Parentales Engagement

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Parentales Engagement
Parentales Engagement. Mütter und Väter im Vergleich1
Wolfgang Walter und Jan Künzler
Some people ... are still genuinely amused by the idea of men changing diapers. It’s hard to
remember that not too long ago, fathers weren’t big diaperers. As we approach the millenium,
however, no guy – unless he’s been cryogenically frozen since 1957 – can possibly get away with
not changing diapers. Having said that, the instinct within men to throw the job over to women is
alive and well. One night, we were sitting around the house with some friends, enjoying a
Sunday afternoon, His Royal Infantness playing happily on the floor nearby. Suddenly, a
powerful aroma, not unlike that of a construction site Porta Potti, permeated the room. And
someone had to change it. In theory, I wouldn’t presume for a second that it necessarily would
be my wife’s responsibility, but nonetheless, I turned to my wife and said, „Honey …?,“ the
implication unmistakably being, „Take care of that, would you?”
My wife, interestingly enough, was giving me the very same look. And it is here that you learn
the three words that become the chief verbal staple of any household with a baby: It’s your turn.
This phrase is the theme song of any marriage once it goes from Two to Three. „I just changed
him twenty minutes ago … It’s your turn.” „I’ve been watching him all day. It’s your turn!” „I
simply cannot stand up; it’s your turn!”
Paul Reiser, Babyhood
Abstract
Parentales Engagement besteht aus gemeinsamen Aktivitäten mit Kindern.
Nach der Diskussion von Forschungsthemen, der Datengrundlage und des
theoretischen Hintergrunds der Studie wird eine multivariate Analyse
(sequentielle OLS-Regressionen) parentalen Engagements vorgelegt.
Analysiert werden die Daten einer repräsentativen telephonischen Befragung,
die im Jahre 2000 in 3001 Haushalten in Deutschland durchgeführt wurde.
Die weitgehende Zuschreibung von Kinderbetreuungsaufgaben an die Mütter
macht diese zu rationalen Zeitbudgetmanagerinnen, während für Väter bei
verfestigter Ernäherrolle Kinderbetreuung eher eine Kür darstellt. Der
Schlußteils behandelt Folgerungen für die Zukunft der Kinderbetreuung.
1
Einleitung
Windeln wechseln, Kinder trösten, den Brei füttern, Verantwortung für ein
Kind übernehmen – auch einen ganzen Tag lang. Sollen das Väter können
1
Dieser Beitrag entstand im Projekt „Familiale Arbeitsteilung in der Europäischen Union“,
das am Lehrstuhl für Soziologie der Universität Würzburg als Gemeinschaftsprojekt mit
dem Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg durchgeführt wird. Die
Studie der Antragsteller Wolfgang Lipp, Jan Künzler und Wolfgang Walter wird durch die
Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert (Kz.: Li 350/3-1 und Wa991/3-1). Die durch
das Institut für angewandte Sozialwissenschaft (Infas), Bonn, durchgeführte Umfrage bildet
die Grundlage für den hier verwandten Datensatz. Das Projekt ist Teil des European
Network on Policies and the Division of Unpaid and Paid Work, das durch die Universität
Tilburg koordiniert wird. In einem weiteren Schritt wird der deutsche Datensatz Gender
Division of Labour in Germany in einen europäischen Datensatz eingehen, um
vergleichende Analysen zu ermöglichen.
erschienen in: Matthias-Bleck, Heike; Schneider, Norbert (Hrsg.),
Elternschaft heute, Sonderheft der Zeitschrift für Familienforschung, Bd.1,
Opladen: Leske + Budrich
Pfad/Datei: c:\dokumente und einstellungen\wolfgang walter\eigene dateien\04 publikationen\papers\papers2001\p01-02\p01-02n5.doc - Autor: Wolfgang
Walter - Stand: 19. Oktober 2001
2
und tatsächlich auch tun? Es wird weitgehend angenommen, daß auch Väter
alle Aufgaben der Kinderbetreuung übernehmen sollen. Die Einstellungen
haben sich geändert, und dieser Einstellungswandel ist eine der bedeutenden
Veränderungen der Elternschaft in modernen Gegenwartsgesellschaften.
Doch hat sich auch die Praxis geändert? Daß die Vaterrolle überhaupt
verhandelbar geworden ist, führt zu komischen Situationen, wenn
Einstellungen und Wirklichkeit aufeinandertreffen (s.o.), während sich für die
sozialwissenschaftliche Analyse zwei Konsequenzen ergeben.
Erstens: Wenn das normative Konzept der Vaterrolle sich dem der
Mutterrolle angeglichen hat, geht Elternschaft unterschiedslos in
Mutterschaft auf. Mütter sind Menschen, die das tun, was Kinder brauchen.
Väter haben in diesem Szenario keine eigenständige soziale Position im
familialen Beziehungsgefüge. Sie werden an dem Engagement der Mütter
gemessen und sollen sich an ihrem Vorbild orientieren. Das Verschwinden
der Vaterrolle (Walter 2001) wurde bereits von Alexander Mitscherlich
(1970) beschrieben. Diese vor allem in der Psychoanalyse kritisierte
Androgynität der Elternrolle – Jörg Bopp (1984) spricht von den „Mappis“ –
geht auf die zunehmende Emotionalisierung und Intimisierung der
Familienbeziehungen zurück, gegenüber der die traditionelle Vaterrolle, die
Autorität, Ordnung und die Orientierung an den universellen Normen der
Gesellschaft in die Familie einbringen soll, zurücktritt.
Zweitens: Es ist zu klären, ob sich das normative Modell der feminisierten
Elternrolle in sozialem Handeln realisiert oder ob sich nur ein oberflächlicher
Wandel der Vorstellungen über Elternschaft verzeichnen läßt. In welchem
Maße ist Elternschaft noch differentiell identifizieren, unterscheiden sich
Väter von Müttern?
Dieser Beitrag wird beide Konsequenzen in einem Forschungsdesign
berücksichtigen, das der Beantwortung der Frage dient, welche Unterschiede
zwischen Frauen und Männern in der Kinderbetreuung und den Aktivitäten
mit Kindern bestehen und wie diese Unterschiede zu erklären sind. Diese
Tätigkeiten für und mit Kindern werden entsprechend der Konventionen der
Elternschaftsforschung als parentales Engagement bezeichnet. Sie ist neben
der Präsenz und der Verantwortlichkeit der dritte Teilbereich der elterlichen
Beteiligung (involvement, s. Lamb et al. 1987). Da parentales Engagement als
zeitliche Beanspruchung der Eltern im direkten Kontakt mit ihren Kindern
quantitativ meßbar ist, wird sie in Zeitbudget-Studien auch als primäre Zeit
für Kinder von der sekundären Zeit der gemeinsamen Anwesenheit
unterschieden (Bryant/Zick 1996b). Diese Meßbarkeit des zeitlichen
Aufwands macht parentales Engagement auch so geeignet für vergleichende
sozialwissenschaftliche Analysen. In diesem Beitrag werden wir zunächst
vier Themen der relevanten Forschung diskutieren sowie die Datengrundlage
3
und den theoretischen Hintergrund der Studie darstellen. Der Hauptteil
besteht in einer multivariaten Analysen der Bestimmungsgründe parentalen
Engagements. Die Überlegungen des Schlußteils richten sich auf die
Folgerungen für die die Praxis der Elternschaft.
