Fluoreszenz-Mikroskopie an lebenden Zellen

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Fluoreszenz-Mikroskopie an lebenden Zellen
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BIOSPEKTRUM • 1.00 • 6. JAHRGANG
Special: Zellbiologie
Fluoreszenz-Mikroskopie an lebenden Zellen
Patrick Keller, Europäisches Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL), Zellbiologie, Heidelberg
und Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, Dresden
Das grün fluoreszierende Protein (GFP) und seine spektralen Varianten haben sich zu einem wichtigen
Werkzeug in der modernen Zellbiologie entwickelt, um einzelne Proteine oder ganze Organelle in
lebenden Zellen sichtbar zu machen. Zusammen mit verbesserten Mikroskopen ist es nun möglich,
dynamische Prozesse in lebenden Zellen mit hervorragender räumlicher und zeitlicher Auflösung
darzustellen – ein großer Schritt vorwärts von einem statischen zu einem dynamischen Bild der Zelle.
Von einem statischen zu einem
dynamischen Bild der Zelle
쑺 Bis vor wenigen Jahren prägten Immunfluoreszenz und Elektronenmikroskopie unsere Sicht
der Zelle. Da diese Methoden sich
nur an fixierten, toten Zellen anwenden lassen, zeichneten sie das
detaillierte, aber statische Bild,
welches man heute in Lehrbüchern findet. Einzelne Organelle
als wohlorganisierte Strukturen,
die Material durch Vesikel einheitlicher Größe und Form austauschen. Mit der Klonierung des
GFP aus der Qualle Aequorea victoria hat sich dieses Bild dramatisch zu verändern begonnen.
Das GFP, dessen Fluoreszenz
von einem sich selbst formenden
zyklischen Tripeptid ausgeht, wurde bereits 1962 entdeckt. Der eigentliche Durchbruch gelang aber
erst 20 Jahre später mit der Klonierung [1] und der erfolgreichen Expression in anderen Organismen
[2, 3]. Es zeigte sich, daß sich das
Protein bei 37˚C nur sehr ineffizient faltete und dadurch auch kaum
fluoreszierend war. Durch den
Austausch einzelner Aminosäuren
mittels gezielter Mutationen wurde dieses Problem jedoch rasch behoben. Damit war es nun möglich
auf molekularbiologischem Wege
Fusionen zwischen einzelnen Proteinen und dem GFP herzustellen
und deren Verhalten dann in lebenden Zellen zu studieren. So
konnte z.B. die Dynamik des Zytoskeletts mit Hilfe von Aktin- und
Tubulin-GFP sichtbar gemacht
werden. Andere Arbeitsgruppen,
so auch unsere, untersuchten den
Transport neu synthetisierter Proteine vom endoplasmatischen Retikulum zum Golgi-Apparat und
von dort an die Zelloberfläche – ein
sehr komplexer Vorgang, der vorher nur mit biochemischen Methoden zugänglich war. Die Liste der
Fusionen wird täglich länger und
es zeigt sich, daß sich das GFP
trotz seiner Größe an mehr als die
Hälfte aller Proteine binden läßt,
ohne dessen Funktion merklich zu
beeinflussen.
Neue Ansprüche an die
Mikroskopie
Bald kam der Wunsch auf,
mehr als ein Protein gleichzeitig
in lebenden Zellen anzuschauen.
Da keine spektralen Varianten des
GFP vorhanden waren, mikroinjizierte man gereinigte Proteine,
welche im Reagenzglas an fluoreszierende Farbstoffe gekoppelt
worden waren. Durch weitere,
zielgerichtete Mutagenese waren
aber bald spektrale Varianten erhältlich, welche eine Doppelmarkierung erlaubten. Die heute am
häufigsten verwendeten sind YFP
und CFP [4], welche ihre Absorptions- und Emissionsspektren
nach rot bzw. blau verschoben haben und mit geeigneten Filtern
getrennt voneinander dargestellt
werden können [5].
