Unkonventionelle Geldpolitik – kein Paradigmenwechsel

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Unkonventionelle Geldpolitik – kein Paradigmenwechsel
Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2015; 16(2): 127–150
Gerhard Illing
Unkonventionelle Geldpolitik – kein
Paradigmenwechsel
DOI 10.1515/pwp-2015-0010
Zusammenfassung: In diesem Survey vergleicht Gerhard
Illing die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB)
mit den Erfahrungen anderer Zentralbanken, die seit Ausbruch der Finanzkrise 2008 eine von traditionellen Vorstellungen abweichende, „unkonventionelle“ Geldpolitik
betrieben haben, und liefert eine Einführung in die theoretische Analyse, auf denen diese Politik basiert. Er stellt
den Optimierungsansatz zur Ableitung einer optimalen
Geldpolitik an der Zinsuntergrenze von null intuitiv dar
und charakterisiert den Deflationsbias, also die Verhaltensverzerrung in Richtung Deflation, dem Zentralbanken
in der Liquiditätsfalle unterliegen. Er zeigt, dass die unkonventionellen Maßnahmen der Zentralbanken als Fortführung ihrer Politik zur Sicherung von Preisstabilität in
monetaristischer Tradition zu verstehen sind. Im Vergleich
zu anderen Zentralbanken war die EZB lange sehr zurückhaltend. Der Verfasser erläutert, warum ein Großteil der
Kritik an den aktuellen Maßnahmen vieler Zentralbanken
in sich widersprüchlich ist, und arbeitet heraus, dass eine
entschiedene unkonventionelle Geldpolitik wirksam zur
Bekämpfung von Hysterese-Effekten beitragen kann. Er
erörtert schließlich auch, was quantitative Lockerung für
die Finanzmarktstabilität bedeutet, und erläutert, warum
man auf makroprudenzielle Instrumente als Ergänzung
nicht verzichten kann, wenn es zu verhindern gilt, dass
sich exzessive Risiken aufbauen.
JEL-Klassifikation: E4, E5
Schlagwörter: Geldpolitik, EZB, Quantitative Lockerung,
Finanzkrise
1 Eine neue Kontroverse
Mit der Entscheidung, von März 2015 bis mindestens September 2016 monatlich für 60 Milliarden Euro Wertpapiere aufzukaufen, hat die Europäische Zentralbank (EZB)
einen deutlichen Strategiewechsel zu einer expliziten Politik der quantitativen Lockerung eingeleitet, also zur akGerhard Illing: Ludwig-Maximilians-Universität München,
E ˗ Mail: [email protected]
 
 
tiven Vorgabe von Liquiditätszielen. In der deutschen
Öffentlichkeit hat sich seitdem die EZB-Kritik, die im Laufe der vergangenen Jahre ohnehin schon stark zugenommen hat, noch weiter verschärft. Die Geldpolitik der EZB
bedeute eine Abkehr von der Tradition einer regelgebundenen Politik, heißt es in vielen Medien; die Zentralbank
verlasse damit den bewährten Pfad der Deutschen
Bundesbank, Preisstabilität zu verfolgen. Deflationsgefahren seien derzeit nirgends zu erkennen, wobei eine
von traditionellen Vorstellungen abweichende und insofern unkonventionelle Politik der Liquiditätsausweitung
(„Quantitative easing“, quantitative Lockerung) dagegen
ohnehin wirkungslos wäre; sie könnte allenfalls ein kurzfristiges Strohfeuer anfachen und würde damit im Gegenteil Inflationsgefahren verursachen. Angesichts der niedrigen Zinsen sei die Geldpolitik nun eben an ihre Grenzen
gestoßen. Wenn sich die Zentralbankbilanz stark verlängere, werde „die Druckerpresse angeworfen“, um die
Staatshaushalte in den Peripheriestaaten zu finanzieren –
mit enormen Risiken für den Steuerzahler. Das Ganze
drohe in starker Inflation zu enden. Mit ihrer Politik
dauerhaft niedriger Zinsen betreibe die EZB eine „Enteignung“ der deutschen Sparer zugunsten der überschuldeten Südländer. Die niedrigen Zinsen verzerrten die am
Markt angemessenen Risikoprämien und führten zu einer
Blasenbildung auf den Aktien- und Immobilienmärkten,
was die Finanzstabilität gefährde. Weil die niedrigen Zinsen Finanzinstitute in ganz Europa verleiteten, exzessive
Risiken einzugehen, sei eine Abkehr von der NullzinsPolitik dringend notwendig.
Manche dieser Kritikpunkte erweisen sich bei genauerer Betrachtung als in sich widersprüchlich und logisch
nicht haltbar. Andere hingegen lassen sich auf die jeweiligen Einschätzungen der mit verschiedenen geldpolitischen Optionen verbundenen Risiken zurückführen. Tatsache ist: Die Nominalrenditen befinden sich derzeit auch
für Anleihen mit langer Laufzeit auf historischen Tiefstständen. Die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen liegen
in Spanien und Italien mittlerweile sogar niedriger als in
Großbritannien und den Vereinigten Staaten (vgl. Abbildung 1).
Zweifellos müssen Anleger, die ihre Ersparnisse neu
investieren, derzeit in der Tat ungewöhnlich niedrige nominale Renditen in Kauf nehmen. Es ist jedoch falsch, die
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Abbildung 1: Sinkende Renditen zehnjähriger Staatsanleihen Quelle: Datastream: Thomson Reuters; eigene Darstellung.
niedrigen Zinsen als Indiz dafür anzusehen, dass die EZB
die Sparer mit einer „Geldschwemme“ enteigne. Zum einen sind im Lauf des letzten Jahrzehnts sowohl die Inflationsraten wie die Renditen auf Staatsanleihen weltweit
stark gesunken. Zum anderen kann Geldpolitik unmittelbar nur die kurzfristigen Nominalzinsen beeinflussen. Diese dämpfen bei rigiden Preisen indirekt die Realzinsen,
solange die Erwartungen bezüglich der Preisentwicklung
stabil bleiben.
Die langfristigen Nominalzinsen werden vom Zusammenspiel der für diesen Zeitraum erwarteten realen Renditen, der erwarteten Inflationsrate und der Risikoprämien
auf langfristige Anlagen bestimmt. Mittels zukunftsgerichteter Hinweise („Forward guidance“) und durch den Ankauf langfristiger Anleihen kann eine Notenbank versuchen, diese Determinanten zu beeinflussen. Auf Dauer
lassen sich niedrige Zinsen aber nur bei dauerhaft geringer
Inflation durchsetzen. Wenn die Anleger in Folge einer
„Geldschwemme“ großes Inflationspotential befürchteten, müssten diese gestiegenen Inflationserwartungen die
Renditen nominaler Anleihen mit längerfristiger Laufzeit
schon heute stark in die Höhe treiben. Doch die Inflationserwartungen für die jeweils folgenden fünf bis zehn Jahre
sind im Euro-Raum stetig zurückgegangen (vgl. Abbildung 2).
Die Käufer von Anleihen sehen derzeit offenbar keine
Anzeichen dafür, dass die Geldpolitik der EZB im Laufe der
kommenden zehn Jahre einen starken Preisanstieg nach
1
sich ziehen wird. Die niedrigen Nominalzinsen sind vielmehr ein starkes Indiz dafür, dass die Anleger für einen
langen Zeitraum mit sehr niedrigen Inflationsraten rechnen und zudem pessimistisch bezüglich der real erzielbaren Renditen sind. Aufgrund der Wirtschaftsschwäche
sind die Realzinsen derzeit in aller Welt ungewöhnlich
niedrig (vgl. Abbildung 3). Einige Ökonomen wie von
Weizsäcker (2014) sowie Caballero und Farhi (2014) sprechen sogar von einer „säkularen Stagnation“. Zumindest
ist die schwache wirtschaftliche Aktivität in Kombination
mit den niedrigen Inflationserwartungen ein starkes Indiz
dafür, dass die Realzinsen noch weit stärker sinken müssten, um die private Nachfrage so zu stimulieren, dass die
Ressourcen wieder voll ausgelastet werden.
In Ermangelung anderer lohnender Investitionsmöglichkeiten greifen die Anleger zu Staatsanleihen, von denen sie sich Sicherheit versprechen. Sie sind mitunter
bereit, dafür eine negative Verzinsung in Kauf zu nehmen.
Doch in fast allen Industriestaaten scheinen die Regierun-
1 Natürlich ist durchaus denkbar, dass diese Erwartungen der Akteure an den Finanzmärkten nicht rational sind und später bitter enttäuscht werden. Ein gewisses Misstrauen gegenüber den Marktpreisen mag durchaus berechtigt sein, wenn diese zur Blasenbildung
neigen. Auf die disziplinierende Wirkung der Marktkräfte zu setzen,
könnte dann zu fatalen Fehlentwicklungen führen.
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Abbildung 2: Inflationserwartungen im Euro-Raum seit 2004 (Break-even inflation rate, BEIR) Quelle: EZB; eigene Darstellung.
Abbildung 3: Entwicklung der langfristigen Realzinsen in aller Welt Quelle: Hamilton et al. (2015, S. 74)
gen derzeit nicht bereit, dieser starken Nachfrage durch
die Ausgabe neuer Anleihen entgegenzukommen, obwohl
sie produktive öffentliche Investitionen auf diese Weise
zu negativen Realzinsen finanzieren könnten: Dafür, dass
sich die Staaten verschulden, bekämen sie sogar noch
Geld.
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Abbildung 2: Leitzins der Bank of England seit 1700 Quelle: Bank of England; eigene Darstellung.
Niedrige Leitzinsen sind mithin nicht die Ursache
von Verzerrungen, sondern vielmehr ein Instrument, mit
dem die Zentralbank zur Normalisierung der wirtschaftlichen Aktivität beitragen möchte. Allerdings stößt konventionelle Geldpolitik an enge Grenzen, weil Zinsen
kaum negativ werden können. Aus diesem Grund haben
sich viele Zentralbanken nach einer Abwägung der Chancen und Risiken aller Politikoptionen entschlossen, zu
unkonventionellen Maßnahmen zu greifen, auch wenn es
zuvor in den Entscheidungsgremien meist starke Kontroversen über den richtigen geldpolitischen Kurs gab. Zumindest in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien scheint diese Politik bislang durchaus erfolgreich zu
sein: Verschiedenen Studien zufolge hat sie wesentlich
zur Stabilisierung von Preisniveau und realer Produktion
beigetragen.
Im Interesse einer Versachlichung der in Deutschland
stark emotional geprägten Debatte seien im Folgenden die
unterschiedlichen Perspektiven herausgearbeitet, auf denen der Dissens beruht. Vor allem werden die theoretischen Überlegungen dargestellt, auf denen diese Maßnahmen basieren. Es zeigt sich dabei, dass der aktuell von
vielen Zentralbanken eingeschlagene Weg keineswegs einen Paradigmenwechsel bedeutet, sondern dass er durchaus in der Tradition einer stabilitätsorientierten Geldpolitik steht: Sein Zweck ist es, Preisstabilität durchzusetzen.
Dem Vorbild der Deutschen Bundesbank folgend, wird
dieses Ziel üblicherweise als eine angestrebte Inflationsrate von 2 Prozent definiert. Die EZB orientiert sich bei
ihren jüngsten Maßnahmen zur quantitativen Lockerung
stark an der in den Vereinigten Staaten seit 2008 betriebe-
nen Geldpolitik – im Bestreben, die dort erreichten Erfolge
auf den Euro-Raum zu übertragen.
2 Optionen der Geldpolitik in
ungewöhnlichen Zeiten
Seit dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman
Brothers am 15. September 2008 haben Zentralbanken in
aller Welt recht ungewöhnliche Maßnahmen ergriffen. Sie
scheinen auf ersten Blick in eklatantem Widerspruch zu
den traditionellen Vorstellungen von solider Geldpolitik
zu stehen. Wohlvertraute Denkmuster wurden völlig auf
den Kopf gestellt. Angeführt von der amerikanischen Federal Reserve, senkten viele Zentralbanken ihre Zinsen auf
historisch einmalig niedrige Werte. So hat die Bank of England am 5. März 2009 erstmals in ihrer langen Geschichte
seit 1694 ihre Leitzinsen auf 0,5 Prozent gesenkt (vgl. Abbildung 4). In vielen Regionen verharren diese seit fast
sechseinhalb Jahren nahe null. Manche Zentralbanken erheben in jüngster Zeit sogar leicht negative Zinsen auf
Einlagen.
Solange es möglich ist, jederzeit Einlagen vom eigenen Konto abzuziehen und in Papiergeld zu tauschen,
können die Nominalzinsen nicht allzu stark negativ werden. Sonst würden die Anleger ihre sämtlichen Einlagen
von den Banken abziehen und stattdessen Bargeld horten.
Die konventionellen Möglichkeiten der Geldpolitik, durch
niedrigere Zinsen die Wirtschaft zu stimulieren, sind deshalb durch eine Zinsuntergrenze beschränkt. Sie wird
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Abbildung 5: Ausweitung der Geldbasis seit September 2008.
