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Bremen, 20.02.2014
Prof. Dr. Bernhard Badura
© Bernhard Badura, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
Führung, Gesundheit und Produktivität
„Die Bevölkerungsentwicklung wird es mit sich bringen, dass die
Belegschaften älter werden und es zunehmend schwierig wird,
gesundheitsbedingte Personalengpässe durch Neueinstellungen zu schließen.
Altersgerechte Arbeitsplätze, ein betriebliches Gesundheitsmanagement und
betriebliche Präventionsmaßnahmen werden bald auf der To-do-Liste der
Personalverantwortlichen stehen“ (Prof. Dr. Rürup 2013).
2, 29.11.2013
Vor welchen Herausforderungen
stehen Unternehmen heute?
• 
Wachsende Anforderungen: die Globalisierung
erhöht den Wettbewerbsdruck
• 
Sinkende Belastbarkeit: die Alterung der
Mitarbeiter führt zu Beeinträchtigungen ihrer
Leistungsfähigkeit durch physische oder psychische
Störungen
• 
Findung und Bindung exzellenter Mitarbeiter
3
Betriebliches
Gesundheitsmanagement
• 
• 
• 
Verhütet Absentismus und Präsentismus
Fördert die Arbeitsfähigkeit und -bereitschaft
Stärkt die emotionale Bindung der Mitarbeiter an ihr
Unternehmen
Erhöht die Produktivität und Attraktivität eines
Unternehmens
(Quelle: Badura et al. 2013)
4
Beschwerdefreie Lebenserwartung 2012
70,7
70,9
65,7
Schweden
64,7
Spanien
63,9
62,6
Frankreich
61,5
Italien
Frauen
Angaben in Jahren
Quelle: Eurostat 2014
62,1
62,5
63,5
60,2
Österreich
58,9
Niederlande
57,9
57,4
Deutschland
Männer
5
Rang
Land
Lebenserwartung
in Jahren
1
Monaco
89.63
2
Macau
3
Land
Lebenserwartung
in Jahren
16
Spain
81.37
84.46
17
Sweden
81.28
Japan
84,19
18
Israel
81.17
4
Singapore
84.07
19
Iceland
81.11
5
San Marino
83.12
20
Anguilla
81.09
6
Andorra
82.58
21
Netherlands
81.01
7
Guernsey
82.32
22
Bermuda
80.93
8
Switzerland
82,28
23
Cayman Islands
80.91
9
Hong Kong
82.20
24
Isle of Man
80.87
10
Australia
81.98
25
New Zealand
80.82
11
Italy
81.95
26
Ireland
80.44
12
Liechtenstein
81.59
27
Norway
80.44
13
Canada
81.57
28
Germany
80.32
14
Jersey
81.57
33
Austria
80.04
15
France
81.56
48
Denmark
78.94
Quelle: The World Factbook 2013
Rang
6
© Bernhard Badura, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
Länder mit der höchsten
Lebenserwartung
Rang
Land
Lebenserwartung
in Jahren
223
Chad
49.07
222
South Africa
221
Rang
Land
Lebenserwartung
in Jahren
208
Uganda
53.98
49.48
207
Niger
54.34
Guinea-Bissau
49.50
206
Burkina Faso
54.43
220
Swaziland
50.01
205
Botswana
54.47
219
Afghanistan
50.11
204
Mali
54.55
218
Central African R.
50.90
203
Angola
54.95
217
Somalia
51.19
202
Cameroon
55.02
216
Zambia
51.51
201
Congo, Republic of
55.60
215
Namibia
52.03
200
Congo, Democratic R.
56.14
214
Gabon
52.15
199
Sierra Leone
56.98
213
Mozambique
52.29
198
Cote d‘Ivoire
57.66
212
Lesotho
52,30
197
´Liberia
57.81
211
Nigeria
52.46
196
Rwanda
58.85
210
Malawi
52.78
195
Guinea
59.11
209
Zimbabwe
53,86
194
Burundi
59.69
Quelle: The World Factbook 2013 URL: https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/rankorder/2102rank.html
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Länder mit der niedrigsten
Lebenserwartung
GKV - Investitionen
Die Investitionen der GKV in die Betriebliche
Gesundheitsförderung belaufen sich im Jahr 2011 auf
42,3 Mio. (s. Jung & Seidel 2013 (Präventionsbericht
2013 der GKV, 29)). Erreicht werden damit ca. 0,2%
der Unternehmen sowie ca. 2% der Arbeitnehmer (s.
dazu Statistisches Bundesamt 2013).
