Das Pilotprogramm zum Schutz der tropischen Regenwälder

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Das Pilotprogramm zum Schutz der tropischen Regenwälder
Institut für Geographie
Universität Hamburg
Übung: Interdisziplinäres Seminar Globale Umweltveränderungen
Leitung: PD Dr. G. Lammel. Dr. J. Léonardi
WS 2001/2002
Alejandra Castro de Klede
Der tropische Regenwald Brasiliens
Teil II:
Das Pilotprogramm zum Schutz der tropischen
Regenwälder Brasiliens
I.
Einführung
S. 1
II.
Das internationale Pilotprogramm
S. 1
III.
Finanzilen Rahmen und Koordinationsstruktur
S. 3
IV.
Die Komponenten des Pilotprogramms
S.3
V.
Evaluation
S. 5
VI.
Bibliographie
S. 7
Castro, A.: Regenwald Brasiliens
I. Einführung
Schon in den 80er Jahren wurde im Bereich der internationalen Umweltpolitik auf die
Zerstörung der tropischen Regenwälder, "die Lungen der Erde", aufmerksam
gemacht. So wurde als erstes internationales Programm zur Erhaltung der tropischen
Regenwälder der Tropical Forest Action Plan ins Leben gerufen, welcher sich mit
wenig Erfolg entwickeln konnte.
Die Zerstörung der tropischen Regenwälder wurde ein zentrales Thema bei den
Verhandlungen des Umweltgipfels von Rio de Janeiro 1992 (UNCED 1992). Doch
die Diskrepanzen zwischen Industrie- und Entwicklungsländer verhinderten eine
gemeinsame Regenwaldpolitik. Einige wichtige Aspekte der komplexen Thematik
waren die Ursachen der Zerstörung des Regenwaldes und der diesbezüglichen
Verantwortlichkeiten, des weiteren die Ziele hinsichtlich Schutz und Nutzung des
Regenwaldes, internationale Schutzmaßnahmen und die dafür nötige finanzielle
Kooperation.
172 Länder unterschrieben die "Waldgrundsatzerklärung", eine unverbindliche
Erklärung über die Erhaltung der Wälder. Richtlinien für eine nachhaltige
Waldnutzung wurden allerdings in die Agenda 21 eingefügt. Das Thema Schutz des
Regenwaldes wurde auch in der Klimakonvention und in der Biodiversitätskonvention
behandelt.
Doch auch wenn eine Internationale Waldkonvention letztendlich nicht erreicht
werden konnte, wurde die bedeutende Rolle der tropischen Regenwälder für das
globale Klima und für die Erhaltung der biologischen Vielfalt anerkannt. Eine
Grunderkenntnis von Rio 92 war, dass der Schutz der Tropenwälder nicht in der
räumlichen Segregation von großen Flächen der Waldgebiete erfolgen kann,
sondern indem durch nachhaltige Waldbewirtschaftung und Ressourcennutzung die
lokalen, bzw. regionalen Waldbewohner integriert werden.
Im Amazonasgebiet setzte die Waldzerstörung in großem Ausmaß erst in den 70er
Jahren mit der infrastrukturellen Erschließung der Region ein. Illegaler
Holzeinschlag, rücksichtslose Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, der Bau von
Wasserkraftwerken, die Umwandlung von Waldflächen in Viehweiden und
Sojaplantagen, Brandrodung und Brennholzgewinnung sind für den großflächigen
Waldverlust verantwortlich. Amazonien ist das weltweit größte zusammenhängende
Tropenwaldgebiet. Um seiner Zerstörung mit gravierenden Folgen für das globale
Klima entgegen zu wirken, entschlossen die G7-Länder ein Programm zur
Bewahrung der tropischen Regenwälder aufzulegen.
Das Programm wurde schon auf Initiative Deutschlands beim G7-Wirtschaftsgipfel
1990 in Houston vorgeschlagen. Im Vorfeld des Umweltgipfels Rio 92 wurde ein
Programmentwurf von der brasilianischen Regierung, der Weltbank, der EU und der
G7 ausgearbeitet und schon im Dezember 1991 wurden die Konzeption,
Ausführungsmodalitäten und Finanzierung verabschiedet. Im Rahmen des
Umweltgipfels in Rio stimmte die brasilianische Regierung die Durchführung des
Pilotprogramms zu (Kohlhepp 1998).