Quelle: EZB und nationale Zentralbanken; eigene Darstellung.
durch die Hortungskosten des Geldes bestimmt und liegt
2
leicht unter null. Anknüpfend an die „General Theory of
2 In diesem Survey sei im Folgenden der traditionelle Begriff „Zinsuntergrenze von null“ verwendet, auch wenn diese Grenze de facto
leicht unterhalb von null liegt. Der Umtausch in Bargeld und das
Horten in Safes ist mit gewissen Unannehmlichkeiten verbunden,
beispielsweise mit der Gefahr eines Diebstahls. Im Euro-Raum hat die
EZB den Zins auf Einlagen der Geschäftsbanken seit September 2014
auf −0,20 Prozent reduziert, auch wenn der Leitzins mit 0,05 Prozent
noch knapp positiv ist. Die Schweizerische Nationalbank SNB verlangt seit Dezember 2014 negative Zinsen auf die Girokontoguthaben
der Geschäftsbanken, um hohe internationale Kapitalanlagen in
Schweizer Franken abzuschrecken, ähnlich wie in den siebziger Jahren. Sie gewährt den Banken dabei aber einen erheblichen Freibetrag
in Höhe des Zwanzigfachen der gesetzlich geforderten Mindestreserven, um die heimische Flucht in Bargeld zu begrenzen. In jüngster
Zeit haben auch die schwedische und die dänische Nationalbank ihre
Leitzinsen auf bis zu −0,75 Prozent gesenkt. Die Frage, wie stark
Nominalzinsen negativ werden können, ohne eine Flucht in Bargeld
auszulösen, ist schon seit langem ein Faszinosum. Eine Reihe prominenter Ökonomen plädiert vehement für die Abschaffung von Bargeld (vgl. Rogoff 2014) bzw. für die Einführung von Schwundgeld (so
Goodfriend 2000 und Kimball 2014). Silvio Gesell, 1919 für kurze Zeit
Employment, Interest and Money“ von John Maynard Keynes (1936) spricht man in einer solchen Situation von einer
„Liquiditätsfalle“, in der eine allein am Zins ansetzende
Geldpolitik wirkungslos wird.
Weil die Zinsen nicht weiter fallen konnten, versuchten
die Zentralbanken in vielen Ländern, die Krise mit unkonventionellen Maßnahmen zu bekämpfen. Sie weiteten ihre
Geldbasis (die Bereitstellung von Liquidität) massiv aus;
der Ankauf von Wertpapieren hat ihre Bilanzen entsprechend stark verlängert. Abbildung 5 zeigt, wie stark die
Bilanzsummen verschiedener Zentralbanken seit September 2008 gestiegen sind. In dieser Abbildung ist der Wert
vom September 2008 für alle Zentralbanken jeweils auf 100
normiert. Gemessen als Anteil am Bruttoinlandsprodukt
(BIP) nimmt die Entwicklung einen ähnlichen Verlauf.
Die Abbildung zeigt, dass vor allem die Federal Reserve und die Bank of England ihre Bilanzen relativ schnell
Finanzminister der Münchner Räterepublik, hat diese Idee bereits
Anfang des 20. Jahrhunderts propagiert; sie wurde in zahlreichen
Regionalwährungen wie dem Chiemgau-Taler aufgegriffen.
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und umfassend verlängert haben. Die japanische Zentralbank weitete ihre Geldbasis dagegen erst seit Anfang 2013
stark aus. Im Vergleich zu den anderen Zentralbanken war
die EZB lange wesentlich zurückhaltender – im Bestreben,
die Ausweitung der Liquiditätszufuhr durch Sterilisationsmaßnahmen wieder rückgängig zu machen. Schon im Juli
2008 und dann wieder im Laufe des Jahres 2011 erhöhte sie
den Leitzins sogar.
Im Gegensatz dazu hat die Bank of England von September 2008 bis Dezember 2012 ihre Bilanzsumme um
etwa 350 Prozent von 94 auf 414 Milliarden Pfund erhöht.
Das erklärte Ziel der quantitativen Lockerung war, die
Geldbasis auszuweiten, um auf diese Weise die nominale
gesamtwirtschaftliche Nachfrage im Einklang mit dem mittelfristigen Inflationsziel von 2 Prozent zu stimulieren. Die
Ausweitung erfolgte fast ausschließlich durch den Ankauf
britischer Staatsanleihen. Gegen eventuelle finanzielle Bilanzrisiken, die mit dieser Maßnahme verbunden sein
könnten, hat das britische Finanzministerium die Bank of
England auf Drängen ihres damaligen Gouverneurs Merv3
yn King mit einer Garantie explizit abgesichert.
3 Keine Abkehr von der
Regelbindung
Die Verpflichtung der Zentralbanken auf dauerhaft niedrige Zinsen und die enorme Ausweitung der Geldbasis in
zuvor kaum gekannten Umfang haben viele Menschen
stark verunsichert. Ben Bernanke, der frühere Chef der
amerikanischen Zentralbank, wurde in der Presse seit
4
2009 häufig als „Helikopter-Ben“ verspottet, der einfach
überall Geld regnen lasse. Man beschuldigte ihn, absichtlich eine Entwertung des amerikanischen Dollar einzulei5
ten. Manche Fachleute wie Allan Meltzer und John Cochrane (2009) warnten schon 2009 nachdrücklich, die
Federal Reserve betreibe eine Politik der Geldschwemme
mit enormen Risiken. Statt die Produktion zu stimulieren,
werde dies in Kombination mit dem starken Anstieg der
Staatsdefizite zur Finanzierung von Konjunkturprogrammen zwangsläufig in hoher Inflation enden.
3 Vgl. Bank of England (2014), S. 10.
4 Die Kritiker spielen dabei auf eine Rede von Ben Bernanke (2002)
an über Lehren aus den Erfahrungen in Japan, in der er sich auf
Ausführungen von Milton Friedman (1969) bezog, der Abwurf von
Geld mittels Helikopter über die Bevölkerung („Helicopter drop“)
führe zu Inflation.
5 Vgl. Interview in diesem Heft.
John Taylor (2009) kritisierte vehement, die Federal
Reserve sei dabei, von einer regelgebundenen Geldpolitik,
wie sie der von ihm 1993 formulierten und später nach ihm
benannten Taylor-Regel entspreche, zu einer diskretionären Politik zu wechseln und gefährde damit ihr Mandat der
Preisstabilität. Andere Ökonomen wie Stephen D. Williamson (2013) verwiesen dagegen auf theoretische Modellansätze wie jenen von Neil Wallace (1981), denen zufolge eine Politik der quantitativen Lockerung irrelevant
und völlig wirkungslos sei. Jede temporäre Ausdehnung
der Geldbasis, welche die Zentralbank später wieder rückgängig mache, werde durch das Horten der zusätzlichen
Liquidität im privaten Sektor konterkariert. Eine solche
Politik sei somit bestenfalls unschädlich, aber gänzlich
überflüssig; zudem werfe sie unbekannte Risiken auf.
Bemerkenswerterweise vertreten einige Ökonomen,
die sich als moderne Monetaristen bezeichnen, umgekehrt
die Meinung, die Federal Reserve habe lange viel zu zaghaft reagiert. Sie werfen ihr vor, nicht entschieden genug
gehandelt zu haben. Sie argumentieren, die Zentralbank
hätte durch rascheres Handeln einen Einbruch des nominalen BIP verhindern können. Scott Sumner (2012) beispielsweise plädiert dafür, vom Inflationsziel abzugehen
und stattdessen das nominale BIP zu stabilisieren. Dabei
lässt er allerdings die Frage unbeantwortet, welche weiteren Instrumente zu diesem Zweck wirksam eingesetzt
werden könnten. Sumner verweist auf den Monetaristen
Milton Friedman, der die japanische Notenbank im November 2000 scharf kritisiert hat:
„Das Beispiel Japans zeigt, wie unzuverlässig Zinsen als Indikator für eine angemessene Geldpolitik sind. Die japanische Zentralbank betrieb eine Nullzinspolitik. Aber diese Nullzinspolitik
ist Zeichen einer extrem restriktiven Geldpolitik. Japan steckte
effektiv in einer Phase der Deflation. Der Realzins war positiv,
nicht negativ. Was Japan brauchte, war zusätzliche Liquidität …
1989 geriet Japan in eine Rezession und verharrt seitdem darin.
Das Wachstum der Geldmenge war zu niedrig. Das Argument der
japanischen Zentralbank ist: ‚Nun, wir haben die Zinsen ja schon
auf null gesenkt – was sollen wir denn noch tun?‘ Die Antwort ist
ganz einfach: Sie können langfristige Staatsanleihen kaufen,
und sie können dies so lange fortsetzen, bis die steigende Geldbasis die Wirtschaft wieder in Schwung bringt. Was Japan
braucht, ist eine expansivere Geldpolitik.“ (Friedman, 2000; eigene Übersetzung G.I.)
Die heftigen Kontroversen machen deutlich, dass es ganz
unterschiedliche Vorstellungen darüber gibt, wie angemessene Regeln für die Geldpolitik aussehen und welche Kriterien bei deren Formulierung verwendet werden
sollten. Zur Klärung erweist es sich als hilfreich, zwischen
Zielregeln und Instrumentenregeln zu differenzieren. Zielregeln geben bestimmte Ziele vor und überlassen es der
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unabhängigen Zentralbank, welche Instrumente sie für am
besten geeignet hält, um diese zu erreichen. Instrumentenregeln formulieren dagegen feste Regeln, an denen Veränderungen der geldpolitischen Instrumente wie der Geldbasis oder des Leitzinses auszurichten sind.
Am bekanntesten ist das Konzept der Geldmengensteuerung, für das seinerzeit Milton Friedman (1960, S. 93)
plädiert hat. Demnach sollen die Zentralbanken eine bestimmte, klar definierte Wachstumsrate der Geldmenge als
Zielgröße festlegen und ihre Politik strikt daran ausrichten. Die Erfahrungen mit der Geldmengenstrategie zeigen
indes deutlich ein Problem, das mit strikten Regeln unvermeidlich einhergeht: Veränderte Bedingungen können die
Regel kontraproduktiv machen; eine Festlegung wäre
dann suboptimal. Die Deutsche Bundesbank hat als einzige Zentralbank eine strikte Geldmengensteuerung praktiziert. Im Rahmen ihrer Geldmengenstrategie orientierte
sie sich implizit an einer Zielinflationsrate von 2 Prozent.
Den von ihr selbst festgelegten Zielkorridor für das Geldmengenwachstum verfehlte sie in mehr als der Hälfte aller
Jahre; sie musste diese Abweichungen ständig mit verschiedensten Sonderfaktoren rechtfertigen. Viel erfolgreicher war die Bundesbank darin, das angestrebte Ziel niedriger Inflation zu erreichen.
Moderne Zentralbanken orientieren sich eher an Zinsregeln. Die Taylor-Regel liefert Anhaltspunkte dafür, nach
welchen Kriterien eine Anpassung des Leitzinses erfolgen
sollte (Taylor 1993). In der einfachsten Form sollten sich
die Leitzinsen an der Summe aus natürlichem Realzins
und Zielinflation orientieren und zudem bei Abweichungen der Inflationsrate von der Zielgröße angepasst werden,
ebenso wie bei Abweichungen der Produktion vom Produktionspotenzial. Das Taylor-Prinzip legt nahe, dass auf
Abweichungen der tatsächlichen bzw. der für die Zukunft
erwarteten Inflationsrate von der Zielgröße besonders starke Zinsreaktionen erfolgen sollten.
Mit unterschiedlichen Spezifikationen der TaylorRegel gelangt man jedoch zu ganz unterschiedlichen Empfehlungen. In der Zeit unmittelbar nach Ausbruch der Finanzkrise legten Standardversionen dieser Regel eine Erhöhung des Leitzinses nahe – was wohl zu einer weiteren
Verschärfung der Krise beigetragen hätte. Ein wesentlicher
Grund für die Ambiguität der Regel liegt in der Unsicherheit über die Höhe des „natürlichen“ Realzinses und des
Produktionspotenzials. Zudem sind an der Zinsuntergrenze von null verschiedene Gleichgewichte möglich, von
denen manche eindeutig schlechter sind als andere. Ein
Festhalten an der Taylor-Regel birgt unter solchen Bedingungen die Gefahr, dass die Wirtschaft bei niedrigen Zinsen in einer deflationären Spirale verharrt. Und wenn die
Taylor-Regel negative Nominalzinsen empfiehlt, wird sie
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schlicht unpraktikabel. Wieder zeigt sich, dass sich eine
Festlegung darauf, geldpolitische Instrumente nach starren Regeln zu bedienen, angesichts neuer Herausforderun6
gen als wenig angemessen erweisen kann.
Angesichts dieser Problematik betreiben moderne
Zentralbanken fast durchweg Inflationssteuerung. Sie orientieren ihre Geldpolitik an konkreten Inflationszielen
und legen der Öffentlichkeit in einer transparenten Kommunikation ihre Entscheidungsprozesse und Entscheidungskriterien dar, warum die jeweiligen Instrumente
zum Einsatz kommen. Im Unterschied zu schematischen
Instrumentenregeln erlaubt dieser Ansatz, auf konkrete
Herausforderungen mit der jeweils angemessenen Politik
zu reagieren. Die theoretischen Modellansätze, die weiter
unten in Abschnitt 4 vorgestellt werden, zeigen, dass sich
die Problematik der Zinsuntergrenze überwinden lässt,
wenn sich die Geldpolitik explizit darauf festlegt, die Zinsen über einen länger andauernden Zeitraum niedrig zu
lassen. In diesem Sinne ist die gegenwärtige unkonventionelle Geldpolitik vieler Zentralbanken als Fortführung ihrer auf Preisstabilität zielenden Politik zu verstehen.