Bedarfsgerechtigkeit und Wirksamkeit dieser
Investitionen sind weiterhin unbekannt.
• 
• 
3,6 Mio. Unternehmen in Deutschland in 2011
41,5 Mio. Erwerbstätige in 2011
8
Kostenfaktor Absentismus
9
Entwicklung des Krankenstandes
Quelle: Bäcker 2012
10
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Zunahme psychischer Erkrankungen
1997-2012
Quelle: DAK Gesundheitsreoprt 2013 , IGES Institut GmbH
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© Bernhard Badura, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
Psychische- und Verhaltensstörungen
nach Branchen
12
© Bernhard Badura, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
Abteilungsvergleich innerhalb einer Organisation
13
© Bernhard Badura, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
© Bernhard Badura, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
Angebot und Akzeptanz des
Betrieblichen Eingliederungsmanagements
Anzahl
B e s c h ä f t i g t e 5.389
Gesamt
1.774
Betroffene
In Prozent
32,9%
BEM-Angebot
767
45,0%
Zustimmung
237
30,9%
Ablehnung
324
42,2%
Aufschub MA/-in
176
22,9%
16
Fehlzeitenstatistiken
Stärken
Schwächen
•  leicht verfügbar
•  leicht kommunizierbar
•  bezahlte aber nicht geleistete Arbeit ist ein
„Produktivitätskiller“
•  Häufung von Fehlzeiten klares Indiz für
Organisationsprobleme und Handlungsbedarf
•  Keine Aussage über zugrunde liegende
Probleme und ihre Ursachen
•  kein verlässlicher Indikator für realen
Gesundheitszustand der Abwesenden
•  Keine Information zum Gesundheitszustand
der Anwesenden
•  Nichterfassung „verdeckter“
Produktivitätsverluste durch Präsentismus
Ursachen
17
Ursachen
18
Konzepte im BGM
• 
• 
• 
• 
Arbeitswissenschaften: Belastung-Beanspruchung
Verhaltensmedizin: Verhaltensrisiken z. B. Rauchen
Stressforschung: psychosoziale Risiken z. B.
Burnout, Herzprobleme
Sozialkapital-Ansatz: gegenseitiges Vertrauen,
gelingende Kooperation
19
20
© Bernhard Badura, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
KFZ-Endfertigung
Abb. 1: Verteilung der Fehlzeiten auf die untersuchten Unterabteilungen
Quelle: Schwarting 2012
21
© Bernhard Badura, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
KFZ-Endfertigung
Abb. 2: Körperlicher Gesundheitszustand
Quelle: Schwarting 2012
22
© Bernhard Badura, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
KFZ-Endfertigung
Abb. 3: Psychischer Gesundheitszustand
Quelle: Schwarting 2012
23
© Bernhard Badura, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
Körperlicher
Gesundheitszustand
Psychosomatische
Beschwerden
Depressivität
Wohlbefinden
Betriebsklima
,390*
-,276*
-,422*
,189*
Führung
,355*
-,375*
-,359*
,241*
Unternehmenskultur
,458*
-,422*
-,441*
,447*
*Korrelation nach Bravais Pearson auf dem Niveau von 0,05 zweiseitig signifikant
Quelle: Schwarting & Ehresmann 2013
24
© Bernhard Badura, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
Nicht jeder Anwesende ist gesund.
Nicht jeder Abwesende ist krank.