2
Differentielle Elternschaft
2.1 Elternschaft als Prozeß
Im angelsächsischen Sprachgebrauch wird unter „parenting“ der
Prozeßcharakter von Elternschaft verstanden, der vor allem in der
Familiengründungsphase und der Phase mit kleinen Kindern untersucht wird
(Belsky/Rovine 1984). Es sind zwei zusammenhängende Themen, die hierbei
im Vordergrund stehen, die Spezialisierung der Eltern auf bestimmte
Tätigkeiten einerseits, die Veränderung der Paarbeziehung andererseits.
Der Standardbefund zum erstgenannten Thema schreibt Müttern und Vätern
jeweils charakteristische Formen des Umgangs mit Kindern zu: ausgedehnte
Phasen der Sorge für Kinder vs. vereinzelte Episoden der Gemeinsamkeit
(LaRossa/LaRossa 1981), emotionale Unterstützung für Kinder aller
Altersgruppen vs. altersdifferenziert leistungsorientierte und beratende
Interaktionen mit den älteren, spielerischer Kontakt mit den jüngeren Kindern
(Thompson/Walker 1989, 861), Schwerpunkte in den sog. „funktionalen“
Aktivitäten der Kinderbetreuung, der Interaktion, Zugänglichkeit und
Verantwortlichkeit vs. Schwerpunkte im gemeinsamen Spielen
(McBride/Mills 1993). So einleuchtend dieses Überlastungs-/Defizitmuster
der Arbeitsteilung (Marsiglio et al. 2000, 1176) oder „Rosinenmodell“
väterlicher Beteilung (Rerrich 1990, 162f) ist, die Vielzahl von
Einzelbefunden qualitativer Studien fügt sich nicht zu einem einheitlichen
Bild, da mit differenten Fragestellungen, kleinen Stichproben und
eingeschränkten Populationen (z.B. hinsichtlich der Erstelternschaft oder des
Altersbereichs der Kinder) gearbeitet wird.2
2
Wenige Beispiele können dies verdeutlichen. Hinsichtlich der Teilnahme der Väter an der
Geburt: Während in einer Untersuchung keine Unterschiede in den Gefühlen der Väter
gegenüber den Kindern festgestellt wurden, konnte eine andere Untersuchung Unterschiede
in der Beteiligung der Väter nach 30 Wochen, nicht jedoch nach 60 Wochen feststellen
(Nave-Herz 1994, 52). Einerseits unterscheiden sich nach einer Untersuchung nichterwerbstätige Mütter nur in einem Punkt von erwerbstätigen Müttern: Sie sehen mehr fern
mit ihren Kindern. Andererseits, so andere Studien, verbringen höhergebildete erwerbstätige
Mütter mehr Zeit mit ihren Kindern als weniger gebildete Mütter (Arendell 2000, 1198
m.w.N.). In der Arbeiterschicht betrachten sich – nach einer Studie – Väter eher als Helfer
der Mutter, in der Mittelschicht sehen sich Väter eher als unabhängige Betreuungspersonen
(Cherlin 1996, 280). Demgegenüber wird in einer anderen Studie festgestellt, daß je
niedriger das Einkommen und die Bildung des Vaters und je traditioneller seine
Einstellungen zur Kinderbetreuung sind, desto eher er zur Hauptbetreuungsperson wird
(Tuttle 1994).
4
Beim Thema der Veränderungen durch die Familiengründung sind zum einen
sozialpsychologische Befunde zur Verschlechterung der Beziehungsqualität
im Dreieck Mutter-Vater-Kind relevant. Die wechselseitige Zufriedenheit des
Elternpaars sinkt mit der Familiengründung aufgrund der weitgehenden
Kindzentrierung der Paarkommunikation und des Freizeitverhaltens (Schütze
1988, 105-112). Je schlechter die Beziehung jedoch, um so geringer auch das
elterliche Engagement. Der Zusammenhang wird systemtheoretisch
begründet und als zirkulär angesehen (Cowan/Cowan 1987, 1988).
Zum anderen wurde bei der Familiengründung eine Traditionalisierung der
Arbeitsteilung durch eine Verstärkung der männlichen Ernährerrolle
festgestellt (Rosenkranz/Rost/Vaskovics 1998), die sich auch nach
Veränderungen im Erwerbsarrangement durch Wiederaufnahme der
Erwerbstätigkeit durch die Frau erhält (Rost/Schneider 1995). Sowohl der
Rückzug des Vaters als auch die weibliche „gate-keeper“-Haltung (Schütze
1988, 105-112) werden als Gründe angeführt.
Die Elternprozeßforschung hat somit genügend Belege für das
Weiterbestehen der differentiellen Elternschaft geliefert. Aufgrund
unterschiedlicher theoretischer und methodischer Zugänge sind viele
Ergebnisse nicht in einen Ansatz integrierbar. Eine über spezielle Phasen und
Situationen der Elternschaft hinausreichende Studie bedürfte eines
Explanandums, das – wie die Kinderbetreuungszeit – einen einheitlichen
Maßstab ermöglicht. Die Leistung der Elternprozeßforschung liegt in der
Untersuchung des Beitrags der dynamischen Konstellation von Partnerschaft
und Elternschaft im Lebensverlauf bei der geschlechtsspezifischen Teilung
der Aktivitäten mit Kindern.
2.2 Wandel der Vaterrolle
Angesichts der auch in der Elternprozeßforschung festgestellten
überwiegenden Zuschreibung von Betreuungsaufgaben an die Mütter hat sich
die Forschung überall stärker auf den „abweichenden“ Fall der Vaterschaft
konzentriert – weshalb die Determinanten der mütterlichen Beteiligung
weniger intensiv erforscht wurden als die der väterlichen Beteiligung
(Thompson/Walker 1989, 860). Vor allem in der deutschen
Familiensoziologie ist die historische Veränderung der Elternschaft als
Wandel der Vaterrolle, also der normativen Orientierungen, diskutiert
worden. Auch hier sind die Ergebnisse uneindeutig. Während eine Reihe von
Studien die Zunahme väterlicher Beteiligung an der Kinderbetreuung
konstatieren (zusammenfassend: Matzner 1998, 46-63), lassen andere
Ergebnisse lediglich den Schluß zu, daß es einen Wandel der Ausgestaltung
der Rolle, nicht aber des normativen Kerns der Rolle gegeben habe (NaveHerz 1994, 52; Rerrich 1990, 160f m.w.N.). So läßt sich ein stärker
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expressives Verhalten der Väter gegenüber ihren Kindern, nicht jedoch eine
stärkere Übernahme von Routinetätigkeiten feststellen.
Auch in der amerikanischen Literatur ist das Bild uneinheitlich. Der
verschiedentlich geäußerte Befund, daß die Zunahme der weiblichen
Erwerbsbeteiligung zu einem höheren Anteil der Väter an der
Kinderbetreuung führt (Sanik 1990), ist umstritten (s. z.B. Bryant/Zick 1996a
vs. Coverman/Sheley 1986). Selbst wenn dieses Ergebnis sich erhärten ließe,
beruht es vermutlich überwiegend auf einer Verringerung des Zeitaufwands
der Mütter und weniger auf einer Erhöhung des Zeitaufwands der Väter.
Untersuchungen zum langfristigen Wandel der Elternrollen sind mit
gravierenden methodischen Problemen konfrontiert. Es fehlen Datensätze,
die sowohl das parentale Engagement von Müttern und Vätern als auch
mutmaßliche Einflußfaktoren wie Bildungsstand, Erwerbsbeteiligung,
Geschlechtsrollenvorstellungen oder Ressourcenverteilung in vergleichbarer
Weise operationalisiert haben und Trendanalysen über einen längeren
Zeitraum erlauben.