Die Sicherung der Preisstabilität, konkretisiert an einer Zielinflationsrate von 2 Prozent für den harmonisierten
Verbraucherpreisindex, hat sich in den meisten Ländern
im Laufe der vergangenen Jahrzehnte als vorrangiges Ziel
etabliert. Der Grund für diese Konvergenz liegt wesentlich
darin, dass sich mit modernen neu-keynesianischen Makromodellen nachweisen lässt, dass eine Inflationssteuerung unter bestimmten Bedingungen die wohlfahrtsoptimale Strategie darstellt. Das Zielniveau von 2 Prozent soll
dabei zum einen der Tatsache Rechnung tragen, dass die
mit Hilfe des Verbraucherpreisindexes gemessene Inflationsrate höher liegt als die tatsächliche Inflationsrate (vgl.
Deutsche Bundesbank 1998). Zum anderen soll sichergestellt werden, dass auch bei stärkeren negativen
Schocks noch genügend Spielraum für die konventionelle
Geldpolitik bleibt.
Wenn die durchschnittlich angestrebte Inflationsrate
zu niedrig angesetzt wäre, liefe die Geldpolitik Gefahr, in
ihren Wirkungsmöglichkeiten häufig an die Zinsuntergrenze von null eingeschränkt zu stoßen. Während der
langen Phase der großen Mäßigung („Great moderation“),
also der in aller Welt geringen Schwankungen der wirtschaftlichen Aktivität von Mitte der achtziger Jahre bis
6 Im amerikanischen Kongress läuft derzeit eine Initiative, mit welcher der Federal Reserve eine solche Instrumentenregel als Referenzsystem vorgeschrieben werden soll (vgl. das Interview mit Allan
Meltzer in diesem Heft). Große Skepsis ist darüber angebracht, wie
eine solche Bindung erlauben soll, mit solchen Herausforderungen
vernünftig umzugehen.
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zum Jahr 2007, wurde diese Gefahr als sehr gering eingeschätzt. Ökonometrische Forschungsarbeiten, die sich auf
Daten in diesem Zeitraum stützten, ergaben eine vernachlässigbare Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsuntergrenze
eine bindende Restriktion darstellt (vgl. z. B. Adam und
Billi (2006)). Die jüngsten Erfahrungen aus der Finanzkrise
von 2008 indes haben zu einem Umdenken geführt. Sie
veranlassten viele Ökonomen, als Sicherheitspolster für
das geldpolitische Handeln einen höheren Zielwert zu fordern. So schlagen beispielsweise Blanchard et al. (2010)
eine Durchschnittsrate von 4 Prozent vor. Weil die Realzinsen von den langfristigen Wachstumsraten abhängen,
wird das Problem umso gravierender, je niedriger die realen BIP-Wachstumsraten ausfallen.
Eine Reihe namhafter Ökonomen hat früh kritisiert,
dass die Zielinflationsrate im Euro-Raum mit 2 Prozent zu
niedrig angesetzt sei. Ausschlaggebend war dabei das Argument, dass der Anpassungsprozess relativer Preise und
Löhne bei zu niedrigen Inflationsraten stark erschwert sei,
weil viele Preise, Löhne und Kreditkontrakte nach unten
starr seien; deflationäre Entwicklungen gingen deshalb
zwangsläufig mit großen Problemen einher. So hat HansWerner Sinn bereits 2002 eindringlich vor den Risiken der
Deflation gewarnt:
 
„Eine Deflation erhöht den Realwert der Kredite der Unternehmen und insofern auch den faktischen Realzins. […] Sie wäre
eine fatale Entwicklung für Deutschland, weil ein Anstieg der
Realzinsen und der Reallöhne die ohnehin alarmierende Zahl
der Insolvenzen noch weiter erhöhen würde. Eine geringe Inflation ist unschädlich, eine geringe Deflation wäre hingegen eine
Katastrophe. Diese Asymmetrie wird manchmal übersehen. […]
Die Asymmetrie der ökonomischen Konsequenzen einer Abweichung nach oben und unten verbietet es, nur den Durchschnitt
in den Blick zu nehmen und besonders ehrgeizige Stabilitätsziele
zu verfolgen.“ (Sinn 2002a)
In einem Zeitungsbeitrag konkretisierte er:
„Die EZB sollte eine Inflationsrate von 2,5 Prozent für den Durchschnitt der Euro-Länder anpeilen und dabei zugleich darauf
achten, dass kein Land in den Bereich einer Inflationsrate von
weniger als 1,5 Prozent gedrückt wird.“ (Sinn 2002b)
4 Nur ein Strohfeuer?
In der Diskussion um die Geldpolitik der EZB wird in der
deutschen Öffentlichkeit häufig argumentiert, eine geldpolitische Lockerung wirke nicht langfristig; sie könne nur
kurzfristig Zeit zur Überbrückung kaufen. Damit aber könne sie allenfalls ein Strohfeuer auslösen und verringere
dabei den Anpassungsdruck für notwendige Strukturreformen. Solange keine deflationäre Spirale zu erkennen sei,
stelle es keine ernste Gefahr dar, wenn die Inflationsrate
unter dem angesteuerten Niveau bleibe.
Diese Überlegungen greifen jedoch viel zu kurz. Es ist
zweifellos richtig, dass die Geldpolitik grundlegende
Strukturprobleme der Wirtschaft nicht lösen kann. Indem
sie Preisstabilität sichert, kann sie jedoch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass solche Reformen wirken können. Mit Hilfe einer vernünftigen Geldpolitik, die auch
deflationäre Entwicklungen entschieden bekämpft, kann
bei multiplen Gleichgewichten verhindert werden, dass
die Wirtschaft in ein inferiores Gleichgewicht abgleitet.
Das zentrale Argument wird von Sinn (2002a) treffend
beschrieben; er liefert quasi eine Drehbuchvorlage für die
aktuell von der EZB betriebene Politik. Die Erfahrungen
aus der Finanzkrise erwiesen sich als eindrucksvolle Bestätigung seiner Ausführungen und haben viele Ökonomen veranlasst, eine Anhebung des Inflationsziels zu
fordern.
Die Bedeutung der Geldpolitik wird ganz offensichtlich, wenn der Verzicht darauf, deflationäre Tendenzen zu
bekämpfen, die Finanzmarktstabilität gefährdet. Der Versuch, der Depression Anfang der dreißiger Jahre mit einer
kontraktiven Geldpolitik zu begegnen, ließ die Wirtschaft
sowohl in den Vereinigten Staaten als auch später in ganz
Europa dramatisch und lange einbrechen. Vergleichbar
fatale Auswirkungen wären kaum zu vermeiden gewesen,
wenn die Bank of England im Herbst 2007 nach dem Ansturm auf die Hypothekenbank Northern Rock oder die
amerikanische Zentralbank genau ein Jahr später den heftigen Forderungen entsprochen hätte, hart zu bleiben und
eine Stützung des Finanzsystems als unzulässigen Markteingriff abzulehnen.
Hätte man davon abgesehen, sogenannte toxische
Wertpapiere anzukaufen, eventuell gar noch kombiniert
mit einer kurzfristigen Zinserhöhung, so wäre das der
sichere Weg gewesen, einen Ansturm auf das gesamte
Bankensystem auszulösen. Dieser hätte höchstwahrscheinlich einen noch weit massiveren Einbruch der
Marktpreise nach sich gezogen. Die entschiedenen Stützungsmaßnahmen der Federal Reserve als Kreditgeber der
letzten Instanz halfen dagegen, das Gesamtsystem zu stabilisieren, und ermöglichten so eine Erholung der infolge
einer Panikreaktion verzerrten Marktpreise. Später konnte
die amerikanische Zentralbank einen Großteil der gekauften vermeintlich toxischen Wertpapiere sogar mit Gewinn
wieder am Markt veräußern.
Multiple Gleichgewichte sind indes nicht nur von Bedeutung, wenn Bankenkrisen drohen. Wenn die reale Belastung verschuldeter Haushalte und Unternehmen in einer Phase dauerhaft niedriger oder gar fallender Preise
steigt und dies die Nachfrage drückt, kann sich daraus ein
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Unkonventionelle Geldpolitik – kein Paradigmenwechsel
Teufelskreis entwickeln, den bereits Irving Fisher (1933) als
zentrale Ursache der Weltwirtschaftskrise identifiziert hat.
Der Druck zum raschen Abbau der Schulden (Deleveraging) lässt die Nachfrage der Schuldner schrumpfen. Diesen Rückgang kann eine stärkere Nachfrage der Gläubiger
nur dann ausgleichen, wenn fallende Realzinsen Anreize
dazu geben, heute schon mehr zu konsumieren als morgen. Wenn sich aber die Realzinsen nicht weiter senken
lassen, kommt es gesamtwirtschaftlich zu einem Nachfrageausfall. Dieser verschärft das Problem weiter und führt
zu einer lang andauernden Stagnation, eventuell sogar zu
einem deflationären Prozess. Ein rechtzeitiges bewusstes
Gegensteuern der Zentralbank, die mit unkonventionellen
Maßnahmen einen Rückgang der Inflationsraten unterbindet, kann einen solchen fatalen Prozess verhindern. Wie
Romer und Romer (2015) zeigen, sind Ausmaß und Dauer
des Einbruchs nach Finanzkrisen umso gravierender, je
länger die Liquidität knapp gehalten wird.
Jede Veränderung der Inflationsrate bewirkt eine Umverteilung zwischen Gläubigern und Schuldnern. Wenn
die Zentralbank einen zu starken Rückgang der Inflation
verhindert, kann dies für alle Beteiligten Vorteile bringen,
indem nominal fest vereinbarte Kontrakte an veränderte
makroökonomische Bedingungen angepasst werden. Die
in der Vergangenheit festgelegten Nominalzinsen sind
schließlich ebenso rigide wie viele Preise und Löhne. Für
den einzelnen Kreditgeber ist es individuell nicht rational,
einer effektiven Reduktion der Zinsbelastung seines
Schuldners zuzustimmen. Dabei wären auch alle Gläubiger besser gestellt, wenn eine Stabilisierung der Inflationsrate verhinderte, dass die stark steigende Realschuldbelastung die Schuldner in die Insolvenz treibt und die
Produktion weiter einbricht.
Dass ein Markt mitunter nicht wieder in seinen Ausgangszustand zurückkehrt, wenn ein exogener Schock abgeklungen ist (Hysterese-Effekt), macht das Problem multipler Gleichgewichte auch für den Arbeitsmarkt relevant.
Die Einsicht, dass die Geldpolitik nicht in der Lage ist,
strukturell bedingte Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen, ist zu einem Grundpfeiler der modernen Geldtheorie
geworden. Sie darf aber nicht darüber hinwegtäuschen,
dass man empirisch nur mit großer Unschärfe zwischen
strukturell und konjunkturell bedingter Arbeitslosigkeit
unterscheiden kann. Aufgrund von Hysterese-Effekten
kann sich konjunkturell bedingte Arbeitslosigkeit leicht zu
struktureller Arbeitslosigkeit verfestigen, sofern ihr nicht
entschieden genug gegengesteuert wird: Arbeitskräfte, die
über einen längeren Zeitraum unbeschäftigt bleiben, verlieren im Laufe der Zeit immer mehr Fähigkeiten und Motivation; am Ende scheiden sie ganz aus dem Erwerbsleben
aus. Mit zunehmender De-Qualifikation der Langzeit-
135
arbeitslosen steigt somit die strukturell bedingte Erwerbslosenquote.
Die geldpolitische Reaktion einer Zentralbank wird
wesentlich davon beeinflusst, wie hoch sie die strukturell
bedingte Arbeitslosenquote einschätzt. Diese Einschätzung kann sich demnach wiederum nachhaltig auf die
tatsächliche Entwicklung der Arbeitslosigkeit auswirken.
Abbildung 6 illustriert dies eindrucksvoll. Hier steht die
Entwicklung der tatsächlichen Arbeitslosenquote in den
Vereinigten Staaten (dunkelrot gezeichnete Linie) den
Schätzungen zur strukturell bedingten Arbeitslosigkeit gegenüber, wie sie zum einen die Mitglieder des Entscheidungsgremiums der Federal Reserve, des Federal Open
Market Committee (FOMC, hellrot schraffierte Fläche) verwenden, zum anderen die Wirtschafts- und Finanzminister
der Europäischen Union (ECOFIN) in Brüssel. Letztere stützen sich auf das sogenannte NAWRU-Konzept (Non-accelerating wage rate of unemployment).
Mit diesem Konzept versucht man, jene Arbeitslosenquote zu schätzen, bei der keine Gefahr besteht, dass sich
die Inflationsrate durch Lohnsteigerungen beschleunigt.
Weil aber die Steigerung sowohl der Löhne als auch der
Preise in den vergangenen Jahren sehr moderat ausfiel, lag
die so berechnete NAWRU in jüngster Zeit am aktuellen
Rand meist relativ nahe an der jeweils tatsächlichen Arbeitslosenquote. So deuten die ECOFIN-Schätzungen im
Frühjahr 2012 darauf hin, dass damals der Großteil der
Arbeitslosigkeit in den Vereinigten Staaten strukturell bedingt sei. Dies hätte eine unmittelbare Straffung der Geldpolitik nahegelegt. Mit stetig fallender Arbeitslosenquote
wurden dann aber auch die ECOFIN-Schätzungen der
strukturell bedingten Arbeitslosenquote regelmäßig entsprechend nach unten revidiert (vgl. die entsprechenden
Revisionen im Zeitablauf in Abbildung 6).
