Anlage - Landkreis Esslingen

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Anlage - Landkreis Esslingen
ABSCHLUSSBERICHT
HOT – HaushaltsOrganisationsTraining®
der Katholischen Familienpflege im Dekanat Esslingen-Nürtingen
in Kooperation mit der Diakonie Ostfildern
und
TRAINING Familienalltag
der Familienpflege Esslingen
im Rahmen Flexibler Hilfen zur Erziehung gem. § 27 Abs. 2 SGB VIII
in Kooperation mit dem Landratsamt Esslingen
Projektpartner
Katholische Familienpflege im Dekanat Esslingen-Nürtingen
Werastraße 20, 72622 Nürtingen
Ansprechpartnerin: Bettina Betzner
Mitglied beim Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart
und Zukunft Familie e.V. Fachverband Familienpflege und Nachbarschaftshilfe
in der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Familienpflege Esslingen C.Pukrop gGmbH
Eichendorffstraße 1, 73734 Esslingen
Ansprechpartnerin: Claudia Pukrop
Mitglied beim Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband
Projektzeit
01.01.2009 – 31.12.2012
Stand: 09.10.12/I von Bettina Betzner/Claudia Pukrop
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1. Zielsetzung und Zielgruppen der Trainingsmaßnahmen
Im Rahmen der durchgeführten Trainingsmaßnahmen werden grundlegende elterliche Kompetenzen im
Bereich der alltäglichen praktischen Versorgung, Betreuung und Erziehung von Säuglingen und Kindern in
Verbindung mit der Haushaltsführung aufgebaut, wiedergewonnen und gestärkt. Ziel ist es, durch Training,
Anleitung und Beratung Veränderungen in den Familien zu erreichen und nachhaltig zu sichern.
Zielgruppen der Trainingsmaßnahmen
- junge Familien, Alleinerziehende, Patchwork-Familien, Familien mit Migrationshintergrund,
- Familien in schwierigen Lebenslagen mit mehrfachen Problemen wie z.B. Arbeitslosigkeit,
Trennung oder schwerer Erkrankung.
HOT/® der Familienpflege und TRAINING Familienalltag
sind ambulante, aufsuchende,
familienunterstützende Hilfen im Auftrag der Jugendhilfe. Die Trainerin kommt zu den Familien nach Hause
und unterstützt diese in ihrem familiären Umfeld.
Im Mittelpunkt steht das Wohlergehen der Kinder durch Sicherstellung und Verbesserung des häuslichen
Lebens, damit Kinder sich entwickeln und „gut“ aufwachsen können. Daher fördern die
Trainingsmaßnahmen vor allem die nachstehend aufgeführten Alltagskompetenzen.
-
Grundversorgung von Säuglingen und Kleinkindern
Versorgung und altersgemäße Tagesstrukturierung von Kindern
Sauberkeit und Ordnung in der Wohnung,
Alltagsorganisation
Gesundheitsvorsorge und Körperpflege
Kleider- und Wäschepflege
Einkaufen, Ernährung und Mahlzeiten
Umgang mit Geld
2. Voraussetzungen
Wichtige Voraussetzungen, damit diese Hilfe passgenau und effektiv in den genannten Familien zum Erfolg
führt, sind
-
-
Familien lassen sich auf dieses Hilfsangebot ein und arbeiten aktiv mit.
Familien wünschen eine positive Veränderung und sind für Veränderungsprozesse zum Wohl der
Kinder bereit.
Die Ziele der angestrebten Veränderungen sind im Hilfeplanverfahren der Sozialen Dienste mit den
Familien vorher besprochen und angemessen, d.h. für die Familien erreichbar und für die Sozialen
Dienste überprüfbar.
Das Verfahren ist für alle Beteiligten transparent: Für die Familie ist erkennbar, welche
Informationen über sie von Seiten des Sozialen Dienstes weitergegeben werden. Die Fachdienste der
Familienpflege werden „gut“ über die Familien informiert.
Die Erfahrungen im Pilotprojekt zeigen, dass eine gute Regelkommunikation zwischen allen beteiligten
Helfern in der Familie zum Erfolg beiträgt und die Zusammenarbeit zum Wohl der Kinder stärkt, z.B. durch
Helferkonferenzen mit allen Beteiligten zu Beginn und/oder während einer Trainingsmaßnahme.
3. Unterstützte Familien – Daten
Seit Beginn der Pilotprojekts 01.01.2009 wurden bis heute 60 Familien mit insgesamt 165 Kindern im Alter
von einem Monat bis unter 14 Jahren durch Trainingsmaßnahmen HOT®/TRAINING Familienalltag der
Familienpflege unterstützt.