25
© Bernhard Badura, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
Kostenfaktor Präsentismus
26
© Bernhard Badura, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
Kostenfaktor Präsentismus
Unter Präsentismus verstanden wird Arbeiten trotz
psychischer oder physischer Beeinträchtigung oder
Krankheiten, mit dem Risiko:
•  sich (weiter) verschlechternder Gesundheit
•  verminderter Qualität und Produktivität
27
Kostenfaktor Präsentismus
Baase kommt in ihrer gut dokumentierten Studie an
12.397 Beschäftigten der Firma Dow Chemical zu dem
Ergebnis, dass dem Unternehmen jährlich pro
Beschäftigten folgende Kosten entstehen:
• 
• 
• 
661 $ bedingt durch Fehlzeiten,
2278 $ bedingt durch medizinische Behandlungen
6771 $ bedingt durch eingeschränkte Arbeitsfähigkeit
(Präsentismus)
(Baase 2007)
28
Kosten chronischer Krankheiten
Durchschnittliche Kosten (in US-Dollar) durch
Medizinische
Behandlung
Absentismus
Präsentismus
insgesamt
Allergie
1.442
377
5.129
6.947
Arthritis
2.623
441
6.095
9.127
Asthma
1.782
383
5.661
7.870
Rücken- /Nackenschmerzen
2.249
839
6.879
9.975
Atemwegserkrankungen
2274
2.446
7.663
12.384
Depressionen
2.017
1.525
15.322
18.864
Diabetes
3.663
514
5.414
9.591
Herz-Kreislauf-Erkankungen
2.531
613
6.207
9.359
Migräne/ chronische
Kopfschmerzen
1.689
945
6.603
9.232
Magen-Darm-Beschwerden
2585
800
679
4.064
Quelle: Baase (2006)
29
© Bernhard Badura, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
Chronische Krankheit
(Baase 2007)
30
© Bernhard Badura, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
„Depressionen, Angstzustände und emotionaler Stress
führten zu den höchsten Beeinträchtigungen der
Arbeitsfähigkeit, aber auch Migräne und
Kopfschmerzen[…]“.
Baase 2007
31
© Bernhard Badura, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
„Depressionen, Angstzustände und
emotionaler Stress führten zu den höchsten
Beeinträchti-gungen der Arbeitsfähigkeit,
aber auch Migräne und Kopfschmerzen[…]“.
Ergebnis
1. 
Das untersuchte Unternehmen verliert jährlich durch
gesundheitliche Beeinträchtigungen 12% seiner
Personalkosten, in Euro ausgerechnet 8,8 Millionen.
2. 
Die durch Präsentismus verursachten Kosten sind 4 mal
höher als die, die durch Absentismus verursacht werden.
3. 
Psychische Beeinträchtigungen sind die größten Verursacher
bezahlter aber nicht geleisteter Arbeit.
4. 
Mit zunehmendem Alter der Belegschaft werden die Kosten
der durch Beeinträchtigungen entgangenen Arbeit weiter
steigen – wenn dem nicht durch ein professionelles
Betriebliches Gesundheitsmanagement entgegengewirkt wird
(Iverson et al. 2010).
32
• 
• 
Business Case: Unilever verliert 21 Tage
pro Mitarbeiter/in und Jahr (ca. 10% der
Jahresarbeitszeit) durch Absentismus und
Präsentismus, wobei das Verhältnis 1:3 ist.
Kosten (1Tag 250 €): ca. 7 Mio. €
Stress, Schlafprobleme und Depression sind
die Hauptthemen. Rückenschmerzen und
Gelenkschmerzen das zweitwichtigste
Handlungsfeld.
33
© Bernhard Badura, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
Ergebnisse der
Gesundheitsbefragung bei Unilever
Neben gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist
mangelhafte emotionale Bindung an den Arbeitgeber
bzw. die Menschen in einem Unternehmen die zweite
Hauptquelle entgangenen Leistungsvermögens.
34
Quelle: Gallup 2013. Online: http://www.gallup.com/strategicconsulting/160904/praesentation-gallup-engagement-index-2012.aspx
35
Folgerungen
1. 
2. 
Unternehmen benötigen verlässliche Daten über den
tatsächlichen Gesundheitszustand der
Anwesenden – nicht nur über die Zahl der
Abwesenden.
Unternehmen benötigen Daten über die
Wirkungsketten von Absentismus und Präsentismus
für ein ursachenorientiertes BGM.