Die Mehrzahl der FOMC-Mitglieder schätzte die strukturell bedingte Arbeitslosigkeit dagegen wesentlich niedriger ein, ähnlich wie das Congressional Budget Office des
amerikanischen Kongresses, und hielt deshalb an der lockeren Geldpolitik fest. Die einzelnen Mitglieder hatten
dabei durchaus unterschiedliche Einschätzungen; die
Bandbreite der kontroversen Meinungen spiegelt sich in
der hellrot schraffierten Fläche wider. Die rot gestrichelte
Linie in Abbildung 6 gibt die durchschnittliche (zentrale)
Einschätzung über alle FOMC-Mitglieder hin wieder.
Vieles spricht dafür, dass der stetige, wenn auch anfangs recht zähe Rückgang der Arbeitslosenquote in den
Vereinigten Staaten seit Sommer 2010 wesentlich schwächer ausgefallen wäre, wenn die amerikanische Geldpolitik nicht so beherzt agiert hätte. Mit einem Verharren der
Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau hätte sich dann wohl
auch die strukturell bedingte Arbeitslosigkeit auf einem
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Gerhard Illing
Abbildung 6: Vergleich zwischen der tatsächlichen und der als strukturell eingeschätzten Arbeitslosigkeit in den Vereinigten Staaten.
Quelle: ECOFIN, Federal Reserve und Bureau of Labour Statistics; eigene Darstellung.
wesentlich höheren Niveau verfestigt. Angesichts von Hysterese-Effekten ist die sogenannte natürliche Arbeitslosigkeit offenbar keineswegs naturgegeben und eindeutig
determiniert. Sie wird vielmehr auch von der jeweils betriebenen konkreten Stabilisierungspolitik bestimmt.
5 Deflationsbias – Das Problem
optimaler Steuerung
Viele Zentralbanken orientieren sich derzeit an theoretischen Modellansätzen, mit denen sich Kriterien für eine
optimale Geldpolitik an der Zinsuntergrenze entwickeln
lassen. Eggertsson und Woodford (2003) haben erstmals
die optimale Politik in einem neu-keynesianischen Ansatz
dargestellt. Sie griffen dabei auf Vorarbeiten von Paul
Krugman (1998) zurück, angeregt von den Erfahrungen
der Geldpolitik in Japan. Eggertsson und Woodford leiten
in einem dynamischen Makromodell anhand numerischer
Simulationen die Lösung eines Problems optimaler Steuerung („Optimal control“) ab, das explizit die Restriktionen
berücksichtigt, die sich aus der Zinsuntergrenze ergeben.
Sie zeigen, dass die optimale Politik für eine gewisse Zeit
ein leichtes Überschießen der Inflation zulassen sollte.
Jede Zentralbank, die einen solchen Pfad ankündigt,
ist jedoch mit einem Glaubwürdigkeitsproblem konfrontiert, das genau umgekehrt wirkt wie im Fall des traditionellen Inflationsbias, also bei einer Verhaltensverzerrung
in Richtung Inflation, die als Barro-Gordon-Ansatz Eingang in viele Lehrbücher gefunden hat. Statt zu dem Anreiz, die Inflationsrate ineffizient hoch zu treiben, kann es
in der Liquiditätsfalle zu einem Deflationsbias kommen:
Das Bestreben, in Zukunft wieder für strikte Preisstabilität
zu sorgen, verhindert eine wirksame Stimulierung der aggregierten Nachfrage und führt so zu einem Einbruch der
Produktion. Zentrale Elemente dieser Arbeiten sind in die
Gestaltung der aktuellen Strategie der amerikanischen
Zentralbank eingeflossen (vgl. Brayton, Laubach und Reifschneider 2014).
Die Grundidee des Optimal-control-Ansatzes sei im
Folgenden anhand einer einfachen Drei-Perioden-Version
7
des neu-keynesianischen Modells illustriert. In diesem
Modell stehen die Perioden 1 und 2 für die kurze Frist;
Periode 3 steht für die lange Frist. Die Unternehmen haben
Marktmacht und verfügen somit über Preissetzungsspielraum. Weil nicht alle Unternehmen ihre Preise jederzeit
anpassen, verläuft die kurzfristige aggregierte Angebotsfunktion ansteigend; Nachfrageschocks wirken sich deshalb als ineffiziente Schwankungen der gesamtwirtschaftlichen Produktion aus, sofern sie nicht durch antizyklische
Geldpolitik stabilisiert werden.
7 Die Darstellung basiert auf Illing/Siemsen (2015). Dort wird die
explizite analytische Lösung abgeleitet.
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Unkonventionelle Geldpolitik – kein Paradigmenwechsel
Ein Teil der Unternehmen hat seine Preise bereits von
Anfang an über den gesamten Zeitraum auf p* festgelegt
und kann sie später nicht an Schocks anpassen. Solange
die Kostenstruktur aller Unternehmen identisch ist, bringt
es Wohlfahrtsverluste mit sich, wenn deren Preise voneinander abweichen. Eine optimale Politik strebt deshalb
ex ante (solange keine Schocks auftreten) ein konstantes
Preisniveauziel p* an, um so eine Streuung der Preise zu
verhindern. Wenn das Preisniveau nach einem Schock
unter p* fällt, schränken Unternehmen mit starren Preisen
ihre Produktion ein. Falls dann die Zentralbank nicht imstande ist, Preisniveau und wirtschaftliche Aktivität zu
stabilisieren, indem sie den Leitzins anpasst, kommt es zu
Deflation und zu einem Einbruch unter das natürliche Produktionsniveau.
Die aggregierte Nachfrage ist umso geringer, je höher
der Realzins im Vergleich zur Zeitpräferenzrate ρ eines
repräsentativen Haushalts liegt. Knut Wicksell (1898) hat
bereits Ende des 19. Jahrhunderts die Unterscheidung zwischen dem Marktzins und dem sogenannten natürlichen
Zinssatz eingeführt, bei dem Vollbeschäftigung und Preisstabilität herrscht. Wicksell (1898) zufolge sollte die Zentralbank den Zinssatz so steuern, dass sich der Marktzins
möglichst dem natürlichen Zins angleicht, um Preisstabilität zu sichern. Wenn die Zentralbank den Marktzins unter
den natürlichen Zins senkt, dann setzt nach Wicksell ein
kumulativer Prozess ein, der zunächst zu Überbeschäftigung führt, letztlich aber in Inflation mündet. Um dies zu
verhindern, müsste der Marktzins steigen. Umgekehrt
kommt es zu Deflation, sofern der Marktzins höher liegt als
der natürliche Zins. Bei schwacher Wirtschaft sollte die
Zentralbank den Marktzins entsprechend senken, um das
Preisniveau zu stabilisieren. Moderne Zinsregeln können
als ein Versuch interpretiert werden, diese Überlegung
quantitativ zu operationalisieren.
Der „natürliche Realzins“, bei dem die wirtschaftliche
Aktivität der natürlichen Produktion entspricht, ist im einfachen stilisierten Modell allein von der Zeitpräferenzrate
ρ bestimmt. Bei gegebenen Inflationserwartungen senkt
ein Rückgang des Leitzinses den realen Marktzins; damit
steigt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in der laufenden Periode. Dies dämpft die Sparneigung und stimuliert
somit die Konsumnachfrage in der laufenden Periode. Die
Zentralbank strebt in jeder Periode das Preisniveau p* an,
um Verzerrungen der relativen Preise zu verhindern. In der
Ausgangsperiode 0 befinden sich Preisniveau, Produktion
sowie Realzins im Gleichgewicht (vgl. Abbildung 7). Solange keine Schocks auftreten, setzt sich dies auch in den
nächsten Perioden fort.
Untersuchen wir nun die Auswirkungen eines temporären Nachfrageschocks in Periode 1. Eggertsson und
137
Woodford (2003) folgend, betrachten wir einen Schock,
der die Zeitpräferenzrate und damit den kurzfristig angemessenen natürlichen Realzins verschiebt. Wir gehen
davon aus, dass dieser Schock nur eine Periode andauert.
Die Zeitpräferenzrate kehrt in den Folgeperioden also wieder zum langfristigen Durchschnittswert ρ͞ zurück. Wenn
die Zentralbank den Leitzins im Fall eines Nachfrageschocks unverändert lässt, kommt es zu ineffizienten
Schwankungen von Produktion und Preisniveau. In unserem stilisierten Modell ergibt sich die optimale Zinsregel
ganz einfach: Der Leitzins muss so angepasst werden, dass
der Marktzins jeweils dem natürlichen Zins, also der Zeitpräferenzrate entspricht. Antizyklische Geldpolitik kann
auf diese Weise in normalen Zeiten dafür sorgen, dass zum
einen das Preisniveau stabil bleibt und zum anderen trotz
bestehender Preisrigiditäten das natürliche Produktionsniveau erreicht wird.
Die Geldpolitik auf dem Wege der Zinssteuerung stößt
jedoch an Grenzen, sobald die Zeitpräferenzrate kurzfristig so stark sinkt, dass der angemessene natürliche Realzins negativ wird. Dieser Fall soll im Folgenden als stilisierte Modellierung eines gravierenden Schocks im
Finanzgewerbe dienen. Dies stellt ein plausibles Szenario
für eine Situation dar, in der überschuldete Haushalte
gezwungen sind, ihre hohe Nominalverschuldung abzubauen, also für den „Deleveraging“-Prozess. Die Wirtschaft gerät nun in eine Liquiditätsfalle, weil der Leitzins
aufgrund der Null-Zinsgrenze nicht negativ werden kann.
Wenn die Zentralbank in den Folgeperioden an ihrem
Preisziel p* festhält, müssen die Preise in Periode 1 nun
stark fallen. Dies geht jedoch mit einem starken Einbruch
der wirtschaftlichen Aktivität einher, weil die Unternehmen, deren Preise sich nicht anpassen können, ihre Produktion stark einschränken.
Wie bereits von Krugman (1998) beschrieben, gibt es
aber durchaus einen Ausweg aus dieser Liquiditätsfalle:
Die Zentralbank könnte das Preisniveau in der Folgeperiode temporär steigen lassen. Je höher die Preiserwartungen in Periode 2 ausfallen, desto höher liegen auch die
Inflationserwartungen, und umso niedriger wäre der Realzins heute. Die Zentralbank müsste die Öffentlichkeit
folglich davon überzeugen, dass sie bereit ist, einen temporären Anstieg des Preisniveaus zu tolerieren. Ein entsprechend starker Preisanstieg könnte den Realzins so
weit senken, dass sich in Periode 1 ein wirtschaftlicher
Einbruch sogar ganz verhindern ließe. Dies wäre aber
keineswegs optimal, denn der Preisanstieg in der nächsten
Periode über p* hinaus ist ebenfalls mit Wohlfahrtsverlusten verbunden.
Ausgehend von dieser Überlegung, lässt sich die optimale Geldpolitik durch folgende Bedingung beschreiben:
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Gerhard Illing
Abbildung 7: Vergleich von dynamisch konsistenter Geldpolitik und Selbstverpflichtung.
Quelle: Illing/Siemsen (2015).
Die Zentralbank muss sich zu einem Preisanstieg verpflichten, bei dem der marginale Wohlfahrtsverlust aus einem
steigendem Preisniveau in Periode 2 genau dem marginalen Wohlfahrtsgewinn entspricht, der sich in der laufenden Periode aus der höheren Nachfrage dank des niedrigeren Realzinses ergibt. Trotz der Zinsuntergrenze kann
es der Zentralbank mit einer solchen Geldpolitik gelingen,
den überhöhten Realzins im Laufe der Krise (in Periode 1)
dem natürlichen Realzins anzunähern. Sie muss sich dabei
aber darauf verpflichten, in der Folgeperiode auch nach
Abklingen des Schocks eine expansive Geldpolitik mit einem niedrigeren Nominalzins zu verfolgen. Die roten Linien in Abbildung 7 beschreiben diesen Ausweg aus der
Liquiditätsfalle. Die Zentralbank verpflichtet sich entlang
des optimalen „Selbstverpflichtungspfads“ in Periode 2 zu
einem niedrigen Leitzins, der das Preisniveau auf p2* > p*
steigen lässt und damit den Realzins in Periode 2 unter den
langfristig geltenden natürlichen Zins ρ2 = ρ͞ senkt. Dies
bedeutet, dass die Produktion in der Folgeperiode bewusst
über die Normalauslastung hinaus stimuliert wird, obwohl
der Schock dann schon wieder abgeklungen ist.
Sofern die Zentralbank über hinreichende Glaubwürdigkeit verfügt, könnte sie schon damit, dass sie ankündigt, die Leitzinsen lange genug niedrig zu halten, sicherstellen, dass der gewünschte Pfad realisiert wird. Auf
dieser Überlegung fußt letztlich der Versuch, Forward guidance als geldpolitisches Instrument einzusetzen – wie es
die Fed (2009) am 18. März 2009 mit folgender expliziter
Ankündigung tat: „… economic conditions are likely to
warrant exceptionally low levels of the federal funds rate
8
for an extended period“ .
