle Öffnung der Vereine
Gleichberechtigte kulturelle Annäherung von
beiden Seiten
Sport + X
Ankopplung von Lern- und Bildungsprojekten an den Trainingsbetrieb
Soziale Aspekte, die über das
gemeinsame Training hinausgehen.
Unterstützungsleistungen,
wie z.B. Hilfe beim Ausfüllen von
Formularen oder bei der Suche nach
einem Ausbildungs- bzw.
Arbeitsplatz
Lösung „Integrationsbeauftragter“
Integrationsbeauftragte in den Vereinen
Vertretung des Themas nach Innen und nach Außen
Voranbringen der entsprechenden Maßnahmen im Verein
Bewusstseinsarbeit auf allen Ebenen
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
JUMP – Junge Menschen mit Power
Projektvorstellung zur Jahrestagung
Mobile Jugendarbeit / Streetwork
Workshop: Niedrigschwellige Sportangebote
JUMP – TVR im Überblick
•
Mehrspartenverein mit 14 Abteilungen
•
4.300 Mitglieder in allen Altersklassen
•
Breitensport, Gesundheitssport, Wettkampfsport
•
Volleyball Bundesliga: EnBW TV Rottenburg
•
TVR: 150 Jahre in Bewegung
JUMP – Ausgangspunkt
•
Stützpunktverein „Integration durch Sport“
•
Trendsportangebote beim Sportpark 18-61
•
Zielgruppe?! 120 Nationen in Rottenburg
•
Zielgruppe?! Junge Menschen in schwierigen Lebenslagen
•
Nachholbedarf und Öffnungsbedarf
ZIELE
•
Schaffung von neuen kind- und jugendgerechten Sportstätten
•
Niederschwellige und offene Sportangebote
•
Einrichtung eines sportbezogenen Treffpunktes und
Begegnungsraumes für die Heranwachsenden
•
Öffnung des Vereins (inhaltlich & strukturell)
•
Engagementförderung und Qualifizierung
SPORTSTÄTTEN
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Gelände für Bike-Trial und Parkour
Slackline-Park
Zoccer-Plätze
Beachvolleyball
Beachhandball und –soccer
Dirtbike-Strecke
Funpark für Skateboard und BMX
Kleinspielfeld für Streetball und Fußball
und der JUMP-Treff als sportbezogener Begegnungsraum
SPORTSTÄTTEN
SPORTSTÄTTEN
SPORTSTÄTTEN
SPORTSTÄTTEN
Spezielle Elemente von JUMP
•
Entwicklung von Spielideen, Regeln, Equipment gemeinsam mit
den Jugendlichen - in Kooperation mit Betrieben vor Ort
•
Bewährte und neue Formen der Qualifizierung:
Jugendleiter, Übungsleiter, Zoccer-Presenter, Event-Team
•
„JUMP will Wissen“ als Info- und Beratungsnetzwerk
•
Website „www.jump-jetst.de“
KOOPERATION & NETZWERK
•
•
•
•
•
•
•
Stadt Rottenburg (Abt. Jugend)
Polizei (Jugendsachbearbeiter)
Hauptschulen/Werkrealschulen
Realschule Kreuzerfeld
MOKKA e.V.
TVR Volleyball GmbH
Kommunalverband für Jugend &
Soziales
•
•
•
•
•
•
•
Integrationsforum
Förderschule Weggentalschule
Jugendhaus Klause
Handels- und Gewerbeverein
Berufliche Schule Rottenburg
Fußballclub Rottenburg
Koordinationsstelle für
Bürgerschaftliches Engagement
Zukunft & Ausblick
•
Begleitung der Kinder und Jugendlichen über Projektstelle
•
Brückenschlag in den Verein / in die Abteilungen
•
Gründung einer eigenständigen Abteilung „JUMP“
•
Jugendliche übernehmen Verantwortung im Verein
•
Entwicklung Trendsportflächen
Erfahrungen
•
Neuland & neue Netzwerke
•
Konzeptioneller und personeller Aufwand
•
Sport = Fußball = FC Bayern & Co.
•
Sport = Männersache = Männerwelt
•
Konsumverhalten statt Engagement
JUMP – in Aktion
Workshop 5
Kompetent in Parallelwelten:
„Schattenwirtschaft“ als kreative Quelle für berufliche Perspektiven
Impulsreferate, Moderation und Dokumentation:
Uwe Buchholz, Mobile Jugendarbeit der Stadt Karlsruhe
Volker Kugel, Mobile Jugendarbeit des Stadtjugendrings Weinheim
Matthias Reuting, Diakonisches Werk Württemberg
Zusammenfassung
Die Zielgruppen Mobiler Jugendarbeit bevorzugen häufig den Aufenthalt auf der Straße, sie
sind in Jugendszenen aktiv, sie beherrschen den Umgang mit neuesten Technologien und
sind die Fachleute ihrer Generation schlechthin. Dies sind Quellen von Fähigkeiten junger
Menschen, die häufig parallel zum klassischen, von der Gesellschaft genormten beruflichen
Werdegang, im Schatten existieren. In diesem Workshop wurden diese Schatten beleuchtet.
