1. Landespräventionskonferenz am 10.10.2001

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1. Landespräventionskonferenz am 10.10.2001
Landespräventionsrat Sachsen-Anhalt
1. Landespräventionskonferenz Sachsen-Anhalt
und
am 10. Oktober 2001
Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt
Magdeburg
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Programm
10.00 – 10.30 Uhr
Eröffnung
Begrüßung durch den Vorstandsvorsitzenden des Landespräventionsrates Sachsen-Anhalt Herrn Dr. Rainer Holtschneider
Begrüßung und Informationen zur Veranstaltung durch die Moderatorin
Frau Ilona Wuschig
10.30 – 12.00 Uhr
Blickwinkel örtlich tätiger Präventionsgremien; Redebeiträge
Frau Gallinat
Frau Fröhlich
Herr van Rissenbeck
Herr Breymann
Frau Kallenberger
Frau Rodenbach
12.00 – 12.15 Uhr
Landeszentrale für Politische Bildung; Redebeitrag
Herr Lüdkemeier
12.15 – 13.00
Initiative sichere Stadt Egeln e.V.
Kriminalpräventiver Beirat der Stadt Magdeburg
Runder Tisch für eine gewaltfreie Stadt Halle
Runder Tisch gegen Gewalt in Magdeburg
Präventionskreis Landkreis Halberstadt
Präventionskreis Landkreis Halberstadt
Maßnahmen, Projekte und Initiativen zum
Themenbereich Gewalt und
Rechtsextremismus der Landeszentrale
Podiumsdiskussion
- Referenten der Redebeiträge
13.00 – 14.00 Uhr
Mittagspause
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
14.00 – 15.10 Uhr
Blickwinkel aus Sicht der Jugendarbeit; Redebeiträge
Schwester Charitona
Herr Mehlhorn
Herr Enke
Frau Dr. Philipp
Norbertusgymnasium Magdeburg
Jugendberatungsstelle bei der Polizei, Dessau
Jugendberatungsstelle bei der Polizei, Halle
Landesstelle für Kinder- und Jugendschutz
Sachsen-Anhalt
Jugendbildungshaus Ottersleben gGmbH MD
Kreisjugenddiakonie Blankenburg
Frau Preuschoft
Herr Spiegel
15.10 – 15.30 Uhr
Kaffeepause
15.30 – 15.50 Uhr
Podiumsdiskussion
- Referenten der Redebeiträge
15.50 – 16.00 Uhr
Schlusswort / Zusammenfassung
Präventionsansätze
Statement des Vorstandsvorsitzenden des Landespräventionsrates
Sachsen-Anhalt Herrn Dr. Rainer Holtschneider
10.00 – 16.00 Uhr
Markt der Möglichkeiten
Folgende Präventionsprojekte stellten sich im Rahmen der Konferenz
vor:
⇨ „Buntes Licht auf braune Schatten“ - PD Halberstadt
⇨ „Schritte gegen Tritte“ – Kreisjugenddiakonie Blankenburg
⇨ „Kennst Du das Gefühl fremd zu sein“ – Norbertusgymnasium
Magdeburg
⇨ „Miteinander reden – Voneinander lernen“ – Friedrich-Ludwig-JahnGymnasium Haldensleben
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Eröffnungsrede des Staatssekretärs
im Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt
und Vorsitzenden des Landespräventionsrates,
Herrn Dr. Rainer Holtschneider,
aus Anlass der ersten Landespräventionskonferenz
am 10. Oktober 2001 im Ministerium des Innern,
Magdeburg
Es gilt das gesprochene Wort!
Meine Damen und Herren,
als Vorsitzender des Landespräventionsrates Sachsen-Anhalt heiße ich Sie anlässlich der
ersten Landespräventionskonferenz hier in Magdeburg ganz herzlich willkommen. Wir möchten gemeinsam mit Ihnen die Phänomene Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit beleuchten, vorhandene Gegenkonzepte besprechen und Ihnen die Gelegenheit geben, Defizite zu benennen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich denke Sie haben Verständnis, dass ich zunächst auf die aktuelle Lage eingehen möchte,
beeinflusst sie doch auch die heutige Veranstaltung mehr, als dies auf den ersten Blick möglich erscheint. Wir haben uns hier in einer Zeit versammelt, die überschattet ist von dem
ungeheuren Terroranschlag gegen die USA. Fassungslos stehen wir dieser, in diesem Ausmaß noch nicht dagewesenen terroristischen Attacke gegenüber. Die am vergangenen
Sonntag begonnenen offenen militärischen Gegenaktionen sind nach Angaben des amerikanischen Präsidenten nur ein Schritt in Richtung des Ziels, das Netz des weltweiten Terrorismus zu zerstören. Spätestens seit den Ereignissen des 11. September 2001 ist wohl jedem
der Begriff „Schläfer“ vertraut. Nach allem was bekannt ist, dürften sich solche Personen in
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
vielen Ländern der Erde aufhalten und angesichts der zugespitzten Lage als potentielle terroristische Gewalttäter in Frage kommen.
Da solche Strukturen bisher jedoch erst fragmentarisch aufgehellt werden konnten und bis
auf einzelne Personen bisher sehr wenig bekannt ist, lassen sich keine zufriedenstellenden
Rückschlüsse auf die Gefährdungslage in unserem Land ziehen. Einer Gefahr, die man
kennt, kann man ausweichen oder ihr entsprechend begegnen. Die gegenwärtige Situation
lässt sich jedoch sehr schwer einschätzen und so sind verlässliche Prognosen kaum aufzustellen. Spekulationen aber sind der Nährboden für Vorurteile und können Einstellungen und
Handlungen in negativer Weise beeinflussen.
Trotz all dieser Unsicherheiten können wir die Hände nicht in den Schoß legen.
(s. Maßnahmen der Landesregierung, gem. Kabinettsentscheidung vom 09.10.01 und Regierungserklärung vom 11.10.2001
- Sicherheitspaket 8 Mio. DM
- personelle Stärkung des Verfassungs- und Staatsschutzes
- Beschaffungsmaßnahmen
u.a.m.).
Neben allen präventiven Maßnahmen der geschilderten Art hier im Lande, im Bund und in
der EU tritt aber als nahezu zwangsläufige Folge eine Polarisierung durch äußere Ereignisse
dieser Art ein, und sogar eine weltweite. Dementsprechend hat der Terroranschlag in den
USA international vielfältige Reaktionen ausgelöst und entsprechend differenziert werden
auch die Reaktionen auf die Gegenmaßnahmen ausfallen, zum Teil erleben wir sie schon.
Erinnern wir uns an die Bilder tiefer Betroffenheit und an Kerzen vor amerikanischen Einrichtungen, so fallen uns sogleich auch die Freudenbekundungen religiöser Fanatiker ein und
wir sehen die Gefahr fremdenfeindlicher Übergriffe auf Menschen, die nach äußerem Erscheinen islamisch geprägt sind. Die Gefährdung durch Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus tritt angesichts des 11. September daher nicht etwa in den Hintergrund, sondern kann sogar eine Verstärkung erfahren. Eine demokratische Gesellschaft
muss sich daran messen lassen, wie sehr sie sich gegen solche Auswüchse einsetzt und ob
sie eine rationale und differenzierte Auseinandersetzung mit diesen Problemen ermöglicht.
Dies, denke ich, hat eine ganze Menge mit dem Thema zu tun, über das wir heute gemeinsam reden wollen.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Die kulturelle Vielfalt einer Gesellschaft wird wesentlich geprägt durch zugewanderte Menschen. Nach Deutschland kamen und kommen Arbeitsmigranten/innen, Aussiedler/innen
und Flüchtlinge aus den Krisenregionen der Welt. Insofern spiegeln sich hier die politischen,
sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den Heimatländern der Migranten/innen wider.
Ausländische Menschen stellen längst einen festen Bestandteil unserer Gesellschaft dar
und angesichts insbesondere der demografischen Fakten ist abzusehen, dass unser Land in
Zukunft auf diesen Zuwachs von außen angewiesen sein wird. Von einer ”Normalisierung”
und „alltäglichem Zusammenleben“ kann man dennoch nicht sprechen. Der Ausländeranteil
an der Wohnbevölkerung ist in den östlichen Bundesländern vergleichsweise zu den westlichen alten sehr gering. Als Paradoxon muss es daher empfunden werden, dass gerade hier
ein erhebliches fremdenfeindliches Potential vorhanden zu sein scheint. Gerade in diesem
Punkt wird meines Erachtens besonders deutlich, dass die Entstehungsbedingungen von
Rassismus, Fremdenfeindlichkeit sowie Intoleranz entscheidend von der subjektiven Seite
des Einzelnen geprägt und daher rational sehr schwer zu fassen sind.
Fremdenfeindlichkeit und Rassismus haben viele Gesichter und sind auch in Sachsen-Anhalt
keine neuartigen Phänomene. Schon in den 80er Jahren gab es in der ehemaligen DDR
eine Alltagskultur, die nur schwer mit den damaligen offiziellen Verlautbarungen von Internationalismus und Völkerfreundschaft in Einklang zu bringen war. Deutlich wurde dies bereits in
den umgangssprachlichen Begriffen, welche für die isoliert in der DDR lebenden mocambiquanischen und vietnamesischen Vertragsarbeiter gewählt wurden. Eine Integration dieser
Menschen in den DDR-Alltag hat es, abgesehen von ihren Kontakten am Arbeitsplatz, praktisch kaum gegeben. Die im Zuge der Wende errungene freie Gesellschaftsordnung hat vorhandene Probleme nur deutlicher ans Licht geholt.
Fremdenfeindlichkeit steht nicht notwendigerweise im direkten Zusammenhang mit Rechtsextremismus. Allerdings ist umgekehrt davon auszugehen, dass Menschen mit rechtsextremistischen Einstellungen grundsätzlich fremdenfeindlich geprägt sind. Auffällig ist, dass die
Täter von rechtsextremistischen oder fremdenfeindlichen Straftaten zum überwiegenden Teil
nicht in festen extremistischen Strukturen organisiert sind. Darüber hinaus werden diese
Straftaten hauptsächlich durch männliche Jugendliche und zwar in unmittelbarer Nähe ihres
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„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Wohnumfeldes begangen. Es handelt sich also, was vielleicht erschreckend klingen mag, um
„ganz normale“ Jugendliche.
Bei Ihren Tagungsunterlagen befindet sich auch ein tabellarischer Überblick zur Entwicklung
der extremistischen Straftaten der Jahre 1995-2000 in Sachsen-Anhalt.
Sie sehen einen stark zurückgegangenen Bereich der linksextremen Gewalttaten, dagegen
einen Zuwachs an rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Straftaten, und auch Gewaltstraftaten, insgesamt ein zwiespältiges Bild.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Sicherheit vor kriminellen Übergriffen, die Gewährleistung des Schutzes von Leben, Gesundheit, Eigentum und anderen Rechten ist ein elementares soziales Grundbedürfnis aller
Menschen in unserem Lande.
Eine intelligente und pragmatische Politik ist gefordert, die nicht nur entschlossenes Handeln
gegen Straftaten in die Tat umsetzt, sondern gleichzeitig die Beseitigung der Kriminalitätsursachen anstrebt. Prävention ist also gefragt. Leider wird Kriminalprävention auch heute noch
oftmals als alleinige Aufgabe von Polizei und Justiz betrachtet. Abschreckende Wirkung erhofft man sich durch schärfere Gesetze, härtere Verurteilungen und mehr Polizei auf der
Straße. Diese sehr eindimensionale Sicht liefert ein einfaches Rezept für komplexe Zusammenhänge. Solche einfachen Lösungen erscheinen bequem und sind anscheinend für nicht
wenige Menschen besonders attraktiv. In Hamburg haben wir dafür gerade wieder ein Beispiel erlebt.
Richtig ist, dass der Staat mit Hilfe der dafür geschaffenen Institutionen, insbesondere der
Parlamente, für Regeln und Normen des Zusammenlebens sorgen und deren Einhaltung
exekutiv auch überwachen und durchsetzen muss. Ein ursachenorientierter Ansatz muss
jedoch noch wesentlich früher und an anderen Stellen ansetzen und von einer größeren Zahl
an Beteiligten mit Leben erfüllt werden.
Nur dann haben wir eine wirkliche Chance, den Wurzeln der Fremdenfeindlichkeit und des
Rechtsextremismus den Nährboden zu entziehen.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Diese Phänomene müssen also als eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung von allen
Akteuren gesehen werden. Wenn wir erreichen wollen, dass Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit keine aktuellen Probleme mehr sind, müssen wir, d. h. der Staat, die Gesellschaft und jeder einzelne von uns, bereit sein, an Aktivitäten zur Eindämmung und Bekämpfung dieser Phänomene teilzunehmen. Der Landespräventionsrat sieht sich dieser Kriminalprävention mit gesamtgesellschaftlichem Ansatz verpflichtet. Seine Ziele bestehen unter anderem darin, den Austausch bestehender kriminalpräventiver Gremien zu fördern, die Bildung neuer Gremien zu begleiten sowie eine finanzielle Förderung von einschlägigen Projekten vorzunehmen. Im laufenden Jahr wurden bisher 4 Projekte von nichtstaatlichen Institutionen gefördert, die sämtlich auf Jugendliche ausgerichtet sind und sich gegen Intoleranz,
Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus richten. Sie finden in ihren Tagungsunterlagen
die vom Landespräventionsrat erarbeiteten Anwendungshinweise für Projektförderung sowie
ein Antragsformular, dass eine eventuelle Antragstellung erleichtern soll.
Wir sind hier bereit und in der Lage, noch mehr Projekte zu fördern. Es fehlen uns aber zurzeit geeignete Anträge. Ich hoffe, die Tagung gibt auch insoweit weitere Anregungen.
Meine Damen und Herren,
die heutige Veranstaltung soll insbesondere örtlich tätigen Akteuren aus der Präventionsarbeit ein Forum bieten, ihre Erfahrungen im Zusammenhang mit den Phänomenen Rechtsextremismus und Fremdendfeindlichkeit mitzuteilen und Verbesserungen vorzuschlagen. In der
Diskussion wird die Möglichkeit bestehen, die einzelnen Konzepte zu bewerten und sie gegenüberzustellen. Ziel soll eine kritische Bestandsaufnahme sein, wie diesen Tendenzen vor
Ort tatsächlich begegnet wird und wie Initiativen in dieser Aufgabe unterstützt werden können.
Ich habe in meinen Ausführungen bereits darauf hingewiesen, dass rechtsextremistische und
fremdenfeindliche Aktivitäten überwiegend im Wohnumfeld der damit im Zusammenhang
stehenden Personen stattfinden. Ferner wurde deutlich, dass diese Phänomene, zumindest
was ihre sichtbaren Formen angeht, eine „Domäne“ von Jugendlichen sind.
Daher ist der Verlauf der heutigen Veranstaltung so vorgesehen, dass im wesentlichen zwei
größere Blöcke im Mittelpunkt stehen werden.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Zum einen werden Vertreter örtlich tätiger Präventionsgremien ihre Sichtweise darstellen.
Zum anderen werden speziell in der Jugendarbeit tätige Institutionen zu Wort kommen. Ein
Ergebnis des heutigen Tages im Sinne einer „knappen Punktlandung“ wird man sicher nicht
erwarten können, zu unterschiedlich werden vermutlich die einzelnen Ansätze und Forderungen sein. Die angestrebte Bestandsaufnahme soll jedoch für alle Beteiligten einen Erfahrungsaustausch ermöglichen und der im Landespräventionsrat eingerichteten Arbeitsgruppe
„Rechtsextremismus/Fremdenfeindlichkeit“ als Orientierung für künftige Schwerpunktsetzungen dienen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
den genauen Ablauf des heutigen Tages wird Ihnen die Moderatorin, Frau Ilona Wuschig, im
Anschluss an meine einführenden Worte näherbringen. Vorgesehen ist ein Gesamtzeitrahmen bis 16.00 Uhr bei ca. einer Stunde Mittagspause.
Ich würde mich sehr freuen, wenn wir heute zu interessanten Diskussionen angeregt werden
und wünsche uns für den heutigen Tag ein gutes Gelingen.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Wir über uns
SCHRITTE GEGEN TRITTE
Ein Angebot zur
Gewaltprävention für
PädagogInnen, Eltern und Jugendliche
Vorgestellt und erläutert von Herrn Spiegel, Kreisjugenddiakonie Blankenburg
Jugendgewalt
Der Umgang von Jugendlichen untereinander ist heute um ein Vielfaches mehr von Gewalt
geprägt als früher. Vieles spielt sich unterhalb der Oberfläche ab und ist für viele Erwachsene oft nicht einsehbar. Gewalt – sicher ein Phänomen des jugendlichen Alltags, aber auch
ein Phänomen der Normalität?