Dabei stellt sich jedoch folgendes Glaubwürdigkeitsproblem: Sobald sich die Wirtschaft von der Stagnationsphase erholt hat, verändern sich die Anreize der Zentralbank fundamental. Wenn der Schock wieder abgeklungen
ist, besteht ein starker Druck, für Preisstabilität zu sorgen,
um unerwünschte Spreizungen der Preise zu verhindern.
Damit aber würde die Zentralbank von der ursprünglichen
Ankündigung abweichen. Diesen Anreiz antizipierend,
zweifeln die privaten Akteure möglicherweise von vornherein an der Bereitschaft der Zentralbank, eine zeitweilig
höhere Inflation zuzulassen. Sie passen ihre Preiserwartungen deshalb in der Periode 1 allenfalls moderat an.
Wenn alle damit rechnen, dass die Preise in Periode 2
kaum steigen, bleibt der Realzins hoch. Die Selbstverpflichtung lässt sich dann aber nicht verwirklichen. Die
Befürchtung, dass aus Sorge vor drohenden Inflationsgefahren die Stimulierung vorzeitig rückgängig gemacht
wird, verhindert von Anfang an, dass der Realzins sinken
kann. Die Wirtschaft verharrt dann in der Stagnation.
Die Zentralbank steht mithin vor einem Problem der
dynamischen Konsistenz, das exakt invers ist zum traditionellen Konsistenzproblem der Geldpolitik – dem Anreiz,
8 Die Fed wiederholte diese Ankündigung regelmäßig in späteren
Statements; der EZB-Rat machte ähnliche Aussagen erstmals in der
Sitzung vom 4. Juli 2013 (vgl. EZB 2014).
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Unkonventionelle Geldpolitik – kein Paradigmenwechsel
die Wirtschaft durch zu viel Inflation zu stimulieren. Im
dynamisch konsistenten Gleichgewicht kehrt das Preisniveau unmittelbar nach Abklingen des Schocks wieder
auf p* zurück. In Abbildung 7 beschreiben die schwarz
gestrichelten Linien die dynamisch konsistente Lösung.
Bereits in Periode 2 kehrt die Wirtschaft wieder zu den
langfristigen Durchschnittswerten zurück. Dies aber bedeutet einen sehr hohen Realzins in Periode 1, der sowohl
Preisniveau als auch Produktion im Vergleich zur optimalen Lösung einbrechen lässt.
Entscheidend für den Erfolg der Politik ist also, dass
die Zentralbank mit ihrer Ankündigung glaubwürdig ist,
dass sie dem beschriebenen Deflationsbias nicht nachgeben wird, sondern vielmehr bereit ist, die Leitzinsen
länger niedrig zu halten, als es Standardversionen der
Taylor-Regel nahelegen. Diese Überlegung steht hinter der
modernen Zentralbankpraxis der „Forward guidance“.
Wenn die Öffentlichkeit solchen zukunftsgerichteten Hinweisen vertraut und mit dauerhaft niedrigen Zinsen rechnet, wirkt sich dies unmittelbar dämpfend auf die langfristigen Zinsen aus. Forward guidance ist dann ein
wirksamer Weg, die Wirtschaft allein durch verbale Kommunikation zu stimulieren: Im Vertrauen auf den angekündigten Zinspfad nehmen die Marktkräfte künftige Aktionen der Zentralbank heute schon vorweg und erledigen
damit einen Großteil der Aufgabe von selbst.
Allerdings sind Worte nur Schall und Rauch. Weil verbale Ankündigungen kaum Bindungscharakter haben,
können die zukunftsgerichteten Hinweise nur wirken,
wenn die Zentralbank über eine entsprechende Reputation
verfügt. Wer mit der Vorstellung vertraut ist, dass Zentralbanken dazu neigen, überhöhte Inflationsraten zu tolerieren, den mag es überraschen, dass sie an der Zinsuntergrenze von null vielmehr mit einem Deflationsbias
kämpfen – der Versuchung, die Zinsen nicht so lange niedrig zu halten wie versprochen. Eine strikte Regelbindung,
beispielsweise die vertragliche Festschreibung niedriger
Zinsen für einen vorgegebenen Zeitraum, kann das Problem kaum lösen: Zum einen mag sich bei veränderter
Datenlage der angemessene Zeitpunkt für die Zinsanpassung verschieben; zum anderen ist Papier nicht unbedingt
weniger geduldig als die mündliche Kommunikation.
6 Spielräume an der NullZinsgrenze
Wie soll nun die Zentralbank an der Zinsuntergrenze konkret handeln? Keynes meinte seinerzeit, Geldpolitik sei in
der Liquiditätsfalle wirkungslos. Er plädierte stattdessen
139
dafür, aktive Fiskalpolitik zu betreiben. Die Forderung,
Zentralbanken sollten die Wirtschaft durch das Verteilen
von Geldscheinen mittels Helikopter stimulieren, ist eine
moderne Variante dieser Sichtweise. Schließlich entspricht sie fiskalischen Transfers, die auf dem Wege der
Geldschöpfung finanziert werden.
In der Tradition von Friedman (2000) sehen moderne
Monetaristen die Lösung dagegen in einer massiven Ausweitung der Geldbasis im Wege eines Ankaufs von Anleihen (vgl. etwa Laidler 2012 oder Sumner 2012). Eine intertemporale Modellanalyse hilft, die Implikationen dieses
Vorschlags besser zu verstehen. Mit ihrer Hilfe lassen sich
die exakten Bedingungen präzisieren, unter denen Geldpolitik ihre Wirkung verliert. Der Ausgangspunkt hierfür
sind Arbitrageüberlegungen, die sich als direkte Übertragung des Theorems der ricardianischen Äquivalenz – nach
dem eine Steuersenkung heute die wirtschaftliche Aktivität nicht ankurbeln kann, wenn die Menschen antizipieren, dass sie dafür morgen mehr Steuern zahlen müssen –
auf die Geldhaltung anwenden lassen. Neil Wallace (1981)
hat ein solches Irrelevanz-Theorem für Offenmarktgeschäfte formuliert.
Es fußt auf einer einfachen Überlegung: Beim Zinssatz
von null sind die Wirtschaftssubjekte zwischen dem Halten von Geld und der Anlage in Wertpapieren indifferent.
Jede temporäre Ausdehnung der Geldbasis, welche die
Zentralbank später wieder rückgängig macht, wird durch
das Horten der zusätzlichen Liquidität im privaten Sektor
konterkariert. Solange auf den Kapitalmärkten eine perfekte Arbitrage zwischen kurz- und langfristigen Wertpapieren möglich ist, wie meist in einfachen neu-keynesianischen Modellen angenommen, und solange sich die
Erwartungen bezüglich der Zinspolitik der nächsten Jahre
nicht verändern, sorgt diese Arbitrage dafür, dass sich
auch die Zinssätze für langfristige Anleihen nicht ändern,
wenn die Zentralbank durch den Kauf längerfristiger An9
leihen ihre Geldbasis ausweitet.
9 Diese Neutralität gilt nicht, solange das Halten von Geld gegenüber
anderen Anlageformen Liquiditätsvorteile bringt, die Wirtschaftssubjekte also bereit sind, eine Liquiditätsprämie zu zahlen, und der Wertpapierzins auf sichere Anleihen daher höher ist als der Zins auf
Geldhaltung. Klassische Offenmarktgeschäfte wirken dadurch, dass
sie diese Liquiditätsprämie verändern. Erst wenn eine Sättigung mit
Liquidität eintritt, greift das Irrelevanz-Theorem. Dies ist dann gegeben, wenn der Zins auf null gefallen ist, aber auch dann, wenn
Geldhaltung mit der gleichen Rate verzinst wird wie Anleihen. Die
Verzinsung der Reserven von Geschäftsbanken in Höhe des Leitzinses
führt ebenso zu einer Sättigung mit Liquidität wie ein Senken des
Zinses auf null. Beide Fälle entsprechen dem Konzept der optimalen
Geldmenge von Friedman (1969) – sie beseitigen die von ihm kritisierte Ineffizienz aus unzureichender Liquiditätsbereitstellung.
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Gerhard Illing
Abbildung 8: Die Entwicklung von Geldbasis, Geldmenge M2, Konsumentenpreisindex (CPI) und BIP in Japan seit 1980.
Quelle: Datastream Thomson Reuters; eigene Darstellung.
Diese mitunter als „Wallace-Neutralität“ bezeichnete
Überlegung liefert das zentrale Argument, warum viele
Ökonomen skeptisch sind, ob eine quantitative Lockerung
wirkt. Die Neutralität gilt aber nur, wenn diese Lockerung
später wieder vollständig rückgängig gemacht wird und
wenn auf den Finanzmärkten perfekte Arbitrage möglich
ist. Sind diese Bedingungen nicht gegeben, kann unkonventionelle Geldpolitik über folgende Kanäle durchaus
Wirkung haben: Zum einen kann eine Ausweitung der
Geldbasis wirken, indem sie die Erwartungen bezüglich
der Zinspolitik der nächsten Jahre verändert. Sie signalisiert, dass eine länger andauernde Lockerung beabsichtigt
ist. Zum anderen hat die Ausdehnung der Geldbasis reale
Effekte, wenn die Arbitragemöglichkeiten im privaten Sektor begrenzt sind.
6.1 Quantitative Lockerung als Signal zur
Stärkung der Forward guidance
Wenn die Zentralbank ihre Vermögenswerte bewusst ausweitet und die Menschen dies als Signal dafür interpretieren, dass auch in Zukunft eine Fortsetzung der expansiven
Politik vorgesehen ist, um die Zinsen längere Zeit niedrig
zu halten, ohne das langfristige Inflationsziel aufzugeben,
so kann dies als Selbstverpflichtung dienen, um die zur
Überwindung des Deflationsbias notwendige Reputation
aufzubauen. Die quantitative Lockerung wirkt dann im
Wesentlichen dadurch, dass sie die Erwartungen bezüglich der künftigen Zinspolitik verändert. Dann sinken heute schon die langfristigen Zinsen und regen die laufende
Nachfrage an.
Dass Ankäufe von Vermögenswerten einen stärkeren
Bindungscharakter haben als verbale Ankündigungen ist
allerdings keineswegs zwingend. So wechselte die japanische Zentralbank im Zeitraum von 2001 bis 2006, dem
Rat Friedmans folgend, zu einer Politik mit quantitativen
Vorgaben zur Ausdehnung der Geldbasis. Sie verlängerte
ihre Bilanz in diesen Jahren um rund 75 Prozent – fast
durchwegs durch den Ankauf von Staatspapieren. Mit den
ersten Zeichen einer Erholung leitete die Bank of Japan im
März 2006 dann umgehend eine neuerliche Wende ein
und machte die Ausweitung der Geldbasis noch im selben
Jahr rasch rückgängig (vgl. Abbildung 8). Weder die Geldmenge M2 noch das Preisniveau und das nominale Bruttoinlandsprodukt sind in Japan in diesem Zeitraum stark
gestiegen. Weil die Ausweitung von vornherein als nur
temporär angekündigt worden war, blieb das Manöver
wenig effektiv.
6.2 Portfolio-Umschichtungseffekte bei
Grenzen der Arbitrage
Wenn die Kapitalmärkte unvollkommen sind, beispielsweise aufgrund asymmetrischer Information oder einfach
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Unkonventionelle Geldpolitik – kein Paradigmenwechsel
als Folge von Marktsegmentation, kann perfekte Arbitrage nicht reibungslos funktionieren. Bereits Shleifer
und Vishny (1997) haben gezeigt, dass wohlinformierte,
aber kreditbeschränkte Investoren Arbitragemöglichkeiten nicht mehr nutzen können, wenn potenzielle Kreditgeber bestimmte Wertpapiere für zu riskant einschätzen,
um überhaupt bereit zu sein, eine solche Finanzierung zu
übernehmen. Im Laufe der Finanzkrise hat sich eindrucksvoll bestätigt, dass selbst risikobereite Investoren in ihren
Finanzierungsmöglichkeiten beschränkt sind. Auch sie
können sich einmal gezwungen sehen, selbst solche Wertpapiere zu verkaufen, die sie eigentlich behalten möchten
(Notverkäufe). Den Ausfall dieser Investoren kann die Zentralbank durch eine qualitative Lockerung kompensieren,
also durch den Kauf riskanter Papiere im Tausch gegen
sichere Anleihen, die sie bisher in ihrer Bilanz gehalten
hat, und damit den Zinsaufschlag solcher Wertpapiere
dämpfen. Wenn die Arbitrage versagt, kann auch eine
quantitative Lockerung der Privatwirtschaft bestimmte Risiken (wie etwa Laufzeitrisiken) abnehmen.
Sofern die Märkte aufgrund spezifischer Präferenzen
der Anleger in verschiedene Segmente aufgeteilt sind,
wirkt sich der Kauf bestimmter Anleihetypen über Portfolio-Umschichtungseffekte auch auf deren jeweilige Marktpreise aus. Im Gegensatz zur klassischen Erwartungstheorie verläuft die Zinsstrukturkurve im Normalfall selbst bei
konstanten Zinserwartungen steigend. Die Zinssätze für
langfristige Anleihen lassen sich also nicht allein aus den
im Zeitablauf für die Zukunft erwarteten kurzfristigen Zinsen erklären. Offensichtlich sind kurz- und langfristige
Anleihen keine perfekten Substitute; in letztere gehen vielmehr auch noch Risikoprämien ein. Die Zentralbank kann
somit die Risikoprämien und damit die Renditen langfristiger Anleihen senken, indem sie dieses Marktsegment ankauft und die Fristigkeitsstruktur der privat gehaltenen
Staatsanleihen verändert. Wenn der positive Vermögenseffekt aus den Wertsteigerungen stimulierende Nachfrageeffekte nach sich zieht, wirkt dieser Kanal analog zu
traditionellen Zinssenkungen.