II. Das internationale "Pilotprogramm zum Schutz der tropischen Regenwälder
Brasiliens"
Das Pilotprogramm ist ein unfassender Versuch globale Akteure wie Weltbank, G7Staaten, Europäische Union zusammen mit nationalen, regionalen und lokalen
Akteure Brasiliens in einem Aktionsprogramm einzubinden, um eine Strategie für
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Castro, A.: Regenwald Brasiliens
eine nachhaltige Regionalentwicklung bezüglich der tropischen Regenwälder gemäß
den Richtlinien der Agenda 21 umzusetzen.
Leitziel des internationalen Pilotprogramms zur Erhaltung der brasilianischen
Regenwälder ist die brasilianische Umweltpolitik zu unterstützen, um die noch
verbleibenden tropischen Regenwälder Brasiliens (Amazonasgebiet und
Atlantikküstenwälder) zu bewahren. Zugleich soll eine nachhaltige und ökonomisch
rentable Entwicklung für die betreffenden Regionen und die dort lebenden Menschen
vorangetrieben werden. Auch wenn das Pilotprogramm der kurzfristigen
Regenwaldzerstörung nicht entgegen wirken kann, wird damit versucht, einen
umweltpolitischen Rahmen zur Verlangsamung des Zerstörungsprozesses zu
schaffen. Auch werden - im Sinne der Nachhaltigkeit - wirtschaftliche Alternativen mit
umweltverträglichen Bewirtschaftungsmethoden für die regionale Bevölkerung
entwickelt (productive conservation). Dabei soll nachgewiesen werden, dass es
möglich ist, ökologische und ökonomische Ziele bei Schutz und nachhaltiger Nutzung
zu vereinbaren. Dies soll durch die unterschiedlichsten Projekte im gesamten
brasilianischen Amazonasraum aufgezeigt werden. Die Maßnahmen umfassen u.a.
die Einrichtung von Naturschutzzonen, Modellprojekte zur angepassten Nutzung der
Wälder (z.B. von der indigene Bevölkerung, Gummisammlern, Kleinbauern und
Fischern) und neue Methoden der Forstwirtschaft. Ein wichtiger Punkt des
Programms ist die Vernetzung aller Verwaltungsebenen, vom Umweltministerium bis
zum örtlichen Gemeinderat, um die Ergebnisse aus den Modellprojekten fest in die
Entwicklungsprogramme einbinden zu können.
Folgende Ziele werden im Rahmen des Pilotprogramms angestrebt:
1. Der Beitrag zur Reduktion von CO2.
In der Biomasse der Regenwälder befinden sich große CO2 Mengen gebunden,
etwa 60 bis 80 t/ha (Kohlhepp 2000). Die Zerstörung der Regenwälder übt eine
Doppelwirkung auf das enthaltene CO2 Volumen in der Atmosphäre aus. Einerseits
wird Aufgrund der Brandrodungen CO2 freigesetzt. Brandrodungen verursachen
13% der CO2 Emissionen weltweit (Sandler 1997), die Brandrodungen Brasiliens
bedeuten einen Anteil von 6,6% (Fearnside 1999a). Anderseits wird durch die
Ausrodung der Wälder das Potenzial vernichtet CO2 aufzufangen.
Angestrebte Ziele sind:
- Die Verminderung der Brandrodungen, um CO2 Emissionen zu verringern.
- Die Erhaltung der Wälder bzw. Aufforstungen für die Aufnahme von CO2.
2. Die Bewahrung der genetischen Ressourcen tropischer Waldökosysteme
Die tropischen Regenwälder sind große Reservoirs der biologischen Vielfalt.
Brasiliens ist eines der 17 Länder mit der reichsten Biodiversität (Conservation
International 1997). Brasilien hat 55.000 Pflanzenarten, 22% der gesamten Arten der
Welt; 524 Säugetierarten (davon sind 131 endemische Arten); 517 Amphibienarten
(davon sind 294 endemische Arten); 1.622 Vogelarten (davon sind 191 endemische
Arten); 468 Reptilen (davon sind 172 endemische Arten); etwa 3.000 Fischarten und
zwischen 10 und 15 Millionen Insektenarten (Mittermeier 1997).