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4. Zeitrahmen und Leistungsvolumen
Der Stundenumfang der geleisteten Trainingsmaßnahmen im Familienhaushalt und die Teilnahme an
Gesprächen mit den Sozialen Diensten belaufen sich auf 350 bis 550 Stunden innerhalb von 6 bis 9
Monaten.
Der tägliche Stundenumfang wird dem Bedarf der Familie in Absprache mit dem Auftraggeber und
der Familie flexibel angepasst.
Einsatzstatistik im Landkreis Esslingen:
Sachgebiet
Anzahl
Alleinerziehende
Kinder
Migration
Esslingen
28
19
56
7
Filderstadt
6
2
17
3
Kirchheim/Plochingen
9
7
20
1
Nürtingen
17
11
72
4
60 Familien
39
165
15
Insgesamt:
2009 – 2012
Stand 14. September 2012
Am 14. September 2012 lagen darüber hinaus 4 neue Anfragen vor. Bei insgesamt 30 Familien kam eine Trainingsmaßnahme nicht
zustande, da im Rahmen der Erstkontakte und weiteren Hausbesuchen ein anderer Bedarf in den Familien ermittelt worden ist.
5. Qualitätsstandards der Fachdienste Familienpflege
Die Trainingsmaßnahmen der Katholischen Familienpflege im Dekanat Esslingen-Nürtingen und der
Familienpflege Esslingen werden ausschließlich von Fachkräften durchgeführt.
HOT-HaushaltsOrganisationsTraining® der Katholischen Familienpflege
Die Fachkräfte sind staatlich anerkannte Familienpflegerinnen, Erzieherinnen mit langjährigen
Berufserfahrungen und Zusatzqualifikation für die oben genannten Trainingsmaßnahmen. Fachkräfte der
Katholischen Familienpflege sind als HOT®-Trainerinnen von Caritas und Diakonie in Baden-Württemberg
zertifiziert, entsprechend den Qualitätsstandards des Deutschen Caritasverbandes.
Die Anleitung und Begleitung der Fachkräfte erfolgt durch eine fachlich ausgebildete Leitung, regelmäßige
Teamsitzungen, Supervisionen, kollegiale Beratungen und Fallbesprechungen. Vor Beginn der
Trainingsmaßnahmen findet eine gezielte Auswahl der passenden Mitarbeiterin für die Familie bzw. für die
Trainingsziele statt.
TRAINING Familienalltag der Familienpflege Esslingen
Die Mitarbeiterinnen sind ausgebildete Fachkräfte: Familienpfleger/-innen, Erzieher/-innen,
Hauswirtschafter/-innen oder Sozialpädagogen/-innen mit Weiterbildungen, um in diesen Einsätzen
anleitend arbeiten zu können. Die Fachkräfte werden gezielt für die entsprechenden Anforderungen des
jeweiligen Einsatzes ausgewählt (wichtig: Akzeptanz durch die Familie), sie arbeiten im Team von 2
Mitarbeitern/-innen im 4-wöchentlichen Wechsel. Alle Mitarbeiterinnen werden durch eine Sozialpädagogin
im Einsatz begleitet und angeleitet. Zusätzlich gibt es Übergabegespräche, kollegiale Beratung,
Dokumentationen, Teambesprechungen und regelmäßige Supervision.
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6. Wirkungen der Trainingsmaßnahmen
Die durchgeführten Trainingsmaßnahmen zeigen Erfolg. In der Auswertung mit Familien nach Abschluss
des Trainings lassen sich diese Ergebnisse festhalten.
 Eltern/Mütter lernen in kleinen Schritten, in ganz praktischen Dingen für sich selbst und für die
Familie zu sorgen.
 Ruhiger Umgang und Wiederherstellung einer Alltagsstruktur in den Familien bewirken Sicherheit
und Zufriedenheit.
 Kinder nehmen am normalen Leben teil, fallen in der Öffentlichkeit wieder positiv auf: regelmäßiger
Kindergarten- und Schulbesuch sowie Erledigung der Hausaufgaben wird gesichert.
 Teilhabe am öffentlichen Leben, Sozialkontakte (Freunde können in die Wohnung eingeladen
werden) und sinnvolle Freizeitgestaltung für Kinder werden aufgebaut.