AdressatInnen Mobiler Jugendarbeit müssen häufig damit umgehen, dass sie keinen
dauerhaften Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Einigen gelingt es, durch Aktivitäten im
Bereich der „Schattenwirtschaft“ dennoch, Quellen für Gelderwerb und Selbstwirksamkeit zu
finden. Mobile Jugendarbeit ist mit der Herausforderung konfrontiert, wie sie Formen solch
„alternativer Beschäftigung“ fördern und dazu beitragen kann, dass sie dauerhaft und legal
gelingen. Der Workshop verfolgte folgende Ziele:
ƒ Es werden Potenziale des „Lebensorts Straße“ sowie von Jugendszenen und Cliquen
für Lernen und Kompetenzentwicklung entdeckt.
ƒ Es werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie AdressatInnen Mobiler Jugendarbeit ihre
Kompetenzen auch ohne Zugang zum Arbeitsmarkt produktiv nutzen können.
ƒ Es werden Ideen entwickelt, wie Mobile Jugendarbeit diese Prozesse fördern kann.
Aufbauend auf Impulsreferate zu Konzepten von Empowerment und lokaler Ökonomie
wurden im Workshop Praxiserfahrungen ausgetauscht und neue Ideen entwickelt, wie
Mobile Jugendarbeit produktive Aktivitäten junger Menschen „im Schatten der Wirtschaft“
unterstützen kann.
Impuls 1: Empowerment
„Ressourcencheck“
Über welche (versteckten) Fähigkeiten, Kenntnisse und Talente verfügen unsere
AdressatInnen?
Regeln:
- Es geht ausschließlich um positive Dinge!
- Äußerungen werden nicht relativiert!
- Es wird nicht „klein-kommentiert“!
- Je mehr Stärken, desto besser!
- An Äußerungen anderer anknüpfen und weiterspinnen erlaubt!
(vgl. Früchtel, Frank / Budde, Wolfgang / Cyprian, Gudrun (2007): Sozialer Raum und Soziale Arbeit. Fieldbook:
Methoden und Techniken. Wiesbaden (VS Verlag), S. 65)
1. Schrift: Fokus „Ausschnitte des Alltags“ (vgl. ebd., S. 69)
Welche Fähigkeiten, Kenntnisse und Talente nehmen wir bei unseren AdressatInnen wahr in
den Bereichen:
ƒ Sprachen
ƒ Umgang mit Menschen
ƒ Haushalt
ƒ Tiere/Planzen
ƒ Zwei- und Vierräder, Mobilität
ƒ Handwerk
ƒ Neue Medien
ƒ Verein und Freizeit
ƒ Sport
ƒ Musik
ƒ Essen/Trinken
ƒ Mode/Outfit
2. Schritt: Fokus “Herz – Hirn – Hand” (vgl. ebd., S. 69)
Welche weiteren Fähigkeiten, Kenntnisse und Talente unserer AdressatInnen werden uns
deutlich, wenn wir an die Dimensionen der Persönlichkeit „Herz“, „Hirn“ und „Hand“ denken?
3. Schritt: Reframing
Darüber hinaus: Welche weiteren Fähigkeiten, Kenntnisse und Talente unserer
AdressatInnen werden uns bewusst, wenn wir die Methode des „Reframing“ anwenden: Wir
führen uns ungünstige/riskante Verhaltensweisen von ihnen vor Augen und bilden
Hypothesen darüber, mit welchen Stärken diese verbunden sein könnten.
Bei der Sammlung im Plenum entsteht anhand dieser drei Schritte eine lange Liste von
Fähigkeiten, Kenntnisse und Talenten von AdressatInnen Mobiler Jugendarbeit (s.u.).
4. Schritt: Konkretisierung
An welchen Beispielen werden die Stärken sichtbar/nachvollziehbar?