3. Der Schutz der Lebensräume der indigenen Bevölkerung
Eine Priorität des Programms ist der Schutz der in Regenwäldern lebenden
indigenen Bevölkerung und die Sicherung ihres Lebensraums sowie ihrer
Wirtschaftsformen.
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Castro, A.: Regenwald Brasiliens
4. Das Pilotprogramm soll ein Vorbild für Zusammenarbeit bezüglich der globalen
Umweltprobleme zwischen Entwicklungsländer und Industrieländer sein.
5. Es wird die Vereinbarung von ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Zielen
bei dem Schutz und der Nutzung des tropischen Regenwaldes angestrebt.
III. Finanziellen Rahmen und Koordinierungsstruktur des Pilotprogramms
Für die Finanzierung des Pilotgramms wurde ein Treuhandfond (Rain Forest Trust
Fund) errichtet. Geldgeberländer sind die G7 Staaten. Für die Finanzierung dieses
Entwicklungsprogramm wurden 300 Mio. US$ zugesagt. Die Weltbank wurde als
Verwalter des Projektes eingesetzt.
Finanzielle Beteiligung
Deutschland 43%
USA 5%
EU 23%
Groß Britannien 8%
Brasil 15%
Von der zugesagten Summe wurden bis Ende 1999 70 Mio. US$ ausgegeben.
Das brasilianische Umweltministerium (MMA) hat eine zentrale Funktion bei der
Koordination und Durchführung umweltpolitischer Maßnahmen. Das MMA arbeitet
zusammen mit dem Wissenschafts- und Technologieministerium im Rahmen der
Tropenwaldforschung und mit dem Justizministerium bezüglich den Indianergebiete,
da die Indianerschutzbehörde (FUNAI) dem Justizministerium untergeordnet ist. Die
Weltbank hat eine eigene Abteilung in Brasilia, welche die Steuerung, Koordination
und Prüfung des Programms durchführt. Einige Geberländer und die EU haben
eigene Programmkoordinatoren vor Ort. Deutschland spielt eine bedeutende Rolle
bei der Konzipierung und der technische Zusammenarbeit.
Ein Organigramm der Koordinationsstruktur wird in der Abbildung 1 dargestellt.
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MMA/IBAMA
NaturressourcenErhaltung
Management
DemonstrationsProjekte
-----Naturressourcenpolitik
gebiet
MJ/FUNAI
Indianer-
Technische Sekretariate
Brasilianische
Regierung
MMA
MMA
Internationale
Beratungsgruppe
Nationale
Koordinierungskommission
Das internationale Pilotprogramm
zum Schutz der tropischen Regenwälder
Abb. 1
Quelle: G. KOHLHEPP
Tübinger geographische Studien
Heft 19
Wissenschaft
Technologie
MCT
Regenwaldfonds
Weltbank
Geberländer
EU-G7-NL
IV. Die Komponenten des Pilotprogramms
Das Pilotprogramm soll eine Vorbildfunktion für die Zusammenarbeit auf
internationaler Ebene aber auch innerhalb Brasiliens haben. Das Amazonasgebiet ist
ein komplexer Raum mit ca. 17 Millionen Einwohner, indem unterschiedliche
Interessengruppe agieren. Eine Aufgabe des Programms ist die Vereinbarung der
verschiedenen Interesse zu ermöglichen. Im Pilotprogramm werden unterschiedliche
Teilprojekte durchgeführt, die sich in vier Subprogramme konzentrieren:
1. Subprogramm Naturressourcenpolitik. Das Ziel ist die Stärkung der
bundesstaatlichen Behörden bei der Realisierung nachhaltiger Umweltpolitik. Die
brasilianische Regierung soll im Bereich der Umweltpolitik verstärkt unterstützt
werden. Es sollen die Interesse der Bundesstaaten einbezogen werden, um
Interessenrivalitäten zwischen den lokalen Machtgruppen zu vermeiden. Es wird
auch die Einbeziehung des privaten Sektors, von NRO und der lokale Bevölkerung
(lokales Wissen) angestrebt.
Im Rahmen des Subprogramms Naturressourcenpolitik wird die Dezentralisierung
gefördert sowie auch ein Konzept für Raumordnung und Flächennutzungsplanung
entwickelt.