 Die Verantwortlichkeit und das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen wachsen auf der Basis neuer
Erfolgserfahrungen sowie unmittelbar spürbarer Verbesserungen, denn: Erfolge sind sichtbar. Statt
Chaos bieten Ordnung, Hygiene und Versorgung eine klare Struktur im Tagesablauf (Zitat einer
Mutter: „Vom Unwesentlichen auf das Wesentliche“).
 Verbesserung im Familienalltag führen dazu, dass sich Eltern öffnen für weitergehende Hilfen:
Fragen der Erziehungsprobleme konnten angeschaut und geklärt werden.
 Kontakte zu weiteren Anlaufstellen wurden vermittelt z.B.: Erziehungshilfestellen,
Schuldnerberatung, Psychologische Beratungsstellen, ProjuFa, Familienhebammen
 Anstehende Wohnveränderungen konnten angegangen werden, Fachkräfte waren bei der
Wohnungssuche behilflich.
 Bei Verschuldung konnte eine erste Klärung des Umgangs mit Schulden erfolgen. Die Vermittlung
zu Schuldnerberatung und Behörden wurde angenommen und eine weitere Klärung mit anderen
Experten wurde vereinbart.
 Entscheidend für den Erfolg und zufriedenstellende Veränderungsprozesse ist, dass zwischen der
Familie und der Trainerin ein Vertrauensverhältnis auf Augenhöhe aufgebaut werden konnte.
7. Ausblick
Die durchgeführten Trainingsmaßnahmen in 60 Familien mit insgesamt 165 Kindern zeigen, dass diese
Hilfe zur Erziehung eine sinnvolle, passgenaue und auf Nachhaltigkeit angelegte Unterstützung für Kinder
und Eltern darstellt. Eine Implementierung von HaushaltsOrganisations-Training® und TRAINING
Familienalltag als Regelmaßnahme der Jugendhilfe im Landkreis Esslingen ermöglicht:
 Weitere Familien mit Kindern erhalten bedarfsentsprechend diesen alltagspraktischen, effektiven
Hilfeansatz
 Zugänge zu Familien in schwierigen Lebenssituationen (Migrationshintergrund) werden
aufrechterhalten oder können eröffnet werden durch die aufsuchende Hilfe der
Familienpflegerin/Trainerin.
 Kinder können in einem gewohnten Umfeld der Familie bleiben.
 Es wird eine Verbesserung des familiären häuslichen Lebens und damit verbunden die Sicherung des
Kindeswohl erreicht.
Die Wirksamkeit von HOT® wurde vom Deutschen Caritasverband evaluiert. Die Katholische
Familienpflege im Dekanat Esslingen-Nürtingen hat an dieser bundesweit angelegten Studie des Deutschen
Caritasverbandes teilgenommen. Die Evaluation wurde vom Institut ISS (Sozialarbeit und Sozialpädagogik,
Frankfurt) durchgeführt in der Zeit vom 01.10.2010 bis 30.05.2012. Die Studie liefert Ergebnisse zur
Nachhaltigkeit und Zufriedenheit von Familien. Sie wurde im September 2012 veröffentlicht.
Die Haupterhebungsphase in den Familien begann nach Abschluss des Pretests am 01.10.2010 und reichte
bis 30.05.2012. Die Grundgesamtheit aller sich in einem HOT® befindlichen Familien kamen aus den 11
Projektstandorten der drei Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.
Einige Informationen und Ergebnisse der Studie sind hier zusammengefasst:
4
Erkenntnisse aus der Evaluation des Deutschen Caritasverbandes
Einschätzungen zur Wirksamkeit von HOT® aus Sicht der Familien:
-
Es gibt geregelte Strukturen (Haushalt, Ordnung, Rhythmen),
mehr Zeit für mich,
bin ausgeglichener, habe Freizeit, mehr Zeit für die Familie,
kann mich besser durchsetzen,
Entspannung der Beziehungssituation, weniger Konflikte, mehr Gelassenheit,
Trennung vom Partner wegen fehlender Verantwortungsübernahme.
Beteiligung der Familienmitglieder an Arbeiten im Haushalt,
bessere Übersicht über eigene Finanzen,
besseres Zeitgefühl für Arbeitsabläufe, Regelsetzung und Einhaltung,
Zufriedenheit der Familie durch geregelte Tages- und Wochenabläufe.