Wir möchten nicht zur unseriösen Panikmache beitragen, die bereits eine breite Medienwirklichkeit bestimmt. Doch „damit Gewalt keine Schule macht“, sind Präventionsangebote und
ein breites Spektrum von Maßnahmen nötig, in denen unterschiedliche Partner zusammenarbeiten. Deshalb wollen wir Ihnen ein Projekt vorstellen, das nicht bei der Darstellung des
Problems Jugendgewalt stehenbleibt, sondern konkrete Handlungsperspektiven vermitteln
will: Das Projekt „SCHRITTE GEGEN TRITTE“.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Der Hintergrund
Dieses gewaltpräventive Projekt wurde von einer ökumenischen Arbeitsgruppe von Pädagogen und Theologen unter der Leitung des evangelischen Pastors Klaus Burckhard im Jahre
1993 entwickelt und praxiserprobt. Das Projekt umfasst 3 Unterrichtseinheiten (a 45 Minuten)
pro Schulklasse (längere Option 6 Unterrichtseinheiten) und wird mit max. 30 TeilnehmerInnen durchgeführt. Es eignet sich als Projektwoche für bis zu 8 Schulklassen der Jahrgangsstufen 6 bis 13, aber auch für Konfirmandengruppen, Jugendfreizeiten o.ä.
Inzwischen ist das Projekt in 27 unterschiedlichen Schulen (Orientierungsstufe, Haupt- und
Realschule, Gymnasium sowie Berufsbildenden Schulen) mit mehr als 9000 SchülerInnen in
Hessen und Niedersachsen durchgeführt worden. Wichtig ist dabei immer die intensive Vernetzung mit den örtlichen Strukturen (Präventionsräte, Runde Tische, Kooperation mit örtlichen Projekten und Einrichtungen, SozialarbeiterInnen, PädagogInnen, Elternräten und
SchülerInnenvertretungen).
Die Intention
Das Schulprojekt möchte:
♦ Unterschiedliche Gewaltursachen, -strukturen, -reaktionen am Beispiel südafrikanischer
und deutscher Jugendlicher aufzeigen und bewusst machen,
♦ SchülerInnen die Möglichkeit geben, eigene Gewalterfahrungen zur Sprache zu bringen,
kritisch zu reflektieren und nach deren Ursachen zu fragen,
♦ Mut machen, gemeinsam konkrete Handlungshilfen im Umgang mit Gewalt zu entdecken
und im Rollenspiel zu erproben,
♦ neben den gewohnten Reaktionsmustern (Flucht oder Gegengewalt) andere Alternativen
als effektive und deeskalierende Reaktion auf persönlich erlebte Gewalt erarbeiten,
♦ und neue Zugänge zur christlich-ethischen Basis des aktiven gewaltfreien Widerstands
schaffen.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Die Methoden
Innerhalb des Projektes wird mit vielfältigen Medien und Methoden gearbeitet, u.a. einer
Ausstellung „Canaan ist überall“ (ein Flüchtlingslager in Durban/Südafrika), einem dreidimensionalen Simulationsspiel „Canaan – eine Flüchtlingsfamilie unterwegs“, Rollenspielen,
Videoausschnitten („Schrei nach Freiheit“ und „Dienstag – Gewalt in der U-Bahn“).
Der Initiator
KLAUS BURCKHARDT sammelte während seiner Tätigkeit als Pastor einer lutherischen
Gemeinde und Streetworker in einem Landlosenlager in Durban/Südafrika Erfahrung in der
Konfliktschlichtung und Gewaltprävention. Seit 1993 lebt er wieder mit seiner Familie in
Deutschland. Heute arbeitet er als Beauftragter für Mission und Ökumene des Ev.-luth. Missionswerkes in Niedersachsen (ELM) in Braunschweig.
Kontaktadresse
Falls Sie weitere Informationen erfragen, eine kostenlose
und umfangreiche Materialbroschüre bekommen oder
konkrete Wünsche zur konkreten Projektplanung äußern
möchten, wenden Sie sich an:
Pfr. K. J. Burckhardt
Leonhardstraße 39
38102 Braunschweig
Tel. 0531-2702866 oder 71902
Fax 0531-797729
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Landesstelle Kinder- und Jugendschutz Sachsen-Anhalt e. V.
Referentin: Frau Dr. Viola Philipp, IDS (Informations- und Dokumentationsstelle - neureligiöse und ideologische Gemeinschaften sowie Psychogruppen/ Okkultismus, Satanismus)
Okkulte Zugänge in die rechte Szene
Unsere Thematik scheint zunächst mit dem Thema Rechtsradikalismus keine unmittelbare
Verbindung zu haben.
Wir stellen aber zunehmend fest, dass in bestimmten Grenzbereichen spiritueller, religiöser,
esoterischer und okkulter Bewegungen zunehmend rechtsradikales, rassistisches und faschistisches Gedankengut implantiert wird.
Da es uns um Prävention geht, ist es äußerst wichtig zu erkennen, welche Zugänge vor allem Jugendliche zu rechtsextremen Gedankengut haben.
Das in der Öffentlichkeit präsente Bild des jugendlichen Rechtsradikalen ist vor allem das
von Springerstiefeln, Bomberjacke und Glatze geprägte.
Die meist genannten Erklärungen für den Zugang zum Rechtsradikalismus sind soziale Unsicherheit, Zukunftsangst, Zunahme medialer Gewalt und das Fehlen von Ausbildungs- und
Arbeitsplätzen, was einen fruchtbaren Boden für platte Parolen des Fremdenhasses und der
Ausländerfeindlichkeit schafft.
Dies sind ganz gewiss sehr wichtige Gründe und Mechanismen, sie decken aber durchaus
nicht alle Formen des Zugangs zu rechtsradikalem Gedankengut ab.
Viele der Jugendlichen mit denen wir es zu tun haben würden platte nazistische und faschistische Parolen weit von sich weisen und doch stecken sie zum Teil voller elitärer, völkischer
und rassistischer Anschauungen, die sie in ganz andern Szenen aufgenommen haben. Etwa
der Esoterikszene oder der okkulten schwarzmagischen Szene oder in den verschiedensten
Strömungen des Neuheidentums.
Und hier liegt m.E. eine bisher viel zu wenig beachtete Gefahr. Diese Zugänge zum Rechtsradikalismus sind viel unauffälliger, viel subtiler zum Teil nahezu spielerisch.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Eltern, deren Aufmerksamkeit durchaus geschärft wäre, wenn ihre Kinder sich offensichtlich
für rechtsradikale politisch agierende Gruppen interessieren, würden aber eventuell gar nicht
bemerken, dass das neu erwachte Interesse ihrer Kinder an Walpurgis- und Johannisnacht,
an Sonnenwendfeiern, an altgermanischen Sagen, an spirituellen Kraftplätzen und am Runenlegen sie unter Umständen in den Einflussbereich rechtsextremer, neonazistischer Gruppen führen kann.
Ich nehme an, jeder von uns hat sich in seinem Leben irgendwann damit gequält begreifen
zu wollen, wie es eigentlich zum Nationalsozialismus mit all seinen schrecklichen Ausprägungen kommen konnte. Und viele von uns haben die Erfahrungen des fassungslosen Entsetzens und des eigentlich nicht wirklich begreifen Könnens gemacht.
Teilweise liegt das, glaube ich, aber auch daran, dass die Erklärungsmuster zu einseitig sind.
Allein wirtschaftliche, soziale und politische Komponenten reichen nicht aus, um das Phänomen des Faschismus wirklich zu erfassen.
Um begreifen zu können, dass sich nahezu ein ganzes Volk verführen ließ, muss man auch
die spirituellen, okkulten und mystischen Aspekte des Nationalsozialismus aufdecken die die
Entstehung des Rassismus begünstigten.
Ich kann mich nicht erinnern, im Geschichtsunterricht und auch nicht in meinem Studium, je
etwas von den okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus gehört zu haben. Nun könnte man
das ja vielleicht noch einer bestimmten stark materialistischen Ausrichtung des DDRGeschichtsverständnisses zurechnen. Um so bedenklicher ist es aber, dass diese Thematik
im derzeitigen Geschichtsunterricht auch keine Rolle spielt.
Wenn ich also bei meiner jetzigen Arbeit feststelle, dass sich seit den 80iger Jahren eine
zunehmende Vielfalt an neuheidnischen Gruppierungen entwickelt, macht mich das doch
sehr besorgt.
Man könnte zunächst der Meinung sein, dass diese Bewegung doch ganz ungefährlich ist
und sich auch als völlig unpolitisch begreift. Bei näherem Hinsehen wird aber schnell deutlich, dass die Bewegung durchaus nicht homogen ist. Zwar gibt es ein breites Spektrum eher
harmloser Gruppierungen, die auf der Suche nach neuen Formen der Religiosität sind.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Sie grenzen sich ab vom Christentum, das sie als dogmatisch und lebensfeindlich begreifen,
sie wollen weg vom Monotheismus hin zur Vielgötterwelt der Urahnen, hin zur Naturreligion.
Sie wollen die Einheit von Mensch, Natur, Kosmos und Göttern erfahren, sie sind fasziniert
von den Ritualen und Feiern des Jahreskreislaufes, sie suchen Kraftplätze auf von denen sie
sich kosmische Energien erhoffen, sie kleiden sich im Germanenlook aus Naturfasern, sie
pflegen Volkslieder und Volkstanz üben sich im Schwertkampf, Stockfechten und Bogenschießen, sie üben Naturheilkunde aus und versuchen mit den Runen die Zukunft zu deuten.
Dies alles könnte man für harmloses, naturverbundenes Suchen nach Lebenssinn und Lebensfreude halten, wenn es nicht daneben Strömungen gäbe, die genau die gleichen Traditionen und Verhaltensweisen pflegen, sie aber eindeutig in den Dienst völkischer, rassistischer und faschistischer Ideologie stellen.
Erschreckend ist die Parallele in der Vergangenheit. Anfang des Jahrhunderts gab es schon
einmal einen sogenannten „Neuheidnischen Aufbruch” einen „Germanischen Frühling”.
Auch damals fing alles ganz harmlos und idyllisch an. Es entstanden viele völkischesoterische Gruppen: Die Neugermanen, die Junggermanen, die Goten, die Lichtfreunde,
die Wikinger, die Adler, die Falken, die Sturmvögel und die Wandervögel. Es wurde viel gewandert, man machte Ausflüge zu Kultplätzen, Zeltlager, Lagerfeuer und Sonnenwendfeiern
waren beliebt. Es herrschte eine starke Naturmystik gepaart mit patriotischer Gesinnung. All
das sind Erscheinungen die auch im heutigen Neuheidentum zu finden sind.
Und genau deshalb ist es wichtig, dass diese Zugänge zum Rechtsradikalismus in der heutigen Präventionsarbeit nicht vernachlässigt werden.
Auf ein ganz wichtiges Mittel zur Beeinflussung von Jugendlichen möchte ich noch aufmerksam machen und dies ist die Musikszene. Musik war für Jugendliche schon immer ein wichtiges Identifikationsmittel. Das war in der Beat-Generation so, das war in der Flower-Power
Bewegung so und das ist eben auch heute so.
Interessante Ziele für rechtsradikale Einflussnahme sind einerseits die Richtungen des Black
Metall und des Death Metall, die in die okkult-schwarzmagische Szene hinein wirken und
andererseits die Richtungen des Dark-Wave und des Neo-Folk, die in den neuheidnischen
Bewegungen sehr beliebt sind.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Dass die Macher der rechten Szene dies durchaus begriffen haben, soll folgendes Zitat aus
der rechtsextremen Zeitschrift „Nation und Europa” verdeutlichen: „Die Rechte muss das
wichtige identitätsstiftende Kommunikationsmittel Musik im Auge behalten. Nichts erreicht
breite Schichten leichter. Die stark weiterkopierten Musikalben ersetzen Berge von Flugblättern. Vor allem: Auch weniger politikbegeisterte junge Menschen werden erreicht.”
Hier zeigt sich ganz deutlich, dass es eine Strategie der rechtsradikalen Führungskräfte ist,
in die bisher eher unpolitischen und unorganisierten jugendlichen Subkulturen hineinzuwirken, eine Strategie, die wir in der Prävention nicht unbeachtet lassen dürfen.
Kontaktadresse
Landesstelle Kinder- und Jugendschutz Sachsen-Anhalt
e.V .
Freiligrathstraße 11
39108 Magdeburg
Tel.: 0391-7346246
Fax.: 0391-7346247
Die Landesstelle Kinder- und Jugendschutz Sachsen-Anhalt e.V. ist ein anerkannter Freier
Träger der Jugendhilfe im Land, der sich mit drei Hauptschwerpunkten beschäftigt:
◆ gesetzlicher Kinder- und Jugendschutz
◆ struktureller Kinder- und Jugendschutz
◆ erzieherischer Kinder- und Jugendschutz
Diese Bereiche werden durch verschiedene Angebote, Modelle, Fortbildungen, Informationsveranstaltungen und eigene größere und kleinere Projekte bearbeitet. Das Projekt IDS ist
eines dieser Projekte und wird aus Mitteln des Landes Sachsen-Anhalt gefördert.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Jugendberatungsstelle Dessau
Referent : Herr Ulrich Mehlhorn; Leiter der JUBP
Eine mögliche Standortbestimmung der Jugendberatungsstellen (JUBP) bei der Polizei im Bereich der Präventionsarbeit im Themenkomplex Rechtsextremismus:
In der Leistungsbeschreibung (Handbuch) der JUBP bei der Polizei heißt es:
Leistung -„Beratung, Krisenintervention (und Kurzzeitbetreuung) mit präventivem und
deeskalierendem Charakter für straffällige und von der Straffälligkeit bedrohte
Menschen (hier: Implementierung „Rechts“)“
und unter
Zielen
-„ (u. a.) ... „Langfristiges Ziel ist es, der Verfestigung der Delinquenz entgegenzuwirken sowie sich an der Präventionsarbeit vor Ort in Abstimmung mit anderen
Einrichtungen und Diensten zu beteiligen“.
So verstanden gerät Prävention zu einem Schlüsselprozess des Leistungsumfanges der
JUBP im Land Sachsen – Anhalt.
Diese Präventionsarbeit bezieht sich auf den Bereich der Sekundärprävention in Abhängigkeit konkreter Anlässe im deliktischen Bereich und wird zielgruppenorientiert thematisch fokussiert durchgeführt. Sinn macht dies dann, wenn im Effekt ein Minimieren des abweichenden Moments weltanschaulicher Orientierungen erreicht und damit motivationale Änderungen von Handlungsstrategien ermöglicht werden.
Leitziele der Präventionsarbeit:
°
Die Präventionsarbeit der JUBP’s soll Kommunikation und Diskurs über bestimmte Phänomene im kommunalen Raum ermöglichen und anregen.
°
Sie soll zur Entdramatisierung und Versachlichung von Delinquenzphänomenen, hier im
Themenumfeld Rechtsradikalismus, beitragen.
°
Sie soll Ressourcen aktivieren (personale), die das jeweilige Thema wie hier in etwa Jugend- oder Subkulturen und extreme Polarisierungen in ihnen und den Umgang damit als
Multiplikator befördern.
°
Die Präventionsarbeit der JUBP’s wird in themenspezifischen Bausteinen (Präventionsprodukte) angeboten.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Diese, ich nenne sie Leitziele, sind dann erreichbar, wenn eine Zergliederung des Prozesses
wie folgt passiert:
°
Anfragen aus verschiedenen Bereichen erfassen (Anforderung)
°
Spezifische Problemlage festmachen
°
Konkretisierung des Auftrages (Arbeitsbündnis – was soll erreicht werden)
°
Erstellung eines Konzeptes, das sich methodisch und inhaltlich am Ziel orientiert
°
Vereinbarung (wer macht was? Rahmenbedingung, Vernetzung!)
°
Auswertung des Prozesses
(Diese Leitziele lehnen sich an das Kapitel Präventionsmodule im Handbuch Qualitätsmanagement der JUBP an).
Warum gehe ich gerade darauf besonders ein? Weil es unseres Erachtens äußerst wichtig
ist, sensibel Präventionsarbeit in diesem Bereich zu installieren und mit einer größtmöglichen
Fachlichkeit zunächst die Akteure zu befähigen, sich mit diesem oft schwierigen Klientel zu
konfrontieren.
JUBP kann weder präventiv, also explizit vorbeugend, ( es ist nicht ihre Aufgabe) noch als
Mitglied von Interventionsteams der Polizei (es gefährdet ihre Aufgabe) agieren.