2. Das Subprogramm Management natürlicher Ressourcen und Schutzgebiete
dient der Verbesserung der Bewirtschaftung von Naturressourcen und des
Management von Schutzgebieten. Es sollen Strategien zur Kontrolle des illegalen
bzw. extensiven Holzeinschlags sowie der Brandrodungen durchgeführt werden. Als
Alternative wird die Förderung des Ökotourismus und der Produktion von
zertifiziertem Holz durch ökologische Forstbetriebe gefördert.
Das Subprogramm Management natürlicher Ressourcen und Schutzgebiete
hat folgende Basisprojekte:
2.1. Projekt zur Demarkierung und Legalisierung von Indianerschutzgebiete
(PPTAL). Hier handelt es sich um einen innenpolitischen umstrittenes Projekt, da die
indigene Bevölkerung in der Geschichte der territoriale Erschließung Amazoniens als
Wirtschaftsraum eher als Entwicklungshindernis betrachtet wurde. Die Festlegung
der Indianerschutzgebiete benötigt formale Schritte:
Identifizierung des Gebietes: Die Behörde und die indigene Bevölkerung müssen
zusammen einvernehmlich entscheiden. Ein Hindernis ist der Einfluss von
wirtschaftlichen Interessengruppe wie Erdölförderungsunternehmer und
Großgrundbesitzer, welche auch über ein Lobby auf lokaler politischer Ebene
verfügen.
Demarkierung: Die Festlegung der Grenzen. Öfter werden diese Grenzen von den
Goldsucher und Landbesetzer nicht respektiert.
Homologisierung: D. h. die offizielle Registrierung der Gebiete.
Im Pilotprogramm ist die Demarkierung von 123 Gebiete und die Identifizierung von
42 Gebiete vorgesehen.
2.2. Projekt zur Einrichtung von vier Sammlerreservaten (RESEX) für nicht indigene Bevölkerung wie Kautschukzapfern oder Paranuss - Sammler. Sie sollen
ein dauerhaftes kollektives Nutzungsrecht erhalten. Dazu wird die Produktion von
Nicht-Holz Produkten wie Früchten, Palmmark und -fasern, ölliefernden Pflanzen
einbezogen. Die Tendenz ist die Intensivierung der Nutzung im Sinne der
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Agroforstwirtschaft, um die Waldvernichtung zu verhindern und zur Erhaltung der
biologischen Vielfalt.
2.3. Projekt zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung (PROMANEJO) Angesichts
der wachsenden Beteilung Amazoniens am Hartholz-Welthandel von 2% 1989 auf
8% 1995 und des steigenden internationalen Drucks auf die Holzwirtschaftspolitik
werden Reformen in der Forstverwaltung und Forstpolitik sowie Techniken zur
schonenden Waldbewirtschaftung gefördert. Ein Beispiel dafür ist die Förderung des
Ökosiegel FSC.
2.4. Projekt zum Schutz und Nutzung von Flussauenbereichen (PROVÁRZEA)
Als Schwerpunk wird die Entwicklung der Fischereiwirtschaft als Alternative des
Brandrodungsfeldbau vorgesehen.
2.5. Projekt zur Kontrolle und Überwachung von Brandrodungen
(PRODESQUE) Es werden Maßnahmen zur Kontrolle von Brandrodung und
Waldbränden durchgeführt. Zu diesem Projekt gehört auch die Entwicklung und
Anwendung von Methoden zur Überwachung von illegalem Holzeinschlag,
Waldzerstörung und Brände in festgelegten Prioritätszonen.
2.6. Projekt zur Einrichtung von "ökologischen Korridoren" Dieses Projekt dient
zur Erhaltung der Biodiversität durch die Integration von zahlreichen Schutzgebieten
in miteinander verbundene Waldschutzzonen. Das Ziel ist einen regionalen Verbund
von großen Arealen zu schaffen.
3. Subprogramm Demonstrationsprojekte zur Förderung von Kleinprojekten
regionaler NGO. Diese Demonstrationsprojekte sind im ganzen Amazonasgebiet
verteilt. Es handelt sich um Vorschläge für eine nachhaltige Ressourcennutzung
(Agroforstwirtschaft, Medizinalpflanzen, Rehabilitierung von degradierten Flächen
und Aufforstung) auf lokaler und kommunaler Ebene. Dabei geht es um die
Entwicklung und Erprobung von alternative Lösungen für die lokalen
Umweltprobleme.