Um zwei Proteine in lebenden
Zellen gleichzeitig verfolgen zu
können, steigen natürlich auch die
Anforderungen an die Mikroskopie. Da nicht mehr an fixierten
Zellen gearbeitet wird, sind nun
Systeme erforderlich, die eine
Aufnahme von Bildern in rascher
Folge bei gleichbleibend hoher
räumlicher Auflösung erlauben.
Dafür bieten sich zwei verschiedene Systeme an – laserunterstützte konfokale Mikroskope und Videomikroskope [5]. Konfokale
Systeme haben den Vorteil, daß sie
nur einzelne fokale Ebenen abbil-
den und dadurch auch für dickere
Objekte geeignet sind, welche für
Videomikroskope nur begrenzt zugänglich sind. Herkömmliche konfokale Systeme haben allerdings
einen großen Nachteil. Die Erzeugung eines Bildes dauert meist
mehrere Sekunden, was zu langsam ist, um rasch ablaufende Vorgänge, wie z.B. intrazelluläre
Transportprozesse, zu verfolgen.
Videomikroskope bieten sich hier
als ideale Alternative an, da sie
eine deutlich bessere zeitliche
Auflösung erlauben. Ein solches
System besteht in der Regel aus
einem invertierten Mikroskop, einem elektronischen Detektor (z.B.
einer gekühlten CCD-Kamera mit
hoher Auflösung), einer leistungsstarken Lichtquelle, auf einem
Filterrad angeordneten Filtern
und einem leistungsfähigen Computer zur Kontrolle des ganzen Systems. Da der Filterwechsel mechanisch geschieht, kann sich dies
limitierend auf die zeitliche Auflösung auswirken. Eine andere
Lösung bietet ein Videomikroskop, welches Olympus in Zusammenarbeit mit TILL Photonics
aufgebaut hat. Anstatt Filter mechanisch zu wechseln, wird dort
mittels eines Monochromators die
Wellenlänge des Anregungslichtes
innerhalb von 2 msec gewechselt
und durch einen einzigen dualen
Filter geleitet. Dadurch wird es
möglich bis zu 30 Bilder pro Sekunde bei zwei verschiedenen
Wellenlängen aufzunehmen, was
zur Zeit von keinem anderen System erreicht wird.
Eine Anwendung – Proteintransport entlang von Mikrotubuli
Im folgenden werde ich an einer Anwendung dieses System et-
was näher vorstellen. Unsere Arbeitsgruppe interessiert sich für
die Mechanismen des Proteintransports zwischen Golgi-Apparat und Zelloberfläche. Ein Teilaspekt beschäftigt sich mit der
Frage wie Transportcontainer sich
fortbewegen. Geschieht dies
durch reine Diffusion oder aber
durch gerichtete Transportprozesse entlang des Zytoskeletts? Experimente verschiedener Arbeitsgruppen an fixierten Zellen und
an Zellen, in welchen das Zytoskelett depolymerisiert wurde, lieferten indirekte Hinweise, daß
dieser Transport entlang von Mikrotubuli geschieht [6, 7]. Um Mikrotubuli direkt sichtbar machen
zu können, haben wir eine Tubulin-YFP-exprimierende Zelllinie
hergestellt. Unsere Wahl fiel dabei auf PtK2-Zellen, da diese extrem flach sind und fast alle Transportprozesse in einer einzigen fokalen Ebene ablaufen [8]. Mittels
rekombinanter Adenoviren haben
wir in diesen Zellen verschiedene CFP-markierte Fusionsproteine, wie das virale Glykoprotein
VSVG3-SP-CFP, exprimiert. Eine
Analyse unserer Daten lieferte
den direkten Beweis, daß der
Transport von Proteinen zwischen
Golgi-Apparat und Zelloberfläche
entlang von Mikrotubuli geschieht [8]. Gemäß heutiger Lehrbücher findet dieser Transport
durch Vesikel einheitlicher Größe
und Form statt. Diese Vorstellung
hat sich jedoch in den letzten beiden Jahren grundlegend verändert. Transportcontainer sind extrem dynamisch, unterscheiden
sich in Größe und Form und ändern ihr Aussehen über die Zeit
[8-10]. Dies wird aus dem Video
ersichtlich, welches zur Erstellung
von Abbildung 1 verwendet wurde, und im Internet auf der Homepage des Max-Planck-Institutes für molekulare Zellbiologie
und Genetik unter http://www.