Ergebnisse der Sammlung im Plenum
Fähigkeiten, Kenntnisse, Talente
der AdressatInnen Mobiler Jugendarbeit
Schauspielerisches Talent
Mehrsprachigkeit
Musikalität
Sportlichkeit
Verantwortungsbewusstsein
Organisiert
Empathisch
Taktisch geschickt
Beharrlich
Risikobereit
Solidarität
Rechtskunde
Liebevoll
Handwerklich/technisch geschickt
Aufmerksam
Dankbar
Familiär
Beispiele, an denen die Stärken
sichtbar/nachvollziehbar werden
Puppentheater, Auftreten bei
Behörden/gegenüber Freundin
Dolmetschen, mehrere Muttersprachen
Tanzen, Rhythmus
Selbst organisierte Fußballmatches
Hunde, Ehrenamt
Treffpunkte
Rücksicht
Illegale Geschäfte
Kein Geld annehmen
Autofahren
Bei Todesfällen
Nicht verpfeifen
Loyalität
Umgang Polizei
Lovesong/Rap
Dinge selbst reparieren
Nähen
Spontan zupacken
Die letzte Zigarette teilen
Spülmaschine im Büro ausräumen
„Danke!“ sagen
Auf Kinder aufpassen
Weitere Fähigkeiten, Kenntnisse, Talente
der AdressatInnen Mobiler Jugendarbeit (ohne Beispiele)
Durchsetzungsfähigkeit
Multimediabegabt
Kreativität
Stilsicher
Kommunikationsfähigkeit
Neugierig
Hilfsbereitschaft
Multitaskingfähig
Durchhaltevermögen
Höflich
Menschenkenntnis
Zielstrebig
Offenheit
Konfliktfähig
Interessiert
Fähig zu Psychohygiene
Jung
Loyal
Witzig
Autodidaktisch lernen
Authentisch
Charmant
Spontan
Direkt
Flexibel
Deutlich
Geschäftstüchtig
Beziehungsfähig
Physisch und psychisch belastbar
Comey-Talent
Verhandlungsgeschick
Vertraulich
Experimentierfreude
Experimentierfreude
Expert/in im Gemeinwesen
Mutig
Zukunftswünsche haben
An Grenzen gehen
Klarer Wille
Individualität
Kritisch / kritikfähig
Motivation
Sozial verträglich
Leidenschaft
Netzwerke
5. Schritt: Ressourcen zur Geltung bringen
Wir sammeln Ideen, wie unsere AdressatInnen diese Ressourcen (auch ohne Zugang zum
Arbeitsmarkt) als Quelle für Gelderwerb und Selbstwirksamkeit nutzen können:
Ergebnisse eines ersten Brainstormings im Plenum:
¾ Babysitting
¾ Stunt(wo)man
¾ Hunde-/Tiersitting-Dienst
¾ Autowerkstatt
¾ Import/Export
¾ Puppentheater
¾ Lokales facebook betreiben
¾ Homepagegestaltung
¾ Multiplikator/in oder Mentor/in (z.B. an Schulen) für die Themen
¾ „Umgang mit Polizei“
¾ Tanz
¾ Graffiti
¾ Eventmanagement
¾ Einkaufsservice
¾ Flyer-Design
Impuls 2: „Lokale Ökonomie“
Der Ansatz „Lokale Ökonomie“
Uwe Buchholz
Grundlagen:
Knabe, Judith (2003): Lokale Ökonomie.
Online veröffentlicht unter
http://www.stadtteilarbeit.de/theorie/86-lokaleoekonomie.html
Technische Universität Berlin, Interdisziplinäres
Forschungsprojekt „Lokale Ökonomie“ (Hg.)
(1990/1993): Lokale Ökonomie. Band 1 und 3.