Das Ziel ist die Wirtschaftsaktivitäten wie illegale Holzeinschlag, Landbesetzung oder
Goldsuchen zu minimieren. In den Kleinprojekten sollen sich auch die indigene
Bevölkerung, die Kleinbauern, die Kautschukzapfer und Umweltschützer beteiligen
können.
4. Subprogramm zur Förderung angewandter Forschungen für eine nachhaltige
Tropenwaldbewirtschaftung. Die zielorientierte, angewandte Forschung der
tropischen Ökosysteme, die Forschung der Technologien für eine nachhaltige
Entwicklung und die Forschung der Mensch-Umweltbeziehung stehen im Mittelpunkt
der Förderungsmaßnahmen. Es wird auch die Beteiligung der Biotechnologie und
Chemiekonzerne nach der Suche von neuen Wirkstoffen und andere "nicht
traditionelle Produkte" gewünscht.
5. Subprogramm Wissenschaft und Technologie zur Förderung der
tropenökologischen Forschung als problemorientierte Forschung durch innovativen
Ansätze.
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Castro, A.: Regenwald Brasiliens
V. Evaluation des Pilotprogramms
Das Programm lief 1995, erst nach mehrjähriger Planungsphase an. Mitte 1998
begann ein Projekt für Monitoring und Evaluierung des Gesamtprojektes.
Nach einer fünfjährigen Laufzeit fand im Jahr 2000 eine Zwischenevaluierung des
Pilotprogramms statt, bei der die Einzelprogramme auf ihre Effizienz untersucht und
auf ihre Übertragbarkeit geprüft wurden. Bis zu diesem Zeitpunkt waren noch nicht
alle der geplanten Subprogramme angelaufen.
Als positive Auswertung des Programms werden folgende Schwerpunkte angegeben
(Kohlhepp, 1998):
•
Der internationale Charakter des Umweltschutzprogramms
•
Der Schutz und die nachhaltige Nutzung stehen im Mittelpunkt des
Programms
•
Die Akteure werden bis zur lokalen Ebene einbezogen
Leider sind keine großen Erfolge bezüglich der Waldzerstörung erreicht worden.
Nach Angaben der Umweltbehörde (IBAMA) waren z. B. 1995 - 1997 die
Vernichtungsraten der Amazonaswälder immer noch sehr hoch. Dies bedeutet, dass
Waldzerstörung und Brande schwierig zu stoppen sind. Als Ursache werden die
Kürzungen des Budgets im umweltpolitischen Bereich Brasiliens und die
entwicklungspolitischen Widersprüche der offiziellen brasilianische Politik
angegeben, vor allem zwischen dem Umweltministerium und dem
Entwicklungsministerium. So z. B. hat das Entwicklungsministerium ein Programm
zur wirtschaftliche Entwicklung des Amazonasgebietes entworfen, das Programm
"Avanςa Brasil". Dabei handelt es sich um über 300 Infrastrukturprojekte für
Verkehrserschließung zum Transport von Eisen, Gold, Edelholz und Futtersoja in die
USA und nach Europa sowie für die Energiewirtschaft, wie der Bau von Staudämmen
für Elektrizitätsgewinnung und Pipelines für Erdgas. Es wird auch eine Expansion der
Agrarfront für die Viehwirtschaft sowie Agrar- und Holzplantagen vorgesehen. Hier
spielt der Einfluss der multinationalen Konzerne und die Lobby der
Großgrundbesitzer in der Regionalpolitik eine große Rolle. Auch Großfirmen werden
privatisiert, so dass der Staat keine Einflussmöglichkeiten mehr auf ihr Handeln hat.
Zwischen diese Interessengruppe und der lokalen Bevölkerung, insbesondere den
Indianergruppen kommt es immer wieder zu gewaltsamen Konflikten.