Erkenntnisse für die Kinder durch HOT® aus der Sicht von Eltern:
-
„Sie haben endlich geregelte Verhältnisse,
sie gewöhnen sich an einen strukturierten Tagesablauf,
sie halten Ordnung und Disziplin,
sie sind gelassener und ruhiger, sie haben eine gelassene Mama,
sie übernehmen selbstständig ihre Aufgaben im Haushalt,
Umgebung, Spielraum, Ordnung, Sauberkeit, Schlafpläne-Zeiten werden eingehalten,
sie haben Regeln kennengelernt und gelernt, dass es Konsequenzen hat, wenn sie sich nicht an die
Regeln halten.“
Einschätzung zur Wirksamkeit von HOT® aus Sicht der Jugendämter:
-
-
-
Als Maßnahme intensiv mit hohem Umfang und relativ kurzzeitig verfügbar und wirksam.
Es stellen sich durch Pragmatismus und Fokussierung auf Haushalt und Lebensführung schnell
sichtbare Veränderungen ein, was wiederum Energie für weitere Veränderungen freisetzt; damit
leistet HOT® erzieherische Hilfe in dem Sinn, dass erst einmal die Basis geschaffen wird, um sich
mit Erziehungsfragen auseinandersetzen zu können,
Pragmatischer Umgang mit den Herausforderungen in verwahrlosten Haushalten.
Große Offenheit für schwierige Problembereiche.
Qualifikation der HOT®-Trainer/-innen als Ausdruck der besonderen Kompetenz und
Spezialisierung auf das Thema „Haushalt“ in Abgrenzung zur Konkurrenz der anderen ambulanten
Hilfen.
Aktivierung im Sinn der Hilfe zur Selbsthilfe; HOT® hat nicht die Tendenz, zur Dauerhilfe zu
werden.
Tendenz zur Nachhaltigkeit; es ist keine sozialpädagogische Intervention, die über Sprache wirkt,
sondern hat viel mit praktischem Tun zu tun; dafür reichen auch normale Deutschkenntnisse aus.
Effekte aus der Studie über HOT®:
-
HOT® ermöglicht eine (Neu) Strukturierung des Haushalts, um ein Arbeiten mit der Familie
überhaupt möglich zu machen;
HOT® kann als schnelle, sofort wirkende Maßnahme dazu beitragen, dass sich die Lebensumstände
für Kinder zeitnah verbessern und diese dann nicht sofort in Obhut genommen werden müssen.
Erfolge werden schnell sichtbar, Familien können stolz auf das sein, was sie relativ schnell
erreichen konnten. Pädagogische Veränderungen dauern in der Regel länger, sind nicht so gut
messbar.
5
Fazit der Evaluation von HOT®:
1. Die in dieser Evaluation erfassten Familien mit den beschriebenen Lebens- und Problemlagen
profitieren signifikant von HOT®. HOT® ist besonders geeignet für Familien, bei denen
Grundlagen der Lebens- und Haushaltsführung (neu) entwickelt, gelernt und umgesetzt werden
sollen, also für junge, alleinerziehende Mütter oder für Familien in Krisen, bei denen die
Krisenbewältigung durch das gemeinsame Herstellen einer neuen „Grundordnung“ einen Anfang
findet.
2. HOT® trägt signifikant zur Verbesserung der Lebenssituation in den Bereichen „Versorgung der
Kinder“, „Arbeit im Haushalt“ und „Organisation des Haushalts“ bei und führt zu in diesen
Bereich zu einer Entlastung der Familien.
3. HOT® trägt zu einer positiven Veränderung der Wohnsituation der Familien bei.
4. HOT® verbessert die Lebenssituation von Kindern in den Familien.
5. HOT® ist Hilfe zur Selbsthilfe: Die flexiblen Einsatzkonzepte auf der Basis: „Wir packen mit an –
die Familie wird entlastet und lernt – die Familie übernimmt teilweise Verantwortung – die Familie
übernimmt wieder die volle Verantwortung“ setzt an den Kompetenzen der Familien an und
respektiert dabei deren Situation.
6. Mit HOT® lassen sich niederschwellige und in vergleichsweise kurzer Zeit für alle Beteiligten
sichtbare Veränderungen bewirken, die von den Familien als Motivation und Selbstbestätigung
verstanden werden, „dran zu bleiben“.
7. Neben der direkten Hilfeempfängerin (meist die Mutter) profitiert das ganze Familiensystem von
HOT®, vorausgesetzt, die Familienmitglieder werden von Anfang an mit einbezogen und in der
Verantwortung genommen. Durch die gemeinsame Befassung aller Familienmitglieder mit den
basalen Lernaufgaben können innerfamiliäre Beziehungen neu gestaltet, alte, dysfunktionale Muster
aufgebrochen werden.