36
Eisbergmodell im Berichtwesen
37
Risikofaktor Vorgesetzter
„Die Interaktion mit einem Vorgesetzten führte in neun
von zehn Fällen zu negativen Gefühlen wie Frustration,
Enttäuschung, Ärger, Traurigkeit, Widerwillen oder
Kränkung. Sie waren häufiger der Grund für Stress als
die Gäste, Arbeitsdruck, Vorschriften oder persönliche
Probleme“
(Goleman et al. 2003, S.32)
38
© Bernhard Badura, Universität Bielefeld,
Fak. f. Gesundheitswissenschaften
Risikofaktor Organisation bei der polizei
Methodik:
Arbeitssituationsanalyse
N = 1017,
Quelle: Bartsch N, Maier F, Pedal W (2012): Präv Gesundheitsf 2012/7: S.63
39
Risikofaktor Organisation
Quelle: Rixgens / Badura (2012)
40
Interessierte Selbstgefährdung?
Eine aktuelle Studie bei 2.800 Selbstständigen und
1.017 Angestellten aus der Finanzbranche zeigt:
• 
Angestellte haben einen signifikant schlechteren
psychischen Gesundheitszustand als Selbständige
(Wohlbefinden & Depressiver Verstimmung)
Quelle: Lüdemann (2014)
41
Was tun?
42
Leistungssteuerung (Führung)
Steuerung durch Vorgaben aus der Hierarchie und
durch direkte Kontrolle einzelner Arbeitsprozesse ist
nur eine Form der Leistungssteuerung.
In modernen Organisationen wird sie immer häufiger
ergänzt oder ersetzt durch
• 
• 
• 
• 
• 
• 
vorbildliches Verhalten
Entwicklung von Visionen
Pflege gemeinsamer Überzeugungen, Werte & Regeln
informelle Einflussnahmen
Förderung von Selbstorganisation in flachen Hierarchien
43
materielle Anreize
Ursachen bekämpfen
Mitarbeiter sind anwesend („präsent“), aber nicht voll
bei der Sache, weil Sie:
•  demotiviert bis ausgebrannt sind, z.B. wegen zu viel Arbeit, zu
wenig Anerkennung oder mangelhafter Sinnhaftigkeit ihrer
Arbeit;
•  sich über Vorgesetzte oder Kollegen ärgern, enttäuscht,
gekränkt oder verängstigt sind;
•  innerlich gekündigt haben, weil sie die Unternehmenskultur als
wenig vereinbar mit ihren eigenen Vorstellungen, Zielen und
Erwartungen erleben oder wenig Vertrauen in Kollegen und
Vorgesetzte haben;
•  unter physischen oder psychischen Beeinträchtigungen leiden;
44
•  private Sorgen haben.
Mitarbeiterführung entwickeln
Minimalqualifikation:
•  berechenbar sein
•  Zeit haben für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
•  nicht demotivieren
Maximalqualifikation:
•  Empathie besitzen
•  beigeisterungsfähig sein
•  inspirierend wirken
45
Organisationskultur
Vorrat an Gemeinsamkeiten
1. 
2. 
3. 
4. 
Transparenz, Beteiligung, Beförderung, Belohnung
Umgang mit Fehlern, Konflikten, Gesundheit, Kritik
Vertikale und horizontale Vernetzung,
Wissensaustausch
Fairness, Gerechtigkeit, Wertschätzung, Vertrauen,
Wir-Gefühl
46
Kultur entwickeln
Zur Entwicklung einer Kultur der Achtsamkeit für Gesundheit empfehlen
wir folgende Schritte:
1. 
Die Einrichtung eines Steuerkreises zur Investition der bereitgestellten
Mittel in bedarfsgerechte und professionell gesteuerte Projekte.
2. 
Kompetenzentwicklung zum Thema Arbeit, Organisation und
Gesundheit bei Führungskräften, Experten und Mitarbeitern.
3. 
Aufbau eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements zur Steuerung
einzelner Projekte zum Schutz und zur Förderung der Gesundheit.
4. 
Regelmäßige Organisationsdiagnose: zur Bedarfsermittlung und zur
Evaluation ergriffener Maßnahmen.
47
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
48
ISBN: 978-3-642-36912-54
49
© Bernhard Badura, Universität Bielefeld,
Fak. f. Gesundheitswissenschaften
BGM-Qualifizierungsprogramme
an der Universität Bielefeld
Aufbau und Etablierung der Programme wurden gefördert mit finanziellen Mitteln des
Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds
50