Zielgruppenorientierte Prävention muss eingrenzen, auf die Dynamik gesellschaftlicher und
damit nicht zuletzt politischer Prozesse reagieren, territorialen Bedingungen städtisch – ländlicher Entwicklung genügen und trägerspezifisch, verantwortlich, professionell konzipiert
sein.
Wir haben auf veränderte und sich häufig akut verändernde Lebenswelten (11. September)
in der Phase der Adoleszenz im kommunalen Nahraum kompetent zu reagieren. Dies
schließt ein, das auch die Stellung von Sozialisationsinstanzen wie Eltern, Familie, Peers
u.a. neu zu überdenken sind.
Jugendberatung bei der Polizei als Institution erzielt effektive Wirkung, wenn sie zeitnah und
kontinuierlich in Problemsituationen präventiv interveniert.
Das heißt, JUBP kann in der reaktiven und damit sekundärpräventiven Intervention, z. B.
nach polizeilichen Handlungsvollzug oder besonderem Auftrag aktiv werden. Dies setzt voraus, dass für diesen Bereich präventiver Arbeit die fachliche Kompetenz durch kompetente
Fachberatung von Kennern oder Insidern rechtsextremistischer oder extremer Lebensauffassungen (-orientierungen) erfolgt.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Vertiefendes Wissen um gesellschaftliche Prozesse und historische Abläufe haben sich die
Fachkräfte anzueignen, deren bisherige Aufgabe es ist, krisenhafte Lebenssituationen junger
Menschen sozialpädagogisch aufzuarbeiten. Denn sie könnten sich dem Problem „gesellschaftlicher“ Duldung rechter, radikaler, extremer, fremdenfeindlicher, nationalistischer Gedanken, Ansichten aber auch Praktiken konfrontiert sehen. Das Sein in der Gesellschaft driftet oft in eine nicht gesellschaftsakzeptierende Ebene, weil die eigene Wahrnehmung durch
die Umwelt und die Selbstreflexion im sozialem Nahraum defizitär abläuft.
Prävention und Jugendberatung haben sich in diesem Kontext einzulassen und zu versuchen, jungen Menschen andere lebenswerte Perspektiven zu eröffnen.
Kontaktadresse
Sozialpädagogische Beratungsstelle
für junge Menschen
Polizeirevier Dessau
Wolfgangstraße 25
06844 Dessau
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Förderverein „Initiative sichere Stadt Egeln e. V.“ ; Kriminalpräventiver Verein
Referentin: Frau Christine Gallinat ; Vorstandsvorsitzende
19997/98 kam es in Egeln zu kriminellen Vorfällen durch rechtsorientierte Jugendliche, die
sich im Jugendklub der Stadt trafen, Andersdenkenden Clubverbot erteilten und ihre Gesinnung nach Belieben dazu benutzten, um Streit mit anderen Jugendgruppen zu beginnen.
Die Jugendlichen (Kern) waren zu dieser Zeit bereits fest in der rechten Szene SachsenAnhalts organisiert (ca. 4 – 5).
Vorfälle:
verbale Angriffe auf Aussiedler, Hetzkampagnen im Jugendclub, Verbreitung
des rechten Gedankengutes (Wandzeitungen in Öffentlichkeit),
Brand Dönerwagen,
Streit zwischen den Jugendgruppen der Stadt.
Diese Vorfälle veranlassten die Mitglieder des Kultur- und Sozialausschusses dazu, Vertreter
aus Kommunalpolitik, des Amtsgerichtes, Kriminalbeamte, Vertreter aus dem Jugend- und
dem Sozialamt, Schulen zu Rundtischgesprächen wiederholt einzuladen, um miteinander ins
Gespräch zu kommen und Lösungswege zu finden.
Frage:
Wie können wir Abhilfe schaffen?
Suche nach finanzierbaren Hilfen durch professionelle Unterstützung (z. B.
Sozialarbeiter) – aus öffentlichen Mitteln Jugendpauschale nicht realisierbar
Vorschlag:
- Vorbereitung einer Vereinsgründung
- einzige Möglichkeit, um rechtlich Einfluss zu nehmen (eventuell Jugendclub in Trägerschaft des Vereins) bzw. Finanzierungsmöglichkeiten zu
schaffen.
30.11.98 Gründung eines Fördervereins
16 Mitglieder – Vertreter aus Politik, Schule, sozialen Bereichen
Finanzierung über Jugendpauschale/Spenden/Projektanträge
- 10 -
1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
3 Bereiche der Vereinsarbeit:
I.
Aufklärung zum Thema „Rechtsextremismus“ durch Gesprächsrunden mit professionellen Mitarbeitern, z. B. der Hochschule Magdeburg, Vertreter Kirche – Superintendent
wichtig:
Gesprächsrunden für Lehrer, Eltern, Bürger günstiger ohne Jugendliche;
Gesprächsrunden mit Jugendlichen intern, da sie sich sonst nicht in die
Diskussion einbringen
II.
Interessante Freizeitangebote für die Jugendlichen in der Stadt schaffen
⇒
szeneorientierte Jugendliche
⇒
Drogenmissbräuchler
⇒
Abhänger
z. B. sportliche Projekte mit anschließendem Höhepunkt, wie Disco, Lagerfeuer, Grillen
Ziele: fairer Umgang miteinander, Kontakte werden wieder aufgebaut (Jugendliche
kennen sich seit Kindheit, sind verstritten durch verschiedene Gesinnung, z. B.
Rechte hassen Kiffer!)
1999/00/01 verschiedene Projekte angeboten, Sport und Freizeit, verbunden mit Gesprächsrunden, erfolgreich gelaufen.
Vertrauensverhältnis konnte zwischen Vereinsmitgliedern und Jugendlichen aufgebaut
werden.
Zurzeit gute Zusammenarbeit – Jugendliche bringen Ideen und Wünsche in Planung
ein, sind motiviert, nehmen teil.
III.
Arbeit in den Gruppen
3 Mitglieder des Vereins sind Ansprechpartner für die täglichen Probleme der Jugendlichen, sie besuchen die Jugendgruppen;
Vertrauensverhältnis wurde geschaffen, zum Teil durch Problembewältigung möglich.
- 11 -
1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Durch ständig wechselnde ABM im Jugendclub verlieren die Jugendlichen ihre Ansprechpartner, zurzeit sind aufgeschlossene Betreuer im Club, auch gute Zusammenarbeit mit Verein (wichtig: Betreuer sind nicht qualifiziert im erzieherischen oder sozialarbeiterischen Bereich, keine Erfahrung).
Gute Zusammenarbeit auch mit der Sozialpädagogin des Kinder- und Jugendfreizeitzentrums (in Trägerschaft des Landkreises, deshalb Arbeit auch auf Kreisebene ausgerichtet, nicht nur für Egeln).
Probleme:
⇒ Änderung der Gruppenkonstellation,
⇒ Drogenproblematik nimmt zu,
⇒ rechtsorientierte Jugendliche werden erwachsen ⇒ andere Prioritäten,
⇒ harter Kern der Rechten trifft sich in Nachbarorten oder Magdeburg,
⇒ jüngere Jugendliche andere Probleme ⇒ Prävention,
⇒ Rechte und Drogenmissbräuchler ⇒ Feinde,
⇒ Arbeit muss neu überdacht werden,
⇒ andere Schwerpunkte setzen.
Wünschenswert:
Student der Hochschule im 4. Studienjahr (2 x 4 Monate Praktikum)
im Praktikum in Egeln – Club – in Verbindung mit Streetwork einzusetzen –
Angebote laufen
Kontaktadresse
Förderverein „Initiative sichere Stadt Egeln e.V.“
Christine Gallinat
Chaussee 54
39435 Wolmirsleben
- 12 -
1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Landeshauptstadt Magdeburg; Kriminalpräventiver Beirat
Referentin: Frau Susanne Fröhlich
Was wird im eigenen Bereich im Umgang mit dem Thema „Gegen Rechtsextremismus
und Fremdenfeindlichkeit“ unternommen?”
- Gründung des „Runden Tisches gegen Gewalt in Magdeburg” als Präventionsrat beim
Oberbürgermeister der Landshauptstadt Magdeburg 1995, Vorstandsvorsitzender Herr
OStA Breymann, als Sachverständigengremium zur Erarbeitung von und Informationsaustausch zu präventiven Maßnahmen zur Gewaltvermeidung, insbesondere im Rahmen der
Kinder- und Jugendarbeit (hier: Erarbeitung eines Maßnahmenkataloges 1997). Der Maßnahmenkatalog beinhaltet im Wesentlichen die Stärkung der Tätigkeit des Jugendamtes
im Bereich Streetworker. Durchführung von Stadtteilkonferenzen, Einsatz eines Mobilbusses. Im März diesen Jahres fand ein Forum gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit des Runden Tisches unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters
zum Erfahrungsaustausch statt, mit dem Ziel Aktivitäten zu bündeln. Der Oberbürgermeister Dr. Polte hatte sich außerdem für Täter-Opfer-Gespräche mit Ausländern zur Verfügung gestellt.
- In Ergänzung des Runden Tisches gegen Gewalt wurde 1997 ein Kriminalpräventiver
Beirat gegründet, der sich aus Vertretern der hauptamtlichen Stadtverwaltung der Landeshauptstadt Magdeburg und der Polizeidirektion Magdeburg zusammensetzt. Vorsitzender des Lenkungsausschusses ist der Oberbürgermeister. Zur gezielten Entwicklung
und Umsetzung von kriminalitätsverhütenden Konzeptionen wurden bisher vier Arbeitsgruppen unter folgenden Titeln gebildet:
• Städtebauliches Wohnumfeld und Stadtteilplanung
• Technische Prävention/Ladendiebstahl
• Gewalt in Schulen/Suchtprävention
• ALSO-Alternatives Freizeitpädagogisches Antigewalt-Sofortprogramm
- 13 1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Das Projekt ALSO ist sehr erfolgreich und war mit seiner Gründung 1997 das erste dieser Art in der Bundesrepublik. Über sport- und freizeitorientierte Gemeinwesenarbeit
werden in Kooperation mit den Angeboten der Vereine, Verbände, freien Träger, dem
Sport- und Bäderamt Magdeburg und dem Stadtsportbund vor Ort Sofortmaßnahmen
mit Kindern, Jugendlichen und arbeitslosen jungen Menschen im überwiegend sportlichen Sinne angestrebt. Die Entwicklung von Teamgeist und der Abbau von Aggressionen wird gefördert und damit der Kriminalitätsentwicklung entgegengewirkt.
Jährlicher Höhepunkt des Projektes ist der Fußball-ALSO-Cup.
Die Koordinierung zwischen der Arbeit des Runden Tisches und des Kriminalpräventiven
Beirates obliegt dem Beigeordneten für Kommunal- und Ordnungsangelegenheiten Herrn Dr.
Tabke.
„Wo wird regionaler und überregionaler Handlungsbedarf gesehen?”
An erster Stelle sollte die Bündelung der unterschiedlichen Aktivitäten zu dem Themenkomplex stehen. Die Einrichtung eines gemeinsamen Netzwerkes ist überfällig und die Koordinierung der Aktionen sollte von einer übergeordneten Stelle aus erfolgen, um effektiv wirken zu
können. Durch die gehäufte Anzahl gleichzeitiger Veranstaltungen regional und überregional
läuft das Problem an sich leer und droht wegen der Überfrachtung mit immer gleichlautenden
wiederkehrenden Informationsveranstaltungen für die Allgemeinheit „uninteressant” zu werden.
Kontaktadresse
Kriminalpräventiver Beirat der Stadt Magdeburg
Landeshauptstadt Magdeburg
Oberbürgermeister
Rathausstraße 1
39104 Magdeburg
- 29 -
1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Landeszentrale für Politische Bildung Sachsen-Anhalt
Referent: Herr Bernd Lüdkemeier
Maßnahmen, Projekte und Initiativen zum Themenbereich Gewalt und Rechtsextremismus der Landeszentrale für politische Bildung
Die Landeszentrale fördert die politische Bildung durch Veranstaltungen und Publikationen.
Veranstaltungen werden in Eigenregie, aber auch in Kooperation mit staatlichen und freien
Trägern der politischen Bildungsarbeit durchgeführt. Im Rahmen ihrer Tätigkeit hat die Landeszentrale u. a. bei Rechtsextremismus einen Schwerpunkt, der nach dem Ergebnis der
Landtagswahl 1998 in Sachsen-Anhalt, bei der die DVU 12,9 % der Stimmen erreichte, eine
besondere Bedeutung erlangt hat.
Das augenblickliche Angebot der Landeszentrale setzt sich derzeit in dem Bereich Rechtsextremismus wie folgt zusammen:
•
Seminarangebot für Lehrerinnen und Lehrer zum Thema „Rechtsextremismus und seine jugendkulturelle Verankerung“. Hierbei handelt es sich um ganztägige Seminare,
die aus zwei Teilen (Basiskurs, Vertiefungskurs) bestehen. In dem ersten Teil wird
Grundwissen zur Aufklärung und Sensibilisierung vermittelt (Ursachen, Hintergründe
und Erscheinungsformen von Rechtsextremismus bei Jugendlichen – z. B. rechte
Symbole, Kleidung, Musik etc.). In einem Workshop - der zweite Teil - werden anschließend Handlungsoptionen im Umgang mit rechten Jugendlichen aufgezeigt. Diese
Veranstaltungen sind am 23.10., 07.11., 08.11., 14.11., 28.11. und 29.11.2001 geplant.
•
Workshop am 21. November 2001 für Mitarbeiterinnen von freien und öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe, jugendpolitische Referentinnen, Mitarbeiterinnen von
sozialpädagogischen Einrichtungen, Jugendbildungsreferentinnen der Jugendverbände
und Lehrerinnen zum Thema „Die Zeit läuft“; Rechtsorientierung – Prävention und Zielgruppenorientierung in Sachsen-Anhalt. Der Workshop wird in Kooperation mit dem
Kinder- und Jugendring des Landes Sachsen-Anhalt und dem Landesjugendamt des
Landes Sachsen-Anhalt durchgeführt.
- 30 -
1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
•
Mehrtägiges Seminar mit deutschen und polnischen Studenten in Zusammenarbeit mit
der Otto-von-Guericke-Universität, Herrn Prof. Dittrich, und der Universität Lodz, Herrn
Dr. Chojnacki zum Thema „Rechtsradikalismus – Befunde und Gegengifte“.
Die Veranstaltung findet in der Zeit vom 28.11. bis 01.12.2001 statt.
•
Mehrtägiges Seminar (10. – 12.12.2001) für Sozialarbeiterinnen in Benneckenstein/Harz zum Thema „Ursachen, Hintergründe und Erscheinungsformen von Rechtsextremismus“. In diesem Seminar werden unter anderem Ratschläge zum Umgang mit
rechten Jugendlichen behandelt, sowie auch Erscheinungsformen von Rechtsextremismus im Internet – insbesondere im Vergleich zu den USA. Auch wird rechte Musik
analysiert und es werden einige Maßnahmen zu Gewaltprävention vorgestellt.
•
Theaterprojekt gegen Rechts
In Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung, der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung und dem Bürgerkomitee „Weiße Rose“ der
Volkshochschule Hannover gastiert ab Mitte Oktober 2001 bis Ende November 2001
das Klecks-Theater aus Hannover in Sachsen-Anhalt und führt in insgesamt 11 Schulen das Stück „Perlicco! Perlacco!“ auf. Eine Aufführung ist auch für den Jugendstrafvollzug in der Jugendanstalt Halle vorgesehen. Insgesamt werden 12 Aufführungen in
Sachsen-Anhalt gezeigt. Es handelt sich um eine Theateraufführung über ein Spiel von
den Spielregeln, ohne die nichts läuft. Das Stück ist an Schülerinnen und Schüler ab
dem 7. Schuljahrgang gerichtet und informiert in unterhaltsamer Art und Weise über
die Grundregeln des friedlichen Zusammenlebens, über Grundbegriffe der Demokratie
(z. B. Durchführung von Wahlen) und behandelt auch die Zeit des Nationalsozialismus.
Das Stück dauert ca. 1 Stunde und richtet sich an jeweils ca. 100 bis 120 Teilnehmer.
•
Publikationen
die Landeszentrale hat zum Schuljahr 2001/2002 den Schulen in Sachsen-Anhalt Materialien zum Unterricht in einer gemeinsamen Aktion mit dem Kultusminister des Landes Sachsen-Anhalt übermittelt.