mpi-cbg.de/research/simons/
ongoing.html zu finden ist. Die
dort gezeigte Sequenz besteht aus
100 Einzelbildern die im Abstand
von jeweils einer Sekunde bei
37˚C aufgenommen wurden.
Beim Betrachten solcher Videos stellt sich die Frage, wie man
diese geballte Ladung an Information an den Leser weitergibt. Die
dynamischen Prozesse sind im
Video klar ersichtlich, aber wie
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Abb 1: Tubuläre-vesikuläre Transportcontainer bewegen sich entlang von Mikrotubuli. Eine Sequenz von 100 Einzelbildern wurde an einer PtK2-Zelle, welche TubulinYFP (rot) und VSVG3-SP-CFP (grün) exprimiert, aufgenommen. Das entsprechende Video findet sich im Internet unter http://www.mpi-cbg.de/research/simons/
ongoing.html (A) zeigt die ganze Zelle zu Beginn, (B) und (C) sind vergrößerte Ausschnitte zu verschiedenen Zeiten (in Sekunden angegeben). Der Golgi-Apparat, in
welchem VSVG3-SP-CFP akkumuliert wurde, ist durch ein „g“ gekennzeichnet. Das grüne Bild in (B) und (C) zeigt eine Projektion von Differenzbildern, um sich
bewegende Strukturen sichtbar zu machen. In (B) sieht man einen tubulären Transportcontainer, der sich entlang verschiedener Mikrotubuli bewegt und dabei
mehrmals Richtung und Form ändert. Die Spitze ist durch den Pfeil markiert. In der Projektion weist der Stern auf den Startpunkt und der große Pfeil auf die vielen
Richtungsänderungen hin. In (C) ist ein vesikulärer Transportcontainer der rasch in die Zellperipherie wandert durch einen Pfeil markiert. Seine Fortbewegung wird
in der Projektion leichter ersichtlich. Dort weist der Stern auf den Ausgangspunkt, und Richtungsänderungen sind durch Pfeile markiert.
bringt man sie zu Papier? Eine
Serie von Einzelbildern kann einen gewissen Eindruck vermitteln, aber das funktioniert nur,
wenn im jeweiligen Bildausschnitt nicht zu viel Information
vorhanden ist. Dies wird aus Ab-
bildung 1B und 1C ersichtlich.
Abbildung 1B zeigt einen tubulären Transportcontainer der sich zu
Beginn von rechts nach links entlang eines Mikrotubuli bewegt.
Die Bewegungsrichtung ist durch
einen Pfeil markiert. Nach 16 Se-
kunden springt die Spitze des
Transportcontainers plötzlich auf
ein anderes Mikrotubuli über, wodurch sich seine Bewegungsrichtung ändert. Nur eine Sekunde
später bewegt er sich gleichzeitig
in zwei unterschiedliche Richtun-
gen, um wiederum nur eine Sekunde später in die zuerst eingeschlagene Richtung zu wandern.
Solches Umherspringen wiederholt sich mehrmals, und es scheint
als ob der Transportcontainer sich
im Netzwerk einzelner Mikrotu-
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buli verfangen hat und nicht mehr von der Stelle kommt.