Lokale Ökonomie
z
z
z
z
z
z
Verbindung von sozialem und
ökonomischem Handeln
Neue Formen des Wirtschaftens
Lokale Strategien der Selbsthilfe
Nutzung vorhandener Ressourcen
Vernetzung
Partizipation der Bevölkerung
Ziele lokaler Ökonomie
z
z
z
z
Investition in die Fähigkeiten der
Bevölkerung
Finanzierung von lokaler nützlicher Arbeit
Wiederbelebung lokaler
Wirtschaftskreisläufe
Mobilisierung der lokalen Ressourcen
Schattenökonomie
„Produktion von Gütern und Dienstleistungen, die
von der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
nicht erfasst werden“
z
Solidarische Ökonomie
z
Kriminelle Ökonomie
z
Individuelle Ökonomie
Solidarische Ökonomie
z
z
z
z
Gemeinwesenunternehmen
Neue Formen der Existenzsicherung fernab von
klassischer Erwerbsarbeit
Ausgegrenzte Menschen übernehmen
vernachlässigte Arbeit
Subkulturelle Netze
z.B. Nachbarschaftshilfe, Tauschbörse, „Blaue Arbeit“,
Vereine
Kriminelle Ökonomie
z
z
z
z
z
Schwarzarbeit
Drogenökonomie
Schmuggel und Hehlerei
Steuerhinterziehung
Prostitution
Individuelle Ökonomie
z
z
z
z
Hausarbeit
Heimwerkerarbeit
Selbstversorgung
Familienbetrieb
Ethnische Ökonomie
„Onkel Ali“ statt „Tante Emma“
Motive: Arbeitslosigkeit, sozialer Aufstieg
Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit
Funktion: Nahversorgung der Stadtbevölkerung
Szenenökonomie
z
z
z
z
z
Aktive Netzwerke
Spezifische Szenekenntnisse
Produktion und Vertrieb von Accessoires
Szene-Veranstaltungen
Hobby zum Beruf machen
Zum Weiterlesen…
Umfassende Informationen zum Ansatz
„Lokale Ökonomie“ unter
http://www.stadtteilarbeit.de/home-loe.html
Im Workshop berichten Kolleginnen und Kollegen Beispiele, in denen begleitete Jugendliche
und junge Erwachsene alternative Ökonomien für sich nutzen konnten:
Prozesse fördern – Möglichkeiten Mobiler Jugendarbeit
Wie kann Mobile Jugendarbeit Prozesse fördern, in denen Jugendliche und junge
Erwachsene, die sich als perspektivlos erleben und vorübergehend oder dauerhaft keinen
Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten ihre Stärken und alternative Ökonomien produktiv als
Quelle für Gelderwerb und Selbstwirksamkeit nutzen können?
Im Worldcafé wurden Ideen entwickelt…
Möglichkeiten im Rahmen von Einzelhilfe:
Möglichkeiten im Rahmen von Gruppenarbeit
Möglichkeiten im Rahmen von Gemeinwesenarbeit
Möglichkeiten, die uns eher visionär vorkommen…
Workshop 6: Frank Dölker: Migration – Integration – Interkulturelle Kommunikation
Stadien Interkultureller Lernprozess
Wir projizieren unser eigenes Bezugssystem unbewusst auf andere.
Wir sind im Stande, den relativen Charakter des Werte- und Bezugssystems der anderen zu
erkennen, nicht aber den unseres eigenen.
Wir besitzen die Fähigkeit die Relativität unser eigenes Werte- und Bezugssystem
zu erkennen – und danach zu handeln.
Quelle: C.E. Osgood (1962); Alternative to war or surrender, Urbana
Wir müssen davon ausgehen, dass unser unbewusst bleiben des Werte - und Bezugssystem
sehr stabil ist und jeder In-Frage-Stellung Widerstand entgegengesetzt. Daher bedarf es
Trainings und der Teilziele: (nach Hans Niklas, 1998):
• Offenheit für andere, das Fremde, das ungewohnte
• Erweiterte Wahrnehmungsf
• das andere als anders akzeptieren
• Ambivalenz ertragen können
• Fähigkeit zu experimentierendem Verhalten
• Angstfreiheit vor dem Fremden
• die Fähigkeit, unsere eigenen Normen infrage stellen zu können
• an der Utopie des herrschaftsfreien Diskurses festhalten
• die Fähigkeit Konflikte auszutragen
• den eigenen Ethnozentrismus erkennen können
• die Fähigkeit, übergreifende Loyalitäten und Identitäten zu entwickeln
Kulturmodelle (Hofstede Zwiebelmodell)
Fakten
Gefühle
Werte
wir nehmen über unsere Sinne Fakten wahr,
je nach Werteprägung angenehm oder
Wie niemand
(Persönlichkeit)
Wie manche ( Region,
Geschlecht, Religion,
soziale Schicht, Milieu
Wie alle
(GrundBedürfnisse)
die
unangenehmen empfunden werden
Individuum
Kultur
Humane
2
Entwicklung von Identität
•
„Ihr habt uns zu Türken gemacht!!!“
•
Entscheidung für kulturelle/ethnische Identität fällt in der frühen Kindheit.
Ab 12 – 14 Jahren sichere Lebensentscheidung.