- 31 -
1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Es handelt sich um das Buch von Christoph Budderwegge und Georg Lohmann zum
Thema „Jugend, Rechtsextremismus und Gewalt“, das Buch von Klaus Peter Hufer mit
dem Thema „Argumentationstraining gegen Stammtischparolen“ sowie eine Publikation
der Magdeburger Volksstimme und der Mitteldeutschen Zeitung, herausgegeben von
der Landeszentrale für politische Bildung, mit dem Thema „erst Fremd, dann Vertraut“.
Als Ergänzung dieser „Bücherinitiative“ ist das Fortbildungsangebot für die Lehrkräfte
eingerichtet worden, das am 23. Oktober beginnt und zunächst am 29. November 2001
endet (siehe Seminarangebot). Dieses Angebot findet im Rahmen der schulinternen
Lehrerfortbildung statt und erreicht somit alle Lehrkräfte in der jeweiligen Schule.
Kontaktadresse
Landeszentrale für politische Bildung
Schleinufer 12
39104 Magdeburg
- 68 -
1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Wir über uns
Geschäftsstelle des Landespräventionsrates Sachsen-Anhalt
In eigener Sache
Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,
das große Interesse an einer im wahrsten Sinne des Wortes gesamtgesellschaftlich ausgerichteten Kriminalprävention lässt sich auch daran ablesen, dass dem Landespräventionsrat
Sachsen-Anhalt zwischenzeitlich 39 Institutionen angehören. Vertreter dieser Institutionen
beteiligen sich aktiv in den Arbeitsgruppen, die zu den Themen „Rechtsextremismus/Fremdenfeindlichkeit“, „Erziehungs- und Elternprävention“ sowie „Häusliche Gewalt“
beim Landespräventionsrat eingerichtet wurden.
Besondere Bedeutung wird der Weiterentwicklung der kommunalen Kriminalprävention in
Sachsen-Anhalt beigemessen. Die Schaffung eines flächendeckenden Netzes aktiver kommunaler Präventionsräte ist dabei ein anzustrebender Idealzustand. Einige erfolgreiche
Gremien existieren bereits, von deren Erfahrungen auch andere profitieren können. Zum
Selbstverständnis des Landespräventionsrates Sachsen-Anhalt gehört es dabei, diesen Prozess zu fördern, Informationen und Beratung zu diesem Thema anzubieten sowie Kontakte
herzustellen. Als greifbare und praktische Unterstützung kommunaler Präventionsprojekte
stehen dem Landespräventionsrat finanzielle Mittel zur Verfügung. Dieses Geld soll weniger
den „Profis“ in der Präventionsarbeit als vielmehr örtlich ansässigen Präventionsinitiativen zu
Gute kommen.
Als Ansprechpartner stehen Ihnen für Ihre Fragen und Anregungen die MitarbeiterInnen der Geschäftsstelle zur Verfügung.
- 69 1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Kontaktadresse
Landespräventionsrat Sachsen-Anhalt
Geschäftsstelle
Halberstädter Str.2 / am „Platz des 17.Juni“
39112 Magdeburg
Karina Steghuber
Tel.:
0391/567-5257
@-mail: [email protected]
Ute Dikta-Kölling
Tel.:
0391/567-5228
@-mail: [email protected]
Stefan Damke
Tel.:
0391/567-5210
@-mail: [email protected]
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Damke
Leiter der Geschäftsstelle des Landespräventionsrates
- 62 -
1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Landesstelle Kinder- und Jugendschutz Sachsen-Anhalt e.V.
Anhang: Kürzung von Mitteln für Kinder- und Jugendschutz
Geplante Absenkung der Förderung im Bereich „erzieherischer Kinder- und Jugendschutz“
im Land Sachsen-Anhalt um über 33 % auf nunmehr 700.000,00 DM im Jahr 2002 gegenüber dem aktuellen Jahr
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Besorgnis nimmt der Vorstand der Landesstelle Kinder- und Jugendschutz SachsenAnhalt e. V. die gegenwärtige Planungsdiskussion zur Kenntnis, nach der im Bereich Kinderund Jugendschutz Landesmittel drastisch eingespart werden sollen.
Die Landesstelle Kinder- und Jugendschutz Sachsen-Anhalt e. V. hält diese Diskussion in
der aktuellen Situation für ein falsches Signal und bittet Sie, uns in Ihrem Kompetenzbereich
zu unterstützen, damit zumindest der Stand der finanziellen Förderung des Jahres 2001
auch für das Jahr 2002 erhalten bleibt.
Gründe, den Bereich „erzieherischer Kinder- und Jugendschutz“ im Land Sachsen-Anhalt
auch im Jahr 2002 auf mindestens gleichem Niveau wie 2001 zu fördern (den kompletten
Brief finden Sie auf unserer homepage: http://www.jugend-lsa.de/jugendschutz):
™ Der „erzieherische Kinder- und Jugendschutz“ ist eine sehr wichtige Aufgabe unserer
Gesellschaft. Er spiegelt sich in über 25 Bundesgesetzen und Landesregelungen wider.
Die besondere Stellung des Kinder- und Jugendschutzes wird durch seinen eigenen gesetzlichen Rahmen deutlich: SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz), § 14. Maßnahmen des Kinder- und Jugendschutzes müssen auch dazu beitragen, die gesetzlichen
Grundlagen einer breiten Bevölkerung zugänglich zu machen.
™ Die Medienanstalt Sachsen-Anhalt hat erst vor wenigen Tagen die zunehmende Gewalt
im Fernsehen und im Internet kritisiert (dpa-Meldung): „Die tägliche Präsenz von Gewaltdarstellungen auf dem Bildschirm, die Intensität und die Summe, steigerten die problematische Wirkung zu einem unzumutbaren Gefährdungspotenzial. ... In Talk-Shows, in
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
so genannten ‚Real-Life‘-Sendungen und in Psychoformaten würden im zunehmenden
Umfang Verhaltensweisen, Werte und Ansichten propagiert. Begleitet von verbaler Gewalt mit aggressiven Äußerungen wirkten diese auf junge Zuschauer desorientierend. ...
Leider gäbe es auch im Internet, bei Ausleihvideos und Computerspielen weitgehend unkontrollierte und gefährliche Entwicklungen mit grausamsten Gewaltszenen und entwürdigenden Sexualszenen.“
™ In den Medien und mittlerweile auch in den sozialpädagogischen Arbeitsfeldern sind
Themen wie Kinder- und Jugendkriminalität, Gewalt, Rechtsextremismus, Drogen, Kinderpornografie und sexueller Kindesmissbrauch regelmäßig auf der Tagesordnung. Jugendarbeit kann sich derzeit auf nur wenige Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner
für die konkrete erzieherische Kinder- und Jugendschutzarbeit berufen. Es muss in Projekte des Kinder- und Jugendschutzes und in die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter präventiv investiert werden, um den gegenwärtigen Bedingungen gerechter
zu werden.
™ Von der Öffentlichkeit, aber auch von der Fachöffentlichkeit unbemerkt entwickeln sich
kulturelle Jugendszenen, die weitestgehend „erwachsenenfrei“ existieren. Als Beispiel
soll hier der Bereich der fantasy-Rollenspiele genannt werden, in deren Kontext sich u. U.
auch Gewalt, tradiertes Rollenbewusstsein und streitbare Werte und Orientierungen ausleben lassen und manifestieren. Es gibt „Szenen“, die mehr oder weniger öffentlich, z. B.
in der Nähe von Burgruinen, agieren. Auf der anderen Seite wird über elektronische Systeme wie newsgroups agiert. In diese Informationssysteme kommt man als Pädagoge
nicht mehr so einfach hinein. Hier ist es besonders wichtig, Konzepte zur Schaffung und
Förderung von Medienkompetenz zu praktizieren.
Seit Ende 2000 ist Sachsen-Anhalt bundesweit bekannt in Verbindung mit Todesfällen,
die nicht eindeutig geklärt sind. Verschiedene Fachleute schließen einen Mix aus okkulten und satanischen Bewegungen nicht aus. Der „erzieherische Kinder- und Jugendschutz“ ist mit solchen Fragestellungen ständig gefordert.
Gerade Jugendliche sind für diese Richtungen oder auch für neureligiöse und ideologische Bewegungen und Gemeinschaften entwicklungsbedingt äußerst aufgeschlossen.
Diesem Gefährdungspotential muss langfristig entgegengewirkt werden.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Präventionsrat der Landeshauptstadt „Runder Tisch gegen Gewalt in Magdeburg“
Referent: Herr Klaus Breymann, Oberstaatsanwalt – DVJJ
Eingerichtet wurde der RT 1994 u. a. als Reaktion gegen extremistisch orientierte Gewalttaten in Magdeburg als Beratungsorgan des Oberbürgermeisters zu Fragen der (sozialen)
Prävention, z. Zt. 65 ständige Mitglieder und Gäste aus gesellschaftlichen Organisationen
(Kirchen, Parteien, Gewerkschaften, Arbeitgeberorganisationen, Vereinen pp.) sowie Vertretern der Stadt, der Polizei und Justiz sowie von Behörden und Ministerien. Der RT gibt aufgrund seiner Beratungen und Beschlüsse Empfehlungen an den OB und seine Mitglieder.
1) Was tun wir gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit?
Übersicht aus den Jahren 2000/01:
-
24. Sitzung, 19.09.2000:
„Öffentlicher
Umgang
mit
rechtsextremistischen
Organisationen“
z.B.
NPD-
Demonstrationen
Referenten: Prof. Dr. Fritsche, Uni Magdeburg; Dr. Lynen v. Berg (Miteinander e. V.);
Herr Weißbach, DGB; Herr Bunge, Freie Kammerspiele.
Empfehlungen an den OB für kommunale Prävention, u. a. für ein Forum zur Situation in
Magdeburg (s.u. 07.03.2001).
-
26. Sitzung, 13.03.2001:
Problemfeld Schule: u. a. „Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit in den Schulen“,
Referentin: Frau Ludwig, staatliches Schulamt, Magdeburg
-
07.03.2001 „Forum gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
auf Einladung des OB der Landeshauptstadt Magdeburg mit Vertretern der Stadt, der
Polizei, der Schulen und Schülervertreter, der Universität und der Fachhochschule, der
Kirchen und des Stadtsportbundes
-
27. Sitzung, 26.06.01:
Ausländer als Täter und Opfer
Referent: Prof. Dr. K. Bussmann, Uni Halle
- 21 -
1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Welches sind unsere Erfahrungen?
Institutionen und Organisationen reagieren i.d.R. auf aktuelle Geschehnisse und Herausforderung mit öffentlichem Demonstrationswert. Auf Rechtsradikalismus als Teil von Jugendkultur wird eher selten reagiert:
- Es gibt zu wenig kontinuierliche Arbeit zum Thema z. B. in Schulen, Lehrer meiden
eher das Thema oder verweisen es in andere Unterrichtseinheiten.
- In Vereinen und Organisationen wird das Thema nur aus konkretem Anlass im eigenen Bereich aktuell bearbeitet.
- Lehrern, Leitern von Sport- und Jugendgruppen sowie Mitarbeitern von Freizeiteinrichtungen fehlt es zumeist an Kompetenz, Rechtsradikalismen (rechtzeitig) zu erkennen und unzweideutig zu reagieren.
2) Wo sehen wir Handlungsbedarf?
a) Ein gesamtgesellschaftliches Konzept des gemeinsamen Vorgehens gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit muss zivilgesellschaftliche Strukturen stützen
und fördern und muss den Eindruck vermeiden bürgerliche Grundrechte anzutasten
oder das Problem im institutionellen Eigeninteresse zu funktionalisieren.
Gesamtgesellschaftliche Aufgabe heißt:
- Jeder in seinem Bereich; Jugendarbeit und Jugendhilfe sind Aufgabe der Jugendämter und -organisationen und ggf. der Schulen,
Prävention darf nicht als Vorwand missbraucht werden, eigene Zuständigkeiten unspezifisch auszuweiten. Das sog. Ausstiegsprojekt der Polizei (Polizeibeamte suchen mit sozialpädagogischem Auftrag Mitläufer und Sympathisanten der rechten
Szene und deren Familien auf) begegnet daher schweren Bedenken.
- Zivilgesellschaftliches Engagement stützen (z. B. Menschenskinder e. V.).
- Partnerschaften mit Aktionen und Organisationen gegen Rechts.
b) Öffentliche Ächtung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit und Solidarität
mit Opfern.
- Gegen Wegschauen und Gleichgültigkeit (z. B. Aktion Noteingang).
- Ausländer nicht verstecken sondern vorzeigen
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
- Öffentliche Ächtung von fremdenfeindlichen Äußerungen, insbes. wenn sie durch
öffentliche Personen (Politiker) formuliert werden („Nützliche Ausländer“, „durch
rasste Gesellschaft“, „Kinder statt Inder“, Dramatisierung sog. Ausländerkriminalität).
c) Verstärkung der (berufs- und tätigkeitsbegleitender) Fortbildung in allen Bereichen
der Arbeit mit Jugendlichen, insbes. in Schule, Justiz und Jugendhilfe.
d) Hilfeangebote für Eltern mit Kindern in der rechten Szene.
e) Konzepte sozialpädagogischer Gruppenarbeit mit jungen rechtsextremistischen Straftätern auch und gerade in Justizvollzugsanstalten, - Taten statt Ankündigungen.
f)
Erziehung zu Toleranz und Demokratiefähigkeit ist eine allgegenwärtige Erziehungsaufgabe. Es reicht nicht aus sich mit Jugendlichen (präventiv) zu beschäftigen, wenn
diese Botschaft fehlt. Erwachsene müssen dabei in ihrem Verhalten identifizierbare
Modelle sein.
Kontaktadresse
Runder Tisch gegen Gewalt in Magdeburg
Vorstandsvorsitzender: Klaus Breymann
Seestraße 23a
39114 Magdeburg
Geschäftsführung: Dr. Emcke
Dezernat f. Kommunal- u. Ordnungsangelegenheiten
Jean-Burger-Straße11
39112 Magdeburg
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Wir über uns
“Gewalt in der Schule und was können wir dagegen tun?“
Projekt der Lademann-Realschule Helmstedt
.........
einThema,
Thema,
das
einigen
Jahren
diskutiert
..... ein
das
seitseit
einigen
Jahren
diskutiert
wird. wird.
Jetzt nahmen sich die Schülervertretungen der Lademann-Realschule
und des Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasiums dieses Themas an. „Grenzüberschreitend” fand
dieser Gedankenaustausch in Helmstedt statt. Die Schülervertretung der LademannRealschule mit Unterstützung ihrer Schülerrats-Beraterin Frau Realschullehrerin Sabine Ohlendorf und der Schülerrat des Jahn-Gymnasiums, begleitet von der Vertrauenslehrerin Konstanze Bajerski, wollten einen Tag lang Erfahrungen und Empfehlungen austauschen.
Die Schülersprecherinnen beider Schulen, Anke Müller aus Haldensleben und Anne Schröter
aus Helmstedt, begaben sich mit ihren Gruppen auf Ursachenforschung und arbeiteten die
unterschiedlichen Formen von Gewalt heraus. Dabei wurde deutlich, dass körperliche Gewalt wohl in der Pause, vor allem aber vor und nach dem Unterricht erlebt wird. Der Lösungsvorschlag lautete einmütig: Nicht zuschauen, sondern eingreifen!
Da aber beginnt das Problem. Kein Helfer soll sich selbst gefährden – aber der Spielraum
vor dem Gewaltausbruch muss genutzt werden, wenn die Spirale bei der verbalen Auseinandersetzung beginnt. Ein Bemühen um die „kleinen Schritte” sollte frühzeitig trainiert werden: miteinander reden, vielleicht unter Beteiligung einer „neutralen” Person oder Streitschlichters; das tägliche Miteinander sollte durch Grundregeln, besonders die Anerkennung
der Rechte anderer, bestimmt sein.
- 51 -
1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Dies hat der Schülerrat der Lademann-Realschule vor zwei Jahren schon in einer Präambel
zur Schulordnung festgehalten, und über allem steht ein Schulmotto. Jeder verpflichtet sich
mit einem Schulvertrag nach diesen Grundsätzen zu leben. – Daran muss immer wieder erinnert werden.
Aber wichtig bleibt die Prävention und Solidarität der Gewaltverächter! Dass diese Gruppe
größer wird, darum wollten sich die Schülerräte in ihrem Seminar bemühen und im Schultag
dafür eintreten.
Kontaktadresse
Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasium
Schulstraße 23
39340 Haldensleben
- 14 -
1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Runder Tisch für eine gewaltfreie Stadt; Halle (Saale) – Die Oberbürgermeisterin
Referent: Herr Goswin van Rissenbeck
Was wird im Bereich der Stadt Halle (Saale) zu diesem Thema unternommen?