Die beschriebenen Portfolio-Umschichtungseffekte ergeben sich letztlich daraus, dass die Zentralbank bestimmte Risiken der Privatwirtschaft (sei es das Risiko aus Finanzanlagen oder das mit dem Halten langfristiger
Anleihen verbundene Laufzeitrisiko) in ihre Bilanz übernimmt. Dadurch verschwinden diese Risiken gesamtwirtschaftlich natürlich keineswegs. Sie werden am Ende vielmehr vom Steuerzahler getragen: Wenn die Einnahmen
aus Geldschöpfung bei einer Realisation von Verlusten
niedriger ausfallen, müssten die Steuern angepasst werden. Bei perfekten Märkten würde der „repräsentative“
Haushalt, der diesen Zusammenhang durchschaut, ent-
141
sprechende Rückstellungen für eine steigende Steuerbelastung im Fall realisierter Verluste bilden. Damit wird die
Aktion der Zentralbank konterkariert, so dass sich wieder
Wallace-Neutralität einstellt. Die Marktpreise für Anleihen, in denen alle künftigen Risiken effizient eingepreist
sind, würden sich demnach gar nicht verändern.
Wenn bei unvollkommenen Märkten Verzerrungen auf
den Finanzmärkten auftreten, kann es dagegen vorteilhaft
sein, dass die Zentralbank Risiken übernimmt, sofern dies
eine effizientere Allokation von Risiken ermöglicht – eine
Umverteilung hin zu den Akteuren mit höherer Absorptionskapazität. Dies gilt insbesondere dann, wenn auf diese
Weise verhindert werden kann, dass die Wirtschaft in ein
inferiores Gleichgewicht abgleitet. Umgekehrt würde sich
die Risikoallokation verschlechtern, wenn solche Käufe bestimmte Akteure ermunterten, gerade deshalb exzessive
Risiken einzugehen, weil sie darauf bauen, sie später überwälzen zu können (vgl. Cao und Illing 2011).
6.3 Implikationen für die
Finanzmarktstabilität
Eine entscheidende Frage ist, ob sich die steigenden Vermögenspreise in verstärkte reale Investitionstätigkeit umsetzen oder ob der Transmissionsmechanismus so stark
gestört ist, dass es nur zur Blasenbildung kommt. Es gibt
Indizien dafür, dass eine Garantie dauerhaft niedriger Zinsen Risiken für die Finanzmarktstabilität birgt. So könnten
Anreize für „Carry trades“ entstehen, bei denen Anleger in
höher verzinsliche Fremdwährungsanleihen investieren,
um über die Hebelwirkung durch hohe Verschuldung in
guten Zeiten übernormale Renditen zu erzielen, selbst
wenn damit das Risiko eines Scheiterns in schlechten Zeiten verbunden ist. Zinsänderungsrisiken ebenso wie Carry
trades am internationalen Devisenmarkt könnten die Anfälligkeit im Bankensektor stark erhöhen, wenn die hektische Suche nach attraktiveren Renditen wirksame Kontrollmechanismen für ein effizientes Risiko-Management
außer Kraft setzt. Empirische Evidenz zeigt, dass niedrige
Zinsen in der Tat zu einer größeren Risikobereitschaft von
Finanzintermediären beitragen (vgl. Jiménez, Ongena,
Peydró und Saurina 2012).
Was aber bedeutet dies für die Ausrichtung der Geldpolitik? Ein wesentliches Ziel einer Geldpolitik, die nicht
per Zinssteuerung funktioniert, besteht gerade darin, in
Zeiten überhöhter Risikoaversion die Bereitschaft zu realen Investitionen zu fördern, um der Flucht in sichere
Finanzanlagen entgegenzuwirken. Es wäre jedoch kontraproduktiv, wenn das Mehr an Investitionen mit einer größeren Fragilität der Finanzmärkte und mit der Gefahr
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Gerhard Illing
künftig noch weit verschärfter Wirtschaftskrisen erkauft
würde.
Es kommt dabei wesentlich darauf an, ob steigende
Zinsen asymmetrisch auf die Realwirtschaft wirken. Wenn
ein starker Anstieg der Zinsen zur Bekämpfung inflationärer Gefahren heftige Verwerfungen an den Finanzmärkten
auszulösen droht, könnte es helfen, schon früh die Zinsen
leicht anzuheben, selbst wenn das mit einer fortgesetzten
wirtschaftlichen Stagnation erkauft werden müsste. Der
langfristige Vorteil der größeren Finanzmarktstabilität
überwöge dann die Kosten einer kurzfristig zu restriktiven
Geldpolitik (vgl. Stein 2012). Umgekehrt besteht aber die
Gefahr, dass eine vorzeitige Straffung der Geldpolitik die
Erholung der Wirtschaft allzu heftig bremst, was in eine
langwierige Stagnation münden kann und dann wesentlich größere Gefahren für die Finanzmarktstabilität mit
sich brächte. Die Erfahrungen in Schweden sind ein gutes
Beispiel: Dort hat die Reichsbank zwischen Sommer 2010
und Mitte 2011 aus Sorge um die Finanzstabilität die Zinsen
angehoben. Damit trug sie zu einer Abschwächung der
wirtschaftlichen Aktivität bei. Mittlerweile sind die Leitzinsen dort wieder gesunken, ja sogar unter null gefallen.
Eine Ankündigung der Zentralbank, dass sie Fehlanreize, denen Finanzintermediäre unterliegen, durch eine Selbstverpflichtung zu höheren Zinsen bekämpfen will,
wäre offensichtlich dynamisch nicht konsistent. Sobald
die Gefahr von Finanzkrisen droht, wäre es fahrlässig, auf
Zinssenkungen zu verzichten. Cao und Illing (2015) liefern
eine modelltheoretische Analyse dieses Dilemmas. Sie
analysieren das Risikoverhalten von Finanzintermediären
im Wechselspiel mit der Zentralbankpolitik in einem Modell, das die Fragilität des Bankensektors endogen aus den
Anreizmechanismen ableitet. Sie zeigen, dass Finanzintermediäre starke Anreize haben, gerade in solche Aktivitäten
zu investieren, die möglicherweise große systemische Liquiditätsrisiken bergen. Die Zentralbank könnte so in eine
Zinsfalle geraten, die ihre Geldpolitik vom Verhalten der
Finanzintermediäre abhängig macht.
Allein auf sich gestellt, kann Zinspolitik in der Tat in
erhebliche Zielkonflikte geraten. Es wäre auch vermessen,
mit einem einzelnen Instrument verschiedene Ziele gleichzeitig erreichen zu wollen. Solche Zielkonflikte lassen sich
jedoch lösen, indem man die Zinspolitik durch eine angemessene Regulierung ergänzt. Wie in Cao und Illing
(2011) abgeleitet, lassen sich verfehlte Risikoanreize korrigieren, indem man die Regulierung des Finanzmarkts
anpasst, also die sogenannten makroprudenziellen
Instrumente – beispielsweise mit einer Straffung der Vorschriften zur Liquiditätshaltung. Höhere Zinsen sind dagegen ein zu grobes Mittel, um Blasenbildung, exzessive
Kreditvergabe und riskantes Verhalten im Finanzgewerbe
zu bekämpfen. Eine Politik hoher Zinsen beeinträchtigt die
gesamte Wirtschaft, statt an der Wurzel des konkreten Problems anzusetzen. Makroprudenzielle Maßnahmen erscheinen dazu viel besser geeignet. Sie können direkt am
konkreten Verursacher exzessiver Risiken ansetzen, dem
Schuldner oder Gläubiger, den Banken oder anderen Finanzinstituten.
Chodorow-Reich (2014) hat das Verhalten von Finanzintermediären in der Phase unkonventioneller Geldpolitik in den Vereinigten Staaten untersucht. Dieser Studie
zufolge dominieren die stabilisierenden Elemente dieser
Maßnahmen. Mit der Stärkung der wirtschaftlichen Aktivität stiegen auch die Vermögenspreise, sodass das Marktportfolio der Finanzinstitute an Wert gewonnen hat. Diese
indirekte Rekapitalisierung hat sie gegenüber Risiken robuster gemacht. Anhand von Event-Studien (statistischen
Verfahren, um anhand von Finanzmarktdaten die Wirkung bestimmter Ereignisse innerhalb eines bestimmten
Zeitfensters zu untersuchen) weist Chodorow-Reich nach,
dass die verbesserte Solvenz tendenziell die Bereitschaft
senkte, neuerlich hohe Risikopositionen einzugehen.
Es bleibt jedoch offen, ob und inwieweit sich die
Ergebnisse dieser Studie verallgemeinern lassen. Damit
sich die erwünschten stabilisierenden Effekte einstellen,
muss eine wirksame Regulierung das Finanzgewerbe insgesamt weniger anfällig gegenüber makroökonomischen
Schocks machen. Dabei gilt es aber zu verhindern, dass
riskante Geschäfte einfach in weniger stark regulierte
Sparten ausgelagert werden. Weil es bisher nur wenig
Erfahrungen mit makroprudenziellen Instrumenten gibt,
lässt sich deren Wirksamkeit noch nicht abschließend beurteilen. Im Idealfall ergänzen Geldpolitik und makroprudenzielle Regulierung einander. Prozyklische Eigenkapitalanforderungen dämpfen die Kreditvergabe in BoomZeiten und sorgen dabei zugleich für den Aufbau von
Puffern für Krisenzeiten.
Das aktuelle Problem hat sich daraus ergeben, dass
versäumt wurde, in früheren Boom-Phasen solche Puffer
aufzubauen. Viele Regulierungsmaßnahmen im Finanzgewerbe sind derzeit darauf ausgerichtet, die Banken von
einer zu starken Kreditvergabe abzuhalten; sie wirken damit dem Zweck einer unkonventionellen Geldpolitik in
mancher Hinsicht genau entgegen. Angesichts der angesprochenen Risiken wäre es angeraten, weitere Instrumente zur Unterstützung zum Einsatz zu bringen. Eine
antizyklische Fiskalpolitik beispielsweise käme der starken Nachfrage nach sicheren Vermögenswerten in Krisenzeiten entgegen und könnte so einen starken Einbruch der
Realzinsen verhindern. Wenn die Fiskalpolitik als Option
ausgeschlossen ist, wäre das sprichwörtliche Verteilen
von Helikopter-Geld immer noch eine Möglichkeit, Maß-
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Unkonventionelle Geldpolitik – kein Paradigmenwechsel
143
Abbildung 9: Qualitative und quantitative Lockerung in der Geldpolitik der Fed.
Quelle: Cleveland Fed; eigene Darstellung.
nahmen zu vermeiden, die Verwerfungen an den Finanzmärkten mit sich bringen.
7 Erfahrungen mit quantitativer
Lockerung – das Beispiel USA
Die amerikanische Notenbank, die Federal Reserve, hat
von Herbst 2008 bis Oktober 2014 durch Wertpapierkäufe
3500 Milliarden Dollar an zusätzlicher Liquidität in den
Markt gepumpt. Dadurch verlängerte sich ihre Bilanz um
fast 400 Prozent auf fast 4500 Milliarden Dollar. Zum
Bruttoinlandsprodukt in Bezug gesetzt, stieg die Bilanzsumme von 6 auf 26 Prozent. Zu Beginn der Krise, zwischen August 2007 und September 2008, versuchte die
Fed zunächst die Spannungen auf den Finanzmärkten dadurch zu mildern, dass sie ihre Vermögenswerte bei konstanter Bilanzsumme umschichtete (qualitative Lockerung
bei gleichzeitiger Sterilisierung). Während sie traditionell
fast ausschließlich amerikanische Staatsanleihen kurzer
Laufzeit (sogenannte T-Bills) in ihrer Bilanz zu halten
pflegte, tauschte sie nun einen Großteil dieses Bestands in
verbriefte Wertpapiere unterschiedlichster Qualität. In Abbildung 9 sind sie zusammengefasst unter dem Begriff
„Kredite an Finanzinstitutionen“; in diesem Posten ist
auch die Liquiditätszufuhr an zentrale Kreditmärkte enthalten. Die Bilanzsumme, also die Geldbasis, blieb dabei
zunächst nahezu konstant.
Die Vermögenswerte von knapp 900 Milliarden Dollar
in der damaligen Bilanz der Federal Reserve waren verschwindend gering im Vergleich zum gesamten Anleihenmarkt in den Vereinigten Staaten, dessen Volumen sich
auf gut 50 Billionen Dollar belief. Die Fed war an den
Finanzmärkten nur ein verhältnismäßig kleiner Akteur.