Zu diesem Thema muss man hinzufügen, dass in Folge der Finanzkrise Brasiliens im
Jahr 1998 weitere strukturelle Anpassungsmaßnahmen vom Internationalen
Währungsfond und der Weltbank vorgeschrieben wurden. Dies bedeutet
Sparmaßnahmen im staatlichen Haushalt, dabei ist auch der Umweltbereich
betroffen, sowie auch weitere Privatisierungen der staatlichen Unternehmen. Auch
bei dem Bau von Straßen und Staudämmen sowie der Erzförderung im
Amazonasgebiet beteiligen sich Unternehmen der großen Handelspartner Brasiliens,
wie der Bundesrepublik. Deutschland ist der zweiwichtigste Investor nach den USA
und die meisten Auslandsniederlassungen deutscher Firmen sind in Brasilien
ansässig. Hier wird es deutlich, dass die Wiedersprüche nicht nur zwischen
Wirtschaftentwicklung und Umweltschutz innerhalb Brasiliens bestehen sondern
auch exterritoriale wirtschaftliche Interventionen äußerst widersprüchlicher Art sind.
Dennoch hat das Programm bei vielen Umwelt- und Sozialorganisationen in Brasilien
große Hoffnungen geweckt. Mit Unterstützung dieses Programms haben sich über
350 Organisationen von Kleinbauern, indigener Bevölkerung, Kautschukzapfern und
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Castro, A.: Regenwald Brasiliens
Umweltschutzorganisationen in einer Arbeitsgruppe Amazoniens (Grupo de Trabalho
Amazônico) zusammengefunden. Aber auch Umwelt- und Sozialorganisationen
kritisieren manche Absichten der Geberländer und der Regierung Brasiliens
bezüglich "Erhaltung und Nutzung". Ein umstrittenes Thema ist der Schutz der
Biodiversität : "Die tropischen Regenwälder beherbergen eine einzigartige
genetische Artenvielfalt. Eine große Hoffnung ist, dass vor allem die Medizin in den
kommenden Jahren von diesem Artenreichtum profitieren und neue Wirkstoffe gegen
chronische und tödliche Krankheiten nach dem Vorbild der Natur entwickeln kann"
(BMZ, Zukunft Regenwald, o.J.)
Hiermit wird der Boden für die Biotechnologie vorbereitet. Viele indigenen Gruppen
und NRO haben sich über die sogenannte Biopiraterie beklagt und verschiedene
Kampagnen gestartet. Da Patente auf biologische Produkte nur von solchen
Konzerne oder Ländern erwirkt werden können, die über die entsprechende
entwickelte Technologien verfügen, empfinden diese lokalen Gruppen die
Patentierungen als Privatisierung bzw. Enteignung ihrer Ressourcen.
Auch ein umstrittenes Thema ist die Bewirtschaftung der "nicht traditionellen
Produkte", wie z.B. Paranüsse und Kokosfasern. Im Pilotprogramm wird eine
Beteiligung der Privatwirtschaft für die Forschung und Gewinnung der Produkte
beabsichtigt. Dabei wurde von den Gewerkschaften kritisiert, dass die internationale
Unternehmen, die in dem Bereich tätig wurden, keine faire Preise für die
gewonnenen Produkte bezahlen und dass von der ILO vorgeschriebenen
internationalen Sozialstandards der Arbeitskräfte nicht erreicht werden.
Abschließend sei erwähnt, dass dieses unfangreiche Programm mit seiner
komplexen Struktur unterschiedlichste Interessensgruppe in ein Gesamtkonzept zu
vereinbaren versucht. Es bleibt dabei die Frage offen, in welcher Weise die
traditionelle Beziehung Nord-Süd mit ihren klassischen Determinanten das
Pilotprogramm bis hin auf die lokale Ebene dominiert und das Ziel des
Umweltschutzes konterkariert. Die wirtschaftlichen Interessen der Industrieländer
und der internationalen Konzerne werden abgesichert, und das Pilotprogramm wird
als einmaliges Beispiel für die vorbildliche Zusammenarbeit zur Lösung von
Umweltproblemen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern dargestellt.
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Castro, A.: Regenwald Brasiliens
VI. Bibliographie
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www.ked-bayern.apc.de/Brasilien/obrasil.htm
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Ressourcen in: Mensch - Umwelt - Beziehungen und nachhaltige Entwicklung in der Dritten
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Universität Tübingen.
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