8. Mit der Grundorientierung an den basalen Lebensbereichen fungiert HOT® als wirksamer
„Türöffner“ für parallele oder nachfolgende, z.B. sozialpädagogisch ausgerichtete Hilfen.
9. Zentraler Wirkfaktor für die beschriebenen Effekte sind die in den Familien tätigen Fachkräfte, die
HOT®-Trainer/-innen: Sie vermitteln zwischen dem Jugendamt und der Familie, kooperieren mit
anderen Hilfeerbringern, gestalten durch den Aufbau einer Beziehung zur Familie positive
Rahmenbedingungen und Entwicklungsbereitschaft, unterstützen und leiten an, setzen Grenzen und
geben Beispiel, vermitteln Perspektive und achten auf das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“.
Ergebnisse der Evaluation mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Caritasverbandes Freiburg in
Zusammenarbeit mit dem ISS Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. Frankfurt am Main
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8. Fallbeispiele aus dem Pilotprojekt
HOT-HaushaltsOrganisationsTraining® der Familienpflege
Familie B. wohnhaft in Kirchheim
Eltern verheiratet: Mutter 24 Jahre, Vater 25 Jahre, Junge 1,5 Jahre alt
Ausgangssituation
Nach Information des Jugendamtes ist bei beiden Elternteilen eine seelische Behinderung vorhanden. Die
Eltern sind bildungsschwach und haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Frau B. ist nicht
erwerbsfähig und erhält Grundsicherung. Herr B. ist arbeitslos und zwischendurch in befristeten
Arbeitsverhältnissen. Herr B. hat seine Kindheit in Kinder- und Jugendheimen verbracht.
Die Familie ist verschuldet (Handy, PC usw. Konsumschulden) und kommt mit dem vorhandenen
Einkommen nicht bis zum Monatsende aus. Herr B. möchte sich selbstständig machen.
Nach Einschätzung des Jugendamtes war von Seiten der Eltern eine geringe emotionale Bindung an das Kind
vorhanden. Der 1,5 Jahre alte Junge war tagsüber sehr lange im Bett, ohne Ansprache. Ihm wurden keine
altersspezifischen Spielsachen angeboten, die Spielecke war nur spärlich eingerichtet. Der Junge wurde
offensichtlich häufig sich selbst überlassen. Die Ernährung beim 1,5 Jahre alten Kind bestand aus
Breinahrung. Die Grundbedürfnisse des Kindes wurden von Seiten der Eltern nur unzureichend
wahrgenommen.
Als positives Zeichen wurde vom Jugendamt gesehen, dass der Vater einen Hilfebedarf beim
Bezirkssozialdienst anmeldete.
Vorgehensweise
Von Beginn der Trainingsmaßnahme war der Wunsch nach Veränderung von Seiten der Mutter sehr
vorhanden vom Vater eher weniger!
 Tagtäglich wurde mit den Eltern eine sinnvolle Einteilung der vorhandenen Zeit durch Zeitpläne
trainiert.
 Es wurde ein Morgen- und Abendritual (Zu-Bett-gehen) mit der Mutter für das Kind eingeführt und
geübt.
 Sinnvolle und entwicklungsförderliche Beschäftigungen für das Kind wurden mit den Eltern
trainiert.
 Pädagogisches, wertvolles Spielmaterial wurde auf Spendenbasis organisiert und der Umgang damit
erlernt.
 Kontakt zum Kindergarten wurde aufgebaut und der Bus- und Fußweg mit den Eltern mehrmals
abgelaufen.
 Es wurden Einkaufslisten für den wöchentlichen Einkauf erstellt und eingeübt.
 Ein wöchentlicher Speiseplan, ein verständliches Kochbuch speziell für die Familie wurde
zusammengestellt, damit sie gut, günstig, „gesund“ und einfache Gerichte selbst zubereiten können.
 Ein Haushaltsbuch wurde erstellt, in dem regelmäßig Ein- und Ausgaben eingetragen und von der
Familie mit der Trainerin zusammen kontrolliert wurden.
Ergebnis nach Abschluss
 Während des Trainings bildete sich eine gute Beziehung zwischen HOT®-Trainerin und Familie.
Die alltäglichen Aufgaben zur Versorgung und Betreuung des 1,5 Jahre alten Jungen wurden
zunächst von der Trainerin gezeigt und dann gemeinsam mit den Eltern eingeübt.
 Das Selbstbewusstsein der Mutter wurde in dieser Zeit sehr gestärkt, wie sie für ihr Kind zukünftig
sorgen kann.