Der kommunalen Ebene kommt bei gesamtheitlichen präventiven Lösungsansätzen der Gewaltbekämpfung eine besondere Bedeutung und Verantwortung zu. Besonders wichtig ist
dabei die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger. Sie müssen gebündelte Informationen
über Foren und Projekte haben, um Kreativpotential und die Bereitschaft zum Mittun, zur
Entwicklung von mehr Solidarität, möglichst häufig und intensiv, einzubringen. Bei diesen
präventiven Ansätzen hat die Kooperation der Projekte untereinander einen besonderen
Stellenwert. Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit soll einer der Hauptschwerpunkte
in der Arbeit des Präventionsrates gegen Rassismus, Gewalt und Kriminalität -– für Toleranz und Integration in Halle sein.
Prävention ist ein wichtiger Ansatz in der Bekämpfung von Gewalt, Kriminalität und Rassismus.
Ursachen von Gewalt sind auch in den Lebenssituationen der einzelnen Menschen und im
sozialen Klima einer Kommune zu sehen.
Bei der Bekämpfung von Gewalt, Kriminalität und Rassismus reicht der Hinweis auf Zivilcourage nicht aus. Die Stadt Halle trägt im kommunalen Handlungsrahmen ein hohes Maß an
Verantwortung zur Entwicklung von ganzheitlichen, ressortübergreifenden Präventionsstrategien. Durch diesen gesamtgesellschaftlichen Ansatz scheint es am ehesten möglich, global
und lokal bedingte Ursachen und Faktoren für die Entstehung von Gewalt, Rassismus und
Kriminalität anzugehen und zu beseitigen. Dies kann nur durch Partizipation der Bevölkerung
erreicht werden. Die Beteiligung vieler dient dabei auch der Identifikation mit den Präventionsstrategien.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Die Hauptschwerpunkte einer Präventionsstrategie sollen auf folgendes gerichtet sein:
-
Werte von Demokratie und Ethik zu vermitteln.
-
Verständnis für andere Kulturen zu wecken.
-
Tolerantes Miteinander aller Menschen zu fördern.
-
Optimale Bedingungen im Wohnumfeld durch Ausgestaltung öffentlicher Räume und der
Entwicklung von nachhaltigen Stadtteilentwicklungskonzepten zu schaffen.
-
Gegen Extremismus und fanatisches Gedankengut Aufklärung und Bildung zu setzen.
Statistiken zeigen, dass die Kriminalität objektiv sinkt. Dies wird in der Öffentlichkeit und
auch in den Medien kaum wahrgenommen. Das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung ist niedriger, als es objektive Sicherheitsdefizite gibt. Daraus und aus der allgemeinen
Einschätzung resultiert eine hohe subjektive Kriminalitätsfurcht. Ein defizitäres Sicherheitsgefühl zieht in der Regel ein umfassendes Angstgefühl und als Konsequenz einen Rückzug
aus dem sozialen und öffentlichen Leben nach sich.
In der in unserer Gesellschaft geführten Diskussion über Sicherheit und Gewalt besteht Konsens darüber, politischen Extremismus, unabhängig ob linken oder rechten Ursprungs, mit
den Mitteln des Rechtsstaates zu begegnen. Im Gegensatz zur linken Gewalt, die sich gegen
den Staat richtet, der sich wehren kann, richtet sich rechte Gewalt gegen Schwächere und
Minderheiten für deren Sicherheit die Gemeinschaft zu sorgen hat.
Gesamtgesellschaftliche Ursachen für Gewalt, Rechtsextremismus und soziale Unordnung
können nur erfolgreich eingedämmt werden, wo Familie, Schule und alle sonstigen öffentlichen Kräfte in einer funktionierenden Gemeinschaft zusammenwirken. Dabei ist zu betonen,
dass Gewalt, Kriminalität und Rassismus keineswegs ein Jugendproblem ist – es ist ein
Problem, dass alle Generationen betrifft. Deswegen müssen Maßnahmen dagegen auch
breit angelegt werden. Dabei geht es gleichermaßen um Aktionen und um klassische Bildungsarbeit, es geht um Elternbildung und um Jugendbildung, um öffentlich wirksame Kampagnen und um zielgerichtete Weiterbildung mit geeigneten Methoden in geeigneten Zielgruppen.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Unter dem Stichwort, Halle – Sicherheit durch Verantwortung soll als ursachenorientierter
Ansatz durch das Zusammenwirken aller gesellschaftlichen Kräfte das Übel „Gewalt“ an den
Wurzeln gepackt und deren Ursachen angegangen werden. Dies kann allerdings nur dann
funktionieren, wenn die Bürgerinnen und Bürger aktiv in die Verhütungsstrategien einbezogen werden.
Um diese Ziele umzusetzen und ein von Toleranz geprägtes Klima in der Stadt Halle zu erreichen, wird ein Informations-, Bündelungs- und Aktionsgremium installiert. Dies sollte – in
Anlehnung an gelungene Strukturen in anderen Städten und auf Empfehlung des Landes –
ein „Präventionsrat gegen Rassismus, Gewalt und Kriminalität – für Toleranz und Integration“
sein. Deshalb schafft die Stadt Halle eine solch verbindliche Organisationsstruktur. Hier sind
alle gesellschaftlichen Kräfte in einem auf Dauer angelegten Gremium, das zur Erhöhung der
Sicherheit in der Stadt Halle (Saale) beiträgt. Aufgabe ist die Entwicklung von ganzheitlichen,
ressortübergreifenden Präventionsstrategien, die im Zusammenwirken mit den Bürgern umgesetzt werden.
In der Stadt Halle bestehen bereits heute vielfältige Netzwerke, Arbeitsgruppen sowie Kooperationsverbünde, die im direkten Bezug zur Prävention bei Gewalt, Rassismus und Kriminalität stehen. Diese Kooperationen benötigen eine feste Einbindung in kommunale Strukturen sowie konzeptionelle und organisatorische Unterstützung. Dabei ist zu denken an Verbünde wie das „Netzwerk gegen Drogen“, Stadtteilvernetzungsgruppen der Jugendhilfe,
Netzwerk für Migration und Integration, Arbeitskreis Jugendberufshilfe und der Polizeibeirat.
Auf vorhandenen Kooperationen aufbauend regelt der Präventionsrat als ergänzende Struktur eine verlässliche und verbindliche Zusammenarbeit. Der Präventionsrat soll durch Einbeziehung von Beteiligten und Betroffenen als Sachverständigengremium den Meinungsbildungsprozess koordinieren und Stadtrat und Verwaltung beraten.
Die Weiterentwicklung und Stärkung zivilgesellschaftlicher Strukturen ist Schwerpunkt der
Arbeit des Präventionsrates.
Gesellschaftliche Kräfte unserer Stadt sollen in dem auf Dauer angelegten Gremium zur Erhöhung der Sicherheit in der Stadt Halle (Saale) beitragen.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Neben der Netzwerkfunktion, also einem Bündnis für Koordination und Öffentlichkeitsarbeit,
besteht die Aufgabe aus der konkreten Situationsanalyse und sich daraus ergebenden Einschätzungen und Handlungsempfehlungen.
Im Rahmen des bundesweiten Sonderprogramms „Für Toleranz und Demokratie – gegen
Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ wird ein lokaler Aktionsplan
für Demokratie und Toleranz erarbeitet. Dieser Aktionsplan soll Informationen in einem Problem-Atlas und einem Veränderungsplan aufarbeiten, der Handlungsgrundlage für den Präventionsrat sein soll.
Zeitnah soll eine Bestandsaufnahme von Problemen bei Konflikten im sozialen Nahraum
erfolgen. Das Hauptaugenmerk des Aktionsplanes liegt in den Punkten Bürgerbeteiligungsverfahren, soziale und ethnische Integration, öffentlicher Raum, Sicherheit und Gewaltprävention. Diese Themen sollen schwerpunktmäßig sozialräumlich erörtert werden und durch
Beteiligung vieler unterschiedlicher Menschen und Zielgruppen wohnumfeldnah erhoben
werden. Ebenso sollen die Bürger-Ressourcen zur Problembewältigung genutzt werden.
Derzeit laufen die Beteiligungsverfahren vor Ort. Die Abgabe des lokalen Aktionsplanes für
Demokratie und Toleranz beim Fördermittelgeber Ende 2001 wird die Arbeitsgrundlage für
den Präventionsrat sein.
Analysen und Empfehlungen sollen dabei in konkrete Aktionen und Projekte münden. Diese
können öffentlichkeitswirksamen Charakter haben wie die Aktion „Noteingang“ aber auch
demokratiefördernd wie eine Aktion „Demokratie in der Schule“ oder ähnliches sein. Auch die
lokale Umsetzung des „Programm zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder“ in
Sachsen-Anhalt muss in die Arbeit einfließen.
Damit eine breite öffentliche Wahrnehmung und Partizipation erfolgt, wird der Präventionsrat
gemeinsam mit dem Presse- und Werbeamt der Stadt Halle eine Internetplattform als „Netzwerk gegen Rassismus, Gewalt und Kriminalität – für Toleranz und Integration“ initiieren.
Diese Plattform soll eine zeitnahe, offene Kommunikation und Information sicherstellen und
sogleich die Öffentlichkeit informieren. Sie muss sowohl über interne (nur den Mitgliedern
des Präventionsrates vorbehaltene) als auch über externe Zugänge verfügen, um als Organisations- und Vorbereitungsplattform und als Informationsplattform nutzbar zu sein. Darüber
hinaus soll für die Stadt und alle zivilgesellschaftlichen Aktivitäten ein Slogan entwickelt
- 18 -
1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
werden, der sich an der Aussage orientiert „Halle – Die Stadt – gegen Rassismus, Gewalt
und Kriminalität – für Migration und Integration“.
Zusammensetzung des „Präventionsrates“
Interessenvertretungen
Behörden
- Ausländerbeirat
Landgericht
- DGB
Polizeidirektion
- Evangelische Kirche
Staatliches Schulamt
- Initiative Zivilcourage
Stadtverwaltung
- Jüdische Gemeinde
- Katholische Kirche
- LIGA der Wohlfahrtspflege
- Schülerrat/Studentinnenrat
- Seniorenvertretung
Vereine/Einrichtungen
Stadtrat
- Eine-Welt-Haus e. V.
Je Stadtratsfraktion ein Mitglied
- Franckesche Stiftungen
- CDU Stadtratsfraktion
- Martin-Luther-Universität
- PDS Stadtratsfraktion
- Stadtsportbund
- SPD Stadtratsfraktion
- Thalia Theater
- HAL Stadtratsfraktion
- Weißer Ring e. V.
- MBL Stadtratsfraktion
- FDP Stadtratsfraktion
Arbeitsweise
Der Präventionsrat wird durch die Oberbürgermeisterin berufen. Dazu werden die o.g. Institutionen, Behörden und Fraktionen um Benennung eines Vertreters gebeten.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Der Präventionsrat entscheidet selbst über seine Tagungstermine oder wird von der Oberbürgermeisterin aus aktuellem Anlass eingeladen. Er soll einen geschäftsführenden Vorstand benennen und sich eine Geschäftsordnung geben. Er kann Arbeitsgruppen berufen.
Wo wird überregionaler Handlungsbedarf gesehen?
Damit eine breite öffentliche Wahrnehmung und Partizipation erfolgt, ist es notwendig, dass
überregionale Informationen in die oben beschriebenen Informationsschnittstellen einfließen.
Wie die Vergangenheit zeigt, darf aus Sicht der Stadt Halle die Regionalität nicht an Landesgrenzen enden. So werden z. B. Veranstaltungen zeitgleich in zwei Orten angemeldet, um
möglicherweise einen Ausweichstandort zu haben.
Um über gebündelte Informationen zu verfügen, die es auch ermöglichen rechtzeitig Handlungsstrategien zu entwickeln, ist es notwendig, regionale Partner (z. B. den Landespräventionsrat) in die internen Informationsschnittstellen einzubinden.
Die Ursachen von Gewalt sind auch in den Lebenssituationen der einzelnen Menschen und
im sozialen Klima zu sehen. Die Veränderung dieser Lebenssituationen und des sozialen
Klimas ist an vielen Stellen von regionalen Kooperationen oder von der politischen Willensbildung im Land abhängig.
Problembeschreibungen, Handlungsstrategien und Lösungsansätze, die über die örtliche
Zuständigkeit hinaus gehen, müssen über den Landespräventionsrat in die regionalen und
landesweiten Verwaltungsorgane und in die Landespolitik getragen und dort thematisiert
werden.
Kontaktadresse
Runder Tisch für eine gewaltfreie Stadt
- Die Oberbürgermeisterin Marktplatz 1
06108 Halle
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Jugendberatungsstelle Halle
Referent: Herr Dr. Thomas Enke
Pädagogischer Umgang mit rechtsorientierten delinquenten Jugendlichen
in der Jugendberatungsstelle bei der Polizei
Möglichkeiten und Grenzen
Die Jugendberatungsstelle bei der Polizei (JUBP) verkörpert eine institutionalisierte Form der
Kooperation von Polizeiarbeit und Sozialpädagogik in Sachsen-Anhalt.
Durch das Wirksamwerden von JUBP in unmittelbarer Nachbarschaft zum Jugendkommissariat wird eine sofortige sozialpädagogische Unterstützung - in der Regel nach der Vernehmung - ermöglicht. Der Forderung nach einer schnellen und zweipoligen Reaktion auf Jugenddelinquenz wird damit in einer ressortübergreifenden Kooperation konsequent nachgekommen.
Die Maßnahmen sind freiwillig und erfolgen zeitlich befristet. Sie verstehen sich als brückenbauende Intervention und gegebenenfalls Krisenintervention.
Es geht dabei um eine (Rück-)Besinnung auf das Pädagogische, denn die Besinnung auf
Möglichkeiten der Pädagogik, im Umgang mit delinquenten jungen Menschen maßgebliche
Impulse für ein selbstbestimmtes konformes Handeln setzen zu können, ist heute - trotz verstärkter Individualisierung der Lebensverhältnisse - keineswegs selbstverständlich.
Das gilt auch für den Umgang mit rechtsorientierten delinquenten Jugendlichen.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der JUBP in Halle haben langjährige Erfahrungen in der
Arbeit mit solchen, vorwiegend männlichen und häufig als rechts, rechtsradikal oder extremistisch etikettierten Jugendlichen.
Die ihnen zur Last gelegten Straftaten verweisen jedoch kaum auf einen politischen Hintergrund. Es handelt sich bei diesen Jugendlichen entweder um sogenannte Mitläufer in der
rechten Szene bzw. um Anhänger einer rechten Jugendsubkultur. Oder, sie fühlen sich keiner Szene zugehörig, obwohl sie aus ihrer ideologischen Gesinnung keinen Hehl machen.
- 37 1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Allerdings muss auch festgestellt werden, dass Jugendliche, die in rechtsextremistischen
Strukturen organisatorisch fest eingebunden zu sein scheinen, das Beratungsangebot der
JUBP kaum wahrnehmen. Es sei denn, sie hegen die Absicht, aus dieser Szene auszusteigen.
Die rechtsorientierten Jugendlichen, welche Unterstützung annehmen, sind lediglich anpolitisiert, wobei ihre Einstellungen einerseits zunächst als Rechtfertigung für ihr abweichendes
Bewältigungsverhalten dienen. Andererseits bedeuten sie aber auch Halt und Orientierung in
einer für sie als bedrohlich empfundenen Lebenswelt. Sie haben starke Bewältigungsprobleme. Um u.a. davon abzulenken, zelebrieren sie nach außen hin Männlichkeit und Stärke.
Die Sicherheit der Gruppenorientierung und somit auch Gruppenstraftaten sind für sie symptomatisch. Ihnen gemeinsam ist eine mehr oder weniger ausgeprägte Gewaltbereitschaft,
was jedoch nicht heißt, das sie alle durch Gewaltdelikte aufgefallen sind.
Die Totalität ihrer Einstellungen und ihres Verhaltens entsteht aus einer subjektiven Unsicherheit, eine Identität im Sinne traditionell geprägter männlicher Rollenvorstellungen ausbilden zu können. Prägnant ist ihre Angst vor der Zukunft und vor dem persönlichen Scheitern
ihres Lebensplans.
Die Jugendlichen empfinden sich als Außenseiter. Strukturell sind sie es aber mehrheitlich
nicht, denn fast alle sind in Schule bzw. Ausbildung integriert (einige haben bereits einen
Job). Sie haben mit Schule bzw. Lernen allerdings „nicht viel am Hut“. Sie wollen lieber (manuell) arbeiten und schnell Geld verdienen. Dabei wären sie auch mit einfachen, niedriger
bezahlten Jobs zufrieden.