Als sich nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers
die Finanzkrise verschärfte, kombinierte sie in mehreren
Stufen die Politik der qualitativen mit einer quantitativen
Lockerung. In kurzer Zeit wuchs ihre Bilanzsumme anfangs rasant von knapp 900 Milliarden auf mehr als 2
Billionen Dollar (vgl. Abbildung 9). Zunächst sollten die
Käufe vor allem jene Marktsegmente stützen, deren Papiere als toxisch galten und kaum mehr Käufer fanden, zumal
sich die privaten Anleger in sichere Anlagen flüchteten
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144
Gerhard Illing
und deshalb vor allem Staatsanleihen nachfragten. Beispielsweise kaufte die Fed in drei sogenannten MaidenLane-Programmen verbriefte Immobilienanleihen von
Bear Stearns und der Versicherungsgesellschaft AIG für
rund 72,5 Milliarden Dollar an. Diese Transaktion sollte
das Vertrauen darauf stärken, dass die Fed bereit stand,
nach dem Zusammenbruch der Verbriefungstätigkeit unter den Schattenbanken einen drohenden Einbruch der
gesamten Kreditvergabe entschieden zu bekämpfen.
In weiteren Stufen der Lockerung ging die Federal
Reserve dann dazu über, verstärkt amerikanische Staatsanleihen mit langer Laufzeit sowie staatlich garantierte
Hypothekenanleihen zu kaufen, beispielsweise von den
Hypothekenbanken Freddie Mac und Fannie Mae. Sie leitete das jüngste Programm (Quantitative easing 3) im
Herbst 2012 mit der Ankündigung ein, sie werde solange
monatlich für 40 Milliarden Dollar Hypothekenanleihen
kaufen, bis sich die Wirtschaftslage signifikant verbessere.
Kurz darauf erweiterte sie das Programm um die Zusage,
monatlich und unbefristet für 45 Milliarden Dollar auch
langfristige Staatsanleihen aufzukaufen. Als die Wirtschaftsdaten sich dann im Laufe des Jahres 2014 erholten,
verringerte sie den Umfang dieser zusätzlichen Käufe zunächst stetig und beendete es im Oktober 2014 schließlich
ganz. Insgesamt hat dies die Bilanz der Federal Reserve in
dieser Phase um 1613 Milliarden Dollar verlängert.
Die quantitative Lockerung ging zudem mit Forward
guidance einher: die Zentralbank signalisierte der Öffentlichkeit ihre Absicht, die Leitzinsen längere Zeit auf dem
niedrigen Niveau zu belassen. In den Pressemitteilungen
im Anschluss an die Sitzungen des FOMC fanden sich seit
März 2009 (vgl. Fed 2009) regelmäßig Hinweise, die Federal Reserve erwarte angesichts schwacher Wirtschaftsdaten, dass die Leitzinsen längere Zeit auf dem historisch
niedrigen Niveau verharrten. Seit August 2011 präzisierte
die Fed zudem, dass damit bis mindestens Mitte 2013 zu
rechnen sei; später weitete sie diese Frist auf Mitte 2015
aus. Diese Formulierungen sollten den Marktteilnehmern
eine Orientierung bezüglich der künftigen Ausrichtung der
Geldpolitik geben. Schon lange vor dem Ende des Ankaufsprogramms im Oktober 2014 ließ die Fed wissen, dass
sie die Leitzinsen selbst nach dem Auslaufen dieses Programms nicht sofort anheben werde.
Die amerikanische Zentralbank konnte sich ihres Erfolges dabei keineswegs sicher sein. Als sie viele Jahre
zuvor, 1961, in der „Operation twist“ die Zinsstrukturkurve
durch den Tausch von kurz- gegen langfristige Staatsanleihen zu glätten und die Zinsen am langen Ende zu senken
gesucht hatte, war dies nach einschlägigen Studien (vgl.
etwa Swanson 2011) nur begrenzt effektiv. Auch im Herbst
2008 konnten die Interventionen der Zentralbank den Aus-
fall der privaten Kreditvergabe anfangs nur teilweise auffangen. Trotz expliziter zukunftsgerichteter Hinweise in
Kombination mit der Verlängerung der Zentralbankbilanz
gingen Inflationsrate, mittelfristige Inflationserwartungen
und Produktion zunächst stark zurück, auch wenn sich die
drastischen Zinsaufschläge auf riskante Anleihen relativ
schnell normalisierten. Die Geschäftsbanken blieben zunächst sehr zurückhaltend darin, die verfügbare Liquidität
für eine zusätzliche Kreditvergabe zu nutzen und damit
die Geldmenge im privaten Sektor auszuweiten.
10
Eine Reihe ökonometrischer Studien zeigt jedoch,
dass die Ankäufe seit 2008 durchaus wirksam die langfristigen Zinsen senkten. Wenig überraschend schneidet
das erste Programm dabei am erfolgreichsten ab, während
die Effekte der späteren Programme schwächer ausfallen.
Die Rendite von Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit
ist diesen Schätzungen zufolge von Oktober 2008 bis März
11
2010 um einen ganzen Prozentpunkt gesunken. Auch die
Hypothekenzinsen mit einer Laufzeit von 30 Jahren und
die Renditen von Unternehmensanleihen beispielsweise
mit „Baa“-Rating haben sich im Einklang mit der Rendite
von Staatsanleihen mit langer Laufzeit stabilisiert (vgl.
Abbildung 10). Inwieweit dies tatsächlich auf die quantitative Lockerung zurückzuführen ist oder mit der entschiedenen Bereitschaft der Fed zur qualitativen Lockerung zusammenhängt, ist jedoch schwer zu quantifizieren.
Noch schwieriger ist es, die Wirkung auf die Inflationserwartungen zu messen. Die Renditen langfristiger Anleihen bestimmen sich aus der Summe der erwarteten kurzfristigen Zinsen sowie der über den gesamten Zeitraum
erwarteten Inflationsrate einschließlich Risikoprämie.
Wenn niedrige Leitzinsen erfolgreich verhindern, dass
die Inflationserwartungen in unerwünschtem Ausmaß
schrumpfen, ist der Gesamteffekt auf die Zinsen am langen
Ende also keineswegs eindeutig zu identifizieren. Auf jeden Fall aber lässt sich erkennen, dass diese Politik ein
Abgleiten in eine Deflationsspirale wie zur Zeit der Weltwirtschaftskrise verhindert hat.
Der Rückgang der langfristigen Zinsen hat sich in
niedrigeren Kreditkosten, steigenden Aktienkursen und
10 Vgl. etwa Krishnamurthy und Vissing-Jorgensen 2011, Swanson
2011, Hamilton und Wu 2012 sowie Engen, Laubach und Reifschneider 2015.
11 Vergleichbare Studien zu Phasen quantitativer Lockerung in anderen Ländern (insbesondere Japan) ergeben ebenfalls, dass zumindest temporär ein signifikant messbarer Rückgang langfristiger Renditen nachweisbar ist, vgl. Coenen und Wieland (2003) sowie
Schenkelberg und Watzka (2013). In Japan kam es nicht zu einer
Deflationsspirale; allerdings haben die unkonventionellen Maßnahmen dort auch nicht die Inflationserwartungen angefacht (Ueda
2012).
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Unkonventionelle Geldpolitik – kein Paradigmenwechsel
145
Abbildung 10: Langfristige Zinsen in den Vereinigten Staaten.
Quelle: Datastream Thomson Reuters; eigene Darstellung.
12
einem schwächeren Dollarkurs niedergeschlagen. Weit
schwieriger zu quantifizieren sind die Wirkungen auf die
Realwirtschaft; schließlich lässt sich schwer beurteilen,
wie sie sich ohne diese Maßnahmen entwickelt hätte. Engen, Laubach und Reifschneider (2015) schätzen die Auswirkung einer unkonventionellen Geldpolitik auf Inflation
und Arbeitslosenquote mit einem originellen Ansatz. Anhand der monatlich erhobenen „Blue Chip Economic Indicators“ versuchen sie zu messen, wie sich die Prognosen
professioneller Analysten bezüglich der Zinspolitik der
Fed infolge der Politikmaßnahmen verändert haben.
Sie zeigen, dass die realen Auswirkungen nur mit Verzögerung einsetzten, weil auch professionelle Analysten
die Wirtschaftsentwicklung zunächst viel zu optimistisch
einschätzten und weil deshalb bezüglich der Ankündigung dauerhaft niedriger Zinsen Skepsis herrschte. Im Vergleich zu einem Szenario ohne diese Maßnahmen geht
ihren Berechnungen zufolge die Arbeitslosenquote insgesamt aber um rund 1,25 Prozent zurück, während die
Inflationsrate um etwa einen halben Prozentpunkt zunimmt. Solche Schätzungen sind zwangsläufig mit starker
Unsicherheit behaftet. Doch mit einem völlig anderen An-
12 Zu den Auswirkungen auf den internationalen Finanzmärkten
vgl. Fratzscher, Duca und Straub (2014).
satz, einer bayesianischen Vektorautoregressionsanalyse,
kommen Weale und Wieladek (2015) ebenfalls zu dem
Schluss, dass die quantitative Lockerung sowohl in den
Vereinigten Staaten als auch in Großbritannien signifikant
dazu beigetragen hat, Preisniveau und reale Produktion zu
stabilisieren.
Die Debatte in den Vereinigten Staaten konzentriert
sich mittlerweile auf die Frage, ob der Federal Reserve
ein reibungsloser Ausstieg aus der unkonventionellen
Geldpolitik gelingen wird, sobald die Wirtschaft wieder in
Schwung kommt (vgl. Interview mit Allan Meltzer in diesem Heft). Viele Beobachter befürchten, dass ein rascher
Abbau der Überschussliquidität durch einen Verkauf der
hohen Vermögenspositionen starke Verwerfungen am
Kapitalmarkt zur Folge haben wird. Wenn die hohe Liquidität dagegen nicht abgebaut wird, ist nicht damit zu
rechnen, dass die Geschäftsbanken steigende Leitzinsen
automatisch an Kreditnehmer weitergeben, und dies
könnte sich dann in einer allzu großen Kreditvergabe
niederschlagen, verbunden mit entsprechendem Inflationspotential.
Weil bisher nichts dergleichen eingetreten ist und die
Inflationsrate seit längerem unter 2 Prozent verharrt, haben manche Kritiker ihre Einschätzung mittlerweile stark
revidiert. John Cochrane (2014), der zu Beginn der unkonventionellen Maßnahmen noch vor hoher Inflation warnte,
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146
Gerhard Illing
Abbildung 11: Liquiditätsgeschäfte der EZB.
Quelle: EZB; eigene Darstellung.
plädiert nun sogar dafür, die Bilanzverlängerung der Federal Reserve nicht etwa wieder abzubauen, sondern sie
dauerhaft zu nutzen, um Friedmans Idee einer „optimalen
Geldmenge“ (der Sättigung des privaten Sektors mit einem
völlig sicheren, liquiden Vermögenswert) elegant zu verwirklichen. Die Liquiditätsprämie für Geldhaltung lässt
sich demnach im Sinn von Friedman (1969) eliminieren,
wenn die Zentralbank die Reserven der Geschäftsbanken
jeweils in Höhe des Leitzinses verzinst. Zusätzlich kann die
Zentralbank die Zinsen auf Reserven variieren und damit
selbst bei hoher Geldbasis auch in normalen Zeiten die
Bereitstellung von Liquidität beliebig steuern. Bei einer
entsprechend hohen Verzinsung der Zentralbankguthaben
wird die verfügbare Liquidität nicht nachfragewirksam;
auf diese Weise lässt sich ein reibungsloser Ausstieg aus
der geldpolitischen Lockerung sicherstellen.
9 Unkonventionelle Geldpolitik im
Euro-Raum
Im Vergleich zu anderen Zentralbanken hat die EZB lange
eine zurückhaltende Politik betrieben. Normalerweise
kauft sie nicht direkt Wertpapiere, sondern entscheidet,
welche Wertpapiere sie von den Geschäftsbanken als Si-
cherheiten für Refinanzierungsgeschäfte akzeptiert. Im
Laufe der Krise hat sie ihre Liquiditätsbereitstellung immer
stärker auf längerfristige Refinanzierungsgeschäfte umgestellt (vgl. Abbildung 11). Die EZB betrieb zunächst vor
allem eine Politik qualitativer Lockerung, indem sie ihre
Bonitätsanforderungen für Sicherheiten senkte. Im Gegenzug verschärfte sie die Risikoabschläge für die hinterlegten
Sicherheiten. Von Juli 2009 an kaufte sie zeitweise auch
am Sekundärmarkt Schuldverschreibungen auf, Pfandbriefe im „Covered bond purchase programme“ (CBPP)
und Staatsanleihen im „Securities markets programme“
(SMP). In Abbildung 11 sind sie im Posten „andere Liquiditätsgeschäfte“ zusammengefasst.
Die EZB versuchte zugleich allerdings auch, die Ausweitung der Liquiditätszufuhr durch Sterilisationsmaßnahmen wieder rückgängig zu machen. Ihre Geldbasis war
bis Juni 2014 im Wesentlichen nachfragegetrieben – bestimmt von der Nachfrage der Banken. Die EZB stellte den
Geschäftsbanken gleichsam unbegrenzt, das heißt bis zur
Höhe ihrer verfügbaren zentralbankfähigen Sicherheiten,
Zentralbankliquidität bereit (vgl. im Detail Illing und König 2014). Der Anstieg der Liquiditätshaltung bis Sommer
2012 ist insofern ein unmittelbarer Reflex des hohen Bedarfs der Geschäftsbanken, die vor allem aus Sorge, dass
plötzlich Einlagen abgezogen werden könnten, hinreichend hohe Liquidität halten wollten.