•
Faktoren zur Festigung der Identität
•
Erziehung in Familie
•
Soziale Umgebung
•
Fremdzuschreibung
•
Sprache
„du spricht aber gut deutsch“
•
Quartier
Türkenviertel, Klein Moskau, Ghetto…
•
Soziale Arbeit
„Mädchenarbeit mit jungen Türkinnen“
„Adressaten sind junge Migranten…“
Identität als Prozess
Wer bin ich > Kann neu definiert werden, durch:
•
Personen
•
mit Fremden
•
mit Andersartigen
Auseinandersetzung Umwelt - Selbst
Elemente der Identität
Zugehörigkeit zu einer Gruppe:
Objektive Merkmale
Subjektive Merkmale
Physisches Aussehen
Einstellungen
Muttersprache
Werte
Kleidung
Überzeugungen
Identitätsmarker
3
>Hilfestellung für Personen und Umgebung, korrekt in „Identität“ einordnen
>Sorgen für klare Zuordnung, aber PROBLEMATISCH
Identität in multikultureller Gesellschaft:
1. Einflüsse in der Familie mit Vorstellungen der Umwelt kollidieren:
Kulturkreis
Milieu
Quartier
Druck
sich als
Deutsche fühlen
zu müssen
Schule
Peers
Verein
besonders wenn Familie und Umgebungskultur stark voneinander abweichend empfunden
werden.
⇓
führt zu
Identitätskonflikten
äußern sich in Problemen in Familie, sozialer Umgebung oder zu Abgrenzung
2. Kulturelle Identität wird nicht mehr verhandelt sondern von außen zugeschrieben:
>Kulturelle Identitäten sind gefühlte Identitäten
„Du als Türkin musst uns das erklären können“.
„Du bis doch keine Türkin mehr..“
>Gewaltsame Zuschreibung einer national-kulturellen Identität, die sich an Stereotypen orientiert.
4
Workshop 7: Fußball ist unser Leben!?
Christian Schmidt, Fanbeauftragter VfB Stuttgart e.V.
Literaturhinweis und Link zu weiterführenden Infos
Führender Fanforscher ist Prof. Dr. phil., Dipl.-Soz. Gunter A. Pilz
http://www.sportwiss.uni-hannover.de/gunter_a_pilz.html
Unter diesem Link sind Literaturhinweise und Forschungsergebnisse eingestellt. Auch eine
interessante Expertise über das Phänomen der Ultrakultur ist dort als Download verfügbar.
Workshop 8: „Bloß nicht Mainstream“ – Jugendkulturen stellen sich vor
Moderation:
Eva Gebauer, Mobile Jugendarbeit Karlsruhe, Christiane Hillig, LAG-Servicestelle
Im Workshop standen die Sichtweisen junger Menschen auf ihre Jugendkultur im
Mittelpunkt. Anwesend waren Jugendliche aus der Punkszene, der Hip Hop Szene
und aus einer Clique, die sich selbst als Gang sieht. Nach einem lockeren
„jugendkulturellen“ Einstieg mit „typischen“ Musikbeispielen unterschiedlicher Szenen
kamen die anwesenden KollegInnen und die Jugendlichen als Experten gut ins
Gespräch über Klischees und Realität. Unser herzlicher Dank gilt ausdrücklich den
jungen Leuten, die in diesem Workshop sehr offen aus ihrer Lebenswelt berichtet
haben.
In Kleingruppen erarbeiteten die TeilnehmerInnen unter sachkundiger Beratung
durch die jugendlichen Experten jeweils ein Portrait der Jugendkultur, das
anschließend in der Großgruppe präsentiert wurde. Hierbei entstand eine sehr
lebendige Diskussion über unterschiedliche Sichtweisen und Vorurteile, die auch von
den Jugendlichen sehr engagiert geführt wurde.
Arbeitsauftrag an die Arbeitsgruppen:
Interviewt die Jugendlichen als Experten ihrer Lebenswelt. Natürlich dürfen auch eigene Erfahrungen
eingebracht werden.
Wie bist du/seid ihr gerade in diese Jugendkultur gekommen? Warum hast du dich dafür entschieden?
Wie hat es sich ergeben?
Was macht deine Jugendkultur aus? Was gibt es wichtiges darüber zu wissen?
Was bringt es dir/euch persönlich in dieser Jugendkultur zu sein? Was sind die Vorteile? Gibt es auch
Nachteile?
Frage an Jugendliche:
Im Moment ist für mich wichtig …
In 10 Jahren möchte ich …
Leitend für die Abschlussdiskussion waren die Fragen nach den Bedürfnissen, die
wir als Profis vermuten und diejenigen, die von den Jugendlichen selbst formuliert
werden. Als zentrale Bedürfnisse konnten identifiziert werden: Respekt gegenüber
den Sichtweisen und Ausdrucksformen Jugendlicher in ihren Szenen und Cliquen,
Angebote der Jugendarbeit für Jugendliche gegen Langeweile und zur Erweiterung
des „Horizonts“, im Gespräch sein, nicht alles besser wissen, unterstützen bei der
Formulierung von Anliegen an die Gemeinde, Konflikte aushalten.