Viele rechtsorientierte Jugendliche sind in bemerkenswerter Weise unverstellt und geben
sich gerade heraus. Sie verstehen Härte und akzeptieren diese auch dann, wenn sie selbst
davon betroffen sind. Allerdings ist es ein Trugschluss, dass Härte als Reaktion auf ihr delinquentes Verhalten allein ausreicht, um bei ihnen gewünschte Verhaltensveränderungen zu
bewirken. Bleibt es bei ausschließlichen Repressionen wird ihre Ohnmacht sogar noch verschärft. Das begünstigt eher gewalttätiges Verhalten als es zu verhindern. Mit Moralisieren
und antifaschistischer Agitation ist den rechtsorientierten Jugendlichen auch nicht beizukommen. Damit werden ihre Einstellungen nur noch verstärkt.
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„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Werden von diesen Jugendlichen Normen verletzt, bei Gewalthandlungen noch der „Kick”
empfunden und keine Schuld zugegeben, weist das auf Bewältigungsmuster hin, deren Wurzeln in der von ihnen als gefährdet erlebten Selbstbehauptung oder Selbstverwirklichung
liegen und zu denen sie momentan keine selbstwertschöpfenden Alternativen haben. Das
erklärt, warum Jugendliche trotz repressiver Polizeimaßnahmen immer wieder in ihre devianten Handlungsmuster zurückfallen.
Das Beratungsangebot der JUBP zielt deshalb vordergründig auf die Unterstützung der Bewältigungsprobleme dieser Jugendlichen. Diese Art der Intervention kann (in Korrespondenz
mit Grenzen setzenden Maßnahmen) verhaltenswirksam sein. Dafür gelten aber bestimmte
Voraussetzungen. Das schließt ein, dass nicht nur die erfolgversprechenden Möglichkeiten,
sondern auch die vorhandenen Grenzen der pädagogischen Einflussnahme gekannt und
akzeptiert werden.
JUBP besitzt mit dem pädagogischen Bezug auf abweichendes Verhalten ein evaluiertes,
erfolgversprechendes Interventionskonzept bei Jugenddelinquenz, das auch bei rechtsorientierten jungen Menschen volle Anwendung findet. Auch sie benötigen nach polizeilichen
Maßnahmen Unterstützung und zunächst - auch wenn es schwer fällt - Verständnis. Nicht für
ihre Tat, sondern für ihre Probleme. Sie müssen Wertschätzung als Mensch erfahren, ohne
jedoch für delinquentes Verhalten Anerkennung zu bekommen. Der pädagogische Bezug
trennt also Person und Delikt.
Insbesondere der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung ist für die Initiierung von bewältigungsrelevanten Veränderungen maßgeblich. Es geht zunächst darum, die Bewältigungsdimension der Tat verstehend zu akzeptieren und gleichzeitig Grenzen aufzuzeigen und als
eigenen Standpunkt zu vertreten. Dieser Vorgang erfolgt (zunächst) nicht auf der Ebene der
rational-kognitiven Bewertung, sondern auf der emotionalen Ebene des Pädagogischen Bezugs (vgl. Böhnisch 1999, S. 183).
Dadurch kann der Druck der Betroffenen „vermindert” werden, sich in ihrer bedrohten
Selbstbehauptung einzuigeln. Damit wird den Jugendlichen überhaupt erst die zumeist befreiende und von Wohlbefinden begleitete Möglichkeit eröffnet, sich den für sie stressverursachenden Konflikten zu stellen, ohne sich dabei schwach fühlen zu müssen.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Erst nachdem diese pädagogische Bezugnahme gelingt, können überhaupt Verhaltenskorrektive besprochen werden. Den jungen Menschen wird gleichzeitig die Gelegenheit zur Anerkennung ihrer „verschütteten” Werte und Stärken gegeben. Die Initiierung von Selbstwertschöpfung ist das „A” und „O” aller pädagogischen Bemühungen.
In der pädagogischen Beziehung vermittelt sich vor allem das Bild des anderen Erwachsenen, dessen Erfahrung die Jugendlichen freiwillig suchen (sollen) und sich davon leiten lassen, wenn sie es für richtig halten.
JUBP versucht also gleichzeitig, abweichendem Verhalten Grenzen zu setzen und sich den
jungen Menschen dennoch einfühlend und wertschätzend zuzuwenden. Ein solcher Bezug
stößt nachweisbar auf Akzeptanz bei den jungen Menschen und führt ihrerseits zu Bemühungen, die Hintergründe für ihr Verhalten zu ergründen und nach effektiveren Alternativen
zu suchen (vgl. Enke 2000). Das ist gerade bei aggressivem Verhalten alles andere als einfach, aber erforderlich.
Die Verhaltenswirksamkeit der pädagogischen Einflussnahme muss aber dennoch als relativ
begrenzt angesehen werden, weil sie auch von Voraussetzungen abhängig ist, die nicht pädagogisch geschaffen werden können.
Es ist zunächst eindeutig festzustellen, dass ein maßgeblicher Faktor für die Annahme oder
Nichtannahme von intervenierenden Maßnahmen die Stressbelastung bei den Betroffenen
ist. Sie müssen mit ihren Bewältigungsmitteln und Ressourcen situativ „am Ende” sein. Erst
wenn die persönliche Handlungsfähigkeit mit all ihren typischen Begleiterscheinungen des
Aufschiebens von und Vorbeimogelns an negativen Konsequenzen subjektiv nicht mehr aufrechtzuhalten ist, werden Verhaltensänderungen in Erwägung gezogen und Hilfen angenommen.
Eine Krise kann nicht von außen „aufgesetzt” werden. Diese Form der psychosozialen Unterstützung ist und bleibt begrenzt und nimmt nicht in Anspruch, die ausschließliche Interventionsform im Problemkreis Jugenddelinquenz zu sein. Außerdem ist sie als Handlungsauftrag
eng an eine andere, insbesondere repressive Intervention (Polizei/Illegalität) geknüpft, die
den destruktiven Handlungen meist zuerst die Grenzen aufzeigt.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Der dadurch in nicht wenigen Fällen entstehende Leidensdruck führt bei den Betroffenen zur
Mobilisation. Das ist ein „begünstigender” Faktor für die Annahme von Hilfen aber noch keineswegs der Garant für eine aktive Beteiligung und erst recht noch nicht für erwünschte Verhaltensänderungen in Bezug auf die Delinquenz.
Die sozialpädagogischen Interventionen müssen deshalb zeitnah (und ortsnah) zum polizeilichen Handlungsvollzug erfolgen, weil die Veränderungsbereitschaft der Menschen in Krisen
außerordentlich groß ist. Mit der Verzögerung dieser Reaktion sinkt die Akzeptanz gegenüber Hilfsangeboten drastisch. Später können die Jugendlichen nicht mehr nachvollziehen,
warum ihnen geholfen werden soll und entziehen sich eigentlich notwendigen Unterstützungen - bis zur nächsten Krise.
Bleibt dieser Teufelskreis unaufgelöst, indem weder Grenzen gesetzt noch für das Verhalten
der Betreffenden subjektiv bedeutsame Alternativen gefunden werden, kann es zur Verfestigung der delinquenten Handlungen kommen.
Betont werden muss auch, dass ein verhaltenswirksamer Einfluss von JUBP sehr beschränkt
bleibt, wenn keine Perspektiven eröffnet werden können, die dem Lebensplan der Jugendlichen gerecht werden (insbesondere Arbeit). Viele der Jugendlichen wollen einen „Schlussstrich“ unter ihre delinquenten Handlungen ziehen, wenn sie eine traditionelle männliche
Rolle einnehmen können oder sich zumindest auf einem sicheren Weg dorthin befinden.
Die pädagogische Intervention bei delinquentem Verhalten von rechtsorientierten Jugendlichen stellt also kein Allheilmittel dar. Das Pädagogische muss aber trotz der genannten Einschränkung als unverzichtbarer Programmteil der Reaktionen auf Jugenddelinquenz verstanden werden (vgl. Böhnisch 1999).
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„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Literatur:
Böhnisch, L.: Abweichendes Verhalten. Eine pädagogisch-soziologische Einführung. Juventa
Verlag Weinheim und München 1999.
Enke, T.: Prozessstrukturen der Jugenddelinquenz. Empirische Beiträge zur Pädagogischen
Kriminologie und Ableitungen für die Interventionspraxis. (Elektronisch veröffentlichte Dissertation) TU Dresden, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) 2000.
Kontaktadresse
Sozialpädagogische Beratungsstelle
für junge Menschen
Dreyhauptstr. 02
06108 Halle
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Landkreis Halberstadt
Referentinnen: Frau Kallenberger; Frau Rodenbach
Thema: „Gegen Rechtsextremismus und Gewalt“
(aus dem Blickwinkel örtlich tätiger Präventionsgremien)
Frage: Was wird (wurde) im eigenen Bereich im Umgang mit diesem Thema unternommen?
a) in der Vergangenheit
1993 Einberufung „Runder Tische gegen Gewalt“
zeitgleich Bildung des Arbeitskreises „Prävention“, dessen Mitglieder die Vernetzung der
vorhandenen Strukturen und Realisierung gemeinsamer Projekte zum Ziel hatten
Mitglieder:
Vertreter(innen) der ▪ Staatsanwaltschaft
▪ Justiz (Jugendrichter)
▪ Polizei (Revierkriminaldienst)
▪ Stadt (Schulverwaltungsamt, Streetworker)
▪ des Landkreises (Ltr. Jugendamt, JGH)
▪ des Sozialen Dienstes der Justiz (Leiterin)
▪ freien Träger des damaligen Schulaufsichtsamtes.
realistische Projekte:
1. ▪ stadtteilorientierte Gemeinwesenarbeit, (2 Stadtteilfeste mit Schülern, Eltern, Lehrern)
▪ Fragebogenaktion mit Sekundarschule zur Bedarfsermittlung
▪ Talkrunde mit Bewohnern und Vertretern der öffentlichen Ämter zur Verbesserung der
Lebenssituation der Bürger
▪ Zusammenarbeit mit „Grauen Panthern“
- 24 1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
▪ Aufstellen einer Tischtennisplatte für Jugendliche im Treff
▪ Unterstützung der Straßensozialarbeit
▪ Einrichten eines Bürgerbüros (wurde leider von den Bürgern nicht angenommen)
Ergebnisse:
▪ Wohnumfeld wurde verbessert (Beräumung durch Ordnungsamt)
▪ Bolzplatz wurde fertig gestellt
▪ Zusammenarbeit zwischen Schule und freien Trägern wurde intensiviert (AWO, Sportjugend)
▪ Schule hat sich geöffnet für Stadtteil (bis heute)
2. ▪ Einrichtung einer Stelle für Suchtprävention
(Präventionsfachkraft mit 50 % Förderung vom Land; 50 % Förderung vom Landkreis
Träger:
ASB Halberstadt, Landkreis
damit Ausbau der Präventionsangebote, u. a. im Rahmen der Projektwochen für
Schulen (regelmäßig)
▪ Angebote für Multiplikatorenfortbildung
▪ Einzel- und Gruppenberatung
▪ Mädchenarbeit „Amazonen-Camp“ (Selbstverteidigung für Mädchen usw.)
▪ Theaterstück „Gewalt im Spiel“ (für ca. 250 Schüler bisher durchgeführt 2000
und 2001)
b) in der Gegenwart
1. Jugendamt
Bei rechtsorientierten Straftaten (Schmierereien, Abspielen von neofaschistischer Musik,
Körperverletzungen usw.) erfolgen am Tatvorwurf
▪ orientierte Gespräche seitens der Jugendgerichtshilfe
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
▪ vertiefende Gespräche und Einzelfallarbeit durch den Verein „Hoffnung e. V.“ Halberstadt
▪ soziale Trainingskurse werden an der Straftat orientiert durchgeführt
▪ Einsatzstellen zur Ableistung von gemeinnützigen Arbeitsstunden werden sorgfältig ausgewählt (z. B. Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge, Asylbewerber-Heim, Museum für
jüdische Geschichte – voraussichtlich im Rahmen internationaler Work-Camps u. a.m.)
Das Jugendamt finanziert über das Feststellenprogramm eine Stelle für integrative Arbeit mit
Kindern von Asylbewerbern und Aussiedlern mit.
Das Jugendamt organisiert Fortbildungsveranstaltungen für Erzieher(innen), Betreuer (innen), Sozialarbeiter(innen) in Jugend- und Jugendhilfeeinrichtungen des Landkreises zum
besseren Umgang mit rechtsorientierten Jugendlichen (Videos, Handbücher) gemeinsam mit
dem Schulverwaltungsamt der Stadt.
2. Stadt Halberstadt
Initiative „Gewaltfreie Stadt“
-
Malwettbewerb
-
Fest der Toleranz
-
Aktion Noteingang
3. Sozialer Dienst der Justiz
-
Projektangebote in Schulen
-
Anti-Gewalt-Training
4. Polizeidirektion – D 12
-
Projekt „Buntes Licht auf braune Schatten“ (hervorragende Resonanz, großes Interesse
von Schülern, sollte weiter gefördert werden vom Land!)
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
5. Sportjugend Halberstadt
(1 Feststelle – Förderung vom Land und Landkreis)
-
Kinder- und Sozialarbeit im sportlich-spielerischen Bereich interessante und zahlreiche
Angebote für Kinder und Jugendliche in der Stadt und auf dem Land, die nicht in Vereinen organisiert sind
-
spürbarer Beitrag zur präventiven Arbeit (z. B. Mitternachts-Sport, „Auch ohne Drogen
oben“ usw.)
6. Schülerhilfe Halberstadt
-
Karikaturen-Wettbewerb 2001/2002 „Anders – na und?“
Thema: Diskriminierung
7. Schulen der Stadt und des Landkreises
-
siehe Anlage
8. Kindertagesstätten der Stadt und des Landkreises
-
Kindertagesstätte „Bummi“ (insges. 125 Kinder)
„Wir reichen den Kindern der Welt unsere Hand“, Jahresprojekt,
trägt Modellcharakter, hervorragende Konzeption!
Hort „Spiegel-Schule“
-
kontinuierliche Arbeit zum Thema „Gewalt, Diskriminierung, Missbrauch“ (Konzept liegt
vor)
Hort „Gröpertor-Schule“
-
Selbstbehauptungs-Kurs für Mädchen „Nein heißt nein“
in Zusammenarbeit mit der Polizei-Beratungsstelle (Konzept liegt vor)
- 27 1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Kommunaler Präventionsrat
Folgende Schulen haben ihre Projekte und Veranstaltungen angezeigt:
Anlage 1
Grundschule „Am Gröpertor“, Halberstadt
-
Gesprächsrunde mit Herrn Schellenberger vom Polizeirevier
Halberstadt zum Thema „Gewalt“
Anlage 2
Grundschule „Am Paulsplan“, Halberstadt
-
Unterrichtsprojekt „Fit und stark durchs Leben“ zur Persönlichkeitsförderung
und zur Prävention von Aggressionen
Anlage 3
Grundschule „Sonnenklee“, Osterwieck
-
Anlage 4
Schulprogramm „Indianern auf der Spur“
Sekundarschule „Freiherr Spiegel“, Halberstadt
-
Auftritt der Tanzgruppe zum zehnjährigen Bestehen der ZAST
-
Teilnahme am künstlerischen Wettbewerb „Halberstadt gegen Rassismus
und Gewalt“
Anlage 5
Sekundarschule „F. L. Gleim“, Halberstadt
-
Anlage 6
Sekundarschule „Am Gröpertor“, Halberstadt
-
Anlage 7
Schulprogramm „Wir lernen für Europa“
Sekundarschule „Stephanie“, Osterwieck
-
Anlage 8
Projekt der 5. Klassen „Miteinander leben“
Schlichterprojekt für 8.-10.Klasse
Sekundarschule „Petri“, Schwanebeck
-
„Arme Welt – reiche Welt – eine Welt“
Projekt mit Gästen aus Senegal
- 28 1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Anlage 9
Berufsbildende Schulen Halberstadt
-
verschiedene Projekte und Veranstaltungen
Anlage 10 Sekundarschule Dedeleben
-
Schlichterprojekt
-
Projekt für „Toleranz und Demokratie“
-
„Buntes Licht auf braune Schatten“
Anlage 11 Grundschule „Goethe“, Halberstadt
-
„Wir helfen Menschen in Not“
-
„Europa – vom Leben der Menschen in unseren Nachbarländern“
-
„Buntes Licht – auf braune Schatten“
Kontaktadresse
Landkreis Halberstadt
Der Landrat
Postfach 1542
38805 Halberstadt
- 49 1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Wir über uns
„Kennst Du das Gefühl, fremd zu sein?“
Projekt des Norbertusgymnasiums
Vorgestellt und erläutert von Schwester Charitona, Norbertusgymnasium
Manche Situationen oder Gegenstände sind selbst für Deutsche
hier im Land fremd.