 Große Entwicklungsschritte lassen sich beim 1,5 Jahre alten Jungen erkennen und ein sehr guter
Bindungsaufbau zwischen Mutter und Kind ist gelungen.
 Die Grundversorgung des Jungen ist gesichert und aus Rückmeldungen der SPFH weiterhin stabil
(Information vom Sommer 2012/Einsatzbeginn: Frühjahr 2010).
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 Es wurde zusätzlich eine ganztägige Tagesbetreuung in einer Tageseinrichtung in Zusammenarbeit
mit der SPFH organisiert, um auch zukünftig neben der familiären Versorgung die Alltagsstruktur
und Förderung für das Kind zu gewährleisten. Es wird regelmäßig von den Eltern dorthin gebracht.
 Die Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den verschiedenen Helfern (z. B. SPFH Sozialpädagogische Familienhelfer/-in) war sehr positiv und wurde von der Familie als unterstützend
erlebt.
TRAINING Familienalltag
Frau X. 32 Jahre, Herr Y. 34 Jahre, Esslingen
2 Kinder 4 Jahre und 6 Jahre
Ausgangssituation
Beide Eltern sind arbeitslos und leben von Hartz IV. Frau X. ist ehemalige Förderschülerin mit einer
massiven Rechenschwäche, sie ist mit Anträgen bei Ämtern überfordert. Anlass des Einsatzes war eine
Meldung des Kinderarztes: beide Kinder seien untergewichtig, entwicklungsverzögert und erscheinen
vernachlässigt. Der Besuch des Sozialen Dienstes zeigt: die Wohnung ist in einem chaotischen, vermüllten,
sehr verdreckten Zustand. Die Eltern haben sich getrennt, Herr Y. ist ausgezogen, befindet sich aktuell in der
Psychiatrie. Die gemeinsame Tochter (4 Jahre) befindet sich seit Tagen bei einem Freund von Herrn Y., Frau
X. kennt aber die Anschrift nicht. Der Kindergartenbesuch beider Kinder ist sehr unregelmäßig. Der Sohn (6
Jahre) ist apathisch, nimmt keinen Blickkontakt auf, spricht nur wenige Worte, wirkt massiv vernachlässigt.
Es gibt wenig Tagesstruktur, keine kindgemäße Tagesgestaltung, die Grundbedürfnisse der Kinder werden
nicht wahrgenommen.
Vorgehensweise
Zu Beginn der Maßnahme war wenig Wille zur Veränderung bei der Mutter erkennbar. Dies hat sich im
Verlauf der Maßnahme mit zunehmenden Erfolgserlebnissen schnell positiv verändert.
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die Mitarbeiterin räumt mit Frau X gemeinsam die Wohnung auf, motiviert und leitet an,
Verständnis für kindliche Bedürfnisse wird vermittelt,
Frau X. wird angeleitet, Kochen zu lernen,
ein Tagesplan und Speiseplan für die Woche wird aufgestellt,
nach wenigen Wochen Trennung kehrt Herr Y. mit der Tochter zurück, nachdem sich die
Alltagssituation spürbar verbessert hat,
die Mitarbeiterin lebt modellhaft einen entwicklungsförderlichen Umgang mit den Kindern vor und leitet
beide Eltern an, dies zu übernehmen,
ein „Ins-Bett-geh-Ritual“ wird eingeführt und geübt,
Herr Y. wird angeleitet, ein Haushaltsbuch zu führen (Frau X. ist damit überfordert),
Sozialkontakte werden aufgebaut,
Schriftverkehr wird sortiert und ein Antrag bei der Schuldnerberatung gestellt.
Ergebnis nach Abschluss
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Frau X. ist nach kurzer Zeit äußerst motiviert dabei („Ich weiß nicht, wie ich die Wohnung so
verkommen lassen konnte!“).
Es findet eine gute Kooperation mit Kindergarten, Integrationshelferin, Sozialem Dienst statt.
Das Selbstbewusstsein von Frau X. ist deutlich gestärkt (Zitat: „früher hätte ich das nicht geschafft“).
Die Grundversorgung der Kinder ist sichergestellt.
Die Bedürfnisse der Kinder werden wahrgenommen.
Es gibt eine kindgemäße Tagesgestaltung.
Zwischen Frau X. und Kindern ist eine gute Bindung entstanden.
Die Familie kommt jetzt gut aus mit dem ihr zur Verfügung stehenden Geld (Hartz IV).
Herr Y. lebt wieder konstant bei der Familie.
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