2.3 Soziobiologie
Wesentliche theoretische Impulse für die Familiensoziologie sind in den
letzten Jahrzehnten durch den „Import“ soziobiologischer Theoreme
entstanden. Vor allem die „rational-choice“-basierten Ansätze sahen in dieser
Richtung die Möglichkeit einer empirischen Begründung ihrer Anthropologie
(Nutzenmaximierung-Fitnessmaximierung). Hinsichtlich der Verteilung von
Kinderbetreuung zwischen Mann und Frau kann die Soziobiologie vor allem
deshalb Anregungen geben, weil die für die Vererbung der eigenen Gene
wesentlichen Reproduktionsstrategien eine zentrale Rolle in der
Theoriebildung spielen.
Als parentale Investition bezeichnet die Soziobiologie „any investment by the
parent in an individual offspring that increases the offspring's chance of
surviving (and hence reproductive success) at the cost of the parent's ability
to invest in other offspring” (Trivers 1972, 55). Obwohl diese Definition
teilweise als zu eng angesehen wird (Voland 2000, 235), ist in der
Soziobiologie die Erklärung des elterlichen Engagements durch die
Fitneßmaximierung und die Weitergabe der Erbanlagen grundlegend. Die
Reproduktionsstrategien von weiblichen und männlichen Mitgliedern der
Spezies Mensch unterscheiden sich nach der Größe der Gameten. Das
menschliche Ei ist 85.000 mal größer wie das menschliche Spermium. Frauen
produzieren nur ca. 400 befruchtungsfähige Eizellen in ihrem Leben und
müssen länger dazu beitragen, daß diese auch lebensfähig werden. Daher
zahlt es sich für Männchen aus, aggressiv und kapriziös zu sein, für die
Frauen dagegen, die Pflegerolle zu übernehmen (Wilson 1975, 124-125).
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Es lassen sich drei wesentliche Schlußfolgerungen ziehen (Voland 2000,
Kap. 4). 1. Eigenschaftspolarisierung: Frauen müßten im Prozeß der
sexuellen Selektion die Verbindung mit dominanten Männchen suchen, um
die Wahrscheinlichkeit des Reproduktionserfolgs, d.h. das Überleben des
Nachwuchses, direkt (Schutz durch dominanten Partner) und indirekt
(Weitervererbung der dominanten Eigenschaften) zu erhöhen. 2.
Bevorzugung biologischer Verwandtschaft: Stiefeltern dürften ihre Kinder
nicht in gleichem Maße fördern wie ihre eigenen Abkömmlinge. 3.
Lebensverlauf: Ältere Eltern müßten ihre Kinder mehr fördern als jüngere,
die auf das noch verbleibende Reproduktionspotential zu achten haben.
Zum Teil lassen sich diese Überlegungen in die Theoriebildung zum
parentalen Engagement einbauen. Insbesondere eine ausgeprägte Differenz
sozio-ökonomischer Ressourcen zwischen Mann und Frau sollte zur stärkerer
Aufgabenteilung beitragen. Ebenso müßte das Engagement mit dem
Lebensalter steigen. Generell unbrauchbar ist die Annahme, es gäbe nur eine
biologisch richtige Reproduktionsstrategie für jedes Geschlecht; sie
unterschätzt die Variation in einer Population. Auch in der a-humanen
Tierwelt ist dies für Kritiker der Soziobiologie schwer nachvollziehbar. Die
Postulierung einer dominanten Reproduktionsstrategie je Tierart und
Geschlecht, die mit der Erlangung reproduktiver Vorteile gleichgesetzt wird
(kritisch: Kitcher 1985, 167), steht einer differenzierenden Analyse eher
entgegen.
2.4 Teilung unbezahlter Arbeit
Der Beitrag der Arbeitsteilungsforschung liegt in einer Reihe von Theorien,
die vor allem am Beispiel der Hausarbeit entwickelt wurden (s. den
Überblick in Künzler/Walter 2001, Künzler et al. 2001, 65ff). Vier klassische
Ansätze werden in die hier vorgestellte Analyse eingehen. 1. Der ZeitbudgetAnsatz (Time-Availability- oder Demand-Response-Capacity Approach) sieht
das Wechselspiel aus (vor allem durch Erwerbsarbeit) gebundener Zeit, die
das Hausarbeitsangebot einer Person einschränkt, und Nachfrage, die durch
Charakteristiken des Haushalts wie Größe, Anzahl der Kinder u.ä. bestimmt
ist, als Grundlage der Arbeitsteilung an. 2. Für die Ressourcentheorie ist
Arbeitsteilung das Ergebnis machtbasierter Aushandlungsprozesse, in denen
die Partner die Verfügung über Ressourcen einsetzen, um die Übernahme
negativ bewerteter Arbeiten zu vermeiden. 3. Die Familienökonomie (New
Home Economics) behauptet, daß Entscheidungen über die Zeitallokation der
Haushaltmitglieder auf der Basis ihrer Humankapitalausstattung den
Gesamtnutzen des Haushalts vermehren sollen und nach dem Kriterium
getroffen werden, welcher der beiden Partner mehr Einkommen auf dem
Arbeitsmarkt erwirtschaften kann. 4. Die Geschlechtsrollentheorie sieht die
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Beiträge von Männern und Frauen zur unbezahlten Arbeit durch in der
Sozialisation erworbene normative Vorstellungen über geschlechtsspezifische
Aufgaben begründet.
Einige wenige Studien haben mit dem Repertoire dieser Ansätze eine
vergleichende Analyse der Bestimmungsgründe von Hausarbeit und
Kinderbetreuung versucht. Dabei wird die Vermutung erhärtet, daß die
beiden Bereiche der unbezahlten Arbeit qualitativ verschieden sind und von
einer jeweils eigenen Kombination von Faktoren beeinflusst werden (IshiiKuntz/Coltrane 1992, Künzler et al. 2001, 81ff). Bei der Erklärung des
Kinderbetreuungsaufwands sind zudem zusätzliche Variablen relevant. Z.B.
spielt nicht nur – wie vom Zeitbudget-Ansatz postuliert – die Zahl der
Kinder, sondern auch ihr Geschlecht eine Rolle: Wiederholt wurde
festgestellt, daß sich Väter erheblich intensiver mit Jungen beschäftigen als
mit Mädchen (Barnett/Baruch 1987, Marsiglio 1991).
3
Determinanten der Kinderbetreuung durch Mütter und Väter
3.1 Daten, Theorien und Operationalisierung
Im Folgenden präsentieren wir die Ergebnisse multivariater Analysen, die –
für Frauen und Männer getrennt – Hypothesen aus Zeitbudget-Ansatz,
Rollentheorie und Ressourcentheorie testen. Die analysierten Daten stammen
aus einer im Rahmen des Forschungsprojekts „Familiale Arbeitsteilung in der
Europäischen Union“ (s. Fn. 1) durchgeführten Umfrage (s. Künzler et al.
2001, 73ff). Im Frühsommer 2000 wurden durch Infas, Bonn, 3001 zufällig
ausgewählte Personen deutscher Nationalität im Alter zwischen 20 und 50
Jahren befragt. Es handelte sich um eine mehrstufige Stichprobe, bei der die
Haushalte mithilfe von „random last digit dialling“ und die Zielpersonen im
Haushalt nach der „last birthday“ Methode ermittelt wurden. Die ostdeutsche
Wohnbevölkerung ist überrepräsentiert: Insgesamt wurden 2019 Personen in
Westdeutschland und 982 Personen in Ostdeutschland befragt. Die Umfrage
wurde als „computer assisted telephone interview“ durchgeführt. Neben
dieser Hauptbefragung, die dem Beitrag zugrunde liegt, wurden auch ein Teil
der Partner/innen verkürzt befragt.
In der Untersuchung wurde eine erweiterte Version des im European Network
on Policies and the Division of Unpaid and Paid Work (s. Fn. 1) entwickelten
Fragebogens eingesetzt. Neben Fragen zur eigenen Zeitverwendung und der
Verteilung der Aufgaben im Haushalt und der Kinderbetreuung wurden
Fragen zur Zusammensetzung des Haushalts, sozialstrukturellen Einordnung,
Nutzung politischer Maßnahmen, zum Lebensverlauf und Partnerschaft
sowie zu Geschlechtsrollen und Geschlechtsidentität gestellt.
Als abhängige Variable wird der zeitliche Aufwand für Aktivitäten mit
Kindern im Haushalt behandelt. Bei den unabhängigen Variablen bestimmten
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die theoretischen Ansätze der Hausarbeitsforschung, ergänzt durch Variablen,
die sich aus den übrigen Forschungsthemen ergeben, die Auswahl. Neben
einigen Kontrollvariablen wurden Indikatoren der zeitlichen Verfügbarkeit
der befragten Personen, der Betreuungsbedarf, die Ressourcenverteilung und
Geschlechtsrollen in die Untersuchung aufgenommen.
Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Variablen und ihre
Operationalisierung. Als Kontrollvariablen werden der Ost-WestUnterschied, die absolvierten Bildungs- und Ausbildungsjahre, die sowohl als
Humankapitalressource als auch als Indikator für liberalere Einstellungen
gedeutet werden können, und das Haushaltseinkommen berücksichtigt. Das
Haushaltseinkommen wurde logarithmiert, um die schiefe Verteilung zu
normalisieren.
Zur Überprüfung zentraler Annahmen des Zeitbudget-Ansatzes werden die
restringierenden Einflüsse der Erwerbszeit und der Hausarbeitszeit sowie die
entlastende Wirkung einer ergänzenden externen Betreuung des jüngsten
Kindes bzw. sozialökologischer Faktoren wie der Möglichkeit der Nutzung
eines Gartens analysiert. Der Betreuungsbedarf sollte mit der Zahl der Kinder
steigen und mit dem Alter des jüngsten Kindes sinken. Im Vergleich zu
Mädchen könnten Jungen den Betreuungsbedarf erhöhen – direkt (weil
Jungen mehr Betreuung als Mädchen brauchen und umgekehrt) oder indirekt
(weil Mädchen eher Geschwister mitbetreuen).
Ressourcenungleichgewichte werden finanziell als Abhängigkeit vom
Einkommen des Partners oder der Partnerin und zeitlich als
Vollzeiterwerbstätigkeit des Partners operationalisiert. Diese Variablen
bilden die einzigen Indikatoren, mit denen eine Teilhypothese der
Soziobiologie, nämlich die Eigenschaftspolarisierung, operationalisiert
wurde. Andere relevante Indikatoren wie Stiefelternschaft, für die es zu
wenig Fälle gibt, oder Alter bei der Geburt des ersten Kindes, das zu
Multikollinearitätsproblemen führt, wurden nicht aufgenommen.
Geschlechtsrollen-Indikatoren umfassen die traditionelle Zuschreibung der
Kinderbetreuung an die Mutter, das Bekenntnis zu einer aktiven Vaterrolle,
die Ansicht, eine zu starke Konzentration der Väter auf die Berufsarbeit
schade der Familie, und die Selbsteinschätzung als gefühlvoll. Die
letztgenannte Skala greift die These von der Feminisierung der Elternrolle
durch die neuen Väter auf.
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Tabelle 1:
Abhängige und unabhängige Variablen
Theorie
Variable
Zeitlicher Aufwand für
Kinderbetreuung
Theorie
(Kontrollvariablen)
Zeitangebot
Unabhängige V.
Operationalisierung
Haushalt in Ostdeutschland
Aus-/Bildungsjahre
Haushalt zum Zeitpunkt des Interviews (Dummy)
Umrechnung von Bildungs- und Ausbildungsabschlüssen in Bildungsjahre
(nach Müller/Haun 1994)
natürlicher Logarithmus des Haushaltseinkommens
Schätzung des zeitlichen Aufwands durch Befragte für Erwerbstätigkeit
bzw. Schule/Ausbildung sowie aus diesen Aktivitäten bedingten
Fahrzeiten
Schätzung des zeitlichen Aufwands durch Befragte für
Routinehausarbeiten (Wochenstunden): Kochen und Vorbereiten von
Mahlzeiten, Tischdecken und Abwaschen, Wäsche waschen, aufhängen,
sortieren und bügeln, Aufräumen und Putzen, Lebensmittel einkaufen und
andere Besorgungen
Geschätzte Zeit, in der das jüngste Kind an einem typischen Werktag
zwischen 6 und 22 Uhr in öffentlicher Kinderbetreuung ist oder durch
andere Personen im sozialen Netzwerk betreut wird
Dummy (vorhanden/nicht vorhanden)
Zahl der eigenen Kinder, Stief-, Pflege- und Adoptivkinder sowie der
Kinder des Partners
Alter des jüngsten Kindes im Haushalt
Im Haushalt befinden sich nur männliche Kinder (Dummy)
Haushaltseinkommen (ln)
Erwerbsbezogener
Zeitaufwand
Zeitaufwand für Hausarbeit
Ext. Betreuung für jüngstes
Kind
Betreuungsbedarf
Operationalisierung
Schätzung des zeitlichen Aufwands durch Befragte mit Kindern im
Haushalt für folgende Tätigkeiten (Wochenstunden): gemeinsame
Aktivitäten mit Kindern, Spielen mit Kindern, Vorlesen, Gespräche,
Fahren, Hausaufgaben betreuen, Füttern, Anziehen und Baden (Korrektur:
Kappung beim 9. Perzentil)
Garten
Anzahl der Kinder im
Haushalt
Alter des jüngsten Kindes
Kinder im HH: nur Jungen
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Ressourcenungleichgewicht
Geschlechtsrollen
Einkommensabhängigkeit
Partner vollzeiterwerbstätig
Traditionelle
Geschlechtsrollen (Skalen
beruhen auf Faktoren- und
Reliabilitätsanalyse)
Aktivere Vaterrolle
Arbeit - Schaden für
Familienleben
Eigenschaften: gefühlvoll
Quelle:
= (Eigenes Einkommen – Einkommen des Partners)/(Eigenes Einkommen
+ Einkommen des Partners) nach Sørensen/McLanahan 1987. –100:
vollkommene eigene ökonomische Abhängigkeit, +100 vollkommene
ökonomische Abhängigkeit des Partners, nach Einkommensangaben des
Befragten
Partner erwerbst. > 35 Std./Woche, Angaben des Befragten (Dummy)
Summierung der Likert-Skalenwerte für folgende Items:
•
Ein Kind, das noch nicht zur Schule geht, wird wahrscheinlich
darunter leiden, wenn seine Mutter berufstätig ist.
•
Alles in allem: Das Familienleben leidet darunter, wenn die Frau voll
berufstätig ist.
•
Die Aufgabe des Mannes ist es, Geld zu verdienen, die der Frau, sich
um Haushalt und Familie zu kümmern.
•
Niemand kann sich so gut um ein Kind kümmern wie die eigene
Mutter.
•
Kinder aufzuziehen ist für eine Frau im Allgemeinen befriedigender
als eine erfolgreiche Berufslaufbahn zu haben.
Summierung der Likert-Skalenwerte für folgende Items:
•
Männer sollten sich täglich an allen Aspekten der Kindererziehung
beteiligen.
•
Männer sollten im Allgemeinen die Hälfte der anfallenden Hausarbeit
erledigen.
Likert-Skalenwert für folgendes Item:
•
Das Familienleben leidet oft, weil Männer sich zu sehr auf ihre Arbeit
konzentrieren.
Selbsteinschätzung, ob folgende Eigenschaften auf Befragten zutreffen
(aus Bem sex-role inventory): romantisch, weichherzig, feinfühlig,
sinnlich, empfindsam, leidenschaftlich, herzlich, aufmerksam
Künzler et al., Dataset Gender Division of Labour in Germany 2000.
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Tabelle 2 informiert über die deskriptiven Resultate. Mit einem Zeitaufwand
von durchschnittlich 28 Stunden pro Woche bei den Müttern und 18 bei den
Vätern ist das Ungleichgewicht bei den Aktivitäten mit Kindern nicht so kraß
wie bei Erwerbstätigkeit und Hausarbeit. Die Befragten gaben an, daß sie für
Erwerbstätigkeit (incl. Fahrten und Bildung/Ausbildung) durchschnittlich 18
(Frauen) bzw. 52 (Männer) Stunden pro Woche aufwenden, für Hausarbeit
40 bzw. 16 Stunden. Schon das Fehlen einer Sphärentrennung, bei der
ausschließlich die Frauen für Kinderbetreuung zuständig wären, ist mit der
Vorstellung geschlechtsdifferenter Reproduktionsstrategien nicht vereinbar.
Tabelle 2:
Variablen – Deskriptive Angaben
Mütter
Zeitaufw. f. Kinderbetr.
Haushalt in Ostdeutschland
Aus-/Bildungsjahre
Haushaltseinkommen (ln)
Erwerbsbezogener Zeitaufw.
Zeitaufwand für Hausarbeit
Ext. Betr. f. d. jüngste Kind
Vorhandensein Garten
Anzahl Kinder im HH
Alter des jüngsten Kindes
Kinder: nur Jungen
Einkommensabhängigkeit
Partner vollzeiterwerbstätig
Tradit. Geschlechtsrollen
Aktivere Vaterrolle
Arbeit - Schaden Familienl.
Eigenschaften gefühlvoll
Quelle:
Väter
Mittelw./
Ant.
Std.abw.
Mittelw./
Ant.
Std.abw.
28.12
.18
12.82
1.51
17.92
40.29
6.29
.73
1.91
6.60
.31
-54.16
.93
15.85
7.29
2.55
6.78
11.54
.39
2.91
.54
17.34
13.48
4.02
.45
.81
4.30
.47
40.83
.26
3.92
1.57
1.10
1.42
18.40
.19
13.57
1.65
51.89
15.75
6.17
.84
1.82
6.49
.30
59.65
.18
14.98
7.35
2.30
5.91
7.37
.39
3.27
.47
15.49
8.87
4.00
.37
.73
4.19
.46
38.79
.38
3.53
1.52
.99
1.82
Künzler et al., Dataset Gender Division of Labour in Germany 2000.
3.2 Multivariate Ergebnisse
Mit einer sequentiellen multiplen linearen OLS-Regression wurde untersucht,
welche Faktoren den zeitlichen Aufwand für Kinderbetreuung (abhängige
Variable) beeinflussen (Tabelle 3). Die Beschränkung der Analyse auf Paare
mit Kindern und Ausfälle durch fehlende Werte reduzierten die Stichprobe
auf 514 Väter bzw. 502 Mütter.
Die Modelle folgen den theoretischen Annahmen. Das erste Modell besteht
nur aus den sozialstrukturellen Kontrollvariablen, dann folgen Modelle mit
den zeitlichen Ressourcen, dem Betreuungsbedarf, den materiellen
Ressourcen und schließlich den Geschlechtsrollenvorstellungen. Aufgrund
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des Forschungsstands ist zu vermuten, daß väterliches Engagement sich
schlechter als mütterliches Engagement erklären läßt, das zweite Modell, also
die zeitliche Verfügbarkeit, den größten Anteil der Varianz erklärt und die
Kontrollvariablen durch Einführung differenzierender Variablen an
Erklärungskraft verlieren. Diese Annahmen werden in weit überwiegendem
Maße bestätigt.
Zunächst fällt auf, daß die Varianzaufklärung im letzten, umfassenden
Modell mit 47 % für die Mütter und 34 % für die Väter sehr hoch ist.
Erwartungsgemäß läßt sich der Zeitaufwand der Väter nicht so gut erklären
wie der Zeitaufwand der Mütter. Bis auf eine Ausnahme ist der Einfluß der
Kontrollvariablen nicht mehr signifikant, wenn weitere Variablen in das
Modell aufgenommen werden. In allen Modellen zeigt sich ein signifikanter
Einfluß des Bildungsniveaus der Mütter, das im Vergleich mit den anderen
Prädiktoren auch stets einen relativ großen Beitrag zur Erklärung beisteuert.
In allen Modellen liegt es in der Rangordnung der standardisierten
Regressionskoeffizienten auf dem dritten Platz. Ein weiteres Bildungs- oder
Ausbildungsjahr einer Mutter führt zu einer durchschnittlichen Steigerung
ihres Kinderbetreuungsaufwands um ca. 25 Minuten pro Woche. Mit der
Bildung steigt offenbar auch der Anspruch an die Kinderbetreuung und ihre
extensivere Gestaltung.
Wie vermutet, erklärt die zeitliche Verfügbarkeit den größten Teil der
Varianz des Kinderbetreuungsaufwands. Der erwerbsbezogene Zeitaufwand
steht bei Müttern und Vätern jeweils an erster oder zweiter Stelle der
Prädiktoren. Grob gesagt, führt eine erwerbsbezogene Wochenstunde bei
Müttern zu einer Reduktion der Kinderbetreuungszeit um durchschnittlich 13
Minuten pro Woche, bei Vätern um zehn. Hier zeigt sich – wie auch bei der
Hausarbeit (Künzler et al. 2001, 81ff) – die höhere zeitliche Elastizität
unbezahlter Arbeit bei Frauen. Erwerbstätige Frauen müssen diese in
stärkerem Maße reduzieren als Männer.
Trotz weiterer Ähnlichkeiten bei den übrigen Prädiktoren, wird die folgende
Darstellung der Modelle nach Müttern und Vätern getrennt behandeln. Die
beiden letzten Modelle für die Mütter sind vernachlässigenswert, da sie nicht
mehr in signifikanter Weise zu einer Erhöhung der erklärten Varianz
beitragen (Daten bei den Autoren erhältlich). Das bedeutet, daß weder
Einkommensunterschiede zwischen den Partnern noch die Einstellungen der
Mütter ihr Engagement in der Kinderbetreuung wesentlich beeinflussen. Die
Zustimmung zur Aussage, daß eine zu starke Konzentration der Männer auf
die Arbeit dem Familienleben schade, ist zwar im letzten Modell für die
Mütter der viertstärkste Prädiktor – vermutlich jedoch im Sinne der
Beschreibung der eigenen Überlastung, die sich aus dem wahrgenommenen
Verhalten des Vaters ergibt.
13
Tabelle 3:
OLS-Regression für Kinderbetreuung durch Mütter und Väter
Unabhängige
Variablen
HH in
Ostdeutschland
Aus-/Bildungsjahre
Modell 1
Mütter
-4.57**
(-.15)
.548**
(.14)
-2.33*
(-.11)
Väter
-2.36**
(-.13)
< .01
(.02)
-3.42***
(-.22)
Modell 2
Mütter
Väter
-.17
(-.01)
.57***
(.15)
-.01
(< -.01)
-.28***
(-.43)
-.01
(-.06)
-.75***
(-.26)
-2.36*
(-.09)
Modell 3
Mütter
Väter
-1.20
-.88
(-.06)
(-.03)
.13
.39**
(.06)
(.10)
-1.60*
.22
(-.10)
(.01)
-.17***
-.21***
(-.35)
(-.32)
.01+ < -.01
(.07)
(-.04)
-.41***
-.17
(-.22)
(-.06)
-1.50+
-1.73*
(-.07)
(-.07)
-.57
(-.04)
-1.24***
(-.46)
1.07
(.04)
-1.08
(-.06)
.11
(.05)
-.73
(-.05)
-.17***
(-.35)
.01+
(.07)
< -.01
(-.01)
-1.28+
(-.06)
-1.38**
(-.14)
-.57***
(-.32)
1.01
(.06)
Modell 4
Mütter
Väter
-.89
(-.03)
.39**
(.10)
.29
(.01)
-.21***
(-.32)
< -.01
(-.04)
-.16
(-.06)
-1.66+
(-.06)
-.62
(-.04)
-1.24***
(-.46)
1.08
(.04)
< -.01
(-.01)
-1.34
(-.03)
-.77
(-.04)
.10
(.05)
-.67
(-.04)
-.17***
(-.35)
.01+
(.08)
< .01
(< .01)
-1.43+
(-.07)
-1.40**
(-.14)
-.56***
(-.32)
1.09+
(.07)
< .01
(.01)
-.83
(-.04)
Modell 5
Mütter
Väter
-.87
-.93
(-.03)
(-.05)
.42**
.01
(.11)
(.04)
Haushaltseinkommen
.35
-.57
(ln)
(.02)
(-.04)
Erwerbsbezogener
-.21***
-.17***
Zeitaufwand
(-.31)
(-.35)
Zeitaufwand
< -.01
< .01
Hausarbeit
(-.03)
(.03)
Ext. Betr. für jüngstes
-.14
< -.01
Kind
(-.05)
(-.02)
Vorhandensein
-1.59+
-1.28+
Garten
(-.06)
(-0.6)
Anzahl Kinder im
-.66
-1.24**
(-.05)
(-.12)
Haushalt
Alter des jüngsten
-1.26***
-.55***
Kindes
(-.47)
(-.31)
Kinder: nur Jungen
1.09
1.25*
(.04)
(.08)
Einkommensab< -.01
<-.01
hängigkeit
(-.03)
(<- .01)
Partner vollzeit-1.56
-1.50
erwerbstätig
(-.03)
(-.08)
Traditionelle
-.01
.12
Geschlechtsrollen
(-.02)
(.06)
Aktivere Vaterrolle
.25
.34+
(.03)
(.07)
Arbeit - Schaden für
.75*
.29
Familienleben
(.07)
(.04)
Eigenschaften:
-.01
.48**
gefühlvoll
(-.01)
(.12)
Konstante
25.42
23.98
34.30
30.99
39.43
33.19
40.39
33.02
36.96
25.75
r² (korr.)
.03
.05
.32
.24
.47
.32
.47
.32
.47
.34
Legende: Koeffizienten: b (ß); N = 514 (Väter) bzw. 501 (Mütter); Signifikanz: +p < .10. *p < .05. **p < .01. ***p < .001.; Quelle: Künzler et al.,
Dataset Gender Division of Labour in Germany 2000.
14
Vernachlässigen wir diese Ausnahme, dann sind die vier wichtigsten
Einflüsse auf die Kinderbetreuungszeit der Mütter in dieser Reihenfolge: das
Alter des jüngsten Kindes, der erwerbsbezogene Zeitaufwand, die
absolvierten Aus-/Bildungsjahre und die Möglichkeit, einen Garten zu
nutzen. Durchschnittlich sinkt mit jedem Lebensjahr des jüngsten Kindes die
wöchentliche Belastung der Mütter durch Kinderbetreuung um 75 Minuten,
mit jeder Stunde erwerbsbezogenen Zeitaufwand um 13 Minuten und durch
einen Garten um ca. 100 Minuten; sie steigt mit jedem absolvierten Aus/Bildungsjahr um ca. 25 Minuten. Abgesehen vom Bildungseinfluß, der auf
Ansprüche an sich selbst und Gestaltungswünsche bei der Kinderbetreuung
hindeutet,
agieren
Mütter
pragmatisch.
Sie
sind
vorrangig
Zeitbudgetmanagerinnen, die sich – wie auch die größere Variation ihres
Zeitaufwands (Tabelle 2) zeigt – flexibel den Anforderungen stellen.
Bei den befragten Vätern sieht das Muster etwas anders aus. Die beiden
wichtigsten Prädiktoren sind der erwerbsbezogene Zeitaufwand und das Alter
des jüngsten Kindes (ab dem 3. Modell). Nicht nur ist die Reihenfolge
gegenüber den Prädiktoren bei den Müttern vertauscht, auch die Flexibilität
ist geringer. Jede Wochenstunde erwerbsbezogener Zeitaufwand der Väter
senkt ihre durchschnittliche wöchentliche Kinderbetreuungszeit um zehn
Minuten (Mütter: 13), jedes Lebensjahr des jüngsten Kindes um 34 Minuten
(Mütter: 75). Diese geringere Flexibilität wird noch deutlicher, wenn man die
Durchschnittswerte ohne Kontrolle durch die anderen Variablen vergleicht
(Abbildung 1).
Abbildung 1: Aktivitäten mit Kindern von Müttern und Vätern nach Alter
des jüngsten Kindes
60
Wochenstunden
50
40
Mann
30
Frau
20
10
0
0
2
4
6
8
10
Alter des jüngsten Kindes
12
14
16
Legende: Durchschnittlicher Zeitaufwand für Kinder; Quelle: Künzler et al., Dataset Gender
Division of Labour in Germany 2000.
An dritter Stelle steht bei den Vätern die Anzahl der Kinder im Haushalt, die
ihren Aufwand überraschenderweise negativ beeinflußt. Mit jedem weiteren
15
Kind sinkt die Beteiligung der Väter um durchschnittlich 80 Minuten pro
Woche. Die Vergrößerung einer Familie trägt also nicht unerheblich zur
Traditionalisierung der Teilung der Kinderarbeit durch Rückzug der Väter
bei.
Die Rangordnung der übrigen signifikanten Prädiktoren wechselt von Modell
zu Modell; die Varianzaufklärung steigt beim Übergang von Modell 3 zu
Modell 4 nicht mehr signifikant. Der Übergang zu Modell 5 liefert jedoch
noch einmal einen Gewinn an Erklärungsleistung, der zwar mit 2 % eher
bescheiden ausfällt, dennoch aber bemerkenswert ist, da er auf den
Geschlechtsrollenindikatoren beruht. Väter, die sich mit femininen
Stereotypen wie weichherzig, feinfühlig oder empfindsam beschreiben,
engagieren sich mehr für ihre Kinder. Die feminine Selbststereotypisierung
ist der drittstärkste Prädiktor. Väter, die glauben, alle acht femininen
Eigenschaften zu besitzen, verbringen durchschnittlich vier Stunden pro
Woche mehr mit ihren Kindern als diejenigen, die dies nicht tun. Der Befund
der „neuen“, „androgynen“ Vätern läßt sich dadurch bestätigen, wobei das
geringe Gewicht der Determinante nicht außer acht gelassen werden darf.
Auch die nächst stärkeren Prädiktoren entstammen dem sozio-kulturellen
Hintergrund. Leben nur Jungen im Haushalt machen Väter durchschnittlich
75 Minuten mehr Aktivitäten mit Kindern. Dieser Effekt kann
unterschiedlich interpretiert werden. Es ist vermutlich nicht der
Entlastungseffekt, der bei Mädchen durch deren Mithilfe bei der
Kinderbetreuung eintritt, denn er ist nicht für die stärker belastenden Mütter
zu finden, sondern eher eine Präferenz gleichgeschlechtlicher Aktivitäten
durch die Väter. Schließlich ist der Tendenz nach ein Effekt der Zustimmung
zu einer aktiveren Vaterrolle erkennbar. Diejenigen Väter, die beiden in
diesen Indikator einfließenden Aussagen voll zustimmen, verbringen
durchschnittlich etwa 2 ¾ Stunden pro Woche mehr mit ihren Kindern als
diejenigen, die beide Aussagen voll ablehnen.
Hinsichtlich der Unterschiede in der Bedingungsstruktur bei Müttern und
Vätern lassen sich die Ergebnisse so zusammenfassen, daß der Grundbedarf
an Kinderbetreuung durch die Mütter als Zeitbudgetmanagerinnen abgedeckt
wird. Die Männer als Haupternährer ziehen sich zum großen Teil aus der
Deckung dieses Bedarfs zurück. Sie engagieren sich nur dann stärker in der
Kinderbetreuung, wenn es ihren Präferenzen entspricht, wobei derartige
Präferenzen nach wie vor auf eine Minderheit beschränkt bleiben. Bei den
Müttern ist der Bedarf, der durch Kinder und ihre altersbedingten
Betreuungsnotwendigkeiten gebildet wird, der einflußreichste Faktor. Wie
Abbildung 1 zeigt, steigt für Mütter der Aufwand exponentiell mit den
altersbedingten Anforderungen, je jünger das Kind ist. Das spricht für die
Vermutung, daß es sich um einen kumulierenden Effekt handelt, bei dem
16
auch
der
zweitstärkste
Prädiktor,
die
Abhängigkeit
des
Kinderbetreuungsumfangs von der erwerbsbezogenen Zeit, mitwirkt. Frauen
stellen sich direkt auf den Bedarf der Kinder und indirekt durch Reduktion
der Erwerbstätigkeit wegen der Kinder ein. Bei den Vätern hingegen, steht
die Reduktion von kinderbezogener Zeit durch Erwerbsarbeit im
Vordergrund und ist die Anpassung an die altersbedingten Anforderungen
wesentlich schwächer ausgeprägt. Auch das Sinken des väterlichen Beitrags
mit steigender Kinderzahl spricht für das Muster eines verfestigten Rückzugs.
Dies wird auch durch die nicht signifikanten Einflüsse belegt. Regionale
Unterschiede zwischen Ost und West und Effekte des Haushaltseinkommens,
der Einkommensabhängigkeit und der Geschlechtsrollenorientierungen –
Unterschiede bzw. Effekte, die allesamt bei der Hausarbeit durch Männer
nachgewiesen werden können (Künzler et al. 2001, 81ff) – lassen sich bei der
Kinderbetreuung nicht finden. Das bestätigt die Vermutung, daß
Kinderbetreuung in geringerem Maße als Hausarbeit eine durch differenzierte
sozialstrukturelle Einflüsse beeinflußte Aktivität ist. Obwohl auch bei der
Hausarbeit die erwerbsbezogene Zeit einen wichtigen Faktor darstellt, ist die
Aufteilung der kindbezogenen Aktivitäten in stärkerem Maße durch ein
habituelles (auch durch die geäußerten Geschlechtsrollenvorstellungen nicht
beeinflußtes) Familienfrau-Ernährer-Schema geprägt.
Die Tatsache, daß die durch die Einkommensdifferenzen repräsentierten
Ressourcenungleichgewichte keine Rolle spielen, zeigt, daß dieses Schema
auch durch materielle Faktoren nicht zu einem aushandelbaren Thema wird.
Dies spricht auch gegen das soziobiologische Theorem, Frauen müßten sich
finanziell leistungsfähige Männer suchen und ihnen, die darin ihren Beitrag
als ausgeschöpft sehen, die Kinder erziehen.
Auch die Vollzeiterwerbstätigkeit des Partners/der Partnerin hat keinen
Effekt. Für die befragten Mütter ist dies der Regelfall (93 % haben einen
vollzeiterwerbstätigen Mann, s. Tabelle 2) und damit weitgehend irrelevant
für das Variieren ihres Engagements in der Kinderbetreuung. Für die
befragten Väter ist es eine Seltenheit; bei 18 % ist dies der Fall. Weder im
Fall der traditionellen Teilung der Erwerbsarbeit, noch bei ZweiverdienerPaaren ergibt sich somit eine Veränderung im parentalen Engagement. Der
nicht-signifikante Effekt spricht für die mangelnde Flexibilität der Männer.
Daß der Umfang externer Kinderbetreuung des jüngsten Kindes, die als
Annäherung für die Inanspruchnahme von Kinderbetreuung überhaupt
aufgenommen wurde, keine Wirkung zeigt, kann zum einen bedeuten, daß es
an ausreichendem Angebot fehlt. Jedoch ist der Wert mit etwas mehr als
sechs Stunden pro Werktag relativ hoch, wohl auch aufgrund des hohen
Durchschnittsalters des jüngsten Kindes und somit einer großen Zahl von
Schulkindern. Externe Kinderbetreuung könnte auch weitgehend zusätzlich
17
genutzt werden, was die Substitutionseffekte gering halten würde. Sie
reduziert notwendig die Zeit, in der Eltern ihre Kinder beaufsichtigen
müssen. Offensichtlich machen Eltern in dieser Zeit aber auch andere Dinge;
jedenfalls reduzieren Eltern, deren Kinder auch von Dritten betreut werden,
nicht ihre direkten Aktivitäten mit ihren Kindern.
3.3 Diskussion
Die Diskussion der Ergebnisse knüpft an die Themen der Einleitung und des
Forschungsstands an:
1. Ist das parentale Engagement von Vätern und Müttern gleich? Neben den
deutlichen Unterschieden im Zeitaufwand zeigen die multivariaten
Ergebnisse eine unterschiedliche Handlungsstruktur von Müttern und
Vätern (s. den nächsten Diskussionspunkt). Dies wird auch durch eine
zusammengefaßte Regressionsanalyse für alle Eltern nach obigem Muster
bestätigt, bei der Geschlecht eine Kontrollvariable darstellt (Daten bei den
Verfassern erhältlich). Geschlecht erklärt ohne die Kontrolle weiterer
Faktoren 20 % der Varianz. Das letzte Modell erklärt 53% der Varianz,
wenn alle Eltern in die Analyse einbezogen werden und Geschlecht als
Kontrollvariable eingeführt wird. Bei Modellen für alle Eltern ist
Geschlecht ab dem dritten Modell stets der drittstärkste Prädiktor. Dabei
sind alle wesentlichen sozialstrukturellen und soziokulturellen Variablen
wie Umfang der Erwerbs- und Haushaltstätigkeit, Bildung oder
Einkommensabhängigkeit kontrolliert, in denen sich Männer und Frauen
unterscheiden. Somit würden Männer auch dann weniger Zeit für
Kinderbetreuung aufwenden, wenn sie in sozialer Hinsicht wie Frauen
wären.