Eigene Erfahrungen mit der Fremdheit sind ein wichtiger Aspekt, um
Verständnis und Einfühlungsvermögen für Menschen aus anderen Ländern zu gewinnen.
Innerhalb der Projekttage des Norbertusgymnasiums im Herbst 2000 arbeitete eine Gruppe
unter Leitung von Schwester Charitona zu dem Thema: „Was ist Dir fremd“ an der Umsetzung des Themas in vier verschiedenen künstlerischen Genres.
1. Szenen zum Thema „Ausländer“
2. Entwicklung und Erstellung eines Brettspieles mit Aufgaben und thematischen Fragestellungen zum o.a. Thema
3. Erstellung eines Videos zum Thema
4. Fotoausstellung, wobei das Thema nicht nur auf Menschen, sondern allgemein auf
„fremde“ Bauwerke, Einrichtungen (wie z.B. Konferenzräume, Hotel-Suiten usw.), Lebensmittel , Früchte, Bücher ausgerichtet war.
Diese Fotoausstellung war auf der Landespräventionskonferenz ausgestellt.
Die Projektgruppe erhielt den Schülerfriedenspreis des Landes Sachsen-Anhalt.
Kontaktadresse
Norbertusgymnasium
Schwester Charitona
Nachtweide 77
39124 Magdeburg
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Deutscher Kinderschutzbund
Elternkurs: „Starke Eltern – Starke Kinder“
Wege zur gewaltfreien Erziehung
Einleitung
Seit der Änderung des § 1631 Abs. 2 BGB haben Kinder in Deutschland das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Allein die gesetzliche Neuregelung wird Eltern jedoch nicht befähigen,
ihr Erziehungsverhalten zu verändern. Unbestritten ist, dass es zur Umsetzung in die Realität
vielfältiger begleitender Maßnahmen bedarf.
Neben der notwendigen Bekanntmachung des Gesetzes und der damit einhergehenden öffentlichen Diskussion hält der Kinderschutzbund frühzeitige Hilfe und Unterstützung von Eltern für notwendig.
Kinder und Jugendliche erleiden Gewalt in der Familienerziehung, weil Eltern – besonders in
schwierigen Lebenssituationen – sich überfordert und hilflos fühlen und keine Alternativen zu
körperlichen oder seelisch verletzenden Strafen kennen. Als Rechtfertigung wird der Einsatz
von Körperstrafen häufig bagatellisiert – „Ein kleiner Klaps schadet nicht“ – und auch sozial
akzeptiert.
Empirisch belegt sind jedoch die Auswirkungen einer rigiden, strafenden Erziehung:
1. Körperstrafen bewirken, dass Kinder weniger Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl
entwickeln.
2. Über modellhaftes Lernen wird das Fundament zur Anwendung von Gewalt als Mittel der
Konfliktlösung gelegt.
3. Die Anwendung von Körperstrafen in der Erziehung stehen in einem statistisch belegten
Zusammenhang zur Viktimisierung von Kindern durch sexuelle Gewalt.
4. Körperstrafen können zu Misshandlungen mit gravierenden physischen und psychischen
Folgen eskalieren.
5. Ein statistisch relevanter Zusammenhang besteht auch zwischen der Erfahrung von Gewalt in der Familienerziehung und dem aggressiven Ausagieren, z. B. gegenüber Gleichaltrigen in der Schule oder als Gewaltkriminalität.
Zur Verwirklichung des Rechtes der Kinder auf gewaltfreie Erziehung und zur Vermeidung
gesellschaftlicher Folgekosten sind daher Angebote, die Gewaltanwendungen in der Erziehung vermeiden helfen, notwendig und wirksam.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Der Elternkurs des DKSB
Der Elternkurs „Starke Eltern – Starke Kinder“ des Kinderschutzbundes, der ein Modell anleitenden Erziehens vermittelt, bietet Eltern die Möglichkeit, Alternativen zur Anwendung von
Gewalt zu erlernen. In zwölf Kursabenden werden Kenntnisse über die altersgemäße Entwicklung von Kindern, typische Konfliktsituationen und deren Dynamik sowie Methoden des
Aushandelns von Interessen vermittelt. Den Eltern werden nach Bedarf und Interesse praxisnahe Lösungen für den Erziehungsalltag angeboten, die sie sich zunächst selbst erarbeiten. Damit erfüllt der Elternkurs den neu in Artikel 16 des KJHG aufgenommenen Auftrag,
Eltern Wege aufzuzeigen, Konflikte in der Familie gewaltfrei zu lösen.
Der Elternkurs „Starke Eltern – Starke Kinder“ wurde zunächst im Kinderschutzbund Ortsverband Aachen durchgeführt, evaluiert und weiterentwickelt. In einem Pilotprojekt des Bundesverbandes des Deutschen Kinderschutzbundes, finanziert aus Mitteln des Ministeriums
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wurden in Kooperation mit den Landesverbänden
Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen des Kinderschutzbundes acht Trainerinnen ausgebildet. Diese boten auf kommunaler Ebene, in Zusammenarbeit mit örtlichen Gliederungen
des Kinderschutzbundes, Schulungen an, die Multiplikatoren befähigten, Elternkurse unter
Nutzung des Handbuches „Starke Eltern – Starke Kinder“ durchzuführen. Auch in SachsenAnhalt finden solche Elternkurse statt.
Kontaktadresse
Deutscher Kinderschutzbund
Landesverband Sachsen-Anhalt e.V.
Gerhart-Hauptmann-Straße 34
39108 Magdeburg
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt e.V. – Kurzporträt
Im Dezember 1995 gründeten 10 Vereine und bilaterale Freundschaftsgesellschaften die
Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt e.V. (AGSA). Derzeit gehören unserem Interessenbündnis 23 Vereine und Gesellschaften an. Die AGSA orientiert sich in ihrer Tätigkeit an drei
Zielsetzungen:
• Entwicklungspolitische Projekt- und Inlandsbildungsarbeit zur Verdeutlichung globaler
Zusammenhänge
• Unterstützung europäischer und internationaler Begegnung und Zusammenarbeit
• Förderung von Toleranz im Zusammenleben von Migranten und Deutschen sowie der
Integration
Die AGSA ist u. a. Trägerverein für das einewelt haus Magdeburg, in dem im Jahr 2000 ca.
900 Veranstaltungen (die in großer Zahl in Kooperation mit ca. 60 Partnern) mit ca.
19.000 Teilnehmern, Besuchern, Gästen stattfanden.
Schwerpunkte unserer Tätigkeit sind:
• Interkulturelle Bildungsarbeit und entwicklungspolitische Bildungsarbeit für Kinder und
Jugendliche (Schulprojekttage)
• Schulsozialarbeit (innerhalb Landesprogramm Beratung von ca. 70 Projekten, Fortbildungen für Sozialpädagogen, Lehrerinnen, Eltern usw.); Förderung von Eigeninitiative
und Unternehmungsgeist (Schülerfirmen)
• Internationaler Jugendaustausch (jährlich „Eurocamp“ mit ca. 90 TN aus ca. 35 Ländern),
internationale Jugendbildung (Teamerschulungen, Seminare)
• Antirassismusarbeit mit Jugendlichen, insbesondere von Berufsschulen
• Programm- und Projektarbeit zur Integration
• Kulturelle Veranstaltungen (Begegnungen, Ausstellungen, Theater, Musik etc.)
• Politische Bildungsarbeit (Diskussionen, Seminare usw.)
• Vernetzung von kirchlichen Gruppen, Vereinen, Interessenvertretungen usw.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Von Beginn der Tätigkeit an war die AGSA bestrebt, unterschiedliche Alters- und soziale
Zielgruppen mit differenzierten methodischen Arbeitsansätzen und Veranstaltungsformen für
die Chancen und Möglichkeiten zu sensibilisieren, die interkultureller Begegnung innewohnen.
Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung, Rassismus und Rechtsextremismus sind deshalb
Themen, mit denen wir uns seit 5 Jahren auseinandersetzen.
Seit über zwei Jahren suchen wir verstärkt die Zusammenarbeit mit Berufsschulen, um gemeinsam nach tragfähigen und nachhaltigen Formen jugendgemäßer Auseinandersetzung
mit diesen Themen zu suchen. Als eine wirkungsvolle Methode der antirassistischen Arbeit
haben sich die „Braunäugig – Blauäugig“ – Trainings herausgestellt, die speziell dafür ausgebildeten Teamer (eyetoeye) durchführen. Teilnehmende Jugendliche erfahren (über Verstand und Gefühl) die Mechanismen und Wirkungen von Diskriminierung, erörtern teilweise
sehr kontrovers eigenes Verhalten und Prozesse der Denk- und Verhaltensänderung werden
– zumindest – angestoßen.
Die AGSA betrachtet Rechtsextremismus allerdings nicht als ein Problem allein von Jugend.
Struktureller Rassismus findet in Verwaltung und öffentlichem Leben statt, ist in den Medien
wie auch der Politik anzutreffen, ist ein Problem der gesamten Gesellschaft (nicht erst seit
der Debatte darüber im Sommer 2000).
Wir sind deshalb ein aktives Mitglied im „Bündnis gegen Rechts Magdeburg“, engagieren
uns im Rahmen des „Landesweiten Runden Tisches gegen Ausländerfeindlichkeit“, koordinieren und initiieren Aktionen, Veranstaltungen und Projekte z. B. während der jährlichen
„Europawoche“ bzw. der „Woche der ausländischen Mitbürger“.
Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit
Was wird im eigenen Bereich getan?
Die Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt e.V. versteht ihr gesamtes Wirken als Beitrag zur
Beförderung eines toleranten Zusammenlebens von Deutschen und Migranten.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Durch entwicklungspolitische Inlandsbildungsarbeit sind wir bestrebt, die Ursachen von internationalen Konflikten zu beleuchten, über die Hintergründe von Migration zu informieren,
den Beitrag von Entwicklungszusammenarbeit für die gerechtere Verteilung von Reichtum
und für faire Rahmenbedingungen im Welthandel darzustellen (Entschuldungskampagne
Erlassjahr 2000, fairer Handel, Rüstungsexporte und Kriege).
Hierbei leisten auch die entsprechenden Mitgliedsvereine der AGSA e.V. wertvolle Beiträge
(Klein- und Kunstprojekte von NGO´s, faire Kredite für Kooperation durch oikocredit, Fortund Ausbildung von Fach- und Führungskräften durch DSE und CDG).
Dem Aufbau und der Pflege europäischer bzw. internationaler Partnerschaften, insbesondere durch persönliche Beziehungen und durch Einblicke in Kultur, Wirtschaft und gesellschaftliches Leben, widmen sich die bilateralen Freundschaftsgesellschaften, von denen 11 Mitglieder in der AGSA sind.
Auf dieses Ziel sind aber auch Jugendbegegnungen, internationale Jugendbildungsseminare
bzw. zahllose Aktivitäten z. B. während der jährlichen Europawoche gerichtet. (Chancen und
Probleme der Osterweiterung der EU, Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt usw.)
Die AGSA und die entsprechenden Mitgliedsvereine leisten aber auch direkte Beiträge zur
Integration von Zuwanderern (Gründung entsprechender Interessenvertretungen, Kooperation mit Ausländerbeirat, Schulprojekttage, Mitwirkung in politischen Debatten zu Integration und Zuwanderung).
Beispielhaft und stichwortartig dafür in 2001:
• 10. Eurocamp in Sachsen-Anhalt (internationale Jugendbegegnung über 80 TN aus 34
Ländern).
• Französisch – Polnisch – Deutsche Begegnung für benachteiligte Jugendliche.
• Träger der Arbeitsstelle Schule und Jugendarbeit im Rahmen von „Schulsozialarbeit in
Sachsen-Anhalt“.
• Ausbildung von jungen Teamern und Durchführung von Schulprojekttagen im Rahmen
des Kooperationsprojektes „Toleranz und Demokratie“ mit DGB – Jugend und LKJ.
• Durchführung von Antirassismustrainings „Blueeyed – Browneyed“ insbesondere an Berufsschulen.
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„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
• Fortbildungen für Lehrerinnen, Sozialarbeiterinnen und andere Multiplikatoren zum Thema
„Konfliktverhalten“ usw..
• Landesweite Koordination der Europawoche in Sachsen-Anhalt und Leitung der Magdeburger Initiativgruppe zur „Woche der ausländischen Mitbürger“.
• Unterstützung von Vereinen und Initiativen (Menschen(s)kinder e.V., Ausländerbeirat
Magdeburg) und Mitwirkung in entsprechenden Netzwerken (Landesweiter Runder Tisch
gegen Ausländerfeindlichkeit, Bündnis gegen Rechts MD, Aktion „Noteingang“ MD).
• Trägerschaft für das einewelt haus Magdeburg als „Ort der Begegnung“, als Ort eigener
Veranstaltungen und logistischer Hilfe für NGO´s, Schulen, Kirchen usw..
• Antrag im Rahmen des Bundesprogramms „XENOS – Leben und Arbeiten in Vielfalt“ zur
Errichtung einer Arbeitsstelle „Jugend – Beruf – Demokratie“.
¾
Wo wird regionaler und überregionaler Handlungsbedarf gesehen?
• Sicherung bzw. Herstellung der kontinuierlichen und langfristigen Handlungsfähigkeit von
Vereinen, kleinen Initiativen und deren Partnern (ideelle und finanzielle Unterstützung).
• Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit keinesfalls auf
Jugend fokussieren.
Struktureller Rassismus ist in allen Bereichen von Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Schule
usw. vorhanden!
• Aktueller denn je, gerade nach den Terror-Anschlägen in den USA: Verfolgung und Bestrafung von Terroristen, aber keine „Verteufelung“ von Religionen oder Ethnien zulassen!
• Die Art und Weise, wie die Debatte um „Integration und Zuwanderung“ durch Politik, Medien, Gesellschaft geführt wird, entscheidet auch darüber, wie tolerant unsere Gesellschaft in Zukunft wirklich sein wird.
Kontaktadresse
Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt
einewelt haus
Schellingstraße 3-4
39104 Magdeburg
1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Impressum
Herausgeber:
Landespräventionsrat Sachsen-Anhalt
Geschäftsstelle
Innenministerium des Landes Sachsen-Anhalt
Halberstädter Str. 1-2 / am „Platz des 17. Juni“
39112 Magdeburg
Tel.: (0391) 567 - 5210
Fax.: (0391) 567 - 5280
Nachdruck bzw. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit Quellenangabe und mit
Genehmigung des Herausgebers.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Wir über uns
„Buntes Licht auf braune Schatten“
Präventionsprojekt der PD Halberstadt
gegen
für
™ Rechtsextremismus
ϖ Demokratie und
™ Gewalt
ϖ Toleranz
ϖ Fremdenfeindlichkeit
Vorbemerkung:
Fast kontinuierlich erreichen die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes Meldungen über
rechtsextremistische und fremdenfeindliche Gewaltstraftaten. Rechtsradikale Parteien wie
die NPD stehen plötzlich im Rampenlicht täglicher Medienberichterstattungen. Komplexe
Ursachenverknüpfungen wie soziale Unsicherheit, Politikverdrossenheit etc. werden öffentlich kontrovers diskutiert, nach strengeren Gesetzen und der Polizeigerufen. Neben der
Strafverfolgung hat die Polizei auch die immens wichtige Aufgabe der Gefahrenabwehr, so
dass gerade im Bereich der Kriminalprävention gegen Rechtsextremismus, Gewalt und
Fremdenfeindlichkeit Maßnahmen ergriffen werden müssen. Wenn Jugendliche Handlungsunsicherheiten, Vereinzelungs- und Ohnmachtserfahrungen nicht bewältigen können, immer
mehr individuelle Handlungsmöglichkeiten geboten werden, andererseits eine immer größere
Herauslösung aus sozialen Zusammenhängen erfolgt, wächst der Nährboden für Gewalt –
insbesondere „von rechts“. Ausländer werden von Jugendlichen angegriffen, ohne dass eigene Erfahrungen mit Ausländern vorhanden sind – der eigene Erregungszustand wird durch
ideologisch gesteuerte Sündenbocksuche erklärbar gemacht.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Ohnmachtserfahrungen, Handlungsunsicherheit und Vereinzelung werden mit dem letzten
Zugehörigkeitsangebot wie Rasse, Nation und Hautfarbe verknüpft. Die Jugendlichen finden
sich in Gruppen Gleichgesinnter, d.h. gleichermaßen von der Gesellschaft Benachteiligter
zusammen. Die Identifikation mit der Gruppe bietet Sicherheit, Zugehörigen, Akzeptanz und
Stärke, die von den Gruppenmitgliedern nach außen demonstriert wird. „Rechts läuft in erster Linie nicht über die Attraktivität rechter Parolen, sondern über die Gewaltakzeptanz im
Alltag.“ (Heitmeyer)
Die Bekämpfung rechtsradikaler und rechtsextremistischer Einflüsse bedarf daher einer Strategie, deren erstes Ziel die Schaffung eines Klimas für Toleranz und Demokratie ist. In
diese Richtung soll auch dieses Projekt weisen.