Während das Verfolgen einer einzelnen
tubulären Struktur recht gut funktioniert, gestaltet sich dies bei vesikulären Transportcontainern schwieriger (Abbildung 1C). Da sich
meist mehr als ein solches Objekt im Bild-ausschnitt befindet, kann ein einzelner Transportcontainer z.B. durch einen Pfeil in allen Bildern markiert werden. Aber selbst dann ist
noch sehr viel ablenkende Information enthalten. Das eigentlich Interessante kann jedoch
durch geeignete Bildbearbeitung hervorgehoben werden. Für sich bewegende Strukturen
bietet sich eine Subtraktion aufeinanderfolgender Bilder und eine anschließende Projektion
der Differenzbilder in eine Ebene an. Dadurch
werden alle stationären Objekte entfernt, und
was übrig bleibt, sind sich bewegende Strukturen die nun sehr viel einfacher erfaßbar sind
(siehe letztes Bild in Abbildung 1C). Aus dem
Abstand der einzelnen Punkte lassen sich
Rückschlüsse auf die Fortbewegungsgeschwindigkeit ziehen. Je größer der Abstand
zwischen zwei Punkten, desto schneller bewegt sich ein Objekt. Es wird ersichtlich, daß
sich Transportcontainer nicht gleichförmig fortbewegen, sondern daß sich Phasen hoher Geschwindigkeit mit stationären Phasen abwechseln. Solche Ruhephasen (durch kleine Pfeile
in der Projektion hervorgehoben) sind oft mit
einem Sprung auf andere Mikrotubuli verbunden.
Selbst wenn eine solche Darstellung am
Ende relativ einfach aussieht, beinhaltet sie
doch große Mengen an digitalen Rohdaten, die
bearbeitet werden müssen. In der Regel werden für beide Farbstoffe separate Graustufenbilder aufgenommen und dann in farbige
RGB-Bilder kombiniert. Nach einer ersten
Sichtung der Daten beginnt die eigentliche
Analyse. Oft ist es dabei von Vorteil, sich auf
einige wenige Objekte zu konzentrieren. Eine
Anwendung ist sich bewegende Objekte zu
analysieren (siehe oben). All diese Schritte sind
sehr arbeitsintensiv. Hat man hunderte von
Einzelbildern ist dies kaum mehr von Hand
machbar. Olympus und TILL Photonics haben dieses Problem gelöst, indem sie kleine,
flexibel erweiterbare Hilfsprogramme (sogenannte Makros) zur Datenanalyse in ihr System
eingebaut haben.
Ausblick
Mit der kürzlichen Beschreibung eines rot
fluoreszierenden Proteins [11] wird es bald
möglich sein, drei Proteine gleichzeitig in einer lebenden Zelle zu verfolgen, und selbst
mehr ist denkbar. Voraussetzung dafür sind
schnelle, flexibel erweiterbare Mikroskope.
In den seltensten Fällen sind Zellen so
flach, daß alle Objekte in einer einzigen fokalen Ebene liegen. Eine große Herausforderung
für die Zukunft ist deshalb die Abbildung drei-
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dimensionaler Objekte über die Zeit. Da heute übliche konfokale Systeme (mit Ausnahme
neuartiger Echtzeit-Systeme) nicht schnell
genug sind, bietet sich die Nachrüstung eines
Videomikroskopes mit einem Computer-gesteuerten Piezoelement an. Mit dessen Hilfe
läßt sich die fokale Ebene innerhalb weniger
Millisekunden verändern und ein Stapel übereinanderliegender Ebenen rasch aufnehmen,
der dann mittels Dekonvolution in ein dreidimensionales Bild gerechnet werden kann. Da
dies über die Zeit geschieht, braucht es zusätzlich geeignete Hilfsmittel um die vierdimensionalen Daten darstellen zu können. Solche
Programme sind in Entwicklung.
Fluoreszierende Proteine werden zusammen mit immer schnelleren und besseren Mikroskopen unser bisher so statisches Bild der
Zelle dramatisch verändern.
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