2. Wie läßt sich dieser Unterschied beschreiben? Parentales Engagement ist
nicht allein die Folge kumulierender sozialer Unterschiede. Die
geschlechtliche Organisation der Fürsorge (care) trennt vielmehr Frauen
und Männer in diejenigen, die den Grundbedarf decken müssen, und
diejenigen, die nach Gusto fürsorglich sein können. Wie bereits bei Reiser
(s.o.) erkennbar, ist für Männer ihr Engagement keine Notwendigkeit,
sondern ein entscheidungsgebundener Einsatz. Die Rahmenbedingungen,
insbesondere ihre Konzentration auf Erwerbsarbeit, sind fixiert, bevor sie
die verbleibende Zeit mit kindbezogenen Aktivitäten füllen. Für Mütter
hingegen, ob erwerbstätig oder nicht, ist Kinderbetreuung eine
Pflichtaufgabe, die sie zeitökonomisch rational gestalten müssen, so
paradox es angesichts der Fürsorge, um die es bei den Aktivitäten mit
Kindern geht, klingt. Während Mütter eine zweckrationale Pflichtethik
leben, sind Väter distanziert und kapriziös.
18
3. Wie lassen sich die Themen des Forschungsstands in diese Befunde
einordnen? Sie bestätigen das Phänomen geschlechtsspezifischer
Elternstile, wie sie auch die Elternprozeßforschung beschrieben hat, in
der unterschiedlichen Handlungsstruktur von Müttern und Vätern. Zur
Vaterrolle deutet sich in den Befunden ein geringer, aber erkennbarer
Rollenwandel durch Einstellungswandel an, weniger über den Weg
normativer Zuschreibungen als durch eine Entstereotypisierung der
männlichen
Geschlechtsidentität.
Die
These
differentieller
Reproduktionsstrategien aus der Soziobiologie läßt sich nicht bestätigen.
Weder gibt es eine Sphärentrennung, bei der Kinderbetreuung
ausschließlich Frauensache wäre, noch hat die Eigenschaftspolarisierung,
die sich durch Ressourcenungleichgewichte operationalisieren läßt, die
ihr zugeschriebene Wirkung. Hinsichtlich der Theorien unbezahlter
Arbeit konnte gezeigt werden, daß Kinderbetreuung einerseits einer
anderen Bedingungsstruktur als Hausarbeit unterliegt, andererseits die
Aspekte des Zeitangebots und der Nachfrage nach unbezahlter Arbeit in
beiden Bereichen eine überragende Bedeutung haben.
4.
Schluß
In der populärwissenschaftlichen und öffentlichen Debatte wird das hier
nüchtern als differentielle Elternschaft abgehandelte Phänomen mit
vollmundigeren Behauptungen versehen. Auf der einen Seite finden wir die
väterbewegten Vertreter der „neuen Väter“, auf der anderen Seite die
Kritikerinnen der vaterlosen Familie (Walter 2001). Es ist müßig, eine
Antwort auf die Frage zu suchen, welche Gruppe recht hat. Die Debatte,
angetrieben von den Leidenschaften des Widerspruchs und dem Bedürfnis
nach Distinktion, wird ohnedies weitergehen.
Aber es läßt sich eine Frage beantworten, die auf einer anderen Prämisse
beruht, nämlich der gesellschaftspolitischen Zielsetzung, ein höheres Maß an
Gleichheit in der Verteilung der unbezahlten Arbeit insgesamt und der
Kinderbetreuung im besonderen anzustreben. Wenn sich die Gesellschaft und
die Politik diesem Ziel verschreibt, wie ist es dann zu verwirklichen?
Zunächst lassen sich Strategiekandidaten ausschließen. Moralische Appelle
und die Veränderung normativer Orientierungen scheiden nach der obigen
Analyse aus. Ein Programm wie das der jetzigen Bundesregierung, unter der
sprechenden Adresse mehr-spielraum-fuer-vaeter.de im Internet zu finden,
setzt an den normativen Vorstellungen von Vaterschaft an, die keine
nennenswerte Wirkung auf das tatsächliche Verhalten haben. Im übrigen gilt
dies auch für die normativen Vorstellungen der Mütter, denen als „gatekeeper“ häufig die Verantwortung für den Normwandel zugeschoben wurde.
Damit entfällt auch weitgehend die Geschäftsgrundlage für die oben
19
beschriebene Debatte, die sich entlang der moralischen Kampflinie „Es gibt
ein neues Bewußtsein bei den Vätern“ vs. „Den Vätern fehlt das
Verantwortungsbewußtsein“ entfaltet.
Der Haupteinfluß liegt in der immer noch extrem ungleichen Verteilung der
bezahlten Arbeit. Eine Angleichung bei der Erfüllung der Aufgaben in
Haushalt und Familie läßt sich nur über eine Angleichung der
Arbeitsmarktbeteiligung erreichen. Gemessen an den Aggregatdaten aus
Tabelle 2 wenden Väter durchschnittlich 52 Wochenstunden für
erwerbsbezogene Tätigkeiten auf, Mütter 18. Das Mittel liegt somit bei 35
Stunden, was – nebenbei gesagt – etwa einer Dreißig-Stunden-Stelle plus
Fahrtzeiten entspricht. In dieser Durchschnittsbetrachtung würde eine
Angleichung von Müttern und Väter auf diesen Wert bedeuten, daß erstere
etwas mehr als drei Stunden weniger, letztere etwas weniger als drei Stunden
mehr für Kinderbetreuung aufwenden würden und wir somit von einer
Mütter-Väter-Relation
der
durchschnittlichen
wöchentlichen
Kinderbetreuungszeiten von 28 zu 18 zu einer von 24 zu 21 Wochenstunden
und damit der Gleichverteilung näher kämen. Der erste Schritt liegt also in
einer Veränderungen der Regelarbeitszeit – für beide Geschlechter.
Die
krasse
geschlechtsspezifische
Ungleichverteilung
des
Kinderbetreuungsaufwands bei kleinen Kindern erfordert Bemühungen um
ein stärkeres Engagement der Väter. Über die in diesem Zusammenhang
begrüßenswerte Novelle des Bundeserziehungsgeldgesetzes ab 1.1.2001, die
auch die simultane Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familientätigkeit
ermöglicht, hinaus, lassen sich ergänzend weitere Maßnahmen denken:
Schaffung von stärkeren Anreizen für die Inanspruchnahme von Elternzeit
durch Väter und für eine Gleichverteilung der Erwerbsarbeit der Eltern.
Schließlich ist die externe Kinderbetreuung zu nennen, deren gegenwärtigen
Effekte gering sind. Dies zeigt, daß externe Kinderbetreuung quantitativ und
qualitativ nicht so ausgebaut ist, daß sie im Alltag oder in Notsituationen –
gerade bei angestrebter simultaner Erwerbs- und Familientätigkeit – die
notwendige Entlastung bereitstellt. Auch das Fehlen von Ost-WestUnterschieden vor allem bei den Müttern deutet darauf hin. Trotz der
wesentlich besseren Angebotssituation der institutionellen Kinderbetreuung
in Ostdeutschland ergeben sich keine Unterschiede im parentalen
Engagement.
Gegenüber diesen eher „sozialtechnologischen“ Vorschlägen ließe sich
einwenden, daß eine Reihe von Ergebnissen zeigen, daß die Aufteilung von
Kinderbetreuung eng mit tiefsitzenden Vorstellungen von Männlichkeit und
Weiblichkeit zu tun haben: die durchgängige Bedeutung von Geschlecht als
Prädiktor (s.o. Diskussionspunkt 1), die unterschiedliche Handlungsstruktur
von Müttern und Vätern, die Bedeutung von Indikatoren der
20
Geschlechtsidentität. M.a.W.: die Differenz in elterlichen Stilen wird sich
kaum aufheben lassen. Ändern lassen sich jedoch die Folgen der
gesellschaftlich konstruierten Differenz der Geschlechter für die Mütter, die
ihre Lebenschancen, d.h. ihre Fähigkeit zur Teilhabe an anderen
gesellschaftlichen Bereichen, begrenzen.
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