Der Jahresbericht für 2000 im polizeilichen Staatsschutz der Polizeidirektion Halberstadt
weist deutlich die Richtung für den Ansatz präventiver Maßnahmen und Projekte – insbesondere die Alterstruktur der jugendlichen und heranwachsenden Täter im Bereich rechtsextremistisch, fremdenfeindlich und antisemitisch motivierter Straftaten lässt erkennen, wie
wichtig die Einflussnahme auf Jugendliche ist. Diese Erhebungen belegen, dass präventive
Bemühungen zur Verhinderung rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher Straftaten gerade an Jugendliche gerichtet werden müssen.
In der Altersgruppe der 13 bis 14 Jährigen erfolgten erste Orientierungen hinsichtlich der
Gruppenzugehörigen und der damit oftmals verbundenen politischen Einstellung. Im Alter
von 15 und 18 Jahren können sich diese Einstellungen wandeln – hier sei an Schulwechsel,
Ausbildung etc. gedacht, wenn sich zuvor etablierte Gruppen auflösen oder neu bilden. Erfahrungen der mit Jugendlichen arbeitenden Berufsgruppen wie Sozialarbeiter und Polizisten, bestätigen die Wichtigkeit und Möglichkeit positiver Einflussnahme auf die genannten Altersgruppen.
Besonders Kinder und Jugendliche sollen auch mit Hilfe des Projektes so erzogen werden,
dass sie sich mit den Problemen des Rechtsextremismus und der Fremdenfeindlichkeit auseinandersetzen und ein Bewusstsein für ein demokratisches Miteinander entwickeln sowie
sich mit der deutschen Geschichten, hier der NS-Vergangenheit, beschäftigen.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Das Projekt soll dazu beitragen, Kinder und Jugendliche von der Gefahr des Rechtsextremismus zu überzeugen, positive Alternativen des täglichen Umganges mit anderen zu erarbeiten und eine deutliche und sichtbare Distanz zu Fremdenfeindlichkeit und Gewalt zu bewirken.
Intention des Projektes:
Das Präventionsprojekt „Buntes Licht auf braune Schatten“ möchte unterschiedliche Ursachen rechtsradikaler Gewalt aufzeigen und zu Alternativen jugendlichen Verhaltens anregen, Geschichtskenntnisse insbesondere zum deutschen Nationalismus vermitteln bzw. vertiefen. Mut machen, gemeinsam Handlungshilfen im Umgang mit Gewalt zu entwickeln,
künstlerisch darzustellen sowie im Rollenspiel zu erproben. Erfahrungen zu Akzeptanz und
Diskriminierung in Form von Rollenspielen verarbeiten und auswerten, neue Zugänge zum
zwischenmenschlichen, toleranten Umgang miteinander vermitteln und Möglichkeiten zur
gewaltfreien Lösung von Konflikten bzw. der Übernahme von Verantwortung für andere anbieten, eine Auseinandersetzung der Jugendlichen mit dem Thema auf künstlerische, intellektuelle und emotionale Art anregen.
Aufbau des Projektes:
Das Projekt soll in mehreren Stufen absolviert werden. Dabei soll bewusst eine Steigerung
der Ansprüche an das eigene Verhalten der Teilnehmer, eine Vertiefung demokratischen
Verständnisses, zunehmende Handlungssicherheit im gewaltlosen Lösen von Konflikten,
eine themenbezogene Reflexion des persönlichen Alltags, eine neue Erfahrung im Umgang
mit der deutschen Geschichte und die aktive Auseinandersetzung mit dieser, erreicht werden.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Gliederung:
1. Anfertigung von Bildern, Fotos, Collagen etc.
zum Thema durch die jeweilige Schulklasse
Nach einer kurzen Begrüßung und Einführung durch die das Projekt begleitenden Polizeibeamten fertigen die Schüler gemeinsam im Klassenverband ein Exponat unter Anleitung und
Aufsicht des jeweiligen Lehrers. Kreative Ideen werden gesammelt und zusammen umgesetzt. Neben der intellektuellen Beschäftigung mit dem Thema wird das Gemeinschaftsgefühl
der Schüler gefördert, eine relative Auseinandersetzung durch manuelle Tätigkeiten begonnen. Einen Ansporn zur qualitativ anspruchsvollen, d.h. durchdachten und nachvollziehbaren
kreativen Arbeit, soll die Prämierung der besten Exponate und die anschließende Wanderausstellung in verschiedenen Räumlichkeiten in den fünf Landkreisen bieten.
2. Gesprächsrunde mit Lehrern und Polizeibeamten, Erläuterung des Themas,
Auseinandersetzung mit strafrechtlichen und gesellschaftlichen Aspekten, Diskussion
zu themenbezogenem Video:
Der Bereich rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher (Gewalt-) Straftaten umfasst einige
„typische“ Straftatbestände wie Sachbeschädigung, Beleidigung, Körperverletzung / Gefährliche Körperverletzung / Schwere Körperverletzung, Bedrohung, Landfriedensbruch, Volksverhetzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen etc. Durch die
anwesenden Polizeibeamten sollen den Schülern diese Straftatbestände unter Bezugnahme
auf den Alltag mit den strafrechtlichen Konsequenzen erläutert, verbotene Kennzeichen und
Symbole mit Hinweis auf den historischen Kontext benannt und eine Reflexion der TäterOpfer-Beziehung vorgenommen werden. An dieser Stelle wird ein präventiver Effekt durch
Erläuterung repressiver Maßnahmen angestrebt. Die Veranstaltung soll mit dem Video „Haltet sie auf!“ weitergeführt werden.
Das Video zeigt in nur sieben Minuten den Werdegang eines Skinheads und die für ihn und
andere Personen entstandenen Konsequenzen auf sehr prägnante und emotional berührende Weise.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Eine Diskussion zum Video soll gemeinsam mit Lehrern, Schülern und Polizeibeamten erfolgen und baut auf die zuvor erlangten Kenntnisse zu der Strafbarkeit und der Täter-OpferBeziehung auf.
3. Rollenspiele unter Anleitung von Sozialpädagogen mit dem Ziel, eine gewaltfreie Lösung
von Konflikten sowie verantwortungsbewusstes und tolerantes zwischenmenschliches
Verhalten zu fördern.
Sozialpädagogen der JUBP bzw. anderer Partner (Jugendschutzbeauftragte der Landkreise)
führen mit den Schülern verschiedene Rollenspiele zum Erkennen und Benennen von Emotionen und Verhaltensweisen sowie zum gewaltfreien zwischenmenschlichen Umgang in
Vorbereitung des Workshops „Blauauge/Braunauge“ durch.
Anschließend nehmen die Schüler am Workshop „Blauauge/Braunauge“ teil. Dieser wird von
einem professionellen Trainerteam angeboten, um eine für alle Beteiligten zu verarbeitende
Erfahrung mit entsprechender Nachbereitung zu ermöglichen. In dem Workshop werden die
Teilnehmenden nach einem willkürlich körperlichen Merkmal in zwei Gruppen aufgeteilt – in
Braunäugige und Blauäugige. Die Braunäugigen werden für besser und intelligenter erklärt
und mit Privilegien ausgestattet, die den Blauäugigen vorenthalten werden, indem sie als
schlecht, minderwertig und dümmer abqualifiziert werden. Viele der Blauäugigen spüren in
dieser Übung erstmalig, was es heißt, aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten
Gruppe, diskriminiert zu werden und zu denen zu gehören, die nie gewinnen können. Sie
werden so behandelt, wie die Gesellschaft Einwanderer und Farbige behandelt, aber auch
Frauen und Personen, die nicht der „Norm“ entsprechen. Die Workshopteilnehmer erfahren,
wie alltäglicher Rassismus und Machtstrukturen funktionieren und welche Auswirkungen diese sowohl auf die Betroffenen als auch auf diejenigen haben, die diskriminieren oder Diskriminierung zulassen. Die Teilnehmer werden mit eigenen Vorurteilen und ihrer Verantwortlichkeit zur Bekämpfung von Rassismus konfrontiert. Es werden Einblicke in die Formen subtiler Rassismen und notwendige Veränderungen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene gegeben.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Diese Übung vermittelt die Fähigkeit des emotionalen Lernens. Der Workshop wurde von der
amerikanischen Grundschullehrerin Jane Elliott entwickelt. Ursächlich war die Ermordung
Martin Luther Kings und Mrs. Elliott musste ihren rein-weißen, rein-christlichen Schülerinnen
in einer rein-weißen, rein-christlichen Dorfgemeinde in den USA die Ursachen für diesen
Mord erklären.
Der alte indianische Spruch: „Oh großer Geist, bewahre mich davor, je einen anderen zu
verurteilen, bevor ich nicht eine Meile in seinen Mokkasins gelaufen bin“ verdeutlicht die Ziele des Workshops. Sie entschied sich, ihren Schülerinnen die Möglichkeit zu geben, eine
Weile in den Mokkasins von jemanden zu laufen, der in dieser Gesellschaft nicht weiß und
nicht christlich ist. In den nächsten 20 Jahren wurde die Übung in Grundschulen, weiterführenden Schulen und schließlich aufgrund großer Nachfragen bei Erwachsenen angeboten.
Heute führt sie die Übung mit einer Reihe (großer) Firmen und Institutionen durch, darunter
der US-Armee, dem Geheimdienst, Feuerwehrwachen, Bell West und Universitäten, Europäische Trainerteams, darunter in Deutschland, haben diese Übung übernommen und führen diese professionell durch.
Der Workshop bietet sowohl eine langfristige Reflexion bzw. Änderung rassistischen Verhaltens, bereitet jedoch gleichzeitig auf das Gespräch mit einem Zeitzeugen und Opfer aus
der NS-Vergangenheit vor. Es ist zu vermuten, dass der Workshop auch das Verhalten und
die Empathie der Schüler gegenüber dieser Person positiv beeinflusst und eine Auseinandersetzung mit der Geschichte des Dritten Reiches in der „gewünschten“ Form ermöglicht.
4. Gesprächsrunde mit Zeitzeugen der NS-Vergangenheit mit dem Ziel,
Geschichtskenntnisse zu festigen und eine emotionale, persönliche Auseinandersetzung
jedes Teilnehmers mit dem Thema zu erreichen und gleichzeitig das Vertrauen in die
Demokratie zu stärken.
Den Schülern soll die Gelegenheit geboten werden, deutsche Geschichte anhand eines persönlichen Schicksals kennen zu lernen und kritisch zu hinterfragen.
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„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Die Möglichkeit, einer Person, die diese Zeit erlebt bzw. überlebt hat, gegenüber zu treten,
Fragen zu stellen und somit Geschichte authentisch nachzuvollziehen, soll sowohl für die
Schüler eine persönliche Bereicherung darstellen, als auch aktiv Geschichtskenntnisse vermitteln und die Fähigkeit des emotionalen Lernens und der emotionalen Auseinandersetzungen mit dem Thema festigen.
5. Gemeinsamer Besuch einer Mahn- und Gedenkstätte als Abschluss des Projektes
unter der Voraussetzung, dass die Bedeutung solcher Gedenkstätten erkannt und
gewürdigt wird
Nachdem die Schüler die einzelnen Abschnitte des Projektes mit ständig wachsendem intellektuellem und emotionalem Anspruch durchlaufen haben, wird eine Mahn- und Gedenkstätte besucht. Auch der Gedenkstättenbesuch dient der Vermittlung bzw. Vertiefung historischer Kenntnisse und soll wiederum eine emotionale Berührung der Schüler und deren Abwendung von rassistischem und nationalsozialistischem Gedankengut bewirken.
6. Auswahl der besten Exponate aus der Gesamtheit aller Schulklassen, Prämierung
durch eine Jury und wechselnde Ausstellung dieser Arbeiten in geeigneten
Räumlichkeiten nacheinander in allen fünf Landkreisen im Zuständigkeitsbereich der
Polizeidirektion Halberstadt
Am Ende des Projektes, also des laufenden Jahres, werden die von den Schülern entwickelten Exponate in öffentlich zugänglichen Räumen ausgestellt. Die besten Exponate werden von einer Jury ausgewählt und die jeweilige Klasse mit einem Preis ausgezeichnet.
Durchführung des Projektes:
Das Projekt „Buntes Licht auf braune Schatten“ soll je nach Resonanz im Jahr 2001/2002
mehrfach an verschiedenen Schulen im Bereich der Polizeidirektion Halberstadt jeweils verbunden mit einem abschließenden Besuch der Mahn- und Gedenkstätten Langenstein-Zwieberge oder des ehemaligen KZ Dora bei Nordhausen, durchgeführt werden. Es umfasst ca.
25 Unterrichtseinheiten (á 45 Minuten) pro Schulklasse und wird mit ca. 25 TeilnehmerInnen
durchgeführt. Die geplante Unterrichtszeit ist variabel.
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1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Das Projekt eignet sich für Schüler im Alter von 13 bis 17 Jahren. Die LehrerInnen übernehmen während der konkreten Durchführung des Projektes eine Beobachterrolle, sind aber
aktiv an der Vor- und Nachbereitung beteiligt.
Zur Vorbereitung
Nach einem Vorgespräch mit der jeweiligen Schulleitung wird ein Termin für eine Gesamtkonferenz mit dem Schulkollegium, MitarbeiterInnen, Schulelternrat und SchülerInnenvertretern angesetzt. Eventuell in Frage kommende Räumlichkeiten werden besichtigt und die vorhandenen technischen Voraussetzungen geprüft. In der Konferenz wird den Anwesenden
das Projekt „Buntes Licht auf braune Schatten“ vorgestellt. Nach Klärung von Sachfragen zur
Durchführung (Termin, Klassenstärke, Alter der Schüler etc.), Finanzierung und Beteiligung
wird ein weiterer Termin mit der Schule/dem jeweiligen Lehrer vereinbart, um das Projekt
konkret vorzubereiten. Eine intensive Vorbereitung der Schüler durch die Lehrer ist insbesondere zur Vermittlung historischer Fakten zur deutschen Geschichte für die Zeit von 1933
bis 1945 notwendig, da die verschiedenen Altersgruppen der Schüler auch unterschiedliche
Lehrpläne im Geschichts- bzw. Sozialkundeunterricht erwarten lassen.
Kontaktadresse
PD Halberstadt
Theaterstraße 6
38820 Halberstadt
1. Landespräventionskonferenz
„Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“
Inhaltsverzeichnis
Programm
Eröffnungsrede des Vorsitzenden des Landespräventionsrates
Sachsen-Anhalt Herrn Dr. Rainer Holtschneider
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Redebeiträge
Förderverein „Initiative sichere Stadt Egeln e.V.
Landeshauptstadt Magdeburg; Kriminalpräventiver Beirat
Runder Tisch für eine gewaltfreie Stadt; Halle (Saale)
Runder Tisch gegen Gewalt in Magdeburg; Präventionsrat
Landkreis Halberstadt
Landeszentrale für Politische Bildung Sachsen-Anhalt
Jugendberatungsstelle Dessau
Jugendberatungsstelle Halle
Landesstelle Kinder- und Jugendschutz Sachsen-Anhalt e.V.
Markt der Möglichkeiten
Kreisjugenddiakonie Blankenburg „Schritte gegen Tritte“
Norbertusgymnasium Magdeburg „Kennst Du das Gefühl, fremd zu sein?“
Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasium „Gewalt in der Schule und was können
wir dagegen tun?“
PD Halberstadt „Buntes Licht auf Braune Schatten“
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Seite 49
Seite 50
Seite 52
Anhang
Die folgenden Beiträge wurden mit der Bitte um Veröffentlichung in der
Geschäftsstelle des Landespräventionsrates eingereicht.
Deutscher Kinderschutzbund – Elternkurs „Starke Eltern – Starke Kinder“ Seite 60
Landesstelle Kinder- und Jugendschutz e.V. – Kürzung von Mitteln
Seite 62
Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt e.V. - Kurzporträt
Seite 64
In eigener Sache – Geschäftsstelle des Landespräventionsrates
Seite 68