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Unkonventionelle Geldpolitik – kein Paradigmenwechsel
Im Sommer 2012 kündigte der EZB-Präsident Mario
Draghi an, im Rahmen seines geldpolitischen Mandats
alles zu tun, um den Fortbestand des Euro zu sichern. Das
„Outright monetary transactions programme“ (OMT) wurde geschaffen, um unter bestimmten Bedingungen potenziell unbegrenzt Staatsanleihen mit einer Laufzeit von bis
zu drei Jahren zu kaufen, sofern sich die betreffenden
Staaten der Kontrolle des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM unterwerfen. Diese Ankündigung allein beruhigte die Finanzmärkte rasch. Entsprechend ging seitdem
der Liquiditätsbedarf der Banken zurück und damit auch
die Geldbasis. Die verbale Ankündigung war in diesem
Fall offensichtlich extrem effektiv: Ohne dass im Rahmen
dieses Programms bislang jemals Anleihen gekauft wurden, sind seitdem die Renditen auf Staatsanleihen fast im
gesamten Euro-Raum stark zurückgegangen, wie bereits
in Abbildung 1 gezeigt. Eine oberflächliche ökonometrische Analyse der Beziehung zwischen der Veränderung
der Geldbasis und den Renditen von Staatsanleihen im
Euro-Raum würde somit eine stark positive Korrelation
nahelegen.
Diese Entspannung hat sich bis Ende 2014 allerdings
noch nicht auf die private Kreditvergabe ausgewirkt. Sie
blieb trotz verschiedener neu aufgelegter Programme zum
Ankauf von Pfandbriefen und anderen besicherten Unternehmenskrediten sehr verhalten. Die schwache wirtschaftliche Aktivität führte zusammen mit dem starken
Verfall des Ölpreises Ende 2014 zu negativen Inflationsraten im gesamten Euro-Raum. Die Mehrheit der Mitglieder im Entscheidungsgremium der EZB sah zu diesem
Zeitpunkt ein erhebliches Risiko, dass sich diese Entwicklung fortsetzt. Deshalb fiel am 22. Januar 2015 die Entscheidung, mit monatlichen Anleihekäufen eine Politik
der quantitativen Lockerung einzuleiten, die sich stark
am Programm der Fed orientiert. Der Zeitpunkt war im
EZB-Rat umstritten; ein Teil der Mitglieder plädierte angesichts der mit dem Programm verbundenen Risiken dafür,
erst die Wirkung der kurz zuvor eingeleiteten Maßnahmen
abzuwarten.
Im Regelfall erfolgt eine quantitative Lockerung
durch den Ankauf von Staatsanleihen (vgl. Friedman
2000). Im Euro-Raum gibt es indes keine „sicheren Anleihen“ eines Zentralstaats, die diese Rolle übernehmen
könnten. Aus Sorge vor einer Vergemeinschaftung möglicher fiskalischer Risiken zögerte die EZB deshalb lange,
unkonventionelle Maßnahmen zu ergreifen. Kritiker argumentieren, aufgrund spezifischer Besonderheiten sei
es gar nicht möglich, die Erfahrungen anderer Zentralbanken auf den Euro-Raum zu übertragen. In der Tat
erweist sich das Fehlen eines expliziten fiskalischen
Rückhalts als Konstruktionsfehler, der die Durchschlags-
147
kraft der Geldpolitik vermindert. Monetäre Dominanz einer unabhängigen Zentralbank ist auf Dauer nur dann
gewährleistet, wenn sie ungeachtet allfälliger Verluste
alle notwendigen Maßnahmen ergreifen kann, um ihrem
Mandat – der Sicherung der Preisstabilität – gerecht zu
werden (vgl. Illing und König 2014). Bei der Konzeption
ihrer Anleihekäufe hat die EZB einen pragmatischen Weg
eingeschlagen, um sich trotz dieses Handicaps genügend
Handlungsspielraum zu verschaffen. Indem der überwiegende Teil der gekauften Anleihen jeweils in den Bilanzen der nationalen Zentralbanken verbleibt, wird
sichergestellt, dass selbst bei einem eventuellen Zahlungsausfall einzelner Staaten keine Risikoteilung der
Verluste im Eurosystem erfolgt. In einem solchen Fall
würden damit Geldschöpfungseinnahmen („Seigniorage“) ausschließlich für denjenigen Staat ausfallen, der
seine Zahlungen eingestellt hat.
Wichtig für die Entscheidung zur quantitativen Lockerung war der starke Rückgang der Inflationserwartungen in der zweiten Hälfte des Jahres 2014 (vgl. Abbildungen 2 und 12). Die Inflationserwartungen in Abbildung 2
sind anhand von Zinsunterschieden zwischen nominalen
und indexierten Staatsanleihen im Euro-Raum berechnet.
Abbildung 12 indes fußt auf den Preisen von Swaps für
Absicherungsgeschäfte gegen das Inflationsrisiko. An beiden Größen gemessen, sind die längerfristigen Inflationserwartungen über den Zeitraum von 5 bis 10 Jahren im
Euro-Raum im Laufe des Jahres 2014 stark gefallen. Beide
Maße sind nur unvollkommene Indikatoren, weil sie auch
von Liquiditäts- und Risikoprämien beeinflusst werden.
Doch der bedenklich abfallende Trend weckte starke
Zweifel daran, dass die längerfristigen Inflationserwartungen im Euro-Raum am Inflationsziel von 2 Prozent seit
2014 „gut verankert“ geblieben sind. Dies erhöhte die
Gefahr, dass sich Zweitrundeneffekte des Rückgangs der
Ölpreise verfestigen und damit die Bekämpfung deflationärer Tendenzen an der Zinsuntergrenze noch weiter erschweren.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich die in den Vereinigten Staaten erreichten Erfolge auf den Euro-Raum
übertragen lassen. Als besonders stark erwies sich bislang
der Wechselkurseffekt, der die Exportindustrie direkt stimuliert. Weil der Euro-Raum insgesamt Leistungsbilanzüberschüsse erzielt, kann der Wechselkurskanal aber intern allenfalls indirekt über höhere Inflationsraten in den
Kernländern zu einer Anpassung der relativen Wettbewerbsfähigkeit beitragen. Bemerkenswerterweise haben
sich die Inflationserwartungen im Euro-Raum, gemessen
anhand von Inflationsswaps, im Januar 2015 nach der Entscheidung für die quantitative Lockerung bereits wieder
etwas stabilisiert (Abbildung 12).
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Gerhard Illing
Abbildung 11: Inflationserwartungen im Euro-Raum seit Juli 2014, gemessen an Inflationsswaps.
Quelle: Datastream Thomson Reuters; eigene Darstellung.
Da die Renditen auf Staatsanleihen im Euro-Raum Ende
2014 ohnehin schon relativ niedrig waren, dürfte der Effekt, der mit einem weiteren Rückgang der langfristigen
Renditen zu erzielen ist, relativ begrenzt sein, solange die
negativen Realzinsen nicht zur Finanzierung produktiver
öffentlicher Investitionen genutzt werden. Die niedrigen
Realzinsen setzen sich direkt in steigende Aktienkurse und
Immobilienpreise um. Es kommt entscheidend darauf an,
ob sich diese Maßnahmen über mehr Investitionen nicht
nur in der Bauwirtschaft, sondern in der gesamten privaten Wirtschaft niederschlagen. Wenn sich die Entwicklung auf den Finanzmärkten von der Realwirtschaft
abkoppelt, stellen die steigenden Vermögenspreise letztlich nur Blasen dar.
Mit der Politik der quantitativen Lockerung will die
EZB Preisstabilität sichern. Das ist der Beitrag, den die
Geldpolitik leisten kann, um günstige Rahmenbedingungen für realwirtschaftliche Investitionen zu schaffen. Während Finanzinvestoren ihre Anlageentscheidungen sehr
kurzfristig revidieren können, sind langfristige Investitionen in der Realwirtschaft irreversibel; die Investoren reagieren deshalb sehr empfindlich auf unsichere Rahmenbedingungen. Nachdem die EZB ihre Bereitschaft zu
entschlossenem Handeln unter Beweis gestellt hat, kommt
es nun darauf an, auch im politischen Bereich im gesamten Euro-Raum stabile Rahmenbedingungen zu schaffen,
um die Investitionszurückhaltung zu überwinden. Solche
Rahmenbedingungen sind für den dauerhaften Fortbestand des Euro-Raums unabdingbar; sie erfordern einen
verstärkten Transfer nationaler Zuständigkeiten an die supranationale europäische Ebene, damit es möglich wird,
Regeln wirksam durchzusetzen und Verstöße zu sanktionieren (vgl. Illing, Jauch und Zabel 2012). Ohne entsprechende institutionelle Reformen hätte die unkonventionelle Geldpolitik der EZB am Ende tatsächlich nur ein
Strohfeuer entfacht.
10 Fazit: Günstige
Rahmenbedingungen für
Reformen
Die unkonventionellen Maßnahmen, die Zentralbanken in
aller Welt seit Ausbruch der Finanzkrise ergriffen haben,
stellen keinen Paradigmenwechsel dar. Sie sind lediglich
eine Reaktion auf die Grenzen der klassischen Zinssteuerung in der Liquiditätsfalle. In monetaristischer Tradition
versuchen die Zentralbanken, durch den Ankauf von Anleihen die Realzinsen auch am langen Ende zu senken.
Damit soll die schwache Wirtschaft stimuliert werden, damit sie nicht in einer langen Stagnation verharrt. Die un-
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Unkonventionelle Geldpolitik – kein Paradigmenwechsel
konventionelle Geldpolitik wiederum fußt auf dem theoretischen Ansatz der optimalen Steuerung, ausgehend von
der Notwendigkeit, einen deflationären Bias an der Zinsuntergrenze von null zu überwinden. Sie ist eine Fortführung der zielorientierten Politik mit anderen Mitteln, in der
Absicht, Preisstabilität zu gewährleisten, definiert als Zielinflationsrate von 2 Prozent.
Die heftige Kritik an den Zentralbanken, die so verfahren, ist zu einem großen Teil verfehlt. Seit mittlerweile
mehr als sechs Jahren erweisen sich die Befürchtungen,
die hohe Verlängerung der Zentralbankbilanzen werde
eine starke Inflation nach sich ziehen, als falsch. Die aktuell niedrigen Zinsen dienen nicht der Enteignung der
Sparer; sie sollen vielmehr eine wirksame Erholung sicherstellen, um in Zukunft möglichst hohe Renditen zu gewährleisten. Gerade in Zeiten fortgesetzter Finanzkrisen
erweist sich eine entschlossene Geldpolitik keineswegs als
Strohfeuer, sondern kann wirksam dazu beitragen, eine
aus Hysterese-Effekten drohende langfristige Stagnation
zu verhindern.
In den Vereinigten Staaten und in Großbritannien hat
die Geldpolitik wesentlich zur Stabilisierung von Preisniveau und realer Produktion beigetragen. Die EZB war
lange wesentlich zurückhaltender, doch mit ihren jüngsten Maßnahmen zur quantitativen Lockerung orientiert
auch sie sich nun stark an der in den Vereinigten Staaten
betriebenen Geldpolitik. Damit sichert sie günstige Rahmenbedingungen für dringend notwendige Reformen; es
liegt nun an der Politik, diese zu nutzen. Ob der Versuch
gelingen wird, die in den Vereinigten Staaten erreichten
Erfolge auf den Euro-Raum zu übertragen, hängt wesentlich davon ab, inwieweit institutionelle Reformen durchgesetzt werden.
Eine Politik dauerhaft niedriger Zinsen bringt zweifellos Risiken für die Finanzmarktstabilität mit sich. Anreize
für Carry trades können zur Blasenbildung beitragen. Eine
vorzeitige Anhebung der Zinsen wäre aber ebenfalls mit
erheblichen Risiken verbunden. Mit einem einzigen Instrument allein lassen sich Preis- und Finanzmarktstabilität
zugleich nicht verwirklichen. Ergänzend müssen makroprudenzielle Instrumente eingesetzt werden, um den Aufbau exzessiver Risiken zu unterbinden.
Danksagung: Karen Horn und meinen Mitarbeitern danke
ich für wertvolle Anregungen.
149
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Autoreninformation
Prof. Dr. Gerhard Illing
Ludwig-Maximilians-Universität München
[email protected]
Prof. Dr. Gerhard Illing, geboren 1955, hat seit 2001 den Lehrstuhl für
Makroökonomie an der volkswirtschaftlichen Fakultät der LudwigMaximilians-Universität München inne. Er studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität München und an der Universität Cambridge
(England). 1991 habilitierte er sich in München über neue keynesianische Makroökonomie. Von 1993 bis 1995 war er Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Bamberg; von 1995 bis 2001 hatte er
den Lehrstuhl für Wirtschaftstheorie an der Goethe-Universität Frankfurt inne.
Gerhard Illing war Gastprofessor u.a. an der University of
Western Ontario, am Center for Economic Research and Graduate
Education (CERGE) in Prag sowie an der Renmin Universität in Peking.
Er ist Vorsitzender des Ausschusses für Geldtheorie und Geldpolitik
im Verein für Socialpolitik. Seine Forschungsschwerpunkte sind Geldtheorie und Geldpolitik, Finanzmarktstabilität, Bankenregulierung
sowie systemische Risiken